colore 25 - Silberglanz

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Metallic Surfaces Eindrucksvolle Inszenierungen unter­ schiedlicher Innenarchitekturen durch die Verwendung metallischer Oberflächen

Im Spiegelglanz von Kulturerben

Frank Gehry setzt mit seinem neuen Gebäude ein Statement für das Museum „LUMA Arles“ in Frankreich.

Ein Größenvergleich anhand der Analogie von Innenarchitektur, Architektur und Stadtplanung

Farbbetrachtungen

APR

2022

colore FARBRÄUME


eroloc


colore FARBRÄUME


Brillux Lucento


EDITORIAL

„Es sind nicht nur Helligkeit und Klarheit, die zur Assoziation Silber führen, es gehört dazu auch die Dynamik. Silber muss in Bewegung sein.“ Eva Heller

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Silber kann so viel mehr sein als neben Gold nur der ewig Zweitrangige. Farbe und Material haben im Lauf der Geschichte einen Wandel erfahren, der selbstverständlich mit gesellschaftlichen Einstellungen einhergeht. Einst als ‚gewöhnlich‘ bezeichnet, gilt Silber mit seiner zurückhaltenden Eleganz in der heutigen Zeit als ästhetischer im Vergleich zu pompösem Luxus aus Gold. Silber ist die Farbe für Dynamik, Zuversicht und Tugend sowie für edles Design, Funktionalität und Qualität. In der Architektur gelingt mit Silber auf meisterhafte Weise der Spagat zwischen exklusivem, hochwertigem Design und nützlichem Einsatz wie für antibakterielle und leitfähige Anforderungen. Genau diesen Balanceakt schafft auch das Meisterwerk von Frank Gehry in Frankreich. Mit einer spiegelnden Fassade schenkt er dem neuen Museum in Arles ein faszinierendes Wiedererkennungsmerkmal der Extraklasse, das zugleich mit seiner Umwelt interagiert, sich in diese eingliedert und so ein Teil von ihr wird. Spiegel bringen ähnlich wie Silber immer einen Dualismus mit sich – auch im übertragenen Sinne. Architektur ist in gewisser Weise ebenfalls Spiegelbild des Architekten oder des Genius Loci, wie unsere Referenzen eindrucksvoll beweisen. Zugleich ist sie eine Momentaufnahme aktueller Gegebenheiten. Kultur trifft Natur und Tradition trifft Innovation – unsere abwechslungsreichen Mehrwertthemen lassen das breite Spektrum an möglichen Anknüpfungspunkten erahnen, das hier nahezu unbegrenzt zu sein scheint. Die perfekte Ausgangslage – vielseitig und besonders –, um unsere 25. Ausgabe der colore zu feiern. Seit der ersten Ausgabe ist es uns wichtig zu zeigen, wie gute Architektur unsere Welt bereichert, bunt macht und inspirieren kann. Umso mehr freuen wir uns, dieses Jubiläum gemeinsam mit Ihnen feiern zu können – in einem strahlenden, silberfarbenen, eleganten Kleid. Wir freuen uns, wenn wir Ihnen mit unserer Lektüre erneut kostbare und wertvolle Einblicke schenken können. Ihr colore Team

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I N H A LT

SILBER

08

GLANZ

Im Spiegelglanz von Kulturerben In einer der ältesten Städte Frankreichs setzt Frank Gehry ein neues, glänzendes Statement

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Silber: Viel mehr als nur ein Schmuckmetall Eine glanzvolle Historie

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Spieglein, Spieglein Zwei Spiegelarchitekturen verzerren die Grenze zwischen Architektur und Natur

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Das Bild hinter dem Foto Interview mit André Giogoli über die Bedeutung von Silber in der analogen Fotografie

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Historisch und zeitgenössisch Eine Manufaktur spiegelt wertvolle Traditionen und gelebte Visionen

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Ein Konterfei geht um die Welt Der berühmteste Silberling der Geschichte

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Ein markantes Zeichen Brillux Lesezeichen

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MEHR ALS FARBE

FOKUS

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Farbbetrachtung und Farbräume

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Ein Haus bekennt Farbe Casa Verde, Emmendingen

Eine Analogie von Innenarchitektur, Architektur und Stadtplanung Eva Filter

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Bewegung heißt das Zauberwort Kindertagesstätte Movere

Metallic Surfaces

Löwenzahn, Hamm

Eindrucksvolle Inszenierungen von Innenarchitekturen mithilfe von Metalloberflächen

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Eine Quelle der Inspiration Wohnhäuser, Karben

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Ein Kunstwerk im Wandel der Zeit Die Bodenskulptur des Künstlers Matt Mullican begeistert über die Stadtgrenzen Münsters hinaus

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Dialog in Farbe Architektenfragen an das Beraterteam von Brillux

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SILBERGLANZ

8


Im

Spiegelglanz von Kulturerben

In einer der ältesten Städte Frankreichs steht ein neues Monument, das nicht nur im übertragenen Sinne zusätzlichen Glanz auf die Stadt ausstrahlt. Ähnlich wie ein Spiegel hat das Museum „LUMA Arles, Parc des Ateliers“ der LUMA-Stiftung dabei zwei Gesichter: zum einen glitzernd, mit Blick auf die Altstadt von Arles, und zum anderen etwas dezenter in Richtung des Viertels Mouleyres. Doch zwei Seiten sind für die Beschreibung eines solchen Gebäudes von Frank Gehry definitiv zu wenig. Erst recht, wenn man noch das Innere einbezieht …

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Ein überragender Turm Wie bereits frühere Gebäude von Frank Gehry gezeigt haben, sind seine Architekturen selten unumstritten. Sie regen Diskussionen an, versetzen die Betrachtenden allein durch den ersten Anblick ins Staunen. Aber gleichzeitig bringen sie einen auch ins Grübeln über seine ungewöhnlichen Gestaltungen. Sei es nun das Guggenheim-­Museum in Bilbao, das Vitra Design Museum in Weil am Rhein oder die Fondation Louis Vuitton Die Verbindung zwischen Natur und Kul­ tur soll eine Einheit herstellen und dem Besucher zur Kontemplation dienen.

in Paris – seine verwendeten Formen und Strukturen sind stets unkonventionell, die Materialien besonders und die Größen imposant. In diese Reihe fügt sich auch sein kürzlich fertiggestelltes Projekt, der Tour LUMA in Arles im Parc des Ateliers, ein. Der 56 m hohe Turm bildet dabei das Zentrum in einem mehr als elf Hektar großen

„ Unsere einzigartige Umgebung verbindet auf unverwechselbare Weise Architektur, Kunst, Natur und Design.“ MAJA HOFFMANN

Areal, das auf über drei Hek­tar mit regional inspirierter Landschaftsarchitektur von Bas Smets sowie mit weiteren Ausstellungs- bzw. Veranstaltungsgebäuden von ­Annabelle Selldorf aufwartet. In dieser neu gestalteten Gesamtheit soll das Gelände, das zuvor ein betongeprägtes Brachland der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft (SNCF) war, vor allem den Tourismus ankurbeln. Denn dieser ist neben der Olivenölerzeugung und der Schafzucht nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Region. So wurden mehr als 500 neue Bäume gepflanzt, ein nachhaltiges Wasserkreislaufsystem angelegt und letztlich der Architekt Frank Gehry von Maja Hoffmann, der einflussreichen Schweizer Kunstsammlerin sowie Gründerin und Geschäftsführerin von LUMA Arles, damit beauftragt, einen eindrucksvollen Veranstaltungsort zu kreieren. Mit seiner faszinierenden Gebäudestruktur wird Gehrys Bauwerk gleichermaßen Teil der ausgestellten Kunst und symbolisiert als neu und frei geformte Einheit eine gemeinsame Sprache für die eigentliche Konstruktion und das hier anvisierte kreative Kulturzentrum.

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Eine Architektur, die (k)einem Muster folgt LUMA selbst folgt keinem festgelegten Prinzip. Es ist eine Initiative, ein Atelier, ein Design- und Forschungslabor, das Ergebnis jahrelanger Experimente, eine Produktionswerkstatt im Dienst der Kreativität, ein Netzwerk aus Experten mit großem Engagement für Künstler/-innen und eine gesunde Umwelt. Im Tour LUMA – dem imposanten Turm – ist für dieses unkonventionelle Konstrukt eine ebenso eigenwillige, extravagante Plattform und zugleich ein ausgefallener Campus entstanden. Elf Etagen mit knapp 16.000 m 2 hat der bereits Die verschiedenen Bereiche des Parc des Ateliers mitsamt den Ausstellungshallen ermöglichen ein wandelbares, inter­­diszi­ plinäres Programm.

mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnete weltbekannte Frank Gehry dafür konzipiert. So lassen sich hier vielfältige Seminar- und Ausstellungsräume, Galerien mit Kunstinstallationen, eine Multimedia-Bibliothek,

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ein Event-Space mit Bar und mehrere freie und überdachte Terrassen finden. Sie folgen dabei keiner geometrischen Form, mäandrieren nach oben, spielen mit Enge und Weite, Kanten und Rundungen. Dabei hat sich Gehry nicht nur an den geografischen Besonderheiten der Alpillen orientiert, sondern auch an den ockergeprägten, kulturellen Bauten, die in Form von römisch-romanischer Architektur mit Kalksandsteinplatten die Wahrzeichen der Stadt darstellen. Viele der markanten Gebäude, wie das hiesige Amphitheater oder die Kirche Saint-Trophime, gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe von Arles und ­ nehmen dadurch einen prägenden Stellenwert ein. Die Kombination aus Mauerwerk und Stahl gilt zudem als Synonym für das industrielle Erbe des Standorts. Sowohl Maja Hoffmann als auch Frank Gehry war es daher wichtig, möglichst viele Gegebenheiten des Ortes aufzunehmen und seine Identität neu zu interpretieren. Das führte neben der Verwendung von Kalksandstei-

„ Auf diese Weise war es möglich, die Qualität der verschiedenen Bereiche des Turms zu ergänzen und die Flexibilität zu schaffen, die erforderlich ist, um sich Aktivitäten in den unterschiedlichsten Größenordnungen und Formaten vorstellen zu können.“ MAJA HOFFMANN

nen und Gebäudepaneelen aus Stahl auch zu dem mehrgeschossigen gläsernen Atrium in arenaähnlicher Form. Dieses umfasst den organisch skulpturalen Aufbau, lässt ihn ab dem dritten Obergeschoss wieder frei und verbindet so innen und außen, alt und neu, Innovation und Tradition, Kunst und Architektur auf eine faszinierende Weise. Die einzelnen Bezüge innerhalb der gesamten Struktur sind dabei so komplex und vielseitig, dass sie sich schwierig auf Anhieb greifen lassen. Wenngleich Gehry bereits für seine glänzenden Freiformen bekannt ist, beruht die Fassadenstruktur des Turms hier vor allem auf der Art und Weise, wie Vincent van Gogh, für den Arles ein wichtiger Meilenstein in seiner künstlerischen Entwicklung war, die Alpillen darstellte. Das führte zu der modularen Fassadenoberfläche, die Bewegungen aus der Umwelt aufnimmt und dem Gebäude so einen malerischen und zugleich einen sich stets verändernden Charakter verleihen soll. Der Weg durch Gehrys Turm wird durch unterschiedlichste Formen und Werke von Künstlern begleitet. Sie funktionieren jeweils für sich, definieren jedoch als Ganzes die Charakteristik des Gebäudes.

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Mehr als ein Statement Interdisziplinarität spielt bei diesem Projekt eine der tragenden Rollen – und zwar von der markanten Gebäudehülle über die Innenräume bis zum Verwendungszweck. Verschiedene Ausstellungen im Turm und in den angrenzenden Architekturen Les Forges, La Mécanique Générale und La Grande Halle sollen ein fluktuierendes Umfeld erzeugen, das über die Parkanlage hinaus positiven Einfluss auf die Stadt mitsamt ihrer hohen Arbeitslosenquote haben soll. Der Eintritt ist frei, wodurch jedem der Zugang zur Kunst und zu Innovationen in Bezug auf Nachhaltigkeit ermöglicht wird. So hat das Forscherteam der LUMA Stiftung 30.000 Wandkacheln aus Algen in 20 Farben im Spritzgussverfahren hergestellt und im Innenraum eingesetzt, Kunststoffgarn mit Merinowolle kombiniert und Akustikplatten auf Basis von Sonnenblumenabfällen konstruiert. Dies unterstreicht die vorherrschende Intention, auf unterschiedliche Weise das menschliche Verhältnis zur Natur zu hinterfragen – über regionale Grenzen hinaus, aber auch mit Fokus auf den Ort. Dies beinhaltet auch die Verwendung lokaler Pigmente und Farbtöne als Symbol für Identität, kulturelle und politische Kraft sowie den Einbezug von Salz als wichtiger regionaler Rohstoff mitsamt seiner kristallinen Struk-

„ Ich trenne nicht zwischen Architektur und anderen Kunstwerken, es sind zwei Arten des Schaffens, die sich gegenseitig befruchten, wenn die Symbiose zur richtigen Zeit und unter den richtigen Bedingungen stattfindet.“

tur. Nach über 10 Jahren Bauzeit ist somit eine komplexe Architektur entstanden, die getreu seinem Erschaffer den Betrachter ergreift und zugleich ein wenig sprachlos im Raum stehen lässt. Zweifelsfrei wird dieses monumentale Bauwerk nun das Licht immer wieder anders reflektieren, mit seiner Umgebung interagieren und dabei permanent neue Momentaufnahmen darstellen. Inwiefern ein Gebäude dieses Ausmaßes mit einer Stadt von nur knapp 50.000 Einwohnern dabei wirklich verschmelzen kann, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Die schillernde, beweglich erscheinende Fassade bietet hierfür auf jeden Fall einen vielversprechenden Ansatz – auch um für die hier stetig wachsende Künstlerszene buchstäblich das Salz in der Suppe zu werden.

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MAJA HOFFMANN


„ We wanted to evoke the local, from Van Gogh’s ‚Starry Night‘ to the soaring rock clusters you find in the region.“ FRANK GEHRY

OBJEKT | STANDORT

Tour LUMA im Parc des Ateliers, Arles ARCHITEKT

In vielerlei Hinsicht überwältigend – elf Etagen werden durch ein beeindruckendes Spiel aus organischen, ineinanderfließenden Formen geprägt. Betrachtet man den Turm jedoch innerhalb der Anlage, entsteht ein neuer eindrucksvoller Maßstabssprung.

Frank Gehry, Los Angeles, CA FOTOGRAFIE

Iwan Baan, Annie Leibovitz, Adrian Deweerdt, Victor & Simon

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SILBERGLANZ

Silber

Viel mehr als nur ein Schmuckmetall „Der Fisch beißt am liebsten in einen silbernen Angelhaken.“ (Sprichwort) Ob die Fische vor 7.000 Jahren schon so viel Interesse an Silber hatten, können wir nicht sagen, aber dass Menschen sich bereits 5.000 Jahre vor Christus für das Edelmetall begeisterten, ist belegt.

