RICHARD WAGNER SÄMTLICHE BRIEFE herausgegeben im Auftrag der
Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth Herausgeberkollegium
Martin Dürrer Margret Jestremski Andreas Mielke
Band 21
BREITKOPF & HÄRTEL WIESBADEN · LEIPZIG · PARIS
RICHARD WAGNER SÄMTLICHE BRIEFE Band 21 Briefe des Jahres 1869 herausgegeben von
Andreas Mielke
BREITKOPF & HÄRTEL WIESBADEN · LEIPZIG · PARIS
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Vorwort Zwei wichtige Aufführungen seiner Opern sind es, die Wagners Korrespondenz des Jahres 1869 zu einem wesentlichen Teil prägen: die Erstaufführung seines Jugendwerks Rienzi in der französischen Metropole Paris (6. April) und die Uraufführung von Das Rheingold in München (22. September).1 Ursprünglich will Wagner bei beiden Produktionen persönlich mitwirken, bleibt statt dessen jedoch an seinem Wohnort Luzern und versucht von dort, über Briefe und Telegramme die Dinge in seinem Sinne zu beeinflussen; 27mal schreibt er an Hans Richter, 21mal an Charles Nuitter, die sich als treu ergebene Bewunderer und Freunde um seine Angelegenheiten in München bzw. Paris kümmern; weitere Mitteilungen zum Rheingold erhalten König Ludwig II. von Bayern und sein Sekretär Lorenz Düfflipp, zum Rienzi der Dirigent Jules-Étienne Pasdeloup und der Verleger Gustave-Alexandre Flaxland nebst Ehefrau Frances. Nicht minder wichtige Themen des Briefjahrgangs 1869 sind die an mehreren deutschen Bühnen stattfindenden Erstaufführungen der im Vorjahr uraufgeführten Meistersinger von Nürnberg und die kompositorische und schriftstellerische Arbeit: der dritte Siegfried-Akt und das Vorspiel zu Götterdämmerung sowie die Neufassung des Pamphlets Das Judentum in der Musik und die beiden Aufsätze Herr Eduard Devrient und sein Stil und Über das Dirigieren.2 Nachdem im November 1868 Cosima von Bülow zu ihm gezogen ist, richtet sich Wagner immer mehr auf einen längeren oder gar dauerhaften Verbleib in seinem Luzerner Haus ein und bemüht sich um ein behagliches und anregendes Umfeld, u. a. durch die Anschaffung neuer Bilder und Bücher, wovon eine Reihe von Aufträgen und Bestellungen an Verleger, Buchhändler und Maler usw. zeugt. Mittelpunkt von Wagners innerem Leben und Erleben ist Cosima von Bülow; über das zunächst – auch in vielen Briefen – verborgen gehaltene Zusammensein mit ihr, die bevorstehende Scheidung von Hans von Bülow und die geplante (und dann im August 1870 vollzogene) Eheschließung mit Wagner3 finden sich Äußerungen in Briefen an vertraute Personen (z. B. Nr. 225). 1 Siehe ThK 4, 5. 2 Siehe ThK 2, 3, 6, 7. 3 Siehe Nr. 30 K/5–7, Nr. 277 K/34–35, Nr. 308 K/127–129.
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Vorwort
Seit dem 1. Januar 1869 führt Cosima von Bülow ein Tagebuch mit nahezu täglichen Einträgen, in dessen Fokus jedoch nicht sie selbst steht, sondern Wagner. Dieses Tagebuch, eine unschätzbare Quelle für die Erforschung von Leben und Werk des Dichterkomponisten, erweist sich gerade auch bei der Edition und Kommentierung von Wagners Korrespondenz von größtem Wert; beispielsweise lassen sich an Hand der Notizen zu aus- und eingehenden Schreiben Datierungen von undatierten Briefen und Telegrammen vornehmen sowie – und dies ist weit wichtiger – nicht überlieferte Schreiben nachweisen, teilweise sogar mit Inhaltsangaben und Zitaten. Cosima von Bülow, die mit ihrer eigenen Korrespondenz bereits seit 1865 für Wagner wirkt und wirbt, übernimmt es auch, Briefe für ihn zu entwerfen und aufzusetzen (Nr. 46, 84, 117, *189, 357).4 In das Jahr 1869 fallen markante Stationen in Korrespondenzen mit einigen Freunden und Bekannten. Auf Grund persönlicher Zerwürfnisse – an denen ist Wagners Biographie nicht gerade arm – endet der briefliche Kontakt mit Hans von Bülow,5 Wendelin Weißheimer,6 Pauline Viardot und Heinrich Laube, der mit Gottfried Semper wird für Jahre unterbrochen. Der Briefwechsel mit Friedrich Nietzsche beginnt, wird jahrelang in intensivem Austausch fortgeführt und dann gleichfalls nach einem Zerwürfnis abgebrochen. Von den für das Jahr 1869 nachweisbaren 357 Schreiben Wagners (316 Briefe, 41 Telegramme) sind 36 lediglich zu erschließen, d. h. durch Erwähnungen in Wagners Korrespondenz und anderen Quellen (z. B. Cosima von Bülows Tagebuch) nachzuweisen; von sechs Briefen ist nur der Umschlag erhalten (Nr. 2, 15, 65, 195, 206, 281); vier der insgesamt 13 Schreiben an Julius Lang sind z. Zt. nicht auffindbar (Nr. 42, 44, 50, 70). Von den 311 verbleibenden Schreiben werden hier 44 zum ersten Mal überhaupt veröffentlicht; 46 Schreiben, die bisher nur auszugsweise
4 Siehe auch Nr. 179 K/140, Nr. 318 K/64. 5 Zu einem mutmaßlichen Brief Wagners an Bülow aus späteren Jahren siehe CWT, 15. Januar 1878, Bd. 2, S. 37. 6 In Wagners Streit mit Weißheimer folgte 1872 ein hauptsächlich in der Presse ausgetragenes Nachspiel (siehe WBV 6184, 6196, A 372).
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und/oder in Übersetzungen abgedruckt waren, werden zum ersten Mal vollständig bzw. im deutschen Originaltext vorgelegt. * Die Institutionen, in denen die Originale und Abschriften der hier veröffentlichten Dokumente aufbewahrt werden, haben in dankenswerter Weise Kopien davon bereitgestellt: The University of Texas at Austin, Harry Ransom Humanities Research Center; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiearchiv; Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv; Liszt Ferenc Zeneművészeti Főiskola [Franz-Liszt-Musikhochschule] (Budapest); Universitätsund Landesbibliothek Darmstadt; Lippische Landesbibliothek Detmold; Reuter-Wagner-Museum (Eisenach); Frankfurt/Main, Stadt- und Universitätsbibliothek; Bibliothèque publique et universitaire (Genf); Stadtgeschichtliches Museum Leipzig; Universität Leipzig, Universitätsbibliothek „Bibliotheca Albertina“; Archiv des Verlags Schott Musik International (Mainz); Deutsches Literaturarchiv Marbach; Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München); Bayerische Staatsbibliothek (München); The New York Public Library for the Performing Arts (New York/NY); The Pierpont Morgan Library (New York/NY); Bibliothèque nationale de France (Paris); Národní Knihovna [Staatsbibliothek] (Prag); The Washington State University – The Libraries (Pullman/WA); Archives de la Ville et de la Communauté urbaine de Strasbourg; Eisei-Bunko Museum (Tokio); Richard-Wagner-Museum (Tribschen/Luzern); The Library of Congress (Washington/DC); Stiftung Weimarer Klassik, Goethe- und Schiller Archiv (Weimar); Stiftung Weimarer Klassik, Herzogin Anna Amalia Bibliothek (Weimar); Österreichische Nationalbibliothek (Wien); Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur; Zentralbibliothek Zürich – Kantons-, Stadt- und Universitätsbibliothek. Die Kommentare und Register des vorliegenden Bandes gründen zu einem nicht geringen Teil auf Materialien und Auskünften, die von den Mitarbeitern der genannten Institutionen übermittelt wurden sowie von folgenden Damen und Herren: Frau Renée Schneider (Barr, Mairie); Frau Jennifer Bühler und Frau Monika Wechsler (Basel, Universitätsbibliothek); Herr Walter Bartl (Bayreuth, Stadtarchiv); Frau Annemarie Niering (Dresden, Stadtar-
