Der Schlepper Sonderheft zum Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein 2009

Page 1

Son

der

hef

Dokumentation der Veranstaltung

„Öffentliches Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein – eine Zwischenbilanz der Landespolitik“ am 29. Oktober 2008 im Landeshaus Schleswig-Holstein, Kiel

ØV Ì }ÃÀ>Ì

-V iÃÜ } ÃÌi Êi°6°

Der Beauftragte für Flüchtlings,Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein

t


Editorial Impressum

Im Oktober 2008 hat der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Landeszuwanderungsbeauftragten und dem Bildungswerk anderes lernen der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein ein landesweites migrationspolitisches Hearing veranstaltet. Migrationsfachdienste, Bildungsinstitutionen, Verbände, Flüchtlings- und MigrantInnenselbstorganisationen aus Schleswig-Holstein waren eingeladen, aus ihrer jeweiligen fachlichen Sicht Stellung zur „Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein“ zu beziehen. Auch die relevanten Ministerien des Landes Schleswig-Holstein sind der Einladung gefolgt, ihrerseits im Kieler Landeshaus Stellung zu den vorgebrachten Lagebewertungen zu beziehen. Im Anschluss diskutierten VertreterInnen der Landtagsfraktionen Schleswig-Holsteins die somit von Nichtregierungsorganisationen und obersten Landesbehörden vorgegebene Zwischenbilanz zur Migrations- und Flüchtlingspolitik. Darüberhinaus haben über 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger an der öffentlichen Veranstaltung teilgenommen. Die hier vorgelegte Dokumentation enthält sämtliche Vorträge und Diskussionsbeiträge des Hearings. Die themenspezifischen Stellungnahmen der NGOs waren im Vorwege den Ministerien und Landtagsfraktionen zur Verfügung gestellt worden. Die Beiträge der Ministerien und Fraktionen wurden durch Transkription der Filmaufnahmen des Offenen Kanal Kiel verschriftlicht. Ein herzlicher Dank für diese ehrenamtlich erbrachte Arbeit geht an Daniela Nickel, Svea Flämig und Johanna Boettcher. Diese Broschüre soll nicht nur den am Hearing aktiv Beteiligten sondern den im gesamten Bundesland in der solidarischen Flüchtlingshilfe engagierten Personen, Gruppen, Einrichtungen und nicht zuletzt den zuständigen Verwaltungen und FachpolitikerInnen als nützliche Handreichung dabei dienen, die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen im Land besser zu verstehen. Die Dokumentation gibt einen Überblick über integrationsspezifische Arbeitsfelder, best practise, Problembereiche und zeigt Handlungsbedarfe für die Zukunft auf. Im Namen der VeranstalterInnen Andrea Dallek Projekt Landesweite Beratung im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Kiel im Herbst 2009

Die Dokumentation des Öffentlichen Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein - Eine Zwischenbilanz der Landespolitik erscheint außer der Reihe als Sonderausgabe des Quartalsmagazins für Migration und Flüchtlingssolidarität in Schleswig-Holstein – DER SCHLEPPER. Herausgeber ist das Projekt „Landesweite Beratung“ beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk anderes lernen der HeinrichBöll-Stiftung Schleswig-Holstein und dem Landeszuwanderungsbeauftragten von Schleswig-Holstein. Redaktion: Andrea Dallek (schlepper@frsh.de), Martin Link (V.i.S.d.P.) Fotonachweis: Titelbild von Martin Link, Fotos im Innenteil von Andrea Dallek und dem Offenen Kanal, Kiel Druck: hansadruck, Kiel Der Schlepper online im Internet: www.frsh.de/schlepp.htm Diese Dokumentation ist gefördert durch den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, das Bildungswerk anderes lernen der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, den Landeszuwanderungsbeauftragten, die Stiftung :do und BingoLotto Schleswig-Holstein. Redaktionsadresse und Bezug: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Oldenburger Str. 25, D-24143 Kiel, Tel.: 0431-735 000, Fax: 0431-736 077, schlepper@frsh.de, www.frsh.de


Zusammenfassung der Stellungnahmen Andrea Dallek, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.....................................................................................................3

Grußwort Wulf Jöhnk, Zuwanderungsbeauftragter Schleswig-Holstein ..............................................................................7

Themen-Block I Schule und Bildung - Medi Kuhlemann, Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein .........................................................8 - Özgül Koyunoglu, LAG-Projekt Mercator ........................................................................................................ 11 Arbeitsmarktzugang - Farzaneh Vagdy-Voß, Netzwerk NOBI, Projekt access ...................................................................................13 - Idun Hübner, ZBBS, Netzwerk Land in Sicht! .................................................................................................16 Situation von Migrantinnen - Gisela Nuguid, Mondfrauen Norderstedt .......................................................................................................20 - Nurcan Kurun, Treff- und Informationsort für Migrantinnen (TIO) ..................................................................22 - Claudia Franke, contra...................................................................................................................................24 Stellungnahmen der thematisch zuständigen Ministerien: - Jan Stargardt, Ministerium für Bildung und Frauen ........................................................................................27 - Regina Selker, Ministerium für Bildung und Frauen .......................................................................................29 - Norbert Scharbach, Innenministerium ...........................................................................................................31

Themen-Block II Aufenthaltsrecht und Verwaltungspraxis - Georg Falterbaum, LAG der Wohlfahrtsverbände...........................................................................................32 Flüchtlingspolitik, Illegalisierte und HFK - Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein .............................................................................................34 - Fanny Dethloff, NEK Flüchtlingsbeauftragte ..................................................................................................40 Traumatisierte Flüchtlinge - Hajo Engbers, Refugio ...................................................................................................................................43 - Dr. Wolfgang Neitzel, Diakonieverein Pinneberg ............................................................................................45 Stellungnahmen der thematisch zuständigen Ministerien: - Norbert Scharbach, Innenministerium ...........................................................................................................47 - Dr. Klaus Riehl, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren ........................................................................................................................50

Themen-Block III Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - Elisabeth Hartmann-Runge, lifeline e.V. ......................................................................................................... 51 Diskriminierung – Erfahrungen in Schleswig-Holstein - Anita Gruber, Institut für interkulturelles Training ..........................................................................................55 - Dr. Cebel Kücükkaraca, Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein .................................................................59 Gesamtschau MSB und Integrationskonzept - Georg Falterbaum, LAG der Wohlfahrtsverbände...........................................................................................60 Stellungnahmen der thematisch zuständigen Ministerien: - Norbert Scharbach, Innenministerium ...........................................................................................................62 Stellungnahmen der Politik - Wilfried Wengler, CDU ..........................................................................................................................................65 - Klaus-Peter Puls, SPD ..........................................................................................................................................67 - Günther Hildebrand, FDP ....................................................................................................................................70 - Angelika Birk, Bündnis 90 / Die Grünen...............................................................................................................72 - Anke Spoorendonk, SSW......................................................................................................................................75

Anhang: Auszüge aus der Podiumsdiskussion ......................................................................................................................77 Adressen der Mitwirkenden....................................................................................................................................88

Inhalt

Inhaltsverzeichnis


Einladung $

,*$ "%&*# 9

(

! "#$ "%&%' ( ,' #* ** + ) ! *%'& + ,' .* ,, '& *% - ! / 01

" %

! 23 3

4 $ 1

1 1 5

$ : 3 "$ %' $ % %& 1 ; #& + 5 ! &* 3 ! < ! "* 3 ! : : $ = > "&# $ 3 3 3 = ,$ > + ( = ,$ > ? "&* ( $ @ 3

= %*% > + "& + ( 3 + = 5 ;

# $ &" $ # ' ( )

+../ * +, -)

% 01 .. 2 , .. ; $ %&*# ( $ " *$ , 9

7 6 1 8 ; : > < 2

A /@ 1

3 B 3

? 3 3 A 1 3 3 ' C 3 3 1 : $ B 3 > 1 D 3 ? > 3 "**. $ 1 E = = 3 : "**, 3 F : 3 ? B G?B H 3 > 33 5 B < 3 3 G5B<H 1@ D > $ 3 > 5 : : ! : 5 : 811 3 : : $ ) 3 3 ?= < I : ! ) 3 F B 3 !

3

% = $ < 3 1 4 & C $ < 3 1 F ( $ < 3 1

C :$ A ? / $ 3 ! ( 3 = $ < 5 $ 3 1 : $ 3 $ C

6

% ! 2 < $ @ ( !=!

, .. 2

7 3 $ 8 1

, 08 2 5 7 9 1 C8 $ 1 1

5 $ 4 1

, 9. 2 : & )

< ( 3 $ C : ( J: ( 4 $ D <

: F 4 F I$ ? : ? B$ ?! ?!$ A= =B)E)B K A $ ? :

D ? $ ? ( < 1 ? $ ) 11 B 1 3 < 1 K G)B H

$

$ % # ; 0. <8 2 6 00 .. 2 : & )

D 3$ D 9 1 > @ ! # $ < $ % & 4 11$ ?A( 1 ' A $ = 1 ! 9 1 ? : $

>

2

$ # ; % 0+ 08 2 % ( 09 08 2 : & )

( A )* ! 3 =

$ 1

!F! + , - .% D

$ B ! K ( 1 )

$ )

D 3

/

$ D 3$ D 9 1 > @ $

% # ; 0< 08 2 6 0< 9. 2 ' $

L 0< <8 2 $ 6 ) 9 1 9 ( $ K 2 D $ $ ( < $

M* + / D $ 9

08 9. 2 6 08 <8 2 6

) ) 8

/ F F ?= B 3 D / @ ! 0

1 .. 2 3


Zusammenfassung der Stellungnahmen zum „Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein“ am 29.10.2008 im Kieler Landeshaus Vorbemerkung zu dieser schriftlichen Version: Folgende Organisationen, Gruppen und Institutionen haben am 29.10.2008 eine Stellungnahme gehalten: Schule und Bildung: Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein; LAG-Projekt Mercator Arbeitsmarktzugang: Netzwerk NOBI, Projekt access; DER PARITÄTISCHE, Netzwerk Land in Sicht! Situation von Migrantinnen: Mondfrauen Norderstedt; Treff- und Informationsort für Migrantinnen (TIO); contra Aufenthaltsrecht und Verwaltungspraxis: LAG der Wohlfahrtsverbände Flüchtlingspolitik, Illegalisierte und HFK: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein; NEK Flüchtlingsbeauftragte Traumatisierte Menschen: Refugio Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: lifeline e.V. Diskriminierung – Erfahrungen in Schleswig-Holstein: Institut für interkulturelles Training; Türkische Gemeinde SchleswigHolstein Gesamtschau MSB und Integrationskonzept: LAG der Wohlfahrtsverbände VertreterInnen der Ministerien: Ministerium für Bildung und Frauen; Innenministerium; Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren Sehr geehrte Damen und Herren, − Die Residenzpflicht wurde mehrfach genannt, ein Vorschlag wäre die Abschaffung bzw. Ausweitung auf ganz Schleswig-Holstein.

ich werde nun versuchen, die zentralen Punkte der vielen heute gehörten Statements zusammen zu fassen. Dabei werde ich schlaglichtartig erst die Punkte nennen, die fächerübergreifend genannt wurden. Anschließend werde ich auf spezielle Probleme und Forderungen der einzelnen Themenbereiche eingehen. Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Meine Grundlage sind die im Vorwege schriftlich eingereichten Stellungnahmen. Wir bemühen uns, diese schnell zu veröffentlichen.

Gefordert wird die − interkulturelle Schulung von (Behörden-) MitarbeiterInnen, − Fremdsprachenangebote in Behörden und Beratungsstellen und − die vermehrte Einstellung von MigrantInnen in öffentlichen Behörden. Diese drei Punkte liegen in der Kompetenz des Landes.

Mehrfach genannt und damit als Hauptthemen einzuschätzen sind: − Die Benachteiligung von Flüchtlingen und MigrantInnen beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (besonders zu nennen sind hier die Gruppen der Kinder- und Jugendlichen, Bleiberechtsungesicherten und Frauen). − Die Zeit des Asylverfahrens oder die Zeit mit einem ungesicherten Status kann nicht für Bildung und Qualifikation genutzt werden. − gerade Jugendliche können so keine beruflichen und Lebensperspektiven entwickeln.

Als problematisch wird angesehen: − Die Praxis der Familienzusammenführung, − das Fehlen eines ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrechtes, − die Verschärfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und − Opferschutz losgelöst von Aufenthaltsfragen und Residenzpflicht. Weitere Hauptforderungen der Stellungnahmen sind − der Ausbau des Beratungsnetzes (sowohl in Bezug auf

3

Zusammenfassung

Andrea Dallek Projekt Landesweite Beratung Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein


− Eine Rechtsberatung für Migrantinnen, die sich trennen wollen, fehlt. − Bei dem Lebensunterhalt für von Menschenhandel betroffenen Frauen aus den neuen EU-Ländern müssen die Verfahrensabläufe geprüft und ein Erlass zur Regelung entwickelt werden.

die Anzahl der Stellen, der Themen und der Zielgruppen. Grundlage der Beratung muss ein angstfreier Raum sein.) − Integrationsangebote werden auch für (bleiberechtsungesicherte) Flüchtlinge gefordert. Beide Forderungen liegen in der Kompetenz des Landes. Insgesamt lässt sich kritisieren, dass das Zuwanderungsgesetz einen restriktiven Charakter zeigt: die Integrationspflicht wird benannt, die Integrationsförderung dagegen nicht.

Anmerkungen der Ministerien: Es gab eine deutliche Zustimmung der anwesenden Ministerien (Frauen-, Bildungs- und Innenministerium), die genannten Probleme sind bekannt und es wird an ersten Lösungen gearbeitet.

Im Themenbereich Schule und Bildung wurden über die schon genannten Punkte hinaus folgende Aspekte angesprochen: − Fortbildungen für Lehrkräfte sind nötig (jede Lehrkraft ist SprachlehrerIn); − finanzielle Mittel werden für Forschung und Veränderungen gefordert: konkrete Beispiele sind kleinere Klassen, sozialpädagogische Fachkräfte, Elternarbeit. − Für die Integration von „Deutsch als Fremdsprache“, Sprachförderung, Interkulturalität in LehrerInnenausbildung wurde das Mercator-Projekt als Beispiel beschrieben.

Zum Thema Aufenthaltsrecht und Verwaltungspraxis lassen sich unter dem Titel „Problemlagen im Zuwanderungsgesetz“ folgende Punkte zusammenfassen, die Änderungen auf Bundesebene bedürfen: − Kettenduldungen bleiben bestehen, die Bleiberechtsregelung gilt nur für erwerbsfähige SelbstversorgerInnen. − Die Beachtung des Kindeswohls ist unzureichend beim Blick auf Aufenthaltserlaubnisse für in Deutschland geborene Kinder und − der Umgang mit dem Datenschutz bei Visumsverfahren wird kritisiert.

Beim Thema Zugang zum Arbeitsmarkt wurden folgende Probleme aufgezeigt: − die fehlende Anerkennung von Abschlüssen und − die Integrationbehinderung besonders von bleiberechtsungesicherten Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt. − Es gibt die Sorge um das Gelingen der gesetzlichen Altfallregelung.

Im Bereich Flüchtlingspolitik, Illegalisierte und Härtefallkommission wird als problematisch benannt, dass die: − Anzahl der „Illegalisierten“ zunehmen wird, − dass durch die zentralisierte Wohnverpflichtung und den Verbleib vieler Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünfte des Landes die Integration behindert wird; die dezentrale Unterbringung in Schleswig-Holstein wird gefordert. − Die Widerrufspraxis wird kritisiert − und es wird befürchtet, dass die „Bleiberechtsregelung für SelbstversorgerInnen“ neue Fälle für die Härtefallkommission schafft.

Folgende Forderungen lassen sich zusammenfassen: − Die (Nach-)Qualifikation von MigrantInnen muss in Schleswig-Holstein möglich werden und die − Praxis der Arbeitsverbote und nachrangigen Arbeitserlaubnisse sollten aufgehoben werden. Leider ist vom Referat für Arbeitsmarktpolitik des zuständigen Ministeriums heute keine Vertretung erschienen, so dass wir hier keine aktuellen Positionen in die Diskussion einfließen lassen können.

Gefordert werden unter anderem − die Entfristung der gesetzlichen Altfallregelung, − die Entschlackung der gesetzlichen Bleiberechts- und der Härtefallregelung von Ausschlusskriterien, − auf schleswig-holsteinischer Ebene die Umsetzung eines Resettlement-Programmes und der − Verzicht auf das Ausreisezentrum in Neumünster.

Zur Situation der Migrantinnen wurde ergänzend zu den eingangs aufgeführten Punkten folgendes Problem benannt: − Die Anforderungen für eine Aufenthaltsverfestigung ist für Migrantinnen aufgrund ihrer Situation schwer zu erbringen. Folgende Forderungen lassen sich zusammenfassen: − Die Lebensumstände von Frauen und Mädchen im Asylverfahren müssen verbessert werden (Stichpunkt: Frauenräume statt Gemeinschaftsunterkünfte). − Es sollten ausdrückliche Integrationsangebote für (geduldete) Frauen (auch mit Kinderbetreuung) geschaffen werden.

Anmerkungen der Ministerien: Hier wird von Herrn Scharbach (Innenministerium) ein Dissenz in den Grundforderungen festgestellt und die Entscheidung für oder gegen eine aktive Flüchtlingsaufnahme auf Bundes- bzw. europäischer Ebene gesehen.

4


Anmerkungen der Ministerien: Leider lässt sich auch das Jugendministerium entschuldigen und gibt keine Stellungnahme ab. Herr Scharbach deutet zum Thema Clearingstelle konstruktive und zielführende Gespräche zwischen Jugend- und Innenministerium an, die nicht in der Öffentlichkeit geführt werden. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse dieser Gespräche.

Kommen wir zu den traumatisierten Schutzsuchenden. Hauptprobleme sind − das Grunddilemma, dass das traumatisierende Erlebnis in der Anhörung detailliert und widerspruchsfrei erzählt werden soll, die Folgen der Traumatisierung gerade dies aber verhindern. − Die frühzeitige Erkennung und Anerkennung von Traumata wird als nötig bezeichnet, − der Zugang zu Psychotherapie in Schleswig-Holstein als leider sehr schwierig. − Trotz diagnostizierter Traumatisierung kommt es zu Abschiebungen und Abschiebungshaft: hier ist ein Erlass nötig (den Herr Scharbach deutlich ablehnt).

In den Stellungnahmen zu Diskriminierungserfahrungen in Schleswig-Holstein wird als problematisch gesehen, dass − Diskriminierung in Schleswig-Holstein bisher kaum erforscht ist, eine wissenschaftliche Studie also nötig ist. Erfahrungsberichte zeigen, dass − unmittelbare Diskriminierung wie auch − institutionelle bzw. strukturelle Diskriminierung in Schleswig-Holstein zu finden sind. Als Möglichkeiten, gegen Diskriminierung anzugehen, werden eine − regionale und landesweite Antidiskriminierungsstelle, sowie kommunale Diskriminierungsrichtlinien gefordert.

Weitere Forderungen sind: − die Anhörungen durch geschulte Sonderbauftragte durchführen zu lassen und vor der Anhörung eine psycho-soziale Beratung anzubieten. − Vorgeschlagen wird den bestehenden Erlass anzuwenden, nach dem bei gefährdeten Traumatisierten ein psychologisches Gutachten einzuholen ist. − Konkret für den Kreis Pinneberg wird gefordert, die Reisefähigkeit im weiteren Sinne von einer/m qualifizierter/n Arzt/Ärztin untersuchen zu lassen.

Anmerkungen der Ministerien: Herr Scharbach stimmt der Wichtigkeit von Interkultureller Kompetenz zu und erklärt, dass sich einzelne Ausländerbehörden schon um Schulungen bemüht hätten.

Anmerkungen Ministerien: Von Innen- und Gesundheitsministerium wird auf die Forderung nach der Finanzierung von DolmetscherInnen bei der Therapie eingegangen. Es wird angemerkt, dass Refugio ein Budget für Übersetzungen hat. Offen geblieben ist meines Erachtens die Frage der Finanzierung von DolmetscherInnen bei weiteren TherapeutInnen in ganz Schleswig-Holstein.

Zum Themenbereich Migrationssozialberatung und Integrationskonzept lassen sich folgende Aspekte zusammenfassen: − Migrationserstberatung und Migrationssozialberatung haben zu enge Zielgruppen, − der Bedarf an Beratung wird nicht gedeckt, nur der finanzielle Mangel verwaltet. − Ein aufwendiges Statistik- und Berichtswesen ist uneinheitlich geregelt und bindet Zeit und Energie, die in der Beratung fehlen. − Das Angebot an Integrationskursen im ländlichen Raum wird als mangelhaft bezeichnet und es fehlen einheitliche kommunale Integrationskonzepte, wie auch − die weitergehende Integrationsförderung für Altzuwandernde und Altzugewanderte. Zusammenfassend wird also gefordert, das Beratungs- und Integrationsnetz auszuweiten.

Bei der Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wird als Problem formuliert, − dass die Klärung der persönlichen Situation und möglicher Perspektiven nötig ist, also ein Clearingverfahren bzw. eine Clearingstelle einzurichten ist. − dass16 und 17jährigen trotz der Gesetzesänderung kein Hilfebedarf zugestanden wird, sie werden wie Erwachsene behandelt und untergebracht, − dass Jugendliche sogar in Abschiebungshaft zu finden sind.

Anmerkungen der Ministerien: Herr Scharbach erklärt, dass die Integrationsförderung zwölf Handlungsfelder umfasste, woraus ich schließe, dass er einem großen Bedarf an Integrationsförderung zustimmt. Er betont die Notwendigkeit statistischer Erhebungen für den Verwendungsnachweis von Steuergeldern. Leider gab es auch Themen, zu denen keine Stellungnahmen

Gefordert werden hier in Schleswig-Holstein − spezielle Förderangebote und die bedarfsgerechte Betreuung bzw. Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen und nicht in Gemeinschaftsunterkünften.

5


der anwesenden Ministerien abgegeben wurden. So konnte ich kein Statement des Innenministeriums zur Gruppe der Illegalisierten oder Papierlosen hören. Vermutlich gibt es auch andere Aspekte, die nicht angesprochen worden sind, dieser Punkt ist jedoch aufgefallen. Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass wir das Thema Abschiebungshaft nicht als eigenes Thema behandelt haben, sondern es in einzelne Bereiche eingeflossen ist, nicht weil wir es für unwichtig halten, sondern weil es jährlich einen Bericht des Landesbeirates zur Abschiebehaft gibt, der hier auf dem Büchertisch zu finden ist. Abschließend möchte ich anmerken, dass es viele Punkte gibt, an denen sich zeigt, ob Schleswig-Holstein ein „Land der Horizonte“ oder ein „Land der Ausgrenzung“ ist. Das wird nun auch das Thema der politische Diskussion der Nöte und Möglichkeiten der Migrationspolitik des Landes SchleswigHolstein sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

6


Grußwort Wulf Jöhnk Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein

Ich darf die hier anwesenden Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik und der Ministerialverwaltung um Verständnis bitten, wenn ich schon gleich zu Beginn der Veranstaltung aus meiner Meinung zu einzelnen heute anzusprechenden Themenbereichen keinen Hehl mache: ich sehe in einigen Bereichen erheblichen Handlungsbedarf der Politik und der Verwaltung, um die Situation der Migrantinnen und Migranten und insbesondere der Flüchtlinge mit ungesichertem Aufenthalt zu verbessern. Dabei geht es gar nicht in erster Linie um Gesetzesinitiativen zur Änderung des äußerst restriktiven Ausländerrechts und des Staatsangehörigkeitsrechts, das bekanntlich Bundesrecht ist und allein von Schleswig-Holstein aus nicht zu ändern wäre. Im Übrigen muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Gesetzesinitiativen gegenwärtig kaum eine Erfolgschance haben. Es geht vielmehr um die Ausnutzung von Spielräumen, die die gesetzlichen Bestimmungen den zuständigen Verwaltungen einräumen, in gar nicht so seltenen Fällen geht es auch einfach nur um die korrekte Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, wenn ich – um nur ein Beispiel zu nennen – an den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen denke.

Zu unserer heutigen Veranstaltung begrüße ich Sie herzlich. Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind. Mit unserer heutigen Veranstaltung haben wir uns sehr viel vorgenommen. Wir wollen den Versuch unternehmen, eine Bilanz zu ziehen zur Situation von Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein. Dabei wollen wir uns nicht nur mit der Situation von Migrantinnen und Migranten im engeren Sinne beschäftigen, sondern auch mit der Situation von Flüchtlingen und solchen Menschen aus Migrantenfamilien, die hier geboren sind – es geht also insgesamt um die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund. Unsere Veranstaltung heute befasst sich nicht nur – wie bei anderen Veranstaltungen üblich – mit einem Schwerpunktthema, sondern mit einer Bandbreite mehrerer Einzelthemen, die die Menschen mit Migrationshintergrund betreffen. Diese Bandbreite erstreckt sich von dem Umgang mit den sogenannten Illegalisierten – Menschen, die sich ohne Aufenthaltsrecht hier im Lande aufhalten, den aufenthaltsrechtlichen Problemen der Flüchtlinge, vornehmlich der sogenannten Geduldeten, dem Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen und unbegleiteten Minderjährigen über die Probleme im Zusammenhang mit den Integrationsbemühungen für Daueraufenthaltsberechtigte bis hin zur Diskriminierungsproblematik – Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund wegen ihrer Herkunft oder gar aus rassistischen Gründen.

Meine Hoffung ist, dass ein Meinungsaustausch, wie er auf der heutigen Veranstaltung vorgesehen ist, zu neuen Erkenntnissen führen kann, die auch in konkreten Handlungen zur Verbesserung der Situation der Menschen mit Migrationshintergrund ihren Ausdruck finden.

Mein Dank geht an die Damen und Herren, die es übernommen haben, heute hier zu referieren. Ich bedanke mich außerdem bei denjenigen, die diese Veranstaltung vorbereitet haben. Die Vorbereitungen waren dieses Mal besonders umfangreich.

Dadurch, dass wir zu den einzelnen Themen nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen hören werden, sondern auch die Vertreterinnen und Vertreter der jeweils zuständigen Ministerien und schließlich auch die Vertreterinnen und Vertreter der im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertretenen Parteien, kann die heutige Veranstaltung dazu beitragen, zu einem ausgewogenerem Meinungsbild zu einigen bislang streitigen Themen zu gelangen. Die Veranstaltung kann so möglicherweise auch einen Anstoß dazu geben, Initiativen zu ergreifen, um die beklagenswerte Situation der Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land zu verbessern.

Ihnen allen, meine Damen und Herren, wünsche ich einen ertragreichen Veranstaltungsverlauf.

7


Schule und Bildung

Medi Kuhlemann Referentin Interkulturelle Pädagogik Landeskoordination Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Im Themenbereich Schule und Bildung sprechen wir von Kindern, Jugendlichen und Familien mit Migrationshintergrund Für das Bildungswesen ist besonders die Gruppe der unter-25-Jährigen von Bedeutung: • Mehr als ein Viertel (27,2%) haben Migrationshintergrund, • 8,8% eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. (Differenzierung: Bundesländer alt/neu, Stadt/Land, Ballungsgebiete, z.B. HH und HB über 40%, NRW, Hessen 30%)

Die formale Unterscheidung „ausländisch“ und „deutsche Staatsangehörigkeit“ ist für die praktische Arbeit mit Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Lebensformen in öffentlichen Einrichtungen wie Schule und Kindertagesstätte nicht zutreffend. Dagegen umschreibt der Begriff Familien mit Migrationshintergrund • die Erfahrungen einer Wanderung in der Familie • Veränderungen durch das Leben in einem anderen Land • unterschiedlichste religiöse und soziale Zusammenhänge • mehrere Sprachen, Werte, Themen, Kulturunterschiede • Tägliche Auseinandersetzung damit und mit Ausgrenzungserfahrungen • einen möglichen Widerspruch: Familienstrukturen, Unterordnung eigener Bedürfnisse vs. Autonomie und Individualität • Anpassungsdruck und konträre Anforderungen

Der Großteil der Kinder und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund (87%) ist in Deutschland geboren. Ergebnisse aus Bildungsstudien Die kulturelle und soziale Heterogenität der Zuwanderer bietet ein großes Entwicklungspotential. Zugleich stellt sie das Bildungswesen vor eine große Herausforderung, die lange Zeit unterschätzt und deren Chancen nicht gesehen wurden. Bildungsstudien zeigen, dass Kinder mit Migrationshintergrund bei weitem nicht die gleichen Schulerfolge erzielen wie deutsche Kinder.

Die Familien mit Migrationshintergrund sind eine heterogene Gruppe, die sich in • ihrem rechtlichen Status, • in Zuwandererkonstellationen/ Migrationserfahrungen, • in kulturellen (Herkunftsstaaten repräsentieren unterschiedliche kulturelle Traditionen) Identitäten, • der sozialen Lage und • ihrer aktuellen Familienkultur unterscheiden.

Die Schwierigkeiten für das Bildungssystem, den Herausforderungen gerecht zu werden, zeigt ein Blick auf die Bildungsbeteiligung und -verläufe der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Kinder mit Migrationshintergrund kommen vergleichsweise häufig aus Familien mit niedrigem Sozialstatus. Hier können sich verschiedene Problemlagen ergänzen und verstärken. Häufig leben die Familien in Wohngebieten mit schlechter Infrastruktur.

Viele statistische Daten beziehen sich auf den Ausländerstatus. Der Mikrozensus nimmt andere Daten auf, nämlich beispielsweise durch Geburtsort, Zuzugsjahr, Einbürgerung (der Kinder, Eltern, Großeltern). Nach diesem Konzept betrug 2005 der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung nicht ganz ein Fünftel (18,6 %), das ist mehr als doppelt so viel wie nach dem Ausländerstatus gemessen (8,9%).

Manche Schulen arbeiten in einem sozialen Umfeld, das durch die Abschottung sozialer und ethnischer Gruppen geprägt ist. Die Familien sprechen wenig Deutsch, diese Sprachpraxis im Elternhaus wirkt sich auf den Bildungserfolg aus.

8


Deutsche und ausländische Schulabsolventen 2005 nach Schulart und Geschlecht (Angaben in %) Abschlussart

Deutsche Schulentlassene

Ausländische Schulentlassene

insgesamt

männlich

weiblich

insgesamt

männlich

weiblich

ohne Abschluss

7,2

9,1

5,3

17,5

21,0

13,7

Hauptschulabschluss

23,2

26,5

19,7

41,7

43,0

40,2

Realschulabschluss

42,6

41,3

43,9

31,2

28,0

34,8

Fachhochschulreife

1,3

1,2

1,4

1,4

1,3

1,5

Hochschulreife

25,7

21,9

29,7

8,2

6,7

9,8

Quelle: Stat. Bundesamt , Fachserie 11, Reihe 1.)

Perspektive Es geht darum, Zuwanderung gleichermaßen als Aufgabe und Chance zu begreifen, als Zukunftsinvestition. Bildung hat eine Schlüsselfunktion für den langfristigen Erfolg der gesellschaftlichen Integration. Integration durch Bildung und Integration ins Bildungswesen hängen eng zusammen. Ziel ist, dass Kinder mit Migrationshintergrund ähnliche Kompetenzen erweben wie die übrige gleichaltrige Bevölkerung.

Etwa ein Fünftel der Hauptschulen in Deutschland arbeitet in problematischen Lernkontexten, die durch einen sehr hohen Migrantenanteil (größer als 75%) in Verbindung mit niedrigem sozialen Status der SchülerInnen, mangelnden Grundfertigkeiten, Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen gekennzeichnet sind. Überproportional häufig werden ausländische Kinder an Sonderschulen bzw. Förderschulen überwiesen (16%) (in Schleswig-Holstein allerdings nur 8%). Besonders in den Übergangsempfehlungen der Grundschulen werden Kinder mit Migrationshintergrund schlechter bewertet, was sich auf deren Bildungsbiographien negativ auswirkt. SchülerInnen mit Migrationshintergrund durchlaufen das Schulsystem aufgrund von Zurückstellungen und /oder Klassenwiederholungen mit deutlich größerer Verzögerung als deutsche SchülerInnen. Dies ist in Schleswig-Holstein besonders ausgeprägt. Die Verteilung der SchülerInnen mit Migrationshintergrund weist auf (ethnische und soziale) Segregation durch die Institution Schule hin.

Wertvolle Ressourcen: • Migranten sind im Schnitt eher motiviert (hohe Lernmotivation) und dem Bildungssystem gegenüber aufgeschlossen. • Die Eltern haben große Bildungserwartungen. • Mehrsprachigkeit und kulturelle Heterogenität sind Ressource für die zunehmenden Austauschbeziehungen. Strukturen im Bildungsbereich in Schleswig-Holstein In diesem Zusammenhang möchte ich das Projekt Ganztagsschule der Vielfalt (2008-2009) erwähnen, dass einen regionalen Verbund von Ganztagsschulen und Migrantenorganisationen vorsieht zur Entwicklung neuer Konzepte für eine bessere Förderung von SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Schleswig-Holstein hat den Zuschlag für dieses bundesweite Projekt bekommen (beteiligt sind: Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein, Aktion Kinder- und Jugendschutz, fünf Referenzschulen und die Serviceagentur ganztägig lernen). Die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen auf Augenhöhe birgt viele Möglichkeiten für die Schulen. Ganztagsangebote sind zukunftsweisend, um Chancengleichheit zu erreichen.

Die Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist in Schleswig-Holstein – als dem Land mit dem niedrigsten Migrantenanteil unter den alten Flächenländern - laut PISA 2000 und Iglu 2001 besonders schwach ausgeprägt. Besonders betroffen sind SchülerInnen mit einem in der Türkei geborenen Elternteil.

9


• In der Vielzahl und Anerkennung von Sprachen • In den Sprachförderkonzepten • In der Auswahl der Literatur, Bilder und Materialien • In Inhalten und Multiperspektivität von Unterricht • In der Ausgestaltung des Schulalltags (Religion, Essgewohnheiten…) • In der Elternarbeit

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat bereits 2002 in ihrem Integrationskonzept die Bedeutung des Bildungsbereiches benannt. Der nationale Integrationsplan bestärkt diese Ansätze. Seit 2004 gibt es das BLK Modellprogramm Förmig (Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund) in SchleswigHolstein. Ein Schwerpunkt sind dabei Sprachfördernetzwerke als Ausgangspunkt der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ein durchgängiges Sprachförderkonzept berücksichtigt auch besonders die Schnittstellen zwischen Kita und Schule und den Schulübergängen. Auch die Einbindung der Familien in die Fördermaßnahmen wird angestrebt. Die bestehenden DAZ-Zentren in Flensburg, Kiel, Lübeck und Norderstedt werden weiter gestärkt und die Erfahrungen zum Aufbau weiterer Zentren genutzt.

Sind die Lehrkräfte darauf vorbereitet, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu fördern? Es bedarf hierfür Lehrerfortbildungen (alle Schulstufen und –arten und Fächer). Die vermehrte Einstellung von Lehrkräften mit Migrationshintergrund ist ein Ziel, um den Kindern Identifikationsmöglichkeiten und Vorbilder zu geben, Vielfalt im Kollegium zu repräsentieren und verschiedene AnsprechpartnerInnen vorzuhalten. Die Probleme von Zugewanderten im deutschen Bildungssystem und beim Übergang in das Bildungssystem sind offensichtlich: Lösungsansätze müssen systematisch in das System Schule integriert werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, mehr über institutionelle und pädagogische Strategien zu forschen.

Auf das Mercatorprojekt zur Förderung geht die Kollegin von der AWO gleich ein. Ziele: Viele Schulen reagieren mit speziellen Angeboten zur Förderung von Sprachkompetenzen in Deutsch. Es ist wichtig, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jeder Lehrer auch Sprachenlehrer ist, und auf diese Weise Sprachförderung in die Fächer zu integrieren und auch Fachvokabular zu vermitteln. Auch Methoden wie z.B. Textentlastung spielen eine große Rolle. Spannend ist die Frage, wie Mehrsprachigkeit in das Regelsystem integriert werden kann.

Ohne zusätzliche Mittel kann die Veränderung kaum vollzogen werden: • Senkung der Klassenfrequenzen zur Verbesserung der Lehrer-Schülerrelation • Einstellung sozialpädagogischer Fachkräfte • Elternarbeit

Der Bereich der Interkulturellen Bildung und Erziehung dagegen muss zukünftig viel mehr Beachtung finden. Um der gesellschaftlichen Realität und der Schülerschaft gerecht zu werden, müssen sich Schulen öffnen, das Thema kulturelle Vielfalt annehmen und sich entsprechend ausrichten. Darauf zielen auch die Kultusministerkonferenz und die Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 31.12.2007 ab: „(…) empfehlen allen Schulen (…) besondere Profile in Hinblick auf Interkulturalität auszuprägen und diese Ziele im Schulprogramm und schulinternen Curricula festzulegen.“

Quellen Der 1. Nationale Bildungsbericht 2006 H Migration Bildung in Deutschland. Ein Indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration Hrsg. Konsortium Bildungsberichterstattung im Auftrag der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Bertelsmann e.V., Bielefeld 2006 7. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und

Interkulturelle Bildung und Erziehung sollte sich auf verschiedenen Ebenen auswirken: • Im Lernen des Umgangs der SchülerInnen untereinander • In der Vermittlung interkultureller Kompetenzen und Wertediskussionen

Ausländer in Deutschland, Dezember 2007 Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund vom 31.12.2007

10


Stellungnahme aus der Perspektive des Mercator-Projektes zu dem Fragenbereich „Schule und Bildung“ verliert, wer was mit wem macht. Gerade in der Sprachförderung ist aber die enge Verzahnung der Förderangebote an Regel-/Fachunterricht unabdingbar. Ich werde weiter unten die Gründe hierfür ausführen. Außerdem sind viele Projekte von der Finanzierung her auf eine bestimmte Zeit begrenzt, was gerade für die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund negative Auswirkungen hat. Denn eine Sprachförderung macht nur dann Sinn, wenn sie kontinuierlich und systematisch über die gesamte Schullaufbahn hinweg gewährleistet wird.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände organisiert seit 2005 als Trägerin das Mercator-Projekt „Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund“, das auch im Nationalen Integrationsplan unter „Maßnahmen und Selbstverpflichtungen der nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen“ aufgeführt ist. Der Förderunterricht richtet sich sowohl an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I+II, als auch an Studierende, vor allem des Lehramtes. Projektziele sind sowohl die sprachliche und fachliche Förderung junger Migrantinnen und Migranten als auch die sprachdidaktische Ausbildung des künftigen Lehrpersonals. Der Förderunterricht soll sprachliche mit fachlichen Inhalten kombinieren. In Schleswig-Holstein wird der Förderunterricht an ca. 50 Schulen von über 70 Studierenden durchgeführt.

In dem Mercator-Projekt haben wir es vor allem mit denjenigen Schülerinnen und Schülern zu tun, die beim ersten Hinsehen oder Hinhören keinerlei sprachlichen Defizite im Deutschen aufweisen. Sie sind zum größten Teil in Deutschland geboren, haben den Kindergarten und die Grundschule in Deutschland durchlaufen und sind in ihrer alltäglichen Umgangssprache schwer von ihren deutschen Mitschülerinnen und Mitschülern zu unterscheiden. Aber dennoch haben sie es besonders schwer im deutschen Bildungssystem. Denn bei genauerer Betrachtung ist es wiederum die Sprache, die es ihnen erschwert, dem Unterricht zu folgen. Die Sprache der Schule unterscheidet sich im Wesentlichen von der Umgangssprache, hier ist eine andere Sprachebene im Spiel. Der Spracherwerb von in Deutschland aufwachsenden bzw. hier lebenden Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund erfolgt größtenteils über das Hören und Sprechen der Umgangssprache außerhalb der Familie (z.B. im Freundeskreis). Das heißt, dass diese Schülerinnen und Schüler Kenntnisse und Kompetenzen in der gesprochenen Sprache erwerben, die sich erheblich von der geschriebenen Sprache unterscheidet. Später in der Schule wird es oft auf fehlende intellektuelle Fähigkeiten zurückgeführt, wenn der Schüler eine Aufgabe nicht lösen kann oder einen Fachtext nicht versteht. Manche Lehrer kommen nicht auf die Idee, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unter Umständen aus einem anderen sprachlichen Umfeld schöpfen als diejenigen ohne Migrationshintergrund und dass hier ein differenzierteres Betrachten nötig wäre.

Besonderheit des Projektes Der Förderunterricht wird von Studierenden angeboten, die nach dem Studium mit dieser Zielgrupe im Bildungsbereich zu tun haben werden. So können angehende Lehrkräfte, Pädagogen und Sprachwissenschaftler noch während ihres Studiums gezielt auf die interkulturelle und multilinguale Schullandschaft vorbereitet werden. Erfahrungen aus dem Mercator-Projekt Frau Kuhlemann erwähnte bereits, dass viele Schulen mit speziellen Angeboten zur Förderung von Sprachkompetenzen reagieren. Es gibt in der Tat neben gut gemeinten Veranstaltungen auch viele gute Projekte, Konzepte, Zusatzangebote für die Zielgruppe „Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund“. An manchen Schulen sind diese Projekte, die durch unterschiedliche Träger in die Schulen gebracht werden und alle demselben Ziel dienen, nämlich die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund besser zu fördern, damit sie Chancengleichheit mit ihren deutschen MitschülerInnen erfahren, wenig bis gar nicht miteinander und mit dem schulischen Geschehen vernetzt. Vieles läuft unkoordiniert nebeneinander, so dass man manchmal leicht den Überblick

11

Schule und Bildung

Özgül Koyunoglu Projektkoordination LAG-Projekt-Mercator


Zusammenfassung

Frau Kuhlemann hat die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen angeführt. Bald wird jedes dritte Kind in einer Schule einen Migrationshintergrund haben, also nichtdeutscher Muttersprache sein. Es wird Zeit, dass alle LehrerInnen sich dessen bewusst werden, dass auch im Fachunterricht Sprachförderung stattfindet. Denn das ist eine Voraussetzung zum Gelingen des Fachunterrichts überhaupt. Das gilt dabei sowohl für Schülerinnen und Schüler deutscher Muttersprache, als auch für diejenigen anderer Muttersprachen. Alle FachlehrerInnen sind auch SprachlehrerInnen und sollen in ihrem Unterricht auf die sprachlichen Besonderheiten ihrer Schülerinnen und Schüler eingehen können. Das heißt nicht, dass ein Mathematiklehrer anfangen soll, in seinem Unterricht das Passiv zum Unterrichtsgegenstand zu machen, weil in vielen mathematischen Textaufgaben diese häufig vorkommen und das für Nicht-Muttersprachler eine Verständnisschwierigkeit darstellen kann. Er kann vielmehr geeignete Textaufgaben aussuchen und Hilfen anbieten, die das Verstehen der Passivstrukturen weiterentwickeln. Im Sprachförderunterricht am Nachmittag können dann die mathematischen Texte zum Lerngegenstand für Passivstrukturen werden. Das erfordert natürlich eine sprachdidaktische Qualifizierung der LehrerInnen aller Fächer. Deshalb müssen diese Inhalte in die Lehrerausbildung eingegliedert werden. Alle LehramtskandidatInnen, gleich welchen Fachs, sollten während ihres Studiums obligatorisch Inhalte zu Themen wie Deutsch als Zweitsprache, Sprachförderung außerhalb des Regelunterrichts, Sprachförderung im Fachunterricht, Interkulturalität usw. vermittelt bekommen.

• In Schulen laufen bereits viele erfolgreiche Projekte, oftmals jedoch nebeneinander. Sie müssen besser miteinander vernetzt werden. • Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die in Deutschland aufwachsen, beherrschen die umgangssprachlichen Formen der deutschen Sprache weitestgehend, brauchen aber gezielte Unterstützung in der Schriftund Fachsprache. • Sprachförderung sollte kontinuierlich, systematisch und über die gesamte Schullaufbahn gewährleistet werden. • Sprachförderung losgelöst von unterrichtlichen Inhalten und ohne Bezug zu fachlichen Themen des Unterrichts ist weniger effektiv. Vielmehr sollen Fach- und Förderlehrkräfte Hand in Hand arbeiten und ihre Inhalte aufeinander abstimmen. • Auch Fachlehrer sollten sich als Sprachlehrer verstehen. • Deutsch als Zweitsprache und Sprachförderung müssen Pflichtfächer für alle Lehramtsstudenten werden.