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Bereits damals wurde Silber im heuti-

ander oder bilden ein Pärchen. Nicht

lich) wichtige Rollen. In der Akupunktur

gen Anatolien, in Ägypten, Griechenland

umsonst heißt es: „Reden ist Silber.

werden zur Beruhigung der Meridiane

und im Nahen Osten für die Schmuck-

Schweigen ist Gold.“ Hier ist bereits im-

Silbernadeln, zu deren Anregung Gold-

herstellung genutzt. Da der Rohstoff

pliziert, dass Silber zumeist als weniger

nadeln verwendet. Im mittelalterlichen

sehr weich ist, wird er meist mit einem

wertvoll erachtet wird – und im Fall des

Europa stellten Alchimisten eine Ver-

härteren Metall verschmolzen (legiert),

Geldwerts auch ist. Allerdings hat Silber

bindung her zwischen Silber und In-

das

(92,5 %

durchaus seine Vorteile, ist im Zusam-

telligenz. In der Folge wurden Gehirn-

Silber und 7,5 % Kupfer) ist heute die

menspiel mit anderen Farben beispiels-

krankheiten mit pulverisiertem Silber

meistverwendete Silberlegierung in der

weise zurückhaltender als Gold und

behandelt.

Schmuckherstellung. Das mag auch da-

beansprucht für sich nicht den ersten

ran liegen, dass sie beim Erstarren nach

Platz. Es wirkt neutral und integrierend.

Hygiene, Design, Schnelligkeit –

dem Schmelzen weniger als das reine

Auch in der Natur findet sich das Paar:

dafür steht Silber heute

Silber zur Bildung von Rissen neigt.

Gold ist die Sonne, Silber der Mond. Und

Aktuell ist das Thema Hygiene in aller

Während Silber heute wie damals für die

so erstaunt es nicht, dass Silber mit

Munde und spielt nicht nur im Bereich

Produktion von Schmuck zum Einsatz

der Nacht assoziiert wird. Bereits in der

Healthcare eine große Rolle. So sollen

kam und kommt, wurden ihm im Laufe

Antike galten die silbern leuchtenden

beispielsweise Hygiene-Waschsäckchen

der Zeit wechselnde Eigenschaften zu-

Sterne als tausend Augen des Argus,

mit Silberionen die Wäsche schon bei

gesprochen, und ungekannte Funktio-

des alles sehenden Riesen und Wächters

geringen Temperaturen von Bakte-

nen des Metalls wurden entdeckt.

des Firmaments. Auf ihn gehen wohl

rien und Keimen befreien. Doch auch

auch die griechischen und lateinischen

und gerade im medizinischen Bereich

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Begriffe für Silber zurück: Argyros be-

kommen die antibakteriellen Silber-

Wenn man Silber sagt, muss man auch

ziehungsweise Argentum. Auch in der

bestandteile zum Einsatz, denn mit

Gold sagen. Denn die beiden Edelme-

chinesischen Symbolik spielen Gold

ihnen können Materialien und Ober-

talle stehen stets im Vergleich mitein­

(Yang, männlich) und Silber (Yin, weib-

flächen veredelt werden, sodass Keime

bekannte

Sterlingsilber


47

4d105s1

Ag silver 107.868

links: Silber hat im Periodensystem der Elemente die Ordnungszahl 47 (Elementsymbol Ag). Mit einer Mohshärte von 2,7 ist Silber ziemlich weich. Die Mohshärte, benannt nach dem Geologen Friedrich Mohs (1773–1839), ist ein Messwert für die Härte von Mineralien. Silber kann dank seiner Weichheit zu filigranen Fäden oder hauchdünnen Folien verarbeitet werden. Es leitet Wärme und Elektrizität besser als jedes andere Metall und reflektiert Licht besser als sämtliche anderen Elemente. Bemerkens­ wert außerdem: Man kann Silber mit nahezu allen anderen Metallen legieren (verschmelzen). Silberner Quell und Silberrücken Hell, klar, glänzend: Das assoziieren viele Redens­ arten mit Silber. „Eine silberne Stimme, ein silbernes Lachen“ oder „ein silberner Quell, eine silberne Woge“ sind Beispiele dafür. Auch aus Grau wird oftmals Silber: Graues Haar mutiert in der Literatur zu Silberfäden oder Silberlocken. Und wer kennt nicht die Silbertanne, den Silberfuchs oder den Silberrücken, den erwachsenen Gorilla, der wegen seines silbrigen Fells so genannt wird?

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oben: Das silberne Ferienhaus Aluminium Cabin in Norwegen stammt aus der Feder der Architekten Einar Jarmund, Håkon Vigsnæs, Alessandra Kosberg und Ane Sønderaal Tolfsen. Foto: Nils Petter Dale

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sich nicht vermehren können und abgetötet

Gestaltungselement: Die Farbe

werden. Dies kommt gerade in Kranken-

Silber veredelt Architektur

häusern zum Tragen. In anderen Bereichen

Ein silbernes Schloss, wie im Märchen „Der

geht es nicht um das Metall an sich, sondern

Pilzkönig“, oder eine silberne Burg, wie

um die Farbe, die beispielsweise für Schnel-

im Titel des Mittelalterromans von Sabi-

ligkeit steht. So sind Silberpfeile, Flugzeu-

ne Weigand, würde wohl so mancher gern

ge und Autos aus silbern schimmernden

einmal bewohnen – wenigstens probewei-

Leichtmetallen gefertigt. In der Küche ha-

se. Wer eine Nummer kleiner akzeptieren

ben silberglänzende Chromoberflächen Ein-

kann, hat gute Karten, in einem silbernen

zug gehalten, und hier werden Lebensmittel

Bauwerk zu leben. Denn aus Architektur

zur Haltbarmachung in kühlende, silbrige

und Design sind die silberfarbenen Mate-

Alufolie eingepackt – Symbol für Frische

rialien Stahl und Chrom heute nicht mehr

und Konservierung. Mit Blick auf diese As-

wegzudenken.

pekte der Modernität assoziieren wir Silber

Marcel Breuer haben die silbrige Oberfläche

auch mit Fortschritt.

im Möbeldesign etabliert, und die komplett

Die

Stahlrohrmöbel

von

glänzenden Fassaden von Frank Gehry sind nur Beispiele für Silberglanz im Bereich der Gestaltung. Moderne Architektur lebt seit Jahrzehnten in besonderem Maße von der Kombination aus Stahl und Glas. Hier werden herausragende Festigkeit und leichte Transparenz vermählt – Spielraum für Licht und Luft. Imposante Bauwerke von den Meistern ihres Fachs, wie Norman Foster, Jean Nouvel oder Daniel ­Libeskind, zeugen davon. Wer einfach mal die Ferien in einem „silbernen Haus“ verbringen möchte, dem sei das Aluminiumdomizil der Architekten Einar ­Jarmund, Håkon Vigsnæs, Alessandra Kosberg und Ane Sønderaal Tolfsen in der norwegischen Fjordlandschaft empfohlen. Es passt wunderbar in die Landschaft und ist einfach: ­silberglänzend.

FOTOS

adobe.com: helfei, rootstocks, Jutta Adam, akf, geigenkasten, ParisPhoto

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MEHR ALS FARBE

FOTOS

Nacho Campos, Kenzingen

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Ein Haus bekennt Farbe

Südamerikanisches Flair hält Einzug im baden-württem­ bergischen Emmendingen. Der Name „Casa Verde“ scheint dabei jedoch auf den ersten Blick irreführend. Denn die trapezförmige Doppelhaus­hälfte hebt sich nicht, wie ihr Name vermuten lässt, mit einer grünen Fassade von der umliegenden Bebauung ab, sondern erstrahlt in einem petrolfarbenen Besenstrichputz.

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Nicht nur beim Architekten, der sich mit der Fertigstel-

tionen der bereits vorhandenen angrenzenden Doppel-

lung seines Wohnhauses 2020 ein maritim anmutendes

haushälfte zu respektieren, der neuen Kubatur jedoch zu-

Domizil geschaffen hat, entstehen beim Anblick dieser

gleich einen ganz eigenen Charakter zu verleihen.

Doppelhaushälfte Urlaubsgefühle. Auch bei vorbeilaufenden Passanten werden mit ziemlicher Sicherheit ähn-

Überzeugende Einheit außen und innen …

liche Assoziationen geweckt. Dies liegt vor allem an dem

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eindrucksvollen, durchgefärbten Besenstrichputz, der in

Als in sich stimmige, geschlossene Einheit präsentiert

Kombination mit der ansonsten zurückgenommenen Ar-

sich das zweigeschossige Volumen durch die prägnante,

chitektur an südländisch geprägte Bauwerke erinnert. Ein

durchgängige Farbgebung sowohl außen als auch innen.

Aspekt, der wenig überrascht, wenn man bedenkt, dass

Um diese nicht aufzubrechen, werden alle notwendi-

Eduardo Cociffi in Buenos Aires geboren ist und dort sein

gen Elemente aus der Gebäudeform gebildet. So wird die

Architekturstudium absolviert hat. In diesem Fall bestand

Überdachung des Eingangsbereichs durch eine Extrusion

seine Grundidee darin, natürliche Materialien mit einer

im Obergeschoss geformt. Die seitliche Lage des Eingangs

geradlinigen Architektur zu verbinden und mit seinem

kreiert dabei zusätzliche Privatsphäre. Mit dem Betreten

Herkunftsland zu verknüpfen. Dabei galt es, die Propor-

des Inneren offenbart sich, dass die Wohnräume, die zur


„ Die Form des Hauses beeinflusst unmittelbar die Nutzung der Wohnräume.“ EDUARDO COCIFFI

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Nordseite eher geschlossen sind, zur zurückliegenden Südseite großzügiger werden und sich zu einer vollflächigen Glasfassade öffnen. Diese begünstigt einen zusätzlichen Wärmegewinn durch die Sonne, die darüber hinaus den schwarz marmorierten Terrazzoboden aufheizen kann. In Kombination mit einer Fußbodenheizung wird so weniger Heizenergie benötigt, was wiederum dem vorhandenen umfassenden Energiekonzept entspricht.

… dank durchgängigem Design Die entwickelte Form des Hauses beeinflusst auch unmittelbar die dazugehörigen Raumnutzungen. Dafür hat Eduardo Cociffi ein ganzheitliches Möbelkonzept gestaltet. Die Möbel passen sich optimal der Form und Funktion der Räume an, sodass 160 m2 Wohnfläche bestmöglich genutzt werden können. Dies hatte für Cociffi nicht nur praktische Hintergründe, sondern erfüllte neben der Architektur auch seine zweite Leidenschaft: das Designen von Möbeln. „Abgesehen von den Einbaumöbeln, habe ich auch den Couchtisch und den Sessel im Wohnzimmer designt“, so der gebürtige Argentinier, „und der Entwurf des Hauses wäre ohne das Möbelkonzept auch nicht komplett.“ Hier zeigt sich erneut der wahrnehmbare Grundgedanke, ein einzigartiges, in sich stimmiges Ganzes zu gestalten, das sich aus vielen spannenden Details zusammensetzt. So besticht sein Lichtkonzept mit einer Kombination aus direkter und indirekter Beleuchtung sowie einer weißen Reflexionsfläche für einfallendes Tageslicht. Das Schiebefenster im Wohnzimmer lässt sich über die komplette Hälfte der Südfassade öffnen, wodurch maximaler Tageslichteinfall und zusätzliche Weite generiert werden. Darüber hinaus ermöglicht diese Bausituation einen französischen Balkon mit charmanter Aufenthaltsqualität.

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Flexibilität trifft Stärke Auch alle weiteren Fenster wurden so montiert, dass sie im Inneren bündig mit den Wänden abschließen und dadurch einerseits einen passiven Sonnenschutz bil-

„Die Kubatur des Hauses wird durch die horizontalen Linien des Besenstrichputzes der Fassade betont.“

den und andererseits tiefere Fensterbänke und damit attraktive Sitzgelegenheiten

EDUARDO COCIFFI

formen. Viele Möglichkeiten ergeben dabei ein großes Maß an Flexibilität – ein wichtiger Aspekt für Eduardo Cociffi, der auch bei seinem eigenen Wohnhaus der Ansicht ist, dass sich Innenräume bei Bedarf auch anpassen lassen sollten, da sie Ausdruck der aktuellen Lebenssituation sind. Ein ähnliches Verhältnis hat Cociffi auch zur Farbe innerhalb der Architektur: „Für mich sollte die Architektur das aktuelle Geschehen und die Gesellschaft repräsentieren. In der derzeitigen Situation scheinen Kontraste angebracht zu sein.“ Gerade vor dem Hintergrund der hier verwendeten Blautöne und ihren Assoziationen ist dies ein inspirierender Ansatz innerhalb eines bemerkenswerten Projekts.

OBJEKT | STANDORT

Casa Verde, Emmendingen BAUHERR | NUTZER

Marlene Fiedler & Eduardo Cociffi, Emmendingen ARCHITEKT

Eduardo Cociffi, Emmendingen www.cociffi-arch.de TECHNISCHE BERATER

Henrik Eiling, Brillux Freiburg Marc Behrendt, Brillux Freiburg AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Veeser Putz Stuck Trockenbau GmbH, Freiburg BRILLUX PRODUKTE

Extrasil 1911 Mineral-Leichtputz R K5 3626 WDV-System Qju Superlux ELF 3000 Vetrolux ELF 3100 BRILLUX SCALA-FARBTON

75.06.18

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SILBERGLANZ

SPIEGLEIN

NIELGEIPS

FOTO

Josema Cutillas

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Das Spiel mit der Vervielfältigung Mit ihren raumerweiternden Effekten ziehen sie die Betrachtenden in den Bann, lassen einen in die Ferne schweifen und schieben scheinbar rechts nach links und umgekehrt. Spiegel faszinieren und schaffen als reflektierende Flächen durch einfallendes Licht ein realitätsgetreues Abbild ihrer Umgebung. Auch das Kreieren von Verzerrungen und optischen Täuschungen ist Teil ihrer vielfältigen Fähigkeiten. Der Zauber ihres Wesens liegt in der Herstellung: Durch das Auftragen einer Schicht aus Silber oder Aluminium auf das Glas entsteht ihr einzigartiger Charakter, der etwas Magisches an sich hat. Dabei kommt es auch auf den Blickwinkel an, denn aus bestimmten Perspektiven betrachtet, sorgt ein Spiegel nicht für Vervielfältigung, sondern präsentiert sich als silbernes Glanzobjekt. Dank dieser meisterhaften Wandelbarkeit wundert es wenig, dass Spiegel auch in Kunst und Architektur vielfach in Erscheinung treten. Doch wie verhält sich die reflektierende Oberfläche in der Natur – außerhalb des bebauten Raumes? Eine Frage, die von den beiden Architekturbüros Leckie Studio und oe architects mit ihren außergewöhnlichen, skulpturalen Spiegelarchitekturen in den Blick genommen wurde.


LAN-4: für gläserne Momente Die Installation LAN-4 des Architekturbüros oe architects ist eine naturverbundene Hommage an den Weinbau. Sie erstreckt sich in der stilisierten Form einer klassischen Weinflasche gen Himmel – und das mitten in einem Weinberg in der spanischen Stadt Logroño. „Denn der gesamte Prozess eines Weinguts gipfelt in der Präsentation des Weines“, so Architekt Alejandro Ramírez. Bewirtschaftet wird der Weinberg von einem der besten Erzeuger der Region: Bodegas LAN. Daher rührt auch der Name der beeindruckenden Spiegelskulptur, die mit einer Höhe von 7,5 m aufwarten kann. „Wir wollten, dass es ein Wahrzeichen ist, das im Laufe der Monate zu einem festen Bestandteil der Landschaft wird“, erklärt Alejandro Ramírez. Die verspiegelten Außenflächen erinnern an das feine Glas, aus dem der Wein traditionell getrunken wird. Gleichzeitig steht die Spiegelhaut in einem starken Kontrast zu den Innenseiten aus Sperrholz und reflektiert das ganze Jahr über die sich ständig verändernde Umgebung – eine Eigenschaft, die diese skulpturale Architektur in gleichem Maße prägt, wie es bei der folgenden Architektur von Leckie Studio der Fall ist. Damit entsprechen beide Bauwerke der Ansicht des Bauhausgründers Walter Gropius, der sagte, die Baukunst solle ein Spiegel des Lebens und der Zeit sein.