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chiv); Frau Waltraud Lechleuthner (Erlangen, Universitätsbibliothek); Herr Prof. Dr. Ulrich Lappenküper (Friedrichsruh, Ottovon-Bismarck-Stiftung); Frau Silja Geisler-Baum M.A. (Mainz, Wissenschaftliche Stadtbibliothek); Frau Marion Weltmaier und Frau Miriam Althammer (München, Deutsches Theatermuseum); Herr Manfred Forster (München, Monacensia Bibliothek und Literaturarchiv); Frau Judith Käpplinger M.A. (München, Staatsarchiv); Frau Angela Stilwell (München, Stadtarchiv); Frau Halina Pichit M.A. (Zürich, Stadtarchiv). Herr Dr. Peter Jost (München) und Herr Taro Yamazaki (Tokio) vermittelten freundlicherweise Kopien einiger Originalbriefe. Frau Kathrin Neitz (Erlangen), Frau Elfriede Baranowski (Dormitz), Frau Judith Schumann (Würzburg) und Frau Marina Walow (Würzburg) erstellten Computerdateien verschiedener handschriftlicher und gedruckter Materialien. Für die großzügige Bereitstellung von Kopien und für Unterstützung aller Art ist der Herausgeber dem Direktor des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth, Herrn Dr. Sven Friedrich, zu großem Dank verpflichtet, ebenso den Mitarbeitern des Archivs: Frau Diplom-Bibliothekarin Kristina Unger stand bei allen Recherchen kompetent und hilfreich zur Seite, und Frau Dr. Gudrun Föttinger vom Bildarchiv gab wertvolle und umfassende Informationen zu den aus Wagners Besitz überlieferten Werken der bildenden Kunst. Herr Dr. Frank Reinisch vom Verlag Breitkopf & Härtel betreute die Erstellung des Bandes mit Sachkunde und viel Geduld. Nicht zuletzt sei ihm und Frau Katja Olbricht für die akribische Überprüfung der Druckvorlage gedankt. Würzburg, im Oktober 2012
Andreas Mielke
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Benutzerhinweise Inhalt Inhalt der Ausgabe Sämtliche Briefe sind die von Richard Wagner geschriebenen Briefe. Die an Richard Wagner gerichteten Briefe werden, soweit erhalten und zugänglich, für die Kommentierung ausgewertet, sind aber nicht Gegenstand der Edition. Briefe im Sinne der Edition sind persönliche Mitteilungen, die an einzelne Personen oder an eine begrenzte Personengruppe gerichtet sind (etwa an die Mitglieder eines Orchesters). Zu den Briefen werden auch Telegramme, durch Boten beförderte Mitteilungen auf Zetteln usw. gerechnet, nicht aber Widmungen, Albumblätter, Quittungen, Verträge und ähnliche Schriftstücke. In der Edition werden auch Briefe ohne edierbaren Text berücksichtigt. Das sind einerseits Briefe, deren gegenwärtige oder einstige Existenz durch einen Briefumschlag belegt ist oder durch Nachweise anderer Art, die sich auf den Brief als physisches Objekt beziehen (z. B. in Bibliothekskatalogen oder Verkaufsangeboten), sowie andererseits Briefe, die nur durch Indizien – zumeist in der Korrespondenz selbst – bezeugt sind („erschlossene Briefe“). Briefe ohne edierbaren Text werden im Textteil an der ihnen nach dem Datum zukommenden Stelle durch eine Kopfleiste repräsentiert, wobei erschlossene Briefe durch Asteriskus (*) gekennzeichnet sind.
Textteil Der Textteil enthält sämtliche überlieferten und erschlossenen Briefe von Richard Wagner in durchgehender chronologischer Reihenfolge. Mehrere am gleichen Tag geschriebene Briefe erscheinen in der alphabetischen Reihenfolge der Empfängernamen, falls die Schreibreihenfolge sich nicht eindeutig ermitteln läßt. Briefe, deren Niederschrift sich über mehrere Tage erstreckt hat, werden unter dem frühesten bekannten Datum eingeordnet. Briefe, deren Schreibdatum nur näherungsweise ermittelt werden kann, stehen in der Regel am Ende des in Frage kommenden Zeitraumes (Monat oder Jahr).
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Der Textteil enthält im Prinzip den reinen Brieftext. Als textbegleitende Orientierungshilfen werden hinzugefügt: – lebende Kolumnentitel am Kopf der Seite, die über die Nummer und das Datum des auf der jeweiligen Seite enthaltenen Briefes informieren – eine Kopfleiste über jedem einzelnen Brief, die Angaben über den Adressatennamen und -ort sowie Ort und Datum der Niederschrift enthält (Angaben aus Katalogen des Autographenhandels werden stillschweigend übernommen, sofern kein Zweifel an deren Zuverlässigkeit besteht) – eine Zeilenzählung für jeden Brieftext Im Falle von unvollständig oder gar nicht im Originaltext überlieferten Briefen wird auch auf Inhaltsangaben (auch fremdsprachige) und Übersetzungen zurückgegriffen. Erstere werden kursiv, letztere kursiv und in Anführungszeichen gesetzt. Zu den Briefen, die Wagner auf Französisch geschrieben hat, werden im Anhang des Textteils Übersetzungen gegeben. Für Notenbeispiele innerhalb von Briefen wird eine möglichst nahe am originalen Schriftbild bleibende Umschrift gegeben.
Prinzipien der Textkonstituierung Der Brieftext wird unter Wahrung von Rechtschreibung, Zeichensetzung und Absatzgliederung des Originals (bzw. der Vorlage) wiedergegeben; jedoch werden Überstreichungen von Konsonanten als Verdoppelungszeichen stillschweigend aufgelöst. Einfache und doppelte Unterstreichungen werden als solche wiedergegeben. Die in den Rahmenteilen (Orts- und Datumsangabe, Unterschrift, Adresse) vorkommenden Über- und Unterstreichungen, Trennlinien, Schnörkel, Schrägstriche u. ä. werden in der Edition nicht berücksichtigt, es sei denn, sie sind als inhaltliche Hervorhebungen zu interpretieren. Zeichnungen werden in Faksimile wiedergegeben. Hat Wagner selbst Korrekturen vorgenommen, so ist für die Edition die korrigierte Fassung maßgeblich; sofern der Korrekturvorgang für den Inhalt relevant ist, wird auf ihn im Kommentar hingewiesen. Die originale Orts- und Datumsangabe gilt als Bestandteil des Textes und wird in der gegebenen Form ediert, auch wenn dies im Verhältnis zur normierten Kopfleiste zu Redun-
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danzen oder Widersprüchen führt. Nicht zum Brieftext gehören Vermerke des Empfängers oder späterer Besitzer; über sie wird entsprechend ihrer Bedeutung im Kommentar berichtet. Der Brief soll als reiner Text gelesen und zitiert werden können. Der Text wird deshalb nicht durch Erläuterungen erweitert; auch auf diakritische Zeichen und Anmerkungsnummern innerhalb des Textes wird verzichtet. Editorische Einschaltungen in den Text erfolgen nur zur Kennzeichnung von Auslassungen („[...]“), die durch die Überlieferungssituation bedingt sind (Unvollständigkeit des Originals oder anderer Überlieferungsträger). Kleinere Textverluste durch Beschädigung des Originals, die sich mit hinreichender Sicherheit rekonstruieren lassen, werden im Editionstext ergänzt und im Kommentar dokumentiert. Der Grundsatz, die originale Rechtschreibung und Zeichensetzung zu bewahren, wird mit möglichst wenigen Ausnahmen durchgeführt. Berichtigt werden offensichtliche Schreibversehen, wie ausgelassene oder versehentlich doppelt geschriebene Worte, Verschreibungen (Dreden statt Dresden) usw. Zur Vermeidung von Verständnisschwierigkeiten wird die nicht immer konsequente Groß- und Kleinschreibung der Personalpronomina korrigiert. Die Emendationen werden nicht innerhalb des Brieftextes als solche bezeichnet, sondern im Abschnitt „Textkonstituierung“ des Kommentars nachgewiesen. Nicht verbessert werden dagegen Irrtümer des Briefschreibers in bezug auf Fakten und Schreibweisen (insbesondere von Namen und Fremdwörtern). Auch Inkonsequenzen bzw. wechselnde Schreibweisen werden beibehalten. Es versteht sich von selbst, daß die Entscheidung, ob ein Versehen vorliegt oder ob Wagner tatsächlich so schreiben wollte, nicht in jedem Fall sicher zu treffen ist. Einige Abweichungen vom modernen Sprachgebrauch seien hier exemplarisch angeführt: – Alte Formen und Schreibweisen: Einzelnheiten, Spatziergang, vertrauenvoll, Weihnachtgeschenk. Es wird nicht konsequent wieder / wider unterschieden, z. B. Widerherstellung, Wiederwillen. – Getrennt- und Zusammenschreibung: Gasthof Leben, zusammen zu kommen. – Gelegentlich kommen ungewöhnliche Beugungen vor, so wird nach alle das folgende Adjektiv oft parallel gebeugt, z. B. alle gute Mächte.