12


Arbeitsmarktzugang von Flüchtlingen und MigrantInnen Stellungnahme des Projekts access In unserer Gesellschaft wird oft von „integrationsfördernder“ Politik gesprochen, der nicht oder schwer integrierbare MigrantInnen und Flüchtlinge gegenüber stehen würden. Es wird Menschen aus unterschiedlichen Ländern vorgeworfen, dass sie sich der Integration entgegensetzen würden und nicht willig seien, ihre Kinder nach deutschem Erziehungsmuster zu erziehen bzw. sich danach zu verhalten. Diese oder ähnliche Meinungen und Denkmuster werden nicht zuletzt durch institutionell vorgefertigte und veraltete Rechtslagen verstärkt. Der Arbeitsmarktzugang ist für viele Menschen in Deutschland eine schwere Geburt. Ein großer Teil der Flüchtlinge ist aus rechtlichen Gründen (Aufenthaltsstatus) vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Auch diejenigen, die eine Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme bekommen, müssen sich durch unheimlich viele Hürden kämpfen. Die diskriminierende Arbeitsmarksituation von MigrantInnen ist bekannt und in der Statistik festgehalten: AusländerInnen sind bundesweit erheblich stärker als Deutsche von Arbeitslosigkeit betroffen und seit dem Anwerbestopp in den 70er Jahren sank ihre Erwerbsquote kontinuierlich. Gemessen an der allgemeinen Arbeitslosenquote sind AusländerInnen doppelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen: Obwohl AusländerInnen bundesweit nur einen Anteil von rund 8,8% an der Gesamtbevölkerung hatten, stellten sie im November 2008 fast 16% der Arbeitslosen und ihre Arbeitslosenquote lag bei 17,2% (laut Bundesagentur für Arbeit). In Schleswig-Holstein lebten Ende 2007 nach Angaben des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein 134.277 ausländische BürgerInnen.1 Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 4,7%. Im November 2008 waren 11.356 AusländerInnen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nord, als arbeitslos gemeldet. Damit lag die Arbeitslosenquote der AusländerInnen bei 22,8% – fast dreimal so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote im gleichen Monat (8,1%). Die miserable Arbeitsmarktsituation ist auch durch die Hartz IV Reformen – die ja gerade für besondere „Problemgrup-

pen“ (das sind neben den „ausländischen Arbeitslosen“ auch jugendliche und ältere Arbeitslose) nicht verbessert worden – eher ist alles schlimmer geworden, weil Kürzungen in den arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen vor allem die besonders schwachen Gruppen treffen. Die negative Wirkung von Hartz IV auf den Arbeitsmarktzugang von MigrantInnen wird auch daran deutlich, dass z.B. 2006 die Gesamtarbeitslosenquote im Bundesdurchschnitt zwar um fast 9% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen ist, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den AusländerInnen aber nur bei 5,7% lag. Dies liegt auch daran, dass vor allem Menschen im Rechtskreis des SGB III von der Arbeitsmarktbelebung profitierten, während es die Menschen, die von SGB II bzw. Hartz IV Leistungen leben müssen, deutlich schwerer haben. Der AusländerInnenanteil an den Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB III liegt aber nur bei knapp 9,5%, während ihr Anteil unter den Hartz IV Empfängern mit rund 18% deutlich höher liegt. Die Gründe für das höhere Arbeitslosigkeitsrisiko sind vielfältig und liegen keineswegs nur in „persönlichen Defiziten“, wie es in der öffentlichen Diskussion oft unterstellt wird. Sicherlich spielen Sprachprobleme und fehlende Qualifikationen eine wichtige Rolle, aber ebenso wichtig und in ihren Auswirkungen noch schlimmer sind die Defizite in der Struktur des deutschen Systems der Arbeitsmarkt- und Bildungsförderung. Diese strukturellen Defizite führen dazu, dass AusländerInnen und MigrantInnen es deutlich schwerer als Deutsche oder ihnen gleichgestellte Gruppen (z.B. AussiedlerInnen) haben, an ihren persönlichen Defiziten zu arbeiten, d.h. Sprachkompetenzen zu verbessern oder sich beruflich weiter zu qualifizieren. Auch hierzu einige Zahlen: Trotz der hohen Qualifizierungsbedarfe und einer Arbeitslosenquote von 25% lag der Anteil von AusländerInnen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Jahr 2006 nur bei knapp 10%. Hinzu kommt, dass die Dauer der Maßnahmen für AusländerInnen im Schnitt deutlich kürzer ist als bei Deutschen.2 Auch in anderen Bereichen (Existenzgründungszuschuss, Ar-

1 Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: „Ausländische Bevölkerung in Schleswig-Holstein am 31. Dezember 2007 - Ergebnisse des Ausländerzentralregisters“, 5. Juni 2008.

2 Siehe Hönekopp, Elmar 2006: Integration in den Arbeitsmarkt? In: Dokumentation der 10. Hanauer Migrationstage, Chancen statt Vorurteile, Freiburg/Bad Honnef

13

Arbeitsmarktzugang

Farzaneh Vagdy-Voss Projekt access


In einem Bericht der OECD zur Arbeitsmarktintegration von MigrantInnen in Deutschland wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob es sich bei der starken Fixiertheit auf formale Qualifikationsnachweise nicht vielleicht um eine „verdeckte Form“ systematischer Diskriminierung handelt: „Im Gegensatz zu vielen anderen OECD-Ländern, vor allem den nordischen Ländern, waren Antidiskriminierungsmaßnahmen in Deutschland kein Schwerpunkt der Integrationspolitik. Angesichts der erheblichen strukturellen Nachteile, die Migranten in Deutschland allein schon auf Grund ihres deutlich niedrigeren Bildungsniveaus erfahren, und der großen Bedeutung, die offiziellen Zertifizierungen beigemessen wird, kann es sein, dass das Ausmaß der Diskriminierung verdeckt wird. (...) Allerdings kann die Existenz von Qualifikationsdefiziten als bequemer Vorwand für diskriminierende Haltungen fungieren, so dass in diesem Punkt Wachsamkeit gerechtfertigt ist.“ (OECD 2005: Die Arbeitsmarkintegration von Zuwanderern in Deutschland, Paris, S. 60) Im Jahre 2004 hatten 72% der ausländischen Arbeitslosen, aber nur 30% der deutschen Arbeitslosen keine Berufausbildung. Angesichts dieser Zahlen sollte eigentlich das Nachholen von Bildungs- und Berufsabschlüssen einen Schwerpunkt der Arbeitsförderung bilden. Das Gegenteil ist aber der Fall: Im Jahre 2005 lag der Anteil der arbeitslosen MigrantInnen ohne (anerkannten) Berufsabschluss sogar noch höher!3 Ein besonderes Problem für Menschen mit Migrationshintergrund war und ist dabei das Thema BAföG bzw. die Finanzierung der Weiterbildung: Bislang haben Flüchtlinge und MigrantInnen in schulischen oder betrieblichen Berufsausbildungen sowie Studierende keine Anspruch auf Leistungen nach § 8 BAföG oder § 63 SGB III, d.h. Ausbildungsförderung oder ALG II gehabt. Diese skandalöse Situation ist zwar durch eine Gesetzesreform vom 26.07.07 etwas verbessert worden – jetzt kann zumindest ALG II als Darlehen gewährt werden. Offen bleibt aber, wie die Betroffenen krankenversichert werden können, und wovon sie das Darlehen zurückzahlen sollen. Voraussetzung ist, dass die Auszubildenden voraussichtlich auf Dauer in Deutschland bleiben.4 In der Praxis ist aber noch kein einziger Fall bekannt. Dafür gibt es aber unzählige Fälle wie den folgenden.

beitsgelegenheiten) lässt sich feststellen, dass trotz der hohen Arbeitslosenquote MigrantInnen nur unterdurchschnittlich an den Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen teilnehmen. Dies liegt auch daran, dass die Hartz IV Reformen dazu geführt haben, dass heute vor allem diejenigen Arbeitslosen in den Genuss von aktiven Leistungen kommen, die als leichter vermittelbar gelten – für die übrigen werden Maßnahmen gestrichen oder zurückgefahren. Auch von diesem Trend sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen. Nicht nur bei den Arbeitslosen sind MigrantInnen und AusländerInnen überrepräsentiert. Sie sind auch deutlich stärker als Deutsche in den schlecht bezahlten, unsicheren und wenig geschützten Jobs vertreten, insbesondere im Gastgewerbe, auf den Baustellen und im Reinigungsbereich. Nach wie vor sind MigrantInnen also in denjenigen Beschäftigungsbereichen besonders stark vertreten, in denen vor allem Un- und Angelernte arbeiten. Und bekanntlich sind gerade diese Beschäftigtengruppen besonders stark von Jobverlust und Arbeitslosigkeit betroffen. In Bereichen mit hohen Qualifikationen gelingt es den MigrantInnen dagegen nur selten, Fuß zu fassen. Im Sozialwesen und Erziehungsbereichen sind sie nur mit 4% repräsentiert, und das, obwohl die Erfahrungen aus der Beratung zeigen, dass Personen mit einem im Heimatland abgeschlossenen Lehramtsstudium oder entsprechender Ausbildung hier im Reinigungsbereich arbeiten. Im Öffentlichen Dienst sind nach wie vor nur 3% der Beschäftigten ausländische ArbeitnehmerInnen. Und im Bereich Arbeitsvermittlung sind MigrantInnen und AusländerInnen nur mit 1,3% beteiligt, obwohl die SachbearbeiterInnen von ARGEn und Jobcenter aufgrund von Sprache und kulturellen Missverständnissen oft Probleme mit dem ausländischen KlientInnen haben. Ein Grund für die höhere Arbeitslosigkeit der AusländerInnen besteht darin, dass sie in Deutschland grundsätzlich als ungelernt und unqualifiziert eingestuft werden, weil bekanntlich die mitgebrachten Bildungs- und Berufsabschlüsse hier nicht anerkannt werden. Diese Einstufung wird unabhängig davon vorgenommen, ob die Menschen tatsächlich ohne Abschlüsse sind – ungeachtet dessen, ob sie einen Abschluss in Heimatland bekommen konnten oder ob dieser Abschluss dort eine Rolle spielte – oder ob die mitgebrachten Abschlüsse und Qualifikationen aus der Sicht des deutsches Bildungsrecht so „niedrig“ sind, dass sie kein Gleichstellungsrecht mit in Deutschland vorhandenen Berufe haben. Statt in eine Nachqualifikation für solche Personengruppen mit ausländischen Abschlüssen zu investieren und den Menschen so eine motiviertes Heimatgefühl zu geben, wollen PolitikerInnen mit aller Macht lieber den Fachkräftemangel in Deutschland mit Fachkräften aus dem Ausland beseitigen, die sich jedoch kaum dafür interessieren.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein junger Mann aus der ehemaligen Sowjetunion reist mit seiner Frau und der kleinen Tochter nach Deutschland und 3 Arbeitsmarkt 2005, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, 54. Jg., Sondernummer, Nürnberg 24.8.2006, S. 192 4 Einbezogen sind auch Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen, z.B. Bleiberechtsregelung (§ 23 Abs. 1 oder § 104a), Härtefallkommission (§ 23a), oder nach § 25 Abs. 3, § 25 Abs. 4 Satz 2 oder § 25 Abs. 5 AufenthG. Ausgeschlossen bleiben Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nur zu Ausbildungszwecken (§ 16, § 17AufenthG) sowie in den meisten Fällen (Ausnahmen siehe § 8 Abs. 2 BAföG bzw. § 63 Abs. 2 SGB III) Asylsuchende und Geduldete.

14


beantragt Asyl. Nach dem zweiten Widerspruchsverfahren und inzwischen mehr als sieben Jahren bekommt er nach dem Gesetz eine Anerkennung als Flüchtling. Ab dieser Zeit bemüht er sich um seine berufliche Zukunft. Er hat in Russland ein Studium im Bereich Informatik absolviert, mehrere Jahre gearbeitet und kann sowohl das Studium als auch die Berufserfahrung nachweisen. Nach einem langwierigen und bürokratischen Hin und Her über die Anerkennung seiner Qualifikation in diesem Fach bekommt er schließlich die Erlaubnis zum Studieren. Der Teufelkreis erweitert sich, als er erfährt, dass er zwar studieren darf, die Finanzierung jedoch seine eigene Sache ist, weil er während des Studiums keinen Anspruch auf finanzielle Leistungen des Jobcenters hat. BAföG wird ihm auch verweigert mit der Begründung, er sei über dreißig. Auch die oben genannte gesetzliche Änderung für Studierende, die vorsieht, im Härtefall ALG II als Darlehen zu gewähren, wird vom Jobcenter abgelehnt. Ganz im Gegenteil: Das Jobcenter setzt den Mann unter Druck und will, dass er arbeiten geht. Sogar die Familie bleibt nicht unbeschadet: Die Leistungen für die Familie werden als Sanktionsmaßnahme gekürzt, um den Druck auf den Mann zu erhöhen. Er ist inzwischen 35 Jahre alt und in einem Alter, in dem er nach einer kleinen Investition in seine bereits bestehende Bildung noch mindestens 30 Jahre in die deutsche Rentenkasse einzahlen könnte. Farzaneh Vagdy-Voß

15


Arbeitsmarktzugang

Idun Hübner Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten e.V. (ZBBS)

Integration von bleiberechtsungesicherten Flüchtlingen in Schleswig-Holstein: Das Netzwerk Land in Sicht! Zuge derer auch in Schleswig-Holstein zwischen 2002 und 2007 dafür, dass bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge bei geeigneter Förderung sehr erfolgreich arbeitsmarktlich integrierbar sind, Beweis geführt worden ist, macht sich ein erstes Umdenken auch auf Seiten der Arbeitsmarktakteure bemerkbar. Dennoch herrscht für Flüchtlinge auch in Schleswig-Holstein grundsätzlich weiterhin Diskriminierung am Arbeitsmarkt. So müssen die Träger der EQUAL-Projekte Ende 2007 feststellen: „Asylsuchende befinden sich vielfach länger als rechtmäßig geplant im Anerkennungsverfahren und viele geduldete Flüchtlinge leben oft mehrere Jahre ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Aufgrund dieser Situation kommt es auf Seiten der Flüchtlinge zu einem Verlust an arbeitsmarktspezifischen Kompetenzen, denn solange sie keine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, wird ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt auf dem Verordnungswege und in Folge der Verwaltungspraxis erheblich erschwert: Ungenutzte Ermessensspielräume, Nachrangigkeit bei der Vermittlung, die ungewissen Bleibeaussichten und die sog. Residenzpflicht erschweren eine Arbeitsaufnahme für viele erheblich. Zudem werden Bildungsabschlüsse aus dem Heimatland vielfach in Deutschland nicht als gleichwertig anerkannt oder sie sind nicht nachweisbar. Darüber hinaus gehen nicht selten die im Herkunftsland erworbenen Fähigkeiten durch die erzwungene Untätigkeit oder durch unterqualifizierte Beschäftigung verloren. Wird eine Arbeitserlaubnis erteilt, ist diese in den meisten Fällen auf dem Niedriglohnsektor angesiedelt.“ (aus: Evaluationsbericht der EP Land in Sicht! „Auf zu neuen Ufern“, Kiel, Dez. 2007). Weiterhin haben die fünf Jahre EQUAL-Förderung offenbart, dass auf Seiten der Betriebe/ Verwaltungen effektive Integrationserfolge bisweilen durch fehlende interkulturelle und Netzwerk-Kompetenz, durch weitgehendes Unwissen über die rechtlichen, kulturellen und sozialen Hintergründe sowie die Potentiale der Zielgruppe verhindert werden. Aber deutlich wurde auch, dass Flüchtlinge hochmotiviert sind und über vielfältige Kompetenzen verfügen, die allerdings im Zustand erzwungener Untätigkeit zu verkümmern drohen.

Was erwartet Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen? Regelmäßig unterliegen Asylsuchende nicht nur der „Wohnverpflichtung“ in zentralen, von den Betroffenen als Lager empfundenen Großunterkünften. Eine erfolgreiche soziale Integration wird Flüchtlingen mittels Arbeitsverbot, nachrangiger und restriktiver Arbeitserlaubniserteilungspraxis oder verweigerter Sprachförderung weitgehend erschwert. Erwerbstätigkeit wird allenfalls im Rahmen eines 1-€-Jobs möglich. Die Ergebnisse sind so wirkungsvoll wie teuer Die betroffenen Menschen geraten in große Verunsicherung. Der Zustand jahrelanger Desintegration in der Situation eines faktischen, aber unerlaubten Aufenthalts betrifft im Exilland Deutschland inzwischen Hunderttausende. Die reagieren oft mit Depression und Krankheit. Die Fähigkeiten zu lernen verkümmern. Die Flüchtlinge erleiden einen Kompetenz- und Motivationsverlust. Unter diesen Bedingungen überrascht es kaum, dass sich bei den Betroffenen mehr und mehr die Abhängigkeit von öffentlichen Versorgungssystemen verfestigt. Einhergehende soziale Reibungsverluste sind zwangsläufig. Die Berichte von Härtefallkommissionen oder die Zwischenbilanzen der Gesetzlichen Altfallregelung sind Indizien für eine besorgniserregende Entwicklung. Dieselben Stellen, die Flüchtlingen ein ums andere Mal eine Arbeitserlaubnis versagen, werfen den Betroffenen nun defizitäre Integrationsleistungen und verweigerte Mitwirkung vor und versagen mit dieser Begründung erhofftes Bleiberecht. Zur Rechtfertigung einer solchen für die Gesellschaft teuren und migrationspolitisch fehlgeleiteten Politik verweisen ihre Protagonisten regelmäßig auf fehlende politische Mehrheiten für einen Paradigmenwechsel. Europäischer Überdruss, deutsches Umdenken und schleswig-holsteinische Erfahrungen Allerdings ist die Europäische Kommission der deutschen Desintegrationspolitik zunehmend überdrüssig. Nach sechs erfolgreichen Jahren der Gemeinschaftsinitiative EQUAL, im

16


Holstein Ausländerbehörden ganze Familien - selbst nach vielen Jahren des Aufenthalts und im Ergebnis erfolgreicher Integration - abschieben. Die Chancen, die in dem neuen Sonderprogramm liegen, müssen von den kommunalen und obersten Landesbehörden noch erkannt und administriert werden. Hilfreich wäre eine Erlasslage, die den relevanten Behörden eine ermessenspositive Verwaltungspraxis bezogen auf die Zielgruppe des Netzwerks “Land in Sicht!” anempfiehlt.

65% der TeilnehmerInnen aus den zwischen 2002 und 2007 in Schleswig-Holstein durchgeführten beruflichen EQUALQualifizierungsmaßnahmen für Flüchtlinge hatten eine mehr als 10jährige Schulausbildung mitgebracht. 55% haben eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen. 60% verfügen über im Herkunftsland erworbene berufliche Erfahrungen. 80% sprechen mehr als eine andere Sprache. (www.frsh.de/landinsicht). Die Bundesmigrationsbeauftragte Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer würdigt die Sprachkompetenzen, das kulturelle Wissen und die beruflichen Fähigkeiten der Asylsuchenden und Flüchtlinge und fordert ihre Integration in den Arbeitsmarkt, denn: „diese Fähigkeiten können angesichts der demographischen Entwicklung im globalen Wettbewerb und auf dem hiesigen Arbeits- und Absatzmarkt ein Schlüssel zum Erfolg sein.“

Systematisch Fakten schaffen! Die bundesweit 43 Netzwerke zur arbeitsmarktlichen Integrationsförderung von Flüchtlingen werden mit Innovationen in der Einzelfallhilfe die Bleiberechtsstatistik zu beeinflussen versuchen; z.B. durch Fachberatung, Coaching und Kompetenzfeststellung. Gleichzeitig wird systematisch eine zielspezifische enge und kooperative Vernetzung der Akteure aus Fachstellen der Flüchtlingshilfe, Bildungsträgern, Betriebsorganisationen und Unternehmen, Arbeitsverwaltungen und Grundsicherungsstellen umgesetzt. Durch Schulungen zu interkultureller Kompetenz und mittels antirassistischer Trainings wird auf die Interkulturelle Öffnung aller in der Arbeitsmarktförderung relevanten Akteure gezielt. Damit die Erfolge dieser besonderen Qualität von Flüchtlingshilfe auch ihre rechtspolitischen Wirkungen werden entfalten können, gehört der regelmäßige Dialog mit ordnungspolitischen Behörden in allen Netzwerken zum Standard: z.B. wird Einfluss auf hinderliche oder fehlende Erlasslagen zu nehmen versucht, oder die solidarische Mobilisierung des sozialen Umfelds von Betroffenen und Betrieben im Konfliktfall umgesetzt. Damit die Ergebnisse neuer Förderansätze und alter Wahrheiten aber künftig auch Nachhaltigkeit bzgl. eines Paradigmenwechsels hin zu einer großzügigen Aufnahme und Integration von Flüchtlingen bewirken können, ist klassisches Lobbying gegenüber Regierungsstellen und Parteien unerlässlich und geplant. Die Politik wird in den kommenden zwei Jahren – in denen ja immerhin die Bundestagswahl und die schleswig-holsteinische Landtagswahl stattfinden werden – noch verschiedentlich Gelegenheit erhalten, sich mit den Zwischenergebnissen und administrativen wie rechtspolitischen Bedarfsfeststellungen des Netzwerks “Land in Sicht!” auseinander zu setzen.

Gesetzliche Altfallregelung und neues Förderprogramm Immerhin bietet seit Sommer 2007 die befristet geltende „Gesetzliche Altfallregelung“ (§104 a und b AufenthG) theoretisch wirksame rechtliche Erleichterungen bei der arbeitsmarktlichen Integration einer allerdings sehr kleinen, weil stichtagsdeterminierten Gruppe langjährig geduldeter Flüchtlinge. Laut Kieler Innenministerium wurden bis zum 31.3.2008 genau 746 Anträge gestellt. 56% erhielten eine i. d.R. vorläufige Aufenhaltserlaubnis, 14% eine Ablehnung, 8% haben sich anders erledigt und 20% waren noch nicht entschieden. Mit Blick auf die Zielgruppe, die stichtagsabhängig über besonders lange Aufenthaltszeiten verfügt und dennoch mit erheblichen Ausschlusskriterien belastet ist, und auf die hohe Zahl von Negativentscheidungen ist Sorge um das Gelingen der Gesetzlichen Altfallregelung angebracht. Auch im Bundesarbeitsministerium mag man dem befürchteten Scheitern der Gesetzlichen Altfallregelung nicht tatenlos zusehen. Seit Herbst 2008 werden in einem aus ESF- und Bundesmitteln gespeisten Sonderprogramm für „Bleibeberechtigte und geduldete Flüchtlinge“ bundesweit 43 Netzwerke gefördert, die flächendeckend die arbeitsmarktliche Integration von Bleibeberechtigten und geduldeten Flüchtlingen mit Arbeitsmarktzugang voran bringen sollen. In dem in diesem Zusammenhang geförderten Netzwerk “Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in Holstein” engagieren sich der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein, der Flüchtlingsrat, die Migrationsdiakonie in Norderstedt, Pinneberg und Neumünster, die Kieler Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle (ZBBS) und der Verein Umwelt Technik Soziales aus Rends-burg/ Eckernförde (siehe Anhang). Derzeit aber gilt noch, dass trotz solcher rechts- und förderpolitisch neuer Bundestrends auch in Schleswig-

17


Der Paritätische Schleswig-Holstein ist Träger des Netzwerks Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in Holstein – www.frsh.de

ungen und Materialien zu Interkulturalität sowie zu DiversityManaging angeboten. In der Netzwerkregion Holstein werden insbesondere für Institutionen wie Grundsicherungsstellen, Unternehmen(sorganisationen), Verwaltungen oder Bildungsträger Angebote zur Interkulturellen Öffnung durchgeführt. Diese Angebote werden durch öffentliche Veranstaltungen und Materialien ergänzt. Ziele sind: Verbesserung der innerbetrieblichen Team- oder administrativen Kunden-Kommunikation; Konfliktminimierung im arbeitsmarktlichen Integrationsprozess; Selbstreflexion; Nachhaltigkeit der Integration durch Steigerung betrieblicher Motivation per interkultureller Professionalität; Optimierung von DiversityProfilen.

Anhang Netzwerk Land in Sicht! – Arbeit für Flüchtlinge in Holstein ESF-Bundesprogramm für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge Programmzielgruppe: In Schleswig-Holstein leben 350.000 Menschen mit Migrationshintergrund (13%) und 190.000 AusländerInnen mit 190 verschiedenen Nationalitäten. Die Programmzielgruppe in Schleswig-Holstein zählten Ende 2007 1.024 Personen mit Aufenthaltsgestattungen, 2530 Geduldete, 380 Personen mit Aufenthaltserlaubnis (AE) gemäß §§ 23 + 104 AufenthG, darüber hinaus ca. 500 Personen mit AE gemäß §25 AufenthG. Herkunftsländer sind v.a. Türkei, Irak, Aserbaidschan, Armenien, Iran und Syrien. NetzwerkakteurInnen und Projektvorhaben:

Teilprojekt 3: Serviceagentur zur Arbeitsmarktförderung durch Coaching Nach Zugang über ARGEn oder Migrationssozialberatung engagiert sich der Verein Umwelt Technik Soziales e.V. (UTS) in zwei Handlungsfeldern im Kreis Rendsburg-Eckernförde bei Profiling/Beratung/Coaching als Einzelbetreuung sowie bei der Vermittlung von personenbezogenen Ergänzungsqualifizierungen und durch Unterstützung bei Bewerbung und Stellensuche mithilfe der Service-Büros des Projektes. Im Profiling werden mit Hilfe spezialisierter Tools die Kompetenzen ermittelt. Durch die Beratung wird gemeinsam eine realistische Berufswegeplanung aufgestellt. Im Coaching wird die Umsetzung des Berufswegeplans auf allen Stufen unterstützt und durch ggf. sich wiederholende Gespräche und Begleitungen auf Realitätsnähe hinterfragt. In der Vermittlung werden Bewerbungsunterlagen erstellt und Techniken erlernt, Möglichkeiten zur (Online-)Jobsuche aufgezeigt und Grundkenntnisse über den deutschen Arbeitsmarkt vermittelt. Evtl. fehlende Grundqualifikationen werden nachgeholt. Über Betriebskontakte und Praktika wird die Vermittlung unterstützt. Nachhaltigkeit wird gesichert durch Coaching nach der Arbeitsaufnahme.

Teilprojekt 1: Antragstelleung, Zuwendungsempfänger und Netzwerkkoordination: Die Mittelverwaltung und -weiterleitung, das Antrags-, Berichts- und Nachweiswesen geschieht durch den PARITÄTISCHEN Landesverband Schleswig-Holstein. Die inhaltliche Netzwerkkoordination erfolgt in Zusammenarbeit mit dem in Fragen der Integrationsförderung von Flücht-lingen sehr erfahrenen Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. (www.frsh. de). Aufgaben sind die Koordination und Beratung der netzwerkinternen Gremien, AkteurInnen und PartnerInnen, die Vernetzung mit Parallelangeboten Dritter, die Überwachung der Projekttätigkeiten und die Dokumentation der Ziel-erreichung. Darüber hinaus ist die Koordination zuständig für das diversity- und genderorientierte campaigning, die web- und printgestützte Öffentlichkeits- und Pressearbeit, die Durchführung von zielgruppenspezifischen und öffentlichen Fortbildungsveranstaltungen, Ergebnisbündelung und -transfers sowie die bundesweite Vernetzung.

Teilprojekt 4: podemos: Arbeitsmarktförderung von Flüchtlingen Die Diakonie Schleswig-Holstein wird durch individuelles Coaching/Beratung und Profiling von erwachsenen MigrantInnen (über 25 Jahre) durch zwei diakonische Facheinrichtungen in Neumünster (Standort der zentralen Gemeinschaftsunter-kunft) und Elmshorn (Kreis Pinneberg) fördern. In Kooperation u.a. mit Grundsicherungsstellen, Unternehmen, Bildungsträgern, dem Landesamt für Ausländerangelegenheiten (NMS) sollen erwachsene Flüchtlinge nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Durch Beratung, Coaching und Profiling wird ergänzend zu den Aktivitäten der regionalen Grund-

Teilprojekt 2: Interkulturelle Öffnung Mit Blick auf vorherrschende, die nachhaltige Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen be- bzw. verhindernde Diskriminierungsstrukturen und auf fehlende interkulturelle und Zielgruppen-Kompetenz der AkteurInnen werden vom Projekt Interkulturelle Öffnung der Flüchtlings- & Migrationsarbeit der Diakonie Norderstedt in der Netzwerkregion Holstein institutionsspezifische, maßgeschneiderte Schul-

18


sicherungsstellen die Programmzielgruppe besonders in den Fokus der Vermittlungstätigkeit genommen. Hierfür werden insbesondere berufliche Orientierung, eine Betreuung in Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen, Berufsvorbereitungen und die Vermittlung beruflich bezogener Deutschkenntnisse angeboten. Darüber hinaus soll mit Netzwerkbildung und -ausbau mit allen Ausländerbehörden und ArbeitsmarktakteurInnen auf lokaler Ebene eine höhere Beteiligung der Zielgruppe in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung und deren erfolgreicher Abschluss erreicht werden. Teilprojekt 5: Be In: Arbeitsmarktförderung von Flüchtlingen durch Coaching Die Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für MigrantInnen e.V. (ZBBS) berät und begleitet in Kooperation mit den Agenturen für Arbeit, ARGEn und Betrieben junge MigrantInnen bei ihrer beruflichen Integration in den Kreisen Kiel, Ostholstein, Lübeck und Bad Segeberg. Erreicht werden soll, die Beratung/Begleitung zum beruflichen Einstieg und die berufliche Orientierung und Kompetenzermittlung zu gewährleisten. Weitere Ziele sind die Förderung von Empowerment, die effektive individuelle Vorbereitung auf Ausbildung und Arbeit, die Vermittlung in Ausbildung bzw. Arbeit, die Begleitung während der ersten Ausbildungs- bzw. Arbeitsphase. Durch das Angebot der intensiven persönlichen Beratung bzgl. der individuellen Kompetenzen und der beruflichen Begleitung wird eine prozessorientierte, größtmögliche Förderung angeboten. Methoden sind Sprachstandfeststellung, Kompetenzbilanz, Bildungsrucksack, Vermittlung berufsbezogener Deutschkenntnisse, Anerkennung von Bildungs- bzw. Berufsabschlüssen, Informationvermittlung über und Orientierung im deutschen Arbeitsmarkt, Vermittlung beruflicher Schlüsselqualifikationen, Bewerbungstrainings, individuelles Coaching bzgl. der beruflichen Entwicklung und Vermittlung in Berufspraktika.

19


Migrantinnen

Gisela Nuguid Mondfrauen Norderstedt

Stellungnahme zu frauenspezifischen Problemen in der Migration

Kommt es doch zu einer Trennung vor Ablauf der zwei Jahre, ist es noch immer schwierig, eine besondere Härte geltend zu machen, herrscht doch vielfach die Meinung vor, eine Rückkehr in die Heimat sei ja auch eine Rückkehr in die eigene Familie und eine Erlösung vom gewalttätigen Ehemann. Da keine Fluchtgründe vorlägen, könne eine Heimreise keine besondere Härte darstellen.

Die Mondfrauen möchten besonders auf zwei Problemfelder hinweisen, von denen ihrer Meinung nach besonders Frauen betroffen sind und die sie aus eigener Erfahrung kennen: 1. Ehegattenunabhängiges Aufenthaltsrecht / Gewalt in der Familie 2. Aufenthaltsverfestigung

Für die Frauen bedeutet eine Rückkehr nach gescheiterter Ehe aber ein gesellschaftlicher Abstieg ohnegleichen. Sie werden von der Gesellschaft missachtet und haben kaum eine Chance auf eine neue Partnerschaft, geschweige denn die Gründung einer Familie. Dies trifft Flüchtlingsfrauen besonders hart, da die meisten aus Kulturen kommen, in den die Gemeinschaft mehr gilt als das Individuum. Allein zu leben und für sich selbst sorgen zu müssen, ist für sie nur äußerst schwer zu ertragen und fast unvorstellbar.

Zu 1. Die in § 31 AufenthG vorgeschriebene Frist von zwei Jahren für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet als Voraussetzung für die Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechtes ist nach wie vor für viele Frauen, die durch Ehegattennachzug nach Deutschland gekommen sind, ein großes Problem. Viele dieser Frauen werden von ihren teilweise schon lange in Deutschland lebenden Ehemännern nachgeholt, ohne dass sie auch nur die geringste Vorstellung davon haben, was sie hier erwartet. Bestenfalls mit grundlegenden deutschen Sprachkenntinssen kommen sie in ein Gesellschaftssystem, das ihnen vollkommen fremd ist und das sie in der Regel auch nicht willkommen heißt. Haben sie in der Heimat noch die Unterstützung ihrer eigenen Familie, falls es mal zu Ehekonflikten kommen sollte, sind sie hier auf sich selbst angewiesen und vom Wohlwollen des Ehemannes abhängig. Wir erfahren immer öfter, dass sich der Ehemann dieser Machtposition sehr wohl bewusst ist und diese auch ausnutzt. Handelt die Frau nicht nach den Wünschen des Mannes, wird mit Trennung, Meldung an die Ausländerbehörde und daraus folgender Abschiebung gedroht. Die Möglichkeit, dass von der Voraussetzung des zweijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft abgesehen werden kann, wenn es gilt, eine besondere Härte zu vermeiden, kennen die meisten nicht und so erleiden sie lieber Bevormundung, Unterdrückung und in vielen Fällen auch physische und psychische Gewalt, als dass sie es wagen würden, sich von ihrem Mann zu trennen.

Es wäre hilfreich, wenn in solchen Fällen nicht immer wieder diese Zusammenhänge dargestellt werden müssten, um mit viel Mühe eine besondere Härte für die betroffenen Frauen zu erläutern. Im Falle von physischer und/oder psychischer Gewalt in der Ehe und der dadurch erfolgten Trennung sollte unseres Erachtens auf die Zweijahresfrist verzichtet werden und dem betroffenen Ehepartner ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erteilt werden.

Zu 2. Für Frauen ist es immer noch äußerst schwierig, ihren Aufenthaltsstatus zu verfestigen. Die geforderten Integrationsleitungen sind für sie in der Regel schwerer zu erbringen als für Männer. Von den Familien wird erwartet, dass sie ihren häuslichen Pflichten nachkommen. Das bedeutet, dass sie weniger Außenkontakte haben und - zumindest solange die Kinder klein sind - keine Sprachkurse besuchen können. Alleinerziehende Mütter sind davon noch stärker betroffen, weil sie meist keine Unterstützung bei der Kinderbetreuung haben und ihnen Zeit und Geld für Sprachkurse fehlen. Der

20


Arbeitsmarktzugang ist für allein erziehende Mütter generell sehr schwer, für Migrantinnen fast nicht zu schaffen. Am stärksten benachteiligt sind jedoch die Frauen, die nur eine Duldung haben und für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nun genau die Integrationsleistungen vorweisen müssen, deren Erwerb ihnen vorher verweigert wurde. Dies betrifft zwar auch ihre männlichen Leidensgenossen. Auf Grund der bereits oben erwähnten Familienstrukturen haben die Frauen jedoch kaum Möglichkeiten, die Sprachdefizite durch eigenen Anstrengung und Knüpfung von Außenkontakten auszugleichen. Wir fordern daher bezüglich der Fördermaßnahmen eine wesentlich stärkere Berücksichtigung der besonderen Situation der Frauen und hier ausdrücklich Förderangebote für geduldete Flüchtlingsfrauen. Gisela Nuguid Für die „Mondfrauen“ Norderstedt

21


Migrantinnen

Nurcan Kurun Treff- und Informationsort für Frauen (TIO)

Zur Lebenssituation von Migrantinnen und deren Problemen in Kiel und Umgebung denen möglichen Kontaktfelder wie Schule und Kindergarten viel stärker genutzt werden. Es sollte über diesen Weg die Möglichkeit zu Kontaktaufnahme und Austausch zwischen Müttern und Lehrerinnen oder entsprechenden sozialpädagogischen Kräften in der Landessprache angeboten werden. Um die Qualität des angebotenen Unterrichtes in den Schulen zu verbessern, ist die Entwicklung von interkultureller Pädagogik als Bestandteil der Pädagogischen Ausbildungsgänge notwendig. Insbesondere die Mädchen leiden oft unter den Akzeptanzproblemen (z.B. Kopftuch).

TIO gibt es seit 24 Jahren. Es handelt sich um eine Beratungsstelle für Migrantinnen in Kiel und Umgebung. Der Verein wird finanziell unterstützt von der Stadt Kiel. TIO unterstützt Frauen in schwierigen Lebenssituationen wie z.B. Scheidung, Trennung, innerfamiliäre Konflikte, Probleme mit Behörden und bei Migrationsproblemen wie Entwurzelung, Sprach- und Bildungsproblemen und so weiter. Im Jahr 2007 haben 189 Migrantinnen aus 36 Ländern unsere Angebote in Anspruch genommen. Im Folgenden möchten wir die wichtigsten Probleme, mit denen sich Migrantinnen an die Beratungsstelle gewandt haben, beschreiben und eventuelle Lösungswege zur Diskussion stellen. Sicher ist es nicht möglich, alle Probleme der Migrantinnen hier aufzuzeigen. Wir haben uns daher auf die wichtigsten Fragen beschränkt.

Es sollten auch viel mehr Mitarbeiterinnen in den Behörden die entsprechenden Fremdsprachenangebote anbieten. Den Frauen sollte es auf diesem Wege ermöglicht werden, auch dann eine Handlungskompetenz zu entwickeln und aufzubauen, wenn ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind. Insbesondere in den sozialen Einrichtungen und in den Behörden sollten die Migrantinnen mindestens entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung vertreten sein, um die eventuell vorhandene Schwellenangst abzubauen. Dies würde eventuell sowohl die Sicht der Migrantinnen auf die Behörden als auch der Behörden auf die Migrantinnen verbessern. Auch sollten die Mitarbeiter stärker vorbereitet und geschult werden im Umgang mit diesen Besucherinnen. Die Informationsbroschüren sollten als Regelfall auch in den wichtigsten Landessprachen erstellt werden.

Die ersten Generation hatte starke Migrationsprobleme, die oft an die nachfolgende Generation weitergegeben wurden. Oft reagieren die Eltern mit dem Festhalten ihrer traditionellen Werte und Vorstellungen. Insbesondere Töchtern aus solchen Familien wird oft nur ein sehr eingeschränktes Recht auf ein selbstbestimmtes Leben eingeräumt. Dies führt zu einem hohen Konfliktpotential. Nicht selten müssen die Mädchen wählen zwischen ihrer Familie und unserer Gesellschaft. Um diese Mädchen zu unterstützen, müssten viel stärkere Integrationsangebote und –maßnahmen an die Frauen gemacht werden, weil ihnen in ihrer Rolle als Erziehende ein hoher Einfluss zukommt. Die erwachsenen Frauen, die oft erst mit der Heirat hier her gekommen sind, verfügen oft nur über unzulängliche sprachliche Fähigkeiten und berufliche Möglichkeiten. Selbst die Frauen, die eine Ausbildung in den Heimatländern gemacht haben, bekommen ihre beruflichen Abschlüsse nicht anerkannt. Auch dies führt dazu, dass viele Frauen allenfalls einer geringfügigen, nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Auch dies bedingt eine Abhängigkeit von ihren Ehemännern und oft Isolation. Als Integrationsbrücke sollten zunächst einmal die vorhan-

Um die Lebenssituation der Frauen zu verbessern, sollten Seminare an den Frauen vertrauten Orten in den Landessprachen durchgeführt werden (berufliche Schulungen, Aufklärung über Rechtsfragen, Schulfragen etc.). Wichtig ist auch das Angebot von Alphabetisierungs- und Deutschkursen mit Kinderbetreuung. TIO bietet vor Ort parallel zu Integrationskursen mit der Unterstützung des PARITÄTISCHEN Schleswig-Holstein Kinderbetreuung an. Ab 2009 ist die Finanzierung der Kinderbetreuung nicht mehr gesichert. Seit Oktober 2006 unterstützt TIO Migrantinnen, die im AlgII-Bezug sind, bei der beruflichen Orientierung und Qualifizierung und bietet berufliche Trainingsmaßnahmen an.

22


Dies führt zu Depressionen, psychosomatischen Erkrankungen, Normen- und Rollenkonflikten zwischen den Generationen und Ehepartnern. Bei den Kindern verursachen diese Lebensbedingungen oft Aggressionen, Gewalt und Konzentrationsstörungen.

Die deutlich erkennbaren Autonomiedefizite bei vielen Migrantinnen wären sicherlich nicht so stark ausgeprägt, wenn eine bewusst gestaltete Integrationsmaßnahme stattgefunden hätte. Auch Berufsorientierung wird ihnen vermittelt. Am Ende steht eine Prüfung. Von einer derart gestalteten Maßnahme mit Teilnahmezwang würden insbesondere Frauen profitieren. Gerade für sie ist die Kenntnis der rechtlichen und sozialen Verhältnisse besonders wichtig. Besondere Härtefälle sind immer wieder im Bereich der Frage des eigenständigen Aufenthaltsrechtes aufgetreten. Das Aufenthaltsrecht billigt den Ehefrauen kein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Hier räumt das Gesetz den Ehemännern de facto einen gesetzfreien Raum ein, der auf ein Rückgaberecht mit Garantiefrist für Ehefrauen hinausläuft. Das kann nicht sein, daß diese Frauen bestraft werden und die Männer nicht. Dieses Gesetz macht diese Frauen erpressbar und total abhängig. Vor allem in islamischen Rückkehrländern haben diese Frauen oft keine realistische Chance, unter menschenwürdigen Bedingungen weiterzuleben (wegen Isolation, Ächtung durch das soziale Umfeld, Armut, etc.). Diese Zwangslagen für Frauen, die legal oder illegal als Ehefrauen von Männern hier hergeholt werden, sind letztendlich nur zu vermeiden, wenn diese Frauen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht mit ihrer Eheschließung bekommen würden. Außer mit dem oben genannten Problemkreis ist TIO immer wieder mit den unmenschlichen Lebensbedingungen und –umständen der Frauen und Mädchen konfrontiert, die sich im Asylverfahren befinden. So haben auch andere diverse Kontakte mit Frauen, die in solchen Unterkünften untergebracht sind, folgendes Bild ergeben: - äußerst beengte Unterbringungsverhältnisse, die z.T. über Jahre andauern - kein normales Familienleben ist mehr möglich - alleinerziehende Frauen mit Kindern - erzwungene Untätigkeit und finanzielle Probleme - Gewalterfahrungen - Erfahrung von Diskriminierung - Isolation im sozialen Umfeld - Verlust der Heimat und kultureller Identitätsverlust ohne klare Zukunftsperspektiven

23


Migrantinnen

Claudia Franke contra Fachstelle gegen Frauenhandel in Schlewig-Holstein

Stellungnahme der Fachstelle contra zur Situation von Migrantinnen in Schleswig-Holstein Alimentierung von betroffenen EU-Bürgerinnen nach SGB II oder XII Ein besonderes Problem ergibt sich für Betroffene des Menschenhandels aus den neuen EU Ländern. Denn durch den EU Beitritt können sie sich zwar wie alle EU-BürgerInnen legal in der Bundesrepublik aufhalten und brauchen keinen Aufenthaltstitel. Die Sicherung des Lebensunterhaltes ist jedoch nicht klar geregelt. Sie müssen entweder ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit selbst bestreiten – was Betroffene des Menschenhandels in der Regel nicht können - oder es herrscht Unklarheit darüber, welche Leistungen ihnen zustehen. Hier sind dringend eine rechtliche Klarstellung und ein einheitlicher Umgang seitens der Behörden notwendig. Dabei ist die Leistungsgewährung eng mit der aufenthaltsrechtlichen Fragestellung verknüpft.

der Aufenthaltsrechte und Leistungsgewährung für EU-Bürgerinnen aus den neuen EU-Staaten erneut geprüft wird. Wünschenswert wäre es aus unserer Sicht, wenn eine landeseinheitliche Regelung in Form eines Erlasses von den zuständigen Ministerien erarbeitet würde. Aus den Erfahrungen der Fachstelle contra tragen solche Regelungen / Erlasse erheblich zur einer Verflüssigung der entsprechenden Verfahrensabläufe bei, da sie Anwendungssicherheit vermitteln. Dies wirkt sich positiv auf die Situation und Stabilisierung der betroffenen Migrantinnen aus und erleichtert auch die Beratungsprozesse zwischen contra und den Klientinnen erheblich. Wir bieten hier gern unsere Beteiligung an und stehen für einen Fachaustausch zu dieser Problematik selbstverständlich zur Verfügung.

