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Unser Partner: Wiener Kaffeehaus Franzl
from Unterwegs 1120
«Wir nehmen die Menschen, wie sie sind»
Tatjana und Norbert Mahr bringen mit ihrem Wiener Kaffeehaus Franzl wienerische Herzlichkeit nach Romanshorn. Dass Brüggli sie als Partner sieht, war ihnen gar nicht recht bewusst. Sie empfinden die Verbindung vielmehr als gute Freundschaft.
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Wie ist die Freundschaft mit Brüggli, insbesondere und was er mitbringt. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind. der Gastronomie Usblick entstanden? Tatjana Mahr: Genau, Mensch ist Mensch. Tatjana Mahr: Bis vor kurzem war Brügglis Arbeitsassis- Norbert Mahr: Tatjana und ich haben keine Kinder. Wenn wir Leute tenz direkt nebenan eingemietet. Die Mitarbeitenden ka- bei uns aufnehmen, haben wir die Möglichkeit, jemandem etwas men regelmässig bei uns zu Mittag essen. Josef Koch, Chef de zurückzugeben. Wir können unsere Erfahrung teilen und im besService im Usblick, wurde natürlich auch sehr schnell auf uns auf- ten Fall dazu beitragen, dass die Leute den Weg in den Arbeitsmerksam. Er ist ja unser Landsmann und war total begeistert, dass markt schaffen oder auch einfach nur auf ihren Weg zurückfinden. er bei uns seine heimischen Speisen serviert bekommt. Durch ihn Tatjana Mahr: Das Gastgewerbe ist eine super Plattform für die Intesind wir auch erst richtig auf die Gastro- gration. Man kann ganz langsam im Hinternomie Usblick aufmerksam geworden. Wir wussten, da ist etwas, aber wir dachten «Das Gastgewerbe ist eine grund anfangen. Da darf man auch Fehler machen, denn daraus lernt man ja. Zuerst es sei ausschliesslich eine Betriebskan- super Plattform für die leistet man Zuarbeit und irgendwann steht tine. Josef hat richtig Werbung gemacht. Nun gehen wir regelmässig im Usblick zu Integration.» man vorne und bedient den Gast. Alles schön in kleinen Schritten. Mittag essen und geniessen es richtig. Die Usblick-Mitarbeitenden verströmen eine absolute Herzlichkeit. Ich Welche Erfahrungen haben Sie als Integrationspartner befinde, das sollte jeder Mensch mal sehen und erleben. reits gemacht? Norbert Mahr: Josef hat uns dann mal gefragt, ob wir nicht jeman- Norbert Mahr: Am Anfang ist es für einen Praktikanten aus dem Usdem eine Chance geben möchten. Wir wussten damals gar nicht, blick sicher etwas ungewohnt, bei uns zu arbeiten. Im freien Ardass die Lernenden im Usblick während ihrer Ausbildung ein ex- beitsmarkt herrschen andere Spielregeln als bei Brüggli. Aber das ternes Praktikum machen müssen. Uns war sofort klar: Da können legt sich schnell. Wir sind hier wie eine Familie. Das hilft sicher wir nur ja sagen. beim Einleben. Es ist schön zu sehen, wie jemand aufblüht und mit Freude auf die Gäste zugeht. Was waren Ihre Beweggründe? Tatjana Mahr: Es ist immer ein gegenseitiger Austausch. Wir hatten Norbert Mahr: Ich finde, man muss dankbar sein, dass es Unter- in unserem Arbeitsleben mit vielen verschiedenen Menschen zu tun nehmen wie Brüggli gibt. Schön, wenn man da mithelfen kann. und konnten viel Erfahrung sammeln. Das können wir jetzt einfliessen Jeder Mensch sollte eine Chance bekommen, egal woher er kommt lassen und weitergeben. Wir lernen aber auch immer noch dazu.
