Berichtsheft Gastronomie

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Berichtsheft Gastronomie Aus dem Ausbildungs- und Arbeitsleben von Jugendlichen im Allg채uer Hotel- und Gastst채ttengewerbe


Inhaltsverzeichnis

Haupt- und Realschule, Azubis sowie junge Menschen mit und ohne Arbeit zu unterstützen und zu vernetzen.

Unser Gastro-Statement................................3

„Jede junge Arbeiterin, jeder junge Arbeiter ist mehr wert als alles Gold der Erde, weil sie Kinder Gottes sind“ - das ist der Leitspruch der CAJ, deswegen setzen wir uns dafür ein, das auch alle jungen Arbeiterinnen und Arbeiter im Gastgewerbe so wertschätzend behandelt werden.

Berichte aus der Arbeitswelt.........................4 Pausen und Überstunden.........................5 Urlaubsregelungen...................................7 Qualität der Ausbildung............................8 Bezahlung..............................................11 Die Ersatzfamilie.....................................13 Nach der Ausbildung..............................15 Wo sehen wir Handlungsbedarf?.................17 Betriebliche Ausbildung..........................18 Schärfere Kontrolle der Arbeitszeiten......19 Ansprechpartner für Auszubildende.......20 Über uns.....................................................21

Die Christliche Arbeiterjugend (CAJ) ist ein Jugendverband der katholischen Kirche im Bistum Augsburg. Gegründet wurde sie Anfang des 20. Jahrhunderts in Belgien von einem Priester, der junge Arbeiterinnen und Arbeiter organisierte, damit diese ausgehend von ihren Lebensbedingungen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und zum Positiven gestalten. Wir sehen unsere Aufgabe als Jugendverband darin, die Schüler der Abschlussklassen von

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Herausgeber: Christliche Arbeiterjugend Diözesanverband Augsburg Weite Gasse 5, 86150 Augsburg Tel: 0821/3166-3532 Fax: 0821/3166-3519 Mail: buero@caj-augsburg.de Bildnachweise: the macman / photocase.de Redaktion: Johannes Aubele Gestaltung: Johannes Aubele

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Unser Gastro-Statement Unser Gastro-Statement

Unser Gastro-Statement

Wir mögen unseren Beruf auch mit allen Nachteilen den er mit sich bringt. Wir finden auch, dass er unheimlich viele Möglichkeiten und tolle Erfahrungen bietet. Jeder, der sich auf dieses Berufsfeld einlässt, muss wissen, was ihn erwartet. Deswegen sind für uns kleinere Meckereien wegen Mehrstunden oder ungünstigen Arbeitszeiten irrelevant. Was uns aber stört ist, dass es neben vielen Betrieben, die gut ausbilden und ihre Mitarbeiter anständig behandeln, auch viele schwarze Schafe gibt, die unfair sind, ihre Angestellten ausbeuten, schlecht behandeln und den Azubis durch eine ungenügende Ausbildung den eigentlich tollen Beruf madig machen. Wir schätzen aus dem Bauch heraus, das das bei 8 von 10 Lehrlingen in unserem Bekanntenkreis der Fall ist. Wir können aus eigener Erfahrung heraus bestätigen, dass auch in kleineren Betrieben eine gute Ausbildung möglich ist, mit der man auch zehn Jahre danach immer noch Spass an seinem Traumjob im Hotelfach hat. Die Berufsschule haben wir dabei größtenteils positiv erlebt. Deswegen fordern wir von der Gewerbeaufsicht, der IHK und den Betrieben, energischer gegen schwarze Schafe vorzugehen und alles zu tun, um den Jugendlichen in der Ausbildung, aber auch den normalen Angestellten anständige Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Die Berufsschullehrer bitten wir, uns(ere) Azubis zu unterstützen, auch mal deren betriebliche Arbeitsbedingungen zu hinterfragen und bei berechtigten Zweifeln an der Qualität auch den Azubis den Rücken zu stärken und Verbesserungen anzumahnen. Auszubildende und ausgelernte Fachkräfte aus dem Hotelfach, dem Restaurantfach und den Köchen

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Berichte aus der Arbeitswelt Berichte aus der Arbeitswelt