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Arcana: mit Ecken und Kanten Auch das Tiny House Arcana vom Architekturbüro Leckie Studio lässt Architektur und Natur auf wunderbare Weise miteinander verschmelzen. Mit glänzender Hülle spiegelt das originelle Konzept für Wohnen auf kleinem Raum die umliegende Natur wider. Die durch Ecken und Kanten geprägte Architektur fügt sich als Quader in einem Waldgebiet in der kanadischen Provinz Ontario beinahe nahtlos in die grüne Umgebung ein. Erschaffen wurde das circa 25 m2 große Gebäude mit dem Ziel, den Menschen einen neuartigen Zugang zur Natur zu ermöglichen. „Letztendlich schaffen wir Erlebnisse, die eine Brücke zwischen Stadt und Land schlagen“, sagt Architekt Michael Leckie. Durch die reflektierende Verkleidung aus poliertem Edelstahl macht sich das Tiny House auf gewisse Weise unsichtbar und

wird eins mit den umliegenden Laubbäumen – eine gekonnte optische Täuschung. Zudem ist die kleine Unterkunft nicht nur architektonisch besonders, sondern auch vogelfreundlich. „Die Metallverkleidung verwendet eine innovative, leicht verzerrte Reflexion, die dazu beiträgt, Vögel und Wildtiere vor Verletzungen zu schützen.“ Für ein intensives Naturerlebnis sorgt auch das große, auffällige Panoramafenster, das als einzige von außen sichtbare Barriere die Bewohner durch eine Glasscheibe vom dichten Wald trennt. Die Ausstattung ist zurückhaltend-minimalistisch und durch Holz geprägt – ein Werkstoff, der die Verbindung zur Natur nicht deutlicher verkörpern könnte.

FOTOS

Andrew Latraille

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FOKUS

Prof. Eva Filter, ehemals Dozentin an der Detmolder Schule für Innenarchitektur, widmet sich innerhalb der Rubrik „Farbbetrachtungen“ dieses Mal dem Vergleich von Innenarchitektur, Architektur und Städtebau. Alle drei Disziplinen haben gewisse Gemeinsamkeiten, weisen aber auch deutliche Unterschiede auf. Vor allem die Größe und der Maßstab sind hier entscheidend.

Größenvergleich Innenarchitektur | Architektur | Stadtplanung Eine Analogie Ein Stuhl, ein Haus, eine Stadt

man kennt sich, es entsteht eine Nachbarschaft. Gehend kann ein Mensch dabei etwa 300 m überblicken. Das

Was könnte hinter dieser Analogie stecken? Vielleicht der

ist auch die vergleichbare Größenordnung eines kleinen

Anspruch einer Kompetenz für alles? Vielleicht eine Bau-

Platzes in der Stadt. Ein Hof- oder Atriumhaus haben

befähigung? Wer einen Stuhl bauen kann, ist auch in der

geringere Größen.

Lage, eine Stadt zu planen? Oder anders herum: Wer ein Haus baut, kann auch einen Stuhl bauen? Dies initiiert den

Während die Innenräume eines Hauses Privatheit sym-

generalistischen Anspruch des Architekten als Erschaffer

bolisieren, haben Stadträume Zugang über öffentliche,

eines Gesamtkunstwerks. Doch in der Realität ist das bis-

halböffentliche und private Zonen. Die dazugehörigen

her nur selten gelungen, denkt man zum Beispiel an Adolf

Straßen entstehen im Maßstab des Menschen und seiner

Loos, Le Corbusier oder Mies van der Rohe mitsamt ihren

Fahrzeuge. Der Rahmen eines Platzes und der Straße

Werken. Ich würde auch denken, die Behauptung, alle drei

bestehen aus Bodenflächen, den Hausfassaden und dem

Maßstäbe zu beherrschen, sei generell eine Anmaßung –

Himmelsgewölbe in Analogie zum Boden, der Wand und

selbst wenn sich Gestaltungsgrundlagen hinsichtlich der

Decke eines Innenraums. Ist die Umrahmung nicht durch-

Innenarchitektur, der Architektur und der Stadtplanung

brochen, erscheint der Platz geschlossen. Seine Grund-

ähneln und daher auch einige Hochschulen ein gemein-

flächen sollten idealerweise auch von Verkehrsströmen

sames Grundstudium anbieten. Doch Räume, Häuser und

unberührt bleiben, damit der Platz zum „Drin-Wohnen“

Städte sind in ihrer individuellen Ganzheit eigenständige

geeignet bleibt. Dies bedeutet, dass einmündende Straßen

Organismen und Systemgebilde. In den verschiedenen

an den Plätzen vorbeigeführt und auch Gebäudegrund-

Größenordnungen bestimmen Auftraggeber und Bauherren

risse oftmals von bevorzugten Platzformen abhängig

– manchmal auch Politiker – mit und werden aus unter-

gemacht werden. So entstanden zeitweise schiefwinklige

schiedlichsten Prämissen zu Mitprägenden.

Räume in Häusern, die keine Idealform, dafür aber ein

Innenräume der Stadt sind Hauszwischenräume

Charakteristikum waren. Der luxemburgische Architekt Rob Krier hat entwurfsgestalterische Mittel genauer beschrieben, die für Stadträume und Innenräume gleichermaßen gelten. So verringert zum Beispiel ein

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Sobald klare geometrische Merkmale und ästhetische

zurückspringendes oberstes Geschoss die optisch wahr-

Qualitäten ablesbar sind, erleben wir Außenräume als

nehmbare Bauhöhe, während eine Arkade als Vorsprung

Stadträume. Die Straße als Bewegungsraum erschließt

in der Fußgängerebene den Fußgänger auf Distanz zur

die einzelnen Parzellen und ist vergleichbar mit Fluren in

Hauswand hält, zugleich aber einen kleinteiligen und

einem Haus. Ein Platz lädt zum Verweilen und Versam-

angenehmen Maßstab bildet. Hausfassaden – von der

meln ein, auch hier ähnlich wie Zimmer in einem Haus.

Lochfassade und Rasterfassade bis zu ihren Fensteran-

Die geschaffene Form (Figur) im Platzraum erlaubt dabei

ordnungen – inspirieren so zu unterschiedlichen Nutz­

ein Höchstmaß an öffentlicher Kontrolle: Man sieht sich,

ungen im Stadtraum.


Verbindung von Straßenführung und Platzgestaltung

Straßen münden mittig

Straßen laufen entlang der Platz-Außenkante Siena, Piazza del Campo oben: Blick aus der Luft auf den Platz links: Schwarzplan mit den Zwischenräumen in Weiß für den Platz, die Straßen und Höfe unten: Blick aus der Augenhöhe des Nutzers

Eingeschobener Bau „Haus-in-Haus“-Prinzip

Dies verdeutlicht: Die Wahrnehmung des Nutzers ist eine andere als die des Planers.

Vorgesetzte Arkaden

Lochfassade, Lochfassade, Satteldach Satteldach Lochfassade, Lochfassade, Satteldach Satteldach

Lochfassade, Satteldach Lochfassade, Satteldach

Rasterfassade, Rasterfassade, plastische, plastische, vertikale vertikalevertikale Gliederung Gliederung Rasterfassade, Rasterfassade, plastische, plastische, vertikale Gliederung Gliederung Rasterfassade, plastische, vertikale Gliederung Rasterfassade, plastische, vertikale Gliederung

Rasterfassade Rasterfassade mit mitvorgebauter vorgebauter Arkade Arkade Arkade Rasterfassade Rasterfassade mit mit vorgebauter vorgebauter Arkade Rasterfassade mit vorgebauter Arkade

Häuserfassade mit vorgebauter Arkade

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Maßstab des Körpers

Es wird deutlich, dass das gemeinsame Spektrum der drei Disziplinen groß ist. Ihre markantesten Unterschiede

Die Beziehung zwischen Stadtraum und Fassade wird im

möchte ich an einem von Charles und Ray Eames entwi-

Innenraum durch die Wände vervollständigt – ebenso ihr

ckelten Buch der Größenverhältnisse deutlich machen.

Verhältnis von geöffneten zu geschlossenen Flächen. Die

Die Differenzen bewegen sich in der Maßstäblichkeit

Form eines Platzes entspricht der Analogie eines Innen­

und im Verhältnis des Gebauten zum Menschen. In den

raums: geknickte, geteilte, addierte und überlagerte

verschiedenen Disziplinen entstehen unterschiedlich

Raumfiguren werden dabei zur Gliederung. Hausfassa-

nuancierte Ebenen der Wahrnehmung des Raumes. Für

den, Platzformen, Raumfiguren, orthogonale Plätze mit

Stadtplaner, Architekten und Innenarchitekten stellt sich

Einbauten, offene Platzräume mit eingeschobenen Bauten,

die Frage, wie sich die Beziehungen des Menschen zum

das „Haus-in-Haus“-Prinzip – eine Analogie, die prinzi-

Gebauten von einem Maßstab zum anderen verändern

piell in der Innenarchitektur, Architektur und im Städtebau

und wo die Schnittpunkte sowie der Kern des jeweiligen

vorhanden ist.

Planungsschwerpunkts liegen.

Durch zusammenhängende Kompositionen, markante

1952 drehten Charles und Ray Eames den Film „Powers

Raumabfolgen, den Wechsel von schmalen, hohen Räumen

of Ten“ – auf der Basis ihres Elementarbuchs der Grö-

(Straßenschluchten) zu breiten Plätzen entstehen Span-

ßenverhältnisse. Buch und Film zeigen die Szene eines

nungsmomente, die das Durchwandern der Raumsequenz

Paares auf einer Picknickdecke am Michigan-See mit

zu einem Erlebnis machen. Eine Tiefenwirkung erzeugt

Maßstäben und Größenverhältnissen in der Zehnerpotenz:

hier eine visuelle Maßstabssteigerung und stellt gestal-

vom größten Maßstab, ausgehend aus dem Universum,

terische Vielfalt dar. Michelangelos Capitol, der Campi-

der Milchstraße über den menschlichen Maßstab bis hin

doglie in Rom, ist ein gutes Beispiel. Seine Tiefenwirkung

in die kleinsten Dimensionen im Inneren der Haut. Unser

wird hervorgerufen durch eine trapezförmige Erweiterung

vertrauter Lebensraum umfasst etwa sechs Größenord-

zum Senatorenpalast, die den Betrachter hineinzieht. Eine

nungen: von 103 bis 10-2.

Maßstabssteigerung ergibt sich durch die stark betonten Horizontalen der beiden seitlichen Paläste, die tiefer liegen als die waagerechten Gliederungselemente des Senatoren-

10 hoch 0 ist der Maßstab, den wir am besten kennen und begreifen können.

palastes, was wiederum einen Bühneneffekt erzeugt. Die gestalterische Vielfalt wird durch vertikale Säulen geord-

Ein Meter ist das menschliche Maß für die Dinge der

net. Das zeigt, wie die emotionale Wechselbeziehung des

Umgebung, aber auch für eine Nähe, bei der man sich

Menschen mit der Umwelt seine gesamte Wahrnehmung

unterhalten und berühren kann. Zehn hoch minus eins

beeinflusst. Schinkel konstatiert, der Erlebniswert eines

ist die sinnliche Erlebniswelt, die noch im kleinen Maß-

Raums hänge in erster Linie von physikalischen Wahrneh-

stab erfassbar ist. Betrachten Sie Ihre Hand: Gesamt-

mungen ab. Die vorrangige Prämisse ist das Blickfeld des

gestalt, Formabschlüsse, Oberflächenstruktur, Textur,

Menschen, das über formale Zusammenhänge und räum­

Lichteinfall, Farbigkeit, Porigkeit, den Übergang vom

liche Abfolgen entscheidet.

Nagelbett zur feinen Nagelhaut. Diese Nähe entspricht auch dem Verhältnis von Mensch und Innenarchitek-

Der Wechsel von flächigem Sehen und räumlichem Erfahren (+Denken) formt in der Bewegung unseres Körpers die Wahrnehmung.

tur, wenn er auf einem Stuhl an einem Tisch sitzt. Hier kommt es auf das Erleben und Empfinden des Menschen an, der sich auf einer Horizonthöhe von etwa 1,50 m bis 1,75 m durch den Raum bewegt, auf diese Weise mit den

32

Rob Krier hält den Maßstab des Körpers im Baugeschehen

Elementen in Berührung kommt und aufgrund seiner

für eine verpflichtende Größenordnung. Spannungsvolle

Körperwärme beurteilt, ob ein Material warm oder kalt

Raumabfolgen mit Einblicken, Durchblicken und Ausbli-

ist. Das menschliche Auge beurteilt dabei, ob ein Span-

cken, das Verhältnis von geöffneten zu geschlossenen

nungsverhältnis oder eine Harmonie zwischen Farbe, Ma-

Flächen sind in allen drei Sparten – falls sie gut konzipiert

terial und Oberflächentextur vorhanden ist. Dadurch geht

wurden – bereichernd und charakterisierend. Die Ähnlich-

der Mensch in Beziehung zu den Dingen, setzt Grenzen,

keiten kann man sehen lernen, aber die Mittel sind nicht

bestimmt Enge und Weite, Nähe und Ferne. Er ordnet die

zwangsläufig austauschbar und die Unterschiede präsent.

Dinge, gibt ihnen ihren Wert, ihre Bedeutung und Symbo-

So sind atmosphärenbildende Farb- und Materialkonzep-

lik. Die Grundlage der Gestaltungsvorgänge ist die eigene

tionen, Verdichtung und Öffnung in den Strukturen die

Leiblichkeit, das Stehen, Liegen, Gehen, Orientieren, sich

Kernkompetenzen der Innenarchitektur. Der Innenraum

Abgrenzen, Fügen, die ganze Reichweite der Sinnesor-

beansprucht ganzheitliche Zonen für differenzierte Hand-

gane, die Grundstrukturen des Abstandsverhaltens, die

lungsorte, an denen Aktionen ablesbar werden.

Proxemik – also die Art der nonverbalen Kommunikation.


1

3

Campidoglie in Rom 1537 1 | Kapitolmuseum 2 | Santa Maria in Aracoeli 3 | Konservatorenpalast/Museum

2

Petersdom und St. Pedro vor den Mauern: Verhältnis zwischen Mensch und Stützensockel

Ein Wechsel der Größenverhältnisse in der Zehnerpotenz – vom Blick auf die Stadt bis zum menschlichen Maßstab

10 hoch 3 = 1 km, 1000 m entfernt, 10 Minuten zu Fuß, erkennbar wird ein Stadtteil mit Gebäuden, Autos, der Bootshafen in Chicago, Men­ schen lassen sich nur erahnen. Das ist der Maßstab des Städtebaus.

10 hoch 2 = 100 m entfernt, nicht weit von der Schnellstraße, eine Decke auf einer Rasenfläche, die natürliche Grenze für bio­ logisches Leben, zum Beispiel der Mammutbaum.

10 hoch 1 = 10 m entfernt, ein Mann auf einer Picknickdecke; Räume, die 10 m breit, lang oder hoch sind, sind selten, eher im öffentlichen Bereich zu finden. 10 × 10 m sind die Außenmaße für ein kleines Holzhaus.

10 hoch 0 = 1 m entfernt, der Mann ruht sich aus, die Dinge des Picknicks um ihn herum; das Maß für die Dinge der nahen Umgebung, in der man sich unterhalten und berühren kann.