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– Mengen- und Zeitangaben: ein gross Stück, ein halb Jahr. – Die Rektion einiger Verben entspricht nicht dem heutigen Gebrauch, z. B. ich versichere Dich, ich bedeute Dich. Die französisch geschriebenen Briefe Wagners werden grundsätzlich ohne editorische Eingriffe wiedergegeben, d. h. Irrtümer hinsichtlich Orthographie, Grammatik und Syntax bleiben unverändert stehen. Nur ganz offensichtliche Schreibversehen, wie z. B. ausgelassene oder doppelt geschriebene Worte, werden korrigiert und im Kommentar dokumentiert. Ist ein Brief nur im Konzeptstadium erhalten, so wird das Konzept innerhalb des Editionsteils an der ihm chronologisch zukommenden Stelle abgedruckt. Der Konzeptzustand des Textes wird in der Edition dokumentiert, d. h. Streichungen bzw. überschriebene Worte (in „ “) und Einschübe (in „\ /“) sind aus der Textwiedergabe zu erkennen. Ist die Redaktionsvorlage ein Druck, so werden dessen Hervorhebungen (Sperrung, Kursivdruck u. ä.) als Unterstreichung wiedergegeben, hervorgehobene Werktitel werden in Anführungszeichen gesetzt. Nicht übernommen werden dagegen Hervorhebungen in der Anrede und den Rahmenteilen (Orts- und Datumsangabe, Unterschrift, Adresse). Bei der Anrede und den Rahmenteilen wird gegebenenfalls eine den Schreibgewohnheiten Wagners entsprechende Absatzgliederung vorgenommen. Hiervon abweichende Verfahrensweisen werden im Kommentar vermerkt.
Kommentar Der Kommentar enthält sowohl Angaben zu den Einzelbriefen als auch Erläuterungen, die sich auf briefübergreifende Themen beziehen. Die letzteren werden zu Beginn des Kommentarteils in einem allgemeiner gehaltenen Abschnitt („Themenkommentar“) gegeben. Um den Einzelbriefkommentar zu entlasten, sind die Punkte ausgespart, die im Themenkommentar schon erläutert wurden; auf Querverweise wird verzichtet, sofern der Bezug auf das jeweilige Thema eindeutig ist. Der Kommentar für den Einzelbrief setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: – Kopfleiste – Grundkommentar
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– Textkonstituierung – Erläuterungen Der Grundkommentar steht in einem auf die Kopfleiste folgenden Absatz ohne eigene Überschrift. Er enthält Angaben zu den Quellen und – soweit vorhanden – zu früheren Ausgaben. Hat sich im Rahmen der Textkonstituierung ergeben, daß Ausgaben unvollständig sind, so wird dies mitgeteilt; eine systematische Überprüfung findet nicht statt. Falls nötig, werden außerdem die Identität des Adressaten und das Schreibdatum diskutiert sowie weitere Angaben formeller Art gemacht (z. B. über Beilagen). Der Abschnitt „Textkonstituierung“ dokumentiert alle editorischen Entscheidungen bezüglich des vorgelegten Textes. Er ist erforderlich, wenn das Original Schreibversehen enthält, oder wenn über andere Besonderheiten des Originals zu berichten ist, die aus dem Editionstext nicht unmittelbar zu erkennen sind. Wenn nicht oder nur teilweise nach dem Original ediert werden kann, so wird die Redaktionsvorlage genannt. Sind mehrere gleichrangige Überlieferungsträger vorhanden, wird die Auswahl begründet. Signifikante Abweichungen der anderen Quellen werden dokumentiert. Der Abschnitt „Erläuterungen“ gibt in kurzer Form Informationen zu einzelnen Stellen des Briefes, deren Bedeutung oder Bezug aus dem Text selbst nicht erkannt werden kann. Die kommentierte Stelle wird durch Zeilennummer und ein Stichwort (Lemma) bezeichnet. Durch die Erläuterungen sollen auch alle im Brief vorkommenden Personen identifizierbar und somit im Personenregister auffindbar sein, wo nähere Informationen gegeben werden. Die Register verweisen grundsätzlich auf die Briefnummer, wobei Zeilenangaben mit Schrägstrich angeschlossen werden. Das Kürzel „K“ weist auf den entsprechenden Einzelbriefkommentar. Nicht berücksichtigt werden die Autoren der zitierten Sekundärliteratur. Die ohne Fundstellennachweis verzeichneten Personen erscheinen nur als Adressaten. Die entsprechenden Briefnummern können im Adressatenregister nachgeschlagen werden.
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A N J OHANN L INDNER IN M ÜNCHEN LUZERN , D IENSTAG , 5. JANUAR 1869
Geehrtester Herr!
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Ich schicke Ihnen die mir übersendete Zeichnung mit den beigelegten Kupferstichen heute wieder zurück, und gebe Ihnen hierzu die Versicherung, dass Ihr Vorhaben mich sehr freut, da ich ersehe dass Sie ein gutes und ähnliches Blatt von meinem Porträt liefern werden. Im Betreff des Mundes, welcher auf der Photographie (wie unerlässlich?) etwas zu sehr gezogen ausgefallen ist, wäre vielleicht eine kleine Regelung nach der Natur, oder selbst nach Herrn Prof. Zumbusch’s Büste von mir wohlthätig; doch ist Gefahr, dass hierdurch einige Unähnlichkeit entstehen könnte, und ich würde, wollten Sie hierin etwas motiviren, jedenfalls zur grössten Vorsicht rathen. Mit bestem Dank verbleibe ich hochachtungsvoll Ihr Luzern. ergebener 5 Jan. 1869. Richard Wagner.
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A N M ATHILDE M AIER IN M AINZ LUZERN , D IENSTAG , 5. JANUAR 1869
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A N C HARLES N UITTER IN PARIS LUZERN , F REITAG , 8. JANUAR 1869
Cher ami,
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votre lettre m’a été très instructive; elle me montre encore une fois notre cher Paris sous cet aspect, qu’on oublit insensiblement quand on vit pendant quelque temps loin de ses frivolités passagères et pourtant éternelles. Je comprends que ce qui s’est opposé à la publication de mon article n’était pas son importance, mais avant tout sa trop grande extension en face des annonces d’Etrennes. – Ehbien! ceci est reglé. Et je vous plains seulement de la peine inutile que je vous ai causée à cet égard. – L’affaire Rienzi me parait plus importante. À la vue des épreuves envoyées par notre ami Flaxland je me suis effrayé d’abord
Abb. 1: Richard Wagner, Stich von Johann Lindner
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des coupures, qui ne doivent pas se trouver dans la partition de grande orchestre, que j’ai fait parvenir il y a environs 7 ans à Mr. Guillaume à Bruxelles par l’intermédiaire de Mr. Schott. Flaxland m’a écrit qu’il m’enverrait cette partition, pour pouvoir y indiquer ce que je voulais voir restitué. J’attends en vain. – Pour la traduction des paroles je me suis apperçu que trop souvent il faut adapter la musique à l’accent de la phrase, en apportant les changemens nécessaires dans les notes. J’ai cru que pour exécuter avec goût ces changemens personne ne serait plus propre que Mr. Roger (puisque Mr. Vautrot sera toujours trop occupé pour entreprendre un tel travail): ehbien, Flaxland me démande, qui est ce Mr. Roger? Veuillez lui dire, que c’est l’ancien celèbre tenor Roger, maintenant, à ce que j’ai appris professeur de chant au conservatoire. Je crois que celui-ci (qui entend en même temps l’allemand, fait des bons vers, et qui est en général un homme d’un goût exquis pour le chant dramatique) serait très recommandable soit à Flaxland, soit à Pasdeloup pour l’affaire de nos opéras. Je demande encore une fois, que l’on le charge de faire ces changemens nécessaires, dont je viens de vous parler. Il y a pourtant aussi des endroits, où le sens juste de la phrase doit être rendu plus exactement; j’en ai indiqué plusieurs. – Au reste, tout ce que Vous me dites des affaire de Pasdeloup à son théâtre lyrique, me degoûte énormement, comme vous le devez bien penser. Mon seul espoir répose dans la clause faite au traité, qui me donne le droit de juger de ses artistes et en général de ses forces artistiques. Veillez bien, je vous conjure, cher ami, à ce que mon droit ne soit pas éludé. Je suis prêt de venir à Paris pour cela, malgré ma répugnance bien vive de m’y mêler. Mais, avant tout, parions une fausse couche! – Je ne sais plus vous ecrire d’avantage. Je suis toujours dans la solitude, toujours un peu souffrant, mais toujours m’efforcant d’arracher à ma drôle de tete quelque chose, qui me fasse oublier le misère de ce monde misérable. Gardez toujours votre bonne humeur sceptique et si exacte en même temps! Soyez toujours remercié de Votre amitié pour moi, et dites à notre cher papa que je l’embrasse de tout mon cœur. Adieu, cher ami! Votre Lucerne Richard Wagner. 8 Janv. 1869.
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Voici l’adresse de Mad. Judith Mendès, qui prépare une brochure sur moi et pourra peutêtre y inserer mon article – Rossini. – 23. rue Royale St. Honoré.
