THE IMPERIAL HORSE

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VOM P R U N K P F E R D zur EUROPÄISCHEN IDEE

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Credits: Gabriele Boiselle, Präsidentschaftskanzlei, Flash Entertainment

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From P A R A D E H O R S E to European idea

B Legend, cultural ambassador, national treasure: One hundred years of the Lipizzaner Stud Piber are occasion enough to celebrate the journey from Habsburg parade horse to a symbol of European unification.

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t is a portal to the world of the past, which connects with today as a “pas de deux”. Anyone entering the Winter Riding School of the Spanish Riding School crosses a magical threshold, beyond which concepts of time seem to evaporate, much like the influence of gravity on the arena. Noble white horses, as it were floating above the ground to the resounding tones of classical Viennese music, riders in elegant uniform, who lift their bicorne hats before a portrait of Charles VI, and the impressive columnar architecture of the “most beautiful riding hall in the world” – you don’t need to be a horse lover to be immediately overwhelmed by the aura of this location in the “Michaelertrakt” or St. Michael’s Wing of the Hofburg in Vienna. Yet what captivates the guests up in the galleries even more seems almost insubstantial: the presentation of perfect harmony between horse and rider, the spirit of global history pervading this institution. “Like in imperial times” – the threads of the centuries-long Habsburg monarchy are drawn perceptibly into the present day and interweave to yield cultural heritage that is just as unique as it is vibrant. Each half-pass of the “white ballet” is a stepchange into the imperial past, each capriole is a leap from a great past. The performances make a direct connection with the times of great equestrian ballets and carousels of the Baroque era, and thus directly with the reign of Maria Theresa, the time of the Congress of Vienna and numerous heads of state who delighted in the shows of aristocratic display and parade horses over the various periods. Closely intertwined with the Spanish Riding School, the oldest riding institution in the world, which has been practising the “High School of classical equitation” continuously for more than 450 years, is the history of the Lipizzaner itself, the oldest domesticated horse breed in the world. This history is at least as eventful as that of the Habsburg reign and subsequent Republic of Austria. This makes the Lipizzaner

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F Mythos, Kulturbotschafter, Nationalheiligtum: 100 Jahre Lipizzanergestüt Piber bieten Anlass, den Weg vom Paradepferd der Habsburger zu einem Symbol der europäischen Einigung zu würdigen.

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s ist das Portal in eine Welt von gestern, die sich mit dem Heute als „Pas de deux“ verbindet. Wer die Winterreitschule der Spanischen Hofreitschule betritt, überschreitet eine magische Schwelle, hinter der Zeitbegriffe ebenso aufgelöst scheinen wie die Schwerkraft über der Manege. Edle weiße Pferde, die zum raumfüllenden Kang klassischer Wiener Musik gleichsam über den Boden schweben, elegant befrackte Reiter, die ihren Zweispitz vor einem Bildnis von Karl VI. ziehen und die imposante Säulenarchitektur der „schönsten Reithalle der Welt“ – man muss kein Pferdeliebhaber sein, um der Aura dieses Ortes im Michaelertrakt der Wiener Hofburg augenblicklich zu erliegen. Dabei scheint fast unerheblich, was die Gäste auf den Galerien mehr verzückt: die Darbietung vollendeter Harmonie zwischen Pferd und Reiter oder der Geist der Weltgeschichte, der diese Institution umweht. „Wie zu Kaisers Zeiten“ – die Fäden der über Jahrhunderte bestehenden Habsburgermonarchie ziehen sich wahrnehmbar ins Heute und verweben sich zu einem ebenso einzigartigen wie quicklebendigen Kulturerbe. Jede Traversale des „Weißen Balletts“ ist Wechselschritt ins imperiale Gestern, jede Kapriole ein Sprung aus einer großen Vergangenheit. Die Vorführungen knüpfen direkt an die Zeit der großen Rossballette und Pferdekarusselle der Barockzeit und damit direkt an das Wirken Maria Theresias, an die Zeit des Wiener Kongresses sowie an zahlreiche Staatsregenten, die sich an den Darbietungen der aristokratischen Prunk- und Paradepferde zu unterschiedlichen Epochen delektierten. Eng verknüpft mit der Spanischen Hofreitschule, dem ältesten Reitinstitut der Welt, das die „Hohe Schule der klassischen Reitkunst“ seit über 450 Jahren kontinuierlich pflegt, ist die Geschichte der Lipizzaner selbst, der ältesten Kulturpferderasse der Welt. Diese ist mindestens so wechselvoll wie die Geschichte des Habsburgerreiches und der nachfolgenden Republik Österreich. Der Lipizzaner ist damit Spiegel politischer und wirtschaftlicher Strömungen vom Beginn der Neuzeit bis zur Gegenwart. Den Grundstein legte Maximilian II., Schwiegersohn von Karl V., in dessen Reich die Sonne nie unterging. Mit ihm traten die sogenannten spanischen Pferde – Andalusier und Neapolitaner – ihren Erfolgsritt durch Europa an. Als sie auch das Wiener Herrscherhaus erreichten, war es nur noch ein kurzer Weg bis zur Gründung des k.u.k Hof-

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gestüts im Karstgebirge im heutigen Lipica, der Keimzelle der Lipizzaner und dem züchterischen Fundament der Spanischen Hofreitschule. Immer wieder geriet das Karster Gestüt zwischen die Mühlsteine großer Konflikte und kriegerischer Auseinandersetzungen. Die Herde musste nicht nur vor Napoleons Truppen evakuiert werden, sondern später auch vor den Frontverläufen des Ersten Weltkriegs. Eine Flucht, die einen besonders nachhaltigen Einschnitt in der Zucht der Lipizzaner markierte, die ab dem Jahr 1920 im Gestüt Piber ihre neue Heimat finden sollten. Die Zäsur wurde zum Glücksfall für die Prosperität der Pferderasse. Denn das weststeirische Terroir rund um Piber, Heimat fruchtbarer Böden und herzhafter Almen, wurde zum idealen Nährboden für eine erfolgreiche Lipizzanerzucht. So wurden die Lipizzaner im Lauf des 20. Jahrhunderts bedeutsame Kulturbotschafter Österreichs und galoppierten in den Rang eines Nationalheiligtums. Tief im kollektiven Bewusstsein verankert, wurden die weißen Pferde Teil der österreichischen Identität und mutierten zu stolzen Repräsentanten der Alpenrepublik. Sie fanden Eingang in Film und Fernsehen, selbst Hollywood setzte ihnen ein Denkmal. Die Hengste der „Spanischen“ gingen auf Tournee, besuchten den japanischen Tenno und das britische Königshaus und bespielten große Shows in den USA. Gekrönte Häupter und Staatspräsidenten besuchten die beiden Wirkungsstätten der Lipizzaner in Österreich, auch Queen Elizabeth I. erwies dem Gestüt in Piber ihre Reverenz. Prominente Pferdefreunde aus aller Welt, darunter US-Präsident Ronald Reagan, erfreuten sich der Lipizzaner aus Österreich und posierten stolz auf dem Rücken der Pferde. Darüber hinaus – und weniger bekannt – hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Wissenschaft immer mehr der Rasse angenommen. Heute zählen die Lipizzaner dank vielfacher Forschungsprojekte zu den wissenschaftlich bestuntersuchten Pferderassen der Welt – ein weiterer Superlativ auf einem an Rekorden nicht armen Feld. Trotz aller Österreich-Bezüge sind die Lipizzaner weit mehr als eine Weltmarke made in Austria: Denn die Geschichte der Lipizzaner und ihre Bedeutung machen die Pferde zu einem Kulturerbe von internationalem Format. Schon innerhalb der Donaumonarchie war die

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Mehr denn je stehen Lipizzaner daher heute für das Einende und Völkerverbindende. Der Lipizzaner vereint nicht nur Menschen aus der ganzen Welt in Demut und Bewunderung für seine Eleganz und Gelehr­ samkeit, er ist auch Symbol für überwundene Konflikte und die Zusammen­arbeit von Nationen.

