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Der Tod gehört zum Leben.
Ausgabe 62 | KOSTENLOS – ABER ABONNIERBAR – biorama.eu | www.facebook.com/ Biorama
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Der Tod gehört zum Leben
Erwachsenen fällt es mitunter schwer, mit Kindern über den Tod zu sprechen. Einfühlsame Kinderbücher zeigen Möglichkeiten auf, mit ihm umzugehen.
Text Irene Maria Gruber
Wenn geliebte Menschen schwer krank sind oder plötzlich sterben, ein Haustier für immer verabschiedet werden muss oder die Hauskatze ein Mäuschen vertilgt, machen Kinder schmerzliche Erfahrungen, die Krisensituationen auslösen können. Kleinere Kinder haben begrenzte Vorstellungen und erwarten, dass der Tote wieder zurückkehrt. Erst mit etwa fünf Jahren wird die Endgültigkeit des Todes fassbar – vier Buchempfehlungen für dieses Alter.
»Wo gehst du hin, Opa?« (Ab 4 Jahren), fragt Emmi im Bilderbuch von Brigitte Endres ihren schwer kranken Großva ter. Er spricht über das Ungewisse, das nach dem Tod auf ihn wartet. Vielleicht sieht er an dem Ort, an dem er ankommt, alle gelieb ten Menschen wieder, die schon tot sind, oder die Reise geht in ei nen paradiesischen Garten. Mögli cherweise blinkt Opa als Stern am Nachthimmel oder er wächst als Baum. Emmi fällt der Ab schied schwer, aber sie lernt zu verste hen, dass ihr Opa von dieser Welt gehen muss.
Dein Abschied von der Welt
Ein Denkanstoß für den Umgang mit dem Tabuthema der eigenen Endlichkeit.
Text Annemarie Harant
Sterben und Tod sind ein Tabuthema und gerade in jungen Jahren haben wir ande res zu tun, als uns mit der eigenen Ver gänglichkeit auseinanderzusetzen. Aber gerade wer bei den Eltern bereits einen To desfall erlebt und einen Nachlass geregelt hat, denkt vielleicht darüber nach, das eigene Ab leben für die zurückbleibenden Liebsten so geregelt wie möglich zu gestalten. Denn nach dem ersten Schock werden die Verbliebenen automatisch zu Sherlock Holmes auf der Su che nach Indizien für Dokumente, Passwörter oder Kontaktdaten. Zur Erleichterung dieser programmierten Überforderung und Detektiv arbeit kann jede und jeder etwas tun.
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit hier ein paar Beispiele und Denkanstöße für jede und jeden selbst bzw. vielleicht auch für ein Gespräch mit den Eltern. Denn irgendwann werden wir alle mit dem Thema Tod konfron tiert – die einen früher, die anderen später – und manchmal ist es auch das eigene Leben, das früher als erwartet auf dem Spiel steht. Ob wir wollen oder nicht und so hart es auch klingt: Ein Todesfall – und damit auch un serer – muss mit allen bürokratischen Hür den »abgewickelt« werden. Denn wie es so schön heißt: »Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare …«
Notfalladressen und Kontaktdaten Der Klassiker im Geldbeutel: Wer ist im Notfall zu kontaktieren? Gerade wer viel reist oder allein im Ausland ist, ...
Grünere Bestattung– Was ist erlaubt?
Text: Iris Eichtinger und Irina Zelewitz
Nachhaltiger Lebensstil geht mittlerweile über den Tod hinaus. Das Angebot umweltfreundlicher Bestattungsverfahren steigt. Nicht alle sind hierzulande legal, doch der Abschied von der Welt lässt sich zunehmend individuell gestalten.
»Um weltfreundliche« Erdbestattung
Eine Erdbestattung zieht einige negative Umwelteinflüsse mit sich: Durch Sarg und Kör per können Schadstoffe in den Boden und sogar das Grundwasser gelangen, Transport und Fer tigung des Sargs verursachen CO 2 -Ausstoß und anorganische Sargbestandteile werden nicht abgebaut. Särge aus organischen Substanzen wie Bambus, Bananenblättern oder Ananasfa sern sowie Griffe aus Holz statt Metall sollen umweltfreundliche Alternativen schaffen.
Seebestattung
Bei einer Seebestattung wird die Asche der oder des Verstorbenen klassischerweise auf See verstreut. Auch die Asche, die beim Verstreu en als Rest in der Urne bleibt, kann samt biologisch abbaubarer Urne dem Meer übergeben werden. Grundsätzlich legal ist das nicht nur in Nord- und Ostsee, sondern auch im Mittelmeer und in den sogenannten Weltmeeren – auch wenn man keinem Anrainerstaat angehört. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind außerdem sowohl Seebestattungen in Seen als auch Flussbestattungen erlaubt.