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A N J OSEF S TANDTHARTNER IN W IEN LUZERN , S AMSTAG , 9. JANUAR 1869
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Ich fürchte nicht, lieber Freund, dass die Besorgniss vor allzuvertrauten Mittheilungen meiner Seits, welche ich Dir vermuthlich durch meinen letzten Brief erweckt habe, Dich, wie sie Dich von jedem Lebenszeichen gegen mich abgehalten hat, auch verhindern dürfte, mir die Gefälligkeit zu erzeigen, um welche ich Dich heute bitte. Ich wünschte nämlich, dass Du so gut wärest, alsbald, wenn Du diesen Brief empfangen, den Herrn Philipp Haas, oder auch nur dessen Geschäftsführer, Herrn Nader, aufzusuchen, und in meinem Namen die Herren um eine kleine Geduld für mich anzusprechen. Es ist nämlich bei Gelegenheit meines Auftrages vor nun bald zwei Jahren mir im Bülowschen Hause in München meine Absteigwohnung herzurichten, durch eine mir unklar gebliebene Verwirrung etwas stark in Bestellungen bei Haas hineingerathen worden: zugleich überstiegen die schliesslich sich herausstellenden Kosten des inneren Umbaues des hier auf Tribschen von mir bewohnten Hauses so bedeutend die Anschläge, dass ich, überstark in Anspruch genommen, zunächst das reiche Haus Ph. Haas um etwas grössere Geduld im Betreff meiner Zahlungen an sie bitten musste. Zu ihrer allmählichen Deckung bestimmte ich die voraussichtlichen starken Einnahmen von meinen Meistersingern, welche ich zu nichts anderem gebrauche, da ich sonst zu leben habe. Unter der Verzögerung der Aufführungen dieses Werkes auf gewinnbringenden Theatern habe ich nun eben im Betreff meiner Verpflichtungen an Ph. Haas zu leiden, da ich endlich für bestimmt ihnen eine bedeutendere Zahlung für den Schluss des vergangenen Jahres versprach. Als ich das Jahresende herannahen sah, ohne dass meine Unterhandlungen mit den Theatern (namentlich auch den verschiedenen preussischen) zu Zahlungsresultaten geführt hatten, mein Versprechen an Ph. Haas aber gehalten
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werden sollte, wandte ich mich wegen eines genügenden Vorschusses auf meinen Gehalt an den mir persönlich ergebenen Hofsecretär des Königs von Bayern nach München. Als dieser mir zuvörderst die Besorgung des Vorschusses zusagte und mich eben nur um etwas Zeit und Abwartung der günstigen Gelegenheit bat, schrieb ich Ph. Haas von neuem wegen der am Jahresschluss zu erwartenden Zahlung zu. Bis jetzt bin ich nun aber ohne Erledigung der Sache geblieben, habe jedoch Grund jeden Tag die erwünschte Nachricht erwarten zu dürfen, da keinerlei dem entgegenstehendes Anzeichen mir zugekommen ist; andererseits – die unglaubliche Ueberhäufung von Geschäften den Hofsecretär gerade in dieser Zeit sehr füglich entschuldigt, weshalb ich auch aus sehr erklärlichen Gründen Bedenken trage, durch erneuetes Mahnen mich in ein übles Licht zu setzen. Wolltest Du nun dieses den betreffenden Personen freundschaftlich der vollen Wahrheit gemäss mittheilen, erstens aus dem Grunde, weil es mir sehr peinlich ist, mein Versprechen nicht pünktlich haben halten zu können, zweitens, weil ich – eben wegen dieser Unpünktlichkeit – befürchten muss, die Herren beunruhigt zu sehen, und vielleicht gar sie zu unnützen, lästigen Schritten desshalb verleitet zu wissen. – Alles, um was ich sie bitte, ist hinter meinem Zögern sowohl keine hinterhältigen Ausflüchte, als auch nicht totale Unfähigkeit, meinen Verpflichtungen überhaupt nachzukommen, zu vermuthen, sondern diesen Dir auf meine Ehre wahrhaftig gegebenen Versicherungen u. Erklärungen zu glauben. Ueber diesen Monat hinaus soll jedoch die Ungewissheit keinesfalls dauern, weil ich dann wohl entschuldigt sein würde, wenn ich in München wieder nachfrüge. Doch habe ich aus analogen Fällen die bestimmte Annahme zu hegen, dass die Sache sich gewiss dieser nächsten Tage erledigen wird. – Hierum wollte ich Dich herzlichst gebeten haben! – Mit den besten Wünschen für ein glückliches Neues Jahr verbleibe ich Dein treu ergebener Richard Wagner.
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A N H EINRICH E SSER IN W IEN LUZERN , S ONNTAG , 10. JANUAR 1869
Lieber, verehrter Freund!
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Vor Allem: Gruss zum Neuenjahr! Dann: – Hölzl hat sich vor einiger Zeit gegen mich beklagt; meine Protestation gegen seine Leistung als Beckmesser sei der Grund, aus welchem die Direction des K. K. Hofoperntheaters ihm sein Widerengagement versage. Wollen Sie nun in diesem Punkte nochmals meine wohlerwogene Meinung hören. Sie nannten mir zuletzt Meyerhofer für diese Rolle: den möchte ich ganz refüsiren, weil ich ihn, trotz Aller sonstigen Begabung, für eigentlich talentlos halte. Von dem zweiten Sänger, den Sie mir nannten, und von dem ich in diesem Augenblick den Namen vergesse (ich glaube: Lay.), habe ich einmal den Baumgarten im Tell vortrefflich gehört u. gesehen, und äusserte mich desshalb seiner Zeit sehr günstlich für ihn. Leider kenne ich ihn aber gar nicht weiter, und möchte mich nicht so auf das Gerathewohl hin im Betreff der so eigenthümlichen Rolle des Beckmesser für ihn kategorisch entscheiden. Im Betreff des Hrn. Hölzl bin ich zwischen zwei Erfahrungen in einer schwierigen Wahl-Lage. Offenbar hat er wirkliches Talent, imponirende komische Persönlichkeit und Applomb. Was mir an ihm so widerwärtig aufgefallen ist, war sein fast absichtlicher und boshafter Ungehorsam gegen meine Angaben in Betreff der Wiedergabe der charakteristischen Züge seiner Rolle, welche doch andererseits den übrigen Darstellern meiner Oper, weil sie sie genau beachteten, so sehr zum Vortheil ausgeschlagen sind. Er hat durch sein hartnäckiges Verharren bei seiner Art der stabilen burlesken Auffassung mir Schaden gethan, indem er das Publikum u. die Kritik über meine Absicht in Bezug auf diesen Charakter gänzlich irre geleitet und auf die Ansicht gebracht hat, der Beckmesser sei ein Possenreisser. Für die erste Aufführung sah ich ihm manches nach: da ich aber erfuhr, dass er hartnäckig dabei blieb meine Weisungen zu misachten, auch sonst sehr niederschlagende Notizen über ihn mir zukamen, so lag es mir nahe, alle Hoffnungen in seinem Bezug aufzugeben.
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Mit dem Allem bestätige ich aber doch, dass ich ihn für ein wirkliches Talent halte, das nicht so leicht bloss durch einen guten Willen zu ersetzen ist. Hat nun die Direction sonst Gründe, von den Leistungen Hölzl’s wieder Vortheil zu ziehen, so möchte ich ihm nicht im Wege stehen. Fände daher die Direction Veranlassung, sich mit Hölzl einzulassen, selbst auch für die Partie des Beckmesser, so würde ich nur darauf dringen, ihm hierfür gewissenhaft einzuschärfen, genauer auf meine sehr bestimmt ihm gegebenen Anweisungen einzugehen, welche ich, käme es dazu, noch einmal durch die Direction ihm bestimmt mittheilen lassen würde. – Diess in Bezug auf diesen Fall! – Ob Sie die Meistersinger nicht bereits ganz aufgegeben haben, ist dagegen eine andere Frage: vielleicht streite ich mich daher hier um des Kaisers Bart (pardon!). – Nur wollte ich diesen Punkt hier gelegentlich erledigt haben. – Mit herzlichstem Grusse der Ihrige Luzern. Richard Wagner. 10 Januar 1869.
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Werthester Freund!