— Eng miteinander verknüpft: die Geschichte der Spanischen Hofreitschule und die Geschichte des Habsburgerreiches. — Closely linked: the history of the Spanish Riding School and the history of the Habsburg Empire.

a mirror for political and economic trends from the beginning of the modern era to the present day. The foundation stone was laid by Maximilian II, the son in law of Charles V, during whose reign ‘the sun never set’. It was with him that the so-called Spanish horses – Andalusians and Neapolitans – embarked on their successful ride across Europe. When they reached the home of Viennese rule, it was but a short way further to the founding of the Imperial & Royal stud in the Karst mountain area of what is today Lipica, the original nucleus of the Lipizzaners and breeding base for the Spanish Riding School. Over and again, the stud in the Karst was caught up in large conflicts and military events. The herd had to be evacuated not only ahead of Napoleon’s troops but also, later on, ahead of front-line developments in the First World War. That flight, which marked a particularly significant point in the history of Lipizzaner breeding, was to lead to their settling in a new home at the Piber Stud from 1920. This watershed moment emerged as a stroke of luck for the breed’s wellbeing, because the terrain around Piber in western Styria featured fertile ground and succulent meadows, ideal ground for the breeding of Lipizzaners. So it was that, in the course of the 20th century, Lipizzaners became important cultural ambassadors for Austria and galloped into becoming national treasures. Anchored


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deep in the collective conscience, the white horses became part of Austrian identity, developing into proud representatives of the alpine republic. They made their way into films and television, even Hollywood paid tribute to them. The “Spanish” stallions went on tours, visited the Japanese Tennō and the British Royal Family, and performed in grand shows in the USA. Crowned heads and state presidents visited both of the Lipizzaners’ estates in Austria, with Queen Elizabeth II herself paying her respects to the stud in Piber. Prominent horse lovers from all over the world, including US President Ronald Reagan, rejoiced in meeting the Lipizzaners from Austria and posed proudly mounted on the horses. Furthermore – and less commonly known – science has engaged increasingly with the breed over recent decades. Thanks to numerous research projects, today the Lipizzaner breed is one of the world’s most thoroughly scientifically studied – yet another superlative in a field not short of superlatives. Notwithstanding all those links to Austria, the Lipizzaner is far more than a “Made in Austria” trademark. After all, the history of the Lipizzaner and its significance renders these horses cultural heritage with an international format. As early as the time of the Danube Monarchy, the reach of the Lipizzaner was not limited by any border, with stud farms from Italy to Romania, and the origins of the six Lipizzaner progenitors reflect a hippophile vision of a collective Europe. Just as oblivious of borders is today’s breeding in various countries, above all in central and south-eastern Europe, albeit for a long time now in North and South America. So more than ever, today Lipizzaners represent unifying symbols, bringing peoples together. The Lipizzaner not only brings people from all over the world together in humility and wonder at its elegance and capacity to learn, but is also a symbol of conflicts overcome and collaboration between nations. Recent proof of this is the multinational submission to the Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity at UNESCO – a cooperation between Austria and Slovenia, Hungary, Slovakia, Croatia, Bosnia-Herzegovina, Romania and Italy. The next step in the Lipizzaner’s career, through which the elegant white horse not only cuts as dashing a figure as ever on the riding arena, but also on a symbolic level; on its journey from Habsburg show horse to unifying peace project and cultural heritage at a global level. Z

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— Völkerverbindend: Bundespräsident a.D. Heinz Fischer mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. — Unifying effect: Former President of Austria, Heinz Fischer, with Russia’s Head of State, Vladimir Putin.

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Verbreitung der Lipizzaner an keine Grenzen gebunden, von Italien bis Rumänien reichten die Gestüte, allein die Herkunft der sechs Stammväter der Lipizzaner entspricht einer hippophilen Vision eines gemeinsamen Europas. Ebenso grenzüberschreitend findet die Zucht bis heute in unterschiedlichen Ländern statt, vor allem in Zentral- und Südosteuropa, aber längst auch in Nord- und Südamerika. Mehr denn je stehen Lipizzaner daher heute für das Einende und Völkerverbindende. Der Lipizzaner vereint nicht nur Menschen aus der ganzen Welt in Demut und Bewunderung für seine Eleganz und Gelehrsamkeit, er ist auch Symbol für überwundene Konflikte und die Zusammenarbeit von Nationen. Einen jüngsten Beweis liefert die multinationale Einreichung für die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO – eine Kooperation Österreichs mit Slowenien, Ungarn, Slowakei, Kroatien, Bosnien/Herzegowina, Rumänien und Italien. Der nächste Karriereschritt für den Lipizzaner. Damit machen die eleganten Schimmel längst nicht nur auf der Reitbahn beste Figur, sondern auch auf einer symbolischen Ebene: auf ihrem Weg vom Prunkpferd der Habsburger zum verbindenden Friedensprojekt und Kulturerbe auf Weltniveau. b

So more than ever, today Lipizzaners represent unifying symbols, bringing peoples together. The Lipizzaner not only brings people from all over the world together in humility and wonder at its elegance and capacity to learn, but is also a symbol of conflicts overcome and collaboration between nations. www.srs.at

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Am Ursprung eines lebenden Mythos. Die prachtvolle Kulisse weststeirischer Hügel ist Heimat und Nährboden für die weltberühmten Lipizzanerhengste. Ein Blick hinter die Kulissen des Lipizzanergestüts Piber und in die Kinderstube der ersten, prägenden Jahre. Vom Wunder der Geburt bis zum Aufbruch nach Wien – die frühe Abenteuer­reise der Lipizzaner kennt große Gefühle, dramatische Momente und heimliche Heldinnen.

