SYNERGIEN ZWISCHEN BRAUEREIEN, GASTRONOMIE UND TOURISMUS IN OBERFRANKEN SYNERGIES BETWEEN BREWERIES, GASTRONOMY AND TOURISM IN UPPER-FRANCONIA BACHELORARBEIT GEMÄß § 14 ABS. 1 UND 4 BIS 9 DER ALLGEMEINEN PRÜFUNGSORDNUNG (APO) DER HOCHSCHULE FÜR ANGEWANDTE WISSENSCHAFTEN - FACHHOCHSCHULE MÜNCHEN VOM 29.01.2008 SOWIE § 10 DER STUDIEN- UND PRÜFUNGSORDNUNG FÜR DEN BACHELORSTUDIENGANG TOURISMUS-MANAGEMENT AN DER HOCHSCHULE FÜR ANGEWANDTE WISSENSCHAFTEN - FACHHOCHSCHULE MÜNCHEN VOM 24.10.2006 IN DERZEIT GÜLTIGER FASSUNG.
VERFASSER:
CAROLIN KOBELT
MATR.-NUMMER:
03897509
ANSCHRIFT:
IN DER OBERN AU 29
93055 REGENSBURG DOZENT:
PROF. DR. KARLHEINZ ZWERENZ
THEMA ERHALTEN AM:
04.12.2012
ABGABE AM:
04.03.2013
MÜNCHEN, JANUAR 2013
Kurzfassung
I
Kurzfassung Die Region Oberfranken bietet die höchste Brauereidichte der Welt und eine Vielzahl von Bier-Spezialitäten. Vor diesem Hintergrund untersucht diese Bachelorarbeit, inwieweit das Thema „Bier“ in Oberfranken touristisch genutzt wird. Anhand von ausgewählten Beispielen wird erläutert, ob und welche Synergien sich durch die Zusammenarbeit von Brauereien, Gastronomie und Tourismus ergeben. Schlagwörter: Oberfranken, Bier-Tourismus, kulinarischer Tourismus, Destinationsmanagement, Destinationsmarketing
Abstract The region Upper-Franconia offers the highest density of breweries worldwide as well as a variety of beer specialties. Against this background this bachelor thesis examines in how far the topic “beer” is utilized for the tourism industry in UpperFranconia. With reference to a selection of examples it will be illustrated, whether and which synergies result from cooperations between breweries, gastronomy and tourism. Keywords: Upper-Franconia, Beer-Tourism, Culinary Tourism, Destination Management, Destination Marketing
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis Kurzfassung ................................................................................................................................................................................ I Abstract ........................................................................................................................................................................................ I Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................................................................... II Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................................................... III Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................................................ IV Vorwort ....................................................................................................................................................................................... V 1.
Die moderne Destination: Kompetenz- und Netzwerkorientiert ...........................................................1
2.
Food and Beverage im Tourismus ......................................................................................................................5
2.1
Die Verflechtung der Kulinarik mit einer Region ..........................................................................................5
2.2
Relevanz aus Sicht der Gäste und der Destinationen .................................................................................6
2.3
Food and Beverage als Netzwerkträger ...........................................................................................................7
2.4
Die Rolle des Bieres im Tourismus .....................................................................................................................9
2.5
Die Bedeutung des Tourismus für Brauereien und Gastronomie ........................................................ 12
3.
Die Destination Oberfranken ............................................................................................................................ 17
3.1
Oberfranken und der Tourismus ..................................................................................................................... 17
3.2
Oberfranken und das Bier .................................................................................................................................. 19
4.
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken ........................................................................................... 23
4.1
Feste ........................................................................................................................................................................... 23
4.2
Spezialgastronomie .............................................................................................................................................. 25
4.3
Museen ..................................................................................................................................................................... 27
4.4
Führungen ............................................................................................................................................................... 30
4.5
Pauschalangebote ................................................................................................................................................. 31
4.6
Themenwege .......................................................................................................................................................... 34
4.7
Organisationen und Kooperationen ............................................................................................................... 37
4.7.1
Tourismusverband Franken ............................................................................................................................... 37
4.7.2
Bierland Oberfranken .......................................................................................................................................... 39
5.
Fazit und Ausblick ................................................................................................................................................. 43
Literaturverzeichnis.............................................................................................................................................................. 46
Tabellenverzeichnis
III
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Bruttoumsatz im Tourismus der oberfr채nkischen Regionen. ..................................................................18 Tabelle 2: Bruttoumsatz im Tourismus in Bamberg. ......................................................................................................18
Abk체rzungsverzeichnis
Abk체rzungsverzeichnis bspw.
= beispielsweise
z.B.
= zum Beispiel
u.채.
= und 채hnliches
resp.
= respektive
ca.
= circa
IV
Vorwort
V
Vorwort Mein besonderer Dank für Ihre Hilfe geht an:
Bamberg Tourismus & Kongress Service
Julia Endres von der Kultur- und Projektwerkstatt Landweg in Gräfenberg
Tourist Information der Stadt Forchheim
Irene Brehmer-Stockum vom Lindenbräu Gräfenberg
Tourist Information der Stadt Kulmbach
„Bier ist der überzeugendste Beweis dafür, dass Gott den Menschen liebt und ihn glücklich sehen will.“ (Benjamin Franklin)
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Die moderne Destination: Kompetenz- und Netzwerkorientiert
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1. Die moderne Destination: Kompetenz- und
Netzwerkorientiert Der Wettbewerb zwischen touristischen Destinationen ist härter geworden: Durch eine höhere Mobilitätsbereitschaft bei gleichzeitig sinkenden Mobilitätskosten hat sich der mögliche Horizont der Reisenden erweitert. Durch die Informationstransparenz des Internets ist der Kunde in der Lage, Preise und Leistungen global zu vergleichen1. Gleichzeitig greift vermehrt das Phänomen der Imitation um sich: Künstlich geschaffene Destinationen sind nicht länger an räumliche Gegebenheiten und Traditionen gebunden. Als Beispiel nennt Elisabeth Fischer Skihallen in Dubai2. Wie können sich also Destinationen im globalen Wettbewerb behaupten? Im Tourismus finden sich verschiedene Ressourcen, die das Angebot einer Destination mitbestimmen. Pechlaner nennt hier vor allem die Human- und Kulturressourcen, aber auch die den Tourismus unterstützenden Branchen3. Ressourcen sind nach Pechlaners Sicht jedoch nur ein Überbegriff für das Vorhandene, was noch nicht bedeutet, dass diese Faktoren auch entsprechend genutzt werden. Erst wenn eine Ressource für eine Region einzigartig ist und wettbewerbsrelevant in Wert gesetzt wird, kann von einer Kompetenz gesprochen werden4. Fischer bemängelt, dass sich die Destinationen zu lange auf naturräumliche Gegebenheiten verlassen haben und dabei der Ausbau der Kompetenzen vernachlässigt wurde5. Für eine Definition des Begriffs Kernkompetenz zitiert Fischer Hinterhuber und Stahl: Kernkompetenzen sind „integrierte und durch organisationale Lernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Know-how, Technologien, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für den Kunden erkennbar und wichtig sind, gegenüber den Konkurrenten einmalig sind, nur schwer imitierbar sind und potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten eröffnen.“6. Laut Pechlaner ist eine Destination im Grunde nichts anderes als „ein Bündel von 1
Vgl. Fischer, 2009, S. 1 und Bär, 2006, S. 1.
2
Vgl. ebenda, S. 3.
3
Vgl. Pechlaner, 2003, S. 14-28.
4
Vgl. Pechlaner, 2003, S. 13.
5
Vgl. Fischer, 2009, S. 135f.
6
ebenda, S. 2.
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Die moderne Destination: Kompetenz- und Netzwerkorientiert
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einzigartigen Ressourcen und Prozessen“7, allerdings werden bei einer Destination im Gegensatz zu einem Einzelunternehmen die Inputfaktoren von verschiedenen, wirtschaftlich selbstständigen Akteuren beigesteuert. Der bekannteste Versuch einer Systematisierung dieser Inputfaktoren dürfte die touristische Wertekette sein, die sich an Porters Modell orientiert. Betrachtet man den Verlauf einer Reise, so hat der Reisende in jedem Stadium seiner Planung und seines Aufenthalts mit einer Vielzahl von Akteuren zu tun8. Durch das Zusammenbringen des individuellen Know-Hows dieser einzelnen Akteure, die Kombination der Ressourcen und eine effektive Steuerung des Gesamtprozesses, werden die Inputfaktor für das Netzwerk spezifisch, also nicht-immitierbar und nicht-austauschbar9. Die Kunst liegt nun darin all diese Faktoren in einem Wertsystem komplementär zusammen zu bringen. Wie kann eine solche Zusammenarbeit bewerkstelligt werden? Fischer geht in ihrer Arbeit davon aus, dass die Tourismusorganisation als koordinierende Instanz die destinationsübergreifenden Managementaktivitäten übernimmt10. Bär zitiert den „Superadditivit der Inputs“, nach dem der Erfolg des Ganzen von der Summe der Anbieter abhängt, wobei damit das Problem des Stakeholder Managements verbunden ist11. Deshalb mag ein übergeordnetes Management nur logisch erscheinen. Das ist zwar in der Tat oftmals der Fall, stellt aber keine Notwendigkeit dar. Die World Tourism Organization geht in ihrer Publikation „Co-Operations and Partnerships in Tourism“ von sehr unterschiedlichen Partnerschaftsformen aus, beispielsweise Joint Ventures, Konsortien, strategische Allianzen, Netzwerke, Outsourcing, aber auch kooperatives Marketing12. Eine gröbere Einteilung bieten Lachmann und Wieczorek, die zunächst horizontale, vertikale und laterale Kooperationen unterscheiden, also eine Unterscheidung nach Produktionsstufen13. Darüber hinaus sehen sie einen zeit-
7
Pechlaner, 2003, S. 13.
8
Vgl. UNWTO, 2003, S. 8.
9
Vgl. Fischer, 2009, S. 117.
10 Vgl. ebenda, S. 73. 11 Vgl. Bär, 2006, S. 54. 12 Vgl. UNWTO, 2003, S. 2. 13 Vgl. Lachmann et al., 2005, S. 45f.
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Die moderne Destination: Kompetenz- und Netzwerkorientiert
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lichen und funktionalen Aspekt. Ist die Kooperation zeitlich begrenzt, beispielsweise für ein besonderes Event, oder ist die Kooperation auf eine Funktion beschränkt, wie die schon genannte Marketingkooperative14. Einer ähnlichen Einteilung folgen Laux und Soller. Sie nennen zusätzlich aber noch den Grad der Intensität, also besteht ein Vertrag, ein Code of Conduct oder im Extremfall sogar eine gemeinsame Neugründung, die dann wiederum nach Rechtsform eingeteilt werden kann15. Raich definiert eine Kooperation über die qualitativen, also nicht messbaren Merkmale Vertrauen, Selbstverpflichtung, Verlässlichkeit, Verhandlung und Dauerhaftigkeit 16. Kooperationen können aber auch je nach Art der Tourismusform unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Dreyer und Müller zitieren Hall, Johnson und Mitchell, die in ihrer Arbeit über den Wein Tourismus vier Arten von Kooperationen vorgefunden haben: Eine beidseitige Verknüpfung zweier Organisation (“a joint venture between a winery and a tour company to promote winery visitation”), Beziehungen einer Organisation zu verschiedenen Partnern (“a visitor information centre or wine tourism organization develops individual relationships with wineries so as to provide tourists with information on each winery”), ein Set von gemeinsamen Aktivitäten (“a visitor information centre and the wineries in a region come together to produce a regional wine tourism promotional campaign”) und die stärkste Form der Verflechtung: Netzwerke (“a federation or association of wine tourism organization, e.g., the Movimento del Turismo del Vino”)17. Es gibt also eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten zur Zusammenarbeit jenseits der klassischen Tourismusorganisation. Daraus können verschiedene Synergien entstehen: Kräkel nennt hier zunächst den Return on Investment, der durch gemeinsame Produktion, Vermarktung oder Vertrieb komplementärer Güter gesteigert werden kann. Auf den Tourismus übertragen können durch den gemeinsamen Verkauf komplementärer Produkte, beispielsweise Übernachtung und Stadtführung, die Transaktionskosten beim Kunden gesenkt werden, in diesem Fall der Zeitaufwand für Informationssuche und Buchung. So 14 Vgl. ebenda. 15 Vgl. Laux et al., 2012, S. 30f. 16 Vgl. Raich, 2006, S. 111f. 17 Dreyer et al., 2011, S. 106.
