Hartmut B채rend
Im Glauben wachsen und reifen Akzente der Nachfolge
Hartmut Bärend Im Glauben wachsen und reifen Akzente der Nachfolge 96 Seiten, Taschenbuch, 12 x 18,6 cm Erscheinungsdatum: 30.10.2013 ISBN 978-3-7655-5463-6 Bestell-Nr. 195463 EUR 6,95 (D) / SFr *10,50 / EUR 7,20 (A) * unverbindliche Preisempfehlung des Verlags
Reihe „Geistlich Leben“ Herausgegeben von Paul-Ulrich Lenz, in Zusammenarbeit mit Hartmut Bärend, Jörg Ohlemacher Ingrid Reimer und Karl Renner (†) im Auftrag der Stiftung Geistliches Leben Bibelverse werden nach der Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Auflage in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, wiedergegeben.
© 2013 Brunnen Verlag www.brunnen-verlag.de Umschlaggestaltung: Ralf Simon Umschlagmotiv: Shutterstock Satz: DTP Brunnen Herstellung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-7655-5463-6
1. Zu Jesus hin wachsen: Bei ihm sein und bleiben
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as Erste und Wichtigste bei unserem Thema Nachfolge: Sie hat immer mit der personalen, lebendigen Beziehung zu Jesus zu tun. „Folge mir nach“, sagt Jesus, und die, die er gerufen hat, folgen ihm. Damit wird gleich deutlich, dass es von Anfang an um den Zusammenhang von Nachfolge und Wachstum im Glauben geht. Denn christlicher Glaube ist in seinem Kern zuerst ein lebendiges Beziehungsgeschehen, kein gedankliches Gebäude, keine Idee, keine wie auch immer geartete Sache. Wenn vor einigen Monaten eine deutsche Politikerin gesagt hat, man könne seinen Kindern Gott auch als „Es-Gott“ erklären, dann verkennt sie, dass es bei der Beziehung zwischen Gott und Mensch nie um ein „Es“, sondern immer um ein „Du“ geht. Sie hat zwar gemeint, mit dem „Es“ könne man den Streit verhindern, der daran entsteht, dass sich viele Zeitgenossen am „Er-Gott“ stören und lieber „Sie-Gott“ sagen. Aber mit dem „Es-Gott“ verfällt die Beziehungsaussage zu einer unpersönlichen Sache. Mit einem „Es“ kann ich nicht reden, zu einem „Es“ kann ich auch nicht beten. Der christliche Glaube ist ein Beziehungsgeschehen, das Gott selbst mit seiner Schöpfung begonnen hat. Er hat die Welt durch sein Wort ins Leben gerufen, er hat die „Krone der Schöpfung“, den Menschen, selbst angeredet und damit eine personale Beziehung eröffnet, die sich durch alle Kapitel der Bibel hindurch erken12
nen lässt. Wie sehr das auch für das Neue Testament gilt, macht der große Prolog im Johannesevangelium deutlich, in dem Jesus als das Wort beschrieben wird, das „im Anfang bei Gott war“ (Joh 1,1 ff.) und „Fleisch wurde“ und unter uns lebte. Jesus lebte in der Tat als Mensch unter uns, als Mensch gewordener Gott tat er Zeichen und Wunder und zeigte den Menschen den Willen des Vaters im Himmel. An Jesus erkennen wir, wie beziehungsreich der christliche Glaube ist. So wie er damals mit seinen Jüngern umging, will er auch heute mit seiner Gemeinde, mit uns persönlich umgehen. Alles, was uns heute bewegt im christlichen Glauben, hat mit Jesus und der personalen Beziehung zwischen ihm und uns zu tun. Und damit ist schon deutlich: Wo es um Beziehung geht, geht es immer um Prozesse, um Bewegung, um Leben, um Wachstum, um Reifung und Vollendung. Warum stehen diese Gedanken am Anfang dieses Buches? Weil die Gefahr groß ist, dass wir Nachfolge missverstehen könnten, so als wäre sie eine Konsequenz aus Lehrsätzen, die zu befolgen wären, als ein Handeln, dem nur irgendwelche Ideale zugrunde liegen. Mit Geboten und Grundsätzen hat Nachfolge natürlich auch zu tun. Aber durchgängig ist sie geprägt durch Jesus, den lebendigen Herrn und Gott, der in die Nachfolge ruft, der deutlich macht, was er unter Nachfolge versteht, und der Nachfolge als ein lebendiges Geschehen verstanden wissen will. Sie ist geprägt durch Jesus, der uns ein Leben lang begleiten und Nachfolge als einen Wachstumsprozess gestalten will. 13