Die CAJ hat von 2010 bis heute Berichte von Auszubildenden und jungen Menschen im Gastgewerbe in den Landkreisen Ostallgäu und Oberallgäu in Interviews und persönlichen Begegnungen, bei Beratungsgesprächen in unseren Büros, nach Feierabend in der Kneipe oder bei anderen Gelegenheiten gesammelt. Gefragt wurden Ausgelernte und Auszubildende im Hotelfach, Restaurantfach, den Köchen und im Konditoreifach, sowie junge Erwachsene, die als ungelernte Kraft im Gastgewerbe arbeiten. Die gesammelten Berichte wollen weder den Zustand einer ganzen Branche darstellen, noch das Berufsbild schlecht machen. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass es durchaus einige schwarze Schafe gibt und das Ausbildungssystem auch seine Schwächen hat, die die Schafe ausnützen.

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Pausen und Überstunden DIE ARBEITSZEITEN IM GASTGEWERBE SIND VON NATUR AUS NICHT DIE SCHÖNSTEN. ABER JEDER ARBEITER HAT AUCH EIN RECHT AUF SELBSTBESTIMMTE UND AUSREICHENDE FREIZEIT.

„Teilweise konnten wir ganz normal unsere Schichten arbeiten, z.B. von 6-15 Uhr mit zwei Pausen, aber es gab auch einige Tage an denen Arbeitszeiten eher den gesamten Tag betrafen.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr) „Wenn Zwischenschicht (Teildienst) von 07:00 – 18:00 Uhr dort steht, dann kann das alles heißen, der Chef teilt dich immer wieder beliebig lang ein. Mal hast Du 2 Stunden Mittag, mal gar keine Pause, mal von halb zehn bis fünf frei, das sagen die dir vorher aber nicht.“ (Hotelfach 2. Lehrjahr) „Dienstpläne gibt es bei uns nicht, und wenn dann maximal für die nächsten drei Tage. Ich muss am Fr abend anrufen und fragen ob ich Sa und So arbeiten muss.“ (Konditoreifach, 2. Lehrjahr) „Gerade in der Wintersaison waren 7-TageWochen keine Ausnahme. Diese Mehrstunden haben wir aber als Ausgleich bekommen. Kurze Rechnung: nach 6 Monaten Arbeit hatte ich soviel Urlaub und Übertage, dass ich fast 5 Wochen frei nehmen konnte.“ (Restaurantfach, 24 Jahre) „Meine Arbeitszeiten sind manchmal über 12 Stunden am Tag, und manchmal auch ziemlich auseinander: Frühdienst bis 13:00 Uhr, dann wieder abends ab 19:00 Uhr. Meine Stunden weichen oft von denen ab, die der Chef aufschreibt.“ (Restaurantfach, 3. Lehrjahr)

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„Die Devise ist: arbeiten oder gehen. Arbeiten meist bis zum umfallen egal wie alt Du bist. Jugendschutz? Scheissegal, du bist hier um zu arbeiten, und wenn's 12-14 Std. am Tag sind!“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Bei mir haben immer wieder mal die Überstunden auf dem Gehaltszettel gefehlt, da hab ich nachgefragt und die Chefin hat pampig behauptet, dass ich keine gemacht hätte. Kein Wunder, dass die bei uns immer nur mit Bleistift aufgeschrieben werden, was willst da machen?“ (Restaurantfach, 21 Jahre) „Für die Azubis, speziell im Service sind 12 Stunden (oder sogar mehr) Tage keine Ausnahme, die Pausen werden auch kaum eingehalten und da ist es egal, ob die Azubis schon 18 sind oder erst 16. Auch die 7-TageWochen müssen sie mitmachen.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr) „Auf Spätdienst 15:00-2:00 Uhr nachts folgt Frühdienst ab 6:00 Uhr, du wohnst ja auch im Hotel, da ist das ja kein Problem, sagt der Chef.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Meine Arbeitszeiten sind immer von 09:00 – 14:00 Uhr und von 17:00 Uhr bis 22:30 Uhr. Eigentlich geht’s ja nur bis 22:00 Uhr, aber als Lehrling muss ich dann noch alles aufräumen und putzen und unser Koch lässt mich dann alleine.“ (Koch, 1. Lehrjahr)

