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EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

ist Ihnen aufgefallen, wer in dieser Zeit „systemrelevant“ ist? Vielleicht fällt Ihnen spontan die Kassiererin im Supermarkt, die Reinigungskraft, die für Hygiene sorgt, die Krankenschwester, die Altenpflegerin ein. Und vielleicht gehören auch Sie zu den Menschen, die sehr glücklich waren, als ihre Friseurin wieder arbeiten durfte. Klassische Frauenberufe, die oft unterbezahlt sind.

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Bei der Bewältigung des Familienalltags sind Frauen im Moment ebenfalls besonders gefordert. Neben der Arbeit im Homeoffice betreuen und beschulen sie Kinder, pflegen Familienangehörige und managen den Haushalt. Erste Studien bestätigen, dass Frauen hier die Hauptlast tragen und sich alte Rollenbilder in der Corona-Krise wieder verstärkt manifestieren. Zwei Aspekte der Corona-Krise, die deutlich machen, dass die Gleichberechtigung bei uns immer noch auf wackeligen Füßen steht.

In meiner täglichen Arbeit im Frauenhaus erlebe ich, was fehlende Gleichberechtigung für Frauen bedeuten kann. Die Frauen, die mit ihren Kindern Schutz bei uns suchen wurden von ihren Ehemännern oder Lebenspartnern unterdrückt, gedemütigt, finanziell benachteiligt und körperlich misshandelt. Es geht den Männern darum, Kontrolle auszuüben und die „Macht des Stärkeren“ mit allen Mitteln durchzusetzen. Diese Frauen sind keine Einzelfälle. In Deutschland erlebt jede vierte Frau mindestens einmal im Leben Gewalt durch einen ihr nahe stehenden Mann. Betroffen sind Frauen jeden Alters, jeder sozialen Schicht, jedes Einkommens, jeder Nationalität.

Bei einer so hohen Zahl an betroffenen Frauen können Sie davon ausgehen, dass es auch in ihrer Familie, in Ihrem Arbeitsumfeld, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis Frauen gibt, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, auch wenn Sie das vielleicht gar nicht für möglich halten. Das Zuhause-Bleiben stellt für diese Frauen ein hohes persönliches Risiko dar, denn das Zuhause ist für sie kein sicherer Ort.

Fachberatungsstellen helfen dabei, einen Ausweg zu finden. Die Beraterinnen unterstützen Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben und Menschen aus dem Umfeld wie Angehörige und Freunde. Auch in Corona-Zeiten. Mehr Informationen finden Sie im Innenteil.

In diesem Sinne: Passen Sie auf sich und Ihre Nachbarin auf. Und bleiben Sie gesund.

Alexandra Neisius Leiterin des Frauenhauses in Koblenz Träger: Sozialdienst katholischer Frauen

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