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Die moderne Destination: Kompetenz- und Netzwerkorientiert
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kann eine Präferenz für die eigenen Produkte gegenüber dem Konkurrenzprodukt erzeugt werden. Auch hier wird, wie bei Lachmann et al., zwischen horizontalen, vertikalen und zeitlichen Dimensionen unterschieden. Kräkel unterstreicht, dass Synergien keine Zufallsprodukte sind, sondern durch „gezielte Entscheidungen“ gesteuert werden müssen18. Für ihn ergeben sich daraus zwei Hauptaufgaben: Erstens die Aktivitäten aufeinander abstimmen und zweitens Anreize für die beteiligten Akteure zu schaffen, um das Interesse an kooperativem Handeln zu steigern19. Neben diesen betriebswirtschaftlich messbaren Faktoren gibt es auch eine qualitative Dimension: Nach Raich sind die Hauptfunktionen eines Netzwerkes die Vertrauens- und Konsensbildung, die Verhandlungsbereitschaft durch gemeinsame Interessen bzw. gegenseitige Abhängigkeiten, gemeinsame Produkt- und Prozessinnovationen, Lernprozesse durch das Zusammenbringen von Wissen sowie der Ausgleich von Schwächen einzelner durch Stärken anderer20. Dadurch ist das Netzwerk Destination in der Lage, Renten zu erzielen, die höher sind, als die Renten der einzelnen Beteiligten (natürlich unter der Voraussetzung, dass die geschaffenen Kompetenzen auch durch den Kunden als relevant wahrgenommen werden). Kurz gesagt: „Netzwerke sind dadurch charakterisiert, dass durch Aktivitäten eines Akteurs, positive Effekte für alle Beteiligten generiert werden können.“21 Im Tourismus gilt es ein gemeinsames Ziel zu verfolgen: „Kooperationen im Dienstleistungsbereich Tourismus haben primär die Befriedigung von Gästebedürfnissen und daraus resultierende Wettbewerbsvorteile zum Ziel“22. Die große Herausforderung besteht nun darin, aus der Menge der Akteure, Kompetenzen und Synergiechancen jene zu finden, die für ein Netzwerk komplementär sind, die durch die Konkurrenz nicht imitiert werden können und gleichzeitig für den Kunden relevant sind.
18 Kräkel, Matthias (2006). Synergien. In: Wirtschaftslexikon; Das Wissen der Betriebwirtschaftslehre; Band 10; Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. S. 5568f. 19 Vgl. ebenda. 20 Vgl. Raich, 2006, S. 113. 21 ebenda, S. 114. 22 Laux et al., 2012, S. 30.
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Food and Beverage im Tourismus
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2. Food and Beverage im Tourismus 2.1
Die Verflechtung der Kulinarik mit einer Region
Ein Reisethema, das diesem Anspruch in beinahe jeder Region der Welt gerecht werden kann, ist die Kulinarik. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Haute Cuisine oder traditionelle Hausmannskost betrachtet. Die Verflechtungen einer Region mit einer typischen Speise durchziehen den gesamten Entstehungsprozess.
Anbau: Bestimmte Weinsorten wachsen nur in bestimmten Regionen. Selbiges gilt für Tomaten, Oliven, Kartoffeln usw. Auch in Zeiten der Gewächshäuser verbinden wir bestimmte landwirtschaftliche Produkte automatisch mit einer bestimmten Region, denn in diesen Regionen sind die landschaftlichen und klimatischen Bedingungen für diese Produkte ideal.
Weiterverarbeitung: Durch diese natürlich bedingte Verflechtung eines Produkts mit einer Region haben sich darüber hinaus auch landestypische Weiterverarbeitungsmethoden entwickelt. In kalten Regionen, wie beispielsweise Russland, findet man andere Konservierungsmethoden, als in den warmen Mittelmeerländern. Genauso kann Käse aus den Alpen nicht mit Cheddar von den Britischen Inseln verglichen werden, nichtsdestotrotz geht beides auf Kuhmilch zurück. So können aus demselben Ausgangsprodukt durch die unterschiedlichen Arten der Veredelung ortsspezifische Endprodukte gewonnen werden.
Zubereitung: Vor Entstehung der Supermarktketten war man auf die vor Ort verfügbaren Produkte angewiesen. So haben sich unterschiedliche regionale Küchen und Gerichte herausgearbeitet. Einen Coq au Vin verbindet man mit Frankreich, während ein Curry zu Indien gehört.
Verzehr: Auch wo und wie wir Essen zu uns nehmen, ist kulturell sehr spezifisch. So ist es in Bayern Normalität, sich seine Brotzeit in einen Biergarten mitnehmen zu dürfen und ein Weißwurstfrühstück wird nicht nach 12 Uhr serviert. Beim Sushi gehören Stäbchen dazu und in Teilen der muslimischen Welt und Indien wird nur mit der rechten Hand gegessen.
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Food and Beverage im Tourismus
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Die Rolle von Speisen für die kulturelle Identität einer Region und damit verbunden der Nichtimitierbarkeit geht soweit, dass die UNESCO im Jahre 2010 die Mittelmeerküche der Länder Spanien, Italien, Griechenland und Marokko in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen hat23. Diese offensichtliche Verbindung von Kulinarik mit einer Region trifft auf einen aktuellen Trend: Die Nachfrage nach gesunden, nachhaltigen und darum regionalen Produkten. In einer von Nestlé in Auftrag gegebenen Studie von 2011 zeigt sich deutlich, dass dem Begriff „bio“ zunehmend misstraut wird. Nur 13% der Befragten gaben an regelmäßig mit „bio“ gekennzeichnete Lebensmittel zu erwerben, wogegen 37% der Befragten zu regionalen Produkten greifen24. Bei regionalen Lebensmitteln deckt sich also das Nachfrageverhalten des Konsumenten mit dem Anspruch der regionalen Besonderheit. Gleichzeitig bietet die Kulinarik den Vorteil, dass sie ein aktives Erlebnis darstellt: Man kann sie nicht passiv erleben. Egal, ob man sich bei Ernte, Zubereitung oder dem Verspeisen beteiligt, in jedem Falle ist der Gast nicht nur Zuschauer, sondern Teil der Erfahrung. 2.2
Relevanz aus Sicht der Gäste und der Destinationen
Nun stellt sich die Frage, ob die soeben beschriebenen Möglichkeiten tatsächlich eine Nachfrage erzeugen und dementsprechend von den Tourismusorganisationen erkannt und genutzt werden. In seinem Beitrag zum UNWTO Global Report on Food Tourism geht António Jorge Costa, Präsident des Instituto de Turismo in Portugal, davon aus, dass in Europa jährlich 600.000 Reisen primär kulinarisch motiviert sind. Für Reisen, bei denen Essen und Wein unter anderem ein Motiv darstellen, geht er von einem Jahresvolumen von 20 Millionen Reisen aus. Dieses Segment soll in den nächsten Jahren sogar um 7% bis 12% wachsen25. In derselben Publikation werden Quan und Wang zitiert, nach denen ein Tourist ein Drittel seiner Ausgaben für Essen verwendet26. Gastronomie spielt also bereits jetzt auch abseits der Gourmetküche eine bedeutende Rolle für den Tourismus. Die UNWTO hat für ihren Global Report on 23 http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?lg=en&pg=00011&RL=00394 [23.12.2012] 24 Vgl. Nestlé Deutschland, 2011, S. 11. 25 Vgl. Costa, 2012, S. 48. 26 Vgl. Arilla et al., 2012, S. 6.
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Food and Beverage im Tourismus
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Food Tourism ihre Mitglieder befragt, um herauszufinden, ob dieses Nachfragevolumen von den Destinationen erkannt wird und wie diese darauf reagieren. 88,2% der Teilnehmer gaben an, dass Gastronomie ein strategisch wichtiges Element ist, um die Marke und das Image ihrer Destination zu definieren. Dennoch haben nur 67,6% der Befragten eine entsprechende Marke entwickelt. Bei der Frage nach kulinarisch relevanten Tourismusprodukten gaben 79% an, entsprechende Events anzubieten, gefolgt von Themenrouten und Kochkursen mit jeweils 62%. Lebensmittelmessen mit lokalen Produkten (59%) und der Besuch von Märkten und Lebensmittelproduzenten (53%) werden nur noch von knapp der Hälfte der Destinationen angeboten. Nur 12% der Destinationen präsentieren ihre kulinarische Kultur in Museen. 68% der Teilnehmer gaben an, Marketing-Aktivitäten auf Basis des Food Tourism zu betreiben. Die beliebtesten Methoden sind hierbei das Veranstalten von Events (91%), die Produktion von entsprechenden Broschüren und Werbemitteln (82%) und das Einrichten einer Themen-Webseite (78%)27. Bemerkenswert ist, dass die Befragten angaben, dass sich Kooperationen zwischen dem Tourismussektor, Gastronomen und Produzenten hauptsächlich auf die Vermarktung der bestehenden Angebote beschränken und nicht für die Entwicklung neuer Produkte genutzt werden.
2.3
Food and Beverage als Netzwerkträger
Es gibt eine Vielzahl von nationalen und internationalen Kooperationen, die versuchen, die Synergien zwischen Tourismus, Gastronomie und Lebensmittelproduzenten strategisch zu nutzen. Als Beispiel soll hier kurz die Arbeit von Tasting Spain vorgestellt werden: Aus der Zusammenarbeit zwischen Fehr (Federación Espanola de Hostelería), Euro-Toques (Europäische Union der Köche), Facyre (Federación de Asociaciones de Cocineros y Reposteros de España) und dem Verbund spanischer Destinationen zur Förderung des kulinarischen Tourismus ist „Tasting Spain“ entstanden28. Die Kooperation hat sich folgende Ziele gesetzt:
27 Vgl. UNWTO, 2012, S. 12ff. 28 Vgl. Alvarez, 2012, S. 46f.
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Food and Beverage im Tourismus
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Den bestehenden Tourismusprodukten eine gastronomische Dimension hinzuzufügen.
Den kulinarischen Tourismus mit authentischer spanischer Küche und einheimischen Produkten zu fördern.
Das bestehende Angebot auszubauen.
Die Verbindungen zwischen dem Dienstleistungssektor Tourismus und dem produzierenden Lebensmittelgewerbe zu vertiefen.
Die Kommerzialisierung der Produkte durch Marketing voranzutreiben.29
Nach eigenen Angaben sieht „Tasting Spain“ die Vorteile einer Kooperation darin, dass die entstehenden Synergien genutzt werden können, um auf lokaler Basis entstehende Produkte global zu vermarkten und lokale Interessen besser vertreten zu können30. Die Kooperation unterscheidet dafür verschiedene Produktkategorien: Ausgehend von den gastronomischen Produkten, deren Erzeugern und der Gastronomie selbst, unterscheidet Tasting Spain „Culinary Destinations“, also Dörfer, Städte und Regionen mit entsprechendem Angebot, „Culinary itineraries“, Rundreisen, die das Erleben der Destinationen ermöglichen, und „Culinary events“, was wiederum eine Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen umfasst, z.B. „national holiday celebrations, competitions, events, workshops, congresses, debates, demonstrations, fairs, forums, expositions or the combination of several of the above.“31. Tasting Spain ist zwar eine nationale Kooperation, die internationale Vermarktungsziele verfolgt, dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass der Food Tourism für ländliche Gegenden eine besondere Rolle spielt. UNWTO Generalsekretär Taleb Rifai geht in seinem Vorwort für den Global Report on Tourism davon aus, dass ländliche Gegenden durch ihre Nähe zur Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in dieser Tourismusrichtung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Ballungszentren haben32. 29 http://www.tastingspain.es/que_es4.php [20.12.2012] 30 ebenda. 31 http://www.tastingspain.es/que_es5.php [20.12.2012] 32 Vgl. Rifai, 2012, S. 4.
