2 e d o m m o Die K :
t i e b r a l S pa c h t e c k m u s s a b D er L a
Es war seltsam, aber mit meinem neuen Abbeizer fühlte ich mich gleich wie ein Fachmann, bekam richtig Lust zum herzhaften Abbeizen und sah schon die sauberen Holzflächen meiner Kommode vor mir. Wie eine Lederhaut würde ich den alten Lack einfach so abziehen und wunderschöne Maserungen freilegen. Nun ja, frohe Erwar-
Da stand ich nun mit meinem Sandpapier, etwas ratlos angesichts
tung schützt nicht vor Enttäuschungen.
der dicken Lackschicht. Schnell bemerkte ich, dass es zwei Anstriche
Erst einmal machte ich alles richtig. Ich blieb ganz ruhig und richte-
gab. Unter dem weißen Lack befand sich noch eine vergilbte zweite
te mir einen Arbeitsplatz her, auf dem Hof unter dem Vordach: zwei
Schicht. Die Kommode war also schon einmal verschönert worden.
Tischböcke und eine alte Spanplatte. Ich legte Zeitungspapier bereit
Wie sollte ich bis auf das Holz vordringen? Nur durch Schleifen wür-
und einige alte Lappen. Dann las ich noch mal die Gebrauchsanlei-
de es nicht gehen. Die großen Flächen, die vielen Ecken? Für solche
tung auf der Dose durch. Also, ganz einfach: »Abbeizer satt auftragen
Fälle gibt es – irgendwo hatte ich das schon mal gehört – Abbeizer.
und einwirken lassen.« Der Abbeizer ist ein farbloses Zeug, dickflüs-
Das kleine z klingt schon danach, ein scharfes Mittel, das sich nicht
sig wie Gelee. Ich legte meine Hölzer bereit, nahm den Pinsel in die
gerade durch Umweltverträglichkeit auszeichnet. Aber was sollte ich
Gummihandschuhe und begann mit der Arbeit. Ich trug satt auf. Ich
machen?
war gespannt und beäugte ungeduldig die behandelten Stücke. Tat-
Ich stieg auf mein Fahrrad, fuhr zum Baumarkt und ging in die Abtei-
sächlich, es dauerte gar nicht lange und an einigen Stellen begann der
lung für Farben und Lacke. Eine Verkäuferin zeigte mir die Abbeizer. Die
alte Lack sich zu kräuseln und schrumpeln. An anderen wiederum
Warnsymbole auf den Dosen unterschieden sich kaum.
gar nicht, doch das würde schon noch kommen. Nach einer Stunde
»Du solltest mit Gummihandschuhen arbeiten«, sagte sie. »Und der
schaute ich wieder nach. Da hatte sich so einiges abgelöst und ich hat-
abgebeizte Lack gehört in den Sondermüll.«
te den Eindruck, die erste Portion Abbeizer hatte ihre Arbeit getan.
»Brauche ich einen Mundschutz?«
Ich nahm wieder meine Gummihandschuhe und einen Spachtel. Da-
»Nein, nein, aber du musst an einem gut belüfteten Platz arbeiten.«
mit kratzte ich den gelösten Lack vom Holz und streifte ihn auf das
Also gut, ich kaufte eine Dose, ein Paar Gummihandschuhe und noch
Zeitungspapier. Das ging alles ganz gut, doch schnell merkte ich, dass
einen breiten Pinsel zum Auftragen.
dieser Arbeitsgang alles andere als beendet war.
44 œ 45
Es war noch richtig viel Arbeit, den alten Lack komplett zu entfernen. Ich probierte so einiges aus, aber am besten ging es mit dem SandHalbzeit: Der alte Anstrich ist entfernt. Jetzt auf Nummer sicher gehen und den Wurm bekämpfen.