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Ich darf Sie nun länger nicht mehr in Ungewissheit lassen. Schwer fällt mir vor Allem der Gedanke, dass Sie mich etwa einer geringschätzigen Vernachlässigung Ihres Anliegens glaubten zeihen zu dürfen. Vernehmen Sie! Meine Hoffnung, Ihnen förderlich werden zu können, gründete sich auf das Vorhaben, mit dem Könige im Spätherbst zu einer Unterredung zu gelangen. Diess hat sich nicht gemacht. Seitdem nahm ich mir vor, eine gewisse Nachricht abzuwarten, um darauf Veranlassung zu nehmen, Ihre Angelegenheit dem Hofrath Düfflipp, der sich bisher im Ganzen nicht unfreundschaftlich gegen mich benommen, anzuempfehlen; ich würde Ihnen dazu einen Brief an diesen Herrn übersandt haben, und Sie hätten dann mündlich die Sache weiter betreiben können. Bis heute verharrt
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aber Alles im Schweigen gegen mich. Was mir aus München zukommt, sind einzig die Nummern der „Süddeutschen Presse“, welche man mir anonym zuschickt, vermuthlich um mir zu sagen, welche Saiten man dort jetzt aufziehe, um den König ausser allem Verkehr mit mir zu setzen. Ich sage Ihnen aufrichtig, verehrter Freund, dass ich auf mein ferneres Wirken in München, und zwar durch die Gunst des Königs, auch nicht die mindeste Hoffnung mehr setze, ja, dass ich mich selbst sehr ernstlich darauf gefasst mache, eines Tages jedes Schutzes und jeder Wohlthat von dort her beraubt zu sein. Sollte sich ganz unerwartet ein anderes Licht zeigen, und sollte ich mir einigermaassen wieder bewusst werden können, dass ich mit einer Bitte für irgend Jemand, welcher in geistvoller Weise Partei für mich ergreift, dort nicht auf die ausgemachteste Tendenz gerade hiergegen stosse, so will ich Sie sofort davon benachrichtigen. Für heute fühle ich nur die Pflicht, Ihnen meinen allerbestimmtesten Zweifel daran kundzuthun, dass ich Ihnen auch nur von dem allermindesten Nutzen sein könnte. Ich habe, um keine Uebereilung hiermit zu begehen, bis heute gewartet. Nun würde ich aber gewissenlos sein, Ihrer Lage auch noch den ferneren Nachtheil einer Ungewissheit über mich hinzuzufügen. Heute versendete ich das Manuscript zu einer neuen Brochüre an J. J. Weber nach Leipzig: wenn diese erscheint, werden Sie aus ihr ersehen, wie vollständig hoffnungslos ich bin – in Allem und für Alles! – Ich kann Ihnen keinen besseren Gruss zum Neujahr geben. Wird Sie meine Stimmung erkräftigen oder entmuthigen? Ich bin rathlos für das eine, wie gegen das andere. Es ist eben Alles zu niederträchtig, – und diess ist nicht von heute; sondern wachsender Verfall. – Leben Sie wohl, und gedenken Sie meiner in Freundschaft! Der Ihrige Luzern Richard Wagner. 11 Jan. 1869.
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Themenkommentar 1. Aufenthalte und Reisen Seit Anfang April 1866 bewohnte Wagner das auf einer Landzunge am Vierwaldstätter See gelegene Landgut Tribschen bei Luzern.1 Hier blieb er insgesamt sechs Jahre, bis zu seinem Umzug nach Bayreuth im April 1872. 1866 und 1867 hatte Wagner das Haus aufwendig renovieren und umbauen lassen;2 im ersten Halbjahr 1869 gab es weitere Einrichtungs- und Umgestaltungsarbeiten,3 da Wagner seiner Lebensgefährtin Cosima von Bülow, die im November 1868 mit ihren vier Kindern bei ihm eingezogen war,4 praktische und angenehme Wohnräume bieten wollte. Im Laufe des Jahres 1869 machte Wagner eine einzige Reise; Anlaß dafür waren die Probleme bei der Rheingold-Uraufführung am Hof- und Nationaltheater in München (ThK 5c, d). Er fuhr am späten Nachmittag des 31. August mit der Eisenbahn von Luzern ab und erreichte München am 1. September um 5.00 Uhr früh; Hans Richter und Ludwig Nohl holten ihn am Bahnhof ab. Er wurde – wie gewünscht (Nr. 241/6) – ganz in der Nähe von Richters Wohnung untergebracht, bei dem mit Richter befreundeten Reinhard Schaefer.5 Nach Richters Angabe verließ Wagner „während seiner kaum vierundzwanzigstündigen Anwesenheit die innegehabte Wohnung keinen Augenblick“.6 Bereits am frühen Morgen des 2. September machte er sich auf den Rückweg nach Luzern, wo er um 18.45 Uhr eintraf.7
1 Siehe SBr 18, ThK 1b. 2 Siehe Nr. 49/189–197, Nr. 322/17–22, 52–53; SBr 18, Nr. 152 K/2–3; SBr 19, Nr. 140 K/31. 3 Siehe z. B. CWT, 31. März, 21. April, 3. Juni 1869, Bd. 1, S. 79, 88, 102. 4 Siehe Nr. 30 K/5–7. 5 Siehe Nohl, Musikdrama, S. 238; siehe auch Nr. 278 K/9. – Richter wohnte in der Maximilianstraße Nr. 6, Schaefer in der Neuen Pferdstraße (westlicher Teil der heutigen Christophstraße) Nr. 6 ½. 6 Richter, Oeffentliche Erklärung (wie Nr. 271 K/3), S. 8. 7 Siehe Nr. 251/1; CWT, 2. September 1869, Bd. 1, S. 147; Gautier, Collier, S. 220–221.
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Themenkommentar
2. Werke Nach den 1854 bzw. 1856 vollendeten Opern Das Rheingold und Die Walküre war es Wagners Absicht gewesen, mit der Komposition von Siegfried und Götterdämmerung seinen vierteiligen Ring des Nibelungen unverzüglich fortzusetzen und abzuschließen. Die im September 1856 in Zürich aufgenommene Arbeit an der Musik von Siegfried hatte Wagner jedoch im Sommer 1857 zur Seite gelegt und später, zwischen Dezember 1864 und Dezember 1865 in München, nur vorübergehend weitergeführt.8 In Zürich war die Partitur des ersten Aktes (Erstschrift) und die Orchesterskizze des zweiten Aktes entstanden, in München die Partitur des zweiten Aktes (Erstschrift).9 Von März 1869 an widmete sich Wagner intensiv dem dritten Siegfried-Akt, vom Herbst an auch bereits der Götterdämmerung. a) Siegfried In den ersten Wochen des Jahres 1869 arbeitete Wagner zunächst noch an der Reinschrift des zweiten Aktes,10 was, wie er König Ludwig II. von Bayern erklärte, keineswegs eine rein mechanische Tätigkeit war, sondern ihm dazu diente, sich nach der „Unterbrechung von zwölf Jahren11 [...] gänzlich erst wieder in den Geist“ seines Werkes „zu versetzen“ (Nr. 49/26–27, 31). Am 24. Februar schrieb er dem König, daß er nun in den „Bereich“ seines „dritten Aktes eintrete“ (Nr. 49/84–85).12 Kompositionsskizze.13 – In der Kompositionsskizze ist der Beginn des dritten Aktes auf den „1 März. 69“ datiert.14 Ludwig II. wurde in den nächsten Wochen genau über den Fortgang der Arbeit auf dem laufenden gehalten: am 22. März über die Fertigstellung der ersten und den Anfang der zweiten Szene 8 Siehe SBr 16, ThK 6c; SBr 17, ThK 7a. 9 Siehe WWV, S. 410–411. – Zur Terminologie ‚Kompositionsskizze‘, ‚Orchesterskizze‘ und ‚Partitur‘ siehe ebd., S. 15. 10 Siehe Nr. 49 K/2–3. 11 Seine Arbeit an Siegfried in den Jahren 1864/65 läßt Wagner hier unberücksichtigt. 12 Vgl. Nr. 45/68–70, Nr. 59/48–52. 13 WWV 86C, Musik II. – Siehe Westernhagen, „Ring“, S. 195–212. 14 Zit. nach WWV, S. 382 (danach auch alle nachfolgend zitierten Datierungen); Abb.: Westernhagen, „Ring“, S. 196–197.
