Leseprobe Jahreslosungsbuch - ISBN 978-3-7655-4239-8

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Christoph Morgner (Hrsg.)

Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob

Das Lesebuch zur Jahreslosung 2015

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Christoph Morgner (Hrsg.) Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob Das Lesebuch zur Jahreslosung 2015 176 Seiten, Taschenbuch, 12 x 18,6cm Erscheinungsdatum: 06.08.2014 ISBN 978-3-7655-4239-8 Bestell-Nr. 114239 EUR 9,99 (D) / SFr *14,90 / EUR 10,30 (A) * unverbindliche Preisempfehlung des Verlags

© 2014 Brunnen Verlag Gießen www.brunnen-verlag.de Lektorat: Eva-Maria Busch Umschlaggestaltung: Sabine Schweda Umschlagmotiv: iStockphoto Autorenfotos: Otto Schaude, Franziska Stocker-Schwarz, Reiner Haseloff, Gerdi Stoll Satz: Die Feder GmbH, Wetzlar Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-7655-4239-8


Ich widme dieses Buch

Frank Spatz, dem neuen Generalsekret채r des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes



Inhalt Zu diesem Buch

9

Hanna Ahrens Ein Zeichen des Himmels

11

Veronika Ambrosch Hand aufs Herz

14

Hildegard vom Baur Die empfindliche Nachbarin

17

Johannes Berthold Herrnhut – ein kleiner Frühling

20

Matthias Clausen Etwas Besseres kann uns nicht passieren

26

Reinhard Deichgräber Ein Buchstabe verändert alles

29

Monika Deitenbeck-Goseberg Der Skinhead

33

Michael Diener Mal angenommen …

36

Tabea Dölker „Viel Köpf, viel Sinn!“

38

Astrid Eichler Die bunte Mischung

42 5


Andrea Eißler Wie ein Vorgeschmack auf den Himmel

44

Ulrich Fischer Eine Familiengeschichte

47

Hans-Dieter Frauer Der unbekannte Ehemann

50

Noor van Haaften Einzigartig – nicht eigenartig

54

Reiner Haseloff Der Rat des Ambrosius

59

Eva Hobrack Der Regenbogen

61

Frank Otfried July Toleranz zur Ehre Gottes

64

Albrecht Kaul Bruder Michalski

67

Werner Kenkel Ein schöner Trautext

71

Ursula Koch Meine schwarze Freundin

75

Ruth Meili Was für eine Befreiung

80

Jürgen Mette Schräge Typen

84

6


Christoph Mogner Grillparty in Rom

88

Luitgardis Parasie Ein Stück Kuchen vor der Tür

98

Ulrich Parzany Das Kreuz aus lauter Gesichtern

101

Otto Schaude Erfahrungen aus Sibirien

103

Dirk Scheuermann Begegnung in Ruanda

107

Hartmut Schmid Einleuchtend – aber schwer zu leben

111

Christian Schneider Die Fußwasch-Idee

114

Nikolaus Schneider Vorbehaltlos und in Liebe

120

Brigitte Seifert Die richtige Art zu glauben

124

Franziska Stocker-Schwarz Den Jesusweg gehen

128

Gerdi Stoll Menschen, die von der Art Jesu begeistert sind

132

Michael Stollwerk Die „Jesusmelodie“

136 7


Gerhard Ulrich Eine zweite Chance

140

Ekkehart Vetter Jede Menge Typen

144

Peter Vogt Tief im Herzen wissen wir es

147

Roland Werner Das Gefühl, angenommen zu sein

151

Rudolf Westerheide Was sich Familie nennt

154

Bärbel Wilde „… auch wenn ich schmutzig bin“

158

Birgit Winterhoff Ein roter Teppich für Mitarbeiter

160

Christoph Zehendner Ein kleiner Schritt mit großen Folgen

163

Johannes Zimmermann Eine besondere Abendmahlsfeier

167

8


Reiner Haseloff

Der Rat des Ambrosius „Nehmt einander an …“ Die Mitte dieser Aufforderung des Apostels Paulus ist in jeder Beziehung Christus. Wir sollen seinem Beispiel folgen. Wir sollen heute mit unseren Mit­ menschen so umgehen, wie er es uns während seiner Er­ dentage vorgelebt hat. Christus soll der maßgebliche Mensch im Leben eines jeden Menschen sein. Mit Blick auf unsere Gegenwart muss man zunächst ­einmal fragen: Wie soll man dem Beispiel eines Mannes folgen, den man gar nicht kennt oder den man zumindest für tot hält? Es ist in den meisten hoch entwickelten Indus­ triestaaten die Realität, dass die Zahl der Christen