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Food and Beverage im Tourismus
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Mit Food Tourism haben ländliche Gemeinden die Möglichkeit über die Landwirtschaft hinaus Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern, Infrastruktur aufzubauen und somit der zunehmenden Landflucht entgegen zu wirken. Um abschließend die potentielle Bedeutung der Kulinarik für den Tourismus zusammen zu fassen, kann Inaki Gaztelumendi, Consultant für Food Tourism, zitiert werden: “Gastronomy embodies all the traditional values associated with the new trends in tourism: respect for culture and tradition, a healthy lifestyle, authenticity, sustainability, experience…”33.
2.4
Die Rolle des Bieres im Tourismus
Nachdem nun erwiesen ist, dass Food Tourism die Bildung von Netzwerken rund um regionale Besonderheiten ermöglicht und bereits ein beachtliches Nachfragevolumen erzeugt, stellt sich die Frage, ob Bier als kulinarisches Reisethema geeignet ist. Zunächst muss dieser Begriff eingegrenzt werden. Da Bier-Tourismus als solches in der Literatur bisher wenig Beachtung bekommen hat, verwundert es nicht, dass die meisten Autoren auf Literatur zum Wein-Tourismus zurückgreifen müssen, um eine theoretische Basis für ihre Untersuchungen zu finden. In ihrem Aufsatz „Beer Tourism in Canada“ erstellen Hashimoto, Plummer, Summers und Telfer auf Basis der Definition von Wein-Tourismus von Hall und Macionis eine Definition für BierTourismus. Sie unterscheiden hierfür zwei Kategorien von Besuchern: Primär und sekundär motivierte „Bier-Touristen“. Für Erstere spielt Bier in ihrer Reisegestaltung eine entscheidende Rolle34. In dieser Form kann Bier-Tourismus auch dem Special Interest Tourismus zugeordnet werden35. Für Letztere ist Bier nur ein Reiseaspekt von vielen oder sie stolpern gänzlich zufällig über das Thema36. Parallel zur Definition von Bier-Tourismus stellen Hashimoto et al. eine Typologie der damit verbundenen Attraktionen auf: Sie unterscheiden von Menschen geschaffene Attraktionen, die ursprünglich nicht dazu da waren, Touristen anzuziehen (bspw. eine Brauerei) von solchen, die reine Touristenattraktionen sind. Darüber hinaus unterscheiden 33 Gaztelumendi, 2012, S. 10. 34 Vgl. Hashimoto et al., 2005, S. 449. 35 Vgl. George, 2011, S. 2ff. 36 Vgl. Hashimoto et al., 2005, S. 449.
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Food and Beverage im Tourismus
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Hashimoto et al. den Entstehungsprozess, also das Brauen selbst, vom Konsum. Letzterer lässt sich weiter einteilen, je nachdem, ob der Verzehr im Rahmen einer Tour (z.B. Pub-Crawls), eines Themenweges oder eines Festes stattfindet37. Diese Überlegungen decken sich mit der Definition von Markus Harms, Mitglied der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer in Deutschland (VHD e.V.), welcher sich für das Magazin „Bier und Brauhaus“ auf der ITB nach Bier-Tourismus Angeboten umgesehen hat. Auch als Nicht-Touristiker erkennt er, dass „Das Zusammenspiel verschiedener Akteure im Biertourismus [...] grundlegend“ ist38. Einen ähnlichen Gedanken greift Alyson Caffyn auf. Sie hat für den britischen Markt ebenfalls eine Übersicht erstellt, mit welchen Produkten und Leistungen Bier touristisch aufgewertet werden kann. Neben den bereits genannten Themenwegen, sieht sie Bier als Schlüsselprodukt um Gasthäuser und Gastronomie stärker zu profilieren39. Durch die Verbindung von Bier mit anderen, komplementären Lebensmitteln können Restaurants Biermenüs erstellen und so ein kulinarisches Gesamterlebnis erschaffen. Caffyn sieht im BierTourismus die Chance verschiedene Akteure zusammen zu bringen, so können hier Gastronomie, Brauereien, Tourismusorganisationen und Produzenten komplementärer Leistungen und Produkte einen Anknüpfungspunkt für Netzwerke und Kooperationen finden40. Sowohl Hashimoto et al. als auch Caffyn machen sich Gedanken über das Image von Bier. Im Gegensatz zum Getränk Wein, das ein schickes und gesellschaftlich akzeptiertes Genussmittel darstellt, haftet Bier oft ein einfaches und sogar ungesundes Image an41. Caffyn sieht hier zwar einerseits die Chance Bier als traditionelles, bodenständiges Produkt zu bewerben, andererseits spricht sie von modernen Kommunikationsformen, wie Beer Guide Apps auf Smartphones und Homepages42. Sie nennt diese Werbeformen vor allem, da diese mobil und jederzeit verfügbar sind,
37 Vgl. Hashimoto et al., 2005, S. 449. 38 Harms, 2011, S. 12. 39 Vgl. Caffyn, 2010. 40 Vgl. Caffyn, 2010. 41 Vgl. Hashimoto et al., 2005, S. 450. 42 Vgl. Caffyn, 2010.
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Food and Beverage im Tourismus
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also auch während der Reise abrufbar sind. Allerdings geht sie in ihrem Aufsatz nicht auf die Chance ein, durch moderne Werbebotschaften und Kanäle dem angestaubten Image des Bieres entgegen zu wirken. Neben dem abweichenden Image, gibt es zwischen Bier und Wein zwei entscheidende Unterschiede, die auch auf die touristische Vermarktung des Themas Einfluss haben: Biersorten sind mit einer Region nicht so stark verflechtet, wie das bei Wein der Fall ist43. Während bei Wein der Herstellungsort wie Bordeaux, Kalifornien oder Südafrika nicht nur Auskunft über die Produktionsstätte geben, sondern auch etwas über Qualität und Beschaffenheit des Produktes verraten, kann ein Pils sowohl aus Pilsen, Bayern oder Norddeutschland stammen und sich im Geschmack fundamental unterscheiden. Auch die Einteilung der Sorten stellt für das Marketing eine Herausforderung dar: Während beim Wein die Traubensorte Auskunft über die geschmacklichen Eigenschaften des Weines gibt, werden unter den Begriffen Helles, Export oder International Lager Biere zusammengefasst, die geschmacklich weit auseinander liegen. Dies liegt vor allem daran, dass die Einteilung der Biersorten hauptsächlich vom Produktionsprozess abhängt und weniger von den verwendeten Rohstoffen. Für das Tourismusmarketing bedeutet dies, dass sowohl die Verbindung bestimmter Biersorten oder Brauereien mit einer Region als auch die Eigenschaften der angebotenen Biersorten deutlich kommuniziert werden müssen. Zusammengefasst bietet das Thema Bier folgende Möglichkeiten für Destinationen:
Originär vorhandene Attraktionen (Brauereien, Gasthäuser etc.)
Für den Tourismus geschaffene Attraktionen (Museen, Besucherzentren etc.)
Feste und Events
Führungen
Themenrouten
Pauschalangebote und Angebotsbündel
43 Vgl. Caffyn, 2010 und Hashimoto et al., 2005, S. 449.
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Food and Beverage im Tourismus
Differenzierungsmöglichkeit für die Gastronomie
Impulsgeber für Kooperationen und Netzwerke
2.5
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Die Bedeutung des Tourismus für Brauereien und Gastronomie
Wie in Kapitel 1 erläutert, bedarf es zur Entwicklung und Sicherung von Synergien auch Anreizmechanismen, sodass alle Beteiligten „ein Interesse an der Realisierung der Synergien haben“44. Nachdem nun die Vorzüge des Themas Bier für den Tourismus beleuchtet wurden, stellt sich also umgekehrt die Frage, welche Vorteile sich aus dieser Verbindung für die Produzenten, sprich Brauereien, und die Gastronomie ergeben. Zu beweisen, dass der Tourismus für die Gastronomie einer Destination ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, ist an anderer Stelle oft genug geschehen und wäre in diesem Fall auch verfehlt, da in Oberfranken eine Besonderheit beachtet werden muss: Brauereien und Gastronomie können hier oftmals nicht getrennt betrachtet werden. Viele Privatbrauereien betreiben im Haus oder angrenzend Braugaststätten, ohne deren Absatz sie nicht existieren könnten und die oftmals sogar der einzige Vertriebskanal für das selbstproduzierte Bier darstellen. Damit steht also nicht die Bedeutung des Tourismus für die allgemeine regionale Gastronomie im Fokus, sondern die Bedeutung für gastronomische Betriebe, die in enger Verbindung zum Thema Bier stehen, entweder durch eine selbstgewählte Spezialisierung oder die faktische Verbindung zu einer Brauerei. Die 1.325 deutschen Brauereien setzen pro Jahr ca. 8 Milliarden Euro um45. Die Branche beschäftigt direkt 30.000 Brauer und laut Schätzung durch Dr. Hans-Georg Eils, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, „etwa viermal so viel Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette.“46. Damit ist das Deutsche Brauwesen nach wie vor das stärkste in Europa. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass der Konsum von klassischen Biersorten rückläufig ist. Die deutsche Bierbranche sieht sich einem veränderten Konsumverhalten ausgesetzt, das die bisherigen „Spielregeln“ des 44 Kräkel, Matthias (2006). Synergien. In: Wirtschaftslexikon; Das Wissen der Betriebwirtschaftslehre; Band 10; Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. S. 5569. 45 http://www.brauer-bund.de/index.php?id=584 [15.11.2012] 46 http://www.brauer-bund.de/index.php?id=569 [15.11.2012]
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Reinheitsgebotes missachtet. So wurde beim Bierkonsum im ersten Halbjahr 2012 ein Rückgang um 2,4% zum Vorjahr verzeichnet, wobei gleichzeitig der Konsum von Biermischgetränken im selben Zeitraum um 12,4% gestiegen ist47. In den Statistiken werden alkoholfreie Biergetränke nicht verzeichnet. Die Branche geht aber davon aus, dass diese Sorten zu den Gewinnern der letzten Jahre gehören48. Joshua Aizenman und Eileen L. Brooks haben sich in ihrer Studie „Globalization and taste convergence: The case of wine and beer” mit dem Phänomen beschäftigt, dass klassische Biertrinker- und Weintrinker-Kulturen durch die Globalisierung aufgeweicht werden. So nimmt der Bierkonsum in Frankreich zu, während der Weinkonsum in Deutschland auf dem Vormarsch ist49. Für die Brauereien bedeutet dies, dass der Kundenstamm schrumpft und gleichzeitig neue Sorten präferiert werden. Dies verändert natürlich auch die Braulandschaft. Zwar ist die Gesamtzahl an Braustätten in Deutschland zwischen 1995 und 2012 von 1.282 auf 1.325 gestiegen, doch in Bayern sank die Zahl von 726 auf 63750. Dies bedeutet, dass in gerade einmal 15 Jahren 90 Brauereien in Bayern geschlossen wurden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Gaststätten und Wirtshäusern ab. Laut statistischen Bundesamt ist die Zahl der sogenannten „Schankwirtschaften“ von 53.837 in 1995 auf 31.447 in 2007 gesunken51. Für Elisabeth Hiltermann von der Tourismusberatung Kohl und Partner ist es darum für Brauereien unerlässlich, neue Absatzwege zu finden, Neukunden zu gewinnen und die eigene Marke verstärkt in Szene zu setzen52. In ihrer Tätigkeit betreut sie unter anderem die Stiegl Brauerei, eine der größten privaten Brauereien Österreichs, die an ihrem Hauptsitz in Salzburg die Stiegl Brauwelt betreibt. Diese Einrichtung verbindet die Konzepte Event, Museum und Gastronomie in einem Haus. Der Besucher kann den Brauprozess und die Geschichte des Hauses kennenlernen sowie verschiedene Sorten verkosten oder für Zuhause erwerben, von denen manche exklusiv
47 http://www.brauer-bund.de/index.php?id=604 [15.11.2012] 48 ebenda. 49 Vgl. Aizenman et al., 2005, S. 15. 50 Vgl. Deutscher Brauer Bund e.V., 2011. 51 Vgl. Statistisches Bundesamt, 2008. 52 Vgl. Hiltermann, 2012, S. 1.