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Shades of Green. Oder sind’s noch mehr? In unzähligen Grüntönen schillern die sanften Hügel der Weststeiermark mit ihren Wiesen und dicht belaubten Wäldern. Es ist ein fruchtbarer, vor Leben strotzender Flecken Erde, der sich landschaftlich rund um Piber ausdehnt. Tief im Untergrund sprudeln Quellen mineralstoffreichen Thermalwassers, einst lieferte Kohle aus dem Bauch der Erde Energie für die Bewohner. Ein Kraftplatz für Mensch und Natur, vitales Fundament für ein lebendes Kulturerbe. Heute und seit jeher. Das Kraftspendende des Ortes erkannten Benediktiner bereits Anfang des 18. Jahrhunderts, als sie auf einer kleinen Erhebung nahe Köflach eine Abtei, das heutige Barockschloss Piber, errichteten. Seit über 200 Jahren beherbergt die Liegenschaft ein Gestüt seit 100 Jahren ist Piber das Zentrum der österreichischen Lipizzanerzucht. Den hippologischen Adelsschlag erfuhr das Gestüt als es 1920 nach den Wirren des Ersten Weltkriegs das Erbe des Hofgestüts in Lipica antrat. Seither stammen sämtliche Hengste, die in der weltberühmten Spanischen Hofreitschule auftreten, ausnahmslos aus dem Lipizzanergestüt Piber. Eine einmalige Landschaft für ein einzigartiges Pferd. Wie das Terroir die Qualität eines Weines prägt der Boden auch die Entwicklung einer Pferderasse. Die weststeirischen Hügel erwiesen sich über die Jahre als Lipizzaner-Terroir höchster Güte. Bodenbeschaffenheit, klimatische Bedingungen, aber auch die bauliche Infrastruktur schaffen eine ideale Umgebung für die Aufzucht der Pferde. Ein natürlich gewachsenes Ensemble von Stallungen und Weiden trifft auf perfekt choreografierte Abläufe im Rhythmus der Natur: die Geburt im Gestüt, die ersten Monaten in der Mutterherde, die frühen Jahre auf den Außenhöfen sowie den

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saftig-frischen Almen, stets umsorgt von helfenden Händen erfahrener „Pferdeflüsterer“ – die beste Grundlage für gesunde und gelehrige „Dancings Stars“ von morgen. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen der Heimat und Kinderstube der weltberühmten Pferde.

DAS WUNDER DER GEBURT Das Wunder der Geburt ereignet sich meist zu nachtschlafener Zeit. In über neunzig Prozent der Fälle kommen die Fohlen in der Nacht zur Welt. Ein Timing, vorgegeben von Mutter Natur. Pferde sind Fluchttiere, Geburten im Schutz der Dunkelheit daher genetisches Instinktprogramm. Zwei Wochen vor dem Geburtstermin übersiedeln die trächtigen Stuten vom Laufstall in separate, geräumige Boxen, in den Abfohlstall, den „Kreißsaal“ des Gestüts. „Hier können sich die Stuten in aller Ruhe auf die Geburt vorbereiten“, verrät Erwin Movia, Gestütsleiter in Piber. „In der Regel laufen die Geburten relativ rasch und zum Glück ohne Komplikationen ab. Dennoch sind immer zwei Personen aus dem Gestüt mit dabei, um beim Abnabeln zu unterstützen und im Fall des Falles einzugreifen. Etwa, wenn es ein Problem mit der Nachgeburt geben sollte“, erklärt Movia, der bei fast allen Geburten in Piber – von Ende Jänner bis Mitte Mai – persönlich anwesend ist. „Teilweise sind das intensive Phasen mit bis zu drei Geburten in einer einzigen Nacht“, erklärt der 40-Jährige. Alles Routine also? „Keinesfalls! Immer noch ist jede einzelne Geburt aufregend und ein wahres Wunder“, so Movia. Abnabeln, abreiben des Fohlen mit Stroh, reinigen der Stute mit Wasser, entfernen von Nachgeburt und Fohlenpech, sichergehen, dass der Saugreflex des Fohlens funktioniert – die Aufgaben der Lipizzaner-„Hebammen“ verlangen Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Im Regelfall steht das Fohlen

Credits: Sabrina Reiter, Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber, Gabriele Boiselle, SRS / Rene van Bakel, Ines Hubinger

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At the origin of a living legend. The magnificent setting of the rolling hills of western Styria is the home and breeding ground of the world-famous Lipizzaner stallions. A glimpse behind the scenes of the Lipizzaner Stud Piber, into the nursery over the first few formative years. From the wonder of birth to setting off for Vienna – the Lipizzaners’ early journey of adventure takes in strong feelings, dramatic moments and unsung heroines.


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F — Das Barockschloss Piber – Zentrum und Wahrzeichen der Lipizzanerzucht. — Baroque Piber Castle – centre and emblem of Lipizzaner breeding.

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ifty shades of green. Or maybe even more? Shimmering in countless shades of green are the meadows and leafy forests of the gently rolling hills of western Styria. This is fertile land, brimming with life, forming the landscape around Piber. Deep underground are the bubbling sources of thermal springs, rich in minerals, while, at one time, coal from the depths was a source of energy for those living here. A place bringing strength to people and nature alike, vital foundations for living cultural heritage. Today and all along. The location’s vitality was recognised by Benedictine monks at the beginning of the 18th century, when they built an abbey, today the baroque Piber Castle, on a slight elevation near Köflach. For more than 200 years now, the site has been home to a stud farm and, for more than 100 years, Piber has been the centre of Austrian Lipizzaner breeding. The stud achieved noble equine status when, in 1920 and following the turmoil of the First World War, it took over the inheritance of the imperial stud in Lipica. Since then and without exception, all stallions appearing at the world-famous Spanish Riding School have originated from the Lipizzaner Stud Piber. A unique landscape for a unique horse. Just as the terroir shapes the quality of a wine, so the ground also shapes the development of a breed of horse. Over the years, the hills of western Styria have proven to be Lipizzaner-terroir of the highest quality. Ground and climatic conditions, along with the built infrastructure, create the ideal environment for breeding horses. The ensemble of stables and fields, which has grown

naturally on the land, partners with perfectly choreographed processes in the rhythm of nature. Birth in the stud, the first months in the mother herd, the early years spent at outlying facilities and succulent meadows, cared for at all times by the helping hands of experienced “horse-whisperers” – forming the perfect basis for the healthy and fast-learning “dancing stars” of tomorrow. We take a glimpse behind the scenes in the homeland and nursery of these world-famous horses.

THE WONDER OF BIRTH The wonder of birth most frequently takes place at night time. In over ninety percent of cases, foals enter this world during the night. This timing has been laid down by Mother Nature. Horses are creatures of flight, so giving birth under the cloak of darkness is genetically pre-programmed. Two weeks before birth is due, the pregnant mares are transferred from exercise stables to separate, spacious stalls in the foaling unit, the stud’s “labour ward”. “Here the mares can prepare for the birth in peace and quiet,” explains Erwin Movia, stud manager at Piber. “In general the deliveries go relatively quickly and luckily without complications. Nevertheless there are always two personnel from the stud on hand, ready to help with cutting the umbilical and to intervene if necessary. For example, if there’s a problem with the afterbirth,” explains Movia, who is personally present at almost all deliveries in Piber, from the end of January till mid-May. “Sometimes there are busy phases with up to three deliveries in a single night,” comments the 40-year-old.

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„Die erfahrenen Mutterstuten warten mit dem Beginn der Geburt regelrecht auf uns, weil sie wissen, dass wir in der entscheidenden Phase unterstützen.“ E

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“The experienced mares really wait for us before starting to give birth, because they know that we will assist in the decisive stages.”