ab­ nimmt. In Ostdeutschland hatte sich diese ohnehin vor­ handene Tendenz unter dem Einfluss der jahrzehntelangen Erziehung zum Atheismus zusätzlich verstärkt. Wie ist auf diese Realität zu reagieren? Bevor ich darauf zu antworten versuche, will ich eine alte Geschichte aus dem 4. Jahrhundert in Erinnerung rufen. Monika, die Mutter Augustins, hatte Ambrosius, den Bi­ schof von Mailand, zum Beichtvater. Ihm gegenüber be­ klagte sie oft und wortreich den Unglauben ihres Sohnes. Sie erwähnte auch, wie nachdrücklich und mahnend sie immer wieder mit ihrem Sohn über den rechten Glauben gesprochen hätte. Ambrosius riet ihr, sie solle weniger mit ihrem Sohn über Gott als vielmehr mit Gott über ihren Sohn reden. Dieser berühmt gewordene Rat des Heiligen Ambrosius 59


ist schlicht eine Ermutigung zum Gebet. Wenn Christus der auferstandene und darum auch der lebendige Herr der Welt ist, dann werden die Gebete der Gläubigen nicht un­ gehört, nicht folgenlos bleiben. Das Gebet ist eine gewal­ tige und reale Macht, die auch mir in Der betende Mensch meinem Leben oft geholfen hat. Der be­ steht niemals tende Mensch steht niemals machtlos da, machtlos da. weil er sich in jedem Augenblick an den wenden kann, von dem es heißt, ihm sei alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben. Dort findet er Rat, Kraft und Hilfe – selbst in den dunkelsten Stunden des Lebens. Nach meiner Überzeugung liegt hier auch der Kern des Bibelverses, der für dieses Jahr als Jahreslosung ausgewählt worden ist. Er ist letztlich eine Aufforderung, dass wir uns einander im Gebet annehmen sollen, wie auch Christus sich unser im Gebet angenommen und uns durch das Va­ terunser sogar das Beten neu gelehrt hat. Im Gebet können wir auch den Unglauben so vieler Zeit­ genossen beklagen, ohne sie selbst bloßzustellen oder zu beschämen. Mit unserem Glauben können wir gleichsam stellvertretend für sie eintreten. Wir nehmen sie an, wie auch Christus uns angenommen hat. Die zur Gemeinschaft der Kirche versammelten Christen stellen auf diesem Wege auch wieder eine Gemeinschaft mit allen Menschen her. Je­ denfalls ist Augustin, nachdem seine Mutter den Rat be­ folgt hatte, noch ein bedeutender Heiliger und großer Leh­ rer der Kirche geworden. Und ich will nicht glauben, dass das nur ein Zufall gewesen ist. Dr. Reiner Haseloff ist Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. 60



Luitgardis Parasie

Ein Stück Kuchen vor der Tür Vor kurzem war sie in die neue Wohnung gezogen, ins Erdgeschoss eines großen Mietshauses. Doch die Freude über die zentrale Lage und die moderne Ausstattung trübte sich schnell, denn das Haus war hellhörig. Der Mieter über ihr, ein arbeitsloser älterer Single-Mann namens Bähr, schien ständig Partys zu feiern und machte die Nacht zum Tag: Lautes Gelächter und Stampfen war zu hören, Gepolter, Stühlescharren, Möbelrücken, wummernde Bässe. Irgendwann sprach sie ihn im Treppenhaus an und bat nachdrücklich um mehr Nachtruhe. Aber er reagierte total sauer, schüchterte sie mit Drohungen ein, und es wurde schlimmer statt besser. Einen erneuten Umzug konnte sie sich nicht leisten, außerdem war die Wohnung preisgünstig. Sie war verzweifelt, fing an Schlaftabletten zu nehmen, um überhaupt mal zur Ruhe zu kommen, und überlegte schon, die Polizei zu rufen. Als sie ihr Leid einer Freundin klagte, sagte die: „Versuch es doch mal mit der Bibel.“ „Wie, mit der Bibel? Auge um Auge, Zahn um Zahn, ja? Da zieh ich aber schnell den Kürzeren bei diesem Koloss von Mann.“ „Nein, viel krasser,“ sagte die Freundin. „Liebet eure Feinde.“ „Das ist nicht dein Ernst. Soll ich vielleicht sagen: Ach, Sie sind ja so ein netter Mensch, und wie schön, dass Sie so gut drauf sind und immer so tolle Partys feiern!“ 98