Damit ist aber auch gleich deutlich: Bei der Nachfolge geht es nicht zuerst darum, dass wir eine Beziehung zu Jesus aufbauen. Es ist vielmehr umgekehrt: Jesus ruft in die Nachfolge, er setzt den Anfang, er beruft. Das ist und bleibt wesentlich, für alle Jahre des Lebens in seiner Nachfolge. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch vor langer Zeit. Ich hatte einmal besonders viel Mühe mit der Fülle meiner Aufgaben als Leiter einer kirchlichen Einrichtung und fühlte eine große Last auf meinen Schultern. Da sprach mich ein Kollege an, der meine Situation offenbar mitbekommen hatte. Er gab mir zwei gute Ratschläge. Zum einen sagte er: „Aber wir, deine Kolleginnen und Kollegen, sind doch auch da. Du kannst durchaus noch etwas mehr von deiner Last auf unsere Schultern laden.“ Der andere Impuls war mir noch wichtiger, denn er fügte hinzu: „Und bitte denke nicht, dass dieses Werk, das du leitest, dein Werk ist. Es gehört Jesus, er hat es begonnen, er wird es auch zu seinem Ziel führen.“ Ja, darum geht es: dass wir immer wieder sehen, dass alles von Jesus ausgeht und dass er der ist, der in die Nachfolge führt und dass er sie auch prägen möchte. Und er gibt ja dann auch das, was wir für unseren Dienst brauchen. Er entlastet, indem er uns vermittelt, dass unser Tun ein Tun an seinem Werk ist. Aber er gibt auch alles Notwendige, was wir brauchen, damit wir unseren Dienst tun können. Das lesen wir im Neuen Testament immer wieder. Da ist mir besonders eine bestimmte Stelle vor Augen. In Mk 3,14 geht es um die 14
Einsetzung der zwölf Jünger. Wir finden in der Übersetzung Martin Luthers zu dieser Stelle die Formulierung: Jesus „setzte sie ein“. Wörtlich aber steht da: „Er machte sie.“ Das heißt, er machte aus ihnen, was sie sein sollten. Sie wurden durch ihn gemachte Leute. Sie bekamen mit, was sie für ihren Dienst brauchten. Er ließ sie zu dem wachsen, was sie werden sollten. Er legte schon alles in sie hinein, es musste nur zur Frucht reifen. Und was machte er aus ihnen? Er gab ihnen nicht zuerst Aufgaben, sondern eine Einladung: Zunächst einmal sollten sie „um ihn sein!“ Das ist der erste Akzent im Nachdenken über die Nachfolge Jesu. Die erste Aufgabe in der Nachfolge ist die, dass wir um Jesus herum sind. Dass wir nicht meinen, jetzt geht es los, sondern dass wir zuerst bei ihm ankommen, um ihn sind, bei ihm bleiben. „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht“, heißt es in Joh 15,5. Jesus selbst ist und bleibt der Weinstock, wir sind die Reben. Darüber kommen wir nicht hinaus; wir sollen es auch gar nicht. Wir sollen ja wachsen, als die Reben, die am Weinstock hängen. Und wenn wir um ihn herum sind, dann will und wird er schenken, was er zu schenken hat: seine Kraft, seine Vollmacht, seinen Freimut, seine Gaben. So geschieht es ja auch immer wieder: Als Jesus die Jünger aussendet, da bekommen sie zuerst seine Vollmacht (Dynamis!) mit auf den Weg (Lk 9,1). Als Jesus den Missionsbefehl an die Jünger richtet, spricht er ihnen zuerst zu, welche Macht er selbst hat. Und nachdem er sie beauftragt hat, sagt er ihnen zu, dass er bei ihnen sein und bleiben will bis an das Ende der Zeit (Mt 28,18-20). 15
