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Mitarbeiterbindung durch Mitbestimmung
Interview Constantin Wilser
Klaus Kobjoll betreibt seit 1984 den Schindlerhof, ein Vier-Sterne-Tagungshotel in Nürnberg. 1990 erhielt er den Branchenaward „Hotelier des Jahres“. Zudem wurde sein Unternehmen mehrfach zum besten Arbeitgeber gekürt. Im Interview erklärt er, warum er sich für einen Führungsstil und eine Unternehmensphilosophie entschieden hat, die ein hohes Maß an Selbstverantwortung und Mitbestimmung der Mitarbeiter vorsieht.
BODYMEDIA: Als Sie 1984 das Hotel gründeten, entschieden Sie sich für eine, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, sehr moderne Unternehmensphilosophie. Warum waren Sie sich sicher, dass es sich auszahlen würde, den Angestellten solch ein hohes Maß an Selbstverantwortung und Mitbestimmungsrecht zu geben? Klaus Kobjoll: Mir war schon vor der Eröffnung klar, dass ich keine Chance habe, bei den harten Faktoren wie z. B. Gebäude, Ausstattung gegen meine Mitbewerber zu gewinnen. Es tummeln sich ja schon immer viele VielfachMillionäre in der Hotellerie, die nicht unbedingt einen „Return on Investment“ brauchen oder zumindest über sehr hohen Eigenkapitalanteil verfügen.
Ich war Gründer mit nicht einmal 10 % Eigenkapital. Das Hotel musste vom ersten Tag an schwarze Zahlen schreiben. Also setzte ich auf weiche Faktoren, auf eine hohe Service-Qualität, auf die Ausstrahlung meiner Teammitglieder, auf die Übertragung ihrer eigenen Begeisterung auf unsere Gäste. Diese Strategie ging auf und hält bis heute!
BODYMEDIA: Ist Ihre Unternehmensphilosophie auch auf andere Unternehmen im Dienstleistungssektor, bspw. Physiopraxen übertragbar? Falls ja, was sollten Praxisinhaber beachten? Welche Kontroll-, Bewertungs- und Feedbackinstrumente sollten beispielsweise eingeführt werden?
Klaus Kobjoll: Grundsätzlich ist das, was wir machen, auf alle Branchen, selbst auf alle Betriebsgrößen übertragbar. Auch Weltkonzerne wollen selbstgeführte Organisationen erreichen, ein anderes Mind-Set, weil sie spüren, dass die sogenannten Digital Natives sich nicht mehr hierarchisch führen lassen. Es braucht auch dabei ein präzises Controlling, sowohl im operativen als auch im strategischen Bereich, die Einforderung von Rechenschaftspflicht wie z. B. monatliches Reporting und eine starke Führung. Aber eben auch viel Freiheit, auf Neudeutsch Empowerment. Teammitglieder dürfen bei uns Fehler machen, wenn sie Wiederholungen vermeiden, und sie dürfen Entscheidungen ohne das „Misstrauensprinzip der vier Augen“ treffen. No risk, no fun!
Zu beachten ist dabei, sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen und die Teammitglieder machen zu lassen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich ein Spitzen-Team! Wir haben schon 1985 in unser Leitbild als langfristiges Ziel, natürlich mit Wunschdenken, geschrieben: „Wir beschäftigen die besten Mitarbeiter der gesamten Branche!“ Es dauert sehr lange, ein gutes Team zusammenzustellen. Und es gibt auch immer wieder Rückschläge, sei es durch Fluktuation oder weil ein Wertewandel bei Teammitgliedern vonstattengeht. BODYMEDIA: Inwiefern glauben Sie, dass Ihre Unternehmensphilosophie dazu beiträgt, dass sich die Angestellten mit Ihrem Hotel identifizieren und langfristig dort arbeiten? Klaus Kobjoll: Bei uns besuchen alle neuen Teammitglieder – möglichst gleich in den ersten Monaten – ein mehrtägiges Seminar zum Thema „Persönliche Planung“. Wenn sie dann wissen, was sie selbst antreibt, können sie ganz gut abgleichen, ob das kompatibel mit den Werten und Zielen des Schindlerhofs ist. Ist dies der Fall, dann ist Identifikation eigentlich nur ein anderes Wort für Produktivität! Weil sie dann fast so arbeiten, als wenn es ihr eigener Laden wäre.