Nach den Erfahrungen der Fachstelle contra vertreten die Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein unterschiedliche Ansichten zur Frage, ob das EU-Freizügigkeitsgesetz oder das Aufenthaltsgesetz auf die genannte Personengruppe anzuwenden ist. Noch problematischer gestaltet sich die Beantragung von Leistungen. Die Leistungsbehörden verfahren völlig unterschiedlich. Wird seitens der Ausländerbehörde auf die Freizügigkeit abgestellt, ist es beispielsweise immer wieder strittig, ab welchem Zeitpunkt und ob grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder XII besteht. Wird nach Aufenthaltsgesetz verfahren, bestehen zwar Ansprüche nach AsylbLG, jedoch bleibt fraglich, ob bei EU-Bürgerinnen überhaupt das Aufenthaltsgesetz anzuwenden ist.

Aufenthaltsrechtliche Problematik von Drittstaaterinnen Mit dem „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“ vom 19. August 2007 hat der Gesetzgeber verbindliche Regelungen für Drittstaater/innen erlassen, die Opfer von Menschenhandel sind oder bei denen konkrete Hinweise dafür vorliegen. Aus der Praxis haben sich bezüglich der konkreten Anwendung der rechtlichen Regelungen und entsprechender Verfahrensweisen Fragen ergeben. Das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein steht mit contra diesbezüglich in einem guten Kontakt und Fachaustausch. Insofern verzichten wir hier auf eine Darstellung der Problembereiche, die sich im Rahmen des Aufenthalts- und Asylbewerberleistungsgesetzes ergeben, da wir die Hinweise unserer Fachstelle konstruktiv aufgenommen wissen.

Zur genannten Problematik wurde im Auftrag von KOOFRA (Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel e.V., Hamburg) ein rechtliches Gutachten1 erstellt, das über contra bezogen werden kann. Diese Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die genannte Personengruppe unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Leistungen nach SGB II oder XII hat. Angesichts dieses Gutachtens regen wir an, dass die Frage

Lediglich einen Hinweis möchten wir an dieser Stelle geben: die Problematik der Verteilung nach § 15a AufenthG. Unserer Auffassung nach sollte geregelt werden, dass bei dem Verdacht, eine Person könne Opfer von Menschenhandel sein, diese Person nicht nach § 15a AufenthG verteilt wird, da dies unserer Auffassung nach ein “zwingender Grund” (im Sinne

1 Gutachten im Auftrag von KOOFRA „Leistungen nach SGB II / XII für Angehörige eines EU-Mitgliedstaates, Bulgariens oder Rumäniens, bei denen konkrete Hinweise vorliegen, dass sie Opfer von Menschenhandel geworden sind“., erstattet durch Rechtsanwalt Dr. Rolf Bosse, Assesoirin Anette Schmidt, Hamburg, erstellt im Dezember 2007, aktualisiert im April 2008

24


physisch gefährdet werden. Problematisch ist, dass viele Migrantinnen ihre Rechte nicht genau kennen und auch nicht wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden können.

des § 15 a Abs. 1 S. 6 AufenthG) ist, der der Verteilung entgegen steht. Sollte eine derartige Regelung getroffen werden, wäre gleichzeitig ein Hinweis notwendig, dass in solchen Fällen die Betroffenen nicht in die Unterkünften des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten eingewiesen werden, sondern in geeignete (Frauen)Schutzwohnungen und zu diesem Zweck seitens der Ausländerbehörde der Kontakt mit der Fachstelle contra herzustellen ist.

Auf verschiedenen Fachtagungen zum Thema2 wurde festgestellt, dass mehrsprachige Informationsmaterialien, die Migrant/innen ihre Rechtssituation darstellen und darüber hinaus über Beratungsangebote informieren, entwickelt werden sollten und bei allen Ausländerbehörden bei der Erteilung des ehegattenabhängigen Aufenthaltes an die jeweiligen Personen weitergegeben werden sollten. Diese Idee muss unseres Erachtens weiter verfolgt werden.

Leider steht zu befürchten, dass ansonsten Migrantinnen, die von Menschenhandel betroffen sind, nicht angemessen unterstützt werden können und somit in ihren spezifischen Bedarfen als Opfer von massiven Straftaten nicht berücksichtigt werden.

Integrationskurse für Frauen und Angebote von Kinderbetreuung In der Beratungspraxis ist uns aufgefallen, dass es keine vollständige Übersicht über Sprachkursträger in SchleswigHolstein gibt, die frauenspezifische Integrationskurse anbieten. Darüber hinaus liegen keine Angaben darüber vor, ob die Kurse mit oder ohne Kinderbetreuung in Schleswig-Holstein angeboten werden. Auf Nachfrage wurden wir auf die Internetseite des BAMF gewiesen, dort jedoch ist lediglich T.I.O. in Kiel als Anbieterin von Frauenintegrationskursen ausgewiesen, die AWO als Trägerin von Eltern- und Frauenintegrationskursen in zwei Städten. Über Kinderbetreuung ist dem Dateninformationssystem WebGis des BAMF nichts zu entnehmen. Es ist kaum vorstellbar, dass es lediglich zwei Träger gibt, die spezielle Integrationskurse für Frauen anbieten. Da sicherlich schleswig-holsteinweit ein hoher Bedarf an frauenspezifischen Integrationskursen und sicher auch an Kinderbetreuung besteht, wird aus unserer Sicht dringend eine vollständige Übersicht über entsprechende Kurse mit und ohne Kinderbetreuung benötigt, um in der Beratung entsprechend bedarfsgemäß vermitteln zu können.

Ehegattenabhängiger Aufenthalt Die Regelungen zum ehegattenabhängigen Aufenthalt halten wir grundsätzlich für problematisch. Diese strukturell bedingte Abhängigkeit schafft auch Raum für Straftaten. In die Beratung von contra kommen immer wieder Migrantinnen, deren Ehepartner sich diese Situation zunutze machen, um die Frau sexuell oder in ihrer Arbeitskraft auszubeuten und sie dabei psychischer oder physischer Gewalt auszusetzen. Die ständig drohende Ausreisepflicht, die eintritt, sobald die Ehe nicht tatsächlich fortgeführt wird, ist für die Betroffene eine schwere, fürchterliche Belastung und bringt viele der Betroffenen dazu, in dieser Situation auszuharren. Unklar ist an dieser Stelle, wie viele Migrantinnen sich in solchen Situationen befinden. Zwar hat der Gesetzgeber hier den § 31 Abs. 2 zur Vermeidung einer besonderen Härte geschaffen, jedoch ist die besondere Härte nicht genauer definiert und der Nachweis des Vorliegens einer besonderen Härte schwer zu erbringen. Sollte beabsichtigt werden, einen Erlass zum ehegattenabhängigen Aufenthalt zu erarbeiten, so regen wir folgendes an: Es sollte in den Erlass aufgenommen werden, dass Einschätzungen / Stellungnahmen von (Frauen-) Beratungsstellen bei der Entscheidung über das Vorliegen einer besonderen Härte grundsätzlich zu berücksichtigen sind, unter Voraussetzung, dass die Betroffene eingewilligt hat – je nach Fallkonstellation entweder bezüglich der Unzumutbarkeit der Weiterführung der Ehe als auch zur Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Herkunftsland.

Flankierende Maßnahmen Die Aufdeckung von Straftaten im Bereich des Menschenhandels und ein entsprechender Opferschutz der betroffenen Frauen erfordern aus unserer Sicht ein landesspezifisches Opferschutzkonzept. Neben verbesserten rechtlichen Regelungen halten wir die Umsetzung verschiedener flankierender Maßnahmen für erforderlich: Gefährdung von Zeuginnen – niedrigschwelliges Zeugenschutzkonzept Unseres Erachtens muss über Fragen des Zeugenschutzes weiterhin zielgruppenspezifisch nachgedacht werden. Nach

Aus unserer Sicht ist weiter unbedingt vorzubeugen, dass Migrantinnen sich in solchen prekären Situationen allein fühlen, ihre Rechte nicht kennen, das Gefühl haben ausharren zu müssen und sie bzw. auch ihre Kinder psychisch und / oder

2 z.B. Migrantinnen als Opfer von Männergewalt - Situation in SchleswigHolstein im Bereich Heiratshandel“ am 25. November 2004, veranstaltet von dem Flüchtlingsbeauftragten, Frauen helfen Frauen e.V. Lübeck und contra

25


den Erfahrungen von contra finden gefährdete Opferzeuginnen keine Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm des LKA. Das allgemeine Zeugenschutzprogramm ist möglicherweise aus verschiedenen Gründen für betroffene Frauen nicht geeignet. Wir würden daher eher Maßnahmen im Bereich eines niedrigschwelligen Zeuginnenbetreuungsprogramms ähnlich dem Modell in Hamburg befürworten und bitten um weitere Prüfung dieser Möglichkeit. Kooperationskonzept Nach den Erfahrungen anderer Bundesländer haben sich gerade im Bereich der Arbeit gegen Menschenhandel / Frauenhandel Konzepte bewährt, die eine Zusammenarbeit zwischen Landespolizei, den entsprechenden Fachberatungsstellen und weiteren Beteiligten verbindlich regeln. Insbesondere hat sich hierbei der schriftliche Abschluss von Kooperationsvereinbarungen bewährt. Es gibt mittlerweile verschiedene Expertisen darüber, die bestätigen, dass sich mit Kooperationsvereinbarungen sowohl die Strafverfolgung als auch der Opferschutz im Bereich Menschenhandel verbessern lassen. Die Fachstelle contra hält den Abschluss einer solchen Kooperationsvereinbarung in Schleswig-Holstein für zielführend. In diesem Rahmen wäre auch eine kontinuierliche Fortbildung zum Bereich Menschenhandel für Beamte der Polizei- und anderer Behörden sehr zu begrüßen. Wir stehen für einen Fachaustausch dazu gern zur Verfügung. Beratungsangebote für Prostituierte Eine Vielfalt von frauen- und migrantinnenspezifischen Beratungsangeboten ist aus unserer Sicht sehr wichtig, um Frauen / Migrantinnen kompetent in verschiedenen Belangen unterstützen zu können. Für den Bereich Frauenhandel / Menschenhandel ist hier das Beratungsangebot von contra mit Unterstützung des Landes installiert worden. Eine wichtige Säule, die in Schleswig-Holstein aus unserer Sicht leider noch fehlt, ist der Bereich der Prostituiertenberatung. Wir erleben, dass sowohl Migrantinnen in der Prostitution als auch deutsche Frauen hier einen hohen Unterstützungsbedarf haben und entsprechende Beratungsangebote nachfragen. Es wäre wünschenswert und aus unserer Sicht dringend notwendig, wenn auch in diesem Bereich Möglichkeiten zur Begegnung dieses Bedarfs in SchleswigHolstein ausgelotet werden könnten. Eine Verbesserung in diesem Bereich dient nach den Erfahrungen anderer Bundesländer zusätzlich auch sowohl der Verhinderung als auch der Aufdeckung von Straftaten im Prostitutionsmilieu. Auch hier stehen wir für einen Fachaustausch gern zur Verfügung. Claudia Franke

26


Abschrift der mündlichen Stellungnahme des Ministeriums für Bildung (vom Sprecher korrigiert und zum Abdruck freigegeben) gangsempfehlungen und in diesem Zusammenhang auf die generelle Frage nach der Sinnhaftigkeit von Übergangsempfehlungen in einem durchlässigen Bildungssystem. Aber auch die Frage der Zuordnung der Schülerinnen und Schüler zu einem Bildungsgang, der bisher häufig stark von der sozialen Herkunft abhängig war, und davon, ob ein Kind über sichere Sprachkenntnisse verfügt. Was die Inanspruchnahme des Tatbestandes des Sitzenbleibens anbelangt, waren wir in Schleswig-Holstein ziemlich weit vorne. Aber auch die Zurückstellungen vom Schulbesuch wurden bis zum Schuljahr 2006/07 noch genutzt. Die Zurückstellungen sind in Schleswig-Holstein nun nicht mehr möglich. Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in dieser Gruppe war immer überproportional hoch. Heterogenität in der Eingangsphase stellt insoweit den Regelfall in der Grundschule dar. Darauf wird mit der Flexibilisierung und Weiterentwicklung der Eingangsphase reagiert.

Ich vertrete aus dem Ministerium für Bildung und Frauen den Bereich Bildung und Schule. Den Ausführungen von Frau Kuhlemann und Frau Koyunoglu kann ich weitestgehend zustimmen, möchte sie an bestimmten Stellen aber verstärken und ergänzen. Frau Kuhlemann hat auf eine signifikant wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund hingewiesen. In Schleswig-Holsteins Schulen liegt diese Zahl landesweit bei derzeit etwa 13 Prozent. Dieser Anteil wird sich in den kommenden Jahren nahezu verdoppeln. Gleichzeitig haben wir es aber auch mit einem Rückgang der Schülerzahlen insgesamt zu tun, in manchen Regionen um bis zu 25 Prozent. Wenn wir diese beiden Zahlen zusammenführen, wird erst recht deutlich, wie gravierend möglicherweise die Auswirkungen für die Schulen sein werden. Hinweisen möchte ich auch auf die sehr problematischen bis hin zu teilweise beschämenden Ergebnisse in den Bildungsstudien, insbesondere auf einen Aspekt, den Sie, Frau Dr. Müller, vorhin kurz benannten, nämlich den des schlechten Abschneidens der Schülerinnen und Schüler, die von der Einschulung an im Bildungssystem sind. Also Schülerinnen und Schüler, die eben nicht als Quer- und Seiteneinsteiger in die Bildungssysteme kommen, sondern die von Anfang an dabei sind.

Ich möchte auf zwei, drei grundsätzliche Maßnahmen aufmerksam machen, denn ich glaube, dass wir beispielsweise im Bereich der vorschulischen Sprachförderung in Schleswig-Holstein weiterhin vorbildich sind. Wir haben 27 Mio. Euro zusätzlich bereit gestellt und seit dem Schuljahr 2005/06 etwa 8.000 Kinder auf den Schulbesuch vorbereitet. Das ist auch notwendig, denn wenn wir nicht mehr zurückstellen, müssen wir erst recht dafür sorgen, dass die Kinder sprachlich gut vorbereitet sind. Bundesweit hat sich übrigens die frühe Förderung vor der Einschulung etabliert.

Diese beiden Faktoren, die demographische Entwicklung auf der einen Seite und die Ergebnisse der Bildungsstudien auf der anderen Seite, haben uns veranlasst, im letzten Jahr ein vollständig neues Schulgesetz zu konstruieren und neue Schulartverordnungen einzuführen. Mit dem Ziel, die Förderorientierung in allen Schulen deutlich zu verstärken, Bildungspotentiale noch viel genauer zu erkennen und gezielter individuell zu fördern, um damit insgesamt zu mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem zu gelangen.

Im Bereich der schulischen Sprachförderung haben wir erfreulicherweise inzwischen schon über 50 sogenannter Deutsch als Zweitsprache-Zentren flächendeckend eingerichtet. Das deshalb, weil wir mit dieser besonderen Herausforderung, darauf wurde hingewiesen, in Schleswig-Holstein nicht nur eine wachsende Zahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler haben, sondern diese auch noch sehr ungünstig verteilt sind. Wir haben den Anspruch, dass wir auch ein Kind in Elpersbüttel-Windbergen in Dithmarschen oder sonstwo in

Frau Kuhlemann hat bereits auf einige Bereiche hingewiesen, z.B. auf die Durchlässigkeit im Bildungssystem, auf Über-

27

Stellungnahmen der Ministerien

Jan Stargardt Ministerium für Bildung und Frauen


Angesprochen werden sollte meiner Meinung nach der Bereich der Ganztagsschule. Wir haben erfreulicherweise jetzt über 400 offene Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein, mit der weitreichenden Chance der Vernetzung auch zu Themen der Interkulturalität.

Schleswig-Holstein angemessen fördern und dass diese Förderung nicht davon abhängig sein kann, ob das Kind vielleicht das Pech hat, nicht in einer kreisfreien Stadt oder im Kreis Pinneberg zu wohnen. Ich möchte das erfolgreiche Handlungskonzept Schule und Arbeitsfeld nur namentlich nennen, weil ich nicht sicher bin, ob heute seitens des zuständigen Arbeitsministeriums noch einmal dazu grundlegend Stellung genommen wird.

Ein letzter Bereich, den ich gerne noch nennen möchte, ist einer, der auch tagesaktuell durchaus eine gewisse Brisanz trägt. Wir beabsichtigen - nun endlich, wird mancher wahrscheinlich sagen - den muttersprachlichen Unterricht noch einmal neu zu konzeptionieren. Die besondere Bedeutung des muttersprachlichen Unterrichts ist uns natürlich sehr bewusst. Zu dieser Frage werden derzeit im Bildungsministerium Konzepte erstellt, die übrigens auch Überlegungen zur Ausweitung des Türkischunterrichts als Fremdsprache einschließen. Ich bin mir sicher, dass wir hier zu einer veränderten und, hoffe ich, auch verbesserten Situation kommen.

Generell möchte ich noch einen Bereich ansprechen, der bereits genant wurde, nämlich die Sprachförderung in den Gymnasien und Gesamtschulen. Mit einigem Erstaunen haben wir außerdem zur Kenntnis genommen, dass sogar in den beruflichen Schulen der Bedarf an zusätzlicher Sprachförderung deutlich vorhanden ist und dass Schülerinnen und Schüler letztlich nicht ausbildungsfähig sind, weil sie nicht über einen sicheren Sprachstand verfügen. Auch in diesen Bereichen werden wir unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Situation der Schülerinnen und Schüler nachhaltig erhöhen.

Zusammenfassen am Schluss möchte ich, dass ich ganz sicher bin, dass wir mit dem neuen Schulgesetz, den Schulartverordnungen und auch den hier in aller Kürze dargestellten Maßnahmen eine sehr nachhaltige Kursänderung eingeleitet haben. Aber es ist nun einmal so, dass eine Kursänderung angesichts des Bildungstankers nicht immer eine sofortige, vollständige und sehr zeitnahe Richtungsänderung bedeutet. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir mittelfristig zu einer signifikanten Verbesserung der Situation für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Schleswig-Holstein kommen werden. Danke schön.

Ich möchte auf einen weiteren Bereich durchaus selbstkritisch aufmerksam machen, in dem ich besonderen Entwicklungsbedarf sehe, nämlich den Bereich der Interkulturalität per se oder im engeren Sinne. Aber auch hier sind wir zu erfreulichen Entwicklungen gekommen. Wir werden die Quote der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund steigern durch sogenannte schulinterne Ausschreibungen. Die Zahl der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund in Schleswig-Holstein ist bisher suboptimal. Wir hatten beispielsweise Mühe, die bisherigen Maßnahmen des Islamunterrichts mit geeigneten Lehrkräften zu versorgen. Wir haben den auch von Herrn Loop zurecht vehement geforderten Sprachtest zur Einstellung von Lehrkräften mit Mirgationshintergrund inzwischen angepasst und eine Prüfungsordnung erstellt, die wir seit einem halben Jahr erfolgreich einsetzen, so dass wir mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund ins Referendariat bekommen können. Wir haben verpflichtend vorgegeben, dass alle Lehrkräfte aller Laufbahnen, und das ist ein großer Erfolg, „Deutsch als Zweitsprache“ im Referendariat belegen müssen. Wir werden im kommenden Jahr eine rechtlich abgesicherte, verpflichtende Handreichung auf den Markt bringen. Frau Dr. Schulte-Bunert von der Universität Flensburg spreche ich jetzt an, da sie für diese curricularen Grundlagen zuständig ist. Wir sind leider noch nicht soweit, dass ich es ein echtes Curriculum nennen darf - also ein Lehrplan für Deutsch als Zweitsprache werden dies jedoch schrittweise entwickeln.

28


Mitschrift der mündlichen Stellungnahme des Ministeriums für Bildung und Frauen (von der Sprecherin korrigiert, ergänzt und zum Abdruck freigegeben) zum Nachweis der Gewalt vorgelegt werden. Nur 7% der Gewaltopfer rufen nämlich die Polizei, wenn der Gewalttäter der eigene Partner ist. Wenn die Gewalt Verletzungen zur Folge hat, sind es immerhin 19%. Das bedeutet gleichzeitig, dass in 81% der Fälle die Polizei gar keine Kenntnis von der Gewalt hat und deshalb auch keine Wegweisung verfügen oder eine Anzeige aufnehmen kann. Deshalb werden wir die Anregung von contra aufgreifen, dass Stellungnahmen von (Frauen-) beratungsstellen bzw. Frauenhäusern bei der Entscheidung über das Vorliegen einer besonderen Härte grundsätzlich zu berücksichtigen sind, natürlich unter der Voraussetzung, dass die Betroffene eingewilligt hat.

Wie mein Vorredner und Kollege Herr Stargardt, vertrete auch ich bei dieser Anhörung das Ministerium für Bildung und Frauen. Im Unterschied zu ihm bin ich nicht im Bildungsbereich, sondern in der Frauenpolitik tätig. Insofern werde ich in meinem Beitrag diejenigen Punkte von TIO, contra und Mondfrauen ansprechen, für die wir frauenpolitisch verantwortlich oder mitverantwortlich sind: - das ehegattenunabhängige Aufenthaltsrecht - Sprachkurse für Frauen - Beratungsangebote für Prostituierte Auch wenn die drei o.g. Frauenorganisationen bemängeln, dass das Aufenthaltsgesetz nachgezogenen Ehefrauen ein eigenes Aufenthaltsrecht erst nach zwei Jahren einräumt und in ihren Beiträgen aufzeigen, welche Probleme auftreten, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft vor Ablauf dieser zwei Jahre aufgehoben wird, bewerte ich die Zwei-JahresFrist dennoch als großen Erfolg, denn bis zum Jahr 2000 galt ein vierjähriger Bestand der Ehe als Voraussetzung für einen eigenständigen Aufenthalt. Es ist insbesondere den frauenpolitischen Initiativen und Einlassungen zu verdanken, dass es zu dieser Fristhalbierung kam. Um Härtefälle zu vermeiden, gibt § 31 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit, von der Voraussetzung des zweijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft abzusehen. Dabei können insbesondere Fälle häuslicher Gewalt eine solche besondere Härte darstellen. Dazu muss jedoch immer der Einzelfall geprüft, entsprechend erläutert und dargestellt werden.

Wir begrüßen die Forderungen nach mehrsprachigen Informationsmaterialien, um Frauen besser über ihre Rechte zu informieren. Im Rahmen der das Bildungs- und Frauenministerium betreffenden Themenfelder, häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen, und für die von uns verantworteten Sprachkurse liegen diese bereits vor. Den Flyer „Gemeinsam Schule machen“ und die Broschüre mit dem Titel „Nur Mut“ liegen hier aus. Sie können sie gerne mitnehmen. Daneben werden wir in Kürze einen Flyer für Migrantinnen auflegen, der sie in acht Sprachen über die Angebote der Frauenberatungsstellen im Land informiert. Mein Kollege Herr Stargardt hat Ihnen über die vorschulische Sprachförderung und in diesem Zusammenhang über Sprachintensivmaßnahmen für Kinder vor Schuleintritt berichtet. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Frauen- und dem Bildungsbereich haben wir parallel zu den Sprachangeboten für Kinder auch besondere Sprachkurse für deren Mütter konzipiert und mit den Sprachkursträgern in den Kreisen und kreisfreien Städten erörtert. Diese Müttersprachkurse finden seit dem letzten Jahr in allen Landesteilen statt. Natürlich gehört zu den Sprachkursen auch eine Kinderbetreuung. Gefördert werden sie durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Kurse wollen wir auch in den kommenden Jahren durchführen. Dabei verfolgen wir nicht allein das Ziel, die Sprachkompetenz der teilnehmenden Frauen zu verbes-

Bei dem Aufenthaltsgesetz handelt es sich um Bundesrecht. Aktuell werden die Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz überarbeitet. In diesem Rahmen kann Schleswig-Holstein Stellung nehmen. Das Frauenministerium wird sich dafür einsetzen, dass die Anwendungshinweise zu § 31 Aufenthaltsgesetz um folgende Punkte ergänzt werden: Zum einen werden wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass in Fällen häuslicher Gewalt eine Glaubhaftmachung genügt, denn bei häuslicher Gewalt können nicht immer Nachweise sowie Wegweisungsverfügungen, Anzeigen, Protokolle oder Atteste

29

Stellungnahmen der Ministerien

Regina Selker Ministerium für Bildung und Frauen


sern; uns geht es vielmehr auch darum, Mütter an die vorschulische Sprachförderung ihrer Kinder heranzuführen, damit sie den Bildungsweg ihrer Kinder intensiver begleiten können. Viele Träger berichten aber, dass es schwer ist, insbesondere Mütter aus bildungsfernen Schichten überhaupt dazu zu bewegen, dieses für sie kostenfreie Angebot zu nutzen. Das Frauenministerium fördert die Beratung von contra seit 1999 zunächst als Modellprojekt, seit 2002 als Fachstelle gegen Frauenhandel mit jährlich 51000 €. Darüber hinaus wurde im Jahr 2004 ein Fonds für Einzelfallhilfen eingerichtet. Dieser soll den notwendigen Bedarf der Frauen während ihres Aufenthaltes in Schleswig-Holstein sichern soweit Sozialleistungen nicht oder noch nicht gewährt wurden, bzw. nicht ausreichen. Seit dem Jahr 2007 baut contra regionale Hilfesysteme auf, um auch Dritte, insbesondere aus dem kirchlichen Umfeld, in die Unterstützung einzubeziehen. Dadurch können mehr Frauen erreicht werden und gleichzeitig qualitativ gut begleitet werden. Die Regionalisierung begann schwerpunktmäßig in Dithmarschen und Nordfriesland und wird in den nächsten Schritten auch auf Schleswig-Flensburg, Lübeck, Bad Segeberg, Kiel und Neumünster ausgedehnt. Contra hat darauf hingewiesen, dass die Beratung für Prostituierte in Schleswig-Holstein verbessert werden sollte. Wir sind gerne bereit, uns zusammen mit contra und unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsministerium, den Vertreterinnen der schon bestehende Beratungsangebote in den Gesundheitsämtern, mit den Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen zusammenzusetzen, um Vorschläge zu entwickeln wie die Beratung verbessert werden kann.

30


Mitschrift der mündlichen Stellungnahme des Innenminsteriums (vom Sprecher korrigiert, ergänzt und zum Abdruck freigegeben) Ja, selbst „Eigenarten“ des Rechts oder Kulturkreises im Herkunftstaat, die zu einer erheblichen rechtlichen oder gesellschaftlichen Diskriminierung des betroffenen Ehegatten wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft führen können – so der Entwurf der Verwaltungsvorschriften – können diesen Härtefall auslösen.

Ich will zunächst darauf hinweisen und das verstärken, was Frau Selker zum § 31 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gesagt hat, durchaus vergleichbar mit einigen Punkten beim § 104 AufenthG, der Bleiberechtsregelung und der Altfallregelung. Ich habe den Vorteil, dass ich – wie auch Frau Selker – unmittelbar bei den Verhandlungen beteiligt war. Im Jahr 2000 war das ein Riesenerfolg, die Regelung so hinzukriegen. Sie war ja nicht gewollt und es sollte überhaupt keine Veränderung geben. Das eigenständige Aufenthaltsrecht eines Ehegatten wird – so bestimmt es jetzt § 31 AufenthG – im Falle der Scheidung gewährt, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder – wenn die zwei Jahre nicht erreicht werden – zur „Vermeidung einer besonderen Härte“.

So, ich wollte ihnen ein Beispiel dafür geben, dass sich sehr wohl in den letzten Jahren eine Menge getan hat und sich sicherlich auch noch eine Menge tun wird. Da werden wir heute ja auch noch einige Anregungen bekommen. Vielen Dank.

Drei konkrete Forderungen habe ich im Ohr, nämlich die Frage, was die Diskriminierung – auch wenn sie im Ursprungsland entsteht – für eine Frau bedeutet, die zurückkehren muss, die Frage der körperlichen Bedrohung und das Thema Kindeswohl. Dies ist alles im Hinblick auf die „besondere Härte“ geregelt im Entwurf der Verwaltungsvorschriften. Dort heißt es: Zum einen ist die Situation des betroffenen Ehegatten im Falle der Rückkehr in sein Heimatland mit derjenigen zu vergleichen, die bei einem Verbleib in Deutschland besteht. Ergibt sich, dass bei Rückkehr die Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange droht, liegt eine besondere Härte vor. Zu berücksichtigen ist das Wohl eines Kindes, das mit dem betroffenen Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Schutzwürdig sind somit u. a. Belange, die verbunden sind mit dem Interesse an einem weiteren Umgang mit einem eigenen Kind, das im Bundesgebiet verbleibt oder einer zu erwartenden Verschlechterung der geistigen und körperlichen Entwicklung eines Kindes, das mit den betroffenen Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebt; insbesondere weil das Kind aufgrund einer Behinderung auf die Beibehaltung eines spezifischen sozialen Umfeldes in Deutschland angewiesen ist.

31

Stellungnahmen der Ministerien

Norbert Scharbach Innenministerium


Aufenthaltsrecht und Verwaltungspraxis

Georg Falterbaum LAG der Wohlfahrtsverbände

Aufenthaltsrecht und Verwaltungspraxis

Diese Maßnahmen lehnen die Kirchen als unverhältnismäßig ab. So heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung vom 24.07.2007: „Um Opfern von Zwangsverheiratungen Schutz und Hilfe zu bieten, sollten vielmehr deren eigenständige Wiederkehr- und Aufenthaltsrechte gestärkt werden. Gerade das eigenständige Aufenthaltsrecht vermittelt zwangsverheirateten Frauen die Möglichkeit, nach zwei Jahren Ehe unabhängig von ihren Ehepartnern in Deutschland bleiben zu können…“.

Neben einigen Verbesserungen und Klarstellungen beispielsweise im Bereich der Öffnung der Integrationsangebote für deutsche Staatsangehörige und der Schaffung einer gesetzlichen Altfallregelung für langjährig geduldete Ausländerinnen und Ausländer sind durch die Änderungen im Zuwanderungsrecht „NACHTEILE“ entstanden im Besonderen im Bereich der Themenschwerpunkte Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, die nur teilweise Umsetzung flüchtlingsspezifischer Regelungen der EU, die unzureichende Stärkung der psychosozialen Versorgung und die unzureichende Beachtung des Kindeswohl sowie die Nichtabschaffung der Kettenduldungen.

Ehegattennachzug Aus unserer Sicht ist es nicht akzeptabel, dass der Anspruch auf Ehegattennachzug zu Deutschen nicht mehr unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhaltes ist, und damit einhergehend, dass Ausländer in den ersten drei Monaten nach Einreise in der Regel keine Leistungen nach SGB II erhalten sollen. Die freie Wahl des Partners und das familiäre Zusammenleben in Deutschland sind nicht allein ein Recht der Deutschen, die es sich finanziell leisten können. Es darf auch bei eingebürgerten Deutschen nicht ausländer- oder sozialrechtlich unterbunden werden. Die deutsche Staatsbürgerschaft vermittelt allen die gleichen Rechte. Gemäß § 30 Abs.1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz muss beim Ehegattennachzug der nachziehende Ehepartner nachweisen, dass er sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Diese Regelung gilt auch beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen. Aus unserer Sicht ist dies schwierig, da der Zeitpunkt des Spracherwerbs vor die Einreise gelegt wurde. Entsprechende Sprachkursangebote gibt es in vielen Ländern nicht oder nur in einigen Großstädten, und die Frage der Finanzierung lastet auf den Ehepartnern und deren Familien. Die Erfahrungen aus dem Zuzug der Spätaussiedler der letzten Jahre zeigen, welche gravierenden Einreisehindernisse diese Regelung gebracht hat. Häufig wird es den Betroffenen nicht möglich sein, einfache Deutschkenntnisse zu erwerben. Zudem ist diese Regelung nicht verhältnismäßig, da Ausländerinnen und Ausländer aus einigen wenigen privilegierten Herkunftsländern (z.B. Japan) ausgenommen sind.

Der restriktive Charakter des Gesetzes lässt sich exemplarisch an der Änderung der Zweckbestimmung des Aufenthaltsgesetzes festmachen. Bislang diente es u.a. der Förderung der Integration, nun wird per Gesetz die Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen geregelt. Der Hinweis, dass Integration auch gefördert werden muss, wurde gestrichen, die Betonung der Pflicht zur Integration wird deutlich. Anhand einiger Themenschwerpunkte soll aus unserer Sicht aufgezeigt werden, wie sich nach den Änderungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union derzeit das Aufenthaltsrecht und die Praxis für Ausländerinnen und Ausländer in Schleswig-Holstein gestaltet: Familienzusammenführung Mit der Änderung des Zuwanderungsgesetzes sind die Forderungen, die auch von der evangelischen und katholischen Kirche aufgestellt wurden, im Bereich des Familiennachzugs nicht berücksichtigt worden. Dies bedauern die Kirchen ausdrücklich. Somit ist es gesetzlich festgeschrieben worden, dass der Ehegattennachzug vom Erreichen eines Mindestalters von 18 Jahren und vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise abhängig ist. Die Regelung wird mit dem Ziel der Verhinderung von Zwangsehen sowie mit integrationspolitischen Zielen begründet.

32


Kettenduldungen/Bleiberecht Kritikwürdig aus unserer Sicht ist auch die Tatsache, dass sich die Situation von Menschen mit so genannten Kettenduldungen nicht wesentlich verbessert hat. Kettenduldungen sind nach wie vor nicht abgeschafft. Begrüßenswert ist , dass es eine gesetzliche Bleiberechtsregelung gibt (nach der in Schleswig-Holstein insgesamt 439 Personen per 30.06.08 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben), dennoch sieht diese Regelung aus unserer Sicht starke Einschränkungen vor. Wegen der Ausschlussgründe haben viele geduldete Personen in der Bundesrepublik und in Schleswig-Holstein von dieser Regelung nicht profitieren können. Zudem fehlt es an Ausnahmeregelungen für erwerbsunfähige, alte, behinderte und traumatisierte Menschen, die kein Bleiberecht erhalten, da sie ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig und ohne öffentliche Leistungen dauerhaft sichern können. Wir setzen uns weiterhin für eine großzügigere Auslegung dieser Regelungen sowie eine Verlängerung der Bleiberechtsregelung für Menschen, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben und zum größten Teil Integrationsleistungen erbracht haben, ein.

Die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer sind bereits seit zehn und mehr Jahren hier. In den letzten Jahren ist jedoch die Attraktivität der Einbürgerung deutlich zurückgegangen. Die Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz haben neben klarstellenden Regelungen eine Reihe von Verschärfungen der Einbürgerungsvoraussetzungen bewirkt, wie beispielsweise die Streichung der Privilegierung für junge Erwachsene, die Absenkung der Geringfügigkeitsgrenzen für Straftaten sowie die Heraufsetzung der Anforderungen an die Sprachkenntnisse, der Nachweis von Kenntnissen über die Rechtsund Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse in Deutschland sowie die Erhebung der Gründe zum absoluten Ausschlussgrund für jede Einbürgerung (Ermessens und Anspruchseinbürgerung).

Datenschutz Gesetzlich geregelt sind mehrere datenschutzrelevante Änderungen im Zusammenhang mit dem Visumverfahren. Somit können nicht nur Daten der visumantragstellenden Person und des Einladers an das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt übermittelt werden, sondern auch die Daten von Personen, die für die Sicherung des Lebensunterhaltes einstehen sowie „sonstige Referenzpersonen“. Der Begriff dieser letztgenannten Personengruppe ist gesetzlich nicht näher definiert. Die Datenübermittlung ist auch bei Visa für kurzfristige Aufenthalte vorgesehen.

Im Bundesgebiet geborene Kinder Nach den gesetzlichen Regelungen erhält ein in Deutschland geborenes Kind von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn Vater und Mutter oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt/EU besitzt. Hat nur ein Elternteil eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Da heißt in der Praxis z.B.: hat der Vater kein Aufenthaltsrecht, ist es für das Kind aus ausländerrechtlicher Sicht besser, wenn die Mutter ledig ist und dem Vater kein Personensorgerecht einräumt. Mit Blick auf das Kindeswohl ist diese Regelung kontraproduktiv und entspricht nicht der Idee des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 25.10.07, wonach es ein Vorstoß gegen das Gleichheitsgebot ist, die Aufenthaltserlaubnis nur an den Status der Mutter anzuknüpfen. Staatsangehörigkeitsrecht Die Gewährung eines Rechtsanspruches auf Einbürgerung ist aus gesellschaftspolitischen, menschenrechtlichen und staatsrechtlichen Überlegungen heraus sinnvoll. Ohne Staatsbürgerschaft und damit ohne das nur Staatsbürgern zustehende Wahlrecht können Zugewanderte mit Lebensmittelpunkt in Deutschland politische Teilhabe praktisch nicht ausüben. Es liegt jedoch im ureigenen Interesse eines Staates, dass das Staatsvolk und die Bevölkerung möglichst weitgehend identisch sind.

33


Flüchtlingspolitik

Martin Link Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

Flüchtlingspolitik ist Ausgrenzungspolitik Hintergrundpapier zum Vortrag von Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

häufigsten Herkunftsländer waren 2007 Aserbaidschan und die Russische Föderation (je 8,3%), Iran (6,6%), Syrien (4,8%), Vietnam (4%), Afghanistan (3,2%) und Pakistan (2,4%). Nur 785 Asylerst- und Asylfolgeanträge wurden 2007 in SchleswigHolstein gestellt. Im Bundesland leben derzeit weniger als 3.000 geduldete Flüchtlinge.

Europa ist der einzige Kontinent mit negativem Bevölkerungswachstum. Dennoch reagiert die EU – bei engagierter Beteiligung der Bundesregierung – auf diese Entwicklung vor allem durch Abschottung von MigrantInnen, für die am Arbeitsmarkt vermeintlich kein Bedarf bestehe. Mit dramatischen Folgen: Seit 1988 sind nachweislich 11.976 Personen entlang der europäischen Grenzen gestorben, meldet Fortress Europe im Sommer 2008. Für 8.284 endete der Meerweg nach Spanien als angespülte Wasserleiche, 4.232 sind unauffindbar im Meer verschollen und 1.587 auf dem Fluchtweg durch die Sahara umgekommen. Die Dunkelziffern dieser Daten werden um ein vielfaches höher geschätzt. Diejenigen, die es dennoch durch den europäischen Zaun schaffen, werden von Politik und Medien regelmäßig als „illegale Einwanderer“ oder „Wirtschaftsasylanten“ verunglimpft.

Inzwischen fast 60% der in Schleswig-Holstein behördlich erfassten Flüchtlinge wollen allerdings gar nicht hierher, sondern befanden sich bei Aufgriff im Transit – zumeist nach Skandinavien. Diese sog. Dublin-II-Fälle stellen hier i.d.R. keinen Asylantrag und werden von der Bundespolizei oder vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten in der JVA Rendsburg festgesetzt oder in eine zugeordnete Gemeinschaftsunterkunft (ZGU) des Landes eingewiesen, bis die Zurückschiebung in den (vermuteten) asyl- und ausländerrechtlich zuständigen EU-Mitgliedsstaat möglich wird. Dankenswerter Weise hat das VG Schleswig jüngst Zurückschiebungen in das für seine menschenrechtswidrige Behandlung von Flüchtlingen berüchtigte Griechenland einen Riegel vor geschoben.

Kein Wunder also, dass trotz weltweit guter Fluchtgründe die Zahl der Asylanträge hierzulande stark rückläufig ist. Mit 19.164 Erstanträgen in 2007 ist die niedrigste Zahl seit 1977 zu verzeichnen. Doch selbst diese Zahl spiegelt nicht die zur Antragstellung nach Deutschland eingereisten Personen wider. Denn 3.174 Asylanträge, also etwa jeder sechste Antrag, wurden im Jahr 2007 von Amts wegen für ein neugeborenes Kind gestellt, dessen Eltern in Deutschland als Asylsuchende leben.

Die Sorge vor Erfolglosigkeit im Asylverfahren, vor Zurückoder Abschiebung, vor Kasernierung im Ausreisezentrum, vor Widerrufen oder vor Familientrennung führt auch in SchleswigHolstein zu einer Zunahme von „heimlichen Menschen“ in der sog. Illegalität.

Das Bundesamt hat 2007 genau 28.572 Asylentscheidungen getroffen. Die Gesamtschutzquote betrug unter Einbeziehung der Folgeanträge – u.a. durch eine erhöhte Anerkennungsquote bei irakischen Flüchtlingen – 27,5% (304 Personen [davon 11 in SH] gem. Art 16a GG =1,1%; 6.893 Personen [davon 110 in SH] gem. GFK/§60.1 AufenthG = 24,1%).

Insgesamt jedoch straft die feststellbare Zahlenentwicklung – auch und besonders in Schleswig-Holstein – die von Teilen der Politik und Medien gern erhobene Behauptung von der durch Flüchtlinge überlasteten Aufnahmefähigkeit der Republik Lügen. Der Migrationsbericht der Bundesregierung beklagt mit besorgtem Blick auf die demographische Entwicklung sogar ausdrücklich einen zurückgehenden Einwanderungssaldo: 2006 wanderten 558.000 Personen ein, 484.000 verließen Deutschland.

Die meisten Asylerstantragstellerinnen und -antragsteller kamen im vergangenen Jahr aus dem Irak (Bund 22,6 %; SH 27%), aus Serbien (Bund 10,4%; SH 6,2%) und aus der Türkei (Bund 7,5%; SH 13,4%).

Und dennoch gehören Flüchtlinge weiterhin nicht zu denen, die als dauerhaft Einwandernde verstanden und willkommen geheißen werden. Sie sind i.d.R. keine Zielgruppe öffentli-

Weitere der in Schleswig-Holstein statistisch erfassten 10

34


sönliche Weiterentwicklung der betroffenen Flüchtlinge ungenutzt bleibt. Das steht selbst einer nachhaltigen Reintegration und Existenzsicherung im Falle einer unvermeidlichen oder gewollten Rückkehr bzw. einer Weiterwanderung entgegen.

cher Integrationsförderung. Ihre Integration ist nicht nur unerwünscht, sondern soll nachhaltig verhindert werden. Das darf auch gern etwas kosten. Denn Flüchtlinge sind, wie es der ehemalige Innenminister Schleswig-Holsteins Dr. Ralf Stegner stellvertretend für seine Kollegen aus Bund und Ländern am 19. April 2006 in Neumünster feststellte, keine Menschen, „die dauerhaft zu uns kommen“. Integrationsförderung sei demnach, „denen, die dauerhaft hier bleiben“ klare Regelungen und Perspektiven zu geben. Gleichzeitig müssten „ebenso klare Verfahren für diejenigen gelten, die hier nicht auf Dauer leben werden. Denn letztlich ist es humaner, Menschen ohne Bleibeperspektive schnellstmöglich dazu zu bewegen, freiwillig nach Hause zu reisen, als ihnen jahrelang falsche Hoffnungen zu machen“.

Insbesondere für Kinder und Jugendliche, die hier aufwachsen oder gar geboren werden und denen allenfalls ein Schulbesuch bis zur Ende der Schulpflicht erlaubt wird, bedeutet diese Form der Desintegrationspolitik die Unmöglichkeit, eine nachhaltig wirkende Zukunftsperspektive zu entwickeln. Die künftige Teilnahme der schulpflichtigen Flüchtlingskinder und –jugendlichen an den im Zuge des im nationalen Integrationsplan (NIP) Handlungsfeldes Bildung vorgesehenen verstärkten schulischen Integrationsförderungen wird, ohne dass an den Schulabschluss weitergehende Integrationsförderungen anschließen, leider nichts ändern.

In den Zeiten des ungesicherten aber dennoch jahrelangen Aufenthalts im Zustand normierter Integrationsverweigerung oder im Klima der Angst vor der ständig drohenden Rücknahme einst erteilten Bleiberechts findet dennoch Verwurzelung statt, werden trotz allem soziale Kontakte geknüpft, Arbeit gefunden oder Schulabschlüsse gemacht. Kinder werden geboren - oder sie wachsen hier auf und kennen ihre sogenannte „Heimat“ allenfalls von Fotos und aus Anekdoten ihrer Eltern.

Während allenthalben über die Schaffung von Strukturen zur nachhaltigen Umsetzung des NIP nachgedacht wird, behindern weiterhin zahlreiche Gesetze und Verwaltungspraktiken die Bewegungsfreiheit von bleiberechtsungesicherten Flüchtlingen jeden Alters, unterlaufen ihren nachhaltigen Ausbildungs- und Arbeitsmarktzugang, erzwingen Abhängigkeit von der öffentlichen Hand, speisen mit Sachleistungen ab oder verteilen Chancen auf Bleiberecht nicht bedarfsgerecht.