Nur an wenigen Stellen sah ich schon Holz. Die ältere Lackschicht
papier. Das musste ich nachkaufen. Wenn man alten Lack abschleift,
hatte sich kaum abgelöst. Ziemlich enttäuschend, aber gut, ich muss-
füllt sich das Papier ziemlich schnell mit den Lackresten und wird
te eben die Behandlung wiederholen, so stand es ja auch auf der Dose.
stumpf. Ich holte mir gleich unterschiedliche Körnungen, also gro-
Jetzt löste sich auch die untere Schicht. Ich kratzte wieder alles mit
be und feine Papiere. Schleifen ist mühselig und schweißtreibend,
dem Spachtel herunter. Das sah schon besser aus. Dann holte ich mir
aber Stück für Stück kommt man weiter. Und wird dann auch mit
einen Eimer mit lauwarmem Wasser und wusch alle Teile ab. Immer-
einer schönen glatten Holzoberfläche belohnt. Für schwer zugäng-
hin, dachte ich, jetzt ist schon viel geschafft. Auf dem Boden lag ein
liche Ecken und Kanten nahm ich ein scharfes Stemmeisen. Das zog
Haufen Zeitungspapier mit Abbeizer und Altlack, Sondermüll. Die
ich mit Druck über die Lackreste, die dann abplatzten. Irgendwann,
Teile meiner künftigen Kommode waren aber noch immer mit wei-
nach Tagen, merkte ich, dass ich eigentlich fertig war. Einige letzte
ßen Flecken gesprenkelt. Und ich entdeckte auch noch viel mehr klei-
Lackspuren störten mich nicht. Es sollte ruhig zu sehen sein, dass
ne Löcher. Der Holzwurmbefall war erst jetzt richtig zu erkennen.
die Kommode alt war und schon ganz andere Tage erlebt hatte. Viele
Ich fand das aber eher interessant, das sollte mich nicht aus der Bahn
Äste und bewegte Maserungen hatte ich freigelegt.
Muss immer gut geschärft sein: das Stemmeisen
werfen. Schluss für heute, meine Kommode musste trocknen.
Aber ich war ja noch lange nicht fertig! Und ehe ich mich daranma-
Unzufrieden war ich nicht, aber mir wurde langsam klar, es wür-
chen konnte, die Kommode wieder zusammenzubauen, musste ich
de noch viel Arbeit sein, ehe das Holz so sauber war, wie ich es mir
mich ja noch um den Holzwurm kümmern. Der sollte mir mein neues
vorstellte. In Werbefilmen, Heimwerkerserien oder Do-it-yourself-
Möbel nicht weiter zerfressen. Vielleicht war er auch gar nicht mehr
Büchern gaukeln sie dir immer vor, geht wunderbar, ganz einfach,
im Holz. Der Wurm guckt ja nicht aus den Löchern und zeigt sich.
ganz schnell. Das ist Quatsch, es dauert alles länger und ist müh-
Besser, man unternimmt etwas. Also nach dem Abbeizer gleich noch
seliger, als es auf der Dose steht.
ein Griff zur Chemie? Ich wollte mich lieber erkundigen, ob es nicht sanftere Wege gab, den Schädling zu vertreiben …
46 œ 47
HOL Z R EKOR DE
UND WELCHES HOLZ IST DAS TEUERSTE HOLZ?
Vergleich: Spitzenpreise
Schwer zu sagen. Und
pro Festmeter. Doch
selbst wenn man es wüsste,
Holzpreise schwanken
würde es nicht helfen.
stark, der Markt ist in
für unsere heimische Eiche liegen um die 500 Euro
Diese wunderbaren Hölzer
ständigem Wandel. Riegel-
sind auch darum so teuer,
ahorn, ein Bergahorn mit
DAS LEICHTESTE HOLZ ist das Balsaholz.
DAS HÄRTESTE HOLZ
nenlager, Zahnräder und
ist das Pockholz, das auch
Schiffsschraubenwellen
weil Raubbau an ihnen
besonderer Maserung,
Es ist blassrötlich, teils
Guajak- oder Franzosenholz
lässt es sich verwenden.
getrieben wurde und wird.
ist ebenfalls sehr
fast weiß und sehr weich.
genannt wird. Es stammt
Pockholz ist enorm wider-
Das Adlerholz wird ge-
teuer und ein Liebling
Balsa kommt aus den
von den Westindischen
standsfähig und beinah
nannt, es kostet mehrere
der Geigenbauer.