So everything a matter of routine? “Not at all! Every single birth is still a moment of excitement and true wonder,” says Movia. Cutting the umbilical, rubbing the foal down with straw, cleaning the mare with water, removing the afterbirth and the foal’s meconium, ensuring that the foal’s sucking reflex is working – the tasks of Lipizzaner-“midwives” demand experience and sensitivity. Generally, after some initial awkward attempts, the foal can stand up on its own on all fours after just half an hour and takes its first meal of warm mare’s milk. It’s heart-warming to watch how the newborn relishes the first meal of its life with its mother’s help. Happy together in the straw: the large white mare and little black foal. For the most famous white horse in the world is born pitch-black, brown or mousy-grey. Only once aged between five and ten does their typical milky-white coat emerge. The presence of staff from the stud at the delivery also has an important social function. The foals are accustomed to people literally from the first moment, something decisive for their basic trust in humans during their career later on. Erwin Movia: “What is also remarkable is the mares’ trust. The experienced ones, who have already given birth to foals, really wait for us before starting to give birth, because they know that we will assist in the decisive stages.” In the early part of each year up to 50 foals are born at Piber. One particular highlight is the first foaling of the season, regularly attracting sponsoring adoptions. In the jubilee year, the Governor of the Province of Styria, Hermann Schützenhöfer, adopted the first foal. Incidentally, the stallions’ names are already given at the time of birth, whilst mares are only named a few months later. No later than the birth of the first foal of the season, generally at the end of January, the stud’s busy spring begins.

LIPIZZANER NURSERY The foals spend a few days with their mothers in the foaling unit. After about a week, it’s time to move on to join the herd of mares. With appropriate caution, the little ones are introduced to the group and relocate to the exercise stables. What a magnificent display of colours it is when the mares and their progeny trot into the paddock, the little ones maintaining constant close contact with their mammas. Socialisation begins, and with it the formation of important traits of character in surroundings appropriate to their nature.

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— Das Glück der Großfamilie: die Stutenherde mit ihrem Lipizzanernachwuchs. — Joy of the extended family: the mares’ herd with their Lipizzaner progeny.

nach ersten tapsigen Versuchen schon nach einer halben Stunde selbstständig auf eigenen Beinen und labt sich an körperwarmer Stutenmilch. Herzerwärmend zu sehen, wie das Neugeborene sich mit Mutters Hilfe an der ersten Mahlzeit seines Lebens gütlich tut. Glücklich vereint im Stroh: die große Weiße und das kleine Schwarze. Denn die berühmtesten Schimmel der Welt kommen kohlschwarz, braun oder mausgrau auf die Welt. Erst im Alter von fünf bis zehn Jahren schimmeln sie aus und erhalten ihr typisch milchweißes Fellkleid. Die Anwesenheit von Gestütsmitarbeitern bei der Geburt hat auch eine wichtige soziale Funktion: Die Fohlen sind buchstäblich vom ersten Moment an Menschen gewöhnt – entscheidend für das Urvertrauen in die Menschen im Lauf der späteren Karriere. Erwin Movia: „Bemerkenswert ist auch das Vertrauen der Mutterstuten. Die Erfahreneren, die bereits Fohlen zur Welt gebracht haben, warten mit dem Beginn der Geburt regelrecht auf uns, weil sie wissen, dass wir in der entscheidenden Phase unterstützen.“ Bis zu 50 Fohlen kommen im Piber jedes Frühjahr auf die Welt. Ein besonderes Highlight ist das erste Fohlen der Saison, für das immer wieder auch Patenschaften übernommen werden. Im Jubiläumsjahr übernahm der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer die Patenschaft für das Premierenfohlen. Die Namen der Hengste stehen bei der Geburt übrigens bereits fest, Stuten erhalten ihre Namen erst nach einigen Monaten. Spätestens mit der Geburt des Jahrgangserstlings – zumeist Ende Jänner – beginnt das Frühlingserwachen im Gestüt.


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ERWIN MOVIA Gestütsleiter, Lipizzanergestüt Piber

Stud Manager of Lipizzaner Stud Piber

F Seit Anfang 2019 trägt der gebürtige Maria Lankowitzer als Gestütsmeister bzw. seit 2020 als Gestütsleiter die Gesamtverantwortung für das Lipizzanergestüt Piber. Unterstützt wird er von seinem Stellvertreter Herbert Friessnegg sowie einem fachkundigen, rund 30-köpfigen Team. Seit dem Jahr 2003 ist Movia in Piber beschäftigt, wo er als Pfleger den Umgang mit Lipizzanern von der Pieke auf lernte. Später wechselte er in die Ausbildung, unterrichtete Pferde im Gespannfahren und war jahrelang Leiter der Ausbildungsabteilung, ehe er die Gestütsleitung übernahm. In dieser Funktion trägt der staatlich geprüfte Fahrlehrer die Verantwortung für die Erfüllung der Hauptziele des Gestüts: Erhalt der Rasse und Sicherstellung von Nachwuchs für die Spanische Hofreitschule. In seiner Zeit in Piber war der Weststeirer bereits bei Hunderten Geburten von Lipizzanerfohlen unterstützend mit dabei. B Since the start of 2019, this man from Maria Lankowitz has carried overall responsibility for the Lipizzaner Stud Piber as Studmaster and, since 2020, as Stud Manager. He is supported by his deputy Herbert Friessnegg, along with an expert team of around 30 people. Movia has been employed in Piber since 2003, learning from scratch how to deal with Lipizzaner horses as a groom. Later on he switched to training, instructed horses driving carriages and was head of the training department for years until he took over as head of the stud. A certified driving instructor, he is responsible in this function for achievement of the stud’s main objectives: maintenance of the breed and ensuring the provision of young recruits for the Spanish Riding School. During his time in Piber, this man from western Styria has assisted in person at hundreds of births of Lipizzaner foals.

Was fasziniert Sie an Lipizzanern? ERWIN MOVIA — Lipizzaner sind äußerst intelligente und lernwillige Tiere. Sie sind sehr menschenbezogen und suchen sich die Menschen, die sie mögen, selbst aus. Wenn man als Reiter oder Gespannfahrer einmal ihr Vertrauen gewonnen hat, sind sie extrem loyal und gehen mit einem durchs Feuer.

What is it about Lipizzaners that fascinates you? ERWIN MOVIA — Lipizzaners are animals that are extremely intelligent and willing to learn. They relate very strongly to humans, picking out the ones they like for themselves. Once you win their trust as a rider or driver, they’re extremely loyal and will go through thick and thin for you.

Sie haben die Geburt von hunderten Lipizzanerfohlen miterlebt. Längst ein Routinejob? EM — Nein, jede Geburt ist aufs Neue spannend und ein wahres Wunder. In der Hochsaison komme ich auf drei Geburten in der Nacht. Die Nähe zum Menschen vom buchstäblich ersten Moment an ist ungeheuer wichtig. Hier wird der Grundstein für das Urvertrauen des Lipizzaners in den Menschen gelegt.

You have witnessed the births of hundreds of Lipizzaner foals. Is it all routine by now? EM — No, every birth brings fresh excitement and a true wonder. At the season’s peak I experience three births per night. Being close to people literally from the first moment is incredibly important. It’s at this point that the foundation is laid for Lipizzaners’ basic trust in humans.

Was macht Piber zur idealen Lipizzanerheimat? EM — Das gesamte Ensemble des Gestüts und seiner Infrastruktur, inklusive Stallungen, Weideflächen und Außenhöfe, ist optimal auf die Bedürfnisse der Pferde ausgerichtet. Dazu kommen die perfekten klimatischen Bedingungen und das Gelände auf der Stubalm, wo die Junghengste ihre Sommerfrische verbringen. Am wichtigsten sind aber das Know-how und die Leidenschaft unserer Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeiter.