Norbert Mahr: Ja, manchmal ist es ganz spannend, wie jemand genommen. Zu den Kriterien gehört unter anderem natürlich das vom Usblick einen Auftrag erledigt. Die Menschen dort haben viel- Angebot an typisch österreichischen Speisen und Getränken, aber leicht ihre Schwierigkeiten, aber sie sind ehrlich und herzlich und auch das richtige Flair. Einrichtung und Ambiente sollten mit dem nicht so verblendet, wie manch einer im ersten Arbeitsmarkt. Sie Kulturerbe des Wiener Kaffeehauses übereinstimmen: der «Schaerhalten einen Auftrag und machen einfach – und es funktioniert. nigarten», ein Wiener Zeitungshalter aus Buchenholz, wenn mögManchmal bin ich echt erstaunt über den gewählten Weg zum Ziel. lich ein Klavier für Musikveranstaltungen, um nur ein paar Dinge Da kann man auch für sich was lernen. zu nennen. Sind die Gastronomie Usblick und das «Es ist schön, wenn die Norbert Mahr: Wiener Kaffehäuser sind etwas ganz Besonderes. Sie sind Tradition Wiener Kaffeehaus Franzl strengge- Gäste sagen: Das erinnert und Kultur – und weltweit bekannt. Hier nommen nicht Konkurrenten? Tatjana Mahr: Wie bitte? Das kann man mich an Wien.» entstehen seit jeher Geschichten. Viele Künstler nutzen die Kaffeehäuser noch nun also wirklich nicht sagen. heute als Ort der Inspiration und schreiNorbert Mahr: Wir sehen keine Konkurrenz. Wir sehen Partnerschaft, ben dort ihre Lieder und Bücher. Ausserdem kann man im KaffeeFreundschaft und Austausch. Keiner ist dem anderen etwas neidig. haus nicht laut werden, weshalb hier auch viele Firmengespräche Und ich sage immer: Jeder bekommt die Kunden, die er verdient. stattfinden und Verträge ausgehandelt werden. Tatjana Mahr: Wir haben ja auch unterschiedliche Konzepte. Bei uns erhalten die Gäste ein ganz anderes Angebot als im Usblick. Diese Wiener Tradition und Kultur machen Sie im Franzl erlebbar. Wie reagieren die Gäste darauf? Stimmt. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie in Romanshorn Tatjana Mahr: Wir erhalten viele schöne Rückmeldungen. Letztens ein Wiener Kaffeehaus eröffneten? hat ein Pärchen seine Goldene Hochzeit bei uns gefeiert, weil sie Tatjana Mahr: Wir sind wegen Norberts Job in die Schweiz gekom- damals ihre Hochzeitsreise in Wien machten. Jetzt, 50 Jahre spämen. Er hat im Handel gearbeitet. Für mich war das kein Problem. ter, haben sie Wien noch einmal erlebt – und das, ohne extra hinAls ausgebildete Friseurin kann ich überall arbeiten. fahren zu müssen. Norbert Mahr: Im Handel geht es eigentlich immer nur um Zahlen. Norbert Mahr: Die Gäste sagen, dass unser Kaffeehaus und die GeIrgendwann habe ich mich gefragt: Ist es das? fühle, die sie hier empfinden, sie an ihren Besuch in Wien erinTatjana Mahr: Plötzlich meinte er: Ach, so ein Kaffeehaus wäre doch nert. Das ist das schönste Kompliment. nett. Darauf erstellte er ein Konzept, das tatsächlich schnell Form Tatjana Mahr: Schön ist auch, dass sich die Leute hier wohl und annahm. Norbert ist ja eigentlich gelernter Konditor wie sein Va- willkommen fühlen, auch wenn sie nicht die grossen Konsumierer ter. Darauf hat er aber nie gross gearbeitet, weil er eine Karriere sind. Ich sage immer, wir sind das Wohnzimmer von Romanshorn. als Berufssportler anstrebte und dies auch mehrere Jahre durch- Norbert Mahr: In Bezug auf diese Wiener Gemütlichkeit mussten zog, ehe er in den Handel wechselte. wir die Schweizer allerdings etwas erziehen. Ich habe festgestellt, Norbert Mahr: Mein Grossvater war – wie Grossväter eben sind – dass die Gäste hierzulande weniger lang verweilen. Auf Seite der sehr weise und hat mir gesagt, ich sollte doch noch was anderes Gastrobetriebe wird es zum Teil auch nicht gern gesehen, wenn lernen, damit ich was habe, falls ich mich im Sport mal verletze. jemand stundenlang sitzenbleibt und nur einen einzigen Kaffee Die Konditor-Lehre zahlt sich jetzt aus. trinkt. Da haben wir Wiener wohl eine andere Mentalität. Bei uns Tatjana Mahr: Bei einem Spaziergang in Romanshorn sind wir an darf sich jeder für seinen Kaffee so viel Zeit lassen, wie er möchte. diesem Lokal hier vorbeigelaufen und wir wussten: Das ist es. Und so war das Franzl geboren. Frau Mahr, Herr Mahr, vielen Dank für das Gespräch und die
gute Zusammenarbeit. Weiterhin alles Gute und viel Erfolg
Und dann sind Sie auch gleich das erste internationale Mit- Ihnen. glied im Klub der Wiener Kaffeesieder geworden, welcher ein immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO ist. Tatjana Mahr: Den Klub gibt es eigentlich nur in Wien. Da geht es ja um die Wiener-Kaffeehaus-Tradition. Aber wir haben uns gesagt: Wir wollen das wienerischste Kaffeehaus ausserhalb Wiens Interview: Larissa Herzog sein und haben uns beim Klub gemeldet. Da wir sämtliche Krite- Kommunikationsspezialistin rien erfüllen, wurden wir als erstes internationales Mitglied auf-
Wiener Kaffeehaus Franzl
lhe. Charakteristisch für ein Wiener Kaffeehaus ist nicht nur das besondere Ambiente, sondern auch der «Wiener Schmäh» und die einzigartig gelebte Kaffeehauskultur. Genau das erwartet einen im waschechten Wiener Kaffeehaus Franzl an der Rütistrasse 2 in Romanshorn. Das Franzl ist ein echtes Überraschungspaket: Von aussen ist es eher unscheinbar, doch schon während man die einladende Treppe zum Eingang hochsteigt, erahnt man die Wiener Herzlichkeit, die einem gleich entgegenströmen wird. Die gebürtigen Wiener Tatjana und Norbert Mahr sorgen seit der Eröffnung des Kaffeehauses im Oktober 2016 für ein authentisches Stück Wiener Lebensgefühl in Romanshorn.