„Weißt du,“ sagte die Freundin, „in der Bibel steht, wir sollen den anderen so annehmen, wie Christus uns angenommen hat. Und wie hat Christus uns angenommen? Er hat seinen Jüngern die Füße gewaschen. Am Kreuz für seine Feinde gebetet. Annehmen bedeutet also nicht jammernd alles erleiden, sondern aktiv etwas für den anderen tun. Ihm dienen. Also, hör zu, ich hab eine verrückte Idee. In meiner Gefriertruhe habe ich noch jede Menge Zwetschenkuchen. Wir stellen ab morgen jeden Tag ein Stück vor seine Tür. Wer weiß, wann er als Single zuletzt selbst gebackenen Zwetschenstreusel bekommen hat … Was meinst du?“ Sie war skeptisch. Aber schlimmer konnte es nicht mehr werden, einen Versuch war es wohl wert. Ab jetzt brachte ihre Freundin jeden Tag ein Stück Zwetschenkuchen vorbei, das sie vor Herrn Bährs Tür stellten. Mit einem kleinen Briefchen dazu, in dem nur stand: „Lassen Sie sich’s schmecken.“ Sie stellte auch noch einen Becher und eine Tüte löslichen Kaffee daneben. Nach fünf Tagen gab es die erste „stille Nacht“. Sie war erst misstrauisch und glaubte an einen Ausreißer oder Erschöpfung. Aber es blieb tatsächlich dabei. Ein paar Tage später begegnete sie Herrn Bähr im Treppenhaus. Er bedankte sich für den guten Kuchen und schlug vor, ihr die ganze Bechersammlung wieder zurückzubringen. Gesagt, getan – mehr nicht. Unsicherheit auf beiden Seiten. Nach etlichen weiteren Tagen – es war mittlerweile Pfingsten – schien die Sonne so freundlich und warm, dass Herr Bähr sich mit seiner Katze auf die Bank vor dem Haus setzte. Sie, ebenfalls Katzenliebhaberin, kam gerade vom 99


Einkaufen zurück, sah ihn da sitzen und setzte sich dazu. Statt eines Schönwettergesprächs ergaben sich handfeste Klärungen. „Ich war stinksauer, dass Sie sich in meine Angelegenheiten eingemischt haben“, sagte er, „das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Ich gebe zu, ich wollte Sie rausekeln.“ Darauf sie: „Ich hatte ganz schön Angst vor Ihnen, hab richtig gezittert.“ Der zweistündige Sitzbanktreff endete schließlich mit einer Verabredung zum Kelleraufräumen. Sie hatte vom Umzug noch einige schwere Dinge in ihrem „Bedank dich bei Keller stehen, die an ihren Platz gerückt Gott! So zu handeln werden mussten. Herr Bähr bot sich als war seine Idee, Helfer an. Einige Zeit später kam der Arnicht meine.“ beitseinsatz tatsächlich zustande. Bis heute kann sie diese Wandlung nicht richtig fassen und fragt ihre Freundin manchmal, ob sie Herrn Bähr verhext habe. „Bedank dich bei Gott“, sagt die Freundin dann. „So zu handeln war seine Idee, nicht meine.“ Darüber kommt sie immer noch ins Grübeln. Sie hat mir erlaubt, dass ich ihre Geschichte erzähle. Was aber mich betrifft, bei uns ist es inzwischen zu einer Art geflügeltem Wort geworden, wenn es mit jemandem Streit gibt: „Stell doch mal ein Stück Kuchen vor seine Tür.“ Luitgardis Parasie ist Pastorin und Buchautorin. Für den NDR ­beantwortet sie Gewissensfragen.