33


Zehn Meter ist eine Größe, die meist in öffentlichen Ge-

„wie man im Raum ist“. Der Erlebnisraum des Leibes und

bäuden, weniger im privaten Wohnbereich zu finden ist.

des Körpers bestimmt dabei die gestalterischen Kriterien.

Plätze bis zwölf Meter Durchmesser haben noch eine inti-

Die Wahrnehmung des Räumlichen vollzieht sich in Stu-

mere Wirkung, bis 24 m einen menschlichen Maßstab, und

fen, sie beschreibt einen bewegten Vorgang, eine Abfolge

bei 130 m ist eine Beziehung zwischen Platzgröße und der

von Sequenzen.

Höhe der Umrandung nicht mehr festzustellen. Ein Beispiel wäre der Place de l’Étoile in Paris, ein sternförmiger Platz,

Die Analogie von Innenarchitektur, Architektur und Stadt-

der zu weitläufig für menschlich erfassbare Maßstäbe ist,

planung ist ein Tool für Gestalter, um ein Verständnis für

da er nicht als Platzraum im Ganzen überblickt werden

den jeweils anderen Bereich und dessen Beziehungen zu

kann. Die Straßen sind breiter als die Häuserblocks, das

bekommen. Sie ist wichtig für die Kommunikation der

Verhältnis von geöffneter zu geschlossener Fläche ist zu

Spezialisten über den Tellerrand hinweg. Architekten,

groß. Im Innenraum ist die Distanz, die im Stadtraum

Innenarchitekten und Stadtplaner sollten daher zusam-

vorhanden ist, durch die persönliche Sphäre aufgehoben.

menarbeiten. Ein Missverhältnis wird spürbar, wenn im

Das sind Erkenntnisse, die Planungen vom 1:1-Detail eines

Innenraum nur kubische Formen aus digitalen Vektoren

Tisches zum 1:50- bzw. 1:10-Plan eines Innenraums, zum

im Grundriss entwickelt werden und nicht ergonomisch

1:100-Grundriss eines Gebäudes bis zum 1:500-Maßstab

und mit Atmosphäre in der Perspektive erfunden werden.

eines städtischen Bauplans verändern. Der Stadtraum ist

Dann bleibt eine solche Gestaltung, die der rechtwinklig

dabei nicht auf den Einzelnen bezogen. Der Einzelne spürt

gebauten Architektur.

eher gesellschaftliche Haltungen oder ein Lebensgefühl und wird Teil des Ganzen. Im Innenraum ist die Identität und Einzigartigkeit des Einzelnen hingegen spürbar.

Ein kleiner Exkurs: Gulliver und die Gesetzmäßigkeit anderer Größenordnungen

Innenarchitekten brauchen daher empathische Kenntnisse über den Menschen und Funktionsabläufe, um gestalteri-

Die Verantwortung, eine Straßenlaterne zu entwickeln, ein

sche Kontexte zu erfinden.

Badezimmer oder einen Beistelltisch, hat unterschiedliche

Zitat Wolfgang Meisenheimer: „Für das System aus nebenei-

Facetten, Materialien und Proportionen und damit eine

nander und übereinander gelagerten Zonen für mögliche Hand-

Unaustauschbarkeit. Die Nichtaustauschbarkeit der gestal-

lungen (schlafen, sich waschen, essen, arbeiten, sich begegnen,

terischen Mittel schafft unverwechselbare Orte.

spielen, sich erholen) brauchen wir geeignete Orte“, die sich zu

Wer noch Zweifel an den Unterschieden der drei Diszipli-

einem Handlungsgewebe fügen. Weil der Mensch das Maß

nen hat, sollte sich mit Gulliver auf die Reise nach Lilliput

der Dinge zur Raumgestaltung ist, müssen mögliche Akti-

und Brobdingnag begeben und den verschiedenen An-

vitäten ableitbar und verständlich sein. Der Innenraum, in

sprüchen in den einzelnen Größenordnungen lauschen. Die

den wir eintreten, umfängt uns. Es entsteht ein Verhältnis

Fremdheit Gullivers bei den Zwergen oder bei den Riesen

zwischen Körper, Raum und Dingen.

macht deutlich, wie wunderlich, sonderbar, skurril, aber auch relevant die Gesetzmäßigkeiten anderer Größenord-

Strukturen im Innenraum, wie Texturen und Farb­ verläufe des Materials, Oberflächenbehandlungen oder Verlegetechniken, haben immer auch räumliche Wirkung.

nungen sind. Gulliver spürt auf seinen Reisen Grenzen von

Die Dichte der angewandten gestalterischen Mittel prägt

Prof. Dipl.-Ing. Eva Filter, Detmolder Hochschule für Architektur und Innenarchitektur

neben der farbigen Konzeption den atmosphärischen Raumeindruck. Hier gibt es den spannungsvollen Wechsel

menschlichen Gesellschaften und Andersartigkeiten hautnah. In der Fremdartigkeit liegt ein Zustand mangelnder Vertrautheit. Dieses Verständnis hat Gulliver gewonnen.

zwischen festen Einbauten, die unveränderbar positioniert sind, oder einer losen Möblierung. Die Kunst der Innenarchitektur besteht darin, auf gefühlsmäßige Erwartungen zeitgemäß zu reagieren und gleichzeitig dem Typus des gebauten Raums gerecht zu werden. Heinz Bienefeld und Peter Zumthor entwerfen Gebäude, deren Inneres gleichermaßen Respekt findet wie ihr Äußeres. Sie planen so homogen, prägnant und fließend, dass nicht nur Behälterräume für austauschbare Aktivitäten entstehen. Anlass des Bauens ist in erster Linie zunächst der Innenraum. Möbel bieten Antworten auf individuelle Bedürfnisse an, sie geben Resonanzen auf das Wohlbefinden des Einzelnen und

34

Ausblick FARBBETRACHTUNGEN colore 26:

Material und Raumgefühl


Hermann Muthesius schreibt über die Stellung des Bettes: „Eine erste Forderung ist, dass der Schlafende beim Erwachen nicht unmittelbar in das blendende Licht blickt. Die bekannte Aufstellung des Bettes, bei der das Fußende gegen das Fenster gerichtet ist, ist also zu verwerfen. Weiter soll das Bett zugfrei stehen, also nicht so aufgestellt sein, dass eine Verbindungslinie zwischen Fenster und Tür oder gar zwischen 2 Fenstern das Kopfende trifft. Und schließlich ist es nötig, dass die Zuführung des Tageslichtes zum Zimmer so erfolgt, dass der im Bett Liegende lesen kann, also, dass sie entweder vom Kopfende herkommt oder mindestens von einem seitlichen, nicht allzu weit entfernten Fenster. Die Forderung ist nicht so sehr für den täglichen Gebrauch, als vielmehr für den Fall zu erheben, dass das Schlafzimmer als Krankenzimmer benutzt wird, was bei jedem Schlafzimmer einmal eintreten kann. Es ist dann unerträglich, wenn das Buch oder das Blatt, das der Kranke lesen will, beschattet ist, ein Zustand, der geradezu zwingt, das Bett umzustellen. Was die Lage der Zugangstür zum Schlafzimmer anbetrifft, so ist es sehr angenehm, wenn sie so gewählt werden kann, dass der Eintretende nicht sofort das Bett überblicken kann. Die Tür muss dazu nicht nach innen schlagen und so aufgehängt sein, dass sie sich beim Öffnen gegen das Bett hin dreht. Der im Bett Liegende wird dann auf den Eintretenden vorbereitet.“

Sitzmöbelprojekt „Weiches“ Sitzen (v. l. n. r.): 1 | „Pepe“ für bewegliches kommunikatives Sitzen in der Küche, von Stud. Christina Herrmann 2 | „Stanna“, das Wartezimmermöbel von Stud. Theresa Schulze 3 | „avec plaisir“, ein Thron von Stud. A. Nadine Link

35


MEHR ALS FARBE

36


Bewegung heißt das Zauberwort Im nordöstlichen Ruhrgebiet können sich Kinder von vier Monaten bis zur Einschulung in der „Kita Movere Löwenzahn“ auf knapp 900 m2 und zwei Etagen austoben und sich so ganz im Zeichen der Psychomotorik entwickeln. Die Wahrnehmung von Gefühlen, Stärken und Schwächen sowie die soziale Integration stehen dabei im Fokus. Um ausreichend Möglichkeiten, Spiel- und Bastelmaterialien sowie Geräte zum Schaukeln und Rutschen unterbringen zu können, haben die Architekten von Fritzen + Müller-Giebeler aus Münster einen Massivbau geschaffen, der außen und innen mit einem aufgelockerten, freundlichen Erscheinungsbild überzeugt.

FOTOS

Markus Nilling, Dortmund

37


„ Den Räumen wird eine Offenheit verliehen, die die Natur von außen in den Innenraum trägt.“ KRISTINA SCHULER

Eine Einrichtung für Kinder zu gestalten

menkommen, ist hier ein breites Spektrum

Letzterer erstreckt sich im Zentrum über

ist immer mit einem hohen Maß an Ver-

gefragt. Dies bedarf in vielerlei Hinsicht

zwei Geschosse und charakterisiert da-

antwortung verbunden. Hier gilt es, eine

einiger Erfahrung und des entsprechenden

durch die gesamte Kubatur im Innern wie

sichere Umgebung zu schaffen, in der sich

Fingerspitzengefühls.

im Äußeren. Damit wird dieser Raum zum

Kinder wohlfühlen, damit sie sich frei und unbeschwert entfalten können. Dies ini-

Highlight und Mittelpunkt des alltägli-

Ein Spiel mit Räumen

chen Betriebs. Durch seine geschossüber-

tiiert einen Rückgriff auf natürliche, un-

38

greifende Zonierung entstehen auf den

belastete Materialien und die Konstruk-

Den Architekten von Fritzen + Müller-Gie-

beiden äußeren Baukörpern zwei separate

tion von gefahrlosen Raumsituationen.

beler ist es in Hamm gelungen, auf einem

und sicher umschlossene Dachterrassen,

Zugleich gilt es auch einzubeziehen, aus

flächenmäßig begrenzten Grundstück ein

die von den Kindern und Mitarbeitenden

welchen konkreten Perspektiven Kinder

umfangreiches und vielfältiges Angebot

bespielt werden können und von denen es

einen Raum wahrnehmen und erkunden,

für Kinder in unterschiedlichen Entwick-

sich sogar in den ebenerdigen Außenraum

in welchem Alter welche Bedürfnisse zu

lungsstufen zu gestalten. Die Kita Movere

rutschen lässt. Dank der vor- und zu-

erfüllen sind und wie die Räumlichkeiten

Löwenzahn

einem

rückspringenden Architektur ergeben sich

von Kindern und Erwachsenen gleicher-

zweistöckigen Gebäude, das vier Gruppen-

darüber hinaus weitere geschützte Außen-

maßen bequem genutzt werden können.

und zwei Büroräume inklusive Neben-

bereiche und praktische Zwischenzonen.

Gerade wenn in einer Kindertagesstätte

und Mehrzweckräumen sowie einen sehr

Kinder unter und über drei Jahren zusam-

großen Gymnastikraum beherbergt.

besticht

dabei

mit


81.09.09

27.15.24

09.18.06

81.09.09

27.15.24

09.18.06

Höchste Stelle: 110 cm 60.09.15

Höchste Stelle: ca. 55 cm

60.09.15 60.09.15

Höchste Stelle: ca. 55 cm Abstand nach Gefühl

Abstand nach Gefühl

1 - Weide Abstand nach Gruppenraum Gefühl

Abstand nach Gefühl

60.09.15

60.09.15 60.09.19 60.09.12 60.09.19 60.09.12

60.09.15

60.09.19

06.06.09

60.09.12

Außen | Innen Außen | Innen

Gruppenraum 1 - Weide

60.09.19 06.06.09

Höchste Stelle: 110 cm

60.09.12

90.09.15

06.15.15

90.09.15

Treppenunterbau

06.15.15

Treppenunterbau

Höchste Stelle: 110 cm Höchste Stelle: ca. 55 cm

Schlafen I und Schlaf Jede 6.Wolke bitte dr Schlafen I und Schlaf Jede 6.Wolke bitte dr

Höchste Stelle: 110 cm Abstand nach Gefühl

Höchste Stelle: ca. 55 cmAbstand nach Gefühl

Gruppenraum 2 - Düne Abstand nach Gefühl Erdgeschoss

Abstand nach Gefühl

Außen | Innen Außen | Innen

Gruppenraum 2 - Düne

Erdgeschoss 60.09.12

200 cm

60.09.12

200 cm

75 cm Von der Decke: 60 cm 75 cm Von der Decke: 60 cm

WC I

Von Farben und Formen WC I

Gruppenraum 3 - Wolke

06.06.09

60.09.19

27.15.24 27.09.19

60.09.12

27.15.24

Außen | Innen

Farben mit sehr zurückhaltenden, plakati180 cm ven Wandgestaltungen. Der fein marmo180 cm

Höchste Stelle: ca. 55 cm

rierte, hellgraue Vinylboden suggeriert dabei

Höchste Stelle: 110 cm

eine gewisse Natürlichkeit, ohne unruhig zu

Höchste Stelle: 110 cm

Höchste Stelle: ca. 55 cm Grundrisse Erdgeschoss und 80 cm Gruppenraum 4 - Erde Obergeschoss mit Zuordnung 80 cm Farbkonzepts des Gruppenraum 4 - Erde

Obergeschoss Farbentwurf Ausdruck vom:

20/ 50963

Dieser Farbentwurf ist urheberrechtlich geschützt. Eventuelle Farbtonabweichungen sind drucktechnisch bedingt. Die Bestellung von Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scala Farbtonmuster erfolgen. Der Farbausdruck wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und ist UV-lichtempfindlich. Zur Beurteilung der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterung am Objekt.

Wenn bei der Ausführung der gestalteten Flächen ausschließlich Brillux Produkte verwendet werden, entstehen Ihnen keine Kosten. Bei dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, dass wir Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen.

Farbentwurf Ausdruck vom:

20/ 50963 24.06.2020

Dieser Farbentwurf ist urheberrechtlich geschützt. Eventuelle Farbtonabweichungen sind drucktechnisch bedingt. Die Bestellung von Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scala Farbtonmuster erfolgen. Der Farbausdruck wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und ist UV-lichtempfindlich. Zur Beurteilung der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterung am Objekt.

Die Schutzgebühr beträgt der gesetzlichen MwSt.: 550,00 Wenn bei der Ausführung derzzgl. gestalteten Flächen ausschließlich Brillux€ Produkte verwendet werden, entstehen Ihnen keine Kosten. Bei dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, dass wir Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen.

24.06.2020 Obergeschoss

WC

Außen | Innen

27.09.19

60.09.12 60.09.19

WC

WC II

In allen Innenräumen dominieren dezente

Gruppenraum 3 - Wolke

06.06.09

WC II

Die Schutzgebühr beträgt zzgl. der gesetzlichen MwSt.: 550,00 €

175 cm 175 cm

wirken. Auch die Fensterrahmen aus masAußen | Innen

Movere Flur

siver Eiche greifen diese Ursprünglichkeit Außen | Innen Movere Flur

auf. Dank der Kombination aus einer unBitte beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung nicht möglich ist. Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassaden und Innenräumen. Am Objekt verändern sie im Tagesverlauf ihre farbliche Ausrichtung. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt.

behandelten, sehr reduzierten MaterialiBitte beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung nicht möglich ist. Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassaden und Innenräumen. Am Objekt verändern sie im Tagesverlauf ihre farbliche Ausrichtung. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt.

tät mit einer gedeckten Farbwahl erhalten die Räume ein in sich stimmiges und sehr zartes Erscheinungsbild. „So soll die Kunst der Kinder im Vordergrund stehen, damit sich die Räumlichkeiten individuell gestalten lassen“, erläutert Kristina Schuler als zuständige Planerin von Fritzen + Müller-­ Giebeler. „Darüber hinaus hat jede Gruppe eine Leitfarbe erhalten, die sich in der Tür zum Gruppenraum sowie in der jeweiligen Einrichtung zeigt.“ Die Positionierung der Fenster zeigt dabei eine lockere Anordnung, folgt dem Raumkonzept und bricht dadurch auf charmante Art und Weise die ansonsten vorherrschende Symmetrie der restlichen Kubatur auf. Die Pfosten-Riegel-Fassade mit bodentiefen Fenstern zum rückwärtigen Garten sorgt hierbei für ausgiebigen Tageslichteinfall in den einzelnen Räumen und schafft zugleich einen nahezu schwellenlosen Übergang zum Außenraum.