tropischen Wäldern,
Inseln und aus Zentral- und
unbegrenzt haltbar. Eisen-
Zehntausend Euro pro
Sagen wir es anders:
besonders aus Südameri-
Südamerika. Die Bäume
holz wird es darum auch
Kilogramm. Seine Harze
Das teuerste Holz entsteht
ka. Die Bäume wachsen
sind vom Aussterben
oft genannt, eine Sammel-
duften unvergleichlich.
aus einem Wuchsfehler
sehr schnell und erreichen
bedroht, der Handel ist
bezeichnung für eine ganze
Oder der Schlangen-
der Bäume. Wenn sie
Durchmesser bis zu einem
heute genehmigungs-
Reihe von Holzarten, die
holzbaum. Vielleicht
am unteren Stamm Aus-
Meter. Balsa ist das Holz,
pflichtig. Sie werden kaum
dem Pockholz an Härte und
auch Makassar-Ebenholz,
wucherungen tragen, dann
aus dem Modellflugzeuge
höher als 12 Meter und
Dichte so gut wie eben-
benannt nach dem
wird es interessant für
gebastelt werden. Korkholz
erreichen meist nur Durch-
bürtig sind.
Ausfuhrhafen Makassar
die Hersteller von Furnier.
ist ein anderer Name für
messer zwischen 25 und
Denn diese Knollen, es
35 Zentimetern. Das Kern-
DER ÄLTESTE BAUM
DIE GRÖSSTEN BÄUME der Welt, die
in Indonesien. Nein,
Balsa.
lassen wir das. Nennen
sind Überwucherungen von
holz ist grünlich braun,
auf der Welt steht in
Mammutbäume, die
wir lieber noch einige
Seitenknospen, ergeben
ebenfalls in Kalifornien
europäische Namen extrem
die schönsten Maserzeich-
manchmal fast schwarz, und Kalifornien, 3000 Meter voller öliger Stoffe. Pock-
hoch, in der Sierra Nevada.
stehen und über 3000 Jahre
teurer Hölzer. Wildkirsche,
nungen. Recht bekannt
holz riecht unangenehm.
Es ist eine Grannenkiefer
alt werden können. Fast
Mooreiche, Nussbaum
ist das Vogelaugenahorn
Es gehört auch zu den
und sie ist rund 4700 Jahre
140 Meter Höhe bei einem
und vor allem die harte
aus dem Zuckerahorn.
schwersten Hölzern, die es
alt. Die dortigen Grannen-
Durchmesser bis zu 12 Me-
Elsbeere – Baum des Jahres
Maserknollenfurniere
gibt. Die frischen Rund-
kiefern dürften die ältesten
tern erreichen diese Riesen. 2011 (s. Foto S. 48) –,
hölzer wiegen um die 1450
Lebewesen überhaupt sein.
Sequoiadendron giganteum
die für Flöten und Klavier-
teurer Limousinen. In
Kilogramm pro Kubikme-
Und damit übertreffen sie
ist ihr botanischer Name.
bau begehrt ist. Sie kann
Kurzform: Maserknollen
ter! Schwer zu bearbeiten,
auch …
schon mal 15 000 Euro pro
sind die teuersten Hölzer.
aber es lässt sich drechseln.
Festmeter kosten. Zum
Für Werkzeuge, Maschi-
48 | 49
schmücken das Cockpit
, e l h ü t s , e h c s i t
EBENHOLZ Weiß, rot und schwarz – die Farben von Schneewittchen. entspricht, es ist schön, und wer interessante Effek-
Versonnen schaut die Königin
te mag, der kann es färben oder mit vielen anderen
aus dem Fenster in die Winter-
Materialien kombinieren. Die ersten Möbel aus
landschaft und sticht sich
Holz kennen wir, von einigen Ausnahmen abgese-
mit der Nähnadel in den Finger.
hen, eigentlich nur aus Abbildungen. Was sich die
Drei Tropfen Blut fallen in
alten Ägypter, Griechen und Römer in ihre Häuser
den Schnee. Und das Fenster ist
stellten, das ist leider nicht erhalten geblieben.
aus schwarzem Ebenholz. Ein
Aber Möbel aus dem Mittelalter gibt es noch. Das
Fenster aus Ebenholz! Das können
sind mächtige Stücke aus dicken Brettern, mit ge-
sich wirklich nur Könige leisten.
schmiedeten Scharnieren, großen Beschlägen und
Denn begehrt war dieses Holz
mächtigen Schlössern. Truhen zur Aufbewahrung
mit dem tiefschwarzen Kern, das
von Tüchern, Decken und Kleidung gehören zu den
aus Indien und Afrika kam.