menschlich, da man nicht die Möglichkeit hat 8 Stunden am Stück zu schlafen“ (Servicekraft, 19 Jahre) „Wir hatten ein großes aufwändiges Sylvesterbuffet bis 02:30 Uhr und mussten trotzdem am Tag davor und am Tag danach normale Schicht arbeiten. Ich hab davor Teildienst ab 09:30 Uhr gehabt mit einer Pause von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr und direkt danach weiter zum Vorbereiten vom Buffet. Ich hab zum Glück am nächsten Tag erst spät gehabt und war immer noch todmüde. Die armen Schweine waren meine Kollegen von der Frühschicht.“ (Hotelfach, 25 Jahre) „Überstunden werden als selbstverständlich angesehen und nicht bezahlt“ (Servicekraft, 22 Jahre) „Hmm also ich frag mich immer wieder, wie ich das so lang da ausgehalten habe. 12 Stunden-Tage machen schließlich keinen Spass, Überstunden sind selbstverständlich und werden nirgends aufgeschrieben.“ (Hotelfach, 23 Jahre) „Das Arbeitspensum war schlichtweg in der gegebenen Zeit nicht zu schaffen ohne auf Pausen zu verzichten. Mein Chef hat uns mal allen Ernstes Red Bull verteilt, um uns bei Laune zu halten.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr)

„Teilweise hart: 6:00 Uhr - 12:30 Uhr + 18:00 Uhr - 22:00 Uhr oder länger → absolut un -

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Urlaubsregelungen JEDER

HAT DAS RECHT, SICH VON SEINER ARBEIT ANGEMESSEN ZU ERHOLEN. DABEI MUSS ES IHM AUCH MÖGLICH GEMACHT WERDEN, DABEI MITZUREDEN.

„Mein Urlaub war bis jetzt ausschließlich chefbestimmt, der sagt ab übermorgen hast Du eine Woche Urlaub, da brauchen wir net so viel. Es gab bis jetzt auch keinen Urlaub länger wie 5 Tage. Selbst langfristige Urlaubswünsche werden nicht akzeptiert.“ (Konditoreifach, 2. Lehrjahr) „Wir haben Saison von April bis November und von Ende Dezember bis März. Deswegen muss ich meinen kompletten Urlaub so nehmen, dass der zwischen der Saison ist.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Ich war das letzte Mal vor vier Monaten daheim. Hab auch an Weihnachten und Ostern arbeiten müssen und am 40sten Geburtstag von meiner Mum hab ich auch nicht frei bekommen. Bis zu mir heim muss ich über sechs Stunden mit dem Zug fahren.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Ich würde gerne mal zwei Tage am Stück frei kriegen um mit dem Zug heimzufahren, sonst lohnt es sich nicht. Aber mein Chef gibt mir immer nur zwischendurch einen Tag frei.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Ich hab noch drei Wochen Urlaub aber ich krieg die nicht am Stück sondern muss das Wochenende dazwischen immer arbeiten.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr)

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Qualität der Ausbildung WER

NICHT NUR EINE BILLIGE ARBEITSKRAFT SUCHT, SONDERN ERNSTHAFT AUSBILDEN WILL, MUSS DAFÜR AUCH FACHWISSEN HABEN UND PERSONAL UND ZEIT DAFÜR AUFWENDEN.

„Ausgebildet wirst du, in dem man im kaltem Wasser schwimmen lernt. Was ich wissen will, muss ich mir erfragen oder aus Büchern aneignen.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr) „Weder im Service noch in der Küche haben wir jemanden der uns ausbildet. Keiner bringt uns was bei, das ist alles learning-bydoing. Unser Berichtsheft unterschreibt der Chef, aber der ist immer nur im Büro und hat eh keine Ahnung.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Ich hab während meiner gesamten Ausbildung bis auf zwei Monate nur in der Küche gearbeitet. Im Service war ich gerade mal zwei Wochen, jetzt hab ich Schiss vor meiner praktischen Prüfung.“ (Konditoreifach, 3. Lehrjahr) „Ich schneide mir immer wieder mal in die Finger. Unser Verbandskasten ist unter aller Sau, fast alles abgelaufen und nur normale Pflaster und Mullbinden drin. Und der Chef hat schon lang versprochen, den mal vernünftig aufzufüllen, hat er aber noch nie gemacht.“ (Koch, 3. Lehrjahr) „Als ich den ersten Tag an der Theke war, ist mir aus Versehen ein Gebäckstück runtergefallen. Da hat mich der Chef vor allen Kunden angeschrien und runtergemacht, wie unfähig ich doch bin. Und der Laden war voll, aber das hat ihm gefallen. Er ist ein Choleriker.“ (Konditoreifach, 2. Lehrjahr)