39


„ Ein hoher Anspruch an die architektonische Qualität und Nachhaltigkeit signalisiert eine besondere Wertschätzung den Kleinsten gegenüber.“ KRISTINA SCHULER

Eine Sache des Blickwinkels

40

Neben dem weitläufigen Gymnastikraum

sivität entgegenwirkt. Denn neben ihrer

stellt die skulptural anmutende Treppe im

Funktion des Aufgangs ins Obergeschoss

Zentrum der Einrichtung einen besonde-

wurde unter dem Stufenverlauf eine klei-

ren Blickfang dar. Durch ihren v-förmig

ne Höhle geschaffen, die von den Kindern

gewinkelten Verlauf entsteht ein großes

als Lese- und Kuschelecke genutzt wer-

Treppenauge, das in Kombination mit den

den kann. Darüber hinaus bietet eine in-

darüberliegenden Oberlichtern Tageslicht

tegrierte Sitzgelegenheit die Möglichkeit,

ins Innere leitet und die Treppe eindrucks-

von hier direkt in den gegenüberliegenden

voll beleuchtet, sodass die Natürlichkeit

Gymnastikraum zu schauen – für Kinder,

des hellen Eichenholzes der Stufen und

Mitarbeitende und wartende Eltern glei-

des Handlaufs unterstrichen wird. Durch

chermaßen eine schöne Option. Da möch-

die Helligkeit erhält die Treppe zudem

te man doch selbst noch einmal Kind sein,

eine gewisse Leichtigkeit, die ihrer Mas-

gleich mitmachen und sich austoben.


‚Bewegen Objekt

Neubau Kita Movere

Eschenallee ‚Bewegend 59063 Hamm

Objekt Planung Neubau Kita Movere Fritzen + Müller-Gieb Eschenallee Aegidiimarkt 59063 Hamm6 48143 Münster

Das dezente Farbkonzept mit fein abgestimmten Pastelltönen Regentänzer wurde in Zusammenarbeit mit Regentänzer Tür Fliesen Tür Fliesen dem Brillux Farbstudio entworfen, Regentänzer Regentänzer sodass immer eine Farbfamilie Tür Fliesen Tür Fliesen einen der vier Gruppenräume 90.09.15 81.09.2199.00.09 90.09.15 81.09.21 charakterisiert.

99.00.09

60.09.19 60.09.1299.00.09 60.09.19 60.09.12

99.00.09

90.09.15 81.09.2199.00.09 90.09.15 81.09.21

99.00.09

60.09.19 60.09.1299.00.09 60.09.19 60.09.12

99.00.09

Planung Konzept Fritzen + Müller-Gieb Aegidiimarkt 6 Die Kindergruppen e 48143 Münster Bezug zu den vier El

Sturmfänger Sturmfänger Tür

Fliesen

Sturmfänger Sturmfänger Tür

Fliesen

Tür

Fliesen

Tür

Fliesen

Die starken Farbtöne und vergraut, um ein Konzept men zu schaffen. Die Kindergruppen er Auch diese Farbtöne Bezug zu den vier Ele Kindern und ihren Pr grund zu geben. Die starken Farbtöne und vergraut, um eine Damit starker K men zukein schaffen. „Kitt-Farbton“ für alle für alle verwendeten Auch diese Farbtöne Kindern und ihren Pro grund zu geben.

Damit kein starker Ko „Kitt-Farbton“ für alle für alle verwendeten

Farbtöne Gruppenr

Scala 99.00.09

Scala 90.09.15

Scala 81.09.21

Farbtöne Gruppenrä

Scala 60.09.12

Scala 99.00.09 Scala 60.09.19

Scala 90.09.15 Scala 06.06.09

OBJEKT | STANDORT

BerghüpferBerghüpfer

Tür Tür Fliesen Kindertagesstätte Movere Löwenzahn, HammBerghüpferBerghüpfer Tür

BAUHERR

Fliesen

Tür

Lavaläufer Lavaläufer

Fliesen

Tür

Fliesen

Lavaläufer Lavaläufer

Fliesen

Tür

Fliesen

Scala 81.09.21 Scala 06.15.15

Scala 60.09.12 Scala 27.09.19

Tür

Scala 60.09.19 Scala 27.15.24

Fliesen

Scala 06.06.09

Scala 06.15.15 Upofloor Terra Scala 27.09.19

Tür

Scala 27.15.24

Fliesen

Farbstudio Münster Zeichnung und Desig

Upofloor Terrac

HGB – Hammer Gemeinnützige Baugesellschaft mbH, Hamm Farbentwurf 20/ 50963 ]Ausdruck vom: 08.06.2020

06.06.09 06.15.1599.00.09 06.06.09 06.15.15

Farbentwurf 20/ 50963 ]Ausdruck vom: 08.06.2020

99.00.09

Dieser Farbentwurf sind ist urheberrechtlich sind drucktechnisch bedingt. Dieser Farbentwurf ist urheberrechtlich geschützt. Eventuelle Farbtonabweichungen drucktechnischgeschützt. bedingt. Eventuelle Farbtonabweichungen Wenn bei der Ausführung der gestalteten Flächen ausschließlich Wenn Brilluxbei der Ausführung der gestalteten Flächen ausschließlich Brillux Die Bestellung von Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scala Farbtonmuster Produkte verwendet werden, entstehen Ihnen keine Kosten. Die Bestellung von Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scala Farbtonmuster erfolgen. Produkte verwendet werden,erfolgen. entstehen Ihnen keine Kosten. DeristFarbausdruck wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und istBei UV-lichtempfindlich. Bei dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, Der Farbausdruck wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und UV-lichtempfindlich. dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, Zur Beurteilung am Objekt. dass wir Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen. Zur Beurteilung der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterung am Objekt.der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterungdass wir Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen.

06.06.09 06.15.1599.00.09 06.06.09 06.15.15

99.00.09

Die Schutzgebühr beträgt zzgl. der gesetzlichen MwSt.: 550,00 € Die Schutzgebühr beträgt zzgl. der gesetzlichen MwSt.: 550,00 €

ARCHITEKT Farbentwurf 20/ 50963 ]Ausdruck vom: 08.06.2020

Fritzen + Müller-Giebeler Architekten BDA, Münster

Farbentwurf 20/ 50963 ]Ausdruck vom: 08.06.2020

Dieser Farbentwurfsind ist urheberrechtlich geschützt. Eventuelle Farbtonabweichungen sind drucktechnisch bedingt. Wenn bei der Ausführung der gestalteten Flächen ausschließlich Brillux Dieser Farbentwurf ist urheberrechtlich geschützt. Eventuelle Farbtonabweichungen drucktechnisch bedingt. Wenn bei der Ausführung der gestalteten Flächen ausschließlich Brillux Die Bestellung Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scala Farbtonmuster Produkte verwendet werden, entstehen Ihnen keine Kosten. Die Bestellung von Brillux Produkten sollte ausschließlich nach Prüfung der Scalavon Farbtonmuster erfolgen. Produkte verwendet werden, erfolgen. entstehen Ihnen keine Kosten. Der wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und ist Bei dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, Der Farbausdruck wurde mit einem Tintenstrahldrucker erstellt und ist Farbausdruck UV-lichtempfindlich. BeiUV-lichtempfindlich. dem Einsatz anderer Produkte bitten wir um Verständnis, Zur Beurteilung amwir Objekt. Zur Beurteilung der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterung am Objekt. der Originalfarbtöne empfehlen wir eine Bemusterung dass Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen.dass wir Sie am Erstellungsaufwand des Farbentwurfes beteiligen.

27.09.19 27.15.2499.00.09 27.09.19 27.15.24

Tel. +49(0)251 7188E-Mail farbstudio.mu

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Farbstudio Münster Zeichnung und Desig

Bitte beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung nicht möglichBitte ist. beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung n Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassade Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassaden und Innenräumen. Tel. 7188Am Objekt verändern sie im+49(0)251 Tagesverlauf ihre farblich Am Objekt verändern sie im Tagesverlauf ihre farbliche Ausrichtung. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt.

27.09.19 27.15.2499.00.09 27.09.19 27.15.24

99.00.09

E-Mail farbstudio.mue

Bitte beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung nicht möglichBitte ist. beachten Sie, dass eine farbgetreue Abbildung n Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassade Farbtöne wirken im Ausdruck anders als auf Fassaden und Innenräumen. Am Objekt verändern sie im Tagesverlauf ihre farblich Am Objekt verändern sie im Tagesverlauf ihre farbliche Ausrichtung. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt. Licht- und Schattenwirkung verstärken diesen Effekt.

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Stephan Wolf, Brillux Münster AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Paul Schulze Malerbetrieb GmbH, Hamm BRILLUX PRODUKTE

Ecofinish ELF 947 Superlux ELF 3000 Rapidvlies 1525 CreaGlas Glasvlies VG 4101 Magnetic BRILLUX SCALA-FARBTÖNE

90.09.15 81.09.21 60.09.12 60.09.19 06.06.09 06.15.15 27.09.19 27.15.24

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SILBERGLANZ

Das Bild hinter dem Foto Silber in der Fotografie Der Abzug eines Fotos wird vermutlich bei den wenigsten Menschen Assoziationen von Kristallen hervorrufen. Dreidimensionale Strukturen in zweidimensionalen Fotografien zu finden beschränkt sich bei der Mehrheit wohl eher auf das abgebildete Motiv. Und doch übernehmen Kristalle in der analogen Fotografie eine bedeutungsvolle Rolle – genauer gesagt sind es die Silberhalogenid-Kristalle. Was dabei neben dem ­ glänzenden Metall noch Besonderes in der Analogfotografie und ihrer Geschichte steckt, erläutert uns André Giogoli sehr anschaulich und faszinierend zugleich. Seine Begeisterung sowie seine Leidenschaft gerade für die analoge Schwarz-Weiß-­ Fotografie gibt der ausgebildete Fotograf auch als Dozent am Lette Verein in Berlin und als Fachbuchautor an Inte­ressierte weiter.

Warum hat analoge Fotografie für Sie nach wie vor einen großen Stellenwert? Wenn wir rein von der Ästhetik ausgehen, finde ich, dass ein analoges Schwarz-Weiß-Bild durch die Materialien, auf die es vergrößert worden ist – vom Negativ zur Vergrößerung auf silberhalogenidhaltiges Fotopapier –, eine andere Tiefe hat. Das kann ich jedoch nicht wissenschaftlich belegen, sondern ist mein Bauchgefühl. Als ich vor 45 Jahren angefangen habe, mich mit der Fotografie zu beschäftigen, gab es keinen Unterschied zwischen analog und digital – es gab nur die filmbasierte Fotografie. Für mich persönlich steht dabei der Prozess im Vordergrund. Ich finde es faszinierend, wie man mit einem einfachen Schuhkarton bzw. einer Dose mit stecknadelgroßem Loch und einem hinterlegten Film ein Abbild der Realität festhalten und dieses mit einfachsten Mitteln wie einer Lösung aus Instantkaffee, Soda und Vitamin C entwickeln kann. Fotografie heißt ja, etymologisch betrachtet, etwas mit Licht zu schreiben. Und so funktioniert tatsächlich auch die silberbasierte Fotografie. Durch Licht wird etwas auf einem Negativ unabänderlich festgehalten, genauer gesagt in eine fotografische Emulsion hineinkopiert – in erster Linie genau das, was der Fotograf/ die Fotografin durch die Kamera vor dem Objektiv gesehen

Foto: Martin Becker

hat. In der digitalen Fotografie ist das anders. Dort werFotografie auf vielen Ebenen: Nach seiner Arbeit als selbststän­ diger Fotograf und Produzent konzipierte und organisierte André Giogoli Medien- und Fo­ toprojekte, initiierte die Lette-Akademie Berlin und publizierte mehrere Handbücher, die bereits mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausge­ zeichnet wurden.

den nur Messdaten ermittelt und einem Platz im Bild zugeschrieben. Damit sind sie beliebig veränderbar. Für mich gilt jedoch eher die Unterscheidung, ob Fotografien nur in Sozialen Medien als Bilddaten geteilt oder ob sie ausgedruckt bzw. in der Dunkelkammer gemacht werden. Dies offenbart auch den eigentlichen Vorteil: die Langzeit­ stabilität. Ich habe vor Jahren von meinem Onkel ein Bild aus der Zeit von vor dem Ersten Weltkrieg bekommen. Dieses Zeitdokument konnte ich in die Hand nehmen und es ohne zusätzliche Maschinen lesen und entziffern. Wir wissen heute, dass Negative und Vergrößerungen 100 bis 150 Jahre halten, wenn sie gut entwickelt, fixiert und gelagert wurden. So etwas weiß man von digitalen Daten noch nicht.

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Können Sie versuchen, uns die physikalischen und chemi­ schen Prozesse der analogen Fotografie zu beschreiben, und somit die Bedeutung von Silber aufzeigen? Analoge, also silberbasierte Fotografie – um sie von der sili­ciumbasierten Fotografie, der digitalen Fotografie zu unterscheiden – basiert auf dem fotoelektrischen Effekt. Die dafür notwendigen Emulsionen auf dem Film bestehen aus lichtempfindlichen Kristallgittern aus Silberhalogeniden. Silberhalogenide sind wiederum chemische Verbindungen aus Silber, Brom und Chlor. Die Halogenid-Kristalle liegen in mehreren Schichten in einer sehr weichen und sauberen Gelatineschicht. Sie haben eine Größe von 0,5 bis einem Mikro­meter. Ein Quadratzentimeter einer durchschnittlichen fotografischen Emulsion enthält ungefähr 500.000.000 Kristalle. Für eine Größe eines Vollformats von 24 mal 36 Millimetern hat man somit etwas mehr als vier Milliarden Kristalle in der Emulsion. Bei dem fotografischen Prozess trifft nun Energie in Form von Lichtteilchen (Photonen) auf das Kristallgitter aus Silberhalogeniden und erzeugt Silberatome – das photolytische Silber. Vier Silberatome bilden dabei ein stabiles Cluster. Das muss innerhalb von Sekundenbruchteilen passieren, ansonsten zerfallen sie wieder, wie es bei Langzeitbelichtungen der Fall ist. Das heißt, die eigentliche Lichtempfindlichkeit von einem fotografischen Material, das für unsere Beleuchtungsstärke ausgerichtet ist, muss zum Beispiel für Langzeitbelichtungen stark reduziert werden. Die unterschiedliche Größe der vorhandenen Silberhalogenid-Kristalle in einer Emulsion ist dabei ausschlaggebend für die notwendige Lichtenergie und das Endresultat. Große Kristalle werden mit wenig Energie schnell geschwärzt, die kleinen nicht. Eine solche Stelle bliebe grau. An der Stelle, wo mit mehr Energie auch die kleinen Kristalle geschwärzt werden können, wird es richtig schwarz. Sobald das Bild belichtet wurde, ist die Information in der Emulsion eingeschrieben und ein latentes Bild entstanden, das auch noch nach Jahrzehnten entwickelt werden kann. Also kann man sagen: Ohne Silber bzw. SilberhalogenidKristalle keine analoge Fotografie? Genau. Und man kann sich kaum vorstellen, was dadurch zu Hochzeiten an Silber verbraucht wurde. Die Fotoindustrie war eine riesengroße Industrie und die bekannten Unternehmen wie Kodak und Fuji haben unvorstellbar große Filmmengen produziert. Aufgrund der Entwicklung ist dies heute natürlich nicht mehr notwendig und damit aber auch die gesamte Technik und Wissenschaft weg. Es gibt noch wenige, die versuchen, sie zu bewahren, was kaum mög-

Oben eine Reproduktion von einem Negativ und unten die daraus angefertigte Vergrößerung. Kapelle Santa Eufémia bei Sintra, Portugal.

lich ist. Denn bei den Emulsionen handelt es sich um ein natürliches Material, das wie Wein oder Whisky geblendet werden muss, um eine gewisse Qualitätsstufe zu erreichen und diese aufrechtzuerhalten.