ältesten Möbeln. Zusammengehalten durch Holz-
Sehr schwer und äußerst hart,
dübel und Eisenbänder, sind sie meist einfache,
war es ideal für Drechslerarbeiten,
Stuhl, Tisch, Bett und Schrank – MÖBEL sind Tag für Tag genutzte Gegenstände, die ihren Zweck erfüllen müssen. Ohne Möbel lässt
rustikale Kästen, aber doch keine hässlichen oder
für Musikinstrumente und geo-
langweiligen Ungetüme, denn schon die mittel-
metrische Messapparate. Ebenholz
es sich nicht wohnen. Aber jeder weiß: Möbel sind auch viel mehr.
alterlichen Möbelbauer hatten einen untrüglichen
ist eines der wertvollsten Hölzer
Welche Möbel uns gefallen, wie wir uns einrichten, das hängt von un-
Sinn für die richtigen Proportionen, für das rich-
für Edelfurniere und ein Muss
serem Temperament, unserer Persönlichkeit und selbstverständlich
tige oder auch das stimmige Verhältnis von Länge,
für Intarsienkünstler. Im 17.
auch vom Geldbeutel ab. Darin sind Möbel der Kleidung verwandt.
Höhe und Breite.
und 18. Jahrhundert nannte man
e r ä t e s e k r ner,
e i e d t e h c l i a d b h a c st dur n e t i e h n ö sch
Wenn die Kleidung unsere »zweite Haut« ist, dann sind unsere
Und dann haben die Möbelbauer, die Tischler
Möbel vielleicht die »dritte Haut«. Kein Wunder also, dass auch die
oder Schreiner, im Laufe der Jahrhunderte natür-
Wie so viele andere tropische
Möbel der Mode folgen, wenn auch nicht gar so schnell wie die Kla-
lich dazugelernt, und eine kleine Erfindung folgte
Harthölzer ist Diospyrus ebenum
motten.
auf die andere. Durch das Aufsetzen von Leisten,
heute eine vom Aussterben bedrohte Art.
die Kunsttischler Ebenisten.
Heute werden Möbel aus vielen Materialien gefertigt, aus
durch Verstärkungen an den Ecken wurde das
Stahlblechen und -rohren, aus Pappe, aus vielerlei Arten von Kunst-
Krummwerden des Holzes vermieden, durch Zin-
stoffen. Aber Holz bleibt das KÖNIGSMATERIAL DES MÖBELBAUS. Warum ist das so? Holz bietet das ideale Verhältnis von hoher
ken, Grate, Falze und Gehrungen gerieten die Holzverbindungen
Festigkeit bei mäßigem Gewicht, es lässt sich durch Sägen, Hobeln
immer perfekter. Immer reicher wurde die FORMENVIELFALT DER MÖBEL. Unter den geschickten Händen der Meister und Gesellen
und Schnitzen in alle nur erdenklichen Formen bringen, für jede
entwickelte sich das Holz zu einem formbaren Material. Geschwun-
Möbelart gibt es eine Holzart, die den Anforderungen besonders gut
gene Stuhl- und Tischbeine wurden gehobelt, Schranktüren nach
50 | 51
außen gewölbt. Schnitzereien, Elfenbeineinla-
gab es diese Technik, in Europa erlebte
gerungen, Vergoldungen und vieles mehr mach-
sie besonders im 17. und 18. Jahrhun-
ten aus Möbeln im Zeitalter der RENAISSANCE
oben Mit scharfer Klinge wird Furnier vom Stamm geschält. Bei diesem Verfahren entstehen Furniere mit lebhafter Zeichnung. rechts Edles Monster aus der Manufaktur: David Roentgens Großer Kabinettschrank wurde 1779 an den preußischen Kronprinzen ausgeliefert und kostete kaum weniger als ein kleines Schloss. Innen voller mechanischer Spielereien aus Seilzügen, Bleigewichten und Federn, präsentierte dieses Monument der Kunsttischlerei vielerlei Hölzer von Ahorn und Apfelbaum über Kirsche und Nussbaum bis zur Zeder. Vier Meter hoch, genug Platz für aufwendige Intarsien, Uhr, Flötenund Glockenspiel.