Diese Entwicklung ist allerdings aus Sicht der zuständigen Behörden prinzipiell und allzuoft im Einzelfall aufenthaltsrechtlich irrelevant. Das lehren zahlreiche vergebliche Anrufungen der Härtefallkommission, die Summe negativ beschiedener Anwendung der IMK-Bleiberechtsregelung, der Gesetzlichen Altfallregelung oder spektakuläre Fälle restriktiver Aufenthaltsbeendigung von langjährig Geduldeten.

Auf vier Rechtsinstrumente normierter Integrationsbehinderung von Flüchtlingen soll im folgenden beispielhaft näher eingegangen werden: 1. Integrationsbehinderung durch zentralisierte „Wohnverpflichtung“…

Hoffnung auf einen flüchtlingspolitischen und in der Folge möglicherweise administrativen Stimmungswechsel macht Innenminister Lothar Hay. Anfang September 2008 sprach sich Minister Hay für eine verstärkte Flüchtlingsaufnahme aus: „Die Neuansiedlung von Flüchtlingen, das sogenannte Resettlement, kommt für jene Menschen in Frage, die [in einem Erstaufnahmeland] ohne Perspektive in Flüchtlingslagern leben oder in einem fremden Land nur vorübergehend Schutz gefunden haben.“ Zu hoffen ist, dass die Sorge auch den bleiberechtsungesicherten Flüchtlingen gilt, die schon hier, aber noch immer ohne Perspektive sind und unter uns bis dato nur vorübergehend Schutz gefunden haben.

Neu einreisende Flüchtlinge werden zunächst einer sog. Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Lübeck (HL) zugeführt. Gemäß Asylverfahrensgesetz (AsylverfG) sind sie hier bis zu drei Monate in der anschließenden „Zentralen Gemeinschaftsunterkunft“ in Neumünster (NMS) oder HL weitere mindestens 6 Monate „wohnverpflichtet“. In 2007 waren das in Schleswig-Holstein 631 Asylsuchende.

Welche Regelsysteme greifen bei Integrationsverhinderung von Flüchtlingen?

Für die „Gemeinschaftsunterkünfte für Ausländerinnen und Ausländer“ des Landes Schleswig-Holstein in der Trave-Kaserne in Lübeck und in der Scholz-Kaserne in Neumünster gilt seit Frühjahr 2006, dass Flüchtlinge aus 10 Herkunftsländern, bei denen mit Blick auf die bundesamtlichen Anerkennungsquoten angeblich keine Aussicht auf ein erfolgreiches Asylverfahren bestehen, i.d.R. nicht mehr wie vordem in die Kreise und kreisfreien Städte umverteilt werden.

Die Jahre des Asylverfahrens oder der Duldung sind wertvolle Zeit, die angesichts zahlreicher ausgrenzender Gesetze und Verordnungen für die gesellschaftliche Integration und die per-

Die Betroffenen bleiben für sie zunächst unabsehbar in den Kasernen. In NMS erhöhten sich demzufolge 2007 die Aufenthaltszeiten auf durchschnittlich (!) 421 Tage, in

35


Allerdings stößt die Residenzpflicht zunehmend auf gesellschaftliches Unverständnis, insbesondere aus Kreisen der Wirtschaft.

Lübeck auf 312. Kontrolldichte, psychische Belastung, interne Spannungen und die soziale Ausgrenzung sind hoch. Die Betreuungsverbände haben die Aufgabe, die Leute unterzubringen, mit Essen zu versorgen und die Einhaltung der Hausordnung durchzusetzen. Die Förderung sozialer Kontakte mit Einheimischen oder der Integration in das Gemeinwesen hinein ist vertraglich nicht vorgesehen.

2. Behinderung der Integration in Ausbildung und Arbeit In Kapitel 3 des Zuwanderungsgesetzes ist erstmalig die Förderung der Integration gesetzlich festgeschrieben. Inhaltlich beschränken sich die vorgesehenen Maßnahmen auf Integrationssprachkurse, einen Orientierungskurs und die Migrationserstberatung (MEB). Außerdem ist der Personenkreis beschränkt auf diejenigen, die eine Aufenthaltserlaubnis haben und deren Aufenthalt auf Dauer angelegt ist. Damit sind nicht nur AsylbwerberInnen und Geduldete von der Teilnahme ausgeschlossen, sondern auch Flüchtlinge z.B. mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25,5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Die betroffenen Flüchtlinge unterliegen als AsylbewerberInnen zunächst einem einjährigen Arbeitsverbot. Gleichzeitig sind sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) lediglich sachleistungsberechtigt: d.h. sie erhalten Kost & Logis, Gesundheitsnotversorgung und 10 EUR Taschengeld/ Woche. Von dieser Barschaft müssen sie ihren Bedarf an ÖPNV, Rechtshilfe, kulturspezifischen Lebensmitteln, ggf. Rauchwaren, Porto, Telefon- und Online-Kommunikation, Schulmaterial etc. finanzieren.

Für junge ggf. hier aufgewachsene AsylbewerberInnen und Geduldete gilt, dass nach dem Besuch und erfolgreichen Abschluss der Regelschule keine Ausbildung im dualen System, ja nicht einmal ein unentgeldliches Praktikum oder eine unbezahlte aber regelmäßige Übungsleitertätigkeit z.B. im Sportverein möglich ist. Auch in solchen Fällen ist eine Arbeitserlaubnis nach dem Nachrangigkeitsprinzip zwingend erforderlich.

Allerdings unterliegen nicht selten auch dezentral umverteilte und noch bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge in Folge der „Wohnverpflichtung“ integrationsbehindernden Bedingungen in dem ihnen zugewiesenen Aufenthaltsbereich des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt. In Abhängigkeit zur infrastrukturellen und ökonomischen Struktur des Aufenthaltsbereichs und der ggf. heterogenen Reisegenehmigungspraxis der zuständigen ABH leben sie bisweilen bei schlechter ÖPNV-Anbindung weit ab von geschäftlicher Infrastruktur, Arbeitsangeboten, Kindergärten, Schulen, Sportvereinen oder anderen Integrationsförderangeboten.

Zu begrüßen ist allerdings, dass seit Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetz des Zuwanderungsgesetz immerhin vierjährig Geduldete Anspruch auf die nach SGB II vorgesehenen beruflichen Fördermaßnahmen (z.B. SGBII §7,1 Nr. 4) haben. Ob diese Norm oder die der ebenfalls seit dem 2. ZuwGÄG in Kraft getretene „Gesetzliche Altfallregelung“ (§104 a+b AufenthG) zumindest für die Gruppe der durch sie Begünstigten geeignet sind, einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der nachhaltigen arbeitsmarktlichen und gesellschaftlichen Integration für bis dato bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge einzuleiten, bleibt noch abzuwarten. Vom Innenministerium zum Stichtag 30.6.2008 verlautete Zahlen verbreiten keinen allzugroßen Optimismus.

…und „Residenzpflicht“ Flüchtlinge in landeszentraler wie dezentraler Unterbringung unterliegen zudem der sog. Residenzpflicht (§§ 56-58 & 85-86 AsylVfG – Räumliche Beschränkung). Die Residenzpflicht unterdrückt die Bewegungsfreiheit auf das Gebiet des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs, d.h. der kreisfreien Stadt oder des Kreises. Sie behindert die Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und fördert die soziale Isolation. Diese Residenzpflicht erfüllt keinerlei materiell rechtlichen Zweck im Interesse Dritter oder der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegenteil ist festzustellen, dass die Residenzpflicht infolge ihrer integrationsbehindernden Wirkung die Abhängigkeit Betroffener von Leistungen der öffentlichen Hand verstärkt und somit der Gesetzgeber vermeidbare Kosten verantwortet. Die im Zuge der Sanktionierung von Verstößen von den Betroffenen empfundene Kriminalisierung wird dabei vom Staat billigend in Kauf genommen. Indess könnte die Residenzpflicht von der obersten Landesbehörde jederzeit grundsätzlich auf die Fläche des Landes SchleswigHolstein ausgeweitet werden.

Jenseits jeglicher zielgrüppchen-orientierten Liberalisierungen gilt jedoch für das Gros der nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge, dass das Asylverfahrensgesetz in § 61 für AsylbewerberInnen im ersten Jahr nach Antragstellung ein generelles Arbeitsverbot festlegt. Daran anschließend unterliegen Flüchtlinge (entsprechend §§ 39 – 42 AufenthG und der Beschäftigungsverfahrensverordnung) ebenso wie Geduldete aber auch Personen mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis (nach § 25,4 und 25,5 AufenthG) dem Nachrangigkeitsprinzip beim Zugang zum Arbeitsmarkt. D.h. nur bei einem konkret vorliegenden Arbeitsangebot wird bei der Ausländerbehörde ein Antrag auf Arbeitserlaubnis gestellt.

36


den Einkommens und Wohnraums muss von dem/der deutschen oder aufenthaltsberechtigten nichtdeutschen AntragstellerIn beigebracht werden. Regelmäßig sind die Verwaltungsprozesse so zeitintensiv, dass über die Jahre der Antragsbearbeitung jugendliche Kinder zwischenzeitlich volljährig werden und dann mit der Folge der Familientrennung von der Visumserteilung ausgeschlossen werden. Andere Betroffene scheitern an der Voraussetzung des Sprachkompetenznachweises vor der Einreise, z.B. weil Frauen der eigenständige Besuch von Lernangeboten nicht möglich ist oder es keine Schulungsangebote in erreichbare Nähe oder im Herkunftsland gibt.

Von der Agentur für Arbeit wird dann geprüft, ob Deutsche oder andere Bevorrechtigte für den Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Ist dies der Fall, gibt sie keine Zustimmung und die Ausländerbehörde darf keine Erlaubnis erteilen. Es reicht dabei auch die allgemeine Prüfung der Arbeitsmarktlage. Auch der Wunsch des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin, ausdrücklich den/die AntragstellerIn einstellen zu wollen, hilft hier nicht, es sei denn besondere für den Arbeitsplatz relevante Kenntnisse unterscheiden den Betreffenden von anderen Arbeitssuchenden. Verschärft wirkt sich dieses Nachrangigkeitsprinzip seit In-Kraft-Treten der Hartz-Reformen aus, da nunmehr jede Tätigkeit für alle Arbeitssuchenden zumutbar ist und damit auch für Hilfstätigkeiten rein rechnerisch ausreichend deutsche und andere Bevorrechtigte zur Verfügung stehen. Selbst wenn sich, was regelmäßig der Fall ist, konkret niemand für die Stelle findet, wird einer Arbeitsaufnahme durch einen Flüchtling nicht zugestimmt. Dies kommt im Ergebnis einem faktischen ethnisch determinierten Arbeitsverbot gleich. Zudem dauert durch die Antragstellung über die Ausländerbehörde und das der Bescheidung vorausgehende Konsultationsverfahren mit der Agentur für Arbeit die Bearbeitung regelmäßig so lange, dass der/die ArbeitgeberIn sich dann von selbst anderweitig umsieht bzw. mit Blick auf akute betriebliche Bedarfe umsehen muss.

Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung, Duldung oder humanitärem Aufenthalt haben keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Das führt zu langjährigen Familientrennungen und provoziert in dieser Ausweglosigkeit immer wieder individuelle Initiativen zur Familienzusammenführung. Der Ausschluss von Familiennachzug ist insbesondere bei Familien, die unterschiedliche Fluchtwege genommen haben und wo Angehörige bisweilen unter höchst prekären Bedingungen in einem Drittland ‚hängen geblieben’ sind, zu tragischen Situationen und Verzweiflungstaten der Betroffenen. Zunehmend entwickeln sich auch die gemäß AufenthG regelmäßig zu vollstreckenden Widerrufverfahren zu einer nachhaltigen Verhinderungsstrategie von Familienzusammenführungen selbst für aufenthaltsberechtigte Flüchtlinge. Das Zusammenwirken von vorausgesetzen, aber für Betroffene i.d.R. nur mittelfristig erbringbaren Integrationsleistungen und der gesetzlich geforderten zeitnahen Widerrufspraxis und dem mit ihr einhergehenden Verwaltungshandeln wirkt hier im Ergebnis die mögliche Familieneinheit verhindernd.

Durch die rechtliche und administrativ durchgesetzte Ausgrenzung von Bildung und Arbeit wird mittelbar dem Klischee der „arbeitscheuen Asylanten“, die „dem Steuerzahler auf der Tasche liegen“ zugearbeitet und damit konsequent zur gesellschaftlichen Diskriminierung beigetragen. Die fehlende Teilhabe fördert u.U. Segregation, Kriminalitätsentwicklung, Ghettobildung und gesellschaftliche Konflikte. Sie führt auch zu unnötigen Kosten für die öffentliche Hand und ist besonders in Hinblick auf hier aufgewachsene Kinder und Jugendliche zutiefst inhuman.

Der § 104b AufenthG mit seiner Option auf die Trennung von minderjährigen Kindern von ihren ausreisepflichtigen Eltern setzt der familienfeindlichen Flüchtlingspolitik die legislative Krone auf.

Dass es – mit ein bisschen politischem und administrativem Willen – hingegen auch anders gehen kann, haben die Erfahrungen mit den EQUAL-Asyl-Entwicklungspartnerschaften (2002-2007) in Schleswig-Holstein offenbart (www. frsh.de/landinsicht/). An dieser Stelle verweise ich auf die Stellungnahme des Netzwerks Land in Sicht! beim Hearing am 29. Oktober im Kieler Landeshaus.

4. Integrationsverhinderung durch Widerruf … Zu den Voraussetzungen für eine vollständige gesellschaftliche Teilhabe und damit für eine nachhaltige Integration gehört ganz wesentlich Rechtssicherheit. Darüber verfügen AsylbwerberInnen und Geduldete zweifellos nicht. Aber auch Flüchtlinge mit befristeter Aufenthaltserlaubnis oder unbefristetem, aber noch nicht in einer Niederlassungserlaubnis (NE) verfestigtem Aufenthaltsstatus müssen regelmäßig um Verlängerung oder Bestand bangen. Denn die Verwaltungspraxis, den Flüchtlingsstatus zu widerrufen, ist in mindestens dreijähriger Regelmäßigkeit gesetzlich geregelt:

3. Keine Familienzusammenführung für Flüchtlinge Mit dem 2. ZuwGÄG ist die Möglichkeit der Familienzusammenführung für Deutsche und hier aufhältige Nichtdeutsche erheblich erschwert worden. Der Nachweis ausreichen-

37


Darüber hinaus werden zur Zeit zunehmend Einbürgerungsanträge von Flüchtlingen abgelehnt, die sich im Herkunftsland, und ggf. noch im Exil, bezogen auf ihr Herkunftsland politisch betätigt haben - was hingegen regelmäßig der Grund für ihre Asylberechtigung war.

Inzwischen werden Asylberechtigte und GFK-Flüchtlinge z.B. aus Afghanistan, Irak, aus Togo oder der Türkei mit Widerrufverfahren überzogen. § 73 des AsylverfG sieht vor, dass der Flüchtlingsstatus widerrufen werden kann, wenn die Situation, die die Flucht begründet hat, nicht mehr existiert. Tatsächlich werden solche Widerrufverfahren hingegen erst durch die für die Entscheidung über ihnen angetragene Anträge auf Familienzusammenführung, Aufenthaltsverfestigung, Niederlassungserlaubnisse oder Einbürgerungen zuständigen Ausländerbehörden beim Bundesamt angestoßen.

Die Anerkennung als politischer Flüchtling kehrt sich nun unerwartet gegen die Betroffenen. Für sie und ihre Angehörigen ist das häufig ein Schock und wirft sie zurück in die Rolle des unerwünschten Gastes, von dem aber dennoch Integrationsleistungen erwartet werden. Lösungen

Ein Widerrufverfahren führt auch bei Rechtskraft nicht in jedem Fall zur umgehenden Aufenthaltsbeendigung, da sich häufig bei einem langjährigen Aufenthalt noch andere aufenthaltsbegründende Aspekte entwickelt haben. Außerdem halten die Widerrufbescheide nicht selten der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Im Fall der Rechtskraft des Widerrufs liegt die Aufenthaltserlaubnisverlängerung jedoch im Ermessen der Ausländerbehörde. Die in Schleswig-Holstein geltende Erlasslage (Erlass v. 26.11.2007 in Verb. mit dem v. 18.10.2005) räumt den ABH Möglichkeiten für ermessensnegative Aufenthaltsentscheidungen nach rechtskräftigen Widerrufen ein.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt die in der Öffentlichkeit, in den Medien und auch bei Legislative und Teilen der Exekutive zunehmende Erkenntnis, dass Deutschland etwas für die Teilhabe an und das Zusammenleben in der deutschen Gesellschaft tun muss. Langsam – wie im Nationalen Integrationsplan oder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dokumentiert – setzt sich die Erkenntnis durch, dass Integration und Teilhabe nicht nur auf den Bereich Sprache und Bildung einzuengen sind. Eine diskriminierungsfreie soziale und rechtliche Chancengleichheit gehören untrennbar dazu. Ein tatsächlicher Paradigmenwechsel muss u.E. darauf aufbauen und sich auf alle hier lebenden Menschen beziehen - unabhängig davon, wie lange ihr Aufenthalt hier voraussichtlich dauert. Flüchtlinge dürfen davon nicht ausgeschlossen sein.

Weit über 40.000 Widerrufverfahren bundesweit sind seit 2004 allein gegen IrakerInnen eingeleitet worden. Erst seit 2008 hat das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesichts massiver Proteste aus Kirchen, Verbänden, Menschenrechts- und anderen Nichtregierungsorganisationen - und selbst aus Teilen der Politik - vorläufig (!) damit aufgehört, weitere Widerrufverfahren gegen IrakerInnen anzustrengen.

Voraussetzung für die Forderung von Integrationsleistungen für MigrantInnen und Flüchtlinge sind Rechte und Rechtssicherheit. Deshalb gehört zu einer ernstgemeinten Integrationspolitik u.a. auch

Widerrufverfahren tragen zur massiven Verunsicherung derjenigen bei, die glaubten, hier eine neue Heimat gefunden zu haben und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen, Unternehmen gründeten, Arbeitsplätze schufen oder ausfüllten und Steuern zahlen. In zahlreichen Fällen sind Betroffene infolge des Widerrufs in den Zustand der Ausreisepflicht geraten. Widerrufe sind obendrein mit Blick auf die demographischen Bedarfe des Einwanderungslandes Deutschland selbstschädigend.

• die Förderung von Bildungs- und Integrationsangeboten für bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge und der restriktionsfreie Zugang in Arbeit für Flüchtlinge während ihres gesamten Aufenthalts, • die Beendigung der zentralen Unterbringung zugunsten dezentraler Verteilung; zumindest über die gesetzlich empfohlenen Mindestzeiten hinaus, • Regelschulbesuch für alle Flüchtlingskinder vom ersten Tag an,

…und Einbürgerungsverweigerung Die Zahl der Einbürgerungen geht erheblich zurück. Sprachtests und von den Betroffenen als Gesinnungstests verstandene Überprüfungen ihrer Einbürgerungsmotivation und Kenntnis der BRD signalisieren ihnen entgegengebrachtes Misstrauen und schrecken ab, was aktuelle Trends der Einbürgerungsstatistik eindrucksvoll verdeutlichen.

• Förderung integrationsfördernder Strukturen und Netzwerke mit Zielgruppe der Flüchtlinge, • die Abschaffung der Residenzpflicht; zumindest die Ausweitung des Aufenthaltsbereichs auf das gesamte Bundesland,

38


• eine großzügige Umsetzung und Entfristung der gesetzlichen Altfallregelung für langjährig Geduldete, • Entschlackung der Gesetzlichen Bleiberechtsregelung und der Härtefallregelung von Ausschlusskriterien, • der Verzicht auf die Initiierung von Widerrufverfahren und Einbürgerungsbehinderung für Flüchtlinge und • die Umsetzung eines landeseigenen ResettlementProgramms bei gleichzeitigem Verzicht auf das Ausreisezentrum NMS.

gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., www.frsh.de, Kiel, 28.9.2008

39


Flüchtlingspolitik

Fanny Detholff NEK Flüchtlingsbeauftragte

Härtefallkommission und Menschen ohne Papiere

Die Einrichtung der Härtefallkommission (HFK) in SchleswigHolstein war vor zwölf Jahren eine innovative politische Initiative und für die Flüchtlingspolitik bundesweit ein wichtiges Signal. Das Ringen um einen Weg für geduldete und ausreisungspflichtige Menschen setzte in Schleswig-Holstein einen Bewusstseinsprozess in Gang und brachte im Einzelfall oft eine neue Perspektive in „verfahrene Verfahren“.

Was ist zu tun für Menschen ohne Papiere und Migranten? (Handlungsansätze fett markiert) Gerade Menschen ohne Papiere sollten eigentlich im Landesintegrationsplan, ähnlich wie in Berlin, berücksichtigt werden. Dennoch sind sie in der Regel selbst von der Antragstellung bei der HFK ausgeschlossen. Langjährig in der Schattenwelt lebende Menschen können in Schleswig-Holstein kaum auf Hilfe hoffen.

Seit der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes besteht nun erstmals die Gelegenheit, wirklich nach §23 a Zuwanderungsgesetz Menschen in prekären Aufenthaltssituationen hier zu belassen (Anordnung durch den Innenminister, der meistens den Voten der HFK folgt). Die Statistik weist es aus. Sie finden die Berichte aus jedem Jahr. Die erste Zeit der HFK war geprägt von einer Welle der Anrufung. Doch nach der Bleiberechtsregelung und anderen Möglichkeiten der Kreisverwaltungen, Aufenthalte zu gewähren, ist die HFK nun nur noch in einigen Fällen hilfreich tätig. Das liegt zum Einen an der Tatsache, dass sich Vieles anders erledigen lässt, andererseits aber auch an der Engführung durch die Verfahrensgrundsätze.

Hier erhoffe ich mir einen ebenso innovativen und mutigen Weg Schleswig-Holsteins für eine bundesweite Initiative, die für Menschen ohne Papiere in Deutschland die grundlegenden Rechte verbürgt und sie vor Willkür und Ausbeutung schützen kann (Zugang zu Gesundheitsversorgung, niedrigschwelligen Beratungsangeboten, arbeitsrechtlicher Beratung, echtem Opferschutz). Zudem ist es an der Zeit, das Instrument der Härtefallkommission gerade für diese langjährig unter uns lebenden Menschen ohne Papiere, die erst durch Krankheit oder Alter nicht weiterwissen, zu nutzen und den Zugang zur Härtefallkommission zu erleichtern.

Die wenigen Fälle z.Z. belegen, dass Vieles schon auf anderem Weg in den Kommunen vor Ort geregelt werden kann, wenn man es dort denn will. Für die Fälle, in denen kaum noch Bewegung oder andere Ansätze möglich sind, wird die HFK angerufen. Hier sind es nun die schwierigsten Fälle, die oft unter die Ausschlussgründe fallen und kaum noch lösbar erscheinen.

Denn es sind oftmals die komplizierten Fälle von Menschen, deren Asylgründe nicht akzeptiert wurden, die sich aus Angst ihrer Abschiebung widersetzten, die die Passersatzbeschaffung nicht betrieben haben oder nichts auf ihren Botschaften erreichen konnten, und die oft aus Angst vor dem an manchen Orten rauhen Behördenton nicht mitwirkten, welche nun das Nachsehen haben.

So war erst kürzlich in der Fachzeitschrift „Nah und Fern“ über Integrationskonzepte zu lesen, wie engagiert sich das, was Schleswig-Holstein alles tun möchte, anhört – und wie die Wirklichkeit in den Kommunen andererseits oft aussieht.

Schon im nächsten Jahr droht eine Abschiebungswelle, wenn es nicht eine Kehrtwende in der Politik gibt, da dann die Bleiberechtsregelung ausläuft. Dann wird sich erweisen, wie viel Integrationswille von beiden Seiten aufgebracht wird. Ich betone beide Seiten. Denn es ist die Aufnahmegesellschaft, die ihre Aufnahmebereitschaft zunächst lediglich in viel Papier zur Integration demonstriert und weniger in wirkliches Handeln umsetzt. Was wird dann aus Menschen, die

40


eigentlich gute Integrationsleistungen mitbringen, aber - weil z.B. das Einkommen nicht reicht, weil sie zu viele Kinder haben, einer aus der Familie Verfahrensfehler o.ä. begangen hat - nicht bleiben dürfen? Diese werden sich dann wieder verstärkt an die HFK wenden und es wird sich erweisen, wie aufnahmebereit das Land dann ist.

Angebote im medizinischen Bereich, bei Fragen zu Schulbesuch und arbeitsrechtlichen Schwierigkeiten wären gerade für Kiel wünschenswert. Erste Anläufe scheiterten an den Fragen der Finanzierung. Doch muss sich hier etwas bewegen, um überhaupt an die echten Zahlen, an Fakten heranzukommen.

Menschen ohne Papiere sind eine faktische Größe und wie hoch die Problemlage zu bewerten ist, lässt sich nur aus wenigen Einblicken belegen. Hier soll eine Studie des Diakonischen Werk Schleswig-Holstein und NISCHE mehr Licht ins Dunkel bringen.

Gästewohnungen und Beratungsmöglichkeiten, die bekannt sind, gibt es z.Z. vor allem in Hamburg. Kirchengemeinden erweisen sich verstärkt als zivilgesellschaftlicher Stützpfeiler, erprobt im Kirchenasyl, um die Solidarität mit den Entwurzelten jenseits aller aufenthaltsrechtlichen Fragen vorzuleben.

Abtauchen in die Illegalität Klar ist, dass die Fluchtwege nach Skandinavien zum Teil durch Schleswig-Holstein gehen. Klar ist auch, dass es Menschenschmuggel und -handel auch hier gibt. Doch gerade im privaten Bereich sind die Grenzen fließend: Der Au-pair-Bereich ist ein Tor für den illegalen Aufenthalt einerseits, aber auch für Ausbeutung und persönliche Notlagen. Hier fehlt es oft an niedrigschwelligen Beratungsangeboten. Die private Haus- und Krankenpflege ist stark nachgefragt. Gerade in Schleswig-Holstein ist die landwirtschaftliche und gastronomische Saisonarbeit ein großer Arbeitssektor.

Humanitäre Hilfe im Einzelfall, aber auch Fragen der Rückkehr, brauchen Räume, die angstfrei aufgesucht werden können. Dies ist nun nicht allein eine humanitäre Aufgabe, sondern eine, die de facto durch die Unterzeichnung verschiedener Konventionen, aber auch der inzwischen fast 60 Jahre geltenden Menschenrechte verpflichtend ist. Viele Fälle, die in der Migrationsberatung landen, sind immer mehr Mischformen verschiedener Katastrophen.

Sind die europäischen Nachbarn eher in die skandinavischen und anderen nördlichen Länder (England, Irland) weitergewandert, ist es eine Dunkelziffer von Menschen aus osteuropäischen Anrainerstaaten, die die Lücken nun füllen. Der Normalfall: jung, ledig, schlecht verdienend, aber besser als zu Hause (Schwarzarbeit), bleibt unauffällig.

Fakt ist auch, dass Frauen, die in Not geraten, nicht auf die Residenzpflicht schauen, wenn sie bedroht sind. Der Mord in Elmshorn hat gezeigt, wie brutal die Verfolgung ist. Hier braucht es mehr und andere Konfliktlösungen und schnellere echte Hilfe (Opferschutz) jenseits von Fragen des Aufenthalts, der Residenzpflicht etc. Viele Ämter sind da bereits sensibilisiert. Es gab gerade in Schleswig-Holstein zu den Fragen von sexualisierter Gewalt und Einwanderungsgesellschaft gute Konferenzen. Dennoch bleibt es eine länderübergreifende Aufgabe, diesem Handlungsbedarf mit entsprechenden Konzepten auch zu begegnen. Übrigens: in Amsterdam gibt es das erste Frauenhaus für Frauen ohne Papiere!

Erst Krankheit und katastrophale Lebensbedingungen lassen Menschen auftauchen. Im Integrationskonzept heißt es dazu: „Die Landesregierung wird aktiv am Dialog mitwirken, wie diesen Personen, soweit sie sich in einer Notlage befinden, geholfen werden kann“. Konkrete Anstrengungen dazu gibt es nicht. Im Gegenteil. Durch das Controllingkonzept der Migrationsberatungsstellen werden gerade diese zeitintensiven Beratungen, die komplizierten Fälle geduldeter oder entrechteter Menschen verunmöglicht.

Ich sehe hier Aufgaben in zwei Richtungen: Zunächst die Aufgabe von Nicht-Regierungs-Organisationen und Kirchengemeinden: die Fälle aufzuzeigen und dann kommunalpolitisch zu diskutieren.

Es obliegt dann engagierten Menschen, dies ehrenamtlich zu gewährleisten.

Ein Perspektivwechsel ist nötig Ja, es gibt sie noch: die schwarzen Löcher der Beratung in Schleswig-Holstein. Wir erleben vor Ort z.T. immer noch klare Ablehnungen, wenig Beratung, wenig Verständnis für die Lebenslagen von Flücht-

Und auch in der HFK sind es diese Fälle, die regelhaft ausgeschlossen werden. Hierüber ist dringend neuerlich in den Dialog zu treten.

41


Einüben der interkulturellen Vielfalt ist nicht die achselzukkende Akzeptanz einer Beliebigkeit, sondern ist aktives Handeln als gemeinsame demokratische Verantwortung.

lingen, Migranten und entwurzelten Menschen. Hier ist ein landesweiter Perspektivwechsel nötig. In vielen Ausländerbehörden ist es noch nicht angekommen, dass nur noch 20.000 Asylantragstellungen jährlich bundesweit eben auch den eigenen Arbeitsplatz in Behörden gefährden, weil keine Leute mehr da sind, die man beraten und verwalten kann. Man muss wegkommen von der Abwehrhaltung, sich interkulturell schulen und die Aufnahmegesellschaft vorleben. Es ist nicht einsichtig, warum im Ortsamt ein anderer Ton herrscht als in mancher Ausländerbehörde. Kundenfreundliche Beratungsmodelle wären auch hier gefragt. Übrigens ließen sich solche guten Beispiele auch auszeichnen. Wir brauchen neue und andere Maßstäbe: Nicht die misslungene Abschiebung ist ein Misserfolg der Ausländerbehörde oder des Landesamts, sondern die nicht erfolgte Integration. Hier braucht es einen umfassenden Vorzeichenwechsel. Dazu braucht es vor allem einen Ausbau der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen, bei denen sich absehen lässt, dass sie nicht abgeschoben werden, sondern umgehend Hilfen zur Integration benötigen. Die Abkehr eines Konzeptes, wie es das Landesamt und die Unterbringung in Neumünster vorsieht. Dazu braucht es umfassende Beratungsangebote: bessere Bildungsangebote für alle und ein klientenorientiertes Arbeiten in Migrationsberatungsstellen. Diese könnten zur interkulturellen Öffnung des Landes mit ihrer Kompetenz zur Verfügung stehen, könnten andere Ämter mit schulen. Stattdessen müssen sie mit Kennzahlen, viel Verwaltung, Fragebögen und Case-Management all die nur notdürftig weiter verweisen, die eigentlich den größten Beratungsbedarf mitbringen. Auch hier braucht es einen Vorzeichenwechsel. Integration und bessere Startchancen helfen auch dem Land, seine Horizonte, dessen es sich rühmt, wirklich zu öffnen. Die Integrationstische, -foren oder –beiräte sind gute Beispiele. Sie könnten als Runde Tische fungieren, um in Form von HFK mit allen Beteiligten über eine Lösung komplizierter Fälle nachzudenken jenseits von § 23 a. Schmoren lassen von Menschen über Jahrzehnte, weil man sich verrannt hat in einer ablehnenden Haltung, ist teuer und macht Menschen langfristig krank. Nicht nur die Betroffenen, die oftmals depressiv bis suizidal reagieren, sondern auch die Mitarbeiter, die frustriert sind und erkranken.

42


Eine kritische Reflexion der Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen in Schleswig-Holstein aus der Sicht von Refugio e.V. Neumünster) in letzter Zeit leider schwieriger geworden. Die Zuweisung an Refugio im Rahmen einer Helferkonferenz wird von einer aufenthaltsrechtlichen Perspektive abhängig gemacht und nicht, wie es fachlich adäquat wäre, in erster Linie von einer Behandlungsnotwendigkeit. D.h. obwohl bei Flüchtlingen noch keine asylrechtliche Entscheidung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder durch das Verwaltungsgericht vorliegt, wird eine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Abrede gestellt, die damit eine Behandlungsaufnahme verhindert. Auch nach einer dezentralen Verteilung der Flüchtlinge kann unter Umständen die Versorgung mit einer Psychotherapie schwierig sein, da das Asylbewerberleistungsgesetz (z.B. Definition: chronische Erkrankung) seitens eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt derart ausgelegt wird, dass nur psychiatrische Behandlungen finanziert werden. Eine rein medikamentöse Behandlung über einen längeren Zeitraum schätzen wir aber fachlich für diese Personengruppe und Erkrankung als äußerst bedenklich ein.

Eine hohe Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge und AsylbewerberInnen erlitt im Heimatland, in einem Drittstaat oder auf der Flucht extreme traumatische Gewalt. Diese Ereignisse sind Folter, Krieg, Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen und viele andere Formen von Gewalt und Bedrohungen (wie z.B. Vertreibungen). Aufgrund unserer Erfahrungen gehen wir davon aus, dass eine Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) allein für eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) bei 25 - 40 % der Flüchtlinge auftritt. Nun lässt sich über Zahlen trefflich streiten, dennoch ist offensichtlich, dass Flüchtlinge zu der so genannten Hochrisikogruppe für belastungsreaktive psychische Störungen zählen. In der Normalbevölkerung wird von einer Rate von 1 - 7 % für eine PTSD ausgegangen. Alle Studien belegen, dass bei Flüchtlingen diese Rate um ein Vielfaches erhöht ist. Insgesamt ist es schwieriger geworden, die traumatischen Erfahrungen der Flüchtlinge in einen zumindest monokausalen politischen Kontext zu stellen. Auch vermehrt nichtstaatliche Akteure und Ethnisierungen von Konflikten sind oft komplexerweise ursächlich für diese traumatische Gewalt, sie lösen auf Seiten der Flüchtlinge oft dramatische und existentielle gesundheitliche und psychosoziale Folgen aus. Wir machen darüber hinaus in der Beratung und Behandlung der Betroffenen immer wieder die Erfahrung, dass auch so genannte strukturelle Gewalterfahrungen, wie z.B. ethnische Diskriminierungen, anhaltende Bedrohungen und Illegalisierungen massive gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Unabdingbar für die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen ist die frühzeitige Erkennung und Anerkennung von traumatischen Erfahrungen in der ersten Zeit nach der Einreise und der damit verbundene Zugang zu Beratung, Behandlung und Psychotherapie. Unseres Erachtens kann nur so den Betroffenen wirksam und erfolgreich geholfen werden. Die PTSD hat eine hohe Chronifizierungsneigung, d.h. sie verfestigt sich bzw. mündet in andere schwere Störungen und/oder körperliche Erkrankungen. Die Langzeitkosten für unbehandelt gebliebene PTSD sind um ein Vielfaches höher als die Kosten für eine zeitnahe Psychotherapie. Auch wenn die Flüchtlinge später ins Heimatland zurück kehren sollten, so wäre eine behandelte Traumatisierung eine Investition in eine bessere Welt.

In der Vergangenheit konnten viele Erfolge in der therapeutischen Versorgung und Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge erzielt werden. Dafür verbesserte sich das politische Bewusstsein und die fachlichen Institutionen nahmen sich dieses Themas immer mehr an. Dennoch kann nicht verschwiegen werden, dass der Zugang zu Psychotherapie für traumatisierte Flüchtlinge im Asylverfahren eine Einzelfallentscheidung ist und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt wird. Der Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung ist für Flüchtlinge aus den zentralen Unterkünften (in Lübeck und

Darüber hinaus stellen unbehandelt gebliebene oder zu spät behandelte psychische Störungen aufgrund von Traumatisierungen ein sehr großes Integrationshindernis dar, d.h. der Spracherwerb ist massiv erschwert, die gesamte gesundheitliche Verfassung ist schlechter, so dass diese Menschen wesentlich häufiger von Erwerbsunfähigkeit und Invalidität betrof-

43

Traumatisierte Flüchtlinge

Hajo Engbers Refugio - Zentrum für Behandlung, Beratung und Psychtherapie von Folter-, Flucht- und Gewaltopfern in Schleswig-Holstein e.V.


fen sind. Die Chancen auf eine berufliche Integration erhöhen sich deutlich, wenn erstens eine frühzeitige Behandlung und Beratung eingeleitet worden wäre und zweitens, der unsichere Status nicht über Jahre bestanden hätte. Beide Aspekte verstärken eine Chronifizierung und Generalisierung der belastungsreaktiven Symptomatik und daraus entwickeln sich häufig irreversible (unumkehrbare) gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Aussichten auf eine Rehabilitation sind in diesen Fällen dann deutlich eingeschränkt. Nicht in allen Fällen führt eine klar diagnostizierte Traumatisierung zu einem Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernis. Gründe hierfür sind, dass sich die Standards für die Darstellung solcher Abschiebungshindernisse extrem ausgeweitet haben, welches zu Lasten der Betroffenen geht. Spät eingebrachte gesundheitliche Abschiebungshindernisse werden mit großer Skepsis behandelt, obwohl in vielen Fällen krankheitsbedingte Gründe für dieses späte Vorbringen sprechen. Bei psychischen Störungen aufgrund von Traumatisierungen finden sich häufig extremes Vermeidungsverhalten, Dissumulation, Pseudo-Stabilität, Selbstmedikation durch Alkohol und Betäubungsmittel (Medikamente/Drogen). Die Ablehnungsgründe für die so genannten Spätfälle beziehen sich einerseits auf die Ausführungen in den Stellungnahmen und Gutachten und andererseits auf kurzfristig eingebrachte psychische Störungen in ihrer oft unterstellten Unglaubhaftigkeit. Oft befinden sich Flüchtlinge in einer paradoxen Situation, in der sie ihr Trauma vorher integriert haben müssten, um allen Kriterien der Nachvollziehbarkeit bzgl. der asylrechtlichen Sachverhaltsaufklärung voll Rechnung tragen zu können. In vielen Fällen fehlt eine adäquate Ausrichtung des Asylverfahrens auf die besondere psychische Situation von traumatisierten Menschen. Wir unterstützten mit Nachdruck Sonderbeauftragte, die dann die Anhörungen durchführen. Zu fordern wäre aber auch eine psycho-soziale Beratung, vielleicht ein Clearingverfahren vor der Anhörung, um Hinweise zu erhalten, um dann eine adäquate und sensible Anhörung durchzuführen.

44


Traumatisierte Flüchtlinge

2. falls erforderlich, auch Therapien bei TherapeutInnen ohne Kassenzulassung bewilligt werden sollten.

Traumatisierte Flüchtlinge leiden in der Regel infolge der erlebten Folter und Gewalt unter psychischen Erkrankungen und benötigen psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlung. Nach Art. 20 der Aufnahmerichtlinie der EU haben sie Anspruch auf diese Behandlung, auch wenn die Bestimmung bisher nicht in das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eingearbeitet worden ist.

Voraussetzung für das Gelingen einer Traumatherapie ist, dass sie in einer als sicher empfundenen Umgebung stattfindet. Für traumatisierte Flüchtlinge bedeutet das die Abwesenheit von Angst vor Abschiebung. Dafür ist das Erlangen von Abschiebungsschutz im Asylverfahren entscheidend, doch für diesen Personenkreis verfahrens- und krankheitsbedingt oft schwer. Das Grunddilemma besteht darin, dass das Asylverfahren verlangt, das traumatisierende Erlebnis detailliert und widerspruchsfrei zu schildern, die psychischen Folgen der Traumatisierung genau das aber häufig verhindern.

Im Kreis Pinneberg übernehmen die örtlichen Sozialämter die Kosten einer Psychotherapie, wenn ein Arzt sie für notwendig erachtet. AsylbewerberInnen, die bereits länger als ein Jahr vom Sozialamt betreut werden, werden Mitglieder einer Krankenkasse, die die notwendige medizinische Versorgung gegen Kostenerstattung für das Sozialamt regelt.

So wird in vielen Fällen Traumatisierung im Asylverfahren nicht erkannt und kein Abschiebungsschutz zugesprochen. Nur in den seltensten Fällen werden traumatisierte Flüchtlinge von sich aus psychiatrische Hilfe suchen. Sie sind zumeist darauf angewiesen, dass ein aus anderen Gründen aufgesuchter Arzt oder eine Beratungsstelle Verdacht auf Traumatisierung schöpft und eine entsprechende Untersuchung veranlasst.

Obwohl durch die Nachbarschaft zu Hamburg eigentlich genügend Psychotherapieplätze zur Verfügung stehen, ist es häufig schwierig einen Therapieplatz zu finden und es kommt teilweise zu monatelangen Wartezeiten. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Kassen und zunehmend auch die Sozialämter auf einer Kassenzulassung bestehen. Außerdem ist nicht jede/r TherapeutIn mit Kassenzulassung befähigt und bereit, Folteropfer zu behandeln.

Erst wenn nach etlichen Therapiestunden eine ausführliche psychologische Stellungnahme die traumatischen Erlebnisse und deren gesundheitliche Folgen nachvollziehbar darlegt, kann der Flüchtling auf Abschiebungsschutz hoffen. Nicht selten ist dann aber sein Asylantrag bereits rechtskräftig abgelehnt und führt ein Asylfolgeantrag nicht mehr zum Erfolg.

Wegen fehlender muttersprachlicher TherapeutInnen wird für die meisten Psychotherapien Übersetzungshilfe benötigt. Da es sich bei der Übersetzung nicht um eine medizinische Behandlung handelt, lehnen Krankenkassen in aller Regel die Kostenübernahme ab. Nach gerichtlicher Klärung sind die Sozialämter verpflichtet, notwendige Dolmetscherkosten bei Psychotherapien von traumatisierten AsylbewerberInnen zu übernehmen. Auch über die Höhe angemessener Dolmetscherkosten konnte nach Einschaltung des Sozialgerichts inzwischen Einigung erzielt werden.

Bei vollziehbar ausreisepflichtigen Traumatisierten hat die Ausländerbehörde vor einer Abschiebung die Reisefähigkeit zu prüfen. Dazu ist laut Erlass des Innenministeriums bei gefährdeten Traumatisierten ein psychologisches Gutachten einzuholen. Das ist deshalb extrem wichtig, weil bei Traumatisierten krankheitsbedingt mit Retraumatisierung, Dekompensation und akuter Suizidalität zu rechnen ist, wenn ihnen die Abschiebung in den Folterstaat unausweichlich erscheint.

Um die psychotherapeutische Behandlung traumatisierter Flüchtlinge zu erleichtern, sollte das Innenministerium Landkreise und kreisfreie Städte hinweisen, dass 1. Dolmetscherkosten zu übernehmen sind und

45

Traumatisierte Flüchtlinge

Dr. Wolfgang Neitzel Diakonieverein Migration, Pinneberg


Welche verhängnisvollen Folgen es hat, wenn dieser Personenkreis nicht mehr amtsärztlich, sondern durch eine Ärztin ohne psychiatrische oder psychologische Qualifikation nur auf Flugreisetauglichkeit untersucht wird, ist am Beispiel Pinneberg ausführlich im Schlepper Nr. 40/41 2007 (www.frsh. de/schlepp.htm) dargestellt. Genauso problematisch ist es, Traumatisierte in Abschiebungshaft zu nehmen. Die Inhaftierung bedeutet für Traumatisierte ein retraumatisierendes Wiedererleben der in der Heimat erlittenen Gewalt mit gravierender Verschlechterung der psychischen Erkrankung. Deshalb sollte das Innenministerium unbedingt klarstellen, dass bei vollziehbar ausreisepflichtigen Traumatisierten 1. nicht nur die Flugreisetauglichkeit sondern die Reisefähigkeit im weiteren Sinne untersucht wird, 2. in jedem Fall eine psychologische Begutachtung erfolgt und 3. Traumatisierte nicht in Abschiebungshaft genommen werden. Für den Diakonieverein Migration Dr. Wolfgang Neitzel

46


Mitschrift der mündlichen Stellungnahme des Innenminsteriums (vom Sprecher korrigiert, ergänzt und zum Abdruck freigegeben) Grundvoraussetzung oder die Grundthese, die Herr Link angebracht hat, nicht teile. Sie teilt das Innenministerium nicht und teilt die deutsche Gesellschaft nicht. Nämlich die Frage, dass diejenigen zu integrieren sind, die länger bei uns sind und dass auch Nicht-Bleibeberechtigte zu integrieren sind. Das ist die Kehrseite der Medaille, zu – wie ich finde – inzwischen sehr großzügigen Regelungen genau für diejenigen, die in der Vergangenheit an unserem System gescheitert sind. Denn der Staat hat hier natürlich zur Kenntnis zu nehmen, dass in bestimmten Konstellationen schlicht nicht das vollzogen werden konnte, was er denn gerne hätte: nämlich solche Menschen, die nicht anerkannte Flüchtlinge sind, auch wieder zur Ausreise aus Deutschland zu bringen. Folge sind die berühmten Kettenduldungen, und in der Tat ist es völliger Unsinn, wenn dann ein niedersächsischer Innenminister sagt, man wolle nicht mit gesetzlichen Bleiberegelungen einen Zuzug in die Sozialsysteme fördern. Das ist Unsinn, weil die Leute schon in den Sozialsystemen sind, und die sollen arbeiten können und dann in der Tat integriert werden. Es ist ja völlig richtig, dass sich viele – und man wundert sich manchmal, wie das gelungen ist – erfolgreich integriert haben.