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„Bei uns gab's betriebseigene Azubi-Unterweisungen und Schulungen, das war gut. Aber es gibt viele Hotels bei denen es nicht so ist.“ (Hotelfach, 21 Jahre) „Ich rege mich immer über die im ersten Lehrjahr auf, weil die oft mit schmutzigen Sachen in die Küche kommen. Das ist eklig, aber den Chef juckt das nicht, wenn ich ihm was sage.“ (Koch, 3. Lehrjahr) „Mein Chef hat mich gezwungen, immer wieder in mein Berichtsheft rein zu schreiben, dass ich Check-in und Check-out an der Rezeption gemacht hab, obwohl ich das noch nie gemacht hab. Als ich mich geweigert hab, hat er gesagt, dass ich doch eh wüsste wie das geht und dass ich sonst Ärger mit der Schule bekomme, weil er dann nicht unterschreibt.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr) „Unseren Kunden und den anderen bei uns hat der Chef verkündet, dass er mich nach der Ausbildung nicht übernimmt, zu mir sagt er, schau ma mal“ (Konditoreifach, 3. Lehrjahr) „Offiziell bildet uns unsere Chefin aus, aber die sitzt immer nur an der Rezeption. Aber die hat eh keine Ahnung von Küche, Etage oder Service.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Ich hab' in meiner ganzen Ausbildung nie an einem Fleischposten gelernt sondern immer nur an der Gardmagiere (Kalte Küche). Ich will aber nicht in dem Betrieb bleiben

sondern danach wechseln, aber wer stellt einen Koch ein, wenn Du nie gelernt hast Fleisch zuzubereiten?“ (Koch, 3. Lehrjahr) „Einmal kam bei uns eine Kontrolle, da hat der Chef uns Lehrlingen gedroht, dass wir, wenn wir gefragt werden, ja nur die offiziellen Arbeitsstunden sagen dürfen, weil es sonst anschließend eine setzt. Keiner hat sich getraut was zu sagen.“ (Restaurantfach, 2. Lehrjahr) „Berufsschule ist schon okay, da lerne ich wenigstens auch Sachen, die mir im Betrieb niemand beibringen könnte weil die da alle keine Ahnung haben. Außerdem können wir dann nach der Schule noch zusammen abhängen.“ (Hotelfach, 1. Lehrjahr) „Unsere Ausbilderin hat keine Ahnung wie das richtige Eindecken funktioniert und kann mir nicht beim Lernen helfen.“ (Restaurantfach, 2. Lehrjahr) „Der einzige, der hier offiziell Ausbilder ist, ist der Senior-Chef, der ist den ganzen Winter in seinem anderen Hotel und wenn er da ist, ist er eh' nur in seinem Büro, wo man ihn nicht erreicht oder sich gar net erst hintraut.“ (Hotelfach 3. Lehrjahr) „Ich Hab Mo-Fr Block (Berufsschule) und muss am Wochenende dann ins Hotel zum arbeiten und am Montag gleich wieder in die Schule. Das ist stressig, aber aus meiner Berufsschulklasse müssen einige auch noch

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abends in den Betrieb. Aber zwei Wochenenden zwischen den Blöcken schaffen ist auch hart.“ (Hotelfach, 1. Lehrjahr) „Uns wird nie normal was beigebracht, sondern wir lernen hauptsächlich dadurch, dass der Chef uns bei Fehlern runtermacht, auch vor den anderen und vor Kunden.“ (Restaurantfach, 1. Lehrjahr) „Mein Chef hat gesagt ich muss ins Berichtsheft reinschreiben, dass ich den Monat Sachen im F&B (Food & Beverage) lerne, dabei haben wir das gar nicht wirklich bei uns, das macht die Frau vom Chef.“ (Hotelfach 3. Lehrjahr) „Wir haben noch nie eine Sicherheitsunterweisung in der Küche gehabt wie ich in der Berufsschule gelernt hab. Ich habe keine Ahnung wo bei uns die Löschdecke für die Friteuse ist, unser Koch weiß es auch nicht. Der Feuerlöscher an der Treppe ist seit 2 Jahren abgelaufen.“ (Koch, 2. Lehrjahr) „Manchmal lernen wir in der Berufsschule Sachen, die wir im Betrieb nie umsetzen könnten. Z.B. hab ich neulich gelernt, dass ich pro Gast 15 Minuten am Tisch hätte. Das ist lächerlich.“ (Hotelfach 1. Lehrjahr)