dert ihre Blütezeit.
und des BAROCK geradezu kleine Bauwerke. Schränke wurden mit Säulen verziert und wirkten wie
dürfnissen der Menschen. Als zum Bei-
Tempelportale. Das alles war nur möglich, weil sich auch die Werk-
spiel die adligen Damen am Hofe ihre
zeugkiste der Tischler immer mehr füllte. Viele Sägen gehörten dazu,
überbreiten Reifröcke trugen, wurden
lauter verschiedene Stemmeisen und viele, viele Hobel mit speziell
auch Sessel und Stühle in Überbreite
geformten Klingen. Profilholzhobel hießen die und waren der Stolz
angefertigt. Und als im 18. Jahrhun-
jeder Werkstatt.
dert die Lust am Liebesbrief zu einer
Möbel ändern sich nach den Be-
Die edelsten Hölzer wurden im Möbelbau verwendet. Und weil
täglichen Leidenschaft wurde, da wur-
sie so selten und teuer waren, setzte sich schon früh eine Technik
de aus dem gewöhnlichen Tisch oder
durch, die zu den anspruchsvollsten Arbeiten des Tischlers zählt, das Furnieren. FURNIERE sind ganz dünne, nur einen Millimeter starke
Schreibtisch der sogenannte SEKRETÄR, ein verschließbarer Schreibtisch
Holzschichten, die aus den besten Stämmen gewonnen werden. Frü-
mit einem Aufsatz voller kleiner Fä-
her wurde das auch mit großen Sägen gemacht, aber Furniere wer-
cher und Schubkästen, kunstvoll ge-
den eigentlich geschält, also mit scharfen Messern in großen Stücken
arbeitet und raffiniert mit einem Ge-
vom Stamm abgetrennt. Diese dünnen Holzlagen wurden dann in
heimfach ausgestattet. Berühmt für
einer Furnierpresse auf die großflächigen Teile eines Möbelstücks
ihre Sekretäre wurden zwei deutsche
aufgeleimt. Der Schrank aus teurem Mahagoniholz bestand im Kern
Kunsttischler, Abraham und David
also vielleicht nur aus Kiefer. Das ist übrigens alles andere als eine
Roentgen, deren Möbel von Paris bis
Mogelpackung. Furnieren spart nicht nur Edelholz, es mindert, bei
St. Petersburg begehrt waren. Natür-
sorgfältiger Arbeit und Verwendung hochwertiger Leime, auch die
lich waren die Roentgens auch meis-
Gefahr, dass sich das Holz der Möbel verzieht. Zudem bot das Fur-
terhafte Intarsienmacher. Ohne Intar-
nieren für die Tischler eine ungeheure Freiheit bei der Gestaltung
sien wurde man als Tischler damals
schön und auffällig gemaserter Flächen. Sollten Möbel noch kunst-
bei Hofe gar nicht erst vorgelassen.
