Aus dem Tagebuch MilchpiratenLogbuch von Matz: Montag, 18. Juli, erster R ICHTIGER Ferientag Wir sind nich so richtich oft einer Meinung, aber Bruno hatte heut Morgn ’ne coole Idee. Er meinte, wir solltn den ersten Ferientag feiern. Mit ’ner Party. Wir sind also los und haben allen Milch piraten Bescheid gesagt: Tetje, Schlaubi, Hansi, den Zwillingen Jona und Jano, Birk mit der dicken Brille und Lewin mit den roten Haaren – der seine kleine Schwester im Schlepptau hatte: Swanni … Das geht normalerweise natürlich überhaupt nich. Mädchen bei ’ner Milchpiraten-Party, oder was? Aber es war nu mal so. Sogar den kleinen Bubi haben wir eingeladen, obwohl der immer voll anstrengend und eigentlich gar kein richtiger Milchpirat is. Aber er hat verspro-
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chen Erwin, den Materkater, mitzubringen und
„Eima Mlchpra, imma Mlchpra! Aaar mi rei A!“
Würste zum Grillen, deshalb durfte er dann doch
Ein Brötchen in Tetjes Mund machte es unmöglich,
kommen. Ich hatte irgendwie von Anfang an kein
die Parole zu verstehen. Bruno ließ ihn dennoch rein.
gutes Gefühl, und wenn Bruno schon seine In-die-
Nicht zuletzt, weil Tetje einen riesigen Beutel voller
Zukunft-Glotz-Brille erfunden hätte, wäre uns die-
Lebensmittel dabeihatte und man sich ihm einfach
ser übelste Schlamassel mit Bubi, der dann passiert
nicht in den Weg stellte, wenn man seine Zähne be
is, mit Sicherheit nich passiert. Aber leider hatta
halten wollte.
sie noch nich erfunden gehabt. Also issa dann doch passiert, der Schlamassel.
Bis Tetje an der Feuerstelle in der Mitte des Gartens ankam, hatte er zwei weitere Brötchen ver drückt. Er nickte kauend Matz zu, der gerade dabei
Grad is mir eingefallen, dass ich als kleiner Piepel
war, Zeitungen zu zerknüllen, um damit ein echtes
immer gedacht hab, Weintrauben sind nur rasierte
Party-Feuer zu entfachen, und setzte sich schnaufend
Stachelbeeren. Krass.
auf den Liegestuhl von Brunos Papa. Der knarzte be drohlich, hielt sich aber wacker. „Hunger!“, sagte Tetje, wühlte in seinem Beutel und schnaufte noch mal. Diesmal wie einer von den zwei alten Kutschen-Gäulen, die auf der Weide am
„Parole?“ Bruno stand am Gartentor, machte Karate-
Leuchtturm von Opa Fips grasen.
Bewegungen und plusterte sich auf, damit er so aus
Sagen wir mal so: Die Milchpiraten waren sich
sah wie der Muskeltyp aus „Bäng, Bäng, Bummeräng“,
absolut darüber im Klaren, dass sie alleine kein
seinem aktuellen Lieblingsfilm. Trotzdem überragte
Feuer machen durften, aber die Situation war ein
ihn Tetje um anderthalb Köpfe und war locker dop
fach zu verlockend: elternfreie Zone bei Bruno und
pelt so breit.
Ferienbeginn. Eine Party war einfach nötig, und dazu 10
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gehörte nun mal ein Feuer, an dem man Würstchen grillte. Selbst der sonst so vernünftige Matz wurde von Bruno mit dem Argument überzeugt, dass er bei ihm in der Bude schlafen durfte, weil seine Eltern und die beiden Schwestern erst Dienstagabend zu rückkommen würden. Das hatte gezogen. Die Bude war so ungefähr die coolste Hütte, die man sich vorstellen konnte. Ein ehemaliger Wohnwagen, der auf Stelzen mitten in Familie Fuchsens Garten steht und über eine Strickleiter und eine Falltür und einen Ausguck verfügt. Und die Fenster sind echte Bullaugen. Also runde Fenster, die es sonst nur in U-Booten oder so großen Segelschiffen gibt. Das Teil stand hier schon, als Brunos Eltern das Grundstück mit Haus und Schuppen drauf vor ungefähr zehn Jahren gekauft haben. In den kühnsten Träumen der beiden Freunde und Obermilchpiraten Matz Peters und Bruno Fuchs würde die Bude eines Tages ihr Hauptquartier wer den. Dem stand nur noch eine einzige Sache im Weg. Eine Auflage von Frau Fuchs, Brunos Mama: Bruno brauchte mindestens eine Drei in Mathe – und die schien momentan so unerreichbar wie Polter Eiländ. 12
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„Parole?“ Bruno versuchte einen gewagten KarateAusfallschritt, verfing sich mit den Füßen in sei
Sicherheit noch ein paar Inhalatorschübe. Matz klopf te Schlaubi auf die Schulter.
ner Hose und fiel um. Er knallte mit dem Kopf ge
„Na dann sind Möhren, Kartoffeln und Blätter
gen das Gartentor und blieb liegen. Schlaubi sagte
doch super!“ Er nickte Tetje zu. Es war ein typi
trotzdem brav die Parole – „Einmal Milchpirat, im
sches Matz-Nicken, mit grimmig gerunzelten
mer Milchpirat! Aaargh mit drei A!“ – und wartete,
Augenbrauen und einem stechenden Blick. Ein
bis Bruno ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht durch
Nicken, das ohne Worte zum Beispiel sagte: Jetz
winkte.