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Bezahlung

„Trinkgeld ist bei dem geringen Lohn lebensnotwendig, und an Feiertagen recht gut“ (Servicekraft, 19 Jahre) „Grad kommt auf's Zimmer schreiben immer mehr in Mode, da merkt man wie das Trinkgeld zurück geht, seit das bei uns so ist. Und was an der Rezeption gegeben wird, kassiert dann unser Oberkellner und steckt alles für sich ein.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr)

GERADE DAS TRINKGELD KANN EINEN IN DER GASTRONOMIE DURCHAUS NICHT SCHLECHT VERDIENEN LASSEN. ABER MANCHMAL IST DAS GELD DANN GANZ SCHNELL WIEDER WEG. „Trinkgeld? Das erste Mal haben wir auf den

Zimmern noch ab und zu was gefunden, aber beim zweiten Mal hat alles die Hausdame einkassiert. Bei Abreisen hat sie immer alle Zimmer aufgemacht und kam mit dicken Hosentaschen zurück. Gesehen haben wir nichts davon. Hab sie darauf angesprochen, du glaubst nicht was da dann los war.“ (Servicekraft, 22 Jahre) „Als Azubi war mein Verdienst absolut ok, da ich umsonst Überstunden geleistet habe war, Kost (Fraß) und Logis frei, dadurch hatte ich damals inkl. Trinkgeld für 'nen Azubi super verdient.“ (Hotelfach, 24 Jahre) „Mein Chef hat von uns 400,- EUR Kaution für unsere Dirndl für den Service verlangt, die er uns stellt. Außerdem muss ich 76,EUR im Monat für die Wäsche an ihn zahlen.“ (Restaurantfach, 2. Lehrjahr) „Trinkgeld wird nur im A-la-Carte-Geschäft richtig dick gemacht, bei Hotelgästen ist es eher spärlich und kann deshalb nicht für alle

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Abstriche herhalten (Feiertagszuschlag + nicht gezahlte Überstunden).“ (Hotelfach, 20 Jahre) „Nach Abzug von Kost und Logis bleiben mir 200 EUR im Monat“ (Hotelfach 2. Lehrjahr) „Gehalt? Hmm, ich hab 1.200 EUR Brutto, was denke ich, normal in der Branche ist, wenn nicht sogar noch hoch?“ (Housekeeping, 24 Jahre)

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Die Ersatzfamilie DER HOTEL- UND GAST-STÄTTENGEWERBE IST EINES DER WENIGEN, BEI DEM FÜR VIELE AUS-ZUBILDENDE DER AUSBILDUNGSORT GLEICHBEDEUTEND MIT DEM LEBENS- UND WOHNORT IST.

„Das Beste ist die Gemeinschaft der Azubis, da die meisten ja im Hotel wohnen, inkl. verbotener nächtlicher Poolpartys.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Für die Angestellten gibt es schlechtes Essen (5x mal aufgewärmt, verkocht -> wie Dosenfraß, oder alles aus der Fritte).“ (Hotelfach 3. Lehrjahr) „Wir haben seit einem halben Jahr eine im ersten Lehrjahr, die ist ganz dürr geworden weil sie so wenig isst. Sie sagt sie hat keine Zeit; ich glaube aber, dass es wegen dem Stress ist, weil wir kriegen was in der Küche und können auch mal Pause zum Essen machen.“ (Hotelfach, 21 Jahre) „Für uns Angestellte gibt es die Essensreste aus der Küche und vom Buffet, die man sich dann aus der Kühlung holen kann, leckerlecker! Und dafür noch fett was vom Lohn abziehen.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr) „Ich bin praktisch nur im Hotel und komm kaum raus. Mit dem Bus brauchst gar net erst versuchen vom Joch (Oberjoch) runter zu kommen und mal in die Stadt zu gehen. Und hier im Ort is sonst nix.“ (Hotelfach, 1. Lehrjahr) „Der Chef tritt dir den ganzen Tag in Arsch aber kein Problem, immer lächeln!" (Hotelfach, 3. Lehrjahr) Ich muss in einem voll assligen Betriebszimmer schlafen, in dem es im Winter immer

