Leseprobe Paul-Ulrich Lenz: Vergiss den Himmel nicht - ISBN 978-3-7655-0989-6

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Paul-Ulrich Lenz

Vergiss

den Himmel nicht Kleine Atempausen fĂźr die Seele

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© 2018 Brunnen Verlag Gießen Lektorat: Eva-Maria Busch Innenfotos: Paul-Ulrich Lenz Umschlagfoto: AtSkwongPhoto, shutterstock.com Umschlaggestaltung: spoon design/Olaf Johannson Satz: DTP Brunnen Druck: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-7655-0989-6 www.brunnen-verlag.de


Inhalt Vom Glauben reden Gegen die Vergesslichkeit Immer so weiter? Fettnäpfchen und enge Kurven Lachen und Weinen Ankommen Himmel und Erde Drei traumhafte Golfschläge Lebenslust „Es ist noch Segen drin!“ Losungen Vom Einschlafen und Aufwachen Klimawandel Zeichen und Wunder Basta! Zwei Priester auf Hawaii An der Ampel Gute Wünsche Was ist mir heilig? Du wirst, was du empfängst Neugeborene Kinder Vergiss den Himmel nicht Manchmal brauchst du einen Engel Gedenktage 3

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Der Wettlauf der Frösche Fußballgötter? Etwas Leichtsinn segnet Gott Dass der Mensch ein Ziel hat Langsam, aber sicher Kleine Heilige Der eingesperrte Gott Herbsttag Die Heiterkeit des Glaubens Zwölf Uhr mittags Hoffnungsbilder Mit leichtem Gepäck Kein Platz? Weihnachtswünsche Man gönnt sich ja sonst nichts Der Reiz des Anfangs

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Vom Glauben reden Ein Leben lang war das mein Beruf als Pfarrer: vom Glauben zu reden. Ich habe es immer als ein Privileg empfunden. Wenn ich vom Glauben rede, betrete ich ja im Empfinden vieler Menschen einen Tabubereich. Oder zumindest einen Bereich, wo es sehr persönlich wird. Dazu sage ich von Herzen Ja. Glaube ist sehr persönlich – oder er ist nicht interessant. Was man oder frau hypothetisch so alles glauben könnte, finde ich nicht wirklich spannend. Aber womit die Menschen, mit denen ich es zu tun habe, getröstet, ermutigt, gestärkt werden, was sie bewegt, worauf sie sich verlassen, wenn es ernst wird – das habe ich immer als Herausforderung erlebt. Und es ist für mich selbst eine Bereicherung, wenn ich es höre. Darum greife ich gern auf kleine Geschichten zurück, wenn ich vom Glauben rede. Auf Alltagserfahrungen, Gedichte, Szenen, die zum Schmunzeln bringen. Geschichten helfen mir und anderen, dem großen Geheimnis Gottes auf die Spur zu kommen. Jesus, dieser wunderbare Geschichtenerzähler, hat das gewusst. Paul-Ulrich Lenz

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Gegen die Vergesslichkeit Im hektischen Alltagsgetriebe, wo ein Termin den andern jagt, hab ich dir da schon mal gesagt, wie sehr ich deine Zettel liebe? Die Nachrichten, die Grußbotschaften, die an Klavier und Kühlschranktür, an Spiegel, Spind und Spüle haften mit Tesa – ich lieb dich dafür! ’s ist Zeit, dass ich dir einmal sag: Oh, wie ich deine Zettel mag! Kommandos und Liebesbeweise: „Gut’ Nacht“ – „Pizza im Tiefkühlfach“ – „Kaffee ist alle“ – „Bin noch wach“ – „Die Kinder schlafen schon – komm leise!“ Die Denkdrans, die Vergissmeinnichte, die Einkaufslisten, das sind sie, die wirklichen Lebensgedichte, das ist die wahre Poesie! „Zahnpasta fehlt und du mir auch!“ Oh, wie ich deine Zettel brauch! Am Telefon, bei der Zahnbürste, unterm Kopfkissen und im Hut: 6


„Du schaffst das schon, alles wird gut!“ Wie ich nach deinen Zetteln dürste! Lass Lebenszeichen und Weisheiten, lass Wünsche mich im Portemonnaie und in Gesäßtaschen begleiten, wo immer ich auch geh und steh. Ich hab nur diesen Wunsch allein: Lass immer deine Zettel um mich sein! Reinhard Mey

Ich gebe zu: Ganz so gewaltig ist die Zettelflut bei uns nicht. Aber seit einiger Zeit hängt in unserer Küche ein Vers von Paul Gerhardt aus seinem Lied „Befiehl du deine Wege“: „Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll. Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“ Meine Frau hat ihn aufgehängt, als sie – wie einem das manchmal so geht – den eigenen Ängsten ein „Halt“ zurufen wollte. Manchmal ist es einfach so, dass wir unseren Sorgen und Ängsten den Boden entziehen, dass wir ihnen die Gefolgschaft verweigern müssen. Dieses Wort in unserer Küche ist so ein Erinnerungszettel, der der eigenen Vergesslichkeit wehren 7