Was heißt das für uns? Dass wir beim Thema Nachfolge zuallererst danach fragen, wie es um unsere Beziehung zu Jesus steht. Es geht entscheidend darum, ob wir um ihn herum sind, ob wir ihm unsere leeren Hände hinstrecken, damit er sie füllt. Es geht darum, dass wir ihn wirken lassen, dass nicht zuerst wir etwas für ihn tun, sondern dass wir ihm erlauben, etwas durch uns zu tun. In meinen Jugendjahren ist mir der englische Major Ian Thomas, der Gründer und langjährige Direktor der Fackelträger-Bewegung, begegnet. Er hat mir auch den Weg zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gezeigt. Er hat mir und vielen anderen vermittelt, dass das mit dem christlichen Glauben nicht nur eine Einladung zu regelmäßigem Kirchgang oder ein Auswendiglernen von Bekenntnisformeln ist, sondern eine personale Beziehung zu Jesus Christus. „Kennst du Jesus Christus als deinen persönlichen Heiland?“, hat er mich damals sehr direkt gefragt. Ich habe darauf gar nicht antworten können, da ich solche Fragen aus meiner Kirche nicht kannte. Aber dann, wenig später, habe ich begriffen, worum es geht: dass Jesus für meine Schuld am Kreuz gestorben ist und mich nun einlädt, seine Vergebung anzunehmen und ihn persönlich (!) Herr meines Lebens werden zu lassen. Ich habe dann in einem schlichten Gebet genau das getan: Ich habe Jesus Christus gebeten, Herr meines Lebens zu werden. Dieser englische Major, dem ich dann immer wieder einmal begegnet bin, hatte eigentlich immer nur ein und dieselbe Botschaft. Es ist ein Zeichen großer Gottesmänner und -frauen, dass sie nur eine Botschaft 16
haben, die sie vielfältig variieren. Die eine Botschaft von Major Thomas lautete: nicht wir für Christus, sondern er durch uns! Und immer wieder stand ihm dabei das große Wort von Paulus im Galaterbrief vor Augen (2,20): „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Das war ihm lebenslang wichtig! Und Ian Thomas hat selbst lange gebraucht, bis er es begriffen hat. Mit 15 Jahren ist er in seiner Heimatstadt London zum Glauben gekommen, und nicht lange danach begann er zu evangelisieren. Er war so erfüllt von der Freude, so bewegt von dem Wunder des Glaubens, dass er vielen Menschen davon weitererzählen wollte um ihnen zu zeigen, was sie an Jesus haben. Aber nach sieben Jahren kam die bittere Enttäuschung: Niemand bekehrte sich, niemand öffnete sich für das Evangelium. Irgendwann wollte Ian Thomas aufhören; total resigniert legte er seine Enttäuschung vor Jesus hin. Und dann wurde ihm bewusst, was er falsch gemacht hatte. Jesus selbst begegnete ihm bei seinem verzweifelten Beten und machte ihm deutlich, warum er so erfolglos war. „Du hast viel für mich gearbeitet, gewiss“, so etwa könnte er zu ihm geredet haben, „aber du hast mich gar nicht gefragt, was ich eigentlich mit dir vorhabe. Du bist einfach losgerannt. Und das Ergebnis siehst du. Jetzt mache es einfach genau anders. Komm zuerst zu mir und lass mich an dir und durch dich wirken. Du wirst sehen, dein Leben verändert sich. Du bekommst neue Perspektiven.“1 Und die hat er dann auch bekommen. Es war für den jungen englischen Evangelisten wie eine zweite Bekeh17
rung. Von da an lebte er sein Christsein anders, seine Nachfolge begann immer zuerst mit der Begegnung mit Jesus und erst dann machte er sich auf den Weg. Und viele, viele glaubten und ließen sich ein auf ein Leben mit Jesus. Ich auch. So hat es ja Jesus selbst immer wieder gesagt. Es geht also bei der Nachfolge nicht um hektische Betriebsamkeit, nicht um das reine Agieren, sondern zuerst um das Hören, das Sein, das Um-Jesus-herum-Sein, im Gebet und im Hören auf sein Wort und in der Gemeinschaft. Es geht um das Wachsen der Beziehung zu Jesus. So sollen auch unsere Programme und Veranstaltungen sein: durchzogen von Gebet, ständig offen für ihn, der für uns sorgt, voller Erwartung im Blick auf das, was er tut. So habe ich es mit dem Alpha-Kurs erlebt und mit ProChrist, so habe ich es bei der anglikanischen Gemeindepflanzungsbewegung kennengelernt: Am Anfang steht das Gebet, und auch zwischendrin und am Schluss steht es im Zentrum. Damit wir wirklich bei Jesus bleiben und uns von ihm die Kraft schenken lassen, die wir brauchen. Damit unser Glaube wächst und gedeiht, weil wir bei Jesus sind und bleiben.
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