Baumbestattung
Der Bestattungswald ist unter anderem auch als Ruhewald, Friedwald und Ruheforst bekannt und sowohl in Deutschland, als auch in Österreich und der Schweiz ist ihre Einrichtung legal. Man kann sich den Wald, in dem man begraben sein möchte, allerdings keineswegs aussuchen – Die Umwandlung eines Waldstückes in einen Bestattungswald bedarf einer Genehmigung. Verlockend daran auch: Es gibt eine Art Grabstätte, doch die Grabpflege übernimmt die Natur. Wer durch sein Ableben auch gleich noch einen Beitrag zur Finanzierung eines Schutzgebietes leisten möchte, wird unter anderem hier zur Ruhe kommen: ruheforst-huemmel.de
Promession
Eingefroren statt eingeäschert: Bei der alternativen Bestattungsform »Promession« wird die oder der Verstorbene durch flüssigen Stickstoff bei einer Temperatur von -196 Grad Celcius schockgefroren. Durch diesen Vorgang zerfällt der Körper schnell zu einer pulvrigen Substanz, aus der Wasser und Schadstoff wie Quecksilber oder Amalgam herausgefiltert werden können. Die Überreste sind nun umweltverträglich und können innerhalb eines Jahres biologisch völlig abgebaut werden. In Schweden ist diese Art der Bestattung im Gegensatz zu Deutschland und Österreich bereits zugelassen.
Resomation oder alkalische Hydrolyse
Bei der »Resomation« oder auch »alkalischen Hydrolyse« wird der Körper der oder des Verstorbenen durch rund 150 Grad Celsius heiße Kalilauge zersetzt. Knochenreste, die bei diesem Vorgang übrigbleiben, können im Anschluss zu »Asche« pulverisiert werden. Schadstoffe können ebenfalls leicht aussortiert wer den. Auch diese Variante gilt als äußerst um weltschonende, sie ist allerdings nur in Kanada, Großbritannien und den USA erlaubt.
Elternalltag:
Die Millisekunde
Text Ursel Nendzig
Was, wenn jemand stirbt? Das hätte ich mir auch nicht gedacht, dass die Antwort auf diese Frage sich so gravierend ändern kann.
Es gibt eine lange, scheinbar sogar endlose Liste der Dinge, die sich ändern, sobald man ein Kind be kommt. Erst vor ein paar Tagen habe ich darüber mit meiner Freundin M. gesprochen, die gerade zum ersten Mal schwanger ist. Man muss da ja immer ein bisschen aufpassen, was man sagt, eine gute Balance finden zwischen Ehrlichkeit (Einlauf, Damm riss, wunde Brustwarzen etc.) und trotzdem keine Angst machen (Einlauf, der am Gang wieder aus läuft, Dammriss, der nach Jahren noch spürbar ist, Brustwarzen, die nicht nur wund sind, sondern bluten, Nachtwache, die sich wie Folter anfühlt, etc.). Jedenfalls ging es bei unserem Gespräch nicht nur um diese körperlichen Veränderungen, sondern um die echten, die, die wirklich alles auf den Kopf stellen, die vielen Gefühle, die da plötzlich sind und die man nicht mehr wegbekommt.
Ganz vorne mit dabei: Verlustangst. Es ist so was von unglaublich, dass etwas, ohne das man jahrelang ganz wunderbar gelebt hat (das Baby), sich plötzlich, und zwar von null auf drei tausend, ganz vorne reinschiebt in die Wichtigkeits-Skala. Dass in der gleichen Millisekunde, in der das Muttergefühl, die ganze Liebe, das ganze Oooooh ein schießt, auch diese schrecklichste aller Ängste auftaucht: es wieder verlieren zu können. Dass sich plötzlich der potenzielle Verlust dieses bis vor zwei Millisekunden noch unbekannten Wesens schlimmer anfühlt, als selber zu sterben. Und dass sich das bis ans Lebensende, also das eigene, nicht mehr ändern wird.
Die Kinder selber wiederum haben dafür einen superentspannten Umgang mit diesem Thema, Kontrastprogramm. Und wie auch noch! Zwischen meiner eigenen, mütterlichen, neuen Sicht auf die Endlichkeit und der frischen, naiven der Kinder. Wurde es für mich zum fiesen Endlichkeits-Reminder, eine tote Maus zu sehen (ich berichtete an dieser Stelle bereits davon), war es für die Söhne pure Faszination. Wurde der Besuch des Grabes meiner Schwiegermutter für mich zur reinsten Emo-Achterbahnfahrt, war den Söhnen dort vor allem: fad. Sie sprangen herum und rechneten aus, wie alt die Menschen geworden sind, die da unter der Erde liegen, Wettbewerb inklusive: Wer findet den jüngsten, wer den ältesten. Und mein Herz: schwer wie Blei. Spannenderweise beobachte ich zurzeit, wie sich der Umgang mit dem Tod bei den Söhnen unterscheidet. Der eine, sechs Jahre alt, nach wie vor sehr locker mit tot oder nicht tot. Der andere, neun, jetzt schon ehrfürchtiger. Vor Kurzem blieben sie zum ersten Mal für mehrere Tage bei ihrer Oma, und dort, beim Ein schlafen, kamen dem großen Sohn die großen Gedanken: Was, wenn jemand stirbt? (Pragmatische Antwort der Oma: Ach, es stirbt doch ständig und überall jemand.) Ich denke mir: Was, wenn ich heute sterben würde? Ich hätte vor allem Angst davor: dass meine Söhne dann traurig wären. Das gehört wohl zu der Kategorie, von der ich meiner Freundin M. nicht erzähle. »Wurde es für mich zum fiesen Endlichkeits-Reminder, eine tote Maus zu sehen, war es für die Söhne pure Faszination.«