Ein bunter Strauß von Forderungen, meine Damen und Herren. Ich fange an mit dem Positiven oder mit dem, was Frau Dethloff gefordert hat: nämlich mit dem, was vor Ort stattfinden muss. Integrationsarbeit ist in der Tat eine Arbeit, die vor Ort stattfindet, die kann man schwerlich von einem grünen Ministeriumstisch verordnen. Das ist etwas, was in den Kommunen stattfindet, und da ist das Engagement der Kommunen immer noch sehr unterschiedlich. Frau Lawrenz, aus der Perspektive der Integrationsstelle in Kiel, die Sie hier vertreten, ist das – wie in anderen Großstädten, z. B. Lübeck – natürlich etwas anders. Unumwunden zuzugeben ist: In der Vergangenheit ist es eine regional sehr unterschiedlich vorangetriebene Angelegenheit gewesen, wenn Runde Tische oder Integrationsbeiräte in den Kommunen gefordert wurden. Im vergangenen Jahr haben wir vom Innenministerium aus zusammen mit anderen Fachministerien fünf – sozusagen – „Startveranstaltungen“ gemacht, um Bereiche wie Gesundheit, Arbeit und weitere mit einem Input zu versehen. Die letzte Veranstaltung – die mit den Kommunen – war die am schlechtesten besuchte. Ich finde das bezeichnend. Wir können gerade in den Mittelstädten nur Initiator sein, nicht Hauptakteur. Es ist also ein sehr langsamer Prozess, an dem mit Sicherheit noch viel zu tun ist. Wir arbeiten daran, aber der Schlüssel liegt natürlich in den Kommunen selbst, die die Integrationskonzepte machen sollen und müssen. Wir machen einen weiteren Schritt von uns aus, nämlich beim Thema Städtebau. Sehr viel passiert in Wohnungen und in Quartieren, und auch dort haben wir einen Prozess in Gang gebracht, bei dem wir modellhaft solche Dinge betrachten und Anregungen geben wollen für die kommunale Szene.

Die Kritik an der Entscheidungspraxis der Ausländerbehörden und der Härtefallkommission, dass mit einem zu strengen Maßstab vorgegangen werde, ist eine, die ich nicht nachvollziehen kann. Denn ich kenne diese Fälle, ich kenne auch die Entscheidungspraxis der Härtefallkommission. Ich weiß, welche Maßstäbe an Integration angelegt werden, und es sind ja auch einige Kollegen heute anwesend, die selber die Entscheidungen treffen, beziehungsweise die Vorschläge machen an den Innenminister, der sich dann höchstpersönlich des Falles annimmt und in aller Regel den Empfehlungen der Härtefallkommission zustimmt. Die Anforderungen an Integration sind nicht sehr hoch und natürlich wird in die Entscheidung einbezogen, was die Antragsteller überhaupt haben machen können, also z. B. die Alleinerziehenden. Wenn Personen viele Hindernisse hatten, so dass sie z. B. gar nicht arbeiten konnten, so wird es berücksichtigt. Es ist richtig, dass der Arbeitsmarkt sehr angespannt ist. Aber wir stellen

In Anbetracht der Zeit kann ich nur schlaglichtartig auf das Vorgetragene eingehen. Da bietet es sich an, die schön konkreten Boller von Herrn Link als Erstes zu nehmen, weil es sich um konkrete Forderungen handelt. Hier muss ich allerdings einen sehr klaren Dissens formulieren, weil ich die

47

Stellungnahmen der Ministerien

Norbert Scharbach Innenministerium


schen und nichts, damit die Bleiberechtsregelung nicht leer läuft. Das ist der Fall und ich kann nur hoffen - wie auch bei der Härtefallregelung - dass beide Regelungen zeitig verlängert werden, dass wir nicht die Härtefallregelung zum Ende des nächsten Jahres verlieren. Wir wollten hierzu schon eine Bundesratsinitiative starten, das erfolgt jetzt durch einen Gesetzesantrag der Bundesregierung, und ich hoffe sehr, dass uns das gelingen wird. (Anmerkung: Die Befristung der Gültigkeit des §23a AufhG – Härtefallregelung – wurde zwischenzeitlich mit dem Arbeitsmigrationssteuerungsgetz vom 20.12.2008 aufgehoben.)

fest, dass Arbeitserlaubnisse sehr rechtzeitig bestanden, die aber nicht wahrgenommen wurden. Das ist die Frage von Integration: Wollte man denn überhaupt? Und wir stellen fest, dass Menschen zehn Jahre hier leben und nichts gemacht haben, sich nicht um die Sprache gekümmert haben, sich nicht integriert haben und nicht eine Arbeit aufgenommen haben. Ich finde es richtig, dass solche Fälle durchs Rost fallen. Sie haben die Verteilung von Flüchtlingen angesprochen und diejenigen, die in der zentralen Unterkunft sind. Es ist richtig, dass Asylsuchende, die aus Staaten kommen, in die nach Eintritt der Ausreisepflicht eine Rückführung zeitnah möglich ist – die sogenannte Zehn-Länder-Liste –, nur bei Vorliegen besonderer Gründe, wie Kernfamilie, Gesundheit oder sonstigen humanitären Erwägungen, aus den Landesunterkünften heraus in die Kreise verteilt werden. Wir erwarten, das Geduldete bei der Ausreise mitwirken und nicht durch falsche Angaben einen längeren Aufenthalt in den Großunterkünften selbst verursachen.

Ob sich die gesetzliche Altfallregelung verlängern lässt bei all den vielen Fragen, die noch offen sind, und den Unterschieden in den Ländern, da habe ich meine Zweifel. Wir im Kieler Innenministerium wären jedenfalls dafür. Kommen wir zum Stichwort „Regelschulbesuch für alle Flüchtlingskinder vom ersten Tag an“. Herr Link, ich glaube, Sie meinen damit auch die Kinder, die sich in der zugeordneten Gemeinschaftsunterkunft in Neumünster befinden. In der Tat haben wir da bisher eine Sondersituation. Das Schulministerium diskutiert diesen Aspekt, was mit den Überlegungen zusammenhängt, nur noch einen Standort für die Landesunterkunft zu haben: nämlich Neumünster oder Lübeck aufzugeben. Das ist noch nicht endgültig entschieden, aber es wird überlegt, die kleine „Zwergschule“, die wir so ein bisschen „halligmäßig“ in Neumünster haben, für die Kinder, die dort länger wohnen, aufzugeben und die dort in der Tat in dem normalen Schulalltag unterzubringen.

Das kann man alles beklagen und sagen, wir brauchen eine aktive Zuwanderungspolitik oder Anerkennung bei Flucht vor ethnischen Konflikten oder schlicht und einfach auch vor wirtschaftlichen Krisen, vor Hunger. Das mag alles so sein, nur diese Entscheidungen werden inzwischen in Europa und immer noch in Berlin getroffen. Wir haben das zu vollziehen, worauf man sich dort einigt und eine solche Zuzugsmöglichkeit zur Inanspruchnahme von Schutz oder für einen gesicherten Aufenthalt gibt es derzeit nicht in Deutschland. Auch Menschen, die von ihrer Berufsausbildung her eine Bereicherung der Gesellschaft wären, sind außerordentlich schwierigen und außerordentlich restriktiven Bedingungen ausgesetzt, die sie erfüllen müssen. Das kann man nur feststellen. Wir versuchen durchaus dies zu beeinflussen.

Da ich mit einer Lehrerin verheiratet bin, die auch mit derlei Dingen zu tun hat, erlaube ich mir die Frage, ob dies die richtige Lösung ist. Denn eine solche „Zwergschule“ hat bessere Möglichkeiten, auf die Kinder einzugehen in ihrem unterschiedlichen Stand, als sie sofort nach Ankunft ohne Sprachkenntnisse in die Regelschule zu geben. Vieles spricht m.E. dafür, Kinder, die nur wenige Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen und gerade nach Deutschland gekommen sind, unmittelbar vor Ort für den Besuch der Regelschulen vorzubereiten. Aber das sind Dinge, in die ich mich nicht weiter einmischen will.

Herr Link hat die Entschlackung der gesetzlichen Bleiberechtsregelung und Härtefallregelung von Ausschlusskriterien angesprochen. Diese Ausschlusskriterien hat sich die Härtefallkommission selbst gegeben. Das ist keine Angelegenheit des Ministeriums. Und wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sind die Entscheidungen beileibe nicht so negativ, wie hier angesprochen wurde. Wir haben eine Erfolgsquote bei der gesetzlichen „Altfallregelung“ von 80 % (Stand 30.09.2008). Das ist nicht wenig. Es sind Probeerlaubnisse dabei, wo man gucken muss, dass die Leute dauerhaft in Arbeit kommen. Wir haben gehört, was dafür getan wird, auch von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit. In der Tat gab es bis zu dem Moment, wo wir diese Regelung gemacht haben, keine besondere Förderung für diese Gruppe von Men-

Bei dem Thema „Traumatisierte Menschen“ wurden Gelder für Dolmetscherkosten gefordert. Wenn ich richtig informiert bin, bekommt „Refugio“ genau für Dolmetscherkosten eine Förderung aus dem Sozialministerium. Es können immer höhere Summen gefordert werden, aber es ist jedenfalls nicht so, dass es hier einen Ausschluss gibt, nur weil es nicht im Asylbewerberleistungsgesetz drinsteht. Nein, das Problem

48


dann – so ist das nun mal in der Gewaltenteilung – müssen Verwaltungsbehörden die Entscheidungen vollziehen.

der Kosten ist erkannt. Das Gesundheitsministerium fördert bei der Organisation „Refugio“, für die Herr Engbers hier gesprochen hat, entsprechende Kosten. Übrigens: Wenn Traumatisierten eine Therapie gewährt wird, bezahlen die Behörden nicht nur TherapeutenInnen sondern auch benötigte DolmetscherInnen. Herr Dr. Neitzel hat die Erlasslage angesprochen, was nun eine etwas schwierige Situation ist, weil sich der Innen- und Rechtsausschuss des Themas in genau diesem Raum angenommen hat und wir nun in mehrere Einzelfälle einsteigen müssten. Ich habe nicht nur zwischen den Zeilen, sondern auch in dem Lob eines Fachbeitrages, der aus meiner Abteilung geleistet wurde, gelesen, dass Sie, Herr Neitzel, und ich glaube auch „Refugio“, unsere Erlasslage im Prinzip gut finden, aber der Erlass vor Ort in der Vergangenheit nicht ordentlich angewendet worden sein soll. Da müsste man jetzt in Einzelfälle einsteigen, wir haben das sehr ausführlich diskutiert, ich will das an dieser Stelle nicht wiederholen. Ich stehe zu unserem Erlass, ich glaube, dass unser Erlass im Bundesvergleich ein sehr weitgehender Erlass ist. Wenn man sich anguckt, wie es andere Länder machen, dann kann es sicherlich Schwierigkeiten im Vollzug vor Ort immer geben. Grundsätzlich sind wir mit diesem Erlass außerordentlich weit gegangen, weiter, als es die Beschlusslage der Innenministerkonferenz eigentlich möglich macht. Zur Frage, ob man generell Traumatisierte von der Abschiebehaft ausschließen kann, ist unsere Auffassung fest gefügt. Es wird keinen Erlass geben. Wir müssen konstatieren, dass solche Fälle in der Vergangenheit gerichtlich geprüft wurden. Wir haben in der Vergangenheit beide Seiten der Medaille kennen gelernt, nämlich, dass Gerichte zu der Auffassung kommen, dass Menschen hier in der Tat zu Unrecht in Abschiebehaft gekommen sind. Das Ministerium hat zudem dafür gesorgt – bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam – dass Leute sofort wieder aus der Abschiebehaft herauskommen, wenn uns Fälle vorgetragen werden. Aber wir haben auch festgestellt, dass Gerichte bestätigt haben, dass der Vortrag der Traumatisierung falsch, jedenfalls nicht glaubwürdig ist. Und dann sind solche Gerichtsentscheidungen von den Ausländerbehörden und letztlich auch von uns zu vollziehen. Ich bin der Auffassung, dass es solche Fälle gar nicht erst geben sollte. Es sollte nicht zu solchen Gerichtsentscheidungen kommen können. Wer viel fragt, kriegt viel Antwort und deswegen muss man im Vorhinein, bevor ein solcher Fall eskaliert, alles dafür tun, dass es gar nicht dazu kommt. Nur wenn es dazu kommt und wenn es gerichtliche Entscheidungen gibt,

49


Stellungnahme der Ministerien

Dr. Klaus Riehl Ministerium für Gesundheit

Mitschrift der mündlichen Stellungnahme des Gesundheitsministeriums (vom Sprecher korrigiert, ergänzt und zum Abdruck freigegeben)

wir es noch etwas leichter, weil unsere Ärztekammer sehr aktiv mitwirkt im Arbeitskreis Migration und Gesundheit. Die Sitzungen finden überwiegend auch in den Räumen der Ärztekammer statt und diese hat es sich schon seit Jahren auf die Fahnen geschrieben, im Bereich der Kultursensibilität bei den Behandlungsangeboten mitzuwirken und auf ihre Kammermitglieder positiv, wie ich finde, einzuwirken.

Meine Damen und Herren, mein Name ist Klaus Riehl, ich komme aus dem Gesundheitsministerium. Ich denke, dass vieles, was mit Blick auf die gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen und Migranten hier angesprochen worden ist, bereits durch das Innenministerium abgedeckt wurde. Denn es geht ja im Kern eigentlich nicht so sehr um die Frage, was konkret an Behandlung stattfindet - hier gibt es eine Vielzahl von Angeboten - sondern es geht aus meiner Sicht im Wesentlichen um die Fragestellung „Wie werden die Betroffenen in diese Behandlungsangebote überführt? Wie werden sie diesen Behandlungsangeboten zugeleitet?“. Dazu ist hier schon einiges gesagt worden. Was die Angebote selber anbetrifft, so bestehen sie natürlich nicht als Angebote des Gesundheitsministeriums, sondern sie werden im Wesentlichen von Psychiatern und Psychotherapeuten geleistet. Unsere Aufgabe kann es dabei nur sein, solche Angebote zu fördern, insbesondere finanziell zu fördern. Dazu ist hier seitens Refugio schon einiges vorgetragen worden. Herr Scharbach hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Refugio aus Haushaltsmitteln, für die wir zuständig sind, gefördert wird und ich denke, dass Refugio hier in diesem Raum heute ja auch die richtigen Adressaten finden wird, nämlich diejenigen, die über die Höhe dieser Haushaltsmittel zu entscheiden haben. Denn das ist etwas, was wir nur sehr randständig beeinflussen können und nur im Rahmen dessen, was uns zur Verfügung steht. Hoffentlich können wir zumindest ungeschmälert im nächsten Jahr insbesondere die Angebote von Refugio weiter fördern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zu den Angeboten selber kann ich nur so viel sagen, dass wir im regen Kontakt mit der Psychotherapeutenkammer stehen und dort schon mehrfach darauf gedrängt haben, dass sowohl in Hinblick auf Qualifikation, als insbesondere auch auf die Bereitschaft der Mitglieder der Psychotherapeutenkammer durch die Kammer selber geworben und eingewirkt wird. Es gibt natürlich nicht nur die Psychotherapeuten, sondern hier wurden auch schon die Psychiater genannt, das sind speziell weiter gebildete Ärztinnen und Ärzte. Insofern haben

50


Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (Stand Juli 2008) • Hilfestellung nach dem 8. Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) • Unterbringung von jugendlichen Flüchtlingen • Zugang zu Schule und Ausbildung

Dieses gilt für alle unbegleiteten Minderjährigen, die sich de facto in Deutschland aufhalten, d.h. für die, - die einen Asylantrag stellen, - die keinen Asylantrag stellen wollen oder können, - die zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen werden sollen.

Der UN-Kinderrechtsausschuss hat wiederholt - zuletzt 2005 in seinen General Comments Nr. 6 – deutlich auf die Defizite im Umgang mit aus dem Ausland eingereisten unbegleiteten Minderjährigen in Deutschland hingewiesen und von einer Diskriminierung dieser jungen Flüchtlinge gesprochen.

Eine Inobhutnahme ist grundsätzlich nicht nur als ordnungspolitische Maßnahme zu verstehen. Sie enthält immer einen sozialpädagogischen Auftrag und eröffnet dem betroffenen Minderjährigen regelmäßig den Rechtsanspruch auf eine bedarfsgerechte Versorgung und Unterbringung nach dem SGB VIII.

Im Einzelnen wurde u.a. bemängelt, - dass für 16- und 17jährige nur in Ausnahmefällen Vormundschaften eingerichtet würden, - dass die Anwendung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bis auf wenige Ausnahmen willkürlich auf Flüchtlingskinder unter 16 Jahre beschränkt würde - und dass die 16- und 17jährigen Minderjährigen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften für erwachsene Flüchtlinge ohne altersgerechte Betreuung untergebracht und dort sich selbst überlassen würden.

Werden unbegleitete Minderjährige in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht, besteht für sie keine Verpflichtung mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende bzw. Zentralen Aufnahmeeinrichtung für unerlaubt eingereiste Ausländer zu wohnen. Eine Verteilung im Land oder in andere Bundesländer nach dem Aufenthalts- oder Asylverfahrensgesetz kann gegen den Willen des Jugendlichen nicht erfolgen. Im Mittelpunkt jeder Inobhutnahme stehen die Durchführung der Abklärung des persönlichen Hintergrundes des Jugendlichen (das Clearingverfahren) und der Einstieg in den Hilfeplan (das Hilfeplanverfahren).

Auf diese Kritik antwortete der Gesetzgeber nicht mit Veränderungen im Zuwanderungsgesetz, sondern mit der Neuregelung des § 42 SGB VIII im Kinder- und Jugendweiterentwicklungsgesetz, das im Oktober 2005 in Kraft trat. § 42 SGB VIII stellt danach eindeutig klar, dass die Jugendämter verpflichtet sind, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen in Obhut zu nehmen, wenn dieser unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

Im Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010 weist die Bundesregierung darauf hin, dass im Rahmen der Inobhutnahme für alle betroffenen unbegleiteten Minderjährigen im Einzelfall geklärt werden soll, - ob eine Rückkehr in das Herkunftsland ohne erhebliche Gefahren möglich ist, - ob eine Familienzusammenführung in einem Drittland in Frage kommt, - ob ein Asylantrag gestellt werden soll oder - ob ein Bleiberecht aus humanitären Gründen angestrebt werden soll.

Mit der Benennung dieser besonderen Gruppe im Gesetz ist damit allen aus dem Ausland eingereisten unbegleiteten Minderjährigen ausdrücklich der Rechtsanspruch auf vorläufige Schutzgewährung (Inobhutnahme) zugesichert und den Jugendämtern die Handlungspflicht für die Erstversorgung und die unverzügliche Regelung der gesetzlichen Vertretung zugeschrieben worden.

51

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Elisabeth Hartmann-Runge lifeline e.V.


In Schleswig-Holstein wurden nach den Angaben des Statistikamtes Nord insgesamt in Obhut genommen 2004 12 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 2005 16 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 2006 37 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge davon 12 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter 16 Jahre (2 Mädchen) davon 25 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über 16 Jahre (6 Mädchen) 2007 29 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (davon 2 Mädchen) davon 9 unter 16 Jahre davon 20 über 16 Jahre

Trotz geltender aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen sollen so die Vorschriften über die Gewährung des Kindeswohls beachtet und im Einzelfall auch festgestellt werden, welche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen im Interesse des jeweiligen Minderjährigen liegen bzw. welche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen das Kindeswohl beschädigen würden.

Wie steht es mit der Umsetzung von § 42 SGB VIII für aus dem Ausland eingereiste unbegleitete Minderjährige in Schleswig-Holstein? 1. Die veränderte Rechtslage erfordert bezüglich der Aufnahme und Erstversorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein hohes Maß an Koordination und Kommunikation zwischen Jugendämtern, Ausländerbehörden, Landes- und Bundespolizei, Gerichten sowie alle mit dem Klientel befassten Institutionen.

Leider gibt es keine belastbaren Daten darüber, wie viel unbegleitete minderjährige Flüchtlinge tatsächlich jedes Jahr nach Schleswig-Holstein einreisen. Angaben darüber, wie es mit der Gewährung von Jugendhilfeleistungen bezüglich der Anschlussversorgungen nach der Inobhutnahme für diese Minderjährigen in den kreisfreien Städten und Landkreisen aussieht, liegen dem Statistikamt Nord ebenfalls nicht vor.

In Schleswig-Holstein haben sich die zuständigen Behörden gegen eine besondere Zentrale Aufnahmeeinrichtung für aus dem Ausland eingereiste unbegleitete Minderjährige entschieden, die u.E. die nötige Infrastruktur für eine bedarfsgerechte Erstversorgung dieser Jugendlichen hätte gewährleisten können.

Zur Zeit erarbeitet eine Arbeitsgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände unter Mitwirkung des Flüchtlingsbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, des Vormundschaftsvereins l i f e l i n e, des Flüchtlingsrates und der Fachhochschule Kiel eine Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Sie soll in Schleswig-Holstein zu einem landesweit einheitlichen, an der Bedürfnisstruktur der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ausgerichteten Inobhutnahmeverfahren führen.

Nach den Recherchen vom Vormundschaftsverein l i f e l i n e wird zum Beispiel den 16- und 17jährigen unbegleiteten Minderjährigen, die sich in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Lübeck melden, vom örtlich zuständigen Jugendamt in vielen Fällen nach einem kurzen Gespräch in der Erstaufnahmeeinrichtung attestiert, dass für sie kein Jugendhilfebedarf besteht. Nach Angaben des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten verblieben in 2006 20, in 2007 19, in 2008 bis Anfang Mai neun unbegleitete Minderjährige ohne besondere sozialpädagogische Betreuung in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende. Diese ist jedoch keine „geeignete Einrichtung“ im Sinne des § 42 SGB VIII. Sie unterliegt nicht der zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erforderlichen sog. Heimaufsicht gemäß § 45 SGB VIII. Für die Jugendlichen gelten hier die Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes. Sie erhalten die gekürzten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

2. Die Ausländerbehörden melden zwar regelmäßig die als unbegleitet identifizierten Minderjährigen den örtlich zuständigen Jugendämtern und diese verfügen inzwischen in den meisten Fällen zumindest formal auch die Inobhutnahme, aber noch zu oft werden den 16- und17jährigen unbegleiteten Minderjährigen kein Hilfebedarf und damit keine Jugendhilfeleistungen zugestanden.

In der Regel übernimmt hier erst einmal das Jugendamt Lübeck die Amtsvormundschaft. Vielen dieser „Minderjährigen ohne Jugendhilfebedarf“ hat dann danach der Vormundschaftsverein l i f e l i n e einen Einzelvormund vermittelt. Den Einzelvormündern ist es bis heute in fast allen Fällen gelungen, unmittelbar nach der Bestallung für die Jugendlichen über den Antrag auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB

Gleichzeitig gibt es bis heute aber auch noch kein landesweit einheitliches und verbindliches Konzept, das für eine dezentrale Erstversorgung und Unterbringung dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe von Minderjährigen durch die jeweils örtlich zuständigen Jugendämter dringend erforderlich wäre.

52


gen sichergestellt wird, die auf Veranlassung der Bundespolizei in Schleswig-Holstein in Haft genommen werden sollen.

VIII doch Jugendhilfebedarf feststellen zu lassen. Im Zeitraum von Oktober 2005 bis Ende 2007 erhielten so 15 von 18 der über 16-jährigen Jugendlichen im Zuständigkeitsbereich anderer Jugendämter eine langfristige Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie.

3. Die örtlich zuständigen Jugendämter bringen unbegleitete Minderjährige während der Inobhutnahme meistens in ihren jeweiligen Kinder- und Jugendnotaufnahmestellen unter. Besonders in den Grenzkreisen nach Skandinavien verlassen viele dieser Jugendlichen oft wenige Tage nach der Inobhutnahme die Jugendhilfeeinrichtungen. Sie laufen dann Gefahr, nach zweitem oder drittem Aufgriff in Abschiebungshaft genommen zu werden.

Das heißt, dass für diese 16- und 17jährigen unbegleiteten Minderjährigen § 42 SGB VIII nicht voll umgesetzt wurde. • Die Inobhutnahme fand nicht als sozialpädagogische Krisenintervention nach den erforderlichen fachlichen Standards in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung statt. • Die unbegleiteten Minderjährigen durchliefen kein Clearingverfahren oder ein Clearingverfahren, das nicht auf ihren besonderen Hilfebedarf ausgerichtet war. • Die unbegleiteten Minderjährigen gingen ohne vorherige Abklärung der Fluchtgründe in das Asylverfahren. • Die 16- und 17jährigen unbegleiteten Asylsuchenden wurden hier offensichtlich weiterhin bezüglich der Erstund Anschlussversorgung aus der Jugendhilfe ausgegrenzt.

Ein Grund dafür liegt darin, dass viele der Jugendlichen, die in Schleswig-Holstein auftauchen, eigentlich auf dem Weg nach Dänemark, Schweden oder Norwegen sind, wo oft schon Familienangehörige von ihnen leben. In einem der Grenzkreise blieben so von 17 dem örtlich zuständigen Jugendamt zur Inobhutnahme gemeldeten Jugendlichen in 2007 nur zwei übrig, die anderen waren nach wenigen Tagen des Aufenthaltes in der Kinder- und Jugendnotaufnahmestelle wieder verschwunden.

Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, in Schleswig-Holstein für unbegleitete Minderjährige ein Inobhutnahmeverfahren nach landesweit einheitlichen Standards zu installieren.

Einer der wichtigsten Punkte jedes im Rahmen der Inobhutnahme stattfindenden Clearingverfahrens für unbegleitete Minderjährige ist die Frage nach dem Verbleib der Eltern oder anderer Familienangehöriger, insbesondere auch im Hinblick auf die im Ausländerrecht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung. Dabei muss selbstverständlich überprüft werden, ob die Familienzusammenführung im Einzelfall im Interesse des/der Minderjährigen liegt.

Das jeweils örtliche Jugendamt ist auch für unbegleitete Minderjährige, die zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen werden sollen, zuständig. Nach Angaben vom Landesbeirat für den Vollzug der Abschiebungshaft wurden in Schleswig-Holstein 2006 zehn Jugendliche inhaftiert, sieben davon auf Veranlassung der Bundespolizei, drei davon auf Ersuchen einer Ausländerbehörde. 2007 waren es drei Jugendliche aus Albanien, Pakistan und der Türkei. In 2008 wurden nach Kenntnis von l i f e l i n e bis Ende Juni zwei Jugendliche inhaftiert, einer davon auf Veranlassung der Bundespolizei, einer davon auf Ersuchen einer Ausländerbehörde.

Verbindliche Handlungsleitlinien für das komplizierte und zeitaufwendige Verfahren einer solchen Familienzusammenführung liegen nicht vor. Ein solches Verfahren verlangt von den MitarbeiterInnen der Jugendämter eine Menge an Fachwissen, Zeit und Verhandlungsgeschick und von den Jugendlichen - in der schon sehr instabilen Phase der Aufnahme - eine Menge an Vertrauen und Geduld. Allein eine Familienzusammenführung von Schleswig-Holstein in ein anderes Bundesland dauert in der Regel über sechs Monate und gelingt hier z.B. nur, wenn der oder die Familienangehörige nach einem Vormundschaftsverfahren auch die Vormundschaft für den unbegleiteten Minderjährigen übertragen bekommen hat. Eine dem Kindeswohl dienende Familienzusammenführung in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ist noch zeit- und arbeitsaufwendiger.

Abschiebungshaft für Minderjährige ist nur zulässig, wenn keine geeigneten milderen Mittel zur Verfügung stehen. Der Erlass des Innenministeriums vom 25.2.2008 zur Durchführung der Abschiebungshaft weist darauf hin, dass die Ausländerbehörde in Abstimmung mit dem zuständigen Jugendamt zu klären hat, ob eine anderweitige Unterbringung im Sinne des § 42 SGB VIII möglich und geeignet ist. Dieses ist im Haftantrag auszuführen. Bleibt zu hoffen, dass dieser besondere Schutz vor Abschiebungshaft zukünftig auch für die unbegleiteten Minderjähri-

53


Zugang zu Schule und Ausbildung:

rem Aufenthaltsstatus nicht als Bildungszeit für diese Jugendlichen verstanden wird. Die Regelung der obengenannten Wartezeit von vier Jahren oder auch die Regelung nach § 25 Abs. 5 AufenthG, nach der nach 18 Monaten Duldung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, ist für Jugendliche ungeeignet, da mit Blick auf das Kindeswohl eine so lange Zeit des verordneten Nichtstuns als nicht vertretbar erscheint. (Stand Juli 2008)

Da in Schleswig-Holstein die Schulpflicht für alle jungen Flüchtlinge unabhängig vom rechtlichen Aufenthaltsstatus gilt, können auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge theoretisch einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Schulabschluss erwerben. Entscheidend in der Praxis ist allerdings, - inwieweit die jeweilige Schule die individuelle Lernausgangslage des Jugendlichen im Einzelfall berücksichtigt und entsprechende Förderangebote anbietet und - inwieweit der unbegleitete Minderjährige sich in einer bedarfsgerechten Betreuung und Unterbringung befindet.

Erfahrungsgemäß werden nach Erreichen des Erwachsenenalters von Seiten der Ausländerbehörde oft aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchgeführt. Die in vielen Fällen trotz allem enormen Integrationsleistungen der jungen Menschen, die ggf. auch durch Jugendhilfe gefördert wurden, werden aufenthaltsrechtlich dabei meistens nicht berücksichtigt, da sie – trotz temporärer Schutzbedürftigkeit - nie einen legalen Aufenthaltstitel innehatten. Für eine Rückkehr in ihr Heimatland sind die jungen Menschen aufgrund fehlender Berufsausbildung ebenfalls nicht gewappnet.

Die obengenannten Zahlen weisen darauf hin, dass das Inobhutnahmeverfahren in seiner derzeitigen Konzeption zur Lösung dieser speziellen Probleme der Jugendlichen nicht ausreicht. Abschiebungshaft für Minderjährige, die sich auf den Weg zu ihren Familienangehörigen gemacht haben, kann und darf darauf in keinem Fall die Antwort sein.

Für neu eingereiste ältere Jugendliche (16 oder 17 Jahre) ist die Aufnahme in einer Regelschule allerdings oft schwer zu erreichen. Da viele der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vorerst nur einen unsicheren Aufenthaltsstatus erhalten und sie die Wartefrist von vier Jahren rechtmäßigem, gestatteten oder geduldeten Aufenthaltes in Deutschland oft nicht erfüllen, sind sie von den Angeboten der beruflichen Vorbereitung, Qualifizierung und Ausbildung meistens mehrfach ausgeschlossen: - Die Beschäftigungserlaubnis für einen Ausbildungsplatz wird nicht oder nur nach Wartefristen und Nachrangigkeit erteilt. - Die Jugendlichen werden nicht dem förderungsfähigen Personenkreis nach dem SGB III zugeordnet. - Sie dürfen an keinem zum BAFöG-Bezug berechtigenden Bildungsgang teilnehmen. Teilnehmen können sie nur einzelfallbezogen an Maßnahmen der Jugendhilfe, an Equalprojekten und im Rahmen der Integrationsmaßnahmen an Sprachkursen. Viele der unbegleiteten Minderjährigen sind hochmotiviert. Der Erwerb schulischer Bildung und beruflicher Qualifizierung ist für sie bezüglich der Entwicklung einer Lebensperspektive von entscheidender Bedeutung. Kennzeichnend für das Zuwanderungsgesetz dagegen ist, dass die Dauer des Asylverfahrens oder die Zeit mit unsiche-

54


Erfahrungen mit Diskriminierung in Schleswig-Holstein

Was ist Diskriminierung und welche Diskriminierungsformen existieren?

Gerne komme ich Ihrer Bitte nach, mich zu dem Thema Diskriminierung von Migranten und Migrantinnen in SchleswigHolstein mit dem Fokus auf Diskriminierung in und durch die öffentliche Verwaltung schriftlich zu äußern und bedanke mich für Ihr Interesse an meiner fachlichen Auffassung zu diesem Thema.

Der Begriff Diskriminierung stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich nichts Anderes als „trennen“ oder „unterscheiden“. Trennen und unterscheiden sind ganz normale Wahrnehmungsmechanismen von Menschen und der Gesellschaft, unabdingbar und notwendig und somit auch nichts Verwerfliches. Problematisch ist das Trennen und Unterscheiden, wenn Menschen aufgrund allgemeiner zugeschriebener Merkmale von den Anderen unterschieden oder getrennt werden, und diese Unterscheidung zu einer Benachteiligung der Person oder Gruppen führt. Die Ungleichbehandlung und Benachteiligung sind demnach die zentralen Begriffe in der Diskriminierungsdiskussion. Es gilt also zu fragen, inwiefern Migranten und Migrantinnen eine Benachteiligung oder Ungleichbehandlung durch die öffentliche Verwaltung erfahren.

Grundsätzlich voran schicken möchte ich, dass es meiner Auffassung nach außerordentlich schwierig ist, fachlich fundiert zu diesem Thema Stellung zu beziehen, insbesondere wenn es um konkrete Erfahrungen mit Diskriminierung in und durch öffentliche Verwaltung geht. Meines Wissens nach gibt es in Schleswig-Holstein weder eine Untersuchung zu dieser Fragestellung, noch gibt es in den Kommunen regionale Antidiskriminierungsstellen, bei denen Diskriminierungsmeldungen aufgenommen werden und (ihnen) nachgegangen wird. Auch landesweit gibt es keine Anlaufstelle, die offiziell als Anlaufstelle fungiert und Erfahrungen mit Diskriminierung sammelt, bzw. als eine zentrale Beschwerdestelle genutzt werden kann. Somit ist es außerordentlich schwierig, zu diesem Thema empirisch gestützte Aussagen zu treffen.

Welche Diskriminierungsformen treten dabei in Erscheinung?

Meiner Auffassung nach gilt es genau an dieser Fragestellung anzusetzen und eine solche Studie einzufordern, um über die Diskriminierungssituation von Migranten und Migrantinnen in Schleswig-Holstein fundierte Erkenntnisse zu gewinnen. Denn Gespräche mit Migrantenorganisationen, Einzelpersonen und Beratungsstellen für Migranten und Migrantinnen verdeutlichen immer wieder, dass Diskriminierung in und durch die öffentliche Verwaltung geschieht.

In der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und in dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wird von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung gesprochen. In der fachlichen Diskriminierungsdebatte wird jedoch noch stärker differenziert. Hier finden wir eine Unterscheidung in • Gesellschaftliche Diskriminierung • Politische Diskriminierung

Aus diesem Grunde ist es mir lediglich möglich, eingeschränkte Einblicke und Aussagen über den Umgang der öffentlichen Verwaltung mit Migranten und Migrantinnen zu geben, die in keinster Weise den Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit erheben.

• Strukturelle Diskriminierung • Institutionelle Diskriminierung • „face to face“ Diskriminierung

55

Diskriminierung - Erfahrungen in Schleswig-Holstein

Anita Gruber Institut für interkulturelles Training


besteht die Gefahr eines diskriminierenden Verhaltens. In den von mir durchgeführten Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus der öffentlichen Verwaltung habe ich festgestellt, dass es an faktischem Wissen über die Situation von Migranten und Migrantinnen fehlt, und zwar auf allen Ebenen (aufenthaltsrechtliche Bestimmungen, Einreisewege, Lebenssituation, kulturelle Besonderheiten etc.). Ebenso musste ich in den jeweiligen Trainingsmaßnahmen feststellen, dass ein Wissen über die eigenen Vorurteile und wie diese entstanden sind fehlt, und somit eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen Vorurteilen und wie diese in die alltägliche Arbeit mit einfließen, ebenfalls bei der Mehrheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht vorhanden war.

Selbstverständlich stehen diese unterschiedlichen Diskriminierungsformen in einem Kontext und diese Unterscheidung ist eher analytisch zu sehen. Im Kontext der Fragestellung, inwieweit Migranten und Migrantinnen in und durch die öffentliche Verwaltung diskriminiert werden, ist meiner Auffassung nach der Fokus auf die „face to face“ Diskriminierung, die auch mit dem Begriff der unmittelbaren Diskriminierung gleichgesetzt werden kann, zu legen, sowie auch auf die strukturelle und institutionelle Form der Diskriminierung. Was ist nun unter öffentlicher Verwaltung zu verstehen? In der Sozialwissenschaft wird im Allgemeinen unter öffentlicher Verwaltung sämtliche Organisationsformen und Dienstleistungsangebote verstanden, die sich in öffentlicher Trägerschaft befinden, das bedeutet in Trägerschaft des Bundes, eines Bundeslandes oder einer Kommune. Hier zeigt sich schon, wie umfassend das Thema öffentliche Verwaltung ist und dass somit die Fragestellung der Diskriminierung von Migranten und Migrantinnen in und durch öffentliche Verwaltung in Schleswig-Holstein in dieser Stellungnahme nicht, zumindest von mir nicht, umfassend beantwortet werden kann. Es ist mir lediglich möglich, an ausgewählten Beispielen und exemplarischen Fragestellungen auf dieses Thema näher einzugehen.

Folgende Auffassungen wurden mehrheitlich geäußert: • Migranten sind fordernder als die einheimischen Deutschen • Migranten kommen her, um unser soziales System auszunutzen • Migranten wollen mit den Deutschen nichts zu tun haben, sich nicht anpassen und kein Deutsch lernen • Migranten sind doch Gäste, und als Gast habe ich nicht zu fordern sondern sollte mich besonders gut benehmen und „dankbar sein, für das, was ich bekomme“

Hinzu kommt, dass sich mein Erfahrungsspektrum lediglich aus meiner Tätigkeit als freiberuflich tätige Fortbildnerin, aus ehrenamtlichen Tätigkeiten in Migrantenorganisationen und meiner Dozententätigkeit an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit speist. Im Kontext dieser Tätigkeiten habe ich immer wieder die Gelegenheit, Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten wahrzunehmen.

Diese Haltungen führten u.a. zu folgenden diskriminierenden Verhaltensweisen: • Vorhandene mehrsprachige Formulare werden in der alltäglichen Arbeit nicht eingesetzt • Migranten, die kein ausreichendes Deutsch sprechen, werden nicht bedient

„Face to face“ Diskriminierung bzw. Unmittelbare Diskriminierung

• Migranten werden geduzt • Unhöfliches bzw. unfreundliches Verhalten (langes unnötiges Warten, keine Beachtung, kein Anschauen während des Gespräches, kurze einsilbige Informationen etc.)

Diese Form der Diskriminierung ist sehr stark abhängig von den einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der öffentlichen Verwaltung und von daher nicht verallgemeinerbar. Die persönliche Haltung eines Mitarbeiters / einer Mitarbeiterin der öffentlichen Verwaltung ist geprägt durch persönliche Sozialisation, persönliches Erfahrungsspektrum, aber auch durch Aus- und Fortbildung.

• Betrügerische Unterstellungen • Der Beratungspflicht wird nicht nachgekommen

Meine Erfahrung ist: je mehr Wissen über die Situation von Migranten und Migrantinnen vorhanden ist, um so weniger

56


Institutionelle Diskriminierung und strukturelle Diskriminierung

Ebenfalls zur institutionellen Diskriminierung zählt, wenn öffentliche Angebote bei der Teilnehmerstruktur auf eine so genannte „Ausgewogenheit“ achten, was in der Praxis bedeutet, dass Teilnehmerplätze quotiert an MigrantInnen vergeben werden, weil die Befürchtung besteht, dass eventuell „deutsche“ TeilnehmerInnen bei „zuviel“ MigrantInnen das Angebot wieder verlassen. Solch eine Quotierung wird gerne mit Integrationsargumenten fachlich gerechtfertigt.

Eine institutionelle Diskriminierung und strukturelle Diskriminierung liegt meiner Auffassung nach dann vor, wenn es in der öffentlichen Verwaltung unabhängig von Einzelpersonen zu Benachteiligungen bzw. Ungleichbehandlungen von Migranten und Migrantinnen kommt, sowohl als MitarbeiterIn in der öffentlichen Verwaltung als auch als KlientIn oder KundIn der öffentlichen Verwaltung.

Das Verbot des Kopftuchs, sowie das Verbot der muttersprachlichen Kommunikation gehört ebenfalls zur institutionellen Diskriminierung.

Unabhängig von der kulturellen oder nationalen Herkunft, sowie unabhängig von den vorhandenen deutschsprachlichen Kompetenzen hat jeder Bürger/jede Bürgerin das Recht auf die Inanspruchnahme der Angebote und Leistungen der öffentlichen Hand (Gleichbehandlungsgebot Grundgesetz Art.3 Abs. 3 und Sozialstaatsgebot, Grundgesetz Art. 20 Abs. 1).

Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der öffentlichen Verwaltung ist es meiner Auffassung nach diskriminierend, wenn ihr Migrationshintergrund über ihre Fachlichkeit gestellt wird. Beispielsweise heißt es im Integrationsbericht der Landeshauptstadt Kiel von 2007 zum Schwerpunkt „Interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der sozialen Dienste“ auf Seite 29:

In diesem Kontext stellt sich für mich die Frage, inwieweit ausschließlich deutschsprachiges Informationsmaterial, Formulare etc. nicht zu einer Diskriminierung nichtdeutschsprachiger Bürger und Bürgerinnen führt. Auch das immer wieder gern erwähnte Argument, Amtssprache sei schließlich Deutsch, impliziert eine Rechtfertigung, nichtdeutschsprachige Bürger und Bürgerinnen zu diskriminieren und diese von der Partizipation an öffentlichen Dienstleistungsangeboten auszuschließen. Auch die Nichtbeachtung kultureller Besonderheiten wie z.B. religiöser Feiertage kann zur institutionellen Diskriminierung führen.

„Im Bereich der Bildung und Erziehung wird verstärkt auf die Einstellung von pädagogischem Personal mit Migrationshintergrund geachtet, sofern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bereichen eingesetzt werden, in denen überwiegend Migrantinnen und Migranten betreut werden“. Im Kontext der interkulturellen Öffnung und im Kontext einer Einwanderungsgesellschaft erschließt es sich mir überhaupt nicht, wieso MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund nur für MigrantInnen eingestellt werden, und nicht generell für alle Dienstleistungsbereiche, wenn die entsprechende fachliche Eignung vorliegt. Hier wird meiner Auffassung nach deutlich, dass an dieser Stelle der Migrationshintergrund über die Fachlichkeit gestellt wird.

Im Rahmen einer kleinen Studie, die ich im Auftrag der Stadt Kiel, Leitstelle Älter Werden und dem Urban Büro im Stadtteil Kiel Gaarden 2005 durchgeführt habe und in der die Bedürfnisse von älteren MigrantInnen untersucht wurden, stellte sich heraus, dass ältere MigrantInnen mehrheitlich nicht über ausreichende Informationen über die Angebote unseres Altenhilfesystems verfügen und somit aus Unkenntnis diese Angebote auch nicht genutzt werden konnten. Gleichzeitig konnte festgestellt werden, das der Bedarf an entsprechenden Angeboten durchaus vorhanden ist. Ähnliche Ergebnisse lieferte auch der seinerzeit durch das Sozialministerium in Auftrag gegebene Gesundheitsbericht für Schleswig-Holstein, in dem deutlich wurde, dass beispielsweise präventive Angebote durch die Gesundheitsämter bei MigrantInnen mehrheitlich nicht bekannt waren und auch das Aufgabenspektrum eines Gesundheitsamtes nicht ausreichend bekannt war. Dieses Informationsdefizit lässt sich meiner Auffassung nach auch auf andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung übertragen.