Themenkommentar
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(Nr. 94/97–99), und am 4., 18. und 26. Mai über einzelne Stellen der dritten Szene (Nr. 140/2–6, Nr. 150/36–38, 49–51, 55–56, Nr. 157/70–73). Cosima von Bülows Tagebuch enthält zahlreiche Einzelheiten zur Entstehung des dritten Akts, insbesondere der dritten Szene; am 30. April beispielsweise notierte sie: „R. kommt herein und drückt mir feurig die Hand, er ist bei der Arbeit: (Heil der Mutter, die mich gebar).“15 Am Schluß der Kompositionsskizze steht: „Richtig / Ausgetragen / 14 Juni 1869“. Die Bedeutung dieser Bemerkung geht aus Cosima von Bülows Tagebuch hervor: „Um ein Uhr kommt er mit den Skizzen in der Hand, ‚richtig ausgetragen‘ steht darauf, er meint, jetzt ist unser Kind erst geboren.“16 Das „Kind“ war der eine Woche zuvor geborene gemeinsame Sohn Siegfried. Orchesterskizze.17 – Eine gute Woche später nahm Wagner, wie in Briefen an den König erläutert, die „Ausführung“ der Kompositionsskizze des dritten Aktes in Angriff, d. h. die Übertragung seiner „wilden, nur mir verständlichen Aufzeichnungen“18 in die „solidere Notenschriftsprache“ der Orchesterskizze (Nr. 150/41–42, Nr. 179/157–158). Einzelne Punkte der Arbeit sind wiederum in Cosima von Bülows Tagebuch festgehalten.19 Am 4. August heißt es dort schließlich: „R. beendigt seine Skizze des dritten Aktes.“20 Die originale Datierung dieser Stelle lautet: „5 August 69 / RW“. Particell für Ludwig II.21 – Noch am selben 5. August machte Wagner sich daran, den dritten Siegfried-Akt – ausgehend von der Orchesterskizze – mit kalligraphischer Meisterschaft in ein Particell zu übertragen, als Geschenk zum 24. Geburtstag von König Ludwig II. am 25. August22 – quasi als Ersatz für das vollständige Werk, das „zum Allerhöchsten Geburtstage“ vorzulegen er im letzten Winter versprochen hatte.23
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CWT, Bd. 1, S. 90; bezieht sich auf 3. Akt, 3. Szene (Siegfried). CWT, Bd. 1, S. 109. WWV 86C, Musik III. Siehe z. B. Westernhagen, „Ring“, S. 196–197 (Faks. des Vorspiels). CWT, 3., 7., 12. Juli, 3. August 1869, Bd. 1, S. 120, 123, 126, 136. CWT, Bd. 1, S. 137. WWV 86C, Musik IV. Abb.: Br Ludwig, Nr. X (Bd. 2, nach S. 288); Kapp, Bilder, S. 127. – Siehe Brief Ludwigs II. an Wagner vom 22. Oktober 1869 (Br Ludwig, Bd. 2, S. 288); WWV, S. 412. 23 Brief an Lorenz Düfflipp vom 5. Dezember 1868 (SBr 20).
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Themenkommentar
Auf die erste Seite der am 21. August vollendeten Handschrift schrieb er: „Siegfried / III. / Im Frühling 1869 ausgeführt / und / Seinem Königlichen Freunde / zu dessen 25n [sic] Geburtstage / geweiht / von / Richard Wagner“;24 die nächste Seite enthält ein Widmungsgedicht, das mit den auf Brünnhilde und Wotan bezogenen Zeilen beginnt: „Sie ist erweckt, die lang’ in Schlaf verloren / Erfüllt ist nun des Gottes stummer Rath“.25 Partitur.26 – Am 25. August begann Wagner mit der „Instrumentierung des III. Aktes“,27 womit die weitere Ausarbeitung der Orchesterskizze zur vollständigen Partitur gemeint ist.28 Bis Ende Oktober blieb er bei dieser Arbeit, bei einem gewöhnlichen Fortschritt von einer Seite pro Tag;29 Anfang Oktober befaßte er sich aber bereits gleichzeitig mit der Götterdämmerung (ThK 2b). Die Vollendung der Instrumentierung des dritten Siegfried-Akts und damit der Partitur des ganzen Werks wurde nun immer weiter hinausgezögert, und zwar bis Anfang Februar 1871. Der Hauptgrund dafür war Wagners Erbitterung über die Uraufführungen des Rheingold und der Walküre, die gegen seinen Willen, aber auf Befehl von Ludwig II. von Bayern am 22. September 1869 und 26. Juni 1870 am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München stattfanden. Um dem Siegfried dieses Los zu ersparen, ließ Wagner davon – anders als bei Rheingold und Walküre – keine Partitur in die Hand des Königs gelangen.30 b) Götterdämmerung Wagner wollte jetzt, noch vor Abschluß der Siegfried-Partitur, „das letzte Nibelungenstück sogleich in Angriff nehmen u. fertig machen“, wie er Peter Cornelius mitteilte (Nr. 287/48–49). Am 30. September bemerkte Cosima von Bülow, daß Wagner „an der Götterdämmerung“ arbeitete, und zwei Tage später bekam sie den 24 25 26 27
WBV A 314; zit. nach WWV, S. 382. Br Ludwig, Bd. 2, Nr. 430. WWV 86C, Musik V. CWT, Bd. 1, S. 144; entsprechend die originale Datierung: „25 August 1869“. 28 Vgl. Nr. 150/41–43, Nr. 179/169–173. 29 Siehe CWT, 26. August, 5., 26. September, 8., 9., 20., 21., 27. Oktober 1869, Bd. 1, S. 144, 148, 154–155, 158, 161, 163. 30 Siehe Brief an Franz Schott von November/Dezember 1870 (SBr 22, Nr. 271/2–18); WWV, S. 383, 411–412.
Themenkommentar
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„Beginn der Nornenscene“ zu Gesicht, der in dieser Oper die Funktion eines Vorspiels zukommt;31 dies stimmt mit der Datierung in der Kompositionsskizze32 überein („2 Oct. 69.“).33 Am 12. Dezember beendete Wagner die „Bleistift-Skizze des Vorspieles“.34 Sein Vorhaben, dem König, dem er seine augenblickliche Beschäftigung angedeutet hatte (Nr. 314/60–61, Nr. 325/ 179–182), das „ganze Vorspiel zu der ‚Götterdämmerung‘“ – d. h. nicht erst in der Kompositions-, sondern bereits in der Orchesterskizze – „vollendet [...] auf den Weihnachtstisch“ zu legen, konnte er wegen der „Folgen einer verschleppten Erkältung“ nicht ausführen, wie er am 30. Dezember meldete (Nr. 349/11–12, 28–29). Die Kompositionsskizze wurde am 9. Januar 1870 fortgesetzt, zunächst mit einer der Nornen-Szene vorgeschalteten instrumentalen Einleitung, dann mit den drei Akten, deren letzter im April 1872 abgeschlossen war;35 in geringer zeitlicher Versetzung dazu entstand die Orchesterskizze (Januar 1870 bis Juli 1872).36 Die Niederschrift der Partitur erfolgte zwischen Mai 1873 und November 1874; damit vollendete Wagner, fast ein Vierteljahrhundert nach den ersten Entwürfen, den „Riesenbau“ seines „Nibelungenwerkes“.37
3. Die Meistersinger von Nürnberg, Erstaufführungen Am 21. Juni 1868 hatten Die Meistersinger von Nürnberg am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München eine glanzvolle und vielbeachtete Uraufführung erlebt. Obgleich Wagner sich schon seit dem Sommer 1867 – noch vor Vollendung der Partitur – damit beschäftigt hatte, welche Bühnen das Werk anschließend übernehmen würden,38 sollten nach der Uraufführung sieben volle 31 32 33 34 35 36 37
CWT, 30. September, 2. Oktober 1869, Bd. 1, S. 156, 157. WWV 86D, Musik III. – Siehe Westernhagen, Ring, S. 217–227. Zit. nach WWV, S. 398. CWT, Bd. 1, S. 178. Siehe Westernhagen, Ring, S. 217–219, 228–283; WWV, S. 398. WWV 86D, Musik IV. – Siehe auch Nr. 349 K/65–66. Brief an Ludwig II. von Bayern vom 14. Juli 1866 (SBr 18, Nr. 216/ 38–39). – Siehe WWV, S. 404–412. 38 Siehe Brief an Hans Bronsart von Schellendorf vom 8. August 1867 (SBr 19, Nr. 170/9–15). – Die Partitur trägt das Schlußdatum des 24. Oktober 1867 (siehe WWV, S. 478).