What makes Piber the ideal home for Lipizzaners? EM — The whole ensemble of the stud and its infrastructure, including stables, meadows and outlying facilities, is optimised to the needs of the horses. Add to that the perfect climatic conditions and the terrain at Stubalm, where the young stallions spend their summers. But most important of all are our staff’s know-how and dedication.

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Raues Klima, steiniger Boden und frische Kräuterwiesen: Die „Sommeralpung“ auf der auf 1.600 Meter Seehöhe gelegenen Stubalm bietet ein ideales Setting für die nötige Abhärtung der Jungtiere. Harsh climate, rocky ground, and fresh alpine pasture: the “summer-alping” at Stubalm up at 1600 metres above sea level offers the ideal setting for the necessary toughening-up of the young animals.

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KINDERSTUBE DER LIPIZZANER Einige Tage verweilen die Fohlen mit ihren Müttern im Geburtsstall. Nach rund einer Woche folgt die Eingliederung in die Stutenherde. Behutsam wird der Nachwuchs in die Gemeinschaft eingeführt und übersiedelt in den Laufstall. Was für ein prachtvolles Farbenspiel, wenn die Stuten mit ihrem Nachwuchs auf die Koppel traben, die Kleinen stets auf Tuchfühlung mit ihren Mamas. Die Sozialisation beginnt und damit die Ausbildung wichtiger Charaktereigenschaften in einem artgerechten Umfeld. Die Pfleger achten stets darauf, dass die Fohlen ausreichend herumtollen, ohne sich zu überanstrengen, und auch darauf, dass sie ihre tägliche Ration Muttermilch, Futter und frische Luft genießen. In dieser Phase wird die TierMensch-Beziehung gestärkt – Grundlage für die spätere Freundlichkeit und Gelehrigkeit der Tiere. Rund sechs Monate verbringen die Fohlen an der Seite ihrer Mütter gemeinsam in der Großfamilie. „In der Regel werden Stuten zwei Jahre hintereinander gedeckt, danach sind ein oder zwei Jahre Babypause angesagt“, verrät der Gestütsleiter. Rund 333 Tage – also ein knappes Jahr – beträgt die Trächtigkeit einer Stute. Gedeckt werden die Stuten in den meisten Fällen per Natursprung. Dafür kommen sorgfältig ausgewählte Hengste der Spanischen Hofreitschule aus Wien nach Piber und verbringen einige Monate „Liebesurlaub“ in ihrer ursprünglichen Heimat. „Der Natursprung ist die natürlichste Form der Fortpflanzung“, so Movia. Nur in Ausnahmefällen wird auf künstliche Besamung zurückgegriffen. „Natur ist schließlich Natur. Und diesen natürlichen Vorgang wollen wir den Pferden nicht vorenthalten.“ Für einen reibungslosen Ablauf ist eine penible Planung unabdingbar. Das beginnt bereits bei der Auswahl der Hengste und Stuten – die „Anpaarungen“ sind entscheidend für den züchterischen Output des Gestüts. „Schließlich gilt es, das beste Genmaterial im Sinne des Zuchtziels an die nächste Generation weiterzugeben, gleichzeitig aber größtmögliche genetische Diversität zu sichern und Inzucht zu vermeiden“, weiß Erwin Movia. Im Alter von fünf Jahren werden Stuten das erste Mal gedeckt. Der Zeitpunkt des Natursprungs wird exakt festgelegt. Ultraschalluntersuchungen des Tierarztes helfen, bei der Stute den fruchtbarsten Zeitpunkt – den Höhepunkt der Rosse – zu bestimmen und damit die

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the jumps of the stallions are nicely absorbed. Dots painted on the boards of the arena aid orientation for some of the movements. In the centre of the arena are the so-called pillars. In the shows it is here that the piaffe, a trot-like movement on the spot, is performed. Working between the pillars also helps in the discovery of hidden talents in the stallions, one of the riders explains. In the extreme collection between the pillars it can happen that a fiery horse suddenly lifts up into levade.

TEAMWORK IS EVERYTHING “Every rider has several show horses and, in parallel trains, his or her young horses,” explains chief rider Andreas Hausberger. “The rider team support each other during training.” In the shows of the Spanish Riding School, each stallion performs once or twice per week whilst, per show, 24 to 26 horses are presented in different programme parts. Hausberger: “Every three months, 15 to 20 stallions change over to the training centre in Heldenberg, Lower Austria. Lipizzaner horses that are still in training receive their practice there, whilst the show stallions have a break and may spend the time with some easy practice, outdoor excursions for fitness or in the paddocks. In the summer, all stallions spend six weeks of holidays in the training centre.” The fact that, at the Riding School, it is always exclusively the horse that is the centre of attention, is also illustrated by the handed-down training principle: “The horse determines the speed of the training.” According to this credo, the stallions are given enough time for their own development.

— Als ob Pferd und Reiter tanzen: beeindruckende Demonstration einer „Piaffe“. — As though horse and rider were dancing: impressive demonstration of a “piaffe”

ist, sodass die Sprünge der Hengste gut abgefedert werden. An den Banden sind aufgemalte Bahnpunkte zu sehen, die zur Orientierung für einzelne Lektionen genutzt werden. In der Mitte der Reitbahn stehen die sogenannten Pilaren. Bei den Vorführungen wird hier die Übung der Piaffe – eine trabartige Bewegung auf der Stelle – gezeigt. Die Arbeit zwischen den Pilaren lässt außerdem auf noch schlummernde Talente der Hengste schließen, verrät ein Bereiter. Während der extremen Versammlung zwischen den Pilaren kann es vorkommen, dass sich ein temperamentvolles Pferd plötzlich zu einer Levade erhebt.

PERFECTION AND HARMONY TEAMWORK IST ALLES

The Spanish Riding School in Vienna is the oldest riding school in the world and, at the same time, the only institution where the classical art of equitation, in the Renaissance tradition of the High School, has been cultivated in the same way for 455 years. Its objective is perfection, brilliance, precision and harmony; in short, the unity between rider and horse. The High School of equestrian art with movements on and above ground was already known in ancient Greece. It was re-discovered in the Renaissance period and continued to develop at various different European courts. It was precisely during this period that the Imperial Riding School was founded in Vienna. However, the exact date of foundation of

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Reitsaal aus beständigem Baumaterial löst hölzerne Reitschule ab (wird aber durch Türkenkriege wieder beschädigt)

#spanishridingschool

Riding hall of substantial construction replaces timber-built riding school (then damaged again by Turkish Wars)

„Jeder Bereiter und jede Bereiterin hat mehrere Vorführungspferde und bildet parallel dazu Nachwuchspferde aus“, erklärt Oberbereiter Andreas Hausberger. „In der Ausbildung unterstützt sich das Bereiterteam gegenseitig.“ Bei den Vorführungen der Spanischen Hofreitschule kommt jeder Hengst ein- bis zweimal pro Woche zum Einsatz, wobei je Vorführung 24 bis 26 Pferde in verschiedenen Programmpunkten gezeigt werden. Hausberger: „Alle drei Monate wechseln 15 bis 20 Hengste mit ihren Bereitern ins Trainingszentrum Heldenberg, NÖ. Die Lipizzaner, die noch in Ausbildung sind, werden dort

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Erbauung der Winterreitschule durch Joseph Emanuel Fischer von Erlach unter Karl VI. Construction of the Winter Riding School by Joseph Emanuel Fischer von Erlach under Charles VI

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Wiener Kongress, Redoute mit über 8.000 Gästen in der Winterreitschule Congress of Vienna, ball with more than 8000 guests at the Winter Riding School


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— Die prunkvolle Winterreithalle der Spanischen Hofreitschule in Wien. — The magnificent Winter Riding Hall of the Spanish Riding School in Vienna.

