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From Grass to Grill

Text und Bild Jürgen Schmücking

Die Bisons von Siebenbürgen.

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Wenn Hans Kilger von seinen Bisons spricht, verwendet er oft die Worte »artgerecht« und »Freilandhaltung«. Das ist erst einmal verdächtig, weil es niemanden, wirklich niemanden gibt, der seine Farm oder seine Zucht nicht genau so bezeichnet. Alle Tiere auf allen Höfen und in der Werbung leben »artgerecht«, »nachhaltig« und in »Freilandhaltung«. Gähn. Aber die Art – das Amerikanische Bison – ruft Bilder hervor. Wilde Prärie, archaische Rinder. Buffalo Bill. Das weckt Interesse. Jürgen Schmücking wollte es genau wissen. Für biorama ist er nach Siebenbürgen gereist und sah, wie sie leben und wie sie sterben. Und damit das Bild vollständig ist, fuhr er auch gleich im Kühllaster mit, der die Schlachtkörper von Cluj nach Eibiswald in der Steiermark bringt.

Es geht frühmorgens los. Etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang. An diesem Ort und an diesem Tag bedeutet das, dass der Wecker kurz nach 3 Uhr läutet. Die Fahrt von Cluj (Klausenburg) nach Recea-Cristur ist holprig. Sie führt, sobald man das Stadtgebiet von Cluj verlassen hat, über leidlich befestigte Straßen und durch dunkle Wälder. Rudolf Karner, Jäger, Wildhüter und vor allem Betriebsleiter der Domaines Kilger, erzählt von den Anfängen der Bisonzucht. Über Rückschläge und Krankheiten. Von Lösungen und neuen Gefahren. Apropos. Bei Fahrtpausen bitte aufzupassen und tunlichst nicht zu weit vom Wagen weg. Wegen der Bären. Nur für den Fall des Falles. Rudolf Karner hatte nämlich bereits das Vergnügen und erzählt gern von seiner Begegnung.

Di e Weide: Freie Bahn für freie Ti ere Der Grund für die frühe Ausfahrt ist der Sonnenaufgang über den Hügeln Siebenbürgens. Die aufgehende Sonne taucht die Karpaten (in sicherer Distanz im Hintergrund) in ein zauberhaftes Licht. Auf den ausgedehnten Land

gütern der Domaines Kilger in Siebenbürgen wachsen und grasen nicht nur Bisons. Hier leben auch Büffel, Rothirsche und ausgefallene Arten wie tibetanische Yaks, Himalaya-Tahrs oder auch Watussi-Rinder beinahe wie in freier Wildbahn. Alle mit hervorragender Fleischqualität und außerordentlichem Geschmack. Irgendwann, wenn das Licht langsam die Oberhand über die Dunkelheit der Nacht gewinnt, tauchen sie auf. Plötzlich, fast unvermittelt stehen sie da und grasen. Für die Wildrinder ist konsequente Freilandhaltung

das wunder, das wir TÄGLIch essen…

Zwischen dem Schuss und dem Entbluten in der Mobilen Schlachtbox vergehen nur Sekunden. Der Weg zum Schlachthof dauert dann (noch) um einiges länger.

Alle Tiere auf allen Höfen und in der Werbung leben »artgerecht«, »nachhaltig« und in »Freilandhaltung«. Gähn.

ein absolutes Muss. Bisons brauchen enorm viel Platz zum Toben sowie eine Vielzahl an Kräutern, Gräsern und Mineralien, um gesund aufzuwachsen. Wobei die Bandbreite der Maßzahl »Weidefläche/ Rind« sehr groß ist. In den weiten Ausläufern der Karpaten leben die Familienverbände der Bisons mit durchschnittlich zwei Hektar Land pro Tier. Das ist beachtlich und deutlich mehr als auf vielen Farmen in Kanada, den usa oder anderswo in Europa, wo diese Zahl (im Schnitt) zwischen 0,5 und 3,5 Hektar pro Rind liegt.

Geschlachtet wird mit Weideschuss. Das garantiert eine stressfreie Betäubung und der stressauslösende Transport zum Schlachthof reduziert sich auf null Kilometer.

Ein Film von Harald Friedl

PREMIERENTERMINE

11.2. 18:30 Graz KIZ 12.2. 19:30 Wels Programmkino 13.2. 19:30 Steyr Citykino 17.2. 20:00 Citykino Linz 18.2. 19:30 Salzburg Das Kino 20.2. 20:00 St.Pölten Cinema Paradiso 26.2. 20:00 Retz Lichtspiele Retz