BODYMEDIA: Welche weiteren Möglichkeiten können Unternehmer ausschöpfen, um ihre Mitarbeiter langfristig zu binden? Ist Geld das ausschlaggebende Kriterium für Mitarbeiter, um sich wohlzufühlen? Klaus Kobjoll: Geld ist ein wichtiger Hygienefaktor, der stimmen muss. Es steht aber nicht an erster Stelle. Dienen kommt vor dem Verdienen! Die Gehälter zahlt eh nie der Chef, sondern immer der Kunde. Wenn ich erst einmal deutlich erkennbare Alleinstellungsmerkmale durch Soft Skills geschaffen habe, wird der Kunde bereit sein, dafür auch etwas mehr zu bezahlen, und somit sind auch höhere Gehälter möglich. BODYMEDIA: Um Mitarbeiter langfristig binden zu können, müssen Unternehmen zunächst einmal ein gut funktionierendes Mitarbeiterteam aufbauen. Wie sieht das Bewerbungsverfahren im Schindlerhof aus? Welche Bewerber fallen durchs Raster, wer hat Chancen, eingestellt zu werden? Und haben Ihre Angestellten auch Mitspracherecht, was die Einstellungen anbelangt? Klaus Kobjoll: Hire slow! Wir haben einen vierzehnteiligen Einstellungsfilter und es dauert schon einige Wochen, bis wir uns füreinander entscheiden. Dabei lassen wir uns in der Regel nicht vom Leidensdruck leiten und kürzen das Prozedere auch kaum ab, nur weil wir gerade dringend jemanden brauchen. Einer dieser Filter ist eine mehrtägige Arbeitsprobe bei uns, nach der unsere Teammitglieder entscheiden, wer am besten zu ihnen passt. Vorstellungsgespräche mit Auszubildenden führen wir meist an Sonn- und Feiertagen, bei Führungskräften in fester Partnerschaft laden wir zu einem gemeinsamen Mittagessen ein, um auch Partner oder Partnerin kennenzulernen, und wir führen ein sehr ausführliches Gespräch zusammen.
Durchs Raster fallen die vielen mit freizeitorientierter Schonhaltung, bei denen das Gehalt und die Arbeitszeit an erster Stelle stehen, die offensichtlich Pension mit Passion verwechseln, die mehr
Die Mitarbeiter des Schindlerhof dürfen Entscheidungen ohne das „Misstrauensprinzip der vier Augen“ treffen
Das Vier-Sterne-Tagungshotel Schindlerhof wurde 1984 eröffnet und erhielt seitdem zahlreiche Auszeichnungen
reiz- statt triebgesteuert sind. Da bleiben dann gar nicht mehr so viele übrig.
BODYMEDIA: Immer wieder ist über die unterschiedlichen Erwartungen der Generation X, Generation Y und Generation Z an einen Job zu lesen. Was sollten Führungskräfte hinsichtlich der Altersstruktur bei der Zusammenstellung des Mitarbeiterteams beachten? Klaus Kobjoll: Alter ist keine Frage von Jahren. Ich kenne 30-jährige Greise und viele 70-jährige Lausbuben. Es gibt aber Positionen in Küche und Service, die eine hohe körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzen und die nur wenige bis ins Rentenalter durchhalten könnten. Kellner oder Koch ist kein Lebensziel, sondern eine Etappe zum Restaurantleiter bzw. zum Küchen-Direktor oder eben zum eigenen Betrieb. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich Jeder Einzelne im Team weiterentwickeln und somit wachsen kann. Ist das bei uns nicht möglich, weil z. B. in absehbarer Zeit keine Führungsposition frei wird, dann eben in anderen Betrieben.
BODYMEDIA: Sie geben seit vielen Jahren Seminare und Coachings. Welche häufigen Fehler erkennen Sie bei vielen Führungskräften gerade im Umgang mit ihren Mitarbeitern und zu was raten Sie konkret? Klaus Kobjoll: Erfolgreiche Menschen sind immer ganz sie selbst! Sie spielen keine Rolle, in die sie nicht so richtig hineinpassen wollen, sie führen ohne Masken, sind authentisch und somit
in ihren Reaktionen berechenbar. Sie haben Freude am Umgang mit Menschen, sind empathisch und kommunizieren gerne. Wir kommunizieren übrigens immer, auch nonverbal!
BODYMEDIA: Können Sie uns Beispiele aus der Praxis aufzählen, aus denen Sie sich komplett raushalten und gleichzeitig Punkte nennen, die sozusagen Chefsache sind und bei denen Ihre Mitarbeiter kein Mitspracherecht haben? Wie wirkt sich das auf die Mitarbeiterbindung aus? Klaus Kobjoll: Die Preispolitik im Hotel ist Chefsache, ebenso alle langfristigen Ziele. Diese werden nur in der Familie entschieden. Wir haben gerade den letzten angrenzenden Bauernhof auf unserer Straßenseite erworben. Die wichtigste Frage dabei war: Ist diese Entscheidung enkeltauglich? Familienunternehmer denken in Generationen! Beim Jahreszielplan hat die Familie das letzte Wort, genauso bei wichtigen Kostenarten wie beispielsweise den Teamkosten, die bei uns 2020 bei 36 %
liegen oder den Wareneinsätzen, für die wir 14,5 % kalkulieren.
Wachstum und Innovation gehören zu den Hauptaufgaben in unserer Familie. Wir bauen z. B. gerade eine große Scheune aus, um sie ab Mai für intuitives Bogenschießen zu verwenden. Als teambildenden Baustein für unsere rund 1.400 Tagungen und Seminare im Jahr. Finanzierungen, Steuerangelegenheiten und die Instandhaltung unserer intensiv genutzten Immobilien sind noch dem Aufgabenbereich meiner Frau angesiedelt und gehen gerade Stück für Stück auf unsere Tochter über. Viele Entscheidungen werden aber im Führungsteam getroffen und liegen unterhalb meiner Wahrnehmungsgrenze.