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nur dort erhältlich sind53. Laut Hiltermann reicht dieses museale Standardprogramm aber nicht aus, um beim Besucher eine bleibende Erinnerung zu hinterlassen54. Vielmehr sei es wichtig, dass der Besucher selbst aktiv wird: Bierverkostungsseminare, Brauschnupperkurse, eigene Bieretiketten gestalten usw. Die Möglichkeiten eine Biermarke mit der Geschichte eines Ortes zu verbinden, sind zahlreich und eröffnen innovative Führungs- und Erlebniskonzepte. Ein Braumuseum bietet darüber hinaus die optimale Möglichkeit, für Umsätze aus sogenannten cross-selling Verkäufen. Vor allem über den Verkauf von Souvenirs, wie Gläsern und Bierkochbüchern, oder von exklusiven Bierabfüllungen, kann das Branding der Marke beim Besucher verankert werden und durch eben selbigen mit nach Hause genommen werden. Durch die zusätzlich generierten Besucher wird auch das Überleben der hausinternen Brauereigaststätten gesichert. Viele Brauereien bieten heute bereits einen Onlineshop an, der neben Merchandise-Artikel auch den Verkauf von Bier in alle Welt ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist es erwähnenswert, dass der Exportanteil des deutschen Bierabsatzes in 2012 bereits bei 16% lag55. Ein angenehmes Erlebnis mit einer Biermarke im Urlaub kann also durchaus neue Kunden aus anderen Regionen oder sogar Ländern gewinnen. Für viele große, international bekannte Brauereien, sind die Erlebniszentren und Museen mittlerweile zu Ertragsbringern geworden. Die Heineken Experience Amsterdam besuchen jährlich 350.000 Menschen56. Das Guinness Store House in Dublin ist mit über 1 Millionen Besucher pro Jahr die erfolgreichste Touristenattraktion des ganzen Landes57. Dieser Marken- und Imageträger ist dem Konzern nun ein 10 Millionen Euro schweres Modernisierungsbudget wert58. Carlsberg hat dieses Potential auch erkannt und hat in 2011 einen Design und Architekturpreis für die Gestaltung des neuen Brand and Experience Centers in Kopenhagen ausgeschrieben, welches
53 http://www.stiegl.at/de/brauwelt/ [25.11.2012] 54 Vgl. Hiltermann, 2012, S. 1. 55 http://www.brauer-bund.de/index.php?id=600 [15.11.2012] 56 Vgl. Heineken International B.V., 2007. 57 http://www.guinness-storehouse.com/en/PressRelease.aspx?prid=43 [27.11.2012] 58 http://www.guinness-storehouse.com/en/PressRelease.aspx?prid=42 [27.11.2012]
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nach Fertigstellung rund 400.000 Besucher jährlich anlocken soll59. Nun kann man argumentieren, dass diese Brauereien durch ihre internationale Bekanntheit und ihren Standort in europäischen Großstädten ein wesentlich größeres Gästepotential haben als deutsche Kleinbrauereien, doch auch im kleinen Stil gibt es Erfolgsmodelle: Die Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund hat innerhalb weniger Jahre das Image als „Billigbier“ aus DDR-Zeiten abgestreift und präsentiert sich heute als Produzent exklusiver Bierspezialitäten mit einem modernen Markenbild. Neben der Neugestaltung von Bild- und Wortmarke, hat die Brauerei das Potential der eigenen Region erkannt. Das Erbe der Hanse und die Figur Klaus Störtebeker haben unter anderem Einfluss auf die Benennung der Biere (z.B. Hanse Porter und Strandräuber) und auf die Gestaltung der Werbemittel (z.B. Gestaltung der Bierkiste als Schatztruhe mit Holzmaserung)60. Darüber hinaus wurden die historischen Backsteingebäude der Brauerei zum Event- und Erlebnisareal Braumanufaktur umgebaut61. Neben Führungen durch die Brauerei als solche, finden hier auch regelmäßig Großveranstaltungen und Sommerevents statt. Im Gebäude befindet sich mit dem Braugasthaus auch ein Gastronomiebetrieb62. Die Besinnung der Brauerei auf die regionalen Besonderheiten kommt auch dem örtlichen Tourismus zu Gute: So produziert die Brauerei beispielsweise Bieruntersetzer in Form der Silhouette Rügens. Sehr erfolgreich war auch eine Kronkorken-Sonderedition, auf der verschiedene Leuchttürme entlang der Ostseeküste abgebildet waren. Darüber hinaus unterstreicht die Brauerei ihr maritimes Image durch Kooperationen mit verschiedenen historischen Segelschiffen, auf denen auch Törns gebucht werden können63. All dies hilft natürlich nichts ohne die entsprechende Qualität des Bieres, aber auch hier hat die Brauerei neue Standards erreicht: Zwei Biere tragen den europäischen Beerstar und das Kellerbier wurde sogar Sieger im World Beer Cup64. Wenn man sich vor Augen hält, dass
59 http://www.carlsberggroup.com/investor/news/Pages/PR06_Brewhouse_26032012.aspx [26.11.2012] 60 http://www.stoertebeker.com/shop/brauspezialitaten [28.11.2012] 61 http://www.stoertebeker.com/brauwelt/braumanufaktur-1/besucherzentrum [28.11.2012] 62 http://www.stoertebeker.com/brauwelt/braumanufaktur-1/braugasthaus [28.11.2012] 63 http://www.stoertebeker.com/abenteuer [28.11.2012] 64 http://www.stoertebeker.com/brauwelt/braumanufaktur-1 [28.11.2012]
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Food and Beverage im Tourismus
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diese Neuausrichtung erst um 2010 herum in Angriff genommen wurde 65, können die Größe und der Standort einer Brauerei nicht als Hindernis betrachtet werden, um über das reine Bierbrauen hinaus Umsatzquellen zu erschließen.
65 http://www.stoertebeker.com/brauwelt/braumanufaktur-1/geschichte [28.11.2012]
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Die Destination Oberfranken
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3. Die Destination Oberfranken Bevor untersucht werden kann, wie Tourismus, Gastronomie und Brauereien in Oberfranken zusammen wirken, soll kurz Status Quo und die Bedeutung des Tourismus in der Region beleuchtet werden.
3.1
Oberfranken und der Tourismus
Das Bundesland Bayern ist nach wie vor die stärkste Tourismusregion Deutschlands66. Innerhalb des Bundeslandes ist Franken nach Oberbayern bei Besucherzahlen und Übernachtungsgäste der erfolgreichste Regierungsbezirk67. Die Einteilung der einzelnen touristischen Regionen in Franken ist ungleich der politischen Einteilung. Der Tourismusverband Franken unterscheidet „15 Reiselandschaften unterschiedlichen Charakters“ und verfolgt damit das „Prinzip der Landschaftsbezogenen Werbung“68, um sich damit an der Wahrnehmung durch den Besucher statt an bürokratischen Zuständigkeitsbereichen zu orientieren. Der Regierungsbezirk Oberfranken erstreckt sich folglich über die touristischen Gebiete Frankenwald, Oberes Maintal-Coburger Land, Fichtelgebirge, Fränkische Schweiz und Teile des Steigerwald Gebietes rund um Bamberg. Mit der Bamberger Altstadt und dem Bayreuther Opernhaus befinden sich auch zwei UNESCO Weltkulturerbe in diesem Gebiet 69. In Summe wurden in Franken 2011 rund 8,5 Milliarden Euro Bruttoumsatz durch den Wirtschaftsfaktor Tourismus erzielt. Davon entfallen 3,14 Milliarden Euro Bruttoumsatz auf Übernachtungsgäste und 5,34 Milliarden Euro auf Tagesbesucher (ohne Verwandten-/Bekanntenbesucher)70. Mit 17,7% ist der Anteil der ausländischen Gäste trotz globaler Finanzkrise nach wie vor hoch. Die Hauptquellenländer sind die Niederlande, USA, Österreich, Italien und Schweiz. Auch für die Zukunftsmärkte China und Russland können Zuwachsraten verzeichnet werden71. Der Anteil Oberfran66 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, 2010, S. 7. 67 Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012, S. 16. 68 Tourismusverband Franken e.V., 2012, S. 70. 69 http://www.unesco.de/welterbeliste.html [02.11.2012] 70 Vgl. dwif Consulting GmbH, 2012, Folie 2f. 71 Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012, S. 12.
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Die Destination Oberfranken
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kens am Frankentourismus ist aufgrund der genannten Einteilung schwer einzugrenzen. Folgende Gebiete und Bruttoumsätze sind klar Oberfranken zuzuordnen: Tabelle 1: Bruttoumsatz im Tourismus der oberfränkischen Regionen. Quelle: dwif Consulting GmbH, 2012, Folie 9
Frankenwald Oberes Maintal-Coburger Land Fichtelgebirge Fränkische Schweiz
194,9 Millionen Euro 354,3 Millionen Euro 465,1 Millionen Euro 250,1 Millionen Euro
Die Zahlen für die Region Steigerwald können nicht unverändert übernommen werden, da große Teile des Steigerwalds in Unter- und Mittelfranken liegen. Da in diesem Gebiet allerdings auch die oberfränkische Stadt Bamberg liegt, welche touristisch sehr erfolgreich ist, müssen zumindest die Statistiken für Bamberg berücksichtigt werden. Tabelle 2: Bruttoumsatz im Tourismus in Bamberg. Quelle: dwif Consulting GmbH, 2011, Seite 5
Bamberg
225,4 Millionen Euro
Da die Zahlen für Bamberg leider nur für das Jahr 2010 vorliegen, handelt es sich bei dem errechneten Bruttoumsatz von 1,49 Milliarden Euro für Oberfranken nur um einen Richtwert. Somit entfallen ungefähr 17% des touristischen Bruttoumsatzes in Franken auf die Region Oberfranken. Die Urlaubsthemen und Motive der Gäste in Franken sind sehr vielfältig. In einer Langzeitstudie hat die Agentur Reppel und Partner zusammen mit TNS Emnid das Image Frankens erforscht. Die Vergleichsdaten aus den Jahren 2000, 2003, 2006 und 2009 zeigen, dass die Assoziationen Nürnberg, Urlaub und fränkisches Bier relevanter werden. Dazu passen die genannten Urlaubsmotive: Nach dem Naturerlebnis, befinden sich auf Platz 2 mit 70,2% Städtebesichtigungen und Sehenswürdigkeiten, dicht gefolgt von landestypischen Spezialitäten mit 69,8%72. Der Trend geht einerseits zu Städtetourismus, andererseits zu Natur und Kulinarik.