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Denken Sie, dass die analoge Fotografie aussterben wird? Ich denke nicht. Schauen Sie auf die Renaissance der Sofortbildfotografie. Für viele ist die Analogfotografie nach wie vor ein Spaß. Es ist der Prozess, der dahintersteht. Das Problem ist mehr, dass es keinen neuen Markt für analoge Kameras gibt. Vielleicht wird sie langfristig den Weg gehen, den man bei der Schallplatte beobachtet. Die Liebhaberei wird nicht verschwinden, sondern auch die analoge Fotografie eher fördern. Schwarz ist zum Abschluss noch ein gutes Stichwort. Haben Sie persönliche Assoziationen zu der Farbe bzw.

Haben Schwarz-Weiß-Fotografien für Sie eine andere

dem Material Silber?

Ästhetik als die Farbfotografie?

Natürlich ist bzw. war Silber sehr wichtig für die Fotogra-

Für mich persönlich auf jeden Fall. Es ist die Reduzierung

fie. Aber darüber hinaus ist Silber auch das leitfähigste Ele-

auf die Helligkeitsstufen und den Kontrast, die mich an-

ment und Metall. Es ist antibakteriell, hat wunderbare Ei-

spricht. Wenn man über Farbigkeiten spricht, bemerkt man,

genschaften und ist hochreflexiv, wenn man es poliert. Es

dass alle Menschen Farben individuell wahrnehmen. Das ist

hat für mich eine gewisse Wertigkeit, weil es für mich als

bei Schwarz-Weiß anders. Hier ist von Vornherein klar, dass

Kind auch Taschengeld war und die Münzen teilweise aus

eine Schwarz-Weiß-Fotografie nicht die Realität, sondern

Silberlegierungen bestanden. Allerdings ist Silber für mich,

eine Abstraktion zeigt, bei der Helligkeiten und Strukturen

wie ich es normalerweise sehe, nicht silberfarben, sondern,

im Fokus stehen. Dadurch wird die Fotografie für mich auch

wie es Bestandteil in der analogen Schwarz-Weiß-Fotogra-

ein bisschen ehrlicher und unkomplizierter.

fie ist, schwarz.

Sandstrand auf der Halbinsel Zingst an der Ostsee. ALLE FOTOS

André Giogoli

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Architekturdetail im Fortaleza de Sagres, Portugal.

Diese eiserne Stele steht tatsächlich auf einem Feld und ist nicht digital hinzu­ gefügt worden. Sie ist Teil des Grenz­ denkmals „Auflösung Eiserner Vorhang“ im sächsisch-anhaltini­ schen Harzvorland.

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FOKUS

MET ALLIC SUR FACES FOTOS

Showroom Modes, Sardinien Melania Dalle Grave e Agnese Bedini Off White Flagshipstore, Miami ©Off White Café Got, Barcelona Adrià Goula, One Represent Agency Szene-Restaurant, Berlin Robert Rieger Juweliergeschäft, Melbourne Sean Fennessey

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Heavy Metal Sie sind extravagant, edel und sprichwörtlich cool. Ob als hochglänzender Edelstahl mit gebürsteter oder eloxierter Oberfläche, mehrfachlegiertem Messing, leichtem Streckmetallgewebe oder wärmedämmen-­ dem Aluminium aus der Bauindustrie: Metalle spielen im Interieur-Design eine schillernde Hauptrolle, wie diese Beispiele aus Barcelona, Berlin, Miami und Sardinien jeweils auf ihre Weise reflektieren.

Berliner Szene-Restaurant

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Wie Metalle die Innenarchitektur erobern Materialarchive sind kein singuläres Phänomen, vielmehr eine Berufskrankheit: Fast alle Architektinnen und Architekten, Innenarchitekturbüros und Designstudios pflegen eine ausgeprägte Leidenschaft für Materialien, Bau- und Werkstoffe, die sich vor allem in ständig wachsenden Sammlungen von Materialmustern äußert. Schließlich bieten Materialien nicht nur eine Quelle der Inspiration, sondern bilden wesentliche Grundelemente gestalterischen Arbeitens. Oberflächen bestimmen durch Optik und Haptik die Atmosphäre in einem Raum – sie erzeugen Bilder, erzählen Geschichten und erschaffen neue Welten. Zum unerlässlichen Materialkanon von Judith Haase und Pierre Jorge Gonzalez gehört das Leichtmetall Aluminium. Mit Projekten wie dem Concept Store für Andreas Murkudis in Berlin, dem Shopkonzept The Storey im Oberpollinger München, dem Balenciaga-Showroom in Paris, dem Showroom Template in Lissabon oder dem kürzlich eröffneten Sportstudio Hagius in Berlin-Mitte hat sich das Studio AAS Gonzalez Haase seit seiner Gründung 1999 mit einer Handschrift reduzierter Interieurs etabliert. Ihre Raumkonzepte streben nach einem Minimum an Möbeln und einem Maximum an Licht. AAS Gonzalez Haase setzen neben rauem Beton und Aluminium gerne Materialien ein, welche die Umgebung und die Lichtverhältnisse spiegeln.

Sensible Zweckentfremdung Die Philosophie von AAS Gonzalez Haase folgt dem Grundsatz, hauptsächlich mit rohen, unbehandelten und handelsüblichen Materialien aus der Bauindustrie zu arbeiten, wie Aluminium-Leichtbauplatten, Thermovlies oder dem ultradünnen Isoliermaterial Aluthermo Quattro. Solche Baustoffe haben eine markante Wirkung, sind aber niemals exklusiv oder limitiert. Im Gegenteil, sie sind sogar meistens preisgünstiger. Dabei geht es der Architektin und dem Szenografen immer auch um ein irritierendes Element: „Etwas, das man wahrnimmt, wenn man den Raum betritt, und bei dem man nicht genau weiß, ob man es mag“, sagt Judith Haase. Für den neuen Showroom der italienischen Marke MODES von Aldo Carpinteri hat das Team um Gonzalez und Haase in Porto Cervo auf Sardinien eine Materialcollage aus geballter Metallvielfalt geschaffen. Szenografie trifft auf Architektur, Avantgarde auf Luxus, Kunst und Popkultur. Auf allen drei Etagen glänzen, strahlen und schimmern eloxierte, verzinkte, gebürstete und hochglanzpolierte Metalle sowie Vorhänge aus Metallfasern. Die Reflexionen der verspiegelten Oberflächen maximieren den Glanz zusätzlich. Allein die „Schockfarben“ Kanariengelb, Reinorange, Tomatenrot, Pink, Himmelblau und Giftgrün, die jeweils im Duo oder Trio auf den Präsentationsflächen zum Einsatz kommen, stören die reflektierende Hochglanz-Kulisse. In Anlehnung an die lebendige Kultur der Insel mitsamt ihren farbenfrohen Bauten bilden die Farben kräftige Akzente, die in den Raum integriert wurden. Das Innenleben des Stores wird FOTOS

so zu einem visuellen Fest. Wenn der MODES Shop in Porto Cervo durch seine kom-

Showroom Modes, Sardinien promisslose Farbigkeit auch ein wenig an die Memphis-Ära erinnert, wirkt er wie die Melania Dalle Grave e Agnese Bedini

anderen Projekte von AAS Gonzalez Haase clean und kühl. Laut Pierre Jorge Gonzalez

Off White Flagshipstore, Miami strahlt ein Raum auf diese Weise immer etwas Ehrliches und Echtes aus. ©Off White Café Got, Barcelona Adrià Goula, One Represent Agency Szene-Restaurant, Berlin Robert Rieger Juweliergeschäft, Melbourne Sean Fennessey

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Wie Metalle die Innenarchitektur erobern Subhead

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Perfekte Bühne Dass Metalle aus dem Industriebau in einem anderen Kontext verwendet werden, ist in der Welt der Kunst, der Mode und der Clubkultur ein bekanntes Phänomen. Legendäres Beispiel dafür ist der Off-White-Flagshipstore in Miami, in dem ebenfalls Metalle die Hauptrolle spielen. Mit harten Böden aus Beton, den Deckenpaneelen aus Lochblech, einer Fassade aus Polycarbonat und den zinkbeschichteten Profilblechverkleidungen an den Wänden erinnert der Showroom einerseits an den Funktionalismus eines Warenlagers, andererseits an den Minimalismus einer Kunstgalerie. Auf dieser Bühne glänzen polierte Regale aus rostfreiem Stahl, während kleine Inseln aus Teppich und flauschige Sitzmöbel einen gemütlichen Kontrast innerhalb des schillernden Kosmos schaffen. Für Konzeption und Gestaltung des Flagshipstores seines Labels Off-White hatte sich der amerikanische Modedesigner und Kreativdirektor Virgil Abloh (1980–2021) mit dem OMA-Ableger AMO zusammengeschlossen. Das Label verbindet Luxusmode und Streetstyle jenseits von Haute Couture und ist bekannt für Kollaborationen mit Marken wie Nike, Ikea oder Levi’s. Seit seiner Eröffnung 2020 im Miami Design District symbolisiert der Off-White-Shop eine experimentelle Neuinterpretation der Kategorie Flagshipstore – vor allem, weil er als flexibel nutzbarer Raum Fans, Kunden und neugierigen Besuchern eine Plattform für Events und Interaktionen bietet. Die Inszenierung von Waren als reale, echte Objekte wird in Zeiten des rasant wachsenden Online-Shoppings immer bedeutender, das wissen auch AMO und Abloh. Herangehensweise und Haltung erinnern an den gelassenen Perfektionismus, mit dem schon der amerikanische Künstler Donald Judd Mitte der 1980er-Jahre seine 100 Aluminium-Boxen im texanischen Marfa installierte. Judd zielte dabei auf ein komplexes Licht- und Reflexionsspiel ab, wobei Farbe und Oberfläche des Aluminiums von entscheidender Bedeutung waren. Als der Prototyp eine dunklere Farbe und eine mattere Oberfläche zeigte als gewünscht, ließ Donald Judd ihn durch eine hellere ersetzen. Das zeigt: Metalle fordern und erlauben Präzision.

FOTOS

Showroom Modes, Sardinien Melania Dalle Grave e Agnese Bedini Off White Flagshipstore, Miami ©Off White Café Got, Barcelona Adrià Goula, One Represent Agency Szene-Restaurant, Berlin Robert Rieger Juweliergeschäft, Melbourne Sean Fennessey

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Präzise Inszenierung: Der Off-White-Shop von AMO zeigt, wie überzeugend filigrane Metallstrukturen einem Raumkonzept einen Rahmen bieten können. Hier trifft Offenheit und Flexibilität auf eine moderne Exklusivität.

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Oase aus Messing Mit der Metapher einer Oase arbeitet das spanische Studio El Equipo Creativo. Mitten im Gotischen Viertel von Barcelonas Altstadt haben die Innenarchitekten 2020 für ihr Projekt Café Got den Erdgeschossbereich des Boutique-Hotels Kimpton Vividora in eine Welt zwischen Orient und Okzident verwandelt. Das Interieur erscheint als ein Gesamtkunstwerk aus Travertin, Terracotta, Keramik, Holz und Messing, in dem mit königlicher Pracht überall goldene Details funkeln. Kunstvoll gemusterte Trennwände aus Messing und mit Kupfer-Zink-Legierungen verkleidete Säulen sorgen neben eleganten Objekten aus Kupfer für edle Akzente. Die von Barcelonas traditionellem Keramikhandwerk inspirierten geometrischen Muster finden sich auch auf den grünweiß gefliesten Wänden wieder, die den doppelgeschossigen Bar- und Lobbybereich zusammenhalten. Im Café Got gelingt so ein offener Übergang bis zum Straßenraum, um neben Touristen auch Bewohner aus der Umgebung einzuladen.

Zeitlose Leichtigkeit Metallische Oberflächen prägen derzeit vermehrt das Interieur von Shops, Restaurants und Hotels. Spannend wird es dabei, wenn unterschiedliche Materialien miteinander kombiniert werden, wie bereits das Café Got gezeigt hat. Gerade die Verbindung von perfekten Materialien und verspiegelten Flächen mit groben Wandstücken aus Keramik oder Ortbeton wirken durch die Gegenüberstellung ihrer Andersartigkeit. Das makellose Gleichmäßige steht so einer groben und unbehandelten Natürlichkeit gegenüber. Dies verleiht beiden Oberflächen Authentizität und unterstreicht ihre jeweiligen Eigenschaften. Mit diesem Bruch unterschiedlicher Materialoberflächen arbeiten auch die Berliner Designer Joern Scheipers und David Kosock von VAUST in ihrem Projekt für Jigi Poke, indem sie schwere Findlinge und Hocker aus Granit einem Tresen aus Edelstahl gegenüberstellen. Das divergente Spiel von Optik und Haptik bildet in diesem neuen SzeneRestaurant in Berlin-Mitte sogar den ästhetischen Leitfaden. „Metallische Oberflächen adaptieren sich durch ihre Fähigkeit der Reflexion in ihrer Umgebung und heben sich gleichzeitig hervor“, sagt Joern Scheipers. „Dabei wirkt das Material weder fremd noch fehlplatziert. Kurz gesagt: It’s a vibe.“

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Showroom Modes, Sardinien Melania Dalle Grave e Agnese Bedini Off White Flagshipstore, Miami ©Off White Café Got, Barcelona Adrià Goula, One Represent Agency Szene-Restaurant, Berlin Robert Rieger Juweliergeschäft, Melbourne Sean Fennessey

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Gegensätzliche Kombination aus polierten Metalloberflächen mit Keramik und roughem Beton erzeugen ein harmonisches und exklusives Raumgefühl, das zum visuellen und haptischen Erleben einlädt. Das Café Got (oben) von Studio El Equipo Creativo und das Berliner Szene-Restaurant (unten) von VAUST liefern dafür sehr überzeugende Beispiele.