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Bärbel Wilde

„… auch wenn ich schmutzig bin“ Wie bunt und vielfältig sind die Menschen dieser Erde. Wir sind nicht im Gleichschritt und in gleicher Uniform unterwegs. Jeder Mensch ist ein Original – von Gott gewollt, von Gott geliebt. Und doch bereitet uns diese Originalität Schwierigkeiten. Einander annehmen – das geht nicht so auf Befehl. Wir kommen rasch an unsere Grenzen, wenn unsere Gefühle nicht mitspielen. Darum fällt es uns manchmal leichter, den fernen Nächsten zu lieben als den Bettler vor unserer Tür. Dazu fällt mir folgendes Erlebnis ein: Einmal im Monat trifft sich ein kleiner Kreis in meiner Lüdenscheider Gemeinde zum Gebet. Bei einem Treffen stand plötzlich ein Obdachloser im Raum. Ich hatte den Eindruck: Er hat sich verirrt … Oder er möchte sich ein bisschen aufwärmen … Aber er kam herein, als gehörte er dazu, als hätte er den Weg in diese Gebetsstunde bewusst gesucht – und setzte sich unüberriechbar neben mich. Die Gebetsstunde begann, als wäre nichts geschehen. Nach einer kleinen Einführung kann jeder, der möchte, ein Gebet sprechen und Gott sagen, was ihm wichtig ist. Wir beten für Veranstaltungen der Gemeinde, für den Jugendund den Seniorenkreis, für Lehrer und Schüler, für Kranke und Traurige. Auch für persönliche Anliegen. Es war alles wie immer, bis auf unseren ungewöhnlichen Gast. Und den ungewöhnlichen Geruch. Plötzlich betete der Obdachlose. Das hat mich sehr be158


rührt. Er betete ganz anders als wir anderen. Unbeholfen, als wäre es das erste Mal in seinem Leben. Die Stimme klang irgendwie eingerostet. Aber er sprach ganz schlicht und unmittelbar zu Gott. Er sagte: „Gott, du weißt, dass ich schon lange nicht mehr mit dir geredet habe. Aber ich will das jetzt tun. Ich möchte wieder damit anfangen, mich mit dir zu unterhalten. Du weißt, was ich hinter mir habe und dass ich hierhin und zu dir eigentlich nicht passe. Aber ich bin jetzt hierhergekommen und komme jetzt auch noch zu dir. Wenn du alle Menschen liebst, gehöre ich ja eigentlich auch dazu. Ich glaube, dass du mich liebst, auch wenn ich schmutzig bin. Amen.“ Ich werde das nie vergessen. Es war ein Gebet, das aus der Tiefe des Herzens kam. Das waren nicht nur Worte. Er war ganz bei dem, was er sagte. Es war nicht nur für ihn ein besonderer Augenblick, sondern für uns alle. Er hatte das Gespräch mit Gott wieder aufgenommen, mit Vertrauen in die Liebe Gottes und darum ohne jeden Versuch, sich besser oder frömmer zu machen. Vor Gott können wir sowieso kein Theater spielen. Er kennt uns besser als wir uns selbst. Sicher freut sich Gott, wenn wir so zu ihm kommen: in dem Wissen, dass wir ihm nichts anzubieten haben, aber mit dem Vertrauen, dass er uns seine Liebe anbietet. Als alle gegangen waren, lüftete ich unser Gemeindezentrum richtig durch. Und ich schämte mich, dass ich innerlich über diesen Mann die Nase gerümpft hatte. Für Gott war er gewiss ein Wohlgeruch, der zum Himmel aufstieg. Wenn Christus einen Menschen liebt und für ihn gestorben ist, wie kann ich mich unterstehen, den anderen abzulehnen und aus der Liebe Gottes auszuklammern? Er hat 159


diese Liebe genauso wenig verdient wie ich. Was Christus an uns tat, das können und sollen wir an andere weitergeben. Ein altes Motto heißt: „Dass ich die Ich schämte mich, Liebe, von der ich lebe, liebend an andere dass ich innerlich weitergebe.“ über diesen Unsere Liebe kann immer nur Echo Mann die Nase sein. Weil Jesus mich liebt! Gott wartet gerümpft hatte. auf mein Echo. An meinem Verhältnis zu anderen Menschen wird deutlich, welches Verhältnis ich zu Jesus habe. Gott ist kein Theoretiker. Nehmet einander an. So loben wir Gott. Bärbel Wilde ist Pfarrerin i. R. in Lüdenscheid.

Birgit Winterhoff

Ein roter Teppich für Mitarbeiter „Die Demokratie lebt vom Ehrenamt“, hat Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, einmal gesagt. Die Lebensqualität einer Gesellschaft hängt eben nicht nur von der materiellen Versorgung ihrer Bürger ab, sondern mindestens ebenso von dem Klima des sozialen Miteinanders. „Nehmt einander an …“ Dieses Klima aber wird in erheblichem Maß durch das Engagement Ehrenamtlicher bestimmt. Sie stellen ihre Zeit, ihre Kraft, ihre Erfahrung, ihre Kompetenz und oft genug ihr Geld zur Verfügung, um Hilfe und Unterstützung anzubieten, 160


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