Es ist wichtig, die Pferde konditionell und mental fit zu halten. Die Hengste sollen Spaß bei der Arbeit haben. Für gute Performance gibt es auch Belohnung. It is important to keep the horses physically and mentally fit. The stallions should enjoy their work. Good performance has its rewards.

1831

Cholerajahr: Die Geschäfte der Wiener Börse werden in die Winterreitschule verlagert Year of cholera: Viennese stock exchange business relocated to the Winter Riding School

1848

Revolutionsjahr: Am 14. März tritt hier die Bürgerversammlung zusammen; ab Juli der erste österreichische Reichstag Year of revolution: meeting of citizens’ assembly on 14 March; first Austrian parliament from July

1854

Vermählung des Kaisers Franz Joseph mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern in der Winterreitschule (mit Johann Strauß) – die Halle wird mit Mauerdurchbrüchen mit den Redoutensälen verbunden

Wedding of Emperor Franz Josef and Princess Elisabeth of Bavaria in the Winter Riding School (with Johann Strauss) – the hall is connected to the ballrooms by breakwww.srs.at ing through walls

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Spanische Hofreitschule

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Ausbildung der Pferde Training of the horses

Die Ausbildung der Hengste, die in einem Alter von knapp vier Jahren vom Lipizzanergestüt Piber in das Trainingszentrum Heldenberg und nach Wien übersiedeln, erfolgt gemäß den Lehren der klassischen Reitkunst und ist in ihren Grundzügen nach den „Directiven für die Durchführung des methodischen Vorganges bei der Ausbildung von Reiter und Pferd in der k. u. k. Spanischen Hofreitschule“ von Exzellenz Franz von Holbein-Holbeinsberg und Oberbereiter Johann Meixner gestaltet.

The training of the stallions, who, at the age of just under four years, move from the Lipizzaner Stud Piber to the training centre Heldenberg and to Vienna, is carried out according to the teachings of classical equestrian art and its basic outline corresponds with the [directives for the execution of a methodical approach in the training of riders and horses at the Imperial Spanish Riding School] by his Excellency Franz von Holbein-Holbeinsberg and Chief Rider Johann Meixner.

MÜNDLICHE ÜBERLIEFERUNG. Das vorrangige Ziel unterscheidet sich grundsätzlich nicht von jeder anderen Pferdeausbildung und lässt sich mit den Zielen der Geschmeidigkeit, Gehorsamkeit, Durchlässigkeit und Ruhe umreißen. Die Inhalte der Ausbildung in der Spanischen Hofreitschule werden jedoch seit jeher ausschließlich mündlich weitergegeben.

ORAL TRADITION. Basically the main objective does not differ from any other horse training and can be summarised as striving for suppleness, obedience, throughness and calmness. However, the training curriculum at the Spanish Riding School has always been passed on orally. NATURALNESS. The individual movements must never be in conflict with the horses’ natural movements; on the contrary, they have been developed from these. It is the privilege of the Spanish Riding School that here there is enough time to train the stallions in the various different movements of the High School, by means of perseverance, praise and rewards. Torment and compulsion would never lead to harmony between horse and rider, so the basis is positive experience and positive reinforcement.

NATÜRLICHKEIT. Die einzelnen Übungen dürfen nie den natürlichen Bewegungen des Pferdes widersprechen, sie sind im Gegenteil aus diesen heraus entwickelt worden. Es ist ein Privileg der Spanischen Hofreitschule, dass man hier ausreichend Zeit hat, die Hengste in den verschiedenen Lektionen der Hohen Schule auszubilden – und zwar durch Ausdauer, Belohnung und Lob. Mit Qual und Zwang könnte man keine Harmonie zwischen Reiter und Pferd erreichen, grundlegend sind das Positiverlebnis und die positive Verstärkung. ABLAUF DER „SCHULBILDUNG“. Im ersten Jahr erfolgt die Remontenschule, das Reiten mit möglichst natürlicher Haltung des Pferdes in nicht versammelten Gangarten auf der Geraden. Danach folgt die Campagneschule: das Reiten des versammelten Pferdes in allen Gangarten, Wendungen und Touren in vollkommenem Gleichgewicht. In der dritten Ausbildungsstufe, der Hohen Schule, bringt der Bereiter sein Pferd zur Perfektion. Es dauert durchschnittlich sechs Jahre, bis ein Hengst in der Schulquadrille eingesetzt werden kann und damit seine Ausbildung zum Schulhengst beendet hat.

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Letztes Karussell findet statt Last carousel takes place

#spanishridingschool

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PROCESS OF “SCHOOL EDUCA­ TION”. In the first year the horses are trained in the “Remontenschule”, riding at the most natural composure and non-collected gaits along the straights of the arena. This is followed by “Campagneschule”, riding the collected horse in all gaits, turns and tours in perfect balance. In the third phase of the training, the High School, the rider takes his or her horse to perfection. On average it takes six years until a stallion can participate in the school quadrille, at which point they have concluded their education as a school stallion.

Während des Ersten Weltkrieges wird das Gestüt am Karst evakuiert (nach Laxenburg und Kladrub) During the First World War, the stud farm in the Karst region is evacuated (to Laxenburg and Kladrub)

1918

Die Hofburg verliert den Status einer Kaiserresidenz – die Republik Österreich übernimmt die Verantwortung für die Spanische Hofreitschule; Lipica (damals Italien) geht verloren

The Hofburg loses the status of an Imperial Residence – Republic of Austria assumes responsibility for the Spanish Riding School; Lipizza (then in Italy) is lost


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— In der Sattelkammer der Stallburg befindet sich die gesamte Ausrüstung der Pferde. — Housed in the saddle chamber of the Stallburg is all of the horses’ tack.

trainiert, die Vorführungshengste haben Pause und dürfen die Zeit mit leichtem Training, konditionserhaltenden Ausritten im Gelände oder auf den Wiesenkoppeln, verbringen. Im Sommer haben alle Hengste sechs Wochen Urlaub im Trainingszentrum.“ Dass in der Hofreitschule stets und ausschließlich das Pferd im Mittelpunkt steht, zeigt auch der tradierte Ausbildungsgrundsatz: „Das Pferd bestimmt das Tempo der Ausbildung.“ Diesem Credo entsprechend haben hier die Hengste Zeit, sich zu entwickeln.