Outdoor Care Retreat des Universitätsklinikums Oslo

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Metamorphosen aus Metall Die dunkle Seite von Aluminium lässt das australische Büro Russell & George in einem Juweliergeschäft in Melbourne schummerig schimmern, indem es sprichwörtlich Licht ins Dunkel bringt. Es beginnt eine Reise in die Tiefen des Meeres – der Kundschaft des 2011 in Sydney gegründeten Schmucklabels Sarah & Sebastian von Sarah Gittoes und Robert Sebastian Grynkofkaus soll das Gefühl vermittelt werden, auf den Meeres­boden gesunken zu sein und einen Schatz zu entdecken. Für die Gründer Ryan Russell und ­Byron George diente dabei das Zitat des japanischen Künstlers Naoshi Arakawa „Selbst in den Tiefen der schwärzesten Ozeane dringt stets etwas Licht hindurch“ als Sprungbrett. Oberhalb des düsteren Bodens aus gebeiztem japanischem Holz flimmert das tiefschwarz gefärbte Aluminium-Relief in allen Facetten und erzeugt in dem Juweliergeschäft die schummerig-kostbare Atmosphäre einer Schatzkiste. Das Projekt pocht nicht auf Realität und Ehrlichkeit, sondern ist eine Aufforderung zur Fantasie, indem alles, was Gold und Silber ist, innerhalb des verdunkelten Ambientes in vollem Glanz erstrahlt. Verstärkt wird der Eindruck der speziellen Wandverkleidung aus von Hand gefalteten Aluminiumblechen, die an das Abbild eines Korallenriffs erinnern, von einem verspiegelten Tresen. Auf den ersten Blick bleibt er der einzige Hinweis auf die Nutzung dieser verwandelten Meeresgrotte, die im Grunde nicht mehr als ein verspielter Verkaufsraum und keine Kunstinstallation ist. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang der Nachhaltigkeitsanspruch von Russell und George, die dieses plastische Interieur aus recycelbaren Materialien mit möglichst wenig Rückständen fertigen ließen. Wird das Ladengeschäft eines Tages nicht weitergeführt, lassen sich die Aluminiumelemente demontieren und wiederverwenden. Damit passt das Shop-Konzept perfekt zum Label, denn die originellen Schmuckstücke von Sarah & Sebastian werden aus recyceltem Gold und Silber hergestellt.

Jenseits von Hygge Von Aluminium bis Zink glänzen Metalle im Interieur-Design, der Innenarchitektur und Architektur auf Fassaden und Dächern. Als Material in Reinform bieten metallische Elemente gleich mehrere Vorteile, weil sie flexibel und biegbar sind, aseptisch und keimfrei bleiben sowie bei der Verarbeitung präzise Kanten und Flächen ermöglichen. Darüber hinaus bilden metallische Oberflächen einen radikalen Kontrast zu Holz und anderen natürlichen Baustoffen – ihre kühle Ausstrahlung steht damit diametral zum flauschigen Hygge-Gefühl. Mit passenden Konzepten erzeugen Metalle mehr als glänzend-schillernde Atmosphären. Sie wecken Gefühle und erschaffen interessante Erlebnisse. Manchmal mit einer gewissen Ehrlichkeit, die uns jedoch wieder in andere, völlig neue Welten bringt. FOTOS

Showroom Modes, Sardinien Melania Dalle Grave e Agnese Bedini Off White Flagshipstore, Miami ©Off White Café Got, Barcelona Adrià Goula, One Represent Agency Szene-Restaurant, Berlin Robert Rieger Juweliergeschäft, Melbourne Sean Fennessey

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SILBERGLANZ

Historisch und zeitgenössisch Österreich um 1900: Die „Wiener Moderne“ (etwa 1890–1910) ist in vollem Gange – in der Landeshauptstadt, die zum geistigen Zentrum Europas avanciert, tummelt sich die Crème de la Crème des kulturellen und geistigen Lebens. Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler, Gustav Mahler und Alban Berg, Egon Schiele und Oskar Kokoschka zählen zu den kreativen Protagonisten. Karl Kraus und Robert Musil, Sigmund Freud und Lou Andreas-Salomé geben sich ein Stelldichein. Es ist eine Zeit des Auf- und Umbruchs, weg vom Althergebrachten, hin zu einem neuen Lebensgefühl, das durch wissenschaftlichen und technischen Fortschritt begünstigt wird. Nicht nur Philosophie, Malerei, Architektur, Musik und Literatur erleben eine Blütezeit, sondern auch Mathematik, Medizin sowie Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.

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Lockenschale, Tino Valentinitsch, Entwurf 2011 Foto: Klaus Fritsch

Mitten in diese aufregende Zeit fällt auch die Gründung der Wiener Werkstätte, die 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer ins Leben gerufen wird. Das Ziel: die Gestaltung von Gebrauchsgegenständen den Anforderungen der Zeit anzupassen. Das betrifft alle Bereiche In den über 130 Jahren des Bestehens sammelten sich rund 11.000 Entwurfsskizzen und Arbeitszeichnungen an. Die Arbeiten zeigen eine inspirierende Bandbreite an zeichnerischem Können, genuinen Formen und Detailreichtum. Glanzpunkte aus dem Historismus sind beispielsweise die aquarellierten Blätter, die figurengeschmückte Pokale, reich dekorierte Jardinieren, Kandelaber und vieles mehr abbilden.

des täglichen Lebens, daher umfasst die Wiener Werkstätte neben dem Baubüro eine Tischlerei, eine Lackiererei, eine Buchbinderei, Werkstätten für edle und unedle Metalle sowie Lederarbeiten und später auch eine Modeabteilung. Zunächst geprägt von der geometrischen Form, überwiegt später die dekorative Ornamentik, bevor die Kreativschmiede 1932 schließt.

Namhafte Kundschaft Bereits ein paar Jahre vor Gründung der Wiener Werkstätte, zur Zeit des Historismus, der Wiener Ringstraßenkultur, gründet der gelernte Gold- und Silberschmied Alexander Sturm 1882 seine eigene Manufaktur. Genau zur richtigen Zeit, denn das Großbürgertum verlangt nach repräsentativen Silberwaren – und bekommt sie von ihm in großer Vielfalt und handwerklicher Meisterschaft. Aufgeschlossen und unternehmerisch, wie er war, wollte er auch an den neuesten Stilentwicklungen teilnehmen, und deshalb war er es, der die kühnen Entwürfe der jungen Stardesigner Josef Hoffmann und Koloman Moser um 1900 in die traditionelle Fotos oben: Peter Rigalo rechts: Wiener Silber Manufactur

Silberschmiedekunst übersetzte. Schon bald zählt die intellektuelle Elite Wiens zu den Kunden, darunter die Familien Wittgenstein, Kohn und Mautner Markhof. Nach dem Ende der Wiener Werkstätte 1932 kehren die Größen des Wiener Designs, wie Josef Hoffmann und Otto Prutscher, wieder zur Firma A. Sturm zurück. Allen Widrigkeiten der Jahrzehnte zum Trotz kann die Manufaktur auch in den 1950er-Jahren überzeugen, beispielsweise mit Entwürfen des Werkbund-Architekten Oswald Haerdtl.

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Gelungener Neustart Bewährtes erhalten und Neues schaffen in einem innovativen Traditionsbetrieb: 2008 erfolgt die Neugründung der Wiener Silber Manufactur durch Georg Stradiot, der die Neupositionierung des Betriebs vollbringt und schon ein Jahr nach dem Neubeginn die Silberboutique mitten in der Wiener Innenstadt eröffnet. Das elegante Geschäftslokal spricht den Besucher auf vielerlei Art an. Architekt Michael Embacher hat ein besonderes Augenmerk auf die haptische Qualität erlesener Materialien, ein stringentes Farbkonzept sowie die Verbindung von historischen und zeitgenössischen Formen gelegt. Die Zusammenarbeit mit heimischen und internationalen Künstlern und Designern beschert dem Unternehmen eine beeindruckende Kollektion an Meisterwerken, die stetig wächst. Wie schon vor über 100 Jahren sind es auch jetzt wieder die großen der Designszene, wie Zaha Hadid, Erwin Wurm und Tomas Alonso, die das traditionelle Handwerk besonders schätzen und ihre spektakulären Silberkreationen in Kooperation mit den Silberschmieden entwickeln.

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Alle Produkte der Wiener Silber Manufactur werden in Handarbeit aus 925er Sterling-Silber oder in 150 g exklusiver Versilberung gearbeitet, dazu zählen neben innovativen Werken und nach Originalvorlagen erstellten Klassikern namhafter Designer vor allem die zwölf Besteckmuster des Kernsortiments: fünf in der Linie „Designer“ und sieben „Vienna Classics“ – oben und unten: Josef Hoffmann 135 von 1902. Foto oben: Klaus Fritsch; Foto unten: Nina Helf


Feingehaltspunzierungen geben Auskunft über den Gehalt an Edel­ metall in einer Legierung. Je höher der Silberanteil, desto höher der Materi­ alwert. Die Produkte der Manufaktur haben einen Silbergehalt von 925 Anteilen. Für den Feingehalt garantiert das vierblättrige Kleeblatt, Gütesiegel des Unternehmens seit der Gründung. Es ziert jedes Manufakturprodukt und steht für das Glück, „das wir bei unserer Arbeit empfinden, und für das Glück, das diese Arbeit bei anderen hinterlässt, über Generationen und Kulturen hinweg.“ Foto: Wiener Silber Manufactur

links: ziselierte Becher KCT, verschiedene Größen Foto: Wiener Silber Manufactur

unten: Dose mit Federkleid „zizi“, zerunianandweisz, Entwurf 2017 Foto: Craig Dillon

Gelebte Vision Vom Entwurf auf Papier zum haptischen, gewichtig in der Hand liegenden Objekt, vom flachen Blech zum dreidimensionalen Objekt – mit Tradition: In der Wiener Silber Manufactur wird mit original erhaltenen Modellen und Werkzeugen in Kombination mit einer hochwertigen Silberlegierung gearbeitet. Den Produkten liegen Kopf- und Herzarbeit zugrunde, die dem weiß glänzenden Metall anschließend mit Hitze und Säure, Walzen und Stanzen, Hämmern und Fräsern seine Form geben; dem weichen Material, das das Team der Manufaktur tagtäglich inspiriert: „… sein Charme und sein Charakter, sein Wert und seine Wertigkeit, sein Stil und seine Klasse. (…) Wir nehmen uns Zeit für jedes Detail und jeden Arbeitsschritt. Erfahrung, Präzision und Sorgfalt unserer Silberschmiede garantieren Produkte von exquisiter Qualität.“

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MEHR ALS FARBE

Eine Quelle der Inspiration Die Region rund um den Taunus ist vor allem für ihre Heilquellen und Kurorte bekannt. Südöstlich des Mittelgebirges liegt die Stadt Karben an der Nidda. Der Fluss zwischen dem Vogelsberg und der Metropole Frankfurt am Main verhalf der hessischen Stadt einst zu gleich vier Mineralquellen. Nach kriegsbedingter Stilllegung der Anlage „Taunusbrunnen“ ist es nun das neue Wohnquartier auf dem ehe­ maligen Fabrikgelände, das belebend auf die Stadtstruktur wirkt. FOTOS

Axel Stephan, Frankfurt

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„ Durch die Individualität der einzelnen Gebäude war Detailtiefe gefragt.“ SEBASTIAN SOSNITZA, BAULEITER DEMINO STUKKATEUR GMBH

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Nicht nur der Name „Am Taunusbrunnen“

Einheitliche Vielfalt

schenkt dem neuen Wohnquartier Bezüge zum geschichtsträchtigen Standort. Auch

Obwohl die Architekten der blfp ­planungs

der hohe Anteil an rotbraunem Klinker an

gmbh die zehn Mehrfamilienhäuser auf

den Fassaden der zehn Punkthäuser und

der Grundlage von nur drei unterschiedli-

dem zur Straße hin orientierten Gebäu-

chen Grundrissen planten, warten schluss­

deriegel mit Solitär verweist auf die alten

endlich alle einzelnen Fassaden mit einem

Werkhallen und den einstigen Indust-

heterogenen Erscheinungsbild auf. Durch

riecharakter. Die weiße Putzstruktur greift

die Varianz an Übergängen zu Türen, Bal-

darüber hinaus das vorherrschende Gestal-

konen und Fenstern sowie das wechselnde

tungselement vieler Karbener Bauten auf.

Verhältnis von Klinker- und Kratzputz-

Auf diese Weise vereint das neue städte-

strukturen entsteht aus jedem Solitärhaus

bauliche Konzept Funktion und Ästhetik:

ein spannendes Unikat. In ihrer Kombi-

attraktiver, zeitgemäßer Wohnraum mit

nation greifen die zurückversetzten und

einem restaurierten historischen Gebäude-

vorspringenden Flächen Konturen aus der

ensemble für gemeinschaftliche Nutzungen.

Umgebung sowie einzelne Blickbeziehungen auf, wodurch abwechslungsreiche Kompositionen entstehen. Verbunden mit der reduzierten Materialwahl verleihen sie dem Quartier einerseits eine angenehme Einheitlichkeit, schenken ihm aber andererseits auch eine sehr lebendige Struktur.

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Auf das Detail kommt es an Je reduzierter sich ein solches architektonisches Konzept zeigt, desto aufwendiger gestaltet sich die Vorplanung und das notwendige technische Know-how. Aufgrund der zahlreichen Übergänge zwischen dem Oberputz mit dezenter Kratzputzstruktur und den Klinkerfassaden waren teilweise an einer einzigen Fläche bis zu 25 Detailaus-

„Die Fassadenkontraste entstehen nicht nur durch den reinen Farb- und Materialunterschied, der Wechsel ist in der Plastizität des Aufbaus spürbar.“ ANDREAS SCHMITT, BLFP PLANUNGS GMBH

bildungen notwendig. Zudem bringt der Wechsel an Putz und Klinker eine sehr unterschiedliche Aufbauhöhe mit sich. Gerade die Übergänge an Bauelementen wurden so zur potenziellen Gefahr von Kältebrücken. Anpassbare Aufbauhöhen eines Wärmedämm-Verbundsystems können in einem solchen Fall mit einem unkomplizierten Ablauf auf der Baustelle und einer über-

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zeugenden planen Oberfläche punkten.

blfp planungs gmbh auch das Gebäude auf

„Mit dem Brillux WDVS haben wir die He-

dem gegenüberliegenden Grundstück ge-

rausforderungen effizient und technisch

plant und dafür die bereits umgesetzten

einwandfrei meistern können“, so Andreas

Formen des Wohnquartiers „Am Taunus­

Schmitt, Geschäftsführer der blfp planungs

brunnen“ aufgegriffen. Durch die direkte

gmbh. So wurden letztlich mehr als 6.600

Gegenüberstellung der architektonischen

m2 WDVS mit nichtbrennbaren Eigenschaf-

Bauten erhält die Stadt Karben damit eine

ten innerhalb des Projekts verbaut.

stimmige Eingangssituation. Doch das

Anschluss mit Qualität

Quartier ist nicht nur Teil eines wichtigen Faktors für ein Interagieren der städtischen Strukturen. Dank der nahe gelegenen

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Wohnquartiere dieser Art bieten durch ihre

S-Bahn-Linie mitsamt ihrem Bahnhof ist

halböffentlichen Räume und Zwischenzo-

zudem eine gute Anbindung bis ins Zent-

nen ein hohes Maß an Aufenthaltsqualität

rum von Frankfurt, der größten Stadt Hes-

nach innen. Aber auch die angrenzenden

sens, gegeben – ein Anreiz für Familien,

Stadtstrukturen gewinnen durch solche

Paare oder Liebhaber hochwertigen Woh-

Konzepte an Mehrwert. In diesem Fall hat

nens im attraktiven Einzugsgebiet.