72 Vgl. Tourismusverband Franken e.V. et al., 2009, Folie 15.
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3.2
Die Destination Oberfranken
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Oberfranken und das Bier
In der Wahrnehmung der Gäste spielt das Themengebiet Kulinarik für Franken eine zentrale Rolle. Zwar hat sich die Assoziation „Frankenwein“ im Vergleich zu 2000 um 12,9% verschlechtert, dennoch wird der Begriff 2009 nach wie vor von 24,1% der Befragten genannt73. Allgemeiner gesprochen denken 5,9% der Befragten bei Franken an „Gutes Essen“74. Gleichzeitig hat das fränkische Bier kontinuierlich zugelegt und liegt jetzt bei 3,1%75. Bevor die touristische Umsetzung des Themas betrachtet werden kann, soll das „Warum“ beantwortet werden: Warum spielt das Bier in Franken eine so große Rolle? Um die Verwurzelung eines Produktes in einer Region erklären zu können, bedarf es eines historischen Exkurses. Die frühesten Hinweise auf Bierherstellung in der Region hängen eng mit den Klöstern zusammen. Beispielsweise wurde seit 1122 im Benediktinerkloster auf dem Michaelsberg in Bamberg gebraut76. Anfang des 14. Jahrhunderts kamen die Dominikaner nach Bamberg. Im ehemaligen Klostergebäude mit der heutigen Anschrift Dominikanerstraße 6 findet man bis heute die für ihr Rauchbier berühmte Schlenkerla Brauerei77. Bereits 1333 wurde die Klosterbrauerei im Mühlenviertel erstmals erwähnt. Auch diese Brauerei mit Gaststätte befindet sich nach wie vor an dieser Adresse78. Eine erste Erwähnung des Brauerhandwerks in Bayreuth findet sich aus dem Jahre 145479. In Kulmbach geht die Kulmbacher Mönchshof Brauerei bis in das Jahr 1349 zurück80. Es können aber auch andere Regionen Bayerns ähnlich alte Brauereien aufweisen, daher muss es noch andere Faktoren geben, die die Verwurzelung des Bieres in der Region vorangetrieben haben. Eine große Rolle für die Qualität des fränkischen Bieres spielt die Organisation des Brau73 Vgl. Tourismusverband Franken e.V. et al., 2009, Folie 5. 74 Vgl. ebenda. 75 Vgl. ebenda, Folie 6. 76 Vgl. Fiedler, 2009, S. 4. 77 http://www.schlenkerla.de/schlenkerla/chronik/chronik.html [30.11.2012] 78 http://www.klosterbraeu.de/index.php?sitevar=geschichte [30.11.2012] 79 http://www.becherbraeu.de/tradition.php [30.11.2012] 80 http://www.kulmbacher-moenchshof.de/Geschichte.htm [30.11.2012]
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Die Destination Oberfranken
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ens in sogenannten Kommunbräuhäusern. Durch das Kommunbraurecht war es den Bürgern möglich, in einem gemeinsamen Brauhaus das Bier von Fachpersonal herstellen zu lassen, anstatt selbst Zuhause zu Brauen. Neben dem dadurch erreichten Qualitätsvorsprung gegenüber dem Selbstbrauen, sparten die Bürger auch die Anschaffungskosten für die teure Brauerausrüstung. Darüber hinaus stellten die Brauhäuser bald eine Einnahmequelle für die Gemeinde dar, da der Betrieb durch die Bürger mit einem „Kesselgeld“ finanziert werden musste81. Zum anderen wäre da der Faktor der Rohstoffe in Franken: Zwar denkt man heute beim Stichwort Hopfenanbau eher an die Hallertau, doch auch in Franken kann der Hopfen auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits im Jahre 1341 wird erstmals Hopfenanbau in Spalt (Mittelfranken) erwähnt. Im Jahre 1583 haben die Spalter ihren Hopfen mit einem Gütesiegel versehen und waren damit weltweit die Ersten, die ein Qualitätsversprechen für ihren Hopfen auswiesen82. Interessanterweise war das Scheitern des Versuchs in Oberfranken Wein anzubauen mit dafür verantwortlich, dass die Fürstbischöfe Bambergs zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneut den Hopfenanbau in Angriff nahmen83. 1846 wurde in Nürnberg ein Hopfenmarkt eingeführt, doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war dieses Kapitel oberfränkische Geschichte beendet, da der Hopfenhandel größtenteils von jüdischen Familien betrieben wurde84. Gleichzeitig wurde der Hopfenanbau in der Hallertau vorangetrieben, wo sich bis heute Deutschlands größtes Hopfenanbaugebiet befindet. Lediglich in Spalt konnte sich der Hopfenanbau in Franken bis heute behaupten. Ein weiterer, eigentlich durch den Weinanbau verursachter Faktor, war das Büttner Handwerk. Büttner waren für die Herstellung von Fässern verantwortlich, die wiederum für die Lagerung und den Handel von Wein und Bier unabdingbar waren. 1798 verabschiedete der Bamberger Fürstbischof von Buseck, dass Büttner lediglich eine zusätzliche Prüfung anstatt einer vollständigen Lehre ablegen mussten, um den Meisterbrief als Brauer zu erhalten. Neben dem Effekt, dass sich Brauer und Büttner 81 Vgl. Simon, 2009, S.27f und Tourismusverband Franken e.V., 2012a, S. 24. 82 http://www.spalter-hopfen.de/index.php?option=com_content&task=view&id=2&Itemid=3 [01.12.2012] 83 Vgl. Weyermann Malz, 2005, S. 15. 84 Vgl. ebenda.
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Die Destination Oberfranken
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in einer Zunft organisierten, erklärt sich damit auch die Namensgebung mancher Brauereien, beispielsweise Fässla in Bamberg85. Auch der wichtige Bierrohstoff Malz hat in Oberfranken eine ganz besondere Geschichte: Die Familie Weyermann führt hier bereits in der vierten Generation die Malzfabrik Mich. Weyermann® GmbH & Co. KG. Ursprünglich hatte die Familie als Binnenschiffer auf der Regnitz ihr Auskommen gefunden, doch mit Einsetzen der Industrialisierung verlor dieser Wirtschaftszweig seine Bedeutung. Plötzlich wurde das bisherige Nebengeschäft, der Getreidehandel, zur Haupteinnahmequelle86. Johann Baptist Weyermann übernahm 1879 eben diesen Getreidehandel von seinem Vater Michael und begann zusätzlich unter dem Namen „Mich. Weyermann’s Malzkaffee-Fabrik“ mit dem Verkauf von Röstmalz87. Was damals als Experiment unter einer Segeltuchplane begann, ist heute ein Unternehmen mit 1.600 Kunden in 80 Ländern der Welt. Jedes Jahr werden 65.000 Tonnen Malz in 80 verschiedenen Sorten produziert88. Diese Experimentierfreude erklärt vielleicht auch das Entstehen einer auffälligen Biervielfalt in Oberfranken. Neben den regional ungebundenen Sorten wie Helles, Weißbier und Pils, findet man in Oberfranken auch Sorten, die so nur hier hergestellt werden. Besonders das Bamberger Rauchbier zieht mit seinem unverwechselbaren Geschmack viele Bierliebhaber an. Auch das Ungespundete und das Zwickel-Bier sind in dieser Region verwurzelt. Darüber hinaus bieten die Brauereien je nach Saison besondere Editionen an, z.B. Weihnachtsbiere, Bockbiere und Festbiere, beispielsweise das offizielle Sandkerwa-Bier des Ambräusianum (mehr dazu in Kapitel 4.2). Heute spiegelt sich die Kulturgeschichte des Bieres in Oberfranken vor allem in der höchsten Brauereidichte der Welt wieder. Oberfranken hat sogar doppelt so viele Brauereien, wie jeder andere bayerische Bezirk89. Das ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass viele Gäste bei Bier und Bayern doch eher an oberbayerische Biergärten, das Oktoberfest und Dirndl tragende Bedienungen denken. Wie unterschiedlich diese beiden Bierkulturen sind, zeigt sich auch im Sprachgebrauch: Während man in 85 Vgl. Fiedler, 2009, S. 5. 86 Vgl. Weyermann Malz, 2005, S. 10f. 87 Vgl. ebenda, S. 16f. 88 Vgl. ebenda, S. 7. 89 http://bierland-oberfranken.de/deutsch/brauereien/brauereiportraits_46.html [29.12.2012]
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Die Destination Oberfranken
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Altbayern in den Biergarten geht, geht man in Franken auf den Bierkeller. In Altbayern bekommt man sein Bier im Krug, in Franken hingegen bestellt man ein Seidla 90. Dass sich das fränkische Bier nicht hinter den Produkten aus Altbayern verstecken muss, zeigen die Ergebnisse des Beer Star Awards 2012, der im Rahmen der BrauBeviale in Nürnberg verliehen wurde. Sieben Biere aus Franken haben hier die begehrte Auszeichnung in Gold und Bronze erhalten, davon sechs aus Oberfranken: Die Brauerei Greif und Thuisbrunner Elch-Bräu aus Forchheim, Lindenbrau Gräfenberg (Landkreis Forchheim), die Brauerei Leonhard Schübel aus Stadtsteinach (Landkreis Kulmbach), der Brauerei-Gasthof Kundmüller KG aus Viereth-Trunstadt (Landkreis Bamberg) sowie das Brauhaus Altenkunstadt (Landkreis Lichtenfels)91.
90 Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012a, S. 23. 91 http://www.franken-bierland.de/beer-star-award-2012 [03.12.2012]
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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4. Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken Anhand der eingangs definierten Angebotsformen soll nun untersucht werden, inwieweit die Synergien und Netzwerkmöglichkeiten rund um das Thema Bier in Oberfranken genutzt werden.
4.1
Feste
Es erscheint logisch die Betrachtungen mit der Gelegenheit zu beginnen, bei der wohl das meiste Bier konsumiert wird: Die Feste. Hier lassen sich Volksfeste, wie sie in beinahe jeder Gemeinde in Bayern gefeiert werden, und historisch bedingte Anlässe unterscheiden. Oberfranken besitzt mit der Kulmbacher Bierwoche das größte Bierfest der Welt. Ein Bierfest unterscheidet sich von einem Volksfest insoweit, dass bei letztem auch Fahrgeschäfte u.ä. angeboten werden. Die Bierwoche in Kulmbach jedoch, wird in einem einzigen großen Festzelt, dem sogenannten Stadl, gefeiert, an dessen vier Ecken unterschiedliche Biersorten ausgeschenkt werden: Kulmbacher, Mönchshof, Kapuziner Weißbier und Eku92. Mit diesem Fest lockt die Stadt ab dem letzten Samstag im Juli neun Tage lang bis zu 120.000 Besucher an 93. Dieses Fest ist aus touristischer Sicht besonders, da es erstmals 1939 vom heimischen Verkehrsverband veranstaltet wurde, mit dem klaren Ziel die Stadt und ihre Produkte zu bewerben: „Wir wollen werben für Kulmbach, die schöne Stadt mit ihrer herrlichen Burg, wir wollen aber auch werben für unsere erstklassigen Erzeugnisse, hier in erster Linie für unser Kulmbacher Bier und unsere Wurstwaren.“94. Hier wurde also früh erkannt, dass ein Fest, bei dem Tourismusorganisation, Brauereien und gastronomische Anbieter zusammen auftreten, eine stärkere Außenwirkung hat als ein unkoordiniertes Vorgehen der einzelnen Akteure. Die Brauereien waren lange Zeit nur Vertragspartner. Heute wird das Fest von der Kulmbacher Brauerei AG, zu der wiederum die vier genannten Biermarken gehören, veranstaltet. Auch wenn sich das Veranstalterverhältnis von Tourismusorganisation zu Brauerei gedreht hat, so profitiert der örtliche Tourismus dennoch maßgeblich von der Kulmbacher Bierwoche. Leider liegen 92 http://www.kulmbacher.de/de/bierwoche/bierwoche-2012/festwirte/ [04.12.2012] 93 http://www.kulmbacher.de/de/bierwoche/bierwoche-2012/wissenswertes/ [04.12.2012] 94 http://www.kulmbacher.de/de/bierwoche/historie/chronologie/ [04.12.2012]
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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für den Zusammenhang zwischen der Kulmbacher Bierwoche und den Übernachtungszahlen vor Ort keine Statistiken vor, aber laut Auskunft der Tourist Information sind die Beherbergungsbetriebe der Stadt Kulmbach an den Wochenenden während des Festes ausgebucht. Darüber hinaus verzeichnet die Stadt in dieser Zeit eine erhöhte Anzahl von Tagestouristen, wovon wiederum die gastronomischen Betriebe und der Einzelhandel maßgeblich profitieren95. Viele Volksfeste in Bayern haben einen historischen Hintergrund. Als Beispiele für Oberfranken kann hier der Schlappentag in Hof genannt werden. Der Hofer Schlappentag hat seinen ungewöhnlichen Namen daher, dass die Schützen der zum Schutze der Stadt gegründeten Gilde am letzten Schießtag des Jahres in ihrer Arbeitskleidung, also mit Schlappen bekleidet, zum Übungsplatz eilten. Da dies der letzte Termin des Jahres war, um die Übungspflicht zu erfüllen, bildete sich von der Stadt Hof aus zum Übungsplatz eine lange Schlange. Der Landesherr Markgraf von Brandenburg dankte den Schützen ihren Dienst mit dem Privileg des Bierbrauens 96. Noch heute wird jedes Jahr am ersten Tag nach Trinitatis (also eine Woche nach Pfingstmontag) vom Hofer Rathaus aus ein Auszug der Schützen zum Festplatz veranstaltet, an dem vor allem Vereine und die Handwerksinnungen teilnehmen. Dort wird dann das von der Scherdel Brauerei gebraute Schlappenbier ausgeschenkt. Da die Schützengilde 1432 gegründet wurde, nimmt man an, dass dieses Fest seit nunmehr 580 Jahren gefeiert wird97. Dieses Fest wird also auf Grund einer stadtgeschichtlichen Tradition von der Stadtverwaltung mithilfe der Vereine, des örtlichen Handwerks und nicht zuletzt einer örtlichen Brauerei veranstaltet. Im Jubiläumsjahr 2012 lockte diese besondere Mischung 1.000 Teilnehmer und 5.000 Schaulustige an98.