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Themenkommentar
Monate bis zur ersten Aufführung an einem anderen Theater vergehen. Den Auftakt machte Dresden am 21. Januar 1869, im selben Jahr folgten Dessau, Karlsruhe, Mannheim und Weimar, im nächsten Jahr Hannover, Berlin und Wien.39 In Wagners Korrespondenz des Jahres 1869 finden alle diese Aufführungen ihren mehr oder minder starken Widerhall.40 a) 1869 (Dresden, Dessau, Karlsruhe, Mannheim, Weimar) Dresden, 21. Januar 1869. – Julius von Platen-Hallermund, der Intendant des Königlich Sächsischen Hoftheaters in Dresden, hatte schon im Herbst 1867 sein Interesse an den Meistersingern angemeldet.41 Wagners Kontakt zu dem Theater lief zunächst über den alten und treu ergebenen Freund Joseph Tichatschek. Im Januar 1869 erörterte er mit Anton Mitterwurzer, dem Hans Sachs der Dresdener Aufführung, das Problem der richtigen Tempi (Nr. 9/2–3, Nr. 12/2–10). Die Absicht, selbst in Dresden nach dem Rechten zu sehen, gab er jedoch wieder auf.42 Die von Julius Rietz geleitete Aufführung fand am 21. Januar vor überfülltem Hause statt. Von dem großen Publikumserfolg erfuhr Wagner durch Verwandte und Freunde43 sowie durch die Neue Zeitschrift für Musik.44 39 Außerdem gibt es je einen Brief im Zusammenhang mit den Meistersinger-Erstaufführungen, die am 29. März bzw. 6. April 1870 in den Stadttheatern von Königsberg und Stettin stattfanden (Nr. 326, 339); dagegen fehlt jeder Hinweis auf die Aufführung am 6. Dezember 1870 im Stadttheater von Leipzig, die letzte der insgesamt sechs des Jahres 1870. 40 Vereinzelt bezieht sich Wagners Korrespondenz von 1869 auch bereits auf Erstaufführungen, die 1871 und später stattfanden. – Siehe Nr. 341 K/7–9 (Hamburg), Nr. 280 K/32–33 (Prag, Rotterdam), Nr. 280 K/36–37 (Darmstadt), Nr. 88 K/5 (Schwerin). 41 Siehe Wagners Brief an Joseph Tichatschek vom 10. November 1867 (SBr 19, Nr. 251/5–7). 42 Siehe Nr. 12 K/15–16. 43 Siehe Nr. 19 K/89–90. 44 Friedrich Stade, Wagner’s „Meistersinger“ auf der Dresdener Hofbühne, in: NZfM, Bd. 65 (1869), Nr. 7, 8 (12., 19. Februar), S. 54–56, 61–63 (siehe Nr. 49/182–185). – Weitere Rezensionen: SüddtMZ 18 (1869), Nr. 4 (25. Januar), S. 16; Ludwig Hartmann, „Die Meistersinger von Nürnberg.“ Von R. Wagner, in: Tonhalle 2 (1869), Nr. 6, 7 (1., 8. Februar), S. 90–91, 97–99. – Siehe auch Nr. 24 K/18–20; CWT, 27. Januar 1869, Bd. 1, S. 44.
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Kommentar zu den einzelnen Briefen 1.
A N J OHANN L INDNER , 5. JANUAR 1869
ORIGINAL: Bayreuth NA, I A 12a, Nr. 14. – AUSGABEN: Geck, S. 34–35 (Inh.). – WBV 5165. ERLÄUTERUNGEN Antwort auf eine Sendung (erschlossen aus Z. 2–3). 2–5 Zeichnung ... Kupferstichen ... Porträt] Am 20. November 1868 hatte Wagner einige Fotos als Vorlagen für ein Porträt an Lindner geschickt und um Zusendung von Entwürfen gebeten (SBr 20). Das tatsächlich ausgeführte Porträt, ein 1871 in der Berliner Buch- und Kunsthandlung E. H. Schroeder als Einzelblatt erschienener Kupferstich (Abb. 1), beruht auf einem im Herbst 1867 in Paris im Atelier von Louis Pierson aufgenommenen Foto (siehe Geck, Nr. 20A). – Siehe K/8. 8 kleine Regelung ... Natur] Vermutlich nach Einsicht weiterer Entwürfe zu seinem von Lindner bearbeiteten Porträt (siehe K/2–5) kam Wagner zu der Ansicht, eine „Correctur nach der Natur“ sei „unerlässlich“, und bat Lindner „auf einen Tag“ zu sich nach Luzern (Brief vom 26. Mai 1870 – SBr 22, Nr. 127/ 12–13, 22–23). Lindner traf am 7. Juni 1870 dort ein und begann sogleich mit der nötigen Korrektur (siehe CWT, Bd. 1, S. 242). 9 Zumbusch’s Büste] Siehe Nr. 49 K/222.
2.
A N M ATHILDE M AIER , 5. JANUAR 1869
ORIGINAL: Verbleib unbekannt; Umschlag: München BStB, Cgm. 8839, Nr. 133. – ADRESSE: „Fräulein | Mathilde Maier | 13. Karthäusergasse. 3 Tr. | Mainz“. – ZUM DATUM: Datierung nach Poststempel. – AUSGABEN: Br Maier, S. 258 (Hinw.). – WBV 5166.
3.
A N C HARLES N UITTER , 8. JANUAR 1869
ORIGINAL: Verbleib unbekannt. – ABSCHRIFT: Bayreuth NA, I B l 57, Nr. 63. – AUSGABEN: Br Nuitter, Nr. 63 (S. 106–107). – WBV 5167. TEXTKONSTITUIERUNG Redaktionsvorlage: Abschrift. – Vorlage: 9 peine unitule / 16–17 tranduction. ERLÄUTERUNGEN Antwort auf einen Brief (erschlossen aus Z. 2, 33; siehe K/6).
Briefe Januar 1869
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Paris ... pendant quelque temps loin] Wagner hatte längere Zeit in Paris gelebt (September 1839 bis April 1842; September 1859 bis Juli 1861) und sich zuletzt im Herbst 1867 dort aufgehalten (28. Oktober bis 3. November). publication ... article] Wagner hatte Nuitter einige Wochen zuvor gebeten, seinen im Dezember 1868 entstandenen und am 17. Dezember 1868 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Nr. 352, S. 5375–5376) veröffentlichten Aufsatz Eine Erinnerung an Rossini (Kühnel, Schriften, Nr. 174) auch in Paris in einer großen politischen Zeitung, etwa La Liberté oder La Presse, abdrucken zu lassen (Brief vom 11. Dezember 1868 – SBr 20), und zwar in einer Übersetzung von Cosima von Bülow (Konzept: Bayreuth NA, B II d, Nr. 3). Am 5. Januar 1869 war bei Wagner die Nachricht angekommen, „die Übersetzung des Rossini-Aufsatzes sei nicht anzubringen gewesen“ (CWT, Bd. 1, S. 25–26); dies könnte, wie Wagner im folgenden vermutet, am Umfang des Textes gelegen haben. Eine nicht autorisierte, gekürzte und mit kritischen Anmerkungen versehene Fassung war inzwischen in einer Pariser Musikzeitung erschienen: Un souvenir à propos de Rossini – Lettre allemande de Richard Wagner, in: Le Ménestrel (Paris) 36 (1868/69), Nr. 5 (3. Januar), S. 37– 38). – Siehe Wagners Briefe an Nuitter vom 17. und 27. Dezember 1868 (SBr 20); Jost, Übersetzungen, S. 41–42, 47. affaire Rienzi] Bezieht sich auf die Pariser Erstaufführung (siehe ThK 4). épreuves ... Flaxland ... coupures ... partition ... Schott] Der Musikverleger Gustave-Alexandre Flaxland, seit 1861 Inhaber der Rechte an allen Ausgaben von Rienzi für Frankreich (siehe SBr 13, Nr. 139 K/9–10), bereitete im Zusammenhang mit der Rienzi-Erstaufführung in Paris (siehe ThK 4a) den Druck des Klavierauszugs in französischer Sprache vor. Am 30. Dezember 1868 hatte Wagner einige von Flaxland erhaltene Korrekturabzüge zurückgesandt und moniert, daß als Vorlage nicht der „autographirte“ Partitur-Erstdruck verwendet wurde (SBr 20). Dieser Erstdruck mit Wagners eigenen Hinweisen auf mögliche Kürzungen des überlangen Werkes (vgl. Nr. 284/8–13) sollte allen französischen Ausgaben und Aufführungen zu Grunde gelegt werden; ein Exemplar davon war 1862 von Wagner über Franz Schott an Jules Guilliaume gelangt (siehe K/16–17) und später an Jules-Étienne Pasdeloup, den Dirigenten der Pariser Aufführung (siehe Nr. 16/5–6, Nr. 20/15–18, Nr. 30/26–29). Anders als von Wagner gewünscht, hielt Flaxland sich bei dem französischen Klavierauszug nicht an dieses Partitur-Exemplar, sondern an eine der vom Dresdener Musikverleger F. A. Hermann Müller vertriebenen Abschriften der Partitur, die zahlreiche nicht auf Wagner zurückgehende Kürzungen und sonstige
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14–15 16–17
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Kommentar
Eingriffe aufwiesen (siehe Nr. 16/11–13, Nr. 30/19–24). Später wurde gleichwohl noch, für die Pariser Aufführung wie für Flaxlands Klavierauszug, der Erstdruck der Rienzi-Partitur von 1844 herangezogen, jedoch unter Realisierung der Mitte März 1869 zwischen Wagner und Pasdeloup vereinbarten Kürzungen (siehe Nr. 52 K/11). Der Auszug (WWV 49, Musik XV c) erschien Anfang Mai (siehe Servières, S. 151), also erst nach der Aufführung; auch eine spätere, von 458 auf 500 Seiten erweiterte Ausgabe stimmt nicht mit dem Partitur-Erstdruck überein (siehe WWV, S. 191–192). – Siehe Nr. 284 K/4–13; Wagners Briefe an Nuitter vom 26. März und Flaxland vom 12. Juli 1868 (SBr 20); SW, Bd. 23, Dok. 239, 240, 263, 266, 271–276. Flaxland m’a écrit] Nicht überliefert (siehe auch Z. 22–23). traduction des paroles] Im Hinblick auf eine geplante, aber nicht zustande gekommene Aufführung am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel hatte Jules Guilliaume 1862 ein Exemplar der Partitur von Rienzi erhalten (siehe K/10–14) und ins Französische übersetzt (siehe SBr 14, Nr. 148 K/2–4, Nr. 257 K/4– 5). Bei den 1868 aufgenommenen Vorbereitungen für die Erstaufführung in Paris (siehe ThK 4a) besann man sich auf diese Übersetzung. Auf Grund der darin vorkommenden Belgizismen sowie in Hinblick auf das Verhältnis von Sprache und Musik wurde jedoch eine Überarbeitung für nötig erachtet, für die Wagner selbst Gustave-Hippolyte Roger vorgeschlagen hatte (siehe K/19–21) sowie Charles Nuitter (siehe Briefe an Nuitter vom 26. März, Franz Schott vom 10. August und GustaveAlexandre Flaxland vom 30. Dezember 1868 – SBr 20). – Die Titelseite des 1869 im Pariser Verlag Librairie Dramatique in der Reihe Bibliothèque spéciale de la Société des auteurs et compositeurs dramatiques erschienenen Textbuchs (WWV 49, Text X k; siehe Oesterlein, Nr. 3516) nennt als Autoren der französischen Fassung Nuitter und Guilliaume (in dieser Reihenfolge); eine Mitwirkung Rogers ist nicht nachweisbar. cru ... exécuter ... changemens ... Roger] Das hatte Wagner am 30. Dezember 1868 an Gustave-Alexandre Flaxland geschrieben (SBr 20). Vautrot ... trop occupé ... tel travail] François-Eugène Vauthrot wirkte wie Nuitter an der Grand Opéra in Paris; Wagner kannte ihn von der Pariser Tannhäuser-Aufführung im Jahre 1861 (siehe Nr. 106 K/7), für die Vauthrot auch den Klavierauszug erstellt hatte (WWV 70, Musik XXV). Über eine Mitwirkung Vauthrots bei den Vorbereitungen zur Pariser Rienzi-Aufführung ist nichts bekannt. affaire ... opéras] Das Interesse an Aufführungen von Wagners Opern in Paris hatte im Zusammenhang mit der weithin beachteten Münchener Uraufführung der Meistersinger von Nürnberg
Briefe Januar 1869
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4.