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viel zu kalt ist, auch wenn ich die Heizung aufdrehe. Außerdem verlangt unsere Hausdame 1,50 EUR pro Waschladung wenn ich mein Privatzeug wasche. Aber ich hab ja keine Waschmaschine.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr) „Das Arbeitsklima in unserer Truppe (Abteilung) fand ich immer gut, aber von der Geschäftsleitung war immer Druck (schneller, freundlicher…).“ (Hotelfach, 22 Jahre) „Ich war nach der Arbeit immer alleine und hatte keine Möglichkeit, mich mit Klassenkameraden außerhalb der Berufsschule zu treffen. Außerdem war ich die einzige im ersten Lehrjahr. Ich konnte nicht gut lernen und im Hotel war keiner, den ich fragen konnte (durfte). Wenn eine Arbeitskollegin an der Rezeption nicht mit mir gelernt hätte, dann hätte ich's geschmissen.“ (Hotelfach, 2. Lehrjahr)

„Das Beste an meiner Ausbildung waren die Kollegen, das Schlechteste der Chef.“ (Koch, 22 Jahre) „Das beste unter Kollegen ist der tolle Zusammenhalt, ohne den man untergeht.“ (Hotelfach, 21 Jahre) „Offiziell darf ich einen halbe Stunde Mittagspause machen, aber da hab ich oft keine Lust, weil ich sonst alleine mich in den Sozialraum zum Essen setzen müsste weil sonst auch keiner Pause macht.“ (Hotelfach, 1. Lehrjahr)

„Arbeitsklima unter den Kollegen war ziemlich gut. Natürlich gab es die üblichen Rivalitäten zwischen den Abteilungen (z.B. mit der Küche) aber wir hatten einen gemeinsamen Feind, den Chef. Der manipulierte gerne, war Choleriker und insgesamt ein ziemlich mieser Arsch.“ (Hotelfach, 21 Jahre) „In meiner Freizeit schlafe ich eigentlich nur oder gehe mit meinen Kollegen ins Stüberl zum Trinkgeld raushauen.“ (Hotelfach, 3. Lehrjahr)

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Nach der Ausbildung DIE LEHRE ERFOLGREICH HINTER SICH GEBRACHT, DANN BEGINNT DAS ECHTE LEBEN? IM HOTEL- UND GASTSTÄTTENGEWERBE NICHT IMMER SO EINFACH

„Schlecht: keine richtige Perspektive danach und das Gefühl überall und nirgends daheim zu sein, da man durch Arbeitszeiten und dem Nicht-Teilnehmen-Können an Festen automatisch von der Familie isoliert lebt.“ (Hotelfach, 24 Jahre) „Nach der Ausbildung kam das große Erwachen. Du verdienst zwar mehr, musst aber Essen und Wohnen selbst bezahlen, somit hast du wieder die gleiche Kohle (in meinem Fall). Als Ausgelernte kommst Dir dann blöd vor, wenn es dann Azubis gibt, die mehr verdienen als ich: Azubi-Lohn + BAB (Berufs-Ausbildungsbeihilfe) + Kindergeld war mehr.“ (Hotelfach, 23 Jahre) „Ich arbeite jetzt seit 6 Wochen beim Dorr (Kemptener Abfallentsorgungsbetrieb). Viele

