Herzog & de Meuron Elbphilharmonie Hamburg

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Speicherstadt und Kaispeicher A

Reihenhäuser und Lagerhäuser an der Deichstraße

Der Kaiserspeicher, 1889

Der Freihafen von Hamburg, Anfang 20. Jahrhundert

Der Kaiserspeicher wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört

Die Lagerhäuser der inzwischen denkmalgeschützten ­Speicherstadt ahmen mit ihren Fassaden die Sprache städtischer Bauten nach. Auf einer Landzunge am vordersten Punkt des Hafens wurde 1875 der Kaiserkaispeicher mit seinem k­ irchenartigen Turm in Betrieb genommen. Der 1943 von Bomben schwer beschädigte Bau wird nach dem Krieg ­ab­gebrochen und bis 1966 durch einen funktionalistisches ­Lagerhaus von Werner Kallmorgen ersetzt. 36

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Kaispeicher A, fertiggestellt 1966

Der klobige Backsteinbau wird vorwiegend für die Lagerung von Sack- und Stückgut, vor allem von Kakao und Kaffee, ­gelegentlich auch von Tee genutzt. Für die Löschung der Fracht dienen vier Halbportalkräne, die auf dem Gebäude aufsitzen, auf Schienen laufen und die Fracht über vertikale aufklappbare Ladeluken in die einzelnen Stockwerke befördern. Über eine tief gezogene offene Front im Erdgeschoss wird die Ware weiter verladen. 37

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Konzepte

Für die Konzertsäle werden mit Modellen Varianten untersucht, die zeigen, wie die Volumen auf dem Kaispeicher aufsitzen können. Ein Konglomerat von Objekten auf eine Basis zu stellen, erweist sich als weniger sinnvoll als ein einziger Körper, der die Philharmonie in eine kommer­zielle Mantelbebauung integriert. Er soll jedoch nicht in das ­gesamte Volumen eingegossen und von einer getrennt entwickelten Form überdacht sein; vielmehr wird nach

Möglichkeiten gesucht, mit denen die Konzertsäle die ­Bewegungen der Dachform auslösen können, ähnlich wie ein Tropfen, der Wellen verursacht, wenn er ins Wasser fällt.

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Die Statik erweist sich als besonders komplex. Der Kaispeicher hat ein sehr enges Stützenraster, die Konzertsäle bestehen aus großen stützenfreien Räumen, um die die Kräfte herumfließen. Die Architekten suchen nach ­Möglichkeiten, diese statische Grundlage konstruktiv zu ­nutzen. Die vertikalen Erschließungskerne lassen sich nicht einsetzen, um die Stahlträger zu halten. Ein Modell zeigt die Konzertschalen in einem Wald aus Kraftlinien,

die vom Kaispeicher nach oben weitergezogen sind. Die Architekten verbinden die Kraftflüsse der Säle und des Kaispeichers später durch schräge Stützen auf der Plaza. In frühen Modellen sind die inneren Formen noch durch die Hülle spürbar.

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Großer Saal

Mock-up der Orgel (11.2010)

04.2016

Die Konzertsaalorgel der Elbphilharmonie kommt von der traditionsreichen Bonner Orgelbauwerkstatt Klais. Sie erstreckt sich über vier Etagen und verfügt über 69 Register, die aus 4765 Pfeifen bestehen. Die kleinste misst 11 Millimeter, die größte über 10 Meter. 380 sind aus Holz, die ­übrigen aus Zinnlegierungen. Sie sind zu verschiedenen Werken zusammengefasst. Das Gesamtgewicht der Orgel beträgt 25 Tonnen. Dennoch wirkt sie nicht wuchtig. Ein

großer Teil des 15 × 15 Meter großen Instruments ist hinter durchbrochenen Akustikplatten verborgen. Der feste Spieltisch wird von einem mobilen auf der Bühne ergänzt.

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Die große Konzertorgel ist nicht als sakrales Objekt ­aus­gestellt, sondern in Form und Material in die Raum­ architektur eingebunden und in die Wand zurückgenommen. Sie soll nicht als Instrument im Saal exponiert werden, sondern diesen als ganzen zum Instrument machen und zum Klingen bringen. Holzwerk und kleine Pfeifen be­finden sich hinter der Wand, die großen Pfeifen davor. ­Besucher können nahe herangehen und durch die durchbrochenen

Akustikplatten hindurchschauen. Bei Orgel­konzerten leuchten Lichter die Orgel von hinten an und lassen die Besucher sehen, was geschieht.

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Großer Saal

06.2016

06.2005

05.2007

Die Höhe des Saales macht es erforderlich, die Decke über dem Orchester akustisch auf eine Höhe von etwa 15 Metern abzusenken. Dazu entscheiden sich Herzog & de Meuron gegen die gängigen Akustiksegel und ent­werfen als skulpturale Lösung einen zeitgenössischen Kron­­leuch­ ter, der überdies eine Fülle von Funktionen ­aufnimmt: Der Klangreflektor enthält Scheinwerfer, die Lichtpools bilden, und er reflektiert Licht aus zwei Deckenfugen.

In ihm sind Lautsprecher, Mikrofone, Hänge­punkte für schwere Lasten sowie das Fernwerk und ein kleiner Teil der Orgel, inklusive Pfeifen, enthalten. L ­ eiter und Catwalk erleichtern im Inneren des Reflektors die Bedienung.

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Deckenplan (Maßstab 1:150)

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Fassade

Von der überragenden Lage der Elbphilharmonie profitieren auch die Musiker. Anders als in vielen Philharmonien sind die Backstage-Räume für sie nicht im Keller und ­anderen ungeliebten Orten untergebracht, sondern liegen zu einem großen Teil entlang der Fassade. Von Kantine, Nassbereich und Balkonen haben die Musiker einen freien Blick auf Hamburg und seinen Hafen. So abwechslungsreich die stimmgabelförmigen Öffnungen die Fassade von

außen erscheinen lassen, so willkommen ist der geschützte Aufenthalt an der frischen Luft, den sie ermög­ lichen. Zum direkten Lüften stehen auch kleine, ovale Klappflügel zur Verfügung.

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Loggia- und Klappflügel-Details (Maßstab 1:60) 157

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