is aber gut! Tetje grunzte irgendwas, das wie
Schlaubi hustete, kramte einen Asthma-Inhalator
„Vonmirkriegtajedenfallsnixleckeresab“ klang, griff in
aus der Jacke und nahm einen Zug. „Willst du auch?“,
seinen Beutel und fischte eine Tafel Nuss-Schokolade
fragte er Bruno, aber der grummelte nur und kam
hervor, die so dick wie ein Telefonbuch war. Na ja, zu
ächzend wieder auf die Beine. Dabei rieb er sich
mindest so dick wie das Telefonbuch von Ping und
die Stirn und fluchte so, dass ich es hier wirklich
Pong.
nicht aufschreiben möchte. Schlaubi begab sich zur
„Parole?“ Bruno rieb sich immer noch die Stirn,
Feuerstelle und legte ein paar Möhren und Kartoffeln
auf der ein deutliches Horn wuchs, ließ sich aber von
sowie eine Packung Feldsalat auf den Gartentisch.
nichts und niemandem davon abhalten, seiner Pflicht
„Blätter? Du bringst Blätter mit zum Grillen?“
als Party-Einlasser nachzukommen. Er versuchte
Tetje klang, als wenn er gerade erfahren hätte, dass
den coolen grimmigen Blick von Matz nachzumachen,
er zu einem Vortanzen auf dem Schulhof vor allen
scheiterte aber kläglich, weil er dabei immer seltsam
Kindern und Lehrern musste, und schüttelte ange
die Lippen spitzte.
widert den Kopf.
Hansi, der vor dem Gartentor stand, registrier
„Wir hatten sonst nur Sellerie und Knoblauch
te den Kussmund gar nicht. Er starrte fasziniert auf
zehen“, sagte Schlaubi kläglich und nahm zur
Brunos Horn. „Wasn?“ Bruno versuchte nun selbst
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auf sein Horn zu gucken, es gelang ihm aber nicht, egal, wie sehr er die Augen nach oben verdrehte. Es war mittlerweile ein walnussgroßes Buckelchen, das bereits ein bisschen zu puckern begann. Hansi glotzte weiter. Also fragte Bruno lauter: „Parole?“ Hansi zuckte und hörte auf zu glotzen. „Ähm, haben wir schon eine neue, oder isses die alte Parole?“ „Welche alte Parole?“, fragte Bruno genervt und hielt die Hand übers Horn, um es vor Hansis Blicken zu schützen. Pucker, pucker. „Weiß nich“, brabbelte Hansi und sagte dann mal wieder nichts. Das war Bruno zu blöd und er ließ Hansi rein. Der ging aber erst, nachdem er Bruno gefragt hatte, ob er noch mal auf sein Horn schauen durfte. Bruno machte gefährliche Karate-Bewegungen und
Irgendwo. Tetje legte die Hand auf seinen Fressbeutel,
Hansi rannte zur Feuerstelle, wo die anderen saßen.
schüttelte den Kopf und verdrückte den letzten
Man legte sich besser nicht mit Bruno an, wenn er
Happen der telefonbuchdicken Schokolade.
seine Laune hatte. Wirklich nicht. Vor allem nicht mit
Schlaubi sagte: „Du kannst von mir was abhaben!“ Der Satz kam fast in einem Rutsch, dann allerdings
Horn. Am Feuer angekommen, sagte Hansi: „Hm … Mist, hab ich doch glatt vergessen, was zu essen mitzubrin
löste Rauch vom Feuer einen besorgniserregenden Hustenanfall aus.
gen!“, und schaute sich um, als ob er die anderen bis
Hansi aber hatte gerade einen superinteressanten
her gar nicht bemerkt hätte. Er lächelte schief ins
dicken Käfer mit blauem Panzer entdeckt und schon
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gar nicht mehr richtig zugehört, weil er ihn unbe
und so, und Bruno wollte sie erst gar nicht reinlas
dingt beim Krabbeln beobachten musste. So bekam
sen. Aber Swanni schubste ihn einfach beiseite, lief
der Käfer die Aufmerksamkeit, die sich der hustende
in den Garten und nahm sich ein Brötchen aus Tetjes
Schlaubi gewünscht hätte. Pech.
Fressbeutel. Dann kaute sie und schaute aus kugel runden Augen in die Runde. Ihre Haare waren noch roter als Lewins. „Was hast du da?“, fragte sie Bruno und zeig te auf sein Horn. Bruno knurrte nur und drohte ihr mit Karate-Kicks. Swanni kaute und guckte. Sie war sechs und nicht von schlechten Eltern. Genau wie ihr Bruder Lewin. Auf dem Gartentisch stapelten sich leckere und nicht so leckere Dinge zum Essen und zum Trinken, und das Horn auf Brunos Stirn war ungefähr so groß wie ein Tischtennisball und so rot wie eine fast reife Tomate aus dem Gewächshaus von Bauer Brüll. Aus dem Pucker, Pucker war ein tiefes, dumpfes POCK! geworden.
Gegen 15 Uhr brannte ein ordentliches Feuer, und die
Es war bisher eher ein gemütliches Beisammen
Zwillinge Jona und Jano, Birk mit der dicken Brille
sein als eine wilde Milchpiraten-Party. Nicht mal ein
und Lewin mit den roten Haaren waren gekommen.
einziges kaputtes Glas. Und noch niemand mit aufge
Lewin hatte bedrückt verkündet, dass er Swanni, sei
klopptem Knie. Von Brunos Horn mal abgesehen, na
ne kleine Schwester, dabeihat, wegen seiner Mutter
türlich …
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