„Die Putzfassade ist eine ansprechende Ergänzung zum Klinker.“ ANDREAS SCHMITT, BLFP PLANUNGS GMBH

Das Wohnareal verbindet industriellen Look mit Natürlichkeit. Mit Wohngrößen von 60 bis 200 m2 eignen sich die Raumaufteilungen mit zwei bis fünf Zimmern universell für Singles, Paare und Familien. Abbildungen: Grundrisse Beispielwohnungen (ohne Maßstab)

OBJEKT | STANDORT

Wohnhäuser, Karben BAUHERR | NUTZER

Cosmo Projekte GmbH, Bad Homburg ARCHITEKTEN

Andreas Schmitt Michael Frielinghaus blfp planungs gmbh, Friedberg blfp baumanagement gmbH, Friedberg TECHNISCHER BERATER

Michael Willms, Brillux Gießen/Wieseck AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Demino Stukkateur GmbH, Hanau BRILLUX PRODUKTE

WDV-System MW Top Mineral-Leichtputz KR K2 3664 Extrasil 1911 Evocryl 200

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MEHR ALS FARBE

Matt Mullican in Münster: Restaurierung – Neuverortung – Rubbings

Ein Kunstwerk im Wandel der Zeit Seit 1977 wird die Stadt Münster alle zehn

of Art and Design und dem Institut für Neue

maschine … Mit den Letztgenannten bezieht

Jahre zum Schauplatz einer einzigartigen

Medien in Frankfurt am Main gelehrt hat.

sich Mullicans Kosmologie auf die Wissen-

internationalen Kunstausstellung: Die

Mullicans Werke, die weltweit für viel Auf-

schaft, die in den umliegenden Gebäuden

Skulptur Projekte zeigen dann parallel

sehen sorgen und sich sämtlichen Kategori-

beherbergt ist, und damit auf neuzeitliche

zu jeder zweiten documenta im öffentli-

sierungen entziehen, wurden in zahlreichen

gesellschaftliche Errungenschaften, gemah-

chen Raum Skulpturen und Plastiken. Die

internationalen Kunstinstitutionen ausge-

nen aber zugleich wegen ihrer reduzierten

eingeladenen Künstlerinnen und Künstler

stellt. Performances unter Hypnose, ein ei-

Darstellung an die Kommunikation und Dar-

wählen für ihr Projekt selbst einen Ort, an

gens entwickeltes Sprachsystem oder Wahr-

stellungsart urzeitlicher Völker. So wird die

dem das realisierte Kunstwerk 100 Tage

nehmungsmodelle, die in Farbe symbolisiert

Skulptur zu einem deutbaren und potenziell

lang verbleibt. Oftmals aber werden nach

werden – das Spektrum des Künstlers ist

sinnstiftenden Ordnungsschema.

Ablauf der Ausstellungszeit Werke erwor-

breit und spannend.

ben – von der Stadt, dem LWL-Museum für Kunst und Kultur oder der Universität. Dann werden sie zum dauerhaften Element

Willkommen in Mullicans Kosmologie

Über 30 Jahre gehen auch an einem Kunst-

im Stadtbild Münsters. So auch die Boden­ skulptur „Ohne Titel (Skulptur für die che-

Das Bodenrelief, das Matt Mullican 1987 in

werk nicht spurlos vorbei. Die fortschreiten-

mischen Institute)“, die seit 1987 zwischen

Münster verlegte, besteht aus 35 quadra-

de Zeit und die Kapriolen des Wetters hatten

drei Gebäuden des Chemischen Instituts

tischen Granitplatten, die er mittels Sand-

seit 1987 ihre Spuren an Ort und Werk hin-

der Uni Münster eine Grünfläche veredelte.

strahlen teilweise mattierte. Flächen, die je

terlassen: Heute gehören Risse und Brüche

nach Lichteinstrahlung silbrig schimmern

in den Steinplatten zur Biografie des Kunst-

und verschiedenste Symbole zeigen. Diese

werks. Doch vor allem hat sich die Umge-

gehen auf ein vom Künstler eigens entwi-

bung verändert: In unmittelbarer Nähe der

ckeltes Zeichensystem zurück, das er mithil-

Installation entstand ein neuer Forschungs-

Die Skulptur stammt von dem US-ameri-

fe der für ihn charakteristischen enzyklopä-

bau, in den kommenden Jahren stehen wei-

kanischen Konzeptkünstler und Bildhauer

dischen Methodik aus der Realität abgeleitet

tere Veränderungen an, alte Gebäude sollen

Matt Mullican (Jahrgang 1951), der auch als

hat. Hier sind Geburt, Gott, Dämonen, Tod

weichen, neue entstehen, der Standort wird

Kunstdozent bereits an der Hochschule für

und Hölle ebenso versinnbildlicht wie das öf-

sich transformieren. Aus diesem Grund wur-

bildende Künste in Hamburg, der Columbia

fentliche Leben, ein Evolutionsdiagramm, ein

de gemeinsam mit dem Künstler ein neuer

University in New York, der Rijksakademie

Stadtplan oder ein anatomisches Schema.

Platz für die Skulptur gesucht – und gefun-

van beeldende kunsten in Amsterdam, dem

Daneben die Welt der Forschung: eine Destil-

den: Der gegenüberliegende, 2013 erbaute

The London Institute, dem Chelsea College

liervorrichtung, ein Mikroskop, eine Dampf-

PharmaCampus bildet nun die Kulisse für

Ein Künstler von Weltrang, der sich jeder Kategorisierung entzieht

66

Lebendiger Veränderungsprozess vor Publikum


67


Mullicans Installation. Hier stellt die Nähe zu den Laboren erneut den Bezug zu den Ar-

Bruch und Beständigkeit – festgehalten auch auf Leinwand

beitsvorgängen her. Doch die Steinplatten

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ab. Prozess und Veränderung fanden damit ein Abbild in einem anderen Medium. Die „Rubbings“ entstanden im Anschluss an die

wurden nicht einfach neu verlegt, denn die

Matt Mullican hat bereits für viele Werke

Restaurierung und wurden dann im Licht-

Neuplatzierung erforderte mehr als das. Zu-

mit der Technik des Abreibens seine Zei-

hof gemeinsam mit der Bodenarbeit aus-

nächst wurden sie konserviert und für eine

chensysteme mithilfe von Ölstiften auf

gestellt, bevor das Werk am neuen Standort

öffentliche Schaurestaurierung in den Licht-

farbig grundierte Leinwände übertragen.

reinstalliert wurde. Abgerundet wurde der

hof des Museums transportiert. Die Verfalls­

So auch in diesem Fall. Auf diese Weise er-

künstlerische Prozess durch eine öffentliche

erscheinungen in Form von Brüchen oder

weiterte er die künstlerische Tätigkeit im

„Artist’s Lecture“, in der der Künstler über

Fehlstellen wurden dabei sichtbar geklebt,

Lichthof des Museums und eröffnete den

seine Arbeit und seine Art der Kommuni-

sodass der dokumentierte Veränderungspro-

Besuchenden begleitend zur Restaurierung

kation referierte. Nun ist das durch Brillux

zess Teil des Werkes wird. So wird die Be-

einen neuen Zugang. 35 Leinwände bilden

unterstützte Projekt abgeschlossen – aber

schäftigung mit der Werkbiografie und -ge-

nun die Veränderung der Arbeit und die ge-

die Installation bleibt und ist für Interes-

schichte im öffentlichen Raum fortgeführt.

rissene, geklebte Struktur der Bodenplatten

sierte in Münster jederzeit zu besichtigen.


Matt Mullican Ohne Titel, 1987

FOTOS

LWL-Museum für Kunst und Kultur

69


DIALOG IN FARBE

Architekten fragen …

»Metalloptik

selbst an großen Flächen? Durch das Zusammenspiel aus Glanz, Struktur und metallischer Beschichtung wird eine besondere Tiefenwirkung erzielt. Doch gerade an großen Flächen gilt es eine harmonische Gesamtwirkung zu erzielen, ohne unerwünschte Ansätze oder Schattierungseffekte – eine Herausforderung, die mit unseren Ausführungstechniken gemeistert werden kann.

FOTOS

BRILLUX

70


71


… das Brillux Beraterteam antwortet:

»Gleich in mehreren Variationen! Vielfältiger Glanz in Perfektion Die Metallstrukturtechnik Concento zeichnet sich durch einen changierenden Oberflächenglanz mit einem Mehrfarbeneffekt aus, während die Effekttechnik Velluto einen samtigen Glanz mit sich bringt. Beide Techniken eignen sich besonders für große, edel wirkende Flächen, da sie keinem gleichmäßigen Muster folgen. Das erzeugt Natürlichkeit und eine harmonische Optik. Das Gesamtbild kann dabei individuell abgewandelt und erweitert werden und wird vor allem durch die Farbtonauswahl bestimmt.

Die Struktur gibt den Ausschlag Die Ausführung auf größeren Flächen sollte grundsätzlich in einem abge-

Zusätzliche Informationen zu weiteren Ausführungstech­ niken und Beschichtungen finden Sie hier:

stimmten Team erfolgen. So kann gemeinsam im Abstand hintereinander an der Fläche gearbeitet und die jeweiligen Ausführungsschritte umgesetzt werden. Gerade bei strukturierten Flächen zeigt sich die jeweilige „Handschrift“ des Verarbeitenden, sodass hier ein Wechsel vermieden werden sollte.

Dann glänzt selbst der Boden extravagant

Strukturtechniken für Böden

Auch wenn sie in der Regel an den Wänden zum Einsatz kommt, so kann die Ausführungstechnik „Casino“ mit passender Versiegelung sogar für Böden verwendet werden. So ist zum Beispiel ein Systemaufbau als Bodenbeschichtung mit ­Creativ Lucento 83 äußerst belastbar und verleiht dem Fußboden eine metallische Oberfläche mit edler, auffallender Ästhetik.

72

Metallische Wandgestaltung


73


AUFGESTÖBERT

Ein Konterfei geht um die Welt DER BERÜHMTESTE SILBERLING DER GESCHICHTE

Schätzungsweise 3,5 Millionen MariaTheresien-Taler wurden geprägt, die als Währungsgeld und Spekulationsobjekte dienten, als Amulett­ münzen, als Rohstoff und Gewichtseinheit oder für Schmuck.

FOTO

Wien, 13. Oktober 1762, 15 Uhr: Der sechsjäh-

Überall ging es ums Geld – und das ist bis

Carlomorino

rige Wolfgang Amadeus Mozart spielt im Spie-

­heute so, wie es auch die österreichische Band

gelsaal von Schloss Schönbrunn für die Kaise-

„Erste Allgemeine Verunsicherung“ auf ihrem

rin Maria Theresia das Piano – ein Konzert des

Album „Geld oder Leben“ besingt:

Hofkomponisten Georg Christoph Wagenseil. Anschließend springt das Wunderkind der Re-

„ Der Mammon, sagt man, sei ein schnöder,

gentin auf den Schoß und küsst sie laut seinem

doch ohne ihn ist’s noch viel öder.

Vater Leopold Mozart „rechtschaffen ab“. Die

Im Westen, Osten oder Süden

entzückte, derart Geherzte spendiert 100 Gold-

überleben nur die Liquiden.“

dukaten – mehr als der Vater des kleinen Genies in Monaten erwirtschaften kann. Ob sich

Wie gut, dass der Levantetaler auch heute noch

auch die eine oder andere Silbermünze darun-

zu haben ist. Die Nachprägung des berühmten

ter befindet, ist nicht überliefert. Was wir aber

Talers, die als Jahresangabe stets das Sterbejahr

wissen: Die wohl berühmteste Silbermünze

Maria Theresias 1780 trägt, zeigt auf einer Seite

der Geschichte ist der Maria-Theresien-Taler

das seitliche Porträt der Regentin bis zum Dekol-

– auch Levantetaler oder Levantiner Taler –,

leté mit Diadem und Witwenschleier, der an der

den die Kaiserin zunächst in Günzburg an der

Schulter mithilfe einer Brosche gehalten wird.

Donau mit einem Silbergehalt von 833/1000

Die abgebildeten Buchstaben „M • T ­ HERESIA • D •

prägen ließ.

G • R • IMP • HU • BO • REG “ stehen für Maria Theresia • Dei • Gratia • Romanorum • Impera-

Seit 1741 kam der österreichische Konventi-

trix • Hungariae • Bohemiaeque • Regina (Maria

onstaler mit dem Konterfei Maria Theresias,

­Theresia, Kaiserin der Römer, Königin von Un-

der Erzherzogin von Österreich und Gattin des

garn und Böhmen).

römisch-deutschen Kaisers Franz I. Stephan,

74

in Umlauf. Der Maria-Theresien-Taler wurde

Auf der anderen Seite der Münze sieht man einen

vom 18. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des

Doppelkopfadler mit einem Wappenschild, das

20. Jahrhunderts als Zahlungsmittel weltweit

geviertelt ist in die Wappen von Ungarn, Böhmen,

eingesetzt. Vor allem in Afrika und im Orient

Burgund und Burgau. Zwei Kronen thronen über

war er als Levantetaler verbreitet. In Äthiopi-

den Wappen. Über allem schwebt die Kaiserkro-

en war der Taler bis 1945 als H ­ andelsmünze

ne. Hier lautet die Beschriftung „ARCHID • AVST •

gültiges Zahlungsmittel. Als weitere Prä-

DUX • BURG • CO • TYR • 1780 • X“, lat. für

gungsstätten folgten auf Günzburg auch Wien,

Archidux • Austriae • Dux • Burgundiae • Comes •

Kremnitz, Mailand, Karlsburg (Siebenbürgen),

Tyrolis (Erzherzogin von Österreich, Herzogin

London, Rom, Paris, Brüssel und Bombay.

von Burgund, Gräfin von Tirol).


BUNT ISTMEI NELIEB LINGS FARBE EINPRÄGSAM

Ein markantes Zeichen FÜR AUFMERKSAMKEIT UND WERTSCHÄTZUNG


Brillux Musterservice

Farbtöne und mehr als Original Farbtöne kann man im großflächigen Original und in höchster Farbtongenauigkeit am besten beurteilen. Brillux stellt 1.514 Originalmuster in verschiedenen Varianten als Farbfächer, in DIN A4 und DIN lang zur Verfügung. Bestellen Sie Ihre Muster per Fax (+49 251 7188-8788) oder per E-Mail bei uns. Erfahren Sie mehr unter www.brillux.de/farbtoene-muster/musterservice/


IMPRESSUM

Brillux GmbH & Co. KG Weseler Straße 401 48163 Münster Telefon: +49 251 7188-8799 E-Mail: kontakt@brillux.de www.brillux.de Idee, Konzeption, Realisation: gambit marketing & communication GmbH colore Ausgabe 25, April 2022

44207/504/33,3/0422 8826.9651.0025

Weitere Inhalte finden Sie im Brillux Blog: www.brillux.de/blog

Alle in diesem Magazin veröffentlichten Bilder und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur mit vorheriger schriftlicher Einwilligung der Brillux GmbH & Co. KG bzw. des jeweiligen Rechteinhabers nachgedruckt oder anderweitig verwendet werden. Die Darstellungen der Farbtöne in diesem Magazin sind aus drucktechnischen Gründen nicht verbindlich. Für die genaue Farbabstimmung benutzen Sie bitte unseren ScalaMusterservice (https://www.brillux.de/musterservice).


colore 25 Metallic Surfaces COLORE 25

ISSN 2625-7297 DE/AT 12,80 EUR CH 14.80 CHF

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Metallic Surfaces Eindrucksvolle Inszenierungen unter­ schiedlicher Innenarchitekturen durch die Verwendung metallischer Oberflächen

Im Spiegelglanz von Kulturerben

Frank Gehry setzt mit seinem neuen Gebäude ein Statement für das Museum „LUMA Arles“ in Frankreich.

Ein Größenvergleich anhand der Analogie von Innenarchitektur, Architektur und Stadtplanung

Farbbetrachtungen

APR

2022

colore FARBRÄUME


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