PERFEKTION UND HARMONIE

the Spanish Riding School remains unknown. First indications of building activities can be found as early as the middle of the 16th century. The very first information about a predecessor to the later Imperial Riding School dates from September 20th, 1565: “In a document bearing this date, a sum of one hundred guilders is mentioned for the ‘erection of Thumblplatz in the garden on Purgkh alhie’. At that time, an open riding and tournament arena was installed on the grounds of today’s Josefsplatz square and the immediate surroundings, in the close vicinity of the Hofburg,” says historian Dr. Georg Kugler. The riding area probably corresponded to a typical tournament arena and formed part of the courtly pleasure gardens. “In any case, the origins of imperial horse dressage in Vienna are connected with Ferdinand I, the later Emperor of the Holy Roman Empire who, in the 16th century (1521), moved from Spain via the Netherlands to Austria. On this occasion he brought 200 horses from the Iberian Peninsula along,” says Dr. Kugler. Today’s Lipizzaner stallions, a cross between Spanish and Arabian horses, are their descendants. The name “Spanish Riding School” derives from the originally exclusively Spanish horses. However, a regulated equestrian system was only established through expanded horse importation by Archduke Maximilian (later Maximilian II). His stock of horses formed the basis for breeding at the imperial stud farms of Kladrub and Koptschan. The horses, characterised by toughness and

1919

Teilung der Herde Separation of herds

1920

— Klassische Reitkunst in der Renaissancetradition der Hohen Schule. — Classical equitation in the Renaissance tradition of the High School

Piber wird zum neuen Gestüt definiert Piber is defined as the new stud farm

Die Spanische Hofreitschule in Wien ist die älteste Reitschule der Welt und gleichzeitig die einzige Institution, an der die klassische Reitkunst in der Renaissancetradition der Hohen Schule seit 455 Jahren unverändert weitergepflegt wird. Ihr Ziel ist Perfektion, Brillanz, Präzision und Harmonie – kurz die Einheit zwischen Reiter und Pferd. Die Hohe Schule der Reitkunst mit ihren Übungen auf und über der Erde war bereits im antiken Griechenland bekannt, wurde in der Renaissancezeit wiederentdeckt und entfaltete sich an verschiedenen europäischen Höfen weiter. Gerade in diese Epoche fällt auch die Gründung der Hofreitschule zu Wien. Ein genaues Gründungsdatum der Spanischen Hofreitschule ist allerdings nicht bekannt: Erste Hinweise auf Bauaktivitäten lassen sich bereits Mit-

1939

Zweiter Weltkrieg: die „Spanische Reitschule“ wird der deutschen Wehrmacht unterstellt

Second World War: the “Spanish Riding School” is placed under German Army control

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Spanische Hofreitschule

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Uniform im Empirestil Die Uniform erinnert deutlich an die Herkunft von der französischen Militärreiteruniform der napoleonischen Ära. Sie besteht aus Stiefeln mit Knieschutz (Stulpenstiefeln), einer hellen Reithose aus Hirschleder, einem braunen Uniformfrack mit einer Tasche für Leckereien sowie dem charakteristischen Zweispitz, an dessen Goldborte man den Rang des Bereiters bzw. der Bereiterin erkennt – je breiter die Goldborte, desto höher der Rang. Traditionellerweise wird beim Einreiten in die Halle der Zweispitz in Richtung des Porträts Karls VI., das in der Hofloge zu sehen ist, gezogen. Diese Geste ist als Gruß und Dank an den Bauherren der barocken Reithalle zu verstehen und wird bei jeder Vorführung und jeder Morgenarbeit, aber auch um 7 Uhr früh, wenn noch kein Publikum in der Reithalle ist, vollführt.

Uniform in imperial style The uniform is distinctly reminiscent of the French military equestrian uniform of the Napoleonic era. It consists of boots with knee protection (gauntlet boots), light-coloured deerskin riding breeches, a brown uniform coat with a pocket for treats, and the characteristic bicorne hat. The hat’s gold trim reflects the rank of the rider; the wider the trim, the higher the rank. Traditionally, when entering the hall, the riders take the bicorne off to salute the portrait of Charles VI in the royal box. This gesture is a salute and thank you to the patron of the baroque riding hall and is carried out at each performance and each morning practice, as well as at 7 o’clock in the morning when there is no audience in the riding hall.

— Nach der Vorführung in der Winterreithalle geht es wieder in die Stallungen der Wiener Hofburg. — After performing in the Winter Riding Hall, it’s off to the stables in Vienna’s Hofburg

1942

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Lipizzaner werden aus Piber in ein zentrales Militärgestüt nach Hostau (Böhmerwald) gebracht

#spanishridingschool

Lipizzaners taken from Piber to a central military stud farm in Hostau (Bohemian Forest)

1945

die Stallburg wird durch Bombenangriffe schwer beschädigt Stallburg stable buildings heavily damaged by bombing raids

19451955

Lipizzanerhengste werden in Wels (OÖ) untergebracht Lipizzaner stallions accommodated in Wels (Upper Austria)


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te des 16. Jahrhunderts finden. Der allererste Hinweis, der von einem Vorläufer der späteren Hofreitschule vorliegt, stammt vom 20. September 1565: „In einem Dokument, das dieses Datum trägt, wird ein Betrag von hundert Gulden zur ,Aufrichtung des Thumblplatz im Garten an der Purgkh alhie‘ genannt. Auf dem Areal des heutigen Josefsplatzes und seiner nächsten Umgebung, in unmittelbarer Nähe der Hofburg, wurde damals eine offene Reit- und Turnierbahn installiert“, erzählt der Historiker Dr. Georg Kugler. Wahrscheinlich entsprach das Reitgelände dem Typus eines Turnierhofes und bildete einen Teil des höfischen Lustgartens. „Auf jeden Fall hängen die Ursprünge der höfischen Pferdedressur in Wien mit der Person von Ferdinand I. zusammen, dem späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der im 16. Jahrhundert (1521) von Spanien über die Niederlande nach Österreich gezogen ist. Dabei brachte er 200 Pferde der iberischen Halbinsel mit“, so Dr. Kugler. Die heutigen Lipizzanerhengste – eine Kreuzung aus spanischen und arabischen Pferden – sind deren Nachkommen. Von den ursprünglich ausschließlich spanischen Pferden leitet sich der Name „Spanische Hofreitschule“ ab. Ein geordnetes Reitwesen kam jedoch erst durch den erweiterten Pferdeimport Erzherzog Maximilians (später Maximilian II.) auf. Sein Pferdebestand bildete den Grundstock für die Zucht in den eigenen kaiserlichen Gestüten Kladrub und Koptschan. Die durch Härte und Ausdauer gekennzeichneten Pferde wurden ausschließlich für den kaiserlichen Hof gezüchtet, wo sie als Karussell-, Reit- und Paradepferde eingesetzt wurden. Die ursprüngliche Aufgabe der Spanischen Hofreitschule war die Ausbildung junger Adeliger zu Kavalieren. Unter der Aufsicht hochrangiger Oberbereiter sollten sie hier die Reiterei zum militärischen Zweck wie auch das Kunst- oder Paradereiten erlernen. Im Barockzeitalter erlangte die repräsentative Funktion der Reitschule eine maßgebliche Bedeutung: Die damals beliebten höfischen Reitfeste und Rossballette sollten die Grundlage für die späteren Vorführungen werden. Trotz zahlreicher Kriege und politischer Wirren in Europa schaffte es die Spanische Hofreitschule, ihre Tradition über die Jahrhunderte hinweg aufrecht zu erhalten. Heute wird ihre Existenz ausdrücklich geschützt: 2015 wurde die Hofreitschule zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO erklärt. „Die Spanische Hofreitschule gehört zur Wiener Identität“, betont Geschäftsführerin Sonja Klima. „Sie ist Teil unserer Geschichte und repräsentiert eine österreichische Tradition, die seit der k.u.k. Monarchie besteht.“ b

1952

Rückkehr der Lipizzanerherde nach Piber Return of Lipizzaner herds to Piber

1955

— In den Stallungen wird in drei Schichten gearbeitet: Die Pferde sind rund um die Uhr unter Aufsicht. — There is threeshift working in the stables: the horses are monitored around the clock.