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am 21. Juni 1868 einen starken Aufschwung genommen (vgl. Nr. 46/18–25, Nr. 293/16–22). Die verschiedenen Projekte, die nicht weniger als sechs Werke betrafen, nämlich Rienzi, den Fliegenden Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Tristan und Isolde und die Meistersinger, verliefen aber alle im Sande (siehe Wagners Briefe an Nuitter im Jahre 1868 – SBr 20), mit Ausnahme von Rienzi (siehe ThK 4). Der bereits 1861 präsentierte Tannhäuser (siehe SBr 13, ThK 2) und Rienzi blieben Wagners einzige Opern, die überhaupt zu seinen Lebzeiten auf eine französische Bühne kamen (siehe Kahane/Wild, S. 165–173); die Hauptursache dafür war der Deutsch-Französische Krieg 1870/ 71, der Aufführungen von Werken aus Deutschland lange Zeit unmöglich machte. clause ... traité ... forces artistiques] Kurz nach Jules-Étienne Pasdeloups Besuch bei Wagner in Luzern am 12. August 1868 war ein „Contract über Rienzi“ (Braunes Buch, S. 200) abgeschlossen worden; außer der – offenbar nicht in Anspruch genommenen – Klausel über ein Mitspracherecht bezüglich der Mitwirkenden (vgl. Wagners Brief an Pasdeloup vom 24. August 1868 – SBr 20) enthielt der Vertrag die Vereinbarung eines Vorschusses (siehe Nr. 216 K/2–5). prêt de venir à Paris pour cela] Siehe ThK 4a. notre ... papa] Gemeint ist Étienne-Nicolas Truinet. Judith Mendès ... brochure sur moi] Judith Mendès hatte Wagner gegenüber eine geplante „Serie von Artikeln“ zu dessen „jüngsten Werken“ erwähnt (undatierter Brief, wahrscheinlich November 1868 – Bayreuth RWG, Hs 72/19 [Übers. aus dem Frz. vom Hrsg.]); diese wurde jedoch nicht realisiert. – Zu früheren Veröffentlichungen von Judith Mendès über Wagner siehe Nr. 54 K/3–4. 23. rue Royale St. Honoré] Adresse der Pension (Paris, 8. Arrondissement), in der Catulle und Judith Mendès wohnten, bevor sie im selben Jahr 1869 nach Neuilly umzogen (siehe Nr. 308 K/4–5; Anne Danclos, La vie de Judith Gautier – Égérie de Victor Hugo et de Richard Wagner, Paris 1996, S. 62).
A N J OSEF S TANDTHARTNER , 9. JANUAR 1869
ORIGINAL: Bayreuth NA, I A 5a, Nr. 55, mit Umschlag. – ADRESSE: „Dr. med. Joseph Standhardtner | Primärarzt am gr. Spital | Garnisongasse No: 3. | Josephstadt | Wien. | Recommandirt. | fr.“; Absenderangabe: „Absender: Richard Wagner. Tribschen.“ – WBV 5168. TEXTKONSTITUIERUNG Original: 4 wie Sie / 20 an Sie / 28 JahresEnde / 51 gar Sie / 55 vermuthn.
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Kommentar
ERLÄUTERUNGEN 4 letzten Brief] Die beiden letzten überlieferten Briefe Wagners an Standthartner datieren vom 22. Juli und 30. November 1868 (SBr 20); der zweite ist lediglich eine Bitte um eine – bis dahin ausgebliebene – Antwort auf den ersten, in dem Wagner wegen Gesundheitsproblemen um Rat gefragt hatte. 13–14 Bülowschen Hause ... Absteigwohnung] In der im April 1867 von Hans und Cosima von Bülow bezogenen Wohnung in München (Arcostraße 11) waren zwei separate Zimmer für Wagner reserviert worden (siehe SBr 19, Nr. 91 K/7–8). Die aufwendige Ausstattung der „Absteigwohnung“ ließ er sich im Frühjahr nach Luzern schicken (siehe Nr. 96/6–14, Nr. 98 K/3). 15 Bestellungen bei Haas] Nicht überliefert (vgl. SBr 19, Nr. *322 K). – Von der Firma Philipp Haas & Söhne in Wien bezog Wagner seit 1863 Teppiche, Stoffe usw. für seine Wohnungen in Penzing bei Wien, München und Luzern, wobei er die Bezahlung nicht selten lange Zeit schuldig blieb (siehe K/27–28; SBr 15, Nr. 337 K/3; SBr 16, Nr. 295 K/11–12). 17–18 inneren Umbaues ... Tribschen ... Hauses] Siehe ThK 1. 19–20 Haas um ... Geduld ... bitten] Nicht überliefert (vgl. SBr 19, Nr. *322 K). 21–22 voraussichtlichen ... Einnahmen ... Meistersingern] Siehe ThK 3, Nr. 20 K/4–8. 24–25 Verzögerung ... gewinnbringenden Theatern] Bezieht sich vor allem auf Hannover, Berlin und Wien (siehe ThK 3b). 27–28 bedeutendere Zahlung ... versprach] In seinem Brief an Joseph Nader vom 14. Juli 1868 hatte Wagner u. a. „bestimmt“ versprochen, „vor Ende dieses laufenden Jahres noch den Rest der älteren Rechnung mit fl. 4262 [...] baar zu berichtigen“ sowie „im Laufe des nächsten Jahres den ganzen Betrag der neuen Rechnung [...] zu tilgen“ (SBr 20). – Genaueres zu den Anfang 1869 offenen Rechnungen (vgl. Nr. 92/5–7, Nr. 273/3–10, Nr. 307/2–4) ist nicht bekannt (siehe auch Nr. 273 K/6–10). 32–34 wandte ... Vorschusses ... Hofsecretär ... München] Wagner hatte am 23. November 1868 Lorenz Düfflipp, den Hofsekretär von König Ludwig II. von Bayern, um Vermittlung eines Darlehens von 10 000 Gulden gebeten, das als Vorschuß auf das vom König gezahlte Jahresgehalt von 8 000 Gulden (siehe Nr. 97 K/12– 13) angerechnet werden sollte (SBr 20); die Rückzahlung wurde mit der eines älteren Darlehens (2 000 Gulden) zusammengezogen und erfolgte in monatlichen Raten zu je etwa 166 Gulden (siehe Nr. 69/20–27). – Trotz Düfflipps Bemühungen (siehe K/34–36, Nr. 40 K/28–29, 37–38) wurden die 10 000 Gulden erst Anfang März bewilligt (siehe Nr. 69 K/2). Die Auszahlung verlief aus Gründen der Diskretion (siehe Nr. 73/11–13) über Umwege: von der Königlich Bayerischen Kabinettskasse in