Deutsche ohne Migrationshintergrund werden schließlich auch nicht nur für Deutsche ohne Migrationshintergrund eingestellt (oder doch?). Des Weiteren gehören zur institutionellen und strukturellen Diskriminierung der öffentlichen Verwaltung dienstliche Anweisungen und rechtliche Bestimmungen, die Diskriminierung beinhalten, wie z.B. Ausschluss von bestimmten sozialen und gesundheitlichen Leistungen aufgrund des Aufenthaltsstatus, bzw. von weiteren Partizipationsmöglichkeiten in der Gesellschaft, auf die ich an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingehen möchte, da diese in der Regel auf bundesrechtliche Regelungen und politisch gewollter Diskriminierung beruhen.

57


Fazit: Diskriminierung von Migranten und Migrantinnen in und durch öffentliche Verwaltung in Schleswig-Holstein findet statt, auch wenn dies aktuell nicht mit empirischen Fakten zu belegen ist. Ausgehend von dieser Tatsache erscheint es aus meiner Sicht unabdingbar, regionale und niedrigschwellig angesiedelte Antidiskriminierungsstellen als Anlauf- und Beschwerdestelle für Migranten und Migrantinnen, die Diskriminierung erfahren, zu schaffen und diese Erfahrungen bei einer landesweit angesiedelten Antidiskriminierungsstelle zu bündeln. Ebenso erscheint es mir aufgrund der nicht vorhandenen Daten und Fakten zur Diskriminierungssituation von Migranten und Migrantinnen notwendig, eine Studie zur Untersuchung der Diskriminierung von Migranten und Migrantinnen in Schleswig-Holstein durchzuführen. Kommunale Antidiskriminierungsrichtlinien, wie sie die Stadt Frankfurt am Main beschlossen hat, sind ebenfalls eine Maßnahme, Diskriminierung durch und in der öffentlichen Verwaltung zu thematisieren und zu minimieren. Die interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung (und nicht nur sie) ist als verbindlich eingeforderter Organisationsprozess, mit all den dazu gehörigen Handlungsschritten wie z.B. — Identifizierung versteckter und offener Ausgrenzungsmechanismen, — Zulassen von Mehrsprachigkeit und mehrsprachige Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, — Entwicklung interkultureller Leitlinien und Handlungskonzepte, — gezielte Einstellung von Personal mit Migrationshintergrund, — verbindliche interkulturelle Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen für alle MitarbeiterInnen, — kontinuierliche Auseinandersetzung und Thematisierung von Diskriminierung und Diskriminierungsmechanismen und — die Entwicklung interkultureller Kompetenzen als Schlüsselqualifikation für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ist umzusetzen.

58


Diskriminierung seitens der Verwaltungspraxis

einer Reihe von Einzelbeispielen ein realistisches Gesamtbild aufzuzeigen. Als Migrantenselbstorganisation möchten wir jedoch auf einen Problemkomplex hinweisen, der in unseren Bemühungen um Ausbildungsplätze, Praktika und Arbeitsplätze für junge MigrantInnen auffällt. Bei der Integration von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt werden nach wie vor zu wenig MigrantInnen in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Praktika für Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Verwaltung sind ebenso selten vorhanden wie auch Ausbzw. Weiterbildungsmaßnahmen. Das Interesse der Jugendlichen mit Migrationshintergrund für eine Berufswahl in der öffentlichen Verwaltung wird seitens der Schulen oft nicht geweckt, und durch die überproportional eher schlechten Schulabschlüsse der SchülerInnen mit Migrantenhintergrund sind diese Kinder oft für einen schnellen Einstieg in die Verwaltung nicht vorbereitet. So erkennt man wieder den Zusammenhang zwischen schulischer Chancenungleichheit, Misserfolg und mangelnden Perspektiven für MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt.

Diskriminierung hat viele Gesichter. Sie führt jedoch immer dazu, dass bestimmte Gruppen von Menschen in einer Gesellschaft benachteiligt und ihnen weniger Chancen auf Selbstbestimmung eingeräumt werden. Diskriminierung findet dann statt, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Weltanschauung durch eine allgemeine Chancenungleichheit an einer optimalen Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen gehindert werden. Im Alltag kann Diskriminierung sehr offene, z. Teil auch hässliche Formen annehmen, z.B. wenn abfällige Bemerkungen über Minderheiten, Behinderte und Frauen fallen und toleriert werden, wenn Jugendliche aufgrund ihres Aussehens von bestimmten Freizeitaktivitäten ausgeschlossen werden oder wenn MigrantInnen in Schulbüchern in einer untergeordneten, stereotyp-negativen Rolle erscheinen. Leider ist der Alltag auch in Schleswig-Holstein nicht frei von solch offenen Diskriminierungen. Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung wird auch dort vermutet, wo strukturelle Ungleichheiten sich über Jahre perpetuieren und durch Statistiken belegt werden können. Unter anderem deutet auch die PISAStudie darauf hin, dass in Deutschland eine starke Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg besteht. Dies ist ein Indiz für eine strukturelle Ungleichbehandlung.

Trotz einer gewissen Öffnung der Verwaltung MigrantInnen gegenüber, vor allem im Polizeidienst, gibt es unseres Erachtens nach hier noch Nachholbedarf, um die Ziele eines „intercultural mainstreamings“ im Sinne des AGG auch in der öffentlichen Verwaltung in Schleswig-Holstein zu erreichen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland von 14. August 2006 hat zum Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Im Anwendungsbereich sind drei wesentliche Gebiete aufgeführt, in den Benachteiligungen anhand des AGG bekämpft werden sollen – im Bildungsbereich, auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen-öffentlichen Raum.

Dr. Cebel Küçükkaraca (Landesvorsitzender)

Die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein wurde gebeten, ihre Erfahrungen zur „Diskriminierung seitens der Verwaltungspraxis“ zu schildern. Dabei ist es häufig schwierig, mit

59

Diskriminierung - Erfahrungen in Schleswig-Holstein

Dr. Cebel Küçükkaraca Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein


Gesamtschau MSB und Integrationskonzept

Georg Falterbaum LAG der Wohlfahrtsverbände

Gesamtschau MSB und Integrationskonzept

2. Es bestehen unterschiedliche Vorgaben bezüglich eines sehr aufwendigen Statistik- und Berichtswesens der jeweiligen Förderer im Bund, Ländern und Kommunen. Dies bedeutet, dass ein sehr hoher Anteil der Arbeitszeit der MitarbeiterInnen für Dokumentationsaufgaben eingesetzt werden muss.

Thema Integrationsförderung Es bestehen im Wesentlichen drei staatliche Programme zur Integrationsförderung: - Migrationserstberatung (MEB), gefördert durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), - Migrationssozialberatung (MSB), gefördert durch das Innenministerium des Landes Schleswig- Holstein und - Jugendmigrationsdienste (JMD), gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Alle drei Programme erwarten von den Trägern 1. eine strukturierte Integrationsbegleitung mittels Casemanagement (MEB, MSB, JMD), 2. eine aktive Netzwerkarbeit (MEB, MSB, JMD) und 3. Unterstützung bei der interkulturellen Öffnung der Regeldienste (MEB, JMD).

3. Bedarf an Migrationsfachdiensten: Das derzeitige Angebot an Migrationsfachdiensten (MEB, MSB, JMD) im Lande deckt nicht den Bedarf, sondern verwaltet nur den finanziellen Mangel. Die jährlich neu zu beantragende Projektförderung bietet den Trägern keine Planungssicherheit. Andererseits erfordert die in den Programmen festgelegte verbindliche Anwendung der Methoden Case Management und Netzwerkarbeit mit entsprechend verlässlichen Strukturen und AnsprechpartnerInnen für KlientInnen und PartnerInnen.

Träger der Migrationsfachdienste, die aus diesen Programmen gefördert werden, sind in Schleswig- Holstein im Wesentlichen die Wohlfahrtsverbände. Sie sind somit die einzigen Akteure in der Integrationsarbeit, die auf allen drei föderalen Ebenen aktiv sind. Einige Wohlfahrtsverbände (AWO, DW, DPWV) sind Träger von Integrationskursen. Wohlfahrtsverbände bieten verschiedene interkulturelle Projekte an. Ein gemeinsames Projekt aller Verbände ist das „LAG- Projekt Mercator“.

4. Regionale Verteilung der Migrationsfachdienste: Hier wurde seitens des BAMF 2007 eine „idealverteilte Betreuungsquote“ auf der Grundlage mathematischer Berechnungen, die im Wesentlichen die Integrationskursteilnehmer unter den ZuwandererInnen berücksichtigen, vorgenommen. Diese entspricht nicht den Lebenslagen und Bedürfnissen der EinwanderInnen. Ganz entscheidende Gesichtspunkte werden nicht berücksichtigt. Regionale Besonderheiten finden keine Berücksichtigung

Problemanzeigen

5. Problemfeld „nachholende Integration“: AltzuwanderInnen stellen die größte Gruppe der IntegrationskursteilnehmerInnen und Ratsuchenden in den Beratungsstellen dar. Dies spricht für ihre Integrationsbereitschaft. Weitergehende Integrationsangebote auch für bereits länger im Lande lebende ZuwanderInnen fehlen („nachholende Integrationsförderung zur Begrenzung der Folgeschäden von Versäumnissen der Vergangenheit“ Zit. Prof. Bade) Der Zugang zur Regelversorgung ist nach wie vor nur in wenigen Bereichen gegeben.

1. MEB und MSB richten sich schwerpunktmäßig an Neuzuwanderer mit gesichertem Aufenthaltsrecht bis 3 Jahre nach der Einreise. Andere Zuwanderergruppen dürfen nur „im Rahmen freier Kapazitäten“ (MEB) oder „in konkreten migrationsspezifischen Krisensituationen“ (MSB) beraten werden. Im Übrigen soll an die Regeldienste verwiesen werden. Diese richten ihre Angebote regelmäßig jedoch noch nicht an den Bedürfnissen der EinwanderInnen aus.

60


6. Integrationskurse: In ländlichen Regionen besteht ein mangelhaftes Angebot an Integrationskursen, verbunden mit langen Wartezeiten. Integrationskurse für spezielle Zielgruppen gibt es meist gar nicht. Der Abschluss eines Integrationskurses reicht nicht aus, um sich erfolgreich am Arbeitsmarkt zu bewerben. Es fehlen - besonders im ländlichen Raum - Anschlussangebote durch die ARGEn 7. Kommunale Integrationskonzepte/kommunale Koordinierung von Integration: Hier gibt es kein einheitliches Bild im Lande. Eine kommunale Steuerung der Migrationsarbeit findet nur in Ausnahmefällen statt. Verbindliche kommunale Integrationskonzepte sind nicht vorhanden, Ansätze hierzu gibt es in den Städten Kiel, Lübeck und Neumünster. Voraussetzungen dazu sind: a) Der politische Wille zur Erarbeitung eines kommunalen Integrationskonzeptes muss vorhanden sein. b) Es muss ein Auftrag zur Umsetzung eines Konzeptes an die Verwaltung ergehen. c) Hierzu müssen Ressourcen innerhalb der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden d) Die Entwicklung eines Integrationskonzeptes muss unter Beteiligung aller Akteure (Kita, Schule, Gesundheitsversorgung, Migrantenselbstorganisationen, Migrationsfachdienste…) erfolgen. MitarbeiterInnen der Migrationsfachdienste sind in die verschiedenen Koordinierungsrunden der Migrationsarbeit und die Entwicklung kommunaler Integrationskonzepte eingebunden.

61


Stellungnahme der Ministerien

Norbert Scharbach Innenministerium

Mitschrift der mündlichen Stellungnahme des Innenminsteriums (vom Sprecher korrigiert, ergänzt und zum Abdruck freigegeben) gendlichen. Sofern die jungen Menschen aus der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) heraus nicht in die Nähe des Wohnortes von Vormündern verteilt werden können, verbleiben sie deshalb in der Zugeordneten Gemeinschaftsunterkunft Lübeck und werden nicht nach Neumünster verwiesen. Bei der Unterbringung wird aber – soweit es in unsere Zuständigkeit in der Erstaufnahmeeinrichtung fällt – sowohl auf das Alter des/der Jugendlichen, ebenso wie auf möglicherweise muttersprachliche und herkunftsstaatliche Besonderheiten Rücksicht genommen.

Leider lassen sich die Kollegen des Sozialministeriums aus der Jugendabteilung entschuldigen, was unglücklich ist, weil das Thema „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ natürlich – wie Frau Hartmann-Runge ja zu Recht gesagt hat – zu großen Teilen in deren Zuständigkeit fällt. Allerdings führen die Kreise und kreisfreien Städte diese Aufgabe als örtliche Jugendhilfeträger in eigener Verantwortung durch, das heißt, es gibt da nicht eine klassische Fachaufsicht durch die Ministerien, wie wir sie in vielen anderen Bereichen haben. Das macht die Sache nicht eben einfacher, weil Frau HartmannRunge gerade hier viele Defizite aufgezeigt hat, Ich freue mich darüber, dass Sie hier die Verantwortlichkeiten klar benannt haben. Es hilft den Betroffenen immer herzlich wenig, wenn Zuständigkeiten nicht klar werden. Wir sind mit den Kollegen der Jugendabteilung des Ministeriums im Gespräch darüber, dass es möglicherweise im Vollzug des § 42 SGB VIII die eine oder andere „Unwucht“ in den Kreisen gibt. Aber gestatten Sie mir, dass ich mich da zurückhalte, weil das nicht in meine Zuständigkeit fällt.

Weitere Forderungen, die sie formuliert haben, z. B. die nach einer Clearing-Stelle, sind uns nicht unbekannt. Manchmal sind Diskussionen zwischen den Ministerien langwierig, aber Sie können gewiss sein, dass wir dazu unsere Auffassungen haben. Die diskutieren wir dann nicht unbedingt in der Öffentlichkeit, sondern zwischen den Häusern. So ist das guter Brauch. Zum Thema „Diskriminierung“ bin ich nicht aufgerufen, etwas zu sagen. Wir bemühen uns natürlich, interkulturelle Kompetenz zu schaffen. Auch mit den Ausländerbehörden zusammen haben wir das in der Vergangenheit getan, die sind dann unsere Hauptklientel. Ich weiß auch, dass die eine oder andere Behörde selbst für Kompetenz in eigenem Interesse gesorgt hat, was sicherlich jeder Behörde gut anstünde.

Es spielt allerdings die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende eine Rolle und da haben Sie gesagt, dass dies eigentlich nicht vorgesehen ist oder dies rechtlich nicht möglich sei, wenn ich Sie da richtig im Ohr habe. Das ist nicht ganz richtig, sondern es muss vorgeschaltet die Inobhutnahme des örtlich zuständigen Jugendamtes geben und wenn die sagen, die Voraussetzung für eine Inobhutnahme liegen nicht vor oder sie sagen, die Inobhutnahme kann von uns aus beendet werden, weil es keinen Bedarf für weitere Gewährung von Jugendhilfemaßnahmen gibt, dann allerdings kann auch eine Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen. Und das ist in diesem Jahr auch passiert. In den ersten neun Monaten waren es 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren, die in unserer Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen worden sind. Dort erfolgt die Betreuung durch den Arbeitersamariterbund, der die gesamte Betreuung in der Landesunterkunft in Lübeck übernimmt. Eine Betreuerin kümmert sich dort schwerpunktmäßig um die Ju-

Das kann und sollte auch verstärkt werden, weil uns natürlich die Aspekte, die Sie berichtet haben, Frau Gruber, nicht verborgen bleiben. Das Thema „Anti-Diskriminierungsstelle“ ist ja eines, das beileibe nicht nur Migrantinnen und Migranten erfasst, sondern viele andere Personengruppen auch. Insofern ist so etwas wie eine Anti-Diskriminierungsstelle wie sie ja in anderen Bereichen, anderen Ländern, in anderen Staaten besteht, in der Tat etwas, worüber man nachdenken sollte. Herr Falterbaum hat noch einmal das Thema „Integrationskurse“ angesprochen. Ich würde gerne mit einem möglicher-

62


Dieser Zustand ist bei weitem überwunden. Es sind sechs Jahre vergangen, das ist in der Politik manchmal viel, manchmal wenig. In diesem Falle muss man sagen, dass die Mitarbeit der Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände an der Erarbeitung des „Nationalen Integrationsplanes“ schon bemerkenswert ist. Die kommunale Verantwortung ist noch nicht überall angekommen, das muss man konstatieren. Auch wenn man sich hier im Raume umschaut, dann sind nur einige wenige kommunale Vertreter da.

weise vorhandenen Missverständnis gleich am Anfang aufräumen. Denn in Ihrer Stellungnahme haben Sie, Herr Falterbaum, von drei staatlichen Programmen zur Integrationsförderung gesprochen. Das wäre ein bisschen wenig, wenn wir nur drei staatliche Programme hätten. Sie nannten die klassische Integrations- und Sozialberatung, wie sie in der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) auch zuförderst bedient wird. Wenn wir aber vom „Nationalen Integrationsplan“ ausgehen, dann haben wir zwölf Handlungsfelder und nicht nur die Beratung. In meiner Abteilung im Innenministerium liegt z.B. der große Bereich der Städtebauförderung. Eines der wesentlichen Felder der Städtebauförderung ist das Thema „Soziale Stadt“. Das ist ein gesondertes Förderthema, bei dem fast an erster Stelle Migrantinnen und Migranten stehen. Integrationsförderung ist deutlich mehr als klassische Beratungsförderung. Für sie tun alle heute vertretenen Ministerien eine ganze Menge.

Herr Falterbaum, Sie haben die Integrationskurse angesprochen. Wir haben in Schleswig-Holstein im Jahr 2007 über 1.900 Altzuwanderer und 1.150 Neuzuwanderer mit einer Teilnahmeberechtigung versehen. Das sind die Zahlen ohne die Spätaussiedler. Im ersten Halbjahr 2008 ist es ähnlich weiter gegangen. Wenn Sie sich diese Zahlen anschauen, sehen Sie, dass die Schere bei weitem nicht so weit auseinander klafft, wie gerne kritisch bemerkt worden ist. Kritisiert wird, dass sich eine Integrationsförderung immer nur an die Neuzuwanderer wenden würde, aber das ist in SchleswigHolstein nicht der Fall. Bei uns sieht es ein bisschen anders aus.

Sie haben manche Defizite in den Kommunen zu Recht angesprochen. Ich habe es heute Morgen ja auch schon gesagt: Wir sind da dran. Wir wollen kommunale Projekte zur Stärkung der Integrationsarbeit ab dem Sommer 2009 fördern. Man darf aber auch positive Beispiele nennen. Ich glaube, Sie haben nicht ganz vollständig benannt, wo es kommunale Konzepte gibt. Immerhin hat der Kreis Pinneberg jetzt gerade das Thema „Integration“ als strategisches Ziel ausgerufen und unterlegt dieses auch mit Maßnahmen. Das sind kleine Schritte, die aber bei diesem Thema einen gewissen Wettbewerb der Kommunen untereinander auslösen. Wir erwarten nun schon, dass sich auch andere Kreise an Pinneberg orientieren. Elmshorn hat als Kommune auch sehr viel getan und insofern glaube ich, dass diese guten Beispiele für andere ein Ansporn sind. Frau Dr. Müller hat in ihrer Moderation gesagt, „best practice“ wäre gut. Die Bertelsmann Stiftung hat eine solche „best practice“-Sammlung gemacht. Wir machen sie übrigens auch für den „Nationalen Integrationsplan“. Der Evaluationsbericht, den wir jetzt als Länder auch an die Bundesregierung gerichtet haben, ist faktisch eine Sammlung von „best practice“-Beispielen in allen zwölf Handlungsfeldern. Schleswig-Holstein hat da reichlich Informationen geliefert, und es gibt eine Arbeitsgruppe auf kommunaler Ebene, die genau diese guten Beispiele und diese Initialwirkung weiter fördern soll. Das ist ein weiter Weg, der da zurückgelegt worden ist. Als wir noch 2002 das Integrationskonzept des Landes aufgelegt haben, sagten kommunale Vertreter, sie wüssten eigentlich gar nicht, wieso sie mit am Tische sitzen. Wir sollen mal sagen, wie viel Geld wir bereit sind dafür zu geben, denn Integration sei eine Landesaufgabe und keine kommunale Aufgabe.

Ich muss Ihnen dabei Recht geben, dass in einem Flächenland zielgruppenspezifische Integrationskurse relativ schwierig zu gestalten sind. Das ist sicherlich in Stadtstaaten anders, leichter, besser. Die Nachteile, die Menschen in Notlagen auf dem flachen Land haben, sind sicherlich auch bei Migranten und Integrationskursbedürftigen zu sehen. Wir haben im Jahr 2007 200 neue Integrationskurse etabliert, davon waren nur 34 Integrationskurse mit Alphabetisierung, 15 Frauenintegrationskurse und zwei Jugendintegrationskurse. In dieser Spezifizierung kann man sicherlich nachbessern, aber das ist bei der Bedarfssituation in einem Flächenland nicht ganz einfach. Wir glauben, dass es in allen Kreisen grundsätzlich gut läuft. In Schleswig-Flensburg sollte es etwas besser sein, da haben wir nur einen Standort im gesamten Kreisgebiet, das ist sicherlich zu wenig. Übrigens werden Fahrtkosten von ausländischen ALG II-Empfängern zur Teilnahme an den Integrationskursen vom BAMF erstattet beziehungsweise bezuschusst. Das BAMF finanziert auch Kinderbetreuung, eingeschränkt bei allgemeinen und standardmäßig bei zielgruppenspezifischen Integrationskursen. Berufsbezogene Sprachförderung kann seit Ende 2007 nicht mehr über die ARGEN finanziert werden. Das hat das Bundesarbeitsministerium leider untersagt, und daher haben wir in Schleswig-Holstein eine Förderlücke. Das muss man so nüchtern sehen. Da haben wir noch keinen neuen Wettbewerbsaufruf starten können.

63


Das sind nun glaube ich alle Themen gewesen, die vom Innenministerium aus zu betrachten sind. Die Migrationssozialberatung insgesamt, die in der Tat vor zwei Jahren ja einer Kürzung unterzogen worden ist, wird vom Innenministerium mit 35 Stellen und mit immerhin knapp 1,6 Mio. EUR bezuschusst. Das ist nicht so wenig, wenn Sie sich sonstige Leistungen im Sozialbereich ansehen. Wir wissen, dass wir in einem harten Wettbewerb der Mittelvergabe stehen, und da wird sehr genau geguckt, wie diese Steuergelder verwendet werden. Das wird hier im Finanz- und im Innenausschuss getan, das wird durch Rechnungsprüfung getan, und deswegen müssen wir da sehr genaue Nachweise erbringen. Deswegen brauchen wir auch Statistiken und Berichte. Wir werden dazu auch immer wieder aufgefordert, das ist uns manchmal auch lästig. Deswegen haben wir ein Controllingkonzept gemacht, das glaube ich, sehr gut ist. Es ist schon deswegen gut, weil es mit Ihnen zusammen erarbeitet worden ist und auch Ihre Zustimmung gefunden hat. Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut. Vielen Dank!

64


Abschrift der mündlichen Stellungnahme der CDU (vom Sprecher zum Abdruck freigegeben) Vielen Dank Frau Müller, dass ich hier anfangen darf. Ich habe mich entschlossen, mein vorbereitetes Manuskript zur Seite zu legen, nachdem ich heute den größten Teil des Tages an dieser Veranstaltung teilgenommen habe und - wie es sich meiner Meinung nach für einen Politiker auch gehört - zugehört habe.

werden nicht alle überzeugen können, wir werden nicht alle mitnehmen können, es wird immer wieder negative Punkte geben. Es gibt Diskrepanzen, es gibt Fälle, die vielleicht auch für den Einzelnen sehr bedenklich erscheinen, aber wir haben Instrumente, auch im parlamentarischen Raum, die es möglich machen, derartiges an die Öffentlichkeit zu bringen.

Daher möchte ich mit etwas anfangen, was mir eben gerade negativ aufgestoßen ist. Zu sagen „wir sind ein Bundesland der Ausgrenzung“, das kann ich nicht vertreten. Das kann ich auch nicht verstehen und das ist auch nicht mein Fazit des heutigen Tages. Mein Fazit des heutigen Tages ist eigentlich, dass wir uns hier mit vielen Schattierungen und Details von Migration und Integration auseinandergesetzt haben. Wir haben sehr interessante, sehr aufschlussreiche Vorträge gehört. Wir haben aber auch, und das möchte ich ausdrücklich unterstreichen, eine sehr sachliche Kommentierung erfahren durch die VertreterInnen der Ministerien. Ich muss sagen, es ist nicht das erste Mal, dass wir uns hier in diesem Gebäude, in dieser Legislaturperiode, zu diesem Thema unterhalten. Zwar ist es nun ein ganz anderer Zuhörerkreis, aber der Landtag beschäftigt sich in unregelmäßigen Abständen, trotzdem sehr häufig, mit Themen, die in den Bereich der Migration und der Integration hinein spielen. Mein Fazit aus all diesen Veranstaltungen und all diesen Diskussionen ist: Wir sind in Schleswig-Holstein auf einem sehr guten Wege.

Ich glaube, gerade in dieser Legislaturperiode hat sich der Landtag sehr ausführlich mit dem Thema der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge befasst. Das Fazit aus diesen Diskussionen war, dass wir erstens seit Jahren einen Rückgang in diesem Bereich haben, was die Fallzahlen betrifft. Und zweitens hat sich zu dem, was ich hier gehört habe über das Thema Abschiebehaft, nach dem Nachhaken im Ausschuss erwiesen, dass es sich in den beiden Fällen, die in Rede standen, nicht um Minderjährige handelte, sondern nur um scheinbar Minderjährige, die inzwischen das Erwachsenenalter erreicht hatten, sich aber als Minderjährige ausgegeben haben. Sie sehen an diesem kleinen Beispiel, dass man doch sehr vorsichtig mit dieser Materie umgehen sollte und sich vor allen Dingen nicht von Vorurteilen leiten lassen sollte. Ihnen, denjenigen die als MigrantInnen hier unter uns leben oder besser gesagt mit uns leben, möchte ich Mut machen, da Sie für meine Begriffe zunehmend bessere Chancen haben. Denn wir sind ein Land mit einer rückläufigen Gesamtbevölkerung, das heißt Wirtschaft und Arbeitsmarkt werden zunehmend auch auf MigrantInnen angewiesen sein. Hier möchte ich Ihnen aus meiner eigenen beruflichen Praxis im Bereich der Informationstechnologie sagen, wir kennen MigrantInnenprobleme oder Integrationsprobleme, was die Herkunft des Einzelnen oder der Einzelnen betrifft, schon seit Jahrzehnten überhaupt nicht. Hier zählt, was der Einzelne leistet und wie er oder sie sich im Team verhält. Und das heißt, wenn die Bereitschaft da ist, dann lässt sich in der Regel auch ein Weg finden. Ich glaube, dass das auch auf weitere Bereiche der Wirtschaft ausstrahlen wird. Ansonsten kann ich Ihnen hier - sicherlich auch im Namen meiner KollegInnen - die Gewähr geben, dass sich das Parlament hier im Lande

Wir sind nicht überall perfekt, aber es gibt gute Ansätze, es gibt gute Beispiele und es gibt schon sehr gute Verfahren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Instrumente, die uns heute zur Verfügung stehen und die vor allen Dingen den Verwaltungsbereichen zur Verfügung stehen, auch zu einem gemeinsamen Erfolg führen können, wenn sie gut genutzt werden. Dass Migration oder Integration nicht von heute auf morgen zu lösen sind, wissen wir alle. Und insofern möchte ich Ihnen hier auch ein wenig Mut machen. Integration ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und an dem müssen wir alle arbeiten. Das können wir, glaube ich, im Wesentlichen dadurch, dass wir mit einem guten Beispiel vorangehen. Wir

65

Stellungnahmen aus den Landtagsfraktionen

Wilfried Wengler CDU Landtagsfraktion


Schleswig-Holstein mit dieser Thematik regelmäßig auseinander setzen wird, wenn es angebracht ist, und gemeinsam mit Ihnen Lösungen suchen wird, die sich bei Anhörungen bereits recht häufig abzeichnen. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie heute hier waren und so geduldig zugehört haben, und wünsche Ihnen noch eine interessante Abschlussdiskussion des heutigen Tages. Vielen Dank.

66


Abschrift der mündlichen Stellungnahme der SPD (vom Sprecher zum Abdruck freigegeben) Flüchtlingsbeauftragten, lieber Wulf, möchte ich mich auch an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion ausdrücklich bedanken. Der Erlass betont, dass Zweck der Abschiebungshaft stets nur die Sicherung des Vollzugs einer rechtlich gebotenen Ausweisung oder Abschiebung sein kann und darf, und dass die Abschiebungshaft weder Straf- noch Beugecharakter besitzt, sondern unter dem strengen Gebot der Verhältnismäßigkeit steht und sich des mildest möglichen Mittels zur Sicherung des Vollzugs in jedem Einzelfall zu bedienen hat. Bei schwangeren Frauen ist die bestehende Schwangerschaft besonders zu berücksichtigen, bei Müttern mit Kindern unter 10 Jahren sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren ist von Abschiebungshaft abzusehen. Bei Familien mit Kindern ist zu vermeiden, dass beide Elternteile gleichzeitig in Abschiebungshaft genommen werden. Bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren darf ein Haftantrag in Abstimmung mit der zuständigen Jugendbehörde nur gestellt werden, wenn die Haft zur Sicherung der rechtlich gebotenen Abschiebung unabdingbar erscheint. Beachtlichen Vorträgen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen muss in jedem Stadium der Abschiebung nachgegangen werden. Das gilt auch und insbesondere für die ärztliche Begutachtung traumatisierter Flüchtlinge.

Meine Damen und Herren, auch ich möchte mich bedanken für die Einladung. Ich finde es schön, dass so eine Veranstaltung zustande gekommen ist. Ich hatte nicht die Gelegenheit, den ganzen Vormittag und frühen Nachmittag hier zuzuhören, habe aber aufmerksam gelesen. Auch das finde ich gut und will es ausdrücklich sagen, dass die hier vorgetragenen Statements uns in schriftlicher Form vorher zugegangen sind, so dass man sich inhaltlich auch im Vorhinein auseinander setzen konnte. Nun will ich in einigen Stichworten für die SPD-Landtagsfraktion einige Grundpositionen zur Ausländerpolitik aus unserer Sicht vortragen. Erstes Stichwort: Abschiebung Für die SPD-Landtagsfraktion stehen in der Flüchtlingspolitik generell der humanitäre Aspekt und die Menschenwürde im Vordergrund. Das bedeutet für uns, dass bei der Umsetzung des Aufenthaltsrechts selbstverständlich die Rechtsvorschriften einzuhalten sind, dabei jedoch rechtliche Spielräume zugunsten der betroffenen Menschen ausgenutzt werden müssen. Dies gilt umso mehr, je stärker die Flüchtlinge in ihrer körperlichen Unversehrtheit und in ihrer persönlichen Freiheit betroffen sind. Das ist ja am stärksten der Fall, wenn kranke Menschen zur Vorbereitung ihrer Abschiebung in Haft genommen werden. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung und speziell die zuständigen Ministerien im Verhältnis zu den vollziehenden Behörden die Erkenntnisse aus obergerichtlichen Urteilen zur Abschiebungshaft nutzen und innerhalb des vorgegebenen, meist ja bundesrechtlichen Rahmens - darauf ist heute morgen ja auch mehrfach hingewiesen worden - insbesondere für traumatisierte Flüchtlinge angemessene, verhältnismäßige und menschenwürdige behördliche Entscheidungen sicher stellen. Die einschlägige Rechtsprechung spiegelt sich im aktuellen Erlass zur Durchführung der Abschiebungshaft wider, den der Innenminister für die Ausländerbehörden am 25. Februar dieses Jahres herausgegeben hat. Anlass für den Erlass waren nicht nur Änderungen im Bundesrecht, sondern auch kritische Anmerkungen unseres Flüchtlingsbeauftragten Wulf Jöhnk zur Verwaltungspraxis in Schleswig-Holstein. Für das Engagement des

Stichwort zwei: Einbürgerung Es gab Anfang des Jahres im Landtag einen Antrag der Oppositionsfraktionen auf Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, den wir leider ablehnen mussten, obwohl er in Text und Begründung exakt die Grundposition der SPD-Landtagsfraktion wider gibt. Mit dem Antrag wurde, auf Änderung dringend, kritisiert, dass das derzeitige deutsche Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeit nur in Ausnahmefällen vorsieht, und dass Kinder ausländischer Eltern, die durch Geburt in Deutschland auch die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, sich nach Vollendung des 18. Lebensjahres entweder für die deutsche oder die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden müssen. Wir teilen die Auffassung, dass dieses sogenannte Optionsmodell mit der Verpflichtung zur ausschließlich einseitigen

67

Stellungnahmen aus den Landtagsfraktionen

Klaus-Peter Puls SPD Landtagsfraktion


serer Sozialsysteme ist faktisch nicht zu belegen. Die im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Schleswig-Holsteins verschwindend geringe Zahl von rund 2.500 geduldeten Personen lässt soziale Verwerfung auch nicht ansatzweise befürchten.

Orientierung bei Erreichen der Volljährigkeit der Lebenswirklichkeit nicht entspricht. Ich selbst kenne persönlich viele Menschen mit Migrationshintergrund, die sich sowohl als Bürger unseres Staates sehen, in dem sie seit ihrer Geburt leben, sich aber auch und gleichermaßen als Teil der Herkunftsgesellschaft ihrer Eltern und Großeltern fühlen. Es kann meines Erachtens nicht angehen, dass wir den zu uns kommenden ausländischen Menschen zumuten, ihre kulturelle Identität an der deutschen Garderobe abzugeben. Als SPD setzen wir uns auf Landes- und auf Bundesebene für eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ohne ideologische Vorbehalte ein. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es in den Regierungsfraktionen von CDU und SPD nicht nur auf Bundesebene, sondern auch hier in Schleswig-Holstein, gerade in der Ausländerpolitik, nicht nur deckungsgleiche Grundpositionen gibt. In einer Koalition ist es naturgemäß nicht möglich, dass jede der beteiligten Parteien und Fraktionen jeweils komplett ihre eigenen Positionen in konkrete Politik umsetzt. Es ist uns leider deshalb in diesem Fall des Oppositionsantrages nicht gelungen, die CDU-Fraktion von dem guten integrationspolitischen Ansatz zu überzeugen.

Viertes und letztes Stichwort: Integration allgemein und im Einzelfall Wir begrüßen, dass sich - auch hier unter entscheidender Mitwirkung des schleswig-holsteinischen Innenministers 2007 erstmals der Bund und alle 16 Bundesländer auf gemeinsame Ziele und konkrete Handlungsschwerpunkte in Form eines nationalen Integrationsplans verständigt haben. Vielversprechende Ansätze zur Umsetzung des Plans finden sich im aktuellen Integrationskonzept der schleswig-holsteinischen Landesregierung wieder. Die schon vorhandenen konkreten Angebote bedürfen weiterer praktischer Erprobung und angemessener finanzieller Ausstattung, allerdings nicht nur des Landes auch darauf ist hier hingewiesen worden, sondern auch der Städte und Gemeinden, damit Integrationsförderung nicht nur in wenigen zentralen Orten, sondern dezentral und flächendeckend überall da stattfinden kann, wo die Menschen mit ihren Familien leben.

Drittes Stichwort: Bleiberecht Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt, dass unter Mitwirkung des schleswig-holsteinischen Innenministers im März 2007 endlich ein Bleiberechtskompromiss auf Bundesebene zu Stande gekommen ist. Der Übergang von der Kettenduldung zum befristeten Probeaufenthalt bis Ende 2009 unter bestimmten eingeschränkten Voraussetzungen ist allerdings noch keine qualitative Verbesserung aus unserer Sicht, denn die Befristung soll nicht zur Galgenfrist werden. 2009 ist ja nicht mehr allzu weit, es muss der allgemeine Arbeitsmarkt aus unserer Sicht für nur geduldete ausländische Menschen dauerhaft und ohne Wenn und Aber geöffnet werden. Eine dauerhafte nachhaltige Bleiberechtsregelung des Bundes bleibt überfällig. Als SPD-Fraktion werden wir deshalb weiterhin inner- und außerparlamentarisch unsere Position deutlich machen. Wir unterstützen die Forderung nach einer unbürokratischen, großzügigen Bleiberechtsregelung, nach einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe für langjährig geduldete Flüchtlinge ohne Einschränkung und wir hoffen, dass das Aufenthaltsgesetz des Bundes in absehbarer Zeit zumindest einige weitere Verbesserungen bringt. Es ist nicht einzusehen, warum Menschen ausländischer Herkunft, die seit Jahren bei uns leben und die längst integriert sind, kein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten sollen. Die auch in Schleswig-Holstein tendenziell vorhandene Furcht auch mancher Kollegen und Kolleginnen im Landtag vor übermäßiger Zuwanderung und unzumutbarer Belastung un-

Was erwarten wir darüber hinaus, worauf wollen wir als SPD Schleswig-Holstein hinwirken? Ich nenne fünf abschließende Punkte: 1. Da nicht abzusehen ist, ob und wann notwendige Verbesserungen im Aufenthaltsgesetz des Bundes erfolgen und in Kraft treten werden, erwarten wir, dass landesseitig wenigstens die im Gesetz schon vorhandenen begrenzten Möglichkeiten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen nicht restriktiv, sondern ausländerfreundlich angewendet werden. 2. Wir gehen davon aus, dass der schleswig-holsteinische Innenminister weiterhin in möglichst vielen Einzelfällen von der sogenannten Härtefallregelung in § 23a Aufenthaltsgesetz Gebrauch machen wird, zumal diese Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für bestimmte Personen auf jahrelanges Betreiben früherer SPD-Innenminister, begleitet von der SPD-Landtagsfraktion, am 1.1.2005 endlich Niederschlag im Bundesgesetz gefunden hat. 3. Wir erwarten, dass auch durch untergesetzliche Verfahren wirksame Schritte unternommen werden, um die Situation der bei uns lediglich geduldeten Flüchtlinge zu verbessern. Wir ermuntern den Innenminister ausdrücklich, durch konkrete Erlasse und notfalls Weisungen dar-

68


auf hinzuwirken, die Praxis der schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden zu vereinheitlichen und die Entscheidungsbereitschaft der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken. 4. Im Hinblick auf die gravierende Änderung der quantitativen Rahmenbedingungen, insbesondere die seit Jahren deutlich zurückgehenden Asylbewerberzahlen, würden wir uns wünschen, dass die Entscheidungen aller schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden, soweit Ermessensspielraum vorhanden ist, nicht durch auch dort hin und wieder vorhandene latente Abwehrmechanismen, sondern durch Zuwendung und Aufnahmebereitschaft geprägt sind. 5. Als SPD Landtagsfraktion werden wir weiter darauf hinwirken, dass sich auch in der öffentlichen Meinung und im Bewusstsein der Bevölkerung die Überzeugung durchsetzt: Ausländer sind keine Sicherheitsrisiken, sondern schutz-, wohnungs- und arbeitssuchende Mitmenschen, denen wir Respekt, Hilfe und Unterstützung schulden. Ich danke Ihnen.

69


Stellungnahmen aus den Landtagsfraktionen

Günther Hildebrandt FDP Landtagsfraktion

Abschrift der mündlichen Stellungnahme der FDP (vom Sprecher zum Abdruck freigegeben) diesem Thema sprach Bände. Auf einer Grundlage, die die lösungsbedürftigen Probleme im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen schlicht ausblendete, versicherte der ehemalige Innenminister Stegner sein Mitgefühl gerade mit diesen Flüchtlingen. Alle Kritik, die 16- und 17jährigen ausländerrechtlich wie erwachsene Flüchtlinge zu behandeln, prallten indessen an ihm und den Regierungsfraktionen ab. Dabei sind die Argumente wahrlich überzeugend. Der Konflikt zwischen ausländerrechtlichen und jugendrechtlichen Gesetzesbestimmungen im Sinne des Jugendschutzes muss hier gelöst werden. Der Flüchtlingsbeauftragte hat das seiner Zeit bereits eindrucksvoll im Ausschuss vorgetragen. Meine Damen und Herren, unbegleitete minderjährige, 16bis 17jährige Flüchtlinge sind grundsätzlich in einer geeigneten Einrichtung mit qualifizierter Betreuung in Obhut zu nehmen. Von einer Einweisung in eine Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung ist abzusehen. Die Durchführung der Abschiebungshaft ist auszuschließen.

Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Veranstaltung und für die Einladung. Ich hatte heute morgen eine Zeit lang die Gelegenheit, dieser Veranstaltung beizuwohnen, und stelle nun also fest, dass sich in meinem Manuskript, das ich mitgebracht habe, und aus dem ich auch vortragen werde, doch einige Punkte hier wieder finden, die im Laufe dieser Veranstaltung angesprochen worden sind. Was muss ein Flüchtling eigentlich alles ertragen? Noch dazu in einem Rechtsstaat, einem Staat, in dem die Würde des Menschen unantastbar und die Freiheit der Person unverletzlich ist? Das ist aus meiner Sicht die eigentliche Frage, um die sich die verschiedenen Diskussionspunkte drehen, die im Laufe des heutigen Tages behandelt wurden. Gleich mehrfach haben Herr Jöhnk und der Flüchtlingsrat das Parlament auf verschiedene unzureichende und zum Teil auch rechtsstaatlich bedenkliche Vorfälle in der täglichen Praxis mit Flüchtlingen und Ausländern aufmerksam gemacht. Vorfälle, bei denen die humanitären Rechte der Betroffenen auf der Strecke bleiben. Entstanden sind aus diesen Anregungen parlamentarische Initiativen der Opposition, bestehend aus meiner Partei, den Grünen und dem SSW, die sich bei diesen Fragen einig in der Zielrichtung waren und deshalb entsprechend gemeinsame Initiativen gestartet haben. So wurden parlamentarische Initiativen zu den Themen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, ärztliche Begutachtung von traumatisierten ausreisepflichtigen Personen, Durchführung der Abschiebungshaft und auch zum Staatsangehörigkeitsrecht eingebracht. Diese sind allerdings in Gänze am Widerstand der Regierungsfraktionen von CDU und SPD gescheitert. Herr Puls hat vorhin angedeutet, worauf das möglicherweise zurückzuführen ist. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass wir eine parlamentarische Mehrheit dafür hatten, aber andere Dinge, bzw. Verpflichtungen diese Mehrheit verhindert haben.