finden es eher abstoßend, bzw. wundern sich, dass ich da arbeite (Aktenvernichten, Müll aus Altpapier sortieren…). Aber das Arbeitsklima ist gut, niemand steht mit der "Peitsche" hinter einem, alles läuft halt so schnell oder langsam wie es halt läuft, Pausen für (essen, rauchen, Kaffee trinken) sind bei der Arbeitszeit inklusive dabei (bezahlt). Kurz und gut: mir gefällt's, weil ich bei der Arbeit das Gefühl habe zu leben und nicht, dass ich auf der Flucht bin (like Gastronomie: immer schneller, besser und dabei immer lächeln). Genau wie in der Gastronomie verdiene ich hier auch "nichts" (8,50 €/h) aber das Preis-Leistungsverhältnis ist für mich okay: normale geregelte Arbeitszeiten, kein Stress, keine Überstunden, menschliche Bedingungen.“ (ehem. Hotelfach, 25 Jahre) „Nach der Ausbildung ist Dein Sozialleben am Arsch. Richtige Freunde hast Du keine mehr, nur noch Arbeitskollegen, mit denen du abends einen trinken gehst. Der Freundeskreis daheim und die Familie, die siehst eh kaum noch.“ (Hotelfach, 25 Jahre) „Ich arbeite in einem Saisonbetrieb und erfahr' immer kurz vor Ende der einen Saison, ob die Chefin mich auch wieder für die nächste nimmt. Ich würde mir gerne was für die Zukunft aufbauen, aber so richtig daheim bin ich inzwischen nirgendwo mehr und länger wie ein halbes Jahr planen fällt mir schwer.“ (Restaurantfach, 25 Jahre)

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Wo sehen wir Handlungsbedarf? Handlungsbedarf

Bei der CAJ ist ein wichtiger Grundsatz, dass nach der Bestandsaufnahme eine Analyse und dann auch konkrete Handlungsschritte zum Verbessern der Situation folgen. Wir nennen die Schritte „Sehen – Urteilen – Handeln“ und wollen damit die Welt ein kleines Stückchen besser machen. Ein erster Handlungsschritt für uns als Jugendverband ist diese Dokumentation, um die Probleme junger Menschen im Berufsfeld Gastronomie öffentlich zu machen. Auch werden wir weiterhin versuchen, ein offenes Ohr zu haben und die Azubis an einen Tisch zu bekommen. Weitere Schritte werden sicher noch folgen, zum Beispiel haben wir uns überlegt, auf die Berufsschulen zuzugehen und für die Azubis einen Lehrlingsstammtisch nach dem Unterricht anzubieten.

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Betriebliche Ausbildung Sehen Es gibt immer wieder Auszubildende, die die verschiedenen Stationen des Rahmenlehrplans nicht in angemessener Zeit durchlaufen und dadurch in manchen Bereichen gar keine betriebliche Praxis lernen können. In einigen Betrieben ist der/die Ausbilder/in für uns Azubis nicht sichtbar bzw. kann uns nichts beibringen, weil er fachlich überfordert ist. Urteilen Wir wissen, wie frustrierend es ist, im Betrieb das Gefühl zu haben, nicht ausreichend ausgebildet zu werden oder nur als billige Arbeitskraft zu dienen. Das lässt einige die Lehre vorzeitig abbrechen oder danach in eine andere Branche wechseln. Praktisches Lernen von Kollegen oder dem/der Ausbilder/in in allen Bereichen ist durch nichts zu ersetzen und lässt einen zuversichtlicher auf die Abschlussprüfung zugehen.

Ausbildung bieten zu wollen. Selbst Kleinbetriebe können im F&B-Bereich (ein Ausbildungsteil, für den es in kleineren Betrieben keine eigene Abteilung gibt) praktisch ausbilden, wenn sie denn nur wollen. Das haben wir selber so erlebt. Handeln Wir fordern eine stärkere Kontrolle der Betriebe bei der Einhaltung des Rahmenlehrplans. Es muss für jeden Bereich davon qualifizierte und greifbare Ansprechpartner für unsere Azubis vor Ort geben. Ab einer gewissen Betriebsgröße müssen unserer Meinung nach sowohl in Küche, Etage, Service und Rezeption Ausbilder auch tatsächlich für diese Bereiche regelmäßig erreichbar sein. Zudem finden wir, dass die fachliche Eignung für Ausbilder im Gastrobereich dringend überprüft werden muss.