hilft. Er soll meine Frau und mich daran erinnern: Wir verweigern unseren Ängsten die Gefolgschaft. Wir können das tun, weil nicht alles an uns hängt: weder an unserem Können, unseren Fähigkeiten, unserem Überblick noch an unseren stets richtigen Entscheidungen. Wir können uns auf Gott verlassen. Mit den Jahren haben wir es gelernt: Unsere Seele braucht solche „äußerlichen“ Erinnerungen, damit wir nicht vergessen, was uns „innerlich“ wichtig ist. Ich verstehe die täglichen Losungen auch als solche Worte gegen die Vergesslichkeit. Sie wollen gar nicht immer in die Tiefe hinein verstanden und ausgelegt sein. Sie wollen schlichte Erinnerungen sein – von außen an uns herangetragen. Sie sind Gedankenzettel Gottes, „Liebesbeweise“, mitgegeben auf den Weg durch den Tag. Zum Beispiel: „Verlasst euch auf den Herrn immerdar, denn Gott der Herr ist ein Fels ewiglich.“ Jesaja 26,4 Das sagt mir: Du kannst dich mit deinen Sorgen und Gedanken dieses Tages auf Gott verlassen. Du kannst dich in den Begegnungen des Tages auf Gott verlassen. Du kannst dich in den Gesprächen dieses Tages auf Gott verlassen. Und du kannst die Entscheidungen dieses Tages im Vertrauen und in großer Gottgelassenheit treffen. 8


So wĂźnsche ich uns allen einen guten Tag voller Gottvertrauen.

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Immer so weiter? Bertolt Brecht erzählt in seinen Kalendergeschichten von Herrn Keuner. Die letzte Geschichte aus dieser Reihe heißt „Das Wiedersehen“: Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßt ihn mit den Worten: Sie haben sich gar nicht verändert! Oh, sagte Herr K. und erbleichte. Herr K. nahm es nicht als ein Kompliment, obwohl es wohl so gemeint sein könnte. Ihm klang es wie eine Anklage: Du bist es schuldig geblieben, durch all die Jahre deines Lebens zu wachsen und zu reifen. Du bist in all den Jahren, die du gelebt hast, geblieben, wie du warst. Du hast durch deine Erfahrungen nichts dazugelernt. Du bist nicht weiser, geduldiger, langsamer, vorsichtiger, bequemer, nachsichtiger, barmherziger geworden. Du bist, während die Welt sich um dich gewandelt und verändert hat, sitzen geblieben auf dir selbst. Du hast deinen Standpunkt behauptet, aber es wäre doch darum gegangen, einen Weg zu gehen, auf dem du wächst und reifst. Kennen Sie das? Sie begegnen einem Menschen und 10


fragen ihn: „Wie gehts?“ Die Antwort lautet: „Immer so weiter.“ Ich höre, dass er sagen will: Die großen Glücksfälle des Lebens sind ausgeblieben, aber die großen Katastrophen, Gott sei Dank, auch. Das Leben geht weiter mit seinem Auf und Ab. Schrittweise kommen wir vorwärts. „Immer so weiter“ – ist das ein Satz voller Resignation? Junge Leute mögen das so sehen. Sie fürchten sich vor der Monotonie der Alltage, wo es nichts Ausgefallenes gibt: kein Event, kein Highlight. Wenn es nur immer so weitergeht … Das kann doch nicht das Leben sein! Es gab Zeiten, da dachte ich auch so. Inzwischen höre ich diesen Satz anders. In ihm klingen für mich Lebenserfahrung und Weisheit mit, dazu auch noch Tapferkeit: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir stellen uns dem Leben, so wie es auf uns zukommt. Ohne großes Aufheben davon zu machen, tun wir unsere Arbeit, kommen wir unseren Aufgaben und Pflichten nach. Wir machen so weiter – und andere können sich darauf verlassen. Doch fast unmerklich geschieht etwas: In diesem „Immer so weiter“ werden wir anders. Die Jahre gehen nicht spurlos an uns vorüber. Sie hinterlassen Spuren, färben Haare, graben Falten und Fältchen in ein Gesicht. Öfter, als es uns lieb sein mag, spüren wir: Wir sind nicht mehr so jung, wie wir uns fühlen. 11


Wir tragen an der Last unserer Jahre, körperlich und seelisch. In diesem Weitergehen mag sich unser Lebensgefühl verändern: Manches ist uns nicht mehr wichtig, was wir früher nie verpasst hätten. Manches beurteilen wir heute anders als vor zwanzig, dreißig Jahren. Es ist das Vorrecht des Alters, behutsamer und milder im Urteil zu werden, nachsichtiger gegen andere. Auch ein wenig barmherziger mit den eigenen Schwächen, die man sich früher nie verzeihen konnte. Mancher wird auch vorsichtiger, ausgeglichener, braust nicht mehr ganz so schnell auf. Und ein bisschen bequemer mögen wir wohl auch werden. Immer so weiter – das ist in meinen Ohren nicht die Parole der Selbstzufriedenheit. Es ist ein Wort, das von Wandlungen und verlassenen Standpunkten redet, aber von der Treue zu dem Weg des Lebens. Es ist ein Wort, das von tapfer und stetig gegangenen Wegen redet und das weiß: Ich bin noch nicht am Ziel. Es liegen noch Schritte und Wege vor mir. Der Apostel Paulus sagt: „Ich meine nicht, dass ich schon vollkommen bin und das Ziel erreicht habe. Ich laufe aber auf das Ziel zu, um es zu ergreifen, nachdem Jesus Christus von mir Besitz ergriffen hat. Ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon geschafft habe. 12


Aber ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott mich durch Jesus Christus berufen hat.“ Philipper 3,12 (GNB)

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