Thema und Antrag: ärztliche Begutachtung von traumatisierten ausreisepflichtigen Personen Hintergrund dieses Antrages ist der verwaltungsrechtliche Ablauf im Verfahren zur Prüfung der Flugreisetauglichkeit ausreisepflichtiger Ausländer im Kreis Pinneberg. Ich habe damals schon in Vertretung für meinen Fraktionsvorsitzenden, der eigentlich für dieses Thema zuständig ist, an einer entsprechenden Anhörung im Ausschuss teilgenommen. Sie waren ja seinerzeit auch da und haben die Fälle entsprechend geschildert, die ja auch heute morgen kurz angesprochen worden sind. Ich komme ja selber aus dem Kreis Pinneberg. Auch hier machte uns seinerzeit der Flüchtlingsbeauftragte, unterstützt durch den Diakonieverein Pinneberg, darauf aufmerksam, dass ganz offensichtlich nicht alle schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden mit traumatisierten Flüchtlingen, also psychisch kranken Menschen, angemessen umgehen. Im Kreis Pinneberg hatte es für uns den Anschein, dass die Ausländerbehörde sogar bewusst auf besondere psychologische Begutachtung verzichtete und sich stattdessen mit ärztlichen Stellungnahmen begnügte, die

Ich möchte hierzu kurz Stellung nehmen: Thema und Antrag: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Bereits die Debatte über den Bericht der Landesregierung zu

70


bel. Denn sie ignorieren, dass in unserem Rechtsstaat nur unter genau bestimmten engen Voraussetzungen in die Freiheit einer Person eingegriffen werden darf. Und diese Voraussetzungen bestimmt der Gesetzgeber.

eine schnellere Abschiebung ermöglichten oder gewährleisteten. Kritik vom Innenministerium dazu gibt es keine, schließlich bleibt die Form stets gewahrt. Nur die oder der Abzuschiebende bleibt irgendwo auf der Strecke. Auf der Strecke, auf der die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse und inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse solange hin- und hergeschoben werden, bis die Strecke für die Betroffenen zur Sackgasse wird, die, sobald bekannt gemacht, für alle ausreisepflichtigen Personen in einem krankhaften Zustand endet. Dabei trägt der maßgebliche Erlass des Innenministeriums ausdrücklich dem Umstand Rechnung, dass für einen traumatisierten Menschen die amtlich festgestellte Abschiebung zu einer starken Verschlechterung der Gesundheit führen und einen psychischen Zusammenbruch mit lebensbedrohlichen Konsequenzen hervorrufen kann. Auch dies ist hier heute morgen angesprochen worden. Das soll heißen, die amtlich festgestellte Abschiebung kann zu einer Verschlimmerung der Krankheit im Inland führen. Das kann Auswirkungen auf die Reisefähigkeit im weiteren Sinn haben und damit auch zu einem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis werden. Das wiederum wäre von der Ausländerbehörde festzustellen, erfordert aber eine psychologisch / psychiatrisch fachärztliche Untersuchung. Genau genommen zielte der Antrag der Opposition daher auf nicht mehr, als dass der Erlass des Innenministeriums auch in Pinneberg angewendet wird. Und dazu gehört, dass bei einer schlüssig vorgetragenen posttraumatischen Belastungsstörung eine fachärztliche Untersuchung vorgenommen wird, also von einer Ärztin oder einem Arzt mit den entsprechenden Fähigkeiten und mit der entsprechenden Qualifikation. Ebenso gehört für uns dazu, dass die ausreisepflichtige Person eine Vertrauensperson mit zu den ärztlichen Untersuchungen zur Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung mitnehmen darf. Allein aus humanitären Gründen sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, eine traumatisierte, psychisch kranke Person nicht allein dieser Situation auszusetzen. Der Arzt mag sich dann gerne auf seine Therapiefreiheit berufen, falls er für die konkrete Untersuchung mit seinem Patienten alleine sein will. Ich komme damit zum Thema Durchführung der Abschiebungshaft. Seit Jahren üben Fachleute und Rechtsprechung heftige Kritik an den gesetzlichen Grundlagen über die Anordnung der Abschiebungshaft, vornehmlich der Sicherungshaft. Der Flüchtlingsbeauftragte Jöhnk bezeichnete sie kurzerhand als „gesetzgeberischen Murks“. Leider hat sich daran auch in der letzten Änderung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union nichts geändert. Nach wie vor sind die gesetzlichen Grundlagen für die Anordnung der Abschiebungshaft unzureichend und aus rechtsstaatlichen Gründen nicht akzepta-

Ich will noch etwas zum Staatsangehörigkeitsrecht sagen. Wir konnten der CDU anscheinend nicht deutlich machen, dass das Leben bunt ist, dass sich Identität nicht auf schwarz und weiß reduzieren lässt und wir in Deutschland jedenfalls dann zumindest Graustufen beim Staatsangehörigkeitsrecht zulassen sollten. Vorhin hat schon mein Kollege Herr Puls auf unseren Antrag der Opposistionsfraktionen hingewiesen. Ich kann nur sagen, dem kann ich weiter nicht viel hinzufügen. Ein weiterer Punkt wäre jetzt noch der Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, aber vielleicht ergibt sich das nachher in der Diskussion. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

71


Stellungnahmen aus den Landtagsfraktionen

Angelika Birk Bündnis 90 / Die Grünen

Abschrift der mündlichen Stellungnahme von Bündnis 90 / Die Grünen (von der Sprecherin zum Abdruck freigegeben) Genau dieses Beratungsnetz hat in den letzten Jahren einen empfindlichen Einschnitt erfahren. Wir GRÜNEN haben uns mit Herrn Scharbach in unserer Fraktion kontrovers auseinander gesetzt. Er konnte uns nachweisen, an welchen Stellen neue Beratungskapazitäten aufgebaut worden sind. Aber gerade als Lübeckerin kann ich sagen: es ist spürbar, dass die Akzente seit den Kürzungen in Lübeck in der Erstberatung anders gesetzt wurden und dass wichtige Fachleute und BündnispartnerInnen, gerade wenn es um die Beratung von Flüchtlingen geht, nicht mehr in dem Ausmaß bezahlt arbeiten können, wie bisher. Sie tun manches ehrenamtlich trotzdem noch, aber es ist natürlich ein Unterschied, ob man das beruflich machen kann oder nicht, einfach von den engen Zeitkapazitäten und den sonstigen Ressourcen her. Insofern ist das ein heftiger Auseinandersetzungspunkt in den letzten Jahren bei den Haushaltsberatungen gewesen. Mir ist neulich bei einer Anhörung des Bundesamtes deutlich geworden, dass jetzt gerade dieses Bundesamt, was sonst für Abschiebungen und dergleichen zuständig ist, nun jetzt für Integration die Feder führt. Und das natürlich das Bundesamt hier sichtbar oder unsichtbar seine „Terms of trade“, wenn ich das mal so sagen darf, setzt. Es ist nun mit zuständig für die Genehmigung von Anträgen, die zur Integration führen sollen, für das ganze Prozedere der hohen Auflagen, die zur Einbürgerung führen, aber auch die Bürokratie und die Kompliziertheit, die viele gewachsene Strukturen der Integrationskurse in den Kommunen zerstört hat, die nun wieder neu aufgebaut werden mussten. Das kritisieren wir sehr und hier müssen wir wirklich Mittel und Wege finden, um diese Enteignung wieder ein Stück rückgängig zu machen und diese Bundesmittel tatsächlich nutzbar zu machen. So dass sie als Netzwerkverstärkung und nicht als Netzwerkverhinderung funktionieren. Ganz konkret können wir dies nun an der Auseinandersetzung um den Integrationsplan und um das hiesige Integrationskonzept in diesem Land führen. Wir haben es in der nächsten Landtagssitzung Mitte November auf der Tagesordnung. Unsere Fraktion hat in der Regierungszeit das Integrationskonzept massiv eingefordert. Es haben viele von Ihnen vor Ort daran mitgearbeitet, so dass es sowohl von oben wie auch von

Einen schönen guten Tag, ich darf als erstes Karl Martin Hentschel entschuldigen. Er ist vor einigen Wochen lebensgefährlich gestürzt, befindet sich aber glücklicherweise auf dem Weg der Besserung und lässt alle herzlich grüßen. Deshalb bin ich jetzt hier und heute Morgen war unsere innen- und rechtspolitische Referentin, Naomi Imanishi, hier und hat sehr viel mitgeschrieben. Und ich konnte auch gerade die ausgezeichnete Zusammenfassung zum Reinhören in das Thema zur Kenntnis nehmen. Ich möchte jetzt auf die Dinge eingehen, die jetzt bisher noch nicht zur Sprache kamen. Was die Opposition gemeinsam im Landtag auf die Beine gestellt hat, hat hier schon reichlich Platz gefunden. Und das ist auch richtig so. Ohne unsere Anträge aus der Opposition würde nämlich nicht so häufig im Landtag über die Situation von MigrantInnen und Flüchtlingen gesprochen werden, Herr Wengler. Bei den GRÜNEN ist für die ganze Fraktion das Thema Integration, Gleichberechtigung von MigrantInnen und Flüchtlingen ein zentrales Anliegen. Ich darf an dieser Stelle auch im Namen meiner Fraktion all denjenigen, die hier sind, und denjenigen, die hinter ihnen stehen, die heute nicht hier sein können, danken. Ohne ein solches Netz, das ja nun seit Jahren trotz aller Rückschläge und Widrigkeiten beharrlich jeden Zentimeter von Rechten und besserer Lebenswirklichkeit von Flüchtlingen und MigrantInnen verteidigt, wären wir in Schleswig-Holstein nicht so weit. Das sage ich auch als jemand, die schon die rot-grüne Regierung miterlebt und mitgestaltet hat. Es ist gut, wenn eine Regierung Initiativen von unten aufgreift und auch gegen den Widerstand anderer Bundesländer verteidigt. Aber ohne ein solches Netz würde das Alles graues Papier bleiben. Und ohne ein solches Netz würden wir auch über die Verstöße nichts erfahren. Und das hat meine Hochachtung, und nicht nur meine, sondern auch die unserer Fraktion, denn wir wissen, viele von Ihnen werden für diese große Arbeit absolut unangemessen oder gar nicht bezahlt. Ich darf deswegen auch als erstes über einen Aspekt Ihrer Arbeit sprechen, der hier noch nicht zur Sprache kam.

72


merhin Bündnispartner gefunden im Parlament. Einige Spiegelstriche unseres Antrags, insbesondere, dass mehr Migrantinnen und Migranten als PädagogInnen eingestellt werden sollen, haben eine Mehrheit gefunden. Und wir werden natürlich demnächst abfragen, was nun daraus geworden ist. Wir haben auch aus Anlass der bundesweiten Auseinandersetzung um die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen dieses Thema noch einmal im Landtag aufgegriffen, wir hatten das schon immer mal angemahnt – jetzt aber ganz aktuell hierzu einen Antrag eingebracht, der noch nicht abschließend behandelt ist. Ich hoffe, dass wir da zu einer Einigung kommen, ähnlich wie uns das im Landtag bei dem Thema interkulturelle Bildung gelungen ist. Für mich ist dabei eine offene Frage an Sie hier alle, ob es Sinn macht, gerade auch angesichts des Verhaltens von Behörden, Einstellungsquoten für Migrantinnen und Migranten zu fordern. Ich sage lobend, es ist offensichtlich leichter, mit türkischem Hintergrund in Kiel Polizist zu werden, als Lehrerin oder eine Stelle im Ordnungsamt zu bekommen. Das ist jedenfalls meine Feststellung. Deswegen denke ich, man muss über dieses Instrument offen nachdenken. Wir würden es nicht fordern, wenn hierzu von Ihrer Seite keine positive Resonanz kommt. Wir wollen nicht etwas von oben aufdrücken, aber mein Eindruck ist, dass es in manchen Lebens- und Berufsbereichen vielleicht doch dieses Instrumentes bedarf. Wobei, ich weiß, das kann auch wieder erneute Diskriminierung auslösen, wenn man fragt, wie viel Migration ist denn in Deiner Vita. Insofern haben wir hier Diskussionsstoff.

unten zusammen kommt. Und nun haben wir abgefragt: „Was ist denn daraus geworden?“ Wir haben das auch vor dem Hintergrund getan, dass der Nationale Integrationsplan auch vom Land eine Berichtspflicht erfordert. Die Vorlage, dass darf ich hier vielleicht schon mal vorweg nehmen, hat uns nicht begeistert. Es sind zwar eine ganze Reihe von einzelnen Dingen auf dem Weg, die wir natürlich auch dank derjenigen die hier sitzen, zu schätzen wissen, aber unter einer Gesamtvorlage, an der auch wirklich alle Ressorts der Regierung ganzheitlich zusammen wirken, stelle ich mir etwas anders vor. Aus vielen Unterlagen wird nicht deutlich, auch wenn man jetzt mal an das Kleingedruckte denkt, wie viel Geld in einzelne Projekte fließt, ob das nur eine einmalige kurzfristige Maßnahme oder ein dauerhaftes Strukturelement ist. Das wird aus der Vorlage nicht deutlich. Dieses unzureichende Papier ist offensichtlich die Unterlage, die auch nach Berlin zum Integrationsplan geschickt worden ist. Es mag sein, dass wir vielleicht als Land gar nicht so schlecht dastehen im Vergleich mit anderen, aber es genügt uns nicht. Das wäre auch für mich ein Thema, mit Ihnen allein über dieses Papier zu sprechen, über das, was drin steht, und über das, was nicht dasteht und über das, was verbessert werden muss. Die zweite Frage, die ich als Sozial- und Bildungspolitikerin aufgegriffen habe, und bei der ich glücklicherweise für die wesentlichen Forderungen eine Mehrheit gefunden habe, sind Anstöße zu mehr interkultureller Bildung, die heute hier auch gefordert wurden. Das heißt, dass in der Lehrerbildung, in der Ausund Fortbildung, dieses Thema eine größere Rolle spielen muss, aber natürlich auch in den Kindertagesstätten und den Jugendeinrichtungen. Mein Eindruck ist, dass die Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen da oft weiter sind als die Schule. Wir haben mit der Sprachförderung der Migrantenkinder vor der Schule schon in der letzten Legislaturperiode während der rot-grünen Regierungszeit angefangen und nun wird dies auf breiter Ebene fortgeführt. Die Kritik, die wir aber nach wie vor hören, ist, dass diese Maßnahmen oft noch losgelöst von dem sonstigen Lebenssetting der Kinder sind und dass beispielsweise die Kurse für Eltern, insbesondere für Mütter nur sporadisch angeboten werden und oft schlecht finanziert sind. Zum Beispiel gibt es ein sehr gutes Projekt in Lübeck mit dem Namen „Rucksack“, was viele auch aus anderen Bundesländern kennen, eine Peer-to-peerLernsitutaion für Mütter, die parallel zu ihren Kindern im Kindergarten sich mit dem auseinander setzten, was dort passiert. Das wird nicht finanziert vom Land, sondern läuft bisher nur über Spenden. Für unseren Antrag interkulturelle Bildung habe ich aber im-

Ich komme jetzt auf die Situation der Kommunen zu sprechen. Wir haben die erfreuliche und hilfreiche Situation, dass wir jetzt als GRÜNE mehr Stimmen gewonnen haben – gerade in den Städten – und es Mehrheiten mit GRÜNEN, manchmal auch rot-rot-grün, gibt. Dort ist mancherorts die Diskussion um und in den Migrationsforen, die auch in der Kommunalpolitik mehr mitsprechen, ein erfreuliches Zeichen, das wollen wir befördern. Mein letztes Thema: Flüchtlinge und die Situation in der sogenannten ZAST in Lübeck. Sie soll bekanntlich geschlossen und nach Neumünster überführt werden. Das war Anlass für mich, letzte Woche in der Lübecker ZAST einen Besuch abzustatten, zusammen mit verschiedenen Einrichtungsvertreterinnen und -vertretern. Und ich muss sagen: ich war sehr entsetzt. Da kein Geld mehr in Reparaturen fließt, ist die Lage schlimmer, als ich es bei früheren Besuchen schon gesehen habe. Wir haben zwar, – das ist ein Erfolg der Frauen –, die ExtraFrauenräume, aber wenn dann dort die Duschen nicht funktionieren, und wenn Schwangere oder Frauen mit kleinen Kindern nach fünf Uhr nachmittags keine Milch mehr bekommen und

73


die Ernährung den speziellen Bedürfnissen in der Schwangerschaft entspricht, dann ist es sehr bedrückend. Wir haben auch sehr viele junge Männer unter 18 Jahren dort vorgefunden, die schon sehr lange dort sind. Diejenigen, die die ZAST schon am längsten kennen, sind über zwei Jahre dort, und all das, was hier zum Thema minderjährige Flüchtlinge gesagt worden ist, trifft gerade in Lübeck angesichts des ignoranten Jugendamtes dort in massiver Weise zu. Entsprechend ist die Situation von den jungen Leuten. Wir haben an dieser Stelle leider eher Rückschritte als Fortschritte zu verzeichnen, wenn ich das mal so sagen darf, auch in Hinblick auf die Stimmung dort, die ich doch nach mehreren Besuchen in den letzten Jahren ein wenig einschätzen kann. Ich bin also noch sehr bedrückt von diesem Besuch, das muss ich ganz deutlich sagen. Umso mehr freue ich mich, mich heute mit Ihnen über diese Situation austauschen zu können. Wir sind zusammen hier, dass wir zusammen die Sachen anpacken, dass wir uns nicht entmutigen lassen. Ich danke für Ihr Zuhören und für Ihre Geduld.

74


Abschrift der mündlichen Stellungnahme des SSW (von der Sprecherin zum Abdruck freigegeben) angesetzt werden, wie auch weiterhin im Bereich LehrerInnenbildung und -fortbildung. Ich fand es in den Stellungnahmen beeindruckend, wie anhand konkreter Beispiele deutlich gemacht wurde, dass das Motto „Alle LehrerInnen sind SprachlehrerInnen“ auch heißt, dass ein Mathematiklehrer Aufgaben umformulieren müsste, damit auch Kinder mit einem Migrationshintergrund diese Mathematikaufgaben verstehen können. Er muss jetzt nicht eine Aufgabe neu formulieren oder erst erklären, was es denn jetzt mit dem Einsatz des Passiven im Deutschen bei der Formulierung von Mathematik-Aufgaben auf sich hat. Das ist ein konkretes Beispiel für den Nutzen von Fortbildung.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch ich möchte mich für die Einladung zu der heutigen Veranstaltung bedanken. Auch bedanken möchte ich mich für die Stellungnahmen, wodurch Sie uns ja wirklich einen Aufgabenkatalog in die Hand gegeben haben. Wir werden leider nicht alles gleich umsetzen können, aber ich hoffe, wenn es dann zu einer ähnlichen Veranstaltung kommt, dass wir dann sagen können, einiges haben wir erreicht. Das, glaube ich, sollte eigentlich das Ziel dieser Veranstaltung sein. Gestatten Sie mir eine grundsätzliche Bemerkung vorweg: Ich finde, es ist wichtig daran festzuhalten, dass Migrantinnen und Migranten nicht Gäste unseres Landes sind, sondern NeubürgerInnen. Das gilt ja grundsätzlich auch für Flüchtlinge, auch wenn für diese Gruppe andere Regeln erschwerend dazu kommen und damit auch andere Probleme. Aber wenn wir für uns in Anspruch nehmen, und das tun wir ja, eine humane Gesellschaft zu sein, dann muss sich das auch in einer humanen Flüchtlingspolitik widerspiegeln. Als Land, als Landtag und als Landesparlament haben wir aus Sicht des SSW immer die Aufgabe, uns dieses vor Augen zu halten. Und darum sehe ich meine Aufgabe auch als Parlamentarierin nicht darin, dass ich auf die Initiativen des Innenministers warte. Ich finde, wir müssen immer selbst aktiv werden, und zu den Anträgen der Oppositionsfraktion ist ja schon einiges gesagt worden. Grundsätzlich heißt das dann auch, dass Zuwanderungs- und Ausländerpolitik Integrationspolitik ist und auch Integrationspolitik sein muss.

Wie gesagt sollte aus unserer Sicht dabei auch im Blick behalten werden, dass das Ziel aller Bestrebungen sein muss, dass Kinder mit Migrationshintergrund die Chance haben müssen, ähnliche Kompetenzen zu erwerben wie andere Gleichaltrige auch. Dazu gehört dann auch der ganze Problembereich, der mit dem Begriff Arbeitsmarkt zusammengefasst werden kann. Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen ist auf Initiative von Bündnis 90/Die Grünen kürzlich im Landtag debattiert worden. Dabei gibt es aber zwei Ansätze. Auf der einen Seite hat dieser Punkt etwas mit der Anerkennung von Abschlüssen in anderen EU-Ländern zu tun, und auf der anderen Seite steht dieser weit schwierigere Bereich, der dann mit der Situation von Migranten zu tun hat. Nicht zuletzt dieser Bereich, also die Anerkennung von nichteuropäischen Abschlüssen oder Nicht-EU-Abschlüssen, ist etwas, wo es wirklich noch keinen Durchbruch gibt und wo wir ein viel einfacheres Verfahren brauchen.

Zu den Kernaufgaben der Landespolitik gehört auch der Bereich Bildung. Das ist aus Sicht des SSW eine zentrale Problemstellung in der Integrationspolitik. Sprachförderung, Schule und auch Ausbildung, das sind die Stichworte - wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so viel von schwarz-weißMalerei halte - , bei denen es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben hat, nicht zuletzt in der frühen Sprachförderung. Das darf und muss man wirklich lobend erwähnen. Aber ich sehe immer noch, dass es an der Schnittstelle zwischen KiTa und Schule Reibungsverluste gibt. Da muss jetzt

Angesprochen wurde auf der Veranstaltung und in den Stellungnahmen auch das Problem des Bleiberechts und die Forderung nach einem ehegattenunabhängigen Bleiberecht für Frauen. Das ist eine ganz zentrale Forderung. Und die Notwendigkeit, dass auch die Stellungnahmen der Frauenberatungsstellen mit einfließen müssen, leuchtet, denke ich, jedem ein, aber es ist ja leider noch nicht die politische Wirklichkeit.

75

Stellungnahmen aus den Landtagsfraktionen

Anke Spoorendonk SSW Landtagsfraktion


Flüchtlingspolitik darf also keine Ausgrenzungspolitik sein. Es gilt auch für die Politik, die behindernden Faktoren nicht nur unter die Lupe zu nehmen, sondern diese durch andere Gesetze und durch Änderung von bestehenden Gesetzen zu beheben. Das Problem der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, das geht nicht nur aus Ihren Stellungnahmen hervor, sondern das ist auch von meiner Vorrednerin und meinem Vorredner angesprochen worden, will ich jetzt nicht weiter vertiefen. Ich denke aber, gerade ausgehend vom Anspruch einer humanen Flüchtlingspolitik her muss immer wieder gesagt werden, dass Abschiebung nur unter ganz engen gesetzlichen Begrenzungen stattfinden darf. Und die Forderung, dass es bei traumatisierten Flüchtlingen eine Stellungnahme von psychologischer Art geben muss, ist meines Erachtens unabdingbar. Integrationspolitik, das ging ja aus der Zusammenfassung hervor, ist eine Querschnittsaufgabe der Politik. Das hört sich wie eine Binsenweisheit an, aber gerade weil es eine Querschnittsaufgabe der Politik ist, muss auch gesagt werden, dass Integrationspolitik oder Integration keine Einbahnstraße ist. Daher ist es aus meiner Sicht ganz schlimm, dass das neue Aufenthaltsgesetz die Pflicht zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen festschreibt, aber die Förderung von Integration aus dem Gesetz gestrichen wurde. Dies zu ändern ist eine vorrangige Aufgabe. Und wenn dies geändert wurde, dann werden sich auch andere Fragen dadurch lösen können. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

76


Verschriftlichung der Podiumsdiskussion beim öffentlichen Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein am 29.10.2008 im Kieler Landeshaus (Quelle: Videoaufzeichnung des Offenen Kanal Kiel) Es gilt das gesprochene Wort. Aus Platzgründen werden nur inhaltliche Aussagen (zum Teil gekürzt) und keine moderierenden Anmerkungen dokumentiert. Doris Kratz-Hinrichsen, Diakonisches Werk Schleswig-Holstein: Ich möchte das Thema „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ [UMF] aufgreifen. Wir haben in der Abschiebungshafteinrichtung in Rendsburg zum 30.09.2008 neun unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gehabt, 2007 waren es insgesamt drei. Das heißt, wir haben eine immense Steigerung. Zum anderen möchte ich das Thema „Verlängerung einer Bleiberechtsregelung“ angehen. Wir sind auf Bundesebene der Diakonie und Caritas dabei, eine Kampagne für eine Verlängerung dieser Regelung vorzubereiten. Ich habe sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass alle anderen Fraktionen sich dazu geäußert haben, dies zu unterstützen. Wie sieht das bei der CDU aus? Fanny Dethloff, Nordelbische Ev.-Luth. Kirche (NEK): Ich finde es ausgesprochen beschämend, dass niemand vom Jugendministerium da ist, bei so einem brennenden Thema wie der Unterbringungsform von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen. Ich möchte, dass das auf jeden Fall weitergegeben wird und möchte darauf verweisen, dass so etwas wie die Kinderrechtskonvention auch in diesem Bereich gilt - auch wenn viele Bundesländer einen Vorbehalt gerade für die Migrantenkinder formulieren. Unserer Meinung nach sollte aber SchleswigHolstein mit gutem Beispiel vorangehen und die Kinderrechtskonvention voll umsetzen. Das bedeutet natürlich, dass sich daraus deutlich andere Konsequenzen ergeben, als dass man Kinder und Jugendliche in Haft nimmt oder in zentraler Unterbringung lässt. Hartmut Schüler, Jugendministerium: Ich komme vom Jugendministerium und bin hier als Beobachter, das ist auch so dem Veranstalter mitgeteilt worden. Ich nehme all diese Fragen und all die Probleme, die hier geschildert worden sind mit ins Haus, und sie werden dort erörtert. Es werden auch wieder Gespräche mit den Kommunen stattfinden, so wie auch in der Vergangenheit. Man muss eins wissen, dass die Inobhutnahme, um die es hier auch geht, eine Selbstverwaltungsaufgabe der Kreise und kreisfreien Städte ist. Und von daher hat das Jugendministerium keinen Einfluss auf die Inobhutnahme in den Einzelfällen. Aber, wie gesagt, ich werde all das, was jetzt hier noch vorgetragen wird und was ich heute Nachmittag gehört habe, mit ins Haus nehmen. Danke. Manfred Wilner-Höfer, Diakonisches Werk in Schleswig: Ich habe eine Frage zu einer besonderen Problemgruppe. Das ist keine Riesengruppe, aber es ist eine, die praktisch von dem Bleiberecht ausgeschlossen ist. Die Gruppe derer, die auf Grund von vielleicht nicht eindeutigen, vielleicht fehlerhaften, vielleicht auch nicht kompletten Angaben ihrer Eltern als Kinder mit ins Asylverfahren genommen worden sind, und die insofern, als die Eltern nicht alles angegeben haben, seit Jahren hier in Duldung leben, aber ohne Perspektive und ohne sicheren Aufenthalt, also praktisch in „Sippenhaft“. Ich glaube es ist bekannt, das sind besonders „Libtürks“, also mit libanesisch-türkischer Identität der Eltern oder irakisch-türkischer Identität der Eltern. Ich denke, eine humanitäre Flüchtlingspolitik, besonders bezogen auf die Kinder, könnte auch da über die Hutschnur gucken, auch diesen Kindern und Jugendlichen oder mittlerweile schon volljährigen Erwachsenen endlich eine Perspektive zu bieten. Wilfried Wengler, CDU: Diese neun Fälle [von UMF in Abschiebungshaft] sind mir nicht bekannt. Das überrascht mich jetzt etwas, da die Abschiebehaft, wenn sie überhaupt ausgesprochen wird, das letzte Mittel ist. Das ist eine Sache, der man nachgehen muss. Ich gebe ihnen recht, Minderjährige in Abschiebehaft zu nehmen ist sicherlich ein Thema, das mit noch sehr viel mehr Fingerspitzengefühl angefasst werden muss als bei Erwachsenen. Zum Thema Bleiberecht: Wir haben eine Regelung, Herr Puls (SPD) hat sie vorhin auch vorgetragen. Wir werden sehen, was die Zukunft in der Diskussion weiterhin ergeben wird.

77

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion


Torsten Döhring, stellv. Landeszuwanderungsbeauftragter: Ich will jetzt zu zwei Punkten eine kurze Stellungnahme abgeben bzw. ergänzende Informationen geben. Der Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Da ist eine Handreichung erarbeitet worden, und zwar von der LAG der Freien Wohlfahrtsverbände, lifeline, dem Flüchtlingsrat sowie unserer Dienststelle. Diese Handreichung wird demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Sie ist sozusagen ein Katalog, der abgearbeitet werden kann hinsichtlich des Verwaltungsumgangs mit dieser Zielgruppe. Und im Zusammenhang mit dieser Handreichung werden wir, und da greife ich das auf, was Herr Schüler gesagt hat, uns auch an die Kreisjugendämter wenden. Uns ist sehr wohl bekannt, dass Ihr Ministerium da wenig Möglichkeiten hat, wir haben ja schon Gespräche geführt in der Richtung. Deswegen werden wir vor Ort gehen und das problematisieren. Was hier angesprochen worden ist von Herrn Wilner-Höfer ist ein Dauerbrenner, das beschäftigt uns und viele NGOs schon jahrelang. Da geht es nicht nur um die Aufenhaltsverfestigung, da geht es auch um Zugang zu Ausbildung und zum Arbeitsmarkt nach der Ausbildung oder ohne Ausbildung. In anderen Bereichen heißt es ja, man muss Kinder vor ihren Eltern schützen, hier heißt es aber, wir schützen die Kinder nicht vor den falschen Angaben ihrer Eltern. Man bringt die Kinder - auch wenn sie Erwachsene sind, bleiben sie natürlich Familienmitglieder - in einen Loyalitätskonflikt gegenüber den Eltern. Denn sie können ja schwerlich sagen: “Meine Eltern haben vor 20, 15 oder vor 12 Jahren falsche Angaben gemacht.“ Zum einen hat das aufenthaltsrechtliche Folgen für sie selbst, möglicherweise aber auch für die Eltern. Und da sehen wir die Möglichkeit, dass auf Landesebene ein Schlussstrich gezogen wird. Die damaligen Kinder, die damals 16 und 17 Jahre alt waren oder sogar noch kleiner, sollen auch die Möglichkeit haben, wenn die anderen Voraussetzungen für eine Aufenthaltsverfestigung vorliegen, ebenso in den Genuss eines Aufenthaltstitels zu kommen. Angelika Birk, Bündnis 90 / Die Grünen: Zwei kurze Anmerkungen: Ich begrüße die Empfehlung einer UMF-Clearingstelle sehr, vielleicht könnte man die auch mal in Lübeck bei relevanten Verwaltungen vorstellen. Wir haben immer wieder ins Gespräch gebracht, vom Landtag her und auch vom Jugendhilfeausschuss, eine Clearingstelle zu schaffen, damit nicht jedes einzelne Jugendamt die ganzen Dinge neu erfinden muss, dass Fachkompetenz und Übersetzungskapazität, und was man so alles braucht, um in ein gutes Gespräch mit den Jugendlichen zu kommen, gebündelt wird - sie sollen ja nicht Objekt einer Verfügung werden, sondern sollen mitgestalten können, was mit ihnen geschieht . Wir haben uns nach langer Diskussion gegen eine eigene heimartige Einrichtung ausgesprochen, aber wir haben gesagt, diese Clearingstelle muss es geben. Und das wäre ja jetzt mal an der Zeit, dass das auf den Weg kommt. Wenn wir vielleicht dazu noch mehr erfahren, ob schon Vorbereitungen dafür da sind, das würde mich interessieren. Torsten Döhring, stellv. Landeszuwanderungsbeauftragter: Es gibt Vorüberlegungen dazu, nämlich von der Arbeitsgruppe, die auch diese UMF-Handreichung erarbeitet hat. Und es gibt dazu auch meines Wissens eine Examensarbeit im Rahmen einer Fortbildung von einer Schleswig-Holsteinerin. Da gibt es ganz konkrete Vorstellungen, die auch schon an die Politik und an die Verwaltung herangetragen worden sind. Wie weit die Verwaltung sich damit anfreunden kann, das kann ich natürlich nicht sagen. Da wäre aus meiner Sicht der entsprechende politische Wille erforderlich, denn es hat ja schon den Landtag beschäftigt. Das Thema war schon im Landesjugendhilfeausschuss und es hat noch eine zweite Initiative gegeben im Parlament. Dort hat es aber nicht die nötigen Mehrheiten gegeben. Der SSW hatte ja auch, meine ich, im Januar oder im Februar dazu eine Initiative. Fanny Dethloff, NEK: Es gibt auf Bundesebene auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Überlegung sowohl Clearingstellen für unbegleitete Minderjährige wie für Traumatisierte einzurichten. Das ist angedacht und auf Bundesebene scheint sich da etwas zu bewegen. Nur, so lange zu warten finde ich wenig hilfreich. Ich möchte auch darauf verweisen, dass man natürlich mit Berichten über Jugendliche, die entsprechend falsch untergebracht sind, auch noch mal auf der EU-Ebene und auch bei der Berichterstattung [... z.B.] zum Sozialpakt oder, oder, oder ... auch noch mal drauf hinweisen kann, dass das nicht besonders glorreich gelöst ist in diesem Bundesland.

78


Wilfried Wengler, CDU: Es ist richtig, dass der Landtag diskutiert hat zu dem Thema „Clearingstelle“. Er hat sich aber mehrheitlich der Entscheidung des Landesjugendhilfeausschusses angeschlossen. Ich zitiere hier aus einer Drucksache des Innenministeriums: „Der Landesjugendhilfeausschuss, der Teil des Landesjugendamtes ist, hat sich in seiner Sitzung am 25. Mai 2007 mit der in Rede stehenden Thematik befasst. In der Diskussion haben die Mitglieder unter anderem die Schaffung einer zentralen Jugendhilfeeinrichtung („Clearingstelle“) für unbegleitet eingereiste Minderjährige erörtert. Hierfür fand sich jedoch keine Mehrheit. Gründe, die gegen die Errichtung einer solchen Einrichtung sprachen, waren beispielsweise erhebliche Zweifel an einer wirtschaftlichen Auslastung und die für ausreichend gehaltene bestehende Jugendhilfestruktur. Der Landesjugendhilfeausschuss hat schließlich einstimmig beschlossen, dass er sich für die Durchführung eines einheitlichen Verfahrens auf der Grundlage des § 42 SGB VIII für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hier in Schleswig-Holstein einsetzt.“ Martin Link, Flüchtlingsrat: Zum Thema „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ möchte ich sagen: Ich finde es beschämend, dass das zuständige Fachministerium sich hier auf die Beobachterrolle zurückzieht. Ich finde es auch beschämend, dass das Land Schleswig-Holstein seit Jahren denjenigen, die sehr engagiert und auf hohem professionellen Niveau versuchen, Betreuungs- und Vormundschaftsarbeit für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Schleswig-Holstein umzusetzen, systematisch Förderungen vorenthält. Das heißt, es gibt z.B. keine vernünftig ausgestattete Landesförderung für das, was der Verein lifeline organisiert, der systematisch Bürgerinnen und Bürger nicht nur fortbildet, sondern auch begleitet, die bereit sind Einzelvormundschaften, private Vormundschaften für dieses besonders anspruchsvolle Klientel zu übernehmen. Das ist dringend politisch lösungsbedürftig. Und mir ist es überhaupt nicht einsichtig, warum es dazu nicht mit Blick auf betroffene Kinder in diesem Land zu einer gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Initiative im Landtag kommt. Der zweite Punkt: Wir haben heute Vormittag vorgetragen, wie die Zahlenentwicklung bei Flüchtlingen und Asylsuchenden hier in Schleswig-Holstein ist. Das ist eine Größenordnung von Asylantragstellern von um und bei 700-800 Menschen. Ich würde gern von den vertretenen Fraktionen wissen, ob sie nicht auch mit uns der Meinung sind, dass es bei dieser Zahlenentwicklung überhaupt kein sinnvolles Argument gibt, dass diese Menschen regelmäßig in die zentrale Unterbringung gezwungen werden und dort langfristig wohnverpflichtet werden. Das ist weder im Interesse des Landes, noch im Interesse der Stadt Neumünster, die die gesellschaftlichen und sozialen Reibungsverluste, die aus so einer administrativen Maßnahme erwachsen, tatsächlich zu tragen hat. Und es ist überhaupt nicht im gesellschaftlichen Interesse, dass diese wenigen Menschen nicht dezentral untergebracht werden und damit tatsächliche soziale und auch Arbeitsmarkt- und sonstige Integration nicht greifen kann. Es geht um unsere Interessen als Einwanderungsland Schleswig-Holstein. Wulf Jöhnk, Landeszuwanderungsbeauftragter: Zu dem Thema „unbegleitete Minderjährige“: Also, Herr Wengler, wenn sie der Sache nachgehen, das würde ich sehr begrüßen. Aber, was die Steigerung der Zahl der inhaftierten Jugendlichen in der Abschiebungshaft angeht, darf ich darauf hinweisen, dass das höchstwahrscheinlich das Ergebnis einer fulminanten Entscheidung des Justizministeriums ist. Das Justizministerium ist nämlich Träger der Abschiebungshaftanstalt. Und früher war ausgemacht, dass in die Abschiebungshaftanstalt nur männliche Erwachsene untergebracht werden. Und die haben Anfang 2008 mit einem Federstrich diese Regelung geändert, so dass nun auch Jugendliche dort aufgenommen werden können. Und das Ergebnis ist, dass jetzt die letzten Bedenken fallen gelassen wurden, die früher noch dagegen bestanden, Jugendliche in Abschiebehaft zu nehmen, weil sie dann nämlich in die Jugendhaftanstalt in Neumünster kamen. Da gab es ja gewisse Vorbehalte, die im Übrigen durchaus begründet waren, die jetzt nicht mehr bestehen. Das heißt also, wir nehmen jetzt in der Abschiebungshaftanstalt in Rendsburg Jugendliche auf in großer Zahl, wie Frau Kratz-Hinrichsen nach der neuesten Statistik gerade vorgetragen hat, ohne dass sich auch nur ansatzweise die Struktur der Abschiebungshaftanstalt in Rendsburg verändert hat. Es ist also nach wie vor nach der ganzen strukturellen Ausrichtung eine Abschiebungshaftanstalt für erwachsene Männer. Es ist nichts, aber auch gar nichts vorgesehen für Jugendliche dort, was Betreuungsaspekte angeht. Das muss man wissen und das darf ich Ihnen als Information mit auf den Weg gegeben. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass ich den Innen- und Rechtsausschuss darauf hingewiesen habe. Ein anderer Punkt zu dieser Problematik: Wir, die wir die Abschiebungshaft für Jugendliche beobachtet haben, hatten früher den Eindruck, dass die Ausländerbehörden nicht hinreichend geprüft haben, bevor sie die Abschiebungshaft bei Gericht beantragten. Wir haben jetzt den Eindruck, dass die Ausländerbehörden das machen, offensichtlich trägt da der neue Erlass des Innenministeriums, der ja durchaus zu begrüßen ist aus meiner Sicht, Früchte. Das heißt, die Ausländerbehörden

79


- jedenfalls soweit wir informiert worden sind; wir sind einigen Fällen nachgegangen - prüfen sehr sorgfältig, was nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung angezeigt ist. Das heißt, die nehmen die Jugendlichen und führen sie den zuständigen Jugendämtern vor. Und dort liegt jetzt die Ablehnung. Das heißt, wir haben nun eine ganz andere Konstellation. Das ist vielleicht auch für den Herrn aus dem Jugendministerium interessant. Die Jugendämter lehnen die Aufnahme ab, mit zum Teil absonderlichen Begründungen. Also die gucken sich die Menschen an und sagen: „Das sind keine Jugendlichen.“ Es handelte sich beispielsweise in einem Fall, den ich nachrecherchiert habe, sehr wohl um Jugendliche aus Afghanistan. Da wird also vom zuständigen Jugendamt in einem Bereich unseres schönen Landes gesagt „das sind keine Jugendlichen“ und damit wird die Inobhutnahme abgelehnt. Von anderen Jugendämtern weiß ich - auch das haben wir wie auch lifeline nachrecherchiert die sind gar nicht darauf eingestellt, Jugendliche in Obhut zu nehmen. Das kostet ja auch Geld, wie wir wissen. Das ist eine anspruchsvollere Unterbringung als beispielsweise in der zentralen Aufnahme in Lübeck. Mit anderen Worten: nach meinem Eindruck hat sich das jetzt verlagert. Man kann also selbst der Bundespolizei nach unseren neuesten Erkenntnissen im Grunde keine Vorwürfe machen. Die halten sich an das von der Rechtssprechung abgesegnete Verfahren. Die Jugendämter verweigern die Inobhutnahme! Das ist der Punkt und das macht die Sache sehr viel komplizierter, weil wir nämlich jetzt mit den einzelnen Jugendämtern Kontakt aufnehmen müssen. Anke Spoorendonk, SSW: Die Debatte zeigt, dass eine UMF-Handreichung nicht ausreicht. Und die Debatte zeigt, dass es wichtig ist, dass Transparenz hereinkommt in diese Problemstellung. Darum gibt es aus meiner Sicht auch keine andere Alternative, als dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag wieder mit diesem Thema befasst. Und ich bin sicher, dass die Oppositionsfraktionen das machen werden, ohne dass wir uns jetzt schon dazu abgesprochen haben. Es ist ganz klar: Wir können nicht so tun, als könnten wir weitermachen ohne eine formale Regelung. Und es muss eine formale Regelung geben, die auf Schleswig-Holstein zugeschnitten ist. Es gibt andere Bundesländer mit Clearingstellen, aber wir müssen etwas machen, was auf SchleswigHolstein passt. Und ich bin sicher, dass es uns gelingen wird. Und dann kommt es wirklich auf den politischen Willen an. Angelika Birk, Bündnis 90 / Die Grünen: 1996 trat ich das Amt der Frauenministerin an. Gisela Böhrk hinterließ mir eine Akte „Zentrale Unterbringung“. All die Punkte, die dort als Kritikpunkte standen, sind denjenigen, die zentrale Unterbringungseinrichtungen mal besucht haben, nicht unbekannt. Ich brauche sie nicht alle aufzählen. Das fängt mit dem Essen an und hört mit der mangelhaften Busverbindung nicht auf. Viele haben sich an diesen Dingen abgearbeitet, einiges Wenige wurde verbessert. Aber was nie verbessert wurde, ist die Frist. Insofern ist ganz klar für unsere Fraktion: Die zentrale Unterbringung hat überhaupt keine Rechtfertigung. Ich würde lieber SozialarbeiterInnen damit beschäftigen, dass sie Leute, die die Sprache nicht können, die hier fremd sind, nicht alleine lassen und in dezentralen Wohnungen betreuen, so dass eine sprachliche Integration stattfindet, dass die Kinder zur Schule gehen usw. Man muss in der Kaserne nicht teuer Leute damit beschäftigen, dass sie ein Essen austeilen, das die meisten nicht mögen, weil es ihrer Herkunft nicht entspricht. Die Ressourcen kann man sinnvoller einsetzen, das ist unsere Haltung dazu. Anke Spoorendonk, SSW: Sozusagen für das Protokoll möchte ich deutlich machen, dass wir uns schon immer gegen zentrale Unterbringungen ausgesprochen haben. Das ist weiterhin die Position des SSW und ich finde, das Mindeste, das gemacht werden sollte, ist, dass die Residenzpflicht aufgehoben wird. Das muss auf jeden Fall gemacht werden. Zur Aufhebung der Residenzpflicht kann es auch nur den politischen Weg geben. Das ist meine politische Arbeit als Parlamentarierin. Dazu gehört es politische Anträge zu stellen, politische Initiativen zu ergreifen. Und das ist auch ein Punkt, der bei uns auf unserer politischen Agenda steht. Günther Hildebrand, FDP: Ich glaube, ich kann es kurz machen. Die zentrale Unterbringung ist seinerzeit in einer ganz besonderen Situation entstanden. Und die entsprechende Begründung von den Damaligen, die das durchgesetzt haben, die ist jetzt nicht mehr haltbar. Und deshalb ist sie nicht mehr erforderlich. Norbert Scharbach, Innenministerium: Zur Residenzpflicht: Vergessen sie die Kommunen nicht, an uns soll es nicht liegen. Es bedarf da keiner großen politischen

80


Initiative, wenn man die Kommunen fragt, was sie davon halten. Die haben die Möglichkeit die Residenzpflicht aufzuheben. Und wenn es eine Zustimmung der Kommunen gibt, denke ich, kann und soll man das machen. Das Zweite ist: Vergessen Sie die Kommunen auch nicht bei der zentralen Unterbringung. Die zentrale Unterbringung ist deshalb gemacht worden, weil es damit auch eine zentrale Betreuung gibt. Es kommen Leute vielleicht nach drei bis vier Wochen in die Kreise und kreisfreien Städte und erwarten dort eine Betreuung in den Kommunen. Und da gucke ich so manchen an, der selber dort tätig ist. Da tritt man den Kommunen auch nicht zu nahe, da findet nichts statt. Der hehre Gedanke, da schickt man die dann, das hat man ja an anderer Stelle gehabt, in Regeldienste, die wären damit allerdings völlig überfordert. Und deshalb, ja, nicht alles kann die Zivilgesellschaft machen - das werden wir dann mal beim Resettlement diskutieren, was die Zivilgesellschaft alles macht oder nicht macht. Da bin ich dann sehr gespannt. Ich glaube weiterhin, dass es ein großer Vorteil ist, in einer zentralen Einrichtung auch eine zentrale Betreuung zu haben. Wie lange die ist und wann man festlegt, jetzt ist der Zeitpunkt auch mal rauszugehen, darüber lässt sich in der Tat streiten. Das kann sicherlich, wenn eine politische Initiative dazu kommt, im Innen- und Rechtsausschuss noch mal diskutiert werden. Aber vergessen sie auch da die Kommunen nicht. Die Menschen werden da allein gelassen werden, das ist meine Prognose. Torsten Döhring, stellv. Landeszuwanderungsbeauftragter: Ich [habe] mich sehr gefreut über die Stellungnahmen der kleineren Oppositionsparteien, die sich eindeutig gegen die zentrale Unterbringung ausgesprochen haben. Dann freue ich mich über die Stellungnahme und die kritischen Worte von Herrn Scharbach zur Residenzpflicht. Mir fehlt ein wenig der Glaube, denn in der Vergangenheit sind wir schon ans Ministerium herangetreten mit der Bitte um Lockerung der Residenzpflicht, was rechtlich durchaus möglich ist. In anderen Bundesländern, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, ist das schon vor einigen Jahren geschehen. Wenn Sie sich jetzt hier dafür einsetzen, um so löblicher. Ich bin ein wenig verwundert über die verkürzte Darstellung der Gründe für die zentrale Unterbringung. Dass das rein aus fürsorglichen Gründen geschieht, um die Flüchtlinge und die abgelehnten Flüchtlinge besser betreuen zu können und denen das Leben zu erleichtern, das kann ich ihnen nicht ganz abnehmen. Tatsache ist doch, dass die Flüchtlinge, die in Lübeck und Neumünster untergebracht sind, ob sie noch im Asylverfahren oder schon ausreisepflichtig sind und eine Duldung haben, von einem selbstbestimmten Leben ausgeschlossen sind. Tatsache ist, dass die Kinder dieser Flüchtlinge seit Jahren, nämlich seit 1993, nicht in Regelschulen gehen. Das sind zwar Lehrerinnen aus Regelschulen, aber diese Kinder sind in den sogenannten Lagerschulen. Da wird jetzt der Leiter des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten - für die, die das nicht wissen, er trägt den gleichen Nachnamen wie ich, das ist nämlich mein Bruder sagen, das ist nicht so. Es ist so! Es gibt Einzelne, die in Regelschulen kommen, die in allgemeinbildende Schulen gehen. Für das Gros ist es aber so, dass es eine Beschulung in zwei Schulräumen und in zwei jahrgangsheterogenen Klassen gibt. Herr Stargardt vom Bildungsministerium hat zugesagt, dass sich das ändert. Meines Wissens hat sich das noch nicht durchgesetzt, weder in Lübeck noch in Neumünster. Das heißt, wenn ich noch hinzuziehe, dass diese zentrale Unterbringung nicht nur eine Dauerunterbringung für die Dauer des Asylverfahrens ist, derer die neu einreisen, sondern dass diese zentrale Unterbringung auch ein Ausreisezentrum beinhaltet - mit Rückschicken von Personen, die schon Jahre in den Kreisen gelebt haben -, dann nehme ich Ihnen nicht ganz ab, dass das die Fürsorge für die armen, nicht betreuten Flüchtlinge in den Kreisen ist, sondern dass Sie die zentrale Unterbringung nutzen, um effektiv und schnell eine Aufenthaltsbeendigung durchzuführen. Was im übrigen ihr Staatssekretär auch ähnlich formuliert hatte in einer Presseerklärung, als das neue Konzept vorgestellt wurde. Klaus-Peter Puls, SPD: Ich glaube, was die Residenzpflicht angeht, ist das hier alles unstreitig, das man die abschaffen sollte. Und wenn jetzt Herr Scharbach vom Innenministerium sagt, er wird jetzt noch mal konkret mit den Kommunen darüber verhandeln, dann können wir das eigentlich nur begrüßen. In die Zukunft gewandt, was die zentrale Unterbringung angeht, sind wir uns sicherlich auch alle einig, dass ZAST nicht heißt „Zentrale Abschiebestelle“. Das soll zentrale Aufnahme sein. Und einig sind wir uns doch sicherlich auch, darauf hat Herr Scharbach auch eben hingewiesen, dass der Aufenthalt dort für die Menschen möglichst kurzfristig sein soll. Darüber besteht dann also auch schon Einigkeit. Frau Birk hat gesagt, das kann ich auch nur unterstreichen, dass die Qualität der Betreuung entscheidend ist. Eine schlecht betreute dezentrale Unterbringung finde ich jedenfalls schlechter als eine gute Betreuung in einer zentralen Stelle. Doch wenn wir das nicht von heute auf morgen erreichen, die Dezentralisierung, dass wir die Betreuungsqualität in den zentralen Aufnahmestellen aber verbessern, darauf muss doch jetzt unser aktuelles Augenmerk gerichtet sein.