Es reicht nicht, wenn irgend jemand im Betrieb eine Eignungsprüfung hat. Für das gesamte Gaststättengewerbe muss es selbstverständlich sein, auch eine qualifizierte

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Schärfere Kontrolle der Arbeitszeiten Sehen Es ist kein Einzelfall, wenn Azubis nach der Berufsschule noch mal zum Arbeiten müssen. Das ist eine Belastung, weil die Berufsschulblöcke sind für die Schüler zum Lernen freizuhalten.

das Gewerbeaufsichtsamt informieren und dieses kurzfristig im Betrieb nachprüft. Bei den Arbeitszeiten, der Schichtplanung und den Urlaubsregelungen fordern wir, dass die Betriebe verpflichtet werden müssen, diese so zu dokumentieren, dass auch tatsächlich überprüft werden kann, ob Arbeitsund Urlaubszeitregelungen eingehalten werden und Schichtpläne rechtzeitig bekanntgegeben werden. Schluss mir Radiergumminotierungen und vagen Zeitangaben, die nicht überprüft werden können.

Die Planung und die Dokumentation der Arbeitszeiten und des Urlaubs wird in einigen Betrieben bewusst so gehalten, dass die Umgehung von Arbeitszeitvorschriften nicht nachweisbar wird. Urteilen Zwischen zwei Berufsschulblöcken muss das Wochenende für den Azubi frei sein. Nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Das gilt auch für die Abende nach den Unterrichtsstunden. Dienstpläne sind nicht nur für die Zeitplanung von Betrieben, sondern auch für die Freizeitplanung der Angestellten da. Handeln Vielleicht hilft es schon, wenn die Berufsschullehrer bei Zweifeln an der Einhaltung

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Ansprechpartner für Auszubildende Sehen Azubis in der Gastronomie sind bei Ausbildungsbeginn oft erst 16 Jahre alt. Bei vielen ist die Ausbildungsstelle weit von zu Hause, und damit von einem vertrauten Ansprechpartner entfernt. Wir stellen fest, dass viele Azubis außerhalb der Arbeitszeit alleine gelassen werden, die sozialen Kontakte schrumpfen, der Stress und die Arbeitszeiten Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Wir erleben immer wieder, dass manche Ausbilder von ihren Azubis Inhalte im Berichtsheft fordern, die von der Realität abweichen. Urteilen Mit 16 von jetzt auf sich alleine gestellt zu sein und sein Leben ohne vertrauten und bestärkenden Ansprechpartner in der Nähe zu organisieren, überfordert von jetzt auf gleich viele Azubis. Wenn man Ärger mit dem Ausbilder hat, dann ist das auch zugleich der einzige Ansprechpartner für alle anderen Belange vor Ort, weswegen man es sich mit dem nicht verderben will.

schwächeren Position: selbst wenn sie das der IHK melden, fällt das oft wieder auf den Lehrling zurück, wenn diese im Betrieb nachfragt. Auch werden dadurch Ausbildungsinhalte dokumentiert, die nicht vermittelt wurden. Handeln Die Azubis brauchen einen aktiven, bestärkenden und jugendgerechten Ansprechpartner, der auch notfalls mal ein offenes Ohr für private Probleme hat. Vielleicht auch in der Ausbildungsberatung der IHK? Berufsschullehrer bitten wir, auch diesen Aspekt im Unterricht mit einfließen zu lassen. Ein Vorschlag für die Betriebe wäre eine Patenschaft von Azubis im 3. Lehrjahr für die im 1. Lehrjahr zu etablieren und zu fördern. Das haben wir als sehr hilfreich erlebt. Wegen den Berichtsheften bitten wir die IHK um eine praxis- und jugendgerechte Lösung dieser Umstände. Leider haben wir da keine tolle Idee, wie das möglich ist.

Die Jugendlichen sind mit einer unkorrekten Führung des Berichtshefts immer in der

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Wir sehen unsere Aufgabe als Jugendverband darin, die Schüler der Abschlussklassen von Hauptund Realschule, Azubis sowie junge Menschen mit und ohne Arbeit zu unterstützen und zu vernetzen. „ Jede junge Arbeiterin, jeder junge Arbeiter ist mehr wert als alles Gold der Erde, weil sie Kinder Gottes sind“ - das ist der Leitspruch der CAJ, deswegen setzen wir uns dafür ein, das auch alle jungen Arbeiterinnen und Arbeiter im Gastgewerbe so wertschätzend behandelt werden.


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