Premieren in Anwesenheit des Regisseurs

Der Schuss: Di stanz und V ertrauen Der Schuss selbst unterscheidet sich allerdings signifikant von anderen Varianten des Kugelschusses. Durchgeführt wird der Schuss direkt auf der Weide. Der Abstand zwischen dem Schützen und dem Bison beträgt oft mehr als 30 Meter. Der Schütze, meist der erfahrene Rudolf Karner oder einer seiner Jäger oder Jagdaufseher, nähert sich dem Tier von der Seite und zielt in kniendem Anschlag. Sein Zielpunkt liegt unterhalb, leicht hinter dem Ohr, wodurch – bei einem präzisen Treffer – das Stammhirn zerstört wird und Betäubung bzw. Hirntod unmittelbar eintritt. Danach wird der Bison mithilfe eines Vorderladers zur Mobilen Schlachtbox gebracht, wo ihm mit einem beherzten Schnitt durch die Kehle die Schlagader geöffnet wird. Nach etwa zehn Minuten ist der Bisonstier ausgeblutet und zum Transport bereit. 60 Minuten sind vorgeschrieben, um den Schlachtkörper von der Weide in den nach EU-Hygienerichtlinien zertifizierten Schlachthof zur Weiterverarbeitung zu bringen. Das geht sich aufgrund der Distanz zwischen Weide und Vertragsschlachthof zwar aus, aber nur äußerst knapp. Im Schlachthof wird das Fell abgezogen und die Ausweidung durchgeführt. Riesige hydraulische Scheren trennen die Gliedmaßen ab, und um den Schlachtkörper in zwei Hälften zu teilen, werden gigantische Motorsägen verwendet. Die rumänischen SchlachthausarbeiterInnen sind konzentriert und arbeiten schnell. Trotzdem dauert es über zwei Stunden, bis die Bisonhälften am Kettenband in den Kühlraum geschoben werden. Für Hans Kilger und Rudolf Karner ist der Schlachthof eine Notlösung. Das hat vor allem logistische Gründe. Der Weg von der Weide ist weit, die Abhängigkeit vom Partner groß. Aber wie gesagt: Die Partnerschaft mit Agro Invest, dem Schlachthausbetreiber, hat ein Ablaufdatum. Längst ist das Projekt des eigenen Schlachthofs in Recea-Cristur mehr als nur ein Wunschtraum. Die Pläne dafür, und zwar sowohl die Bau- wie auch die Finanzierungs- und Zeitpläne, liegen längst bereit. Dann muss Karner nicht mehr auf freie Slots im Fließbandschlachthaus warten; dann kommt alles aus einer Hand. Di e Fahrt: Entlang der Balkone des Balkan Am nächsten Tag wird das Fleisch in einen Kühllaster der Domaines Kilger verladen und auf den Weg nach Eibiswald geschickt. Nach einer Fahrt durch den Westen Rumäniens und durch Ungarn nimmt Hermann Kassler, der Fleischermeister, die wertvolle Fracht in Empfang, wetzt seine Messer und beginnt sofort mit der Zerlegung in verkaufsfähige Cuts und Stücke. Also zu Wurst, Steaks und Braten.

Man kann natürlich argumentieren, dass es wenig »regional« ist, Frischfleisch aus Rumänien zu importieren. Aber das Argument greift zu kurz. Räumt man dem Tierwohl die höchste Priorität in diesem Prozess ein, dreht sich das Bild sehr schnell. Das beginnt bei der Fütterung (weil für die Bisons in Siebenbürgen nirgendwo Futtergetreide angebaut werden muss). Die LandwirtInnen nennen das grassfed, und es funktioniert, weil die Physiognomie der Bisons dafür geschaffen ist, kurzes, karges und trockenes Gras zu fressen. Und weil sie (aufgrund des Weideschusses im Herdenverband) völlig stressfrei geschlachtet werden.

Der eingangs erwähnte Hans Kilger ist Unternehmer und Investor aus München. Eigentlich ist er Steuerprüfer. Wenn er auf seiner WeiRäumt man dem Tierwohl die höchste Priorität in diesem Prozess ein, dreht sich das Bild sehr schnell.

Damit der Laster nicht nur mit einem Schlachtkörper nach Österreich unterwegs ist, kommen auch gleich ein paar Wasserbüffel mit.

Zwei Tage unterwegs: Nachtfahrt durch die Pampa Rumäniens, Warteschlangen an der Grenze, acht Stunden Pflichtschlaf im Fernfahrerquartier und eine kurze Diskussion an der österreichischen Grenze.

de in Rumänien steht, kann es sein, dass sein Mobiltelefon läutet und irgendeine Anwältin oder irgendein Consulter irgendein Detail zu irgendeinem Big Deal wissen möchte. Kilger jongliert mit Unternehmen und Millionen. Als Landwirt ist er Quereinsteiger. Er hat sichtlich Spaß daran, etwas gefunden zu haben, bei dem er nicht ausschließlich Papier produziert. In der Steiermark und im Süden Burgenlands wird im Moment heftig investiert. Zwei Winzer, ein paar Gasthöfe, eine Fleischerei. Und eben die Farm in Rumänien. Der biologischen Landwirtschaft steht Kilger nicht ohne Skepsis gegenüber. Im Fall dieser Bisons würde sie allerdings auch kaum Nutzen generieren. Einerseits sind die Weideflächen so groß, dass das gleiche Problem auftritt wie bei der Jagd. Man müsste großflächig forstwirtschaftliche Nutzflächen zertifizieren, wofür das Kontrollregime der Biolandwirtschaft derzeit nicht ausgelegt ist. Andererseits fressen die Bisons, was der Boden hergibt, und die Hügel sind völlig unbearbeitet. In ökologischer Hinsicht würde ein Biozertifikat hier keinen Unterschied machen. »Angekommen« ist Hans Kilger allerdings noch lange nicht.

Neue Flächen in Siebenbürgen, weitere Arten, noch mehr Bisons. 2000 ist die Herdengröße, die Hans Kilger erreichen will. Während er das sagt, lässt er seinen Blick – fast verträumt – über die waldigen Hügel Siebenbürgens gleiten. Er wirkt entschlossen und zuversichtlich. Wie immer. Das Herz des Bisons in Hermann Kasslers Hand. Zwei Tage später schmorte es in Olivenöl. Fast genauso lange, wie es von Rumänien nach Österreich unterwegs war.

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