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HANSEATISCHE SUDZAUBEREI

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BIERVERKOSTUNG

BIERVERKOSTUNG

Diverse Intermezzi in den USA und in der Karibik, eine selbst gebaute Brauanlage aus alten Milchtanks und der Titel Weltmeister der Biersommeliers führen dazu, dass Oliver und Julia Wesseloh inzwischen eine der innovativsten Braustätten in Hamburg leiten: die Kehrwieder Kreativbrauerei.

Um eine Probe zu entnehmen, schraubt Oliver Wesseloh den

Oliver Wesseloh gilt als echter Bier-Allrounder. Er ist nicht nur leidenschaftlicher Braumeister und Gründer der Kehrwieder Kreativbrauerei in Hamburg, sondern ebenso ein wahrer Profi der Sensorik: 2013 gewann er die Weltmeisterschaft der Biersommeliers. Seine Passion zum Bier entdeckte der Sudzauberer schon 1990 während eines Schüleraustauschs. Kanadische Schüler wollten in Hamburg nur zwei Dinge: die Reeperbahn sehen und deutsches Bier trinken. Als Wesseloh dann mit seiner Klasse in Toronto war, verstand er, warum. Das Bier wurde im 5-Liter-Pitcher serviert und schmeckte wässrig und fad. So entschied er sich einst, Bierbrauer in Kanada zu werden. „So steht das auch in meiner Abi-Zeitung“, schmunzelt Wesseloh.

Mit klarem Ziel vor Augen startete er drei Jahre später ein neunmonatiges Praktikum in einer Hamburger Gasthausbrauerei, ging danach nach Berlin, um Gärungstechnologie und Brauereiwissenschaften zu studieren. Die Uni verließ er stolz als Diplom-Ingenieur für Brauereiwesen. In den frühen 2000ern reiste er dann mit seiner damaligen Frau Julia, eine Journalistin und Fotografin, auf die Kaimaninseln, um dort knapp zwei Jahre in einer Brauerei anzuheuern. In der Karibik gefiel es den beiden ausgesprochen gut, und die kanadische Brauerei rückte in weite Ferne. Aber der Gedanke, eine eigene Biermanufaktur zu haben, ließ die Wesselohs nicht los. So fiel die Entscheidung irgendwann auf ihre Heimatstadt Hamburg.

Nach einem kurzen Intermezzo in Miami kamen sie zurück nach Deutschland. Noch in den Startlöchern hörte Oliver Wesseloh von einem Brauerkollegen, dass auch ein gewisser Friedrich Matthies plante, eine Brauerei in Hamburg aufzumachen. So trafen sich die beiden Bierprofis das erste Mal in den Herbstmonaten 2012, tauschten ihre Ideen aus und begannen gleich, an möglichen Suden zu tüfteln. Es folgte ein Businessplan und die Gründung der Kehrwieder Kreativbrauerei. „Den Namen haben wir an die alte Hafenausfahrt angelehnt, an der, laut Legende, die Seefahrer ihre Familien mit

Odem Gruß ,Kehrwieder‘ verabschiedet haben“, erklärt Julia Wesseloh, die seit Beginn in das Unternehmen involviert ist.

Ihre erste Brauanlage bauten Wesseloh und Matthies eigenhändig: Sie schweißten alte Milchtanks zusammen und tauschten die Kühlelemente gegen einen Erhitzer aus. Einziges Problem: die Standortsuche. „Im Prinzip wollten wir nur eine Industriehalle mit hohen Decken und belastbarem Boden, wo wir das Teil hätten reinstellen können“, sagt Oliver Wesseloh. So schlugen sich die Nordlichter zunächst einmal als Gypsy-Brauer durch und produzierten ihre ersten Biere wie etwa das „Prototyp“, ein hopfengestopftes Lager, in einer Brauerei in Dänemark.

Nur zwei Jahre nach der Gründung der Kehrwieder Kreativbrauerei entschieden sich Wesseloh und Matthies, getrennte Wege zu gehen. Familie Wesseloh führt seitdem allein die Geschäfte und konnte außerdem eine eigene Location in Hamburg-Harburg beziehen. Der Sieg bei der Weltmeisterschaft der Biersommeliers und zahlreiche Auszeichnungen der Kehrwieder-Biere bei internationalen Wettbewerben bescherte den Wesselohs einen Erfolg nach dem anderen. Wie das Leben so spielt, haben sie zwar mittlerweile ihre Ehe aufgegeben, bilden jedoch nach wie vor ein gutes Team. So wurde die Kreativbrauerei auch schon mehrfach von den Nutzern der Online-Bierbewertungsplattform „ratebeer“ als beste Braustätte Hamburgs gekürt.

Genau das treibt die Wiederkehrer an. Oliver Wesseloh und sein Brauteam arbeiten intuitiv, innovativ und brauen einfach nur das, was ihnen gefällt. So finden Bierliebhaber ein Konglomerat an Kreativsorten. Besonders erfolgreich ist die Single-Hop-Serie, bei der immer dasselbe Grundrezept gebraut, aber jedes Mal ein anderer Hopfen verwendet wird. Damit zeigen die Sudmeister, welche Qualitäten und Aromen die jeweiligen Sorten so draufhaben. Zudem gibt es die spritzige „Elbe Gose“, die mit Sylter Meersalz gebraut wird, sowie einige saisonale Sorten. Darunter etwa „El Duderino“, ein zehnprozentiges Russian Imperial Milk Coffee Stout, für das im Kessel neben Laktose feinste Kaffeebohnen einer regionalen Rösterei stecken, oder fassgereifte Starkbiere aus speziellen Rum-, Whiskeyoder Moscatel-Rosso-Fässern.

Zu den Bestsellern von Kehrwieder gehören inzwischen die alkoholfreien Kreativbiere. Das erste war das „ÜNN IPA“, ein India Pale Ale, das seinen fruchtigen Geschmack von den amerikanischen Hopfensorten Simcoe und Mosaic erhält und mit einer neuartigen Hefe vergoren ist, die nur bis 0,4 Prozent Alkohol produzieren kann. Das Hamburger Brauteam ist noch immer völlig überrascht, dass diese Kreation als erstes alkoholfreies Kreativbier der Nation solche Wellen schlug, damit einen Trend lostrat und ihr absatzstärkster Trunk werden würde. Aufgrund der hohen Nachfrage legte der Chef am Sudkessel inzwischen auch ein Juicy Pale Ale nach, das in Duft und Geschmack durch das Rohstoffspiel an eine Piña colada erinnert oder aber ein Coffee Stout, gebraut mit Kaffeebohnen. „Diese Biere überraschen“, schmunzelt Brauingenieur Wesseloh, „denn sie begeistern mit viel Aroma, und man merkt erst gar nicht, dass sie keinen Alkohol haben.“

Qualitätskontrolle zählt zu den wichtigsten Aufgaben in der Brauerei. So verkostet auch Julia Wesseloh regelmäßig.

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