voller werden, so wurden sie mit feinsten Einlegearbeiten versehen,
Nun sind wir bei unserem Spaziergang im großen Haus der
den Intarsien. Intarsien sind schmückende Muster oder gar kleine
Möbel unversehens in die Abteilung der sündhaft teuren Einzel-
Gemälde, die aus verschiedenfarbigen Hölzern mit der Laubsäge
stücke geraten, die wir heute nur noch in Schlössern, Museen oder
zugeschnitten und mit atemberaubender Genauigkeit in die Furnier-
auf Möbelmessen besichtigen können. So wird es höchste Zeit, mal
schicht eingepasst wurden. Schon im alten Ägypten und in Ostasien
eine andere Abteilung aufzusuchen. Einfach und rustikal geht es da
52 | 53
zu, BAUERNMÖBEL aus massivem Holz stehen hier, viele davon sind liebevoll bemalt, aber ihr schönster Schmuck sind die Spuren des täglichen Gebrauchs, kleine Kratzer und Riefen, Absplitterungen und abgewetzte Ecken und Kanten. Heute haben solche Möbel viele Liebhaber. Wenn sie in der Fabrik »nachgemacht« werden und die Hersteller versuchen, die Spuren des Alters wie bei vorgewaschenen Jeans gleich mitzuliefern, sieht das aber meist ein wenig unglücklich, eben künstlich aus. Die alten Bauernmöbel kennen keine Mode. Über Generationen wurden sie nach bewährtem Muster hergestellt, mit nur geringen Veränderungen. Wir kennen ihre »Erfinder« nicht, ihre »Designer« sind unbekannt. Aber ihre Machart ist typisch für bestimmte Länder und Regionen. In kleinen Werkstätten wurden sie in Handarbeit hergestellt, durchaus schon in kleinen Serien, weil ja so viele Leute sie haben wollten. Damals wurde nicht lange ausgesucht, ein Stuhl musste her, also wurde er bestellt, gebaut, geliefert und bot bequemen Sitz für eine kleine Ewigkeit. Aber natürlich blieb die Zeit nicht stehen. Erfindungen wurden gemacht, Fabriken wurden gebaut. Die neue Zeit zog dann auch bald in die Tischlerei ein. Im 19. Jahrhundert hielten die ersten Bauernschrank
Kreissägen und Hobelmaschinen Einzug in die Werkstätten und beschleunigten die Handarbeit. Da wurden auch die Köpfe freier für ganz neue Methoden. Ein Tischler aus Boppard am Rhein zog nach
gelernt – wurde nach und nach weich. Dann holte man die Rundstäbe
Wien, baute Möbel für den Kaiser und verlegte Parkett. Aber be-
aus dem Kessel. Sie waren nun beliebig biegsam und wurden in große,
rühmt sollten MICHAEL THONET und seine fünf Söhne erst werden, als sie ein ganz neues Möbel erfanden, den WIENER KAFFEE-
speziell geformte Zwingen eingespannt. Jetzt musste das Holz trocknen und ruhen. So wurden aus den Rundstäben die vorgeformten
HAUSSTUHL. Aus hartem Buchenholz wurde dieser Stuhl gefertigt.
Bauteile der Stühle, die man dann nur noch montieren musste. Die
Michael Thonet rückte dem Holz mit einem neuen Verfahren zu
Sitzflächen der Stühle wurden aus Weidengeflecht gearbeitet. Leicht
Leibe, dem Bugholzverfahren. In großen Kesseln setzte er runde Stä-
war er, der Thonet-Stuhl, grazil und elegant geschwungen, stabil und
be aus Buche unter heißen Wasserdampf. Das im Holz enthaltene
bequem. Aus den Wiener Kaffeehäusern trat er seinen weltweiten
Lignin – wir haben es als den Stabilisator des Holzes bereits kennen-
Triumphzug an und wird noch heute nahezu baugleich produziert.