Heimkehr der Lipizzaner in die Stallburg (unter Oberst Podhajsky) Lipizzaners return to Stallburg (under Colonel Podhajsky)

endurance, were bred exclusively for the imperial court, where they were used as carousel, riding and parade horses. The original task of the Spanish Riding School was to educate young noblemen to become cavaliers. Under the supervision of high-ranking chief riders, they were to learn riding for military purposes as well as artistic or parade riding. In the baroque era, the representative function of the Riding School gained considerable importance. The then popular imperial riding festivals and horse ballets became the basis for later performances. Despite numerous wars and political turmoil in Europe, the Spanish Riding School managed to maintain its tradition over the centuries. Today, its existence is well-protected; in 2015 the Spanish Riding School was declared an Intangible World Cultural Heritage Site by UNESCO. “The Spanish Riding School is part of the Viennese identity,” emphasises managing director Sonja Klima. “It is part of our history and represents an Austrian tradition that has existed since the Austro-Hungarian Empire.” Z

1992

Brand der Hofburg zerstört die direkt an die Winterreitschule angrenzenden Redoutensäle – Evakuierung der Lipizzaner aus der Stallburg

Fire at Hofburg destroys the Redoutensäle ballrooms directly adjoining the Winter Riding School –Lipizzaners evacuated from Stallburg www.srs.at

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Spanische Hofreitschule

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Oral tradition

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Susanna Sklenar

Credit: Valerie Voithofer

Die MÜNDLICHE ÜBERLIEFERUNG

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F Mit 19 Jahren kam er und blieb bis heute. Denn Pferde sind seine Leidenschaft, Lipizzaner seine Berufung. ANDREAS HAUSBERGER, 55, ist seit mittlerweile 36 Jahren in der Spanischen Hofreitschule in Wien tätig – zunächst als Eleve, dann als Bereiter-Anwärter und Bereiter, seit 2007 im höchsten Ausbildungsrang als Oberbereiter. Abgesehen von seinen derzeit sieben Ausbildungshengsten ist er für die mündliche Überlieferung des Wissens rund um die Lipizzaner und die Hohe Schule der Reitkunst verantwortlich. Doch auch sein Weg an die Spitze war durchaus steinig.

B He arrived at the age of 19 and stayed to this day. Because horses are his passion, Lipizzaners his calling. ANDREAS HAUSBERGER, 55, has been working for the Spanish Riding School for 36 years now. First as a trainee, then as assistant rider and rider and, since 2007, in the highest rank as chief rider. In addition to his currently seven training stallions, he is also responsible for passing on orally knowledge about Lipizzaner horses and the High School of equestrian art. But his ride to the top has also been quite bumpy.

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chon als kleiner Junge wollte er Berufsreiter werden. Seine Eltern besaßen ein Gestüt in Niederösterreich, er wuchs also praktisch mit Pferden und Stallgeruch auf. Auch reiten konnte Andreas Hausberger schon in frühester Jugend sehr gut – „dachte ich zumindest“, erzählt er mit einem Schmunzeln. „Mit 15 Jahren bewarb ich mich das erste Mal als Eleve in der Spanischen Hofreit­ schule in Wien. Und wurde nicht genommen.“ Zweimal versuchte er es noch, mit 16 und 17 Jahren. Vergeblich. „Dann habe ich aufgegeben.“ Und doch sollte er seine Berufung leben dürfen. „Als ich knapp 19 war, meldete sich die Hofreitschule bei meiner Mutter und fragte, ob ich noch zur Verfügung stünde. Gott sei Dank sagte sie zu.“
Was folgte, waren viele Jahre harter Arbeit – „Blut, Schweiß und Tränen“, wie Hausberger es auf den Punkt bringt. Denn in den ersten acht bis zehn Ausbildungsjahren als Eleve und Bereiter-Anwärter kommen die meisten an ihre Grenzen – und 80 Prozent scheitern. „Unsere Drop-out-Quote ist sehr hoch, ebenso die Ansprüche an die Auszubildenden, und am schlimmsten ist wohl der Konkurrenzdruck unter den Elevinnen und Eleven sowie Bereiterin-

nen und Bereitern, denn nur die Besten der Besten schaffen es.“ Auch die Erkenntnis, dass „bei uns die Pferde absolut im Mittelpunkt stehen“, dürfte vielen jungen Reiterinnen und Reitern schwerfallen. Hausberger: „Es zählt sicher zu den größten Herausforderungen, dass bei uns ein Hengst immer wichtiger ist als die eigene Persönlichkeit.“ Ein Grundsatz, den einst schon die kaiserliche Familie zu nutzen wusste, schildert der Oberbereiter: „Die Lipizzaner fungierten in gewissem Sinne als Erzieher der Prinzen und Prinzessinen – sie sind die besten Lehrmeister, denn sie schmeicheln einem nie.“ Und so ist es nach wie vor. Die Arbeit mit den Lipizzanern ist für Andreas Hausberger eine einzigartige Kraftquelle. „Ich gehe nicht arbeiten“, sagt er, „ich gehe auftanken.“ Und das jeden Tag um spätestens sechs Uhr früh, denn um 7 Uhr steht schon der erste Hengst bereit für die Morgenarbeit in der Reithalle. Für den Oberbereiter ein tägliches Werk, unter der Woche ebenso wie an jedem Wochenende. Nur montags hat er frei. Da werkt er im Garten oder liest ein gutes Buch. Auch kann es sein, dass er wiederum von Pferden umgeben ist – als internationaler Trainer für Dressur. b

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lready as a young boy his dream was to become a professional rider. His parents owned a stud farm in Lower Austria, so he basically grew up with horses and the smell of stables. He was already a good rider as a young man. “At least this was what I thought,” he tells us with a smile. “At the age of 15 I applied for the first time to become a trainee at the Spanish Riding School, but they did not accept me.” He tried again two more times, at the ages of 16 and 17. In vain. “Then I gave up.” But he would still be able to follow his calling. “When I had just turned 19, the Riding School called my mother asking whether I was available. Thank God she said yes.” What then followed would be many years of hard work, “blood, sweat and tears”, as Hausberger pointedly states. Because during the first eight to ten training years as trainee and assistant rider, most would reach their limits, and about 80% will fail. “Our drop-out rate is really high, as well as the requirements for the trainees. The worst is probably the pressure of competition between trainees and riders, since only the best will succeed.” Also realising that “here the horses are at the centre of attention,” might be hard for many young riders. Hausberger: “It is certainly one of the biggest challenges that here a stallion is more important than one’s own personality.” A principle that in the old days was also used by the imperial family, recounts the chief rider. “In a certain way the Lipizzaner horses were the educators of the princes and princesses. They are the best teachers and would never flatter anyone.” This is indeed how things still go today. Working with the Lipizzaner horses is a unique source of energy for Andreas Hausberger. “I don’t go to work,” he says, “I go to recharge my energy level.” And this every morning at 6am at the very latest because, at 7am, the first stallion is already waiting for morning practice in the arena. For the chief rider a daily routine both during the week and at the weekend. Only on Mondays is he free. Then he would work in the garden or read a good book. Or maybe he would again be surrounded by horses, as an international dressage instructor. Z

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