95 Eigene Erhebung per E-Mail. 96 http://www.scherdelbier.de/de/sbh/schlappenbier.php [10.11.2012] 97 ebenda. 98 http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/frankenschau-aktuell/schlappentag-in-hof102.html [10.11.2012]
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
4.2
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Spezialgastronomie
Unter Spezialgastronomie sollen hier gastronomische Betriebe verstanden werden, die entweder faktisch Teil der Brauerei sind, also Brauereigaststätte, oder Gaststätten, die durch die Gestaltung ihrer Speise- und Getränkekarte das Thema Bier zur Angebotsdifferenzierung nutzen. Als Beispiel soll das Ambräusianum dienen, welches beide Aspekte zusammen bringt. Direkt neben der ältesten und wahrscheinlich berühmtesten Brauerei Bambergs, der Brauerei Schlenkerla, Heimat des Aecht Schlenkerla Rauchbieres, wurde 2004 von Ambros Michael Mahr das Ambräusianum als „Erlebnisbrauereigaststätte“ eröffnet99. In der kleinsten Brauerei der Stadt wird hier im Gastraum gebraut, so dass der Gast den Brauprozess miterleben kann100. Wer die Biere des Hauses kennen lernen will, hat die Möglichkeit, eine „Bierprobe“ zu bestellen, die aus jeweils 0,1l der drei hauseigenen Sorten besteht101. Diese kleinen Probiermengen laden den Gast dazu ein, die gesamte Produktpalette kennen zu lernen und optimieren so das Cross-Selling Potential: Bei Gefallen kann das Helle sowohl vor Ort als auch in den Souvenirläden der Stadt im Falt-Sechserpack gekauft werden. Die Biere der Brauerei sind sonst nirgendwo erhältlich102. Wie viele andere Brauereien nutzt das Ambräusianum hierfür den „Bier aus Oberfranken“ Faltträger, mit dem die Brauereien unter einem gemeinsamen Motto werben. Dieser Faltträger wurde von Schmidt Kartonagen Lichtenberg im Auftrag des Bierland Oberfranken e.V. in einer Stückzahl von 200.000 hergestellt und an die Brauereien zu einem Festpreis verkauft, unabhängig von der Abnahmemenge, um kleine Brauereien nicht zu benachteiligen103. Das Ambräusianum hat sein Gespür für das Potential des Tourismus als Gästebringer und die damit verbundene Werbewirkung über die Grenzen der Stadt hinaus mit einem Coup bewiesen: Die Sandkerwa in Bamberg ist eines der größten Volksfeste Bayerns, jedoch hatte das Fest bis 2005 kein eigenes Festbier. Dieses Potential hat das Ambräusianum erkannt und braut seither das offizielle
99
http://www.ambraeusianum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=7&Itemid=4 [06.12.2012]
100
Vgl. Bamberg Tourismus & Kongress Service, S. 7.
101
http://www.ambraeusianum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=9&Itemid=9 [06.12.2012]
102
ebenda.
103
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 12.
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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Sandkerwa Bier, welches nur zur Sandkerwa Zeit im August erhältlich ist104. Eine weitere saisonale Besonderheit ist der hauseigene Bierpunsch im Winter. Auch durch die Speisekarte zieht sich das Thema Bier wie ein roter Faden, womit das in Kapitel 2.4 angesprochende Profilierungspotential für gastronomische Betriebe ausgeschöpft wird: Neben der Brauer-Vesper, findet man hier den „Flammkuchen Ambräusianum“, der mit Malzkörnern gewürzt ist, so wie viele Bratengerichte mit Bierkruste oder Biersoße105. Zur Atmosphäre des Lokals trägt neben dem Kupfer der Brauutensilien auch die Verwendung der Braurohstoffe als Dekoration bei, so befinden sich die Blumen auf den Tischen in mit Malz aufgefüllten Flaschen. Neben der Gestaltung des eigenen Angebots in der Brauerei und der Erschließung neuer Vetriebskanäle durch den Verkauf auf Festen und in Souvenirläden, ist es für eine Brauereigaststätte von großer Wichtigkeit zusätzliche Besucherquellen zu generieren. Ein Gastronom kann sich nicht auf die „Bier-Aficionados“ verlassen. In Kombination mit regionaltypischen Speisen und in der Zusammenarbeit mit anderen touristischen Anbietern liegen Chancen, um die Gästezahlen saisonübergreifend zu steigern. Als Beispiel kann hier die Bamberger Traditionsgaststätte der Brauerei Schlenkerla in Bamberg dienen. In dieser Brauerei wird die Spezialität „Aecht Schlenkerla Rauchbier“ gebraut, die dank des kräftigen Raucharomas, welches an Schinken erinnert, über die Grenzen Bambergs hinaus bekannt geworden ist. Zwar erfreut sich die Gaststätte dadurch eines gewissen Ruhms, der vor allem in der Sommersaison die Gasträume füllt, doch darauf ruht man sich nicht aus. Vor allem für Gruppen bietet die Gaststätte interessante Arrangements. Insgesamt stehen neben der Gaststube für Einzelgäste vier weitere Räume zur Verfügung, die Sitzplatzkapazitäten für 17 bis 85 Personen bieten106. Um Gruppen auch kulinarisch angemessen zu versorgen, bietet die Gaststätte das „Schlenkerla Geschmackserlebnis“ an, das neben regionaltypischen Speisen, auch die verschiedenen Biersorten der Brauerei vorstellt. Auf Wunsch können verschiedene Saison bezogene Desserts hinzugefügt werden, bspw. eine Lebkuchenmousse zur Adventszeit, sowie saisonale 104
http://www.bamberg-guide.de/bamberg/magazin/artikel.php?id=1610 [06.12.2012]
105
http://www.ambraeusianum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=9&Itemid=9 [06.12.2012]
106
http://www.schlenkerla.de/schlenkerla/zimmer/zimmer.html [26.12.2012]
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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Biersorten, wie etwa Fastenbiere und Bock. Auch hier wird das Potential für CrossSelling Umsätze genutzt: Als Zusatzkomponenten bietet die Gaststätte Souvenirpakete an107. Dieses Angebot wird zusätzlich über die Bamberg Kongress & Tourismus Organisation unter dem Namen Schlenkerla Erlebnismenü angeboten108. So nutzt die Brauerei die Reichweite des eigenen Internetauftritts und des Internetauftritts der Stadt, um auch außerhalb der Hochsaison zusätzliche Gäste zu gewinnen.
4.3
Museen
Museen sind ein geeignetes Mittel, um die Geschichte eines Handwerks in einer Region darzustellen. Rund um das Thema Bier im Allgemeinen findet man dazu in Oberfranken das Brauereimuseum Bamberg und das Bayerische Brauereimuseum Kulmbach. Das Brauereimuseum Kulmbach wurde 1994 von der Brauerei Kulmbacher Mönchshof gegründet. 2002 wurde die Ausstellungsfläche auf 3.000qm² erweitert. 2004, also zehn Jahre nach der Gründung, wurde der 300.000te Besucher begrüßt109. Die Ausstellung zeigt die Geschichte des Bierbrauens von ihren Ursprüngen bis zur heutigen Industriebrauerei. Außerdem beschäftigt sich die Ausstellung mit der „Bierkultur im Wandel der Zeit“ und der Architektur von Brauereien. Anschließend kann der Gast in der „Gläsernen Museumsbrauerei“ die Produkte der Brauerei Mönchshof verkosten110. Zu den Räumlichkeiten gehört auch das museumspädagogische Zentrum, das sich dem Thema Ernährung widmet. Neben der Gewürzbibliothek bietet eine Schauküche mit bis zu 90 Sitzplätzen Groß und Klein die Möglichkeit, verschiedene Kochkurse, zum Beispiel passend zur Fasten- oder Spargelzeit, aber auch Kochen mit Bier auszuprobieren. Diese Vielfalt an Bausteinen ermöglicht es der Brauerei ihren Gästen zusammen mit dem Tourismus & Veranstaltungsservice der Stadt Kulmbach sogar Mehrtagesprogramme anbieten zu können, so dass der Gast nicht nur zu einem Tagesausflug animiert wird. Einen völlig anderen Hintergrund hat das Brauereimuseum Bamberg. Hinter diesem Museum steht der Verein Fränkisches Brauereimuseum e. V.. Das Museum befindet 107
http://www.schlenkerla.de/kontakt/geschmackserlebnis.html [26.12.2012]
108
http://www.bamberg.info/pauschalen/schlenkerla_erlebnis-menue-1537/ [26.12.2012]
109
http://www.kulmbacher-moenchshof.de/Geschichte.htm [10.12.2012]
110
Vgl. Bayerisches Brauerei- und Bäckereimuseum Kulmbach e.V.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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sich in den historischen Räumlichkeiten des Benediktinerklosters Michaelsberg, in dem nachweislich bereits 1122 Bier gebraut wurde (siehe dazu auch Kapitel 3.2). Als gemeinnütziger Verein, der maßgeblich von Spenden und den Jahresbeiträgen seiner rund 400 Mitgliedern abhängig ist111, sind Kooperationen zwingend notwendig, um eine angemessene Werbewirkung nach außen zu ermöglichen. Dementsprechend ist die Einrichtung auch Teil einiger Pauschalangebote der Bamberg Tourismus & Kongress Service Organisation, bspw. der BierSchmeckerTour und der BierSchmeckerReise112. Trotz einer verkürzten Saison – das Museum hat nur zwischen April und Oktober geöffnet – konnten 2011 7.559 Besucher begrüßt werden113. Ein Museum ist jedoch nicht nur für eine Einführung in das Thema Bier im Allgemeinen geeignet, sondern auch um einzelne Betriebe vorzustellen. Viele Brauereien haben Besucherzentren u.ä., um die eigene Geschichte, Produktionsweise und Produktionsstätten vorzustellen. Zwei Brauereimuseen besonderer Art findet man in Bayreuth: Hier haben die Gebrüder Maisel Ende der 70er Jahre beschlossen eine neue Brauerei zu bauen - allerdings wollten sie die alten Produktionsräume nicht aufgeben und haben darum „Maisel`s Brauerei- und Büttnereimuseum“ eröffnet114. In diesem Museum kann man auf 2.400 qm² an zum Teil historischen Originalexponaten nicht nur den Brauprozess kennen lernen, sondern auch die Entwicklung des Handwerks und der damit verbundenen Techniken über die Jahrzehnte hinweg nachvollziehen115. Dabei wird mit moderner Ausstellungstechnik gearbeitet. Die verschiedene Räume sind mit Duftzerstäubern ausgestattet, so dass beispielsweise die alte Hopfenkammer auch heute noch nach frischen Hopfen duftet116 Zur Ausstellung gehören auch umfrangreiche Sammlungen an alten Emaille-Werbeschildern, Gläsern und Bierdeckeln. 1988 erhielt das Museum einen Eintrag in das Guinness 111
http://www.brauereimuseum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=5&Itemid=7 [29.12.2012]
112
http://www.bamberg.info/pauschalen/angebote-fuer-einzelreisende/BierSchmeckerTouren/ http://www.bamberg.info/pauschalen/bierschmeckerreise-887/ [26.12.2012]
113
Vgl. FBM News, 2012, S. 3.