81


Astrid Willer, Flüchtlingsrat: Nachdem Herr Puls jetzt noch mal gesagt hat, es würde Einigkeit darüber herrschen, dass die Unterbringung in den zentralen Unterkünften so kurz wie möglich sein sollte, möchte ich doch noch mal betonen, dass die Dauer sich verlängert hat. Ursprünglich war es so, dass drei Monate in der zentralen Aufnahmestelle in Lübeck die Regel war, und anschließend maximal sechs Monate in Neumünster oder in der zugeordneten Gemeinschaftsunterkunft, auch in Lübeck. Das hat sich deutlich verändert seit es die Flüchtlingsgruppen aus zehn bestimmten Herkunftsländern gibt, die praktisch bis zum Ende des Asylverfahrens in der Unterkunft verbleiben sollen. Das führt bisweilen dazu, dass die Menschen zwei Jahre und länger dort sind. Die Durchschnittsdauer ist nach den Statistiken 400 Tage, das ist auch schon länger als ein Jahr. Das bedeutet natürlich, dass einige Leute kürzer, aber auch, dass einige deutlich länger da sind. Und das sollte man berücksichtigen, wenn man sich über die Beschulung unterhält. Das Plädoyer von Herrn Scharbach für eine Zwergenschule heute morgen, kann man unter unterschiedlichen Gesichtspunkten teilen oder nicht. Aber es geht hier um die Dauer von einem oder zwei Jahren. Das kann man nicht mehr als Starthilfe oder Orientierungshilfe für den Neuanfang begreifen, sondern hier wird Integration ganz eindeutig verhindert. Ulf Döhring, Landesamt für Ausländerangelegenheiten: Ich will auf vier Punkte ganz kurz eingehen. Der erste Punkt ist die Schule. Das Landesamt ist natürlich im Gespräch mit dem Schulministerium, mit Herrn Stargardt. Das Landesamt ist auch im Gespräch via der Lehrerinnen und Lehrer die bei uns tätig sind, mit den Schulen, die um uns herum liegen. Unsere Erfahrung ist, und auch die Erfahrung der Pädagogen, dass es sehr erfolgreich ist, dass jemand, der sprachungewandt ist, der in einer ganz neuen Situation ist, bei uns eingangs beschult wird. Die Frage, ab welchem Zeitraum dann eine Regelschule besucht wird, die kann man anders diskutieren. Es ist aber auch schon heute Praxis, dass zum Beispiel fünf Kinder von denen, die wir in Neumünster haben, auf Regelschulen gehen, zum Teil aufs Gymnasium. Damit sie wissen, was unsere Zwergenschule leistet: Wir haben 24 schulpflichtige Kinder, die bei uns in der Einrichtung beschult werden. Die haben 1,7 Lehrerinnen zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn insgesamt die Schulsituation so wäre. Dann ist etwas zur Aufenthaltsdauer und zur Verteilung gesagt worden. Seien sie versichert, dass wir nicht schematisch handeln, sondern unter Vorgabe dessen, was wir durch Bundesrecht, Landesrecht und der Ausländeraufnahmeverordnung und insbesondere unter Einsehung der Fälle, nämlich der Einzelschicksale, entscheiden. Es ist nämlich so, dass ein Drittel der Personen, die in der Erstaufnahme in Lübeck aufgenommen werden, nicht in die ZGU-Lübeck und nicht in die ZGU-Neumünster kommen, sondern in die Kreise verteilt werden. Und aus den Gründen, die sie alle kennen: ob das enge Familienangehörige sind, ob das gesundheitliche Belange sind, oder auch schlicht humanitäre Belange sonstiger Art, auf die wir achten. Und einen Satz zu den Minderjährigen: Von den 30 Minderjährigen, die dieses Jahr aufgenommen wurden, sind in Lübeck in der ZGU noch elf, während zehn Stück bereits verteilt worden sind, einer davon länderübergreifend, wo wir nicht zuständig sind. Daran sieht man, es stimmt nicht, dass niemand verteilt wird. Und wir nehmen sehr wohl Rücksicht auf diejenigen, die minderjährig sind. Nun ist die Vertreterin von lifeline nicht mehr da. Sie könnte auch bestätigen, dass wir bei der Verteilung innerhalb des Landes - nur dafür sind wir zuständig - auch den Wohnort der Vormünder berücksichtigen. Dann zur Betreuung: Natürlich, Betreuung kann man immer besser machen, wenn man es will. Aber wir haben ein vernünftiges Stadium erreicht, es ist so - nicht der Regelfall -, dass immer wieder Menschen zu uns zurückkommen wollen. Ganz aktuell klagt einer, weil die Unterbringung im Kreis ihm nicht gefällt. Sicherlich hat das vielfältige Gründe, aber es gibt diese Fälle. Und eines, Frau Birk, zu ihrem Besuch in Lübeck: Wir als Landesamt, meine Kollegen und Kolleginnen, und auch die Mitarbeiter der Betreuungsverbände haben eine große humanitäre Verpflichtung. Und das bedeutet insbesondere, dass Kinder und Jugendliche immer und zu jedem Zeitpunkt ausreichend zu essen bekommen, dass in dem Moment, wo darum gebeten wird, es ermöglicht wird, Babynahrung zu bekommen, dass auch entsprechend Gerätschaften vorgehalten werden, damit Babynahrung warm gemacht werden kann. Und dergleichen mehr. Ich bitte in der öffentlichen Diskussion zu beachten, dass es ein Anliegen aller derjenigen ist, die in der Liegenschaft tätig sind, dass hier humanitär und im wahrsten Sinne menschlich mit den Flüchtlingen umgegangen wird. Dankeschön. Manfred Wilner-Höfer, Diakonisches Werk in Schleswig: Ich wollte noch mal auf einen ganz anderen Komplex hinweisen, und zwar Schule und Bildung. Wir haben vor etwa fünf Jahren, als das Landesintegrationskonzept hier erarbeitet worden ist, unter anderem mit Herrn Stargardt über Nutzung von Ressourcen bei MigrantInnen gesprochen. Ich kenne persönlich mindestens zehn LehrerInnen, die im Wesentlichen aus Spätaussied-

82


lerfamilien kommen, aber es gibt auch andere. Was ist aus denen geworden? Sie arbeiten als Zimmermädchen, als Reinemachefrauen, sie arbeiten in der fleischverarbeitenden Industrie. Aber sie arbeiten nicht in ihrem erlernten Beruf. Und es hat auch keine Anpassungsmaßnahmen gegeben. Es gibt leider in meinem Beratungsbereich nur ein Beispiel, wo jemand, der Physiker ist, hier die Laufbahn über die Hochschule genommen und dann das Referendariat gemacht hat. Ich glaube, das ist eine große Verschleuderung von Ressourcen und ich würde mir wünschen, dass man da eine deutlichere Bestandsanalyse macht. Wer kommt eigentlich und was bringen die Leute mit? Und wo können sie in unserer Gesellschaft den richtigen Anschluss finden? Das würde uns in den Schulen sehr weiterhelfen. Das würde auch die Verbindung in die Migrantenkreise sehr viel intensiver nutzen. Da würde ich auch ganz gerne die Politik fragen, inwieweit sie das im Auge hat, sozusagen passgenaue Nutzung von Ressourcen, Übergänge in unsere Gesellschaft. Gisela Nuguid, Diakonisches Werk Norderstedt: Ich wollte noch mal etwas aufgreifen, was Sie gesagt hatten, Herr Scharbach, bezüglich der dezentralen Unterbringung, dass dort die Flüchtlinge und Migranten allein gelassen werden. Dem möchte ich aus meiner Erfahrung aus 15-jähriger Flüchtlingsarbeit in Norderstedt widersprechen. Ich habe dort erfahren, dass sich, wenn die Menschen vor Ort in den Kommunen sind, Initiativen finden und gründen, um diese Menschen zu unterstützen. Dort finden intensive Kontakte statt, und das ist für mich auch ein erster wichtiger Schritt zur Integration. Wenn man diese Menschen gar nicht mehr in die Kommunen schickt, dann ist der Zugang für diese Initiativen nachhaltig abgeschnitten. [Wechsel der DVD] Norbert Scharbach, Innenministerium: [...] Zum Thema Abschiebehaft von Jugendlichen: wir haben uns zwischendurch mal die Zahlen verifizieren lassen. Die Vermutung von Herrn Jöhnk ist nicht richtig in den Fällen, die wir zur Zeit haben. Es sind drei Fälle nach dem Dubliner Übereinkommen, es ist in der Tat ein Fall aus Kiel - 75 Tage, ein Jugendlicher - und es sind fünf Fälle der Bundespolizei. Wulf Jöhnk: Was ist denn an meiner Aussage nicht richtig? Norbert Scharbach: Es sind keine Fälle, für die schleswig-holsteinische Ausländerbehörden, bis auf einen, die Verantwortung haben. Wulf Jöhnk: Also ich habe mich doch selbst um die Fälle gekümmert. Norbert Scharbach: Ich sage ihnen, wie die Zahlen im Moment sind. Es sind Fälle nach dem Dubliner Übereinkommen, und es sind fünf Fälle der Bundespolizei. Wulf Jöhnk: Und ich sage ihnen, dass es Fälle gegeben hat, wo die Ausländerbehörden aus Schleswig-Holstein tätig waren. Norbert Scharbach: Das mag ja sein. Vorhin ist die Zahl von neun Fällen genannt worden, wir haben versucht das unmittelbar noch während der Veranstaltung aufzuklären und diese Zahlen gebe ich hier wieder. [Die Moderatorin bricht die Zweier-Diskussion an dieser Stelle ab und leitet über zum Thema Nutzung der mitgebrachten beruflichen Qualifikationen von ZuwanderInnen.] Günther Hildebrandt, FDP: Ich kann nur unterstreichen, was sie gesagt haben, wir wären eigentlich blöd, wenn wir diese Ressourcen nicht nutzen würden, die ja auch gleichzeitig im Bereich von Integration eine entsprechende Wirkung haben könnten. Die FDP hat sich schon seit Jahren dafür eingesetzt, dass der Arbeitsmarkt eben auch für Flüchtlinge geöffnet wird, weil das einfach plausibel ist und wir damit letztlich Flüchtlinge auch nicht von unseren Sozialkassen abhängig machen. Sie sollen die Möglichkeit haben zu arbeiten und, wenn es denn möglich ist, sich wirtschaftlich auch selbständig zu halten. Anke Spoorendonk, SSW: Ich wollte noch einen Punkt ansprechen, der auch aus den Stellungnahmen hervorgeht, nämlich dass es ja nicht nur darum geht, ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sondern auch, dass man willig sein muss, MigrantInnen nachzuqualifizieren. Diese Forderung darf nicht vergessen werden. Das hat insgesamt etwas mit dem Problem Weiterbildung in unserer Gesellschaft zu tun, dass wir insgesamt noch nicht gut genug darauf eingestellt sind, uns weiterbilden zu lassen. Oder dass Weiterbildung noch in erster Linie von denjenigen genutzt wird, die schon eine ausgebildete Arbeit, eine Ausbildung und einen gelernten Arbeitsplatz haben. Also man muss auch willig sein, Menschen, die einen Abschluss haben, die eine Qualifikation haben, dann weiter zu qualifizieren.

83


Anita Gruber, Institut für Interkulturelles Training: Ich möchte noch mal nachhaken, das ist ja ein schon länger diskutiertes Thema - passt auch ganz gut in mein Thema „Diskriminierung in der öffentlichen Verwaltung oder dem öffentlichen Dienst“ - die Einstellung mit Migrationshintergrund, Anerkennung von Qualifikationen, die aus dem Herkunftsland mitgebracht werden. Wir haben damals mit dem Integrationskonzept die Ideen gehabt, dass dieser Personenkreis in Schule und so weiter eingestellt wird, und dass parallel laufend bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen installiert werden - wenn es beispielsweise um pädagogische Fragestellungen und Konzepte geht, die vielleicht in den Herkunftsländern unterschiedlich vorhanden sind. Wir haben nie wieder etwas davon gehört. Für mich ist das eine Frage an die Politik: wie ernsthaft ist das? Es muss die Menschen, die hier in unserem Lande leben äußerst verwundern, dass auf der einen Seite über das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz hochqualifizierte Fachkräfte angeworben werden sollen, und wir andererseits mit den eigenen hochqualifizierten Kräften äußerst diskriminierend umgehen. Es gibt unglaublich viel Papier dazu, auch wie es ganz konkret umgesetzt werden kann, ich habe selber auch mit daran gearbeitet. Und es verschwindet immer wieder in den Schubladen. Wie ernst nimmt denn Politik Initiativen, die von allen, die hier engagiert sind, immer wieder in wirklich harter Arbeit erbracht werden? Danke schön. Vera Leier, Lehrerin: Ich bin ein Mensch mit einem Migrationshintergrund, ich bin Lehrerin und habe ich in meiner Vergangenheit in Schulen gearbeitet, in Berufsschulen. Ich bin Spätaussiedlerin. Was ich ansprechen wollte in diesem Themenblock Arbeitsmarktzugang, dass nicht nur MigrantInnen, Spätaussiedler die Möglichkeit bekommen sollten, pauschal den Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen. Die politischen Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, womit diese Menschen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommen und nicht einfach nur den Zugang haben. Ich habe ‚zig Maßnahmen mitgemacht, ich habe in einigen Schulen anfangen wollen, in meinem Beruf, in meinen Fächern. Ich hatte Vorstellungsgespräche bei Direktoren. Das Einzige, was mir angeboten wurde, war, als Honorarkraft zu arbeiten. Stellen Sie sich vor ein Leben aufzubauen als Honorarkraft, wo Sie ein Kind haben, eine allein erziehende Mutter sind, das Kind zu versorgen haben und Sie wissen nie, was sie morgen erwartet. Ob Sie überhaupt für eine Krankenversicherung bezahlen können, für eine Pflegeversicherung und wie Sie überhaupt morgen leben können. Der zweite große Themenblock, den ich als politische Lücke empfinde, ist ein Problem der Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Schwerbehinderungen. Für die, die arbeiten wollen und in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommen wollen, und dazu einen Migrationshintergrund haben, ist es unmöglich. Jegliche Maßnahmen - Unterstützungsmaßnahmen, Modelle, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - wurden gestrichen. Das, was heute geblieben ist, funktioniert gar nicht mehr in Bezug auf diese zwei Probleme. Vielen Dank. Farzaneh Vagdy-Voß, Projekt access im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein: Herr Scharbach hat mir ein Stichwort gegeben und ich möchte auf den Punkt zurückkommen, den Sie genannt hatten: Wenn eine Person einen aufenthaltsrechtlichen Status bekommt, dann hat sie Rechte. Aber mir fällt auch in Hinsicht auf das, was wir heute gehört haben, das Recht auf Bildung für solche Personen ein. Es fehlen die Finanzierungsmöglichkeiten von Ausbildung, gerade für Personen, die schon einen Aufenthalt mit oder ohne Befristung bekommen haben. Wenn diese weiter studieren wollen, da fehlt ja die Möglichkeit, diese Kurse, dieses Studium zu finanzieren. Menschen die einen solchen Hintergrund haben oder auch Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt mitbringen, müssen sich hier noch mal qualifizieren können, und dann auch dem deutsche Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ich würde gern wissen, was z.B. im Bereich BAföG möglich sein kann, im Bereich der Alterseinschränkung für Personen, die schon über 30 Jahre als sind. Vielen Dank.

Abschlussrunde des Podiums: Klaus-Peter Puls, SPD: Die Veranstaltung hat eine Fülle von Anregungen gebracht und in der Diskussion ist die Frage mehrfach gekommen, wie ernst meint es Politik eigentlich, wenn sie Absichtserklärungen und Konzepte schreibt. Der Hinweis auf viele Papiere, die vorliegen, aber eigentlich nicht umgesetzt werden, ist gemacht worden und ich stelle nun zum Schluss die Gegenfrage: Wer ist Politik? Und da haben wir natürlich in unserer demokratischen Gewaltenteilung zwei Möglichkeiten. Das ist einmal die Gesetzgebung - und ich habe gesagt, eingangs in meinem Statement, Ausländerrecht ist im Wesentlichen kein Landesrecht, sondern Bundesrecht. Wir als Landtag können natürlich darüber diskutieren, haben aber keinerlei Entscheidungskompetenz. Im Landtag können wir Anträge stellen und wir versuchen durch Druck einzuwirken auf die Bundesebene, verändern hier und da, verbes-

84


sern das Bundesrecht. Das wirkt sich dann auf die Menschen hier in Schleswig-Holstein natürlich aus. Mehr können wir nicht machen, Entscheidungsbefugnis haben wir nicht. Die gesetzgeberische Entscheidungsbefugnis auf Landesebene ist äußerst beschränkt. Wir haben zum Glück das Gesetz, dass wir einen Flüchtlingsbeauftragten haben, Herrn Wulf Jöhnk, der soll auch bei uns bleiben. Aber inhaltliche Kompetenzen landesgesetzgeberischer Art sind nicht da. Die zweite Instanz ist die Landesregierung. Alles, was in Papieren steht, auch in dem schleswig-holsteinischen Integrationskonzept, ist eigentlich Umsetzung von Bundesvereinbarungen aller Bundesländer. Mit dem nationalen Integrationsplan gibt es ein umfangreiches Papier - das ist noch nicht in jedem der 100 oder mehr Punkte, die hier heute angesprochen worden sind, realisiert. Und darüber können wir natürlich im Landtag diskutierten und öffentlichen Druck auch auf die Landesregierung machen, wo wir meinen, es ist noch ein Mangel da. Aber man darf bitte, und das will ich zum Abschluss sagen, nicht von uns Landespolitikern, die im Parlament sitzen, erwarten, dass wir es jetzt umsetzen. Wir können nur die Regierung dazu auffordern und das wollen wir auch gerne bei jedem Punkt, der hier heute als mangelhaft angesprochen worden ist, tun. Ich danke Ihnen. Wilfried Wengler, CDU: Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was Klaus-Peter Puls hier gesagt hat, das findet meine volle Zustimmung. Ich möchte noch mal konkret auf das Thema Anerkennung von Abschlüssen bzw. von Berufserfahrungen kommen. Das ist ein langwieriger Prozess und es geht leider nur schrittweise voran. Vor allen Dingen, was die Anerkennung von Berufsbildern betrifft, wenn man betrachtet, wie viele hundert verschiedene Berufe wir in Deutschland haben, um dort adäquate Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen. Es gibt aber immer da drunter noch die Schwelle, dass man sich mit Handels- oder Handwerkskammern auseinandersetzt und an dieser Stelle Hilfestellung gibt. Zu dem Thema der LehrerInnen, die hier zugewandert sind und nicht mehr in ihrem angestammten Beruf arbeiten können, das ist etwas, was unter das fällt, was Herr Puls gerade erwähnt hat. Der Adressat ist hier nicht die Politik. Die Politik kann höchstens nachfragen „Wie haltet ihr es denn damit?“ Ich finde das äußerst bedauerlich, wenn hier Ressourcen verschwendet werden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass wir gerade in der Bildungspolitik darüber diskutieren, dass wir in spezifischen Fächern einen Lehrermangel haben. Das sind Dinge, die von uns im Bildungsministerium nachzuhaken sind, warum hier nicht zusammengearbeitet wird. Die Informationen sind ja offensichtlich vorhanden. Sie haben ganz deutlich signalisiert, dass sie in diese Richtung gehen wollen. Aber ist von den Beispielen, die sie genannt haben, auch die Bereitschaft da, sich weiter zu qualifizieren, unter Umständen auch Schulungswege einzugehen, die eine längerfristige Bindung bedeuten und Verzicht auf Einkommen? Das sind alles Fragen, die dort hinein spielen. ... Zum Thema „behinderte Migranten“ fehlen mir die Kenntnisse, meines Erachtens haben sie in dem Moment, wo sie als Spätaussiedler anerkannt sind und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, die gleichen Rechte und Pflichten, wie jeder andere deutsche Staatsbürger auch. Das gilt auch für das Thema der Nachqualifizierung. Was wir natürlich nicht machen können ist, die Migranten in dieser Form besser zu stellen als deutsche Staatsbürger. Und das ist auch ein Punkt, den wir bedenken sollten. Wir können sicherlich in manchen Fällen Hilfestellung geben, aber ich bitte Sie auch daran zu denken, dass wir mit unseren finanziellen Mitteln im Lande beschränkt sind. Insbesondere, wenn ich jetzt mal den wirtschaftlichen Horizont, der sich für die nächste Zeit abzeichnet, betrachte, kommt es um so mehr darauf an, gezielt hier unsere Mittel einzusetzen. Und wir haben heute einige Beispiele gehört, gerade was den Bereich Bildung betrifft, wo schwerpunktmäßig Mittel zusätzlich eingesetzt worden sind, gerade um Sprachbarrieren zu verhindern, um eine geregelte Ausbildung zu ermöglichen. Ich glaube, da sind wir in Schleswig-Holstein wirklich auf einem guten Wege. Aber ich nehme heute sicherlich eine ganze Reihe von Anregungen mit, die wir in den nächsten Monaten in den Diskussionen verwerten werden. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Angelika Birk, Bündnis 90 / Die Grünen: Danke für diese Steilvorlage. Herr Hildebrandt, Frau Spoorendonk und ich haben heute zusammen gesessen, und bei einigem von dem, was Sie gesagt haben zum Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und zu denjenigen, die als Kinder unter den Vorwürfen der falschen Angaben ihrer Eltern rechtlich zu leiden haben, haben wir gesagt, das greifen wir zusammen auf. Es ist ja oft für die kleinen Fraktionen hilfreich, wenn man das gemeinsam macht. Und ich möchte noch mal daran erinnern, dass wir einen mehrheitlichen Beschluss haben, Herr Wengler, dass das Thema der Einstellung von MigrantInnen beim Bildungsministerium, endlich angefasst wird. Ich hatte schon Säle voller KollegInnen, die hätten sofort als tolle LehrerInnen anfangen können. Und sie kriegen genau diese Angebote: Entweder sie machen ihr Referendariat noch mal, oder sie bleiben Honorarkraft bis in alle Ewigkeit. Und deswegen brauchen wir jede Bewerbung als Dublikat bei uns als Abgeordneten, damit wir bei jedem Einzelfall nerven können, weil das Bildungministerium redet sich einfach raus.

85


Das Zweite, was ich gerne in Angriff nehmen möchte, ist die Arbeitsmarktsituation darüber hinaus, da bräuchten wir noch mal ein extra Forum. Es sind ja manche EU-Mittel klug genutzt worden, laufen aber jetzt aus. Das konnten wir heute nicht vertiefen. Das ist für mich eine Aufgabe, die ich mir für das nächste Jahr vornehme. Und ein letztes, Herr Döhring, Herr Scharbach, zu der zentralen Unterbringung. Was hindert uns daran, sofort vom Sachleistungsprinzip dazu überzugehen, dass die Leute selber einkaufen und kochen können und die Sozialarbeiter nicht dafür missbraucht werden Essen auszuteilen. Was hindert uns daran, diejenigen, die ihre Pflichtzeit dort hinter sich haben, dezentral unterzubringen und dann das Geld, was sie bisher für die zentrale Betreuung ausgegeben haben, auch in Sozialarbeit zu stecken - und so den Kommunen nicht diese Aufgabe allein zu überlassen, wenn sie sagen, die Kommunen tun da nicht genug. Andere Länder haben es zum Teil uns vorgemacht. Und auch hier hatten wir Zeiten, wo es auch besser war, wo die Aufenthaltszeiten in der zentralen Unterbringung kürzer waren. In diesem Sinne kann ich Ihnen schon ankündigen, ich werde da dran bleiben. Anke Spoorendonk, SSW: Ich werde jetzt genau das tun, was man immer so über PolitikerInnen sagt: Ich werde auf das antworten, worauf ich gerne antworten möchte. Ich habe mit dieser Veranstaltung, ich sagte es bereits in meinem Eingangsstatement, einen Aufgabenkatalog für politische Initiativen bekommen. Das gilt nicht nur für mich, das gilt für uns alle. Das finde ich, ist sehr wertvoll. Und das ist auch ein wichtiges Ergebnis für diese Veranstaltung. Zu den politischen Initiativen gehören Initiativen auf Bundesebene und man kann sagen, auch auf europäischer Ebene. Frau Dallek sagte ja eingangs, „Wie wollen wir unser Land eigentlich sehen? Als ein Land der Horizonte oder als ein Land der Ausgrenzung?“ Aber Europa sieht sich ja eh als ein Kontinent der Ausgrenzung, die EU zumindest. Und von daher gibt es auch auf dieser Ebene sehr viel zu tun. Auf Bundesebene gibt es auf jeden Fall viel zu tun. Und wenn wir uns angucken, weil das letzte Thema jetzt das Problem der Arbeitsmarktpolitik war, wenn ich jetzt bedenke, dass die Bundesagentur für Arbeit, jetzt ernsthaft darum gebeten wird, die Beiträge zu senken, dann finde ich, kann man sagen, ob diese Mittel, die dann irgendwie jetzt wieder zurück fließen sollen, nicht besser eingesetzt werden, wenn sie für Nachqualifizierung, nicht nur von MigrantInnen, sondern insgesamt für Qualifizierung und Nachqualifizierung genutzt werden. Also gesellschaftspolitisch gesehen ist es aus meiner Sicht wichtiger, diese Mittel dann für gezielte Maßnahmen einzusetzen, als dass man sagt, kürzen wir eben mal die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung. Letzte Bemerkung, dass, was ich auch mitnehme, ist, dass wir wirklich den Kopf drehen müssen, und dass Maßnahmen häufig zu kurz greifen, also wenn MigrantInnen ein selbstbestimmtes Leben führen können und wir sie dazu in Stand setzen, dann kostet uns das letztlich viel weniger Geld, als wenn wir sie versorgen und alimentieren und zu Passivität erziehen. Also ich denke mir, da gibt es wirklich Sachen zu tun und auch Initiativen, die nicht unbedingt Geld kosten, müssen angepackt werden. Günther Hildebrand, FDP: Direkt anschließend: Es ist ja in der Diskussion, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Nur auf der anderen Seite ist ja damit zu rechnen, dass die Beiträge zur Krankenkasse steigen. Und das sollte ggf. eine Aufrechnung gegeneinander sein. Und deshalb wird es meines Erachtens so einfach nicht sein, solche finanziellen Probleme zu lösen. Da muss sicherlich dann noch drüber nachgedacht werden. Die Frage, die Sie vorhin angesprochen haben mit den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, kann ich ja voll unterstreichen. Diese Sache mit den Honorarkräften kann wirklich nur der Einstieg in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis sein. Wir wissen ja auch, was beispielsweise mit Lehrern bei uns passiert, die nur Verträge über elf Monate bekommen und so weiter. Das trifft ja insgesamt für unseren Arbeitsmarkt zu und ist allerdings ein verschärftes Problem bei Migranten. Nachqualifizierung ist ja deshalb erforderlich, um einen Arbeitsplatz möglich zu machen oder um ihn zu erhalten, und ist deshalb sicherlich sehr sinnvoll. Bei der Finanzierung, nicht weil ich jetzt nichts versprechen möchte, sondern da fehlen mir einfach konkret die Kenntnisse, ob das ohne weiteres möglich ist, das über BAföG oder solche Regelungen zu erreichen. Was habe ich gelernt? Sie sprachen ja von Perspektivwechsel, das werden Sie sicherlich dann in den nächsten Wochen bzw. Monaten sehen. Wir haben uns eben schon kurz auf unserer Seite verständigt, dass es da sicherlich den einen oder anderen Punkt gibt, den wir jetzt, wie auch in der Vergangenheit, aufgreifen werden und dann entsprechende Anträge im Landtag stellen werden. Dann werden wir wiederum sehen, wie die Koalition sich dazu verhält und das können Sie dann ja auch entsprechend beobachten. Vielen Dank. Torsten Döhring, stellv. Landeszuwanderungsbeauftragter: Es sind ja diverse Punkte angesprochen worden, zu denen ich jetzt am liebsten auch was sagen würde, der gesamte Bereich berufliche Fortbildung, Ausbildung und Anerkennung. Dieser Themenkomplex ist aber so umfangreich, dass es dazu in den

86


letzten zwei Jahren diverse Veranstaltungen gegeben hat, an denen unsere Dienststelle zum Teil auch beteiligt war, so dass ich das jetzt hier nicht vertiefen möchte. Die Problematik sehen wir. Wir sehen auch, dass dort gute Arbeit vor Ort gemacht wird, beispielsweise von access. Ich möchte auch noch mal darauf verweisen, dass ein Leitfaden ausliegt zum Thema „Anerkennung von Berufsabschlüssen“. Wir werden weiter im Gespräch bleiben auch mit dem Arbeitsministerium. Wenn ich jetzt „wir“ sage, spreche ich für die NGOs. Ein weiterer Termin für ein Arbeitstreffen ist schon vereinbart worden. Eine Antwort möchte ich noch geben auf die Frage von Frau Birk. Sie hat hat ja in den Raum gestellt die Frage der Quoten, bei der Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund. Eine Korrektur dazu: meines Wissens arbeitet eine Frau mit Migrationshintergrund in der Ausländerbehörde in Kiel. Zumindest hat sie das jahrelang gemacht. Ob das so gut für sie ist, das weiß ich nicht. Die Frage der Quoten haben wir schon mal intensiv diskutiert mit einer Arbeitsgruppe der Landeshauptstadt Kiel, wo die Frage diskutiert wurde, wer ist berechtigt als Mensch mit Migrationshintergrund eingestellt zu werden, bewertet zu werden und wie ist das umsetzbar? Aber ich biete an, das gern noch mal erneut zu diskutieren und zu vertiefen. In dem Zusammenhang wurde ja auch von Frau Gruber das Thema Diskriminierung noch mal angesprochen. Auch in der Stellungnahme von Frau Gruber wurde gesagt, dass es keine Antidiskriminierungsstellen, kommunal oder landesweit gibt. Das ist leider so. Aber weil es so ist, muss es geändert werden. Es ist ein Antidiskriminierungsverband in Vorbereitung. Die Vorbereitungen sind weitgehend abgeschlossen und ich kann Ihnen versprechen, ab Februar nächsten Jahres wird es einen Antidiskriminierungsverband in Schleswig-Holstein und für Schleswig-Holstein geben. Und eben dieser Antidiskriminierungsverband wird sich dann bemühen, die Aufgaben wahrzunehmen, die Sie angemahnt haben. Herr Puls sprach an, wer ist Politik? Was ist zu machen? Wir machen hier nicht Bundesgesetze, das ist sicher richtig, aber wir haben ja herausgearbeitet, insbesondere die NGOs, die Stellungnahmen abgegeben haben, was Landeskompetenz ist, was Bundeskompetenz ist und wo durch geschicktes Verwaltungshandeln was gemacht werden kann. Was ich gelernt habe von dem heutigen Tag, ist das, was ich ansatzweise ja schon gewusst habe: dass ein Dialog sinnvoll ist und nötig ist und erfolgreich ist. Ich fand es auch gut, wie hier miteinander umgegangen worden ist, trotz vielleicht der einen oder anderen Spitze seitens des einen oder anderen Referenten, meine ich, es war ein gutes Gesprächsklima zwischen den NGOs, den VertreterInnen der Ministerien und den PolitikerInnen. diese Veranstaltung heißt ja „Zwischenbilanz“ und das suggeriert , dass es keine endgültige Bilanz geben kann. Eine solche werden wir möglicherweise in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren nicht ziehen können. Wir werden aber weiter darauf hinarbeiten, dass es eine Bilanz geben wird, hinsichtlich der Angleichung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Migrationshintergrund in Schleswig-Holstein. Dass dann nicht mehr gesagt werden muss, der Flüchtling ist ein Mensch mit Migrationshintergrund, der muss aber integriert werden. Sondern, dass wir alle Schleswig-HolsteinerInnen sind, mit den gleichen Chancen und ähnlichen und gleichen Lebensverhältnissen. Und in diesem Zusammenhang kündige ich schon mal an, dass es weiterhin bis zu den Wahlen ein Lobbying geben wird, dass die NGOs sich weiter zu Wort melden wollen und diesen „Hype“, den es ja seit einiger Zeit in Sachen Integration gibt, nutzen, um positiv für eine Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund in SchleswigHolstein zu werben. Und da werden wir in unterschiedlicher Form auch an die PolitikerInnen herangehen. Letztendlich werden wir als Veranstalter, aber auch die NGOs, die hier Stellungnahmen abgegeben haben, weiterhin den Finger in die Wunde legen. Ursula Müller (Moderation): Ich möchte zum Schluss sagen, was ich mitgenommen habe, aus dieser letzten Runde. Und das waren sehr erfreuliche Bewegungen, zu verschiedenen Themen. Zum einen, was die Bleiberechtsregelung angeht, habe ich mir notiert, hier muss es eine formale Regelung geben, Handreichung allein genügt nicht. Ich habe mir notiert, eine neue Initiative in Richtung Clearing-Stelle zu starten. Ich habe sehr viel Bewegung verspürt beim Stichwort Residenzpflicht, ebenfalls Bewegung bei der zentralen Unterbringung, bei der Nachqualifizierung und der Finanzierung derselben, also da sind auch vorsichtig die Fühler ausgestreckt worden. Ich habe mich gefreut, dass nicht nur gesagt wurde, was auf Landesebene nicht zu regeln ist, sondern dass auch Initiativen auf Bundes- und sogar auf europäische Ebene ins Auge gefasst werden. Und natürlich habe ich mich über Ihre Ankündigung gefreut, dass ein Antidiskriminierungsverband sich in Schleswig-Holstein in Gründung befindet. Ich glaube, dass dieser Verband alle, die sich jetzt heute geäußert haben, als aktiv werden Wollende, dann auch begleiten wird und dafür sorgen, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern dass sich das alles weiter entwickelt. Ich habe zu Beginn dieses allerletzten Abschnittes des heutigen Tages gesagt, „bis jetzt waren sie für mich ein Drei-Sterne-Publikum, mit steigender Tendenz“. Ich kann die fünf Sterne aus vollem Herzen an Sie verteilen, Sie waren wirklich ganz großartig, und für mich war es eine gelungene Veranstaltung.

87


Adressen der Mitwirkenden

Wir danken allen TeilnehmerInnen, die sich mit Ihrer Stellungnahme am Gelingen der Hearing-Veranstaltung beteiligt haben. Im Namen der VeranstalterInnen Andrea Dallek Es haben mitgewirkt: access - Agentur zur Förderung der Bildungs- und Berufszugänge für Flüchtlinge und MigrantInnen in Schleswig-Holstein beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Farzaneh Vagdy-Voss Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 20 50 95 24 , Fax 0431 / 20 50 95 25 access@frsh.de, www.access-frsh.de

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Projekt Landesweite Beratung Andrea Dallek Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 73 50 00, Fax 0431 / 73 60 77 projekt@frsh.de, www.frsh.de

Frauengruppe „Mondfrauen“ Gisela Nuguid Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e.V. c/o Diakonisches Werk Niendorf, Fachstelle für Prävention Migrationssozialberaung Landeskoordination Schule ohne Rassismus, Ochsenzoller Str. 85, 22848 Norderstedt Schule mit Courage Tel. 040 / 526 26 88 Medi Kuhlemann info@mondfrauen.de, www.mondfrauen.de Schauenburger Str. 36, 24105 Kiel Tel. 0431 / 260 68 78 Institut für interkulturelles Training info@akjs-sh.de, www.akjs-sh.de Anita Gruber Redderkamp 26, 24111 Kiel Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungs- Tel. 0431 / 691 24 23, Fax 0431 / 691 24 26 fragen des Landes Schleswig-Holstein info@interkulturelles-institut.de, www.interkulturelles-institut.de Wulf Jöhnk Karolinenweg 1, 24105 Kiel Landesarbeitsgemeinschaft Tel. 0431 / 988 - 1290 der Freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein wulf.joehnk@landtag.ltsh.de Georg Falterbaum Postfach 50 31, 24062 Kiel contra - Fachstelle gegen Frauenhandel Tel. 0431 / 33 60 75, Fax 0431 / 33 71 30 in Schleswig-Holstein falterbaum@caritas-sh.de Claudia Franke Postfach 35 20, 24034 Kiel Projektkoordination LAG-Projekt Mercator Tel. 0431 / 55 779 - 190, - 191; Fax. 0431 / 55 779 - 150 Özgül Koyunoglu contra@ne-fw.de, www.contra-sh.de Projekbüro c/o AWO-Zentrum für interkulturelle Konzepte, Beratung und Projektentwicklung Diakonieverein Migration e.V. Hinter dem Kirchhof 10, 24211 Preez Dr. Wolfgang Neitzel Tel. 04342 / 30 81 - 18, Fax 04342 / 30 81 - 12 Bahnhofstr. 2 c, 25421 Pinneberg lag-projekt-mercator@awo-sh.de freundkreis@migration.diakonie-pinneberg.de Netzwerk Land in Sicht! Flüchtlingsbeauftragte Arbeit für Flüchtlinge in Holstein: der Nordelbischen ev. luth. Kirche Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein Fanny Dethloff Krystyna Michalski Königstraße 54, 22767 Hamburg Beselerallee 57, 24105 Kiel Tel. 040 / 30 62 03 64, Fax 040 / 30 62 03 40 Tel. 0431 / 560 223, Fax 0431 / 560 288 23 NEK.refugee@diakonie-hamburg.de michalski@paritaet-sh.org, www.paritaet-sh.org Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Martin Link Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 73 50 00, Fax 0431 / 73 60 77 ml@frsh.de, www.frsh.de

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Johanna Boettcher, Martin Link Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 239 39 24, Fax 0431 / 73 60 77 lis@frsh.de, www.landinsicht-holstein.de

88


l i f e l i n e Vormundschaftsverein Elisabeth Hartmann-Runge Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 240 58 28, Fax 0431 / 240 58 29 lifeline@frsh.de, www.lifeline-frsh.de Refugio Hajo Engbers Schaßstraße 5, 24103 Kiel Tel. 0431 / 530 25 30 - 0, Fax 0431 / 530 25 30 - 53 info@refugio-kiel.de, www.refugio-kiel.de TIO - Treff- und Informationsort für Migrantinnen Nurcan Kurun Andreas-Gayk-Str. 8, 24103 Kiel Tel. 0431 / 767 17 78, Fax 0431 / 67 17 78 tio@inis-in-kiel.org Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein Dr. Cebel Kücükkaraca Diedrichstr. 2, 24143 Kiel Tel. 0431 / 761 14, Fax 0431 / 761 12 info@tgs-h.de, www.tgs-h.de Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten (ZBBS) Idun Hübner Sophienblatt 64 a, 24114 Kiel Tel. 0431 / 200 11 50, Fax 0431 / 200 11 54 info@zbbs-sh.de, www.zbbs-sh.de Ministerien: Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein Norbert Scharbach Düsternbrooker Weg 92 , 24105 Kiel Tel. 0431 / 988 - 27 06, Fax 0431 / 988 - 28 33 norbert.schabach@im.landsh.de Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein Jan Stargardt Brunswiker Str. 16 - 22, 24105 Kiel Tel. 0431 / 988 - 23 12, Fax 0431 / 988 - 25 48 Jan.Stargardt@mbf.landsh.de Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren Dr. Klaus Riehl Adolf-Westphal-Str. 4, 24143 Kiel Tel. 0431 / 988 - 54 41, Fax 0431-988-5416 Klaus.Riehl@sozmi.landsh.de


Die VeranstalterInnen des „Öffentlichen Hearing zur Situation von MigrantInnen in Schleswig-Holstein - Eine Zwischenbilanz der Landespolitik“: Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein Referent Torsten Döhring Karolinenweg 1, 24105 Kiel Tel. 0431 / 988 - 1290 fb@landtag.ltsh.de Bildungswerk anderes lernen - Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein Heino Schomaker Medusastr. 16, 24143 Kiel Tel. 0431-906613-1, Fax 0431-9066134 schomaker@boell-sh.de, www.boell-sh.de Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein - Projekt Landesweite Beratung (gefördert durch das Land Schleswig-Holstein und Pro Asyl) Andrea Dallek und Martin Link Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel Tel. 0431 / 73 50 00, Fax 0431 / 73 60 77 projekt@frsh.de, www.frsh.de


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.