54 | 55
Für lange Sitzungen im Kaffeehaus bestens geeignet: der Urtyp des ThonetStuhls
DER SUPERLEICHTE »Superleggere«, der Superleichte aus Italien, ist ein Stuhl aus Eschenholz mit einer aus
durch Schrauben und Metallwinkel, wenn man billiges Material ver-
Schilfrohr geflochtenen Sitz-
wendet, dann werden Möbel bald schief und wackelig, dann klemmen
fläche. Der Mailänder Gio Ponti
die Türen, dann quietschen Bett und Stuhl. Solche billigen Möbel
entwarf ihn 1957. Seine Schlicht-
landen oft schon nach wenigen Jahren auf dem Sperrmüll. Eigentlich
heit und Bequemlichkeit
eine ungeheure Energieverschwendung. Aber nicht nur auf dem Flohmarkt, sondern auch auf dem Sperr-
machten diesen Stuhl berühmt. Ganz dünn sind seine Beine
müll finden Liebhaber mit ihrem geschulten Blick nach wie vor rich-
und Sprossen. Hierfür ist Esche,
tig schöne Möbelstücke. Sie werden weggeworfen, weil sie ein wenig
die in Europa, Vorderasien und
unansehnlich geworden sind, aber im Grunde brauchen sie nur eine
Nordamerika wächst, eine gute
Auffrischung. Oft sind sie handwerklich besser gearbeitet als ihre Nachfolger. Sie müssen nur repariert, abgeschliffen, neu lackiert,
Wahl. Sie liefert ein tolles Holz. Es ist weißlich bis hellbraun,
Der Thonet-Stuhl war anregend und folgenreich. Denn
gewachst oder geölt werden. Lässt man das von einem Fachmann
fest, zäh und hart – und dabei
jetzt wollte fast jeder berühmte Architekt auch einen
machen, ist das meist zu teuer. Aber wer Lust dazu hat und es selber
von hoher Elastizität, sozusagen
berühmten Stuhl entwerfen. Aber der Stuhl ist das
machen kann, der kann ein ganz einmaliges Möbel in sein Zimmer
eine Eiche, die sich auch noch
schwierigste Möbel überhaupt. Das weiß jeder, der in
stellen, ein Möbel mit Geschichte.
biegen kann. Sportgeräte werden
der Schule oder im Büro auf ihnen sitzen muss. So ent-
aus Esche gefertigt, und auch
standen zwar viele schöne und interessante Stühle,
ein MÖBELLAND. Für ihre Möbel geben die Deutschen im weltwei-
schon die ersten Steinäxte des
doch wirklich bequem und alltagstauglich waren die
ten Vergleich immer noch sehr viel Geld aus. Daher werden in Tisch-
Menschen in der Jungsteinzeit
wenigsten von ihnen, es waren eher Stühle zum An-
lereien heute auch wieder Möbel gebaut, Einzelstücke, kleine Serien,
hatten Stiele aus Esche. Über den
schauen, nicht zum Sitzen. Der berühmte Architekt
ganz nach den Wünschen der Kunden. Als in den 1960er Jahren die
grazilen Superleggere, der sich
Mies van der Rohe kam zu der Einsicht: »Es ist schwe-
großen Möbelhäuser mit ihren riesigen Ausstellungsflächen ent-
auf dem Finger balancieren lässt,
rer, einen guten Stuhl zu bauen als einen Wolken-
standen, da ging es für kleinere und mittlere Werkstätten mit dem
gibt es einen Testbericht: Man
kratzer.«
Möbelbau abwärts. Doch im Laufe der Jahre gab es auch wieder eine
Deutschland ist nicht nur ein Land der Baumärkte, es ist auch
Über die Jahrhunderte blieb der Möbelbau eine
Gegenbewegung. Und die hat sehr viel zu tun mit dem Bewusstsein
eines Gebäudes fallen. Unten
Handarbeit. Im Laufe des 20. Jahrhunderts sollten
für unsere Umwelt und die Schätze der Natur. Holz bekam eine neue
federte der Stuhl »wie ein Ball«
Möbel aber mehr und mehr in SERIENFERTIGUNG
Faszination, das natürliche Material wurde auch im Möbelbau wie-
und blieb unversehrt. Esche
und dann in MASSENFABRIKATION entstehen. Das muss gar nicht unbedingt die Qualität und Halt-
derentdeckt. Aber Holz ist nicht gleich Holz. Wo kommt es her? Wie
barkeit mindern. Doch wenn der Verkaufspreis wich-
Bedürfnis nach »Natürlichkeit« zu befriedigen? Werden die Wälder
tiger wird als alles andere, dann schon. Wenn die sau-
wieder aufgeforstet? Solche Fragen sollte der kritische Möbelkäufer
ber verzapfte und verleimte Verbindung ersetzt wird
heute stellen.
ließ ihn aus dem vierten Stock
eben!
wird es »geerntet«? Werden ganze Wälder abgeholzt, nur um unser
56 | 57
Immer neue Varianten einer Idee: Schaukelstuhl und Dreibeiner von Thonet