114
http://www.maisel.com/news/53/details_29.htm [29.12.2012]
115
http://www.maisel.com/files/pdf/Museumsprospekt.pdf [29.12.2012]
116
Eigene Erhebung vor Ort.
[26.12.2012]
und
4
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29
Buch der Rekorde als größtes Brauereimuseum der Welt117. Sei der Eröffnung der Einrichtung haben rund 600.000 Gäste das Museum besucht118. Die Brauerei Maisel nutzt diese Einrichtung auch, um die eigenen Produkte zu bewerben, so wird bereits im Eingangsbereich die neue Marke Bayreuther Bio-Weisse vorgestellt119. An die Führung schließt eine Verkostung an, bei der die Besucher die Möglichkeit haben, aus dem großen Sortiment der Brauerei zu kosten. Die Gebrüder Maisel sind auch Hauptanteilseigner an der Bayreuther Bierbrauerei AG, die vor allem für ihr „Zwick’l Kellerbier“ berühmt ist. Auch hier findet der interessierte Gast ein Museum der besonderen Art: Das alte Gebäude der Aktienbrauerei wurde auf einem verzweigten System von Kellergängen und Gewölben errichtet, deren ursprüngliche Funktion heute nicht mehr bekannt ist. Diese Katakomben können im Rahmen einer Führung besichtigt werden120. Hier verbindet sich die Geschichte der Brauerei mit der Geschichte der Stadt. So wurden die Katakomben im zweiten Weltkrieg von der Bevölkerung als Luftschutzbunker genutzt. Auch bei dieser Führung haben die Besucher im Anschluss die Möglichkeit die Produkte der Bayreuther Aktien Brauerei kennen zu lernen. Besonders erwähnenswert ist, dass sich diese beiden Einrichtungen nur wenige 100 Meter voneinander entfernt befinden und die Führungen zeitlich so gestaltet sind (nämlich Start in Maisel`s 14:00 Uhr und Start in den Katakomben um 16:00 Uhr121), dass der Besucher beide Führungen miteinander verbinden kann. In Kooperation mit der Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH und lokalen Gastronomen wird die Bayreuther Bier Tour angeboten. Diese Tour verbindet einen Besuch in beiden Museen mit einer Stadtführung und jeweils einen Gutschein für eine Portion Landbier Leberkäse im Lokal Herzogkeller sowie Bayreuther Bratwurste im Biersud im Lokal Oskar122.
117
http://www.maisel.com/files/pdf/Museumsprospekt.pdf [29.12.2012]
118
http://www.maisel.com/news/53/details_29.htm [29.12.2012]
119
Eigene Erhebung vor Ort.
120
http://www.maisel.com/files/pdf/Katakombenprospekt.pdf
121
http://www.bayreuth.de/files/pdf/tourismus/Folder/biertour_12.pdf [27.12.2012]
122
ebenda.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
30
Die Forcierung des Themas Tourismus durch die beiden Brauereien liegt nicht zuletzt daran, dass beide Betriebe von der Familie Maisel geführt werden. Deren Engagement im Tourismus endet nicht bei den Brauereien: Lange Zeit hat sich die Familie Maisel darum bemüht, auf dem Gelände der alten Mälzerei ein Kongresszentrum mit Tagungshotel zu eröffnen, was letztendlich leider an den politischen Gegebenheiten vor Ort gescheitert ist123. Dieses Projekt hätte durch die architektonischen Gegebenheiten und die räumliche Nähe zur Brauerei eine völlig neue Verbindung des Bayreuther Bieres mit den touristischen Themen Übernachten und Tagen ergeben. Die Fähigkeit der Familie Maisel über den Tellerrand der eigenen Branche schauen zu können, hat in der Hotelbranche zu einer beachtenswerten Kooperation mit Hilton Deutschland geführt: Seit Anfang 2011 werden in den deutschen HiltonHäusern exklusiv die Weissbierspezialitäten der Brauerei Maisel ausgeschenkt124. Diese Kooperation mit einer der renommiertesten Hotelmarken weltweit bedeutet für die Marke Maisel und das damit verbundene Image eine enorme Aufwertung sowie eine Vielzahl von Kontakten zu potentiellen Neukunden aus aller Welt.
4.4
Führungen
Führungen beschränken sich nicht, wie zuletzt am Beispiel Bayreuth gezeigt, auf einzelne Einrichtungen, sondern können die Verbindung des Brauerhandwerks mit einer Stadt, ihrer Architektur, aber auch dem Landschaftsbild hervorragend vermitteln. Exemplarisch soll hier das Führungsangebot der Stadt Forchheim vorgestellt werden. Östlich von Forchheim liegt ein Waldstück, welches ähnlich wie in Bayreuth von einem Kellersystem durchzogen ist, der sogenannte Kellerwald. Über seine Entstehung weiß man heute leider nichts mehr, aber die konstant kühle Temperatur der Gewölbe lässt die Vermutung nahe liegen, dass hier allerlei Lebensmittel, also auch Bier, gelagert wurden125. Über den Kellern entstanden so 24 Schankstuben. Solche Bierkeller sind auch der Grund für die sprachliche Besonderheit in Franken, dass man 123
http://www.nordbayerischer-
ku-
rier.de/nachrichten/offizielles_statement_von_jeff_maisel_zum_kongresszentrum_62152
[26.12.2012]
http://www.br.de/franken/inhalt/aktuelles-aus-franken/kongresszentrum-bayreuth-projekt-geplatzt100.html [26.12.2012] 124
http://www.maisel.com/news/51/details_29.htm [29.12.2012]
125
http://www.forchheim.de/content/unser-kellerwald-keller [10.12.2012]
und
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Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
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„auf den Bierkeller“ geht und nicht „in den Biergarten“, wie in Altbayern. Mit rund 30.000 Sitzplätzen ist der Forchheimer Kellerwald vermutlich der Größte Biergarten der Welt126. Eben diese Bierkeller kann man im Rahmen einer Führung mit anschließender Bierprobe und Brotzeit kennen lernen. Wer dazu noch etwas über die Stadt Forchheim erfahren möchte, kann die Führung in der Altstadt beginnen lassen und anschließend im Kellerwald fortsetzen, wo erneut Bierprobe und Brotzeit den Abschluss bilden127. Explizit um die Geschichte des Bieres in Forchheim dreht sich die Führung unter Anleitung des Bierkönigs Gambrinus128. Im weitesten Sinne also eine thematische Kostümführung, die auch für Einheimische ein Erlebnis ist. Die Forchheimer Tourist-Information hat hier ein Führungsprogramm geschaffen, dass die Geschichte der Stadt und die landschaftlichen Besonderheiten der Umgebung mit dem Thema Bier verbindet. Im Schnitt werden pro Jahr 90 Bierkellerführungen, 46 Altstadt- und Bierkellerführungen und 12 Gambrinus Führungen gebucht129. Doch Forchheim bleibt nicht in der Vergangenheit stehen: Die Brauerei Rittmayer, mehrmaliger Träger des European Beer Stars, hat eine alte Tradition wiederbelebt, in dem sie das feierliche Einkellern des letzten Sudes im Frühjahr wieder aufgenommen hat130. Sollte dies beibehalten werden oder sich andere Brauereien diesem Beispiel anschließen, könnte Forchheim in wenigen Jahren eine neue touristische Attraktion zum Thema Bier haben.
4.5
Pauschalangebote
Viele Orte Oberfrankens bieten nicht nur eine „Bier-Attraktion“, sondern verschiedene Brauereien, Museen und Führungen. Es ist also nur eine logische Konsequenz diese Angebote in Pauschalangeboten zu bündeln. Egal ob für einen Tagesauflug, ein ganzes Wochenende, Einzelreisende oder Gruppen: Die Tourismusorganisationen Oberfrankens bieten eine breite Palette an Pauschalangeboten rund um das Thema Bier. Exemplarisch soll hier auf das Angebot der Stadt Bamberg eingegangen wer126
Vgl. Tourist-Information Forchheim, 2011, S. 2.
127
Vgl. ebenda, S. 1.
128
Vgl. Tourist-Information Forchheim, 2011, S. 1.
129
Eigene Erhebung per E-Mail.
130
http://rittmayer.de/brauerei/auslagerung.php [10.12.2012]
4
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den. Für Einzelreisende und kleine Gruppen bis sechs Personen wird die BierSchmecker-Tour angeboten: Für 20 Euro erhält der Gast einen Bamberg Rucksack, in dem er neben einer ausführlichen Broschüre zur Bierstadt Bamberg auch fünf Gutscheine findet, die er in den teilnehmenden Brauereigaststätten einlösen kann. Als Erinnerung an den Ausflug erhält der Gast darüber hinaus einen Steinkrug und Bierdeckel der verschiedenen Brauereien131. Die Broschüre enthält nicht nur Informationen über die Geschichte des Bieres in Bamberg, sondern auch eine umfassende Übersicht aller Brauereien und deren Sorten mit Stadtplan sowie eine Einführung in die wichtigsten Begriffe rund um das fränkische Bier. Mit diesem Paket hat der Reisende alle notwendigen Informationen, um die Bierstadt Bamberg in Eigenregie kennen zu lernen. Das Paket wird auch als Geschenkgutschein angeboten132. Für Gäste, die vor allem das Bamberger Rauchbier kennen lernen wollen, gibt es das Schlenkerla-Menü. In diesem Drei-Gänge-Menü darf das Bier in der Soße natürlich nicht fehlen. Dazu wird ein Glas Bier gereicht133. Wer länger in Bamberg bleiben möchte, kann die BierSchmecker-Reise buchen: Neben zwei Übernachtungen und dem soeben beschriebenen BierSchmecker Rucksack, erhält der Gast das drei Gänge Schlenkerla-Menü sowie die BambergCard, die zu einer kostenlosen Stadtführung und freien Eintritt in das Fränkische Brauereimuseum berechtig134. Um auch die Brauereien im Umland bekannter zu machen, wird der sogenannte Bierdümpfl angeboten: Dieser Gutschein berechtigt zum Erwerb von acht Seidla für sechs Euro in den teilnehmenden Brauereien im Umland, getreu dem Motto „Der Bierdümpfl bleibt stets unerreicht – 3 gezahlt und 8 geseicht!“135. Für Gruppen ab zehn Personen bietet die Stadt Bamberg das Bamberger BierSchmeckerErlebnis an: Der Tag beginnt mit einer Stadtführung zu Bier- und Stadtgeschichte, an die eine Bierverkostung von drei Sorten unter fachkundiger Anleitung anschließt. Zum Abschluss wird ein Bamberger Krustenbraten serviert136. Ebenfalls an Gruppen richtet sich der Sagenhafte Bamberger Bier131
http://www.bamberg.info/pauschalen/angebote-fuer-einzelreisende/BierSchmeckerTouren/ [15.12.2012]
132
http://www.bamberg.info/shop/gutschein_bierschmeckertour-990/ [15.12.2012]
133
http://www.bamberg.info/pauschalen/schlenkerla-menue-1636/ [15.12.2012]
134
http://www.bamberg.info/pauschalen/bierschmeckerreise-887/ [15.12.2012]
135
http://www.bamberg.info/erlebnis/bierstadt/bierduempfl [15.12.2012]
136
http://www.bamberg.info/pauschalen/bamberger_bierschmeckererlebni-1536/ [15.12.2012]
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
33
abend: Das Abendprogramm verbindet Abendessen und die Einkehr in ein AltstadtLokal mit einer Stadtführung über Geistergeschichten und Sagen rund um die Bamberger Altstadt137. Gruppen, die das Bamberger Bier in seiner Vielfältigkeit kennen lernen wollen, können bei der BierSchmeckerProbe verschiedene Sorten unter fachkundiger Anleitung verkosten138. Ganz auf die Bamberger Rauchbier zugeschnitten, ist das Gruppenangebot Schlenkerla ErlebnisMenü, das nicht nur die verschiedenen Sorten dieser regionalen Spezialität näher bringt, sondern auch zeigt, wie das Bier in der Küche eingesetzt werden kann. Für kleine Gruppen wird darüber hinaus eine Übernachtungspauschale angeboten: Die "Bierwallfahrt vom Märzen zum Zwickel" beinhaltet zwei Übernachtungen, eine Stadtführung, das drei Gänge Schlenkerla Menü, einen Abendimbiss mit der fränkischen Spezialität „Blaue Zipfel“, Eintritt in das fränkische Brauereimuseum, die BambergCard und eine „Brauereiwallfahrt“ zum Gasthof Drei Kronen mit Bierverkostung139. Zusammengefasst bietet die Stadt Bamberg für jeden Typ Reisenden eine BierPauschale an: Einzelreisende, Gruppen, Übernachtungsgäste, Bierenthusiasten und Neugierige. Aus Anbieter-Sicht betrachtet, werden alle „Bier-touristischen“ Akteure miteingebunden: Brauereien, Gaststätten, Museen, Hotels und die örtliche Tourismusorganisation als Veranstalter der Stadtführungen und zentrale Buchungsstelle aller Leistungen. Wie in Kapitel 1 erläutert, werden durch das Anbieten komplementärer Güter die Transaktionskosten des Gastes gesenkt und somit eine Präferenzsituation geschaffen. Für den potentiellen Gast ist es eine attraktive Alternative auf ein bestehendes Pauschalangebot zurückzugreifen, anstatt ein ähnlich umfassendes Programm selbst zu recherchieren und zu buchen. Dass dies auch vom Kunden so wahrgenommen wird, zeigt der anhaltende Erfolg der Produktlinie: Die BierSchmeckerTour wurde 2004 eingeführt und verkauft sich sowohl als Einzelleistung als auch als Teil der BierSchmeckerReise „in steigendem Umfang“ 140. Die Bamberger Bierwallfahrt wurde erstmalig 2012 angeboten und ist somit das jüngste Produkt der Reihe, 137
http://www.bamberg.info/pauschalen/sagenhafter_bamberger_bieraben-1534/ [15.12.2012]
138
http://www.bamberg.info/pauschalen/bierschmeckerprobe-1522/ [15.12.2012]
139
http://www.bamberg.info/pauschalen/bierwallfahrt_vom_maerzen_zum-934/ [15.12.2012]
140
Eigene Erhebung per E-Mail.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
34
doch nach eigenen Angaben ist man bei der Bamberg Tourismus und Kongress Service bereits nach der ersten Saison des Produkts mit der Buchungssituation sehr zufrieden141. Leider läuft der Bierdümpfl eher „mäßig bis schlecht“142, was sehr schade ist, da gerade dieses Produkt die in Kapitel 2.4 angesprochenen Chancen des Food Tourism für die ländlichen Regionen realisieren könnte.
4.6
Themenwege
Eine andere Möglichkeit, die ländlichen Brauereien und Gastronomien touristisch in Wert zu setzen, sind Themenwege. Durch das Zusammenbringen verschiedener Anbieter in einer landschaftlich attraktive Region, können sich Kombinationen aus Naturerlebnis und Kulinarik ergeben. Laut Bierland Oberfranken kann der Gast momentan aus 54 verschiedenen Touren wählen, die als Wanderung, Radtour oder per Auto durchgeführt werden können. Exemplarisch soll hier der Fünf-Seidla-Steig vorgestellt werden. Der 8.5km lange Wanderweg wurde 2008 eröffnet und verbindet fünf Privatbrauereien mit einer Angebotspalette von 29 Bierspezialitäten143. Unter diesen Brauereien befinden sich mit der Brauerei Elch-Bräu und der Brauerei Lindenbräu zwei Träger des European Beer Star Awards 2012144. Der Weg ist nach den Qualitätsrichtlinien des Deutschen Wanderverbandes markiert145. In Zusammenarbeit mit den Altstadtfreunden Gräfenberg ist es den Brauereien gelungen den VGN, Verkehrsverbund Großraum Nürnberg, den Verein Bierland Oberfranken e.V. und den Verein Private Brauereien Bayern als Projektpartner zu gewinnen. Der Weg beginnt bei der Klosterbrauerei Weissenohe und führt weiter nach Gräfenberg. Die Altstadtfreunde Gräfenberg bieten Führungen in historischen Gewändern an, die neben der Stadtgeschichte und Architektur auch die Wirtshaustradition und das Kommunbrauwesen der Gemeinde näher bringen. Zur Führung gehören auch eine Bierverkostung sowie 141
Eigene Erhebung per E-Mail.
142
Eigene Erhebung per E-Mail.
143
Vgl. Singer, 2009, S. 26.
144
http://www.european-beer-star.de/ebs12_de/downloads/presse/Gewinner_2012.pdf [28.12.2012]
145
Vgl. Verkehrsverbund Großraum Nürnberg GmbH et al., 2012, S. 2.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
35
eine Besichtigung des Kommunbrauhauses146. Somit sind auch kostümierte Erlebniswanderungen Teil des Angebotes des Fünf-Seidla-Steigs. Der Weg führt weiter in das Scheunenviertel, in dem sich viele alte Braukeller befinden. Die nächste Brauerei auf dem Weg, ist die Brauerei Hofmann in Hohenschwärz. Der Weg führt den Wanderer durch Wälder und über Schaf- und Ziegenweiden, so dass auch die Landschaft der Region und ihre typische Landwirtschaft Teil des Erlebnisses sind. In Thuisbrunn, dem Schlusspunkt des Wanderweges, finden wir die jüngste Brauerei entlang des Weges: Die Brauerei Elch-Bräu wurde erst 2007 eröffnet und konnte 2012 den European Beer Star in Gold für sein naturbelassenes Pils gewinnen147. Da Hohenschwärz und Thuisbrunn Teil der Gemeinde Gräfenburg sind, kann die etwas mehr als 4.000 Einwohner starke Gemeinde ihren Durst in vier Brauereien löschen148. Für Sammler gibt es eine Stempelkarte, auf der Einkehrstempel vermerkt werden und die nach dem Besuch von fünf Brauereien zum Erwerb Fünf-Seidla-Steig-Kruges zum Selbstkostenpreis berechtigt149. Somit kommen auf dem Fünf-Seidla-Steig auch Souvenirjäger auf ihre Kosten. Am ersten Samstag nach oder vor dem 23. April, dem Tag des Bieres, findet jährlich ein gemeinsamer Aktionstag statt, der gleichzeitig den Saisonauftakt markiert und bei dem der Besucher einen Bustransfer zwischen den Brauereien nutzen kann150. Die tatsächliche Anzahl der Wanderer, die den Weg komplett oder in Teilen in Anspruch nehmen, ist nicht eindeutig verifizierbar, dennoch lässt sich an einigen exemplarischen Statistiken zeigen, dass das Angebot gut angenommen wird und der Region touristisch neue Impulse gegeben werden. Der VGN bietet auf seiner Homepage unter der Rubrik Freizeittipps die Broschüre zum 5-Seidla-Steig zum Download an. Mit im Schnitt 1.600 Downloads pro Monat ist der Wanderweg der beliebteste Freizeittipp auf der Seite151. Der Wanderweg hat nachweislich positiven Einfluss auf 146
Vgl. Singer, 2009, S. 2.7
147
http://www.european-beer-star.de/ebs12_de/downloads/presse/Gewinner_2012.pdf [28.12.2012]
148
Vgl. Singer, 2009, S. 29.
149
Vgl. Verkehrsverbund Großraum Nürnberg GmbH et al., 2012, S. 6.
150
http://www.graefenberg.de/cms/_data/1-Saisonauftakt_Flyer_5_Seidla_Steig_2012.pdf [25.11.2012]
151
Eigene Erhebung per E-Mail.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
36
die Übernachtungszahlen in den Beherbergungsbetrieben entlang des Weges. Wer sich für den Weg etwas mehr Zeit lassen möchte, kann in zwei Gasthöfen übernachten. So waren in der Saison 2012 (April bis November) die Gästezimmer des Brauereigasthofs Lindenbräu an den Wochenenden vollständig ausgebucht, wobei für die Mehrzahl der Gäste der 5-Seidla-Steig das Hauptreisemotiv ist152. Sicherlich ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Wanderweges, ist die Miteinbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs. Früh wurde erkannt, dass bei einem Angebot im ländlichen Raum, bei dem Bierkonsum eine große Rolle spielt, sprich niemand bei einem Wochenendausflug gerne zum Fahrer auserkoren wird, die An- und Abreise eine Schlüsselfunktion darstellt. Für die Besucher ergeben sich folgende Optionen: Für die Anreise stehen dem Gast ab Nürnberg Nordostbanhof das ganze Jahr hindurch mindestens stündlich Verbindungen nach Weißenohe und Gräfenberg zur Verfügung. In der Saison zwischen 01.05. und 01.11. wird das Angebot an Wochenenden und Feiertagen durch die Buslinie Trubachtal-Express ergänzt. Wer den Wanderweg nicht als Rundweg gehen möchte, kann sich mit eben dieser Buslinie von „jeder Etappe [...] zum Ausgangspunkt zurückbringen lassen.“153. Für diese Dienstleistung kooperieren die Brauereien mit der Schmetterling Reise- und VerkehrsLogistik GmbH, die neben ihrer Tätigkeit als Touristikunternehmen im Raum Forchheim und Fürth auch Dienstleister im ÖPNV ist. Zusammengefasst verbindet dieses Projekt fünf Brauereien in zwei Gemeinden, einen Verkehrsverbund, ein privates Busunternehmen, einen Tourismusverband, einen Brauerbund und letztendlich auch die Landschaft der südlichen FränkischenSchweiz. Dennoch nimmt der Gast Dank der gelungenen Abstimmung der einzelnen Akteure das Angebot als ein großes Ganzes wahr. Nur fünf Jahre nach Eröffnung des Weges, kann eine durchweg positive Bilanz gezogen werden, da das Angebot von den Urlaubern gut angenommen wird und sich das Engagement für alle Beteiligten auszahlt. Somit ist der Fünf-Seidla-Steig ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten, die sich durch die Kooperation von Brauereien und Tourismus ergeben können.
152
Eigene Erhebung per E-Mail.
153
Verkehrsverbund Großraum Nürnberg GmbH et al., 2012, S. 2.
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
4.7
37
Organisationen und Kooperationen
Auch wenn eingangs festgestellt wurde, dass sich Synergien auch bei Zusammenarbeiten außerhalb der klassischen Tourismusverband-Strukturen ergeben, so sind diese Verbände und Vereine doch oft federführend bei Koordination und Innovation. Für das Thema Biertourismus in Oberfranken müssen zwei Vereine genannt werden: Zum einen der Tourismusverband Franken, zum anderen der Verein Bierland Oberfranken.
4.7.1
Tourismusverband Franken
Die Tourismusregion Franken lässt sich in 15 Gebiete einteilen (siehe dazu auch Kapitel 3.1), die übergeordnet durch den Tourismusverband Franken e.V. vertreten werden. Dieser eingetragener Verein mit Sitz in Nürnberg teilt seine Aktivitäten in vier Dienstleistungsbereiche ein: Mitgliederbertreuung, Interessensvertretung, Gästebetreuung und Marketing154. Die Marketingbemühungen stützen sich auf vier Säulen: Qualität, die Destination in Gänze, Jahresthemen (z.B. das Franz liszt Jahr 2011) und verschiedenen Produktlinien155. Zu diesen Produktlinien gehören neben Städteurlaub, Aktivurlaub und Gesundheitstourismus auch die kulinarischen Themen. Hier unterscheidet der Tourismusverband die Themen Speisen („Franken - Land der Genüsse“), Wein („Franken – Wein.Schöner.Land!“) und eben auch Bier („Franken – Heimat der Biere“)156. Letzteres Projekt wurde 2008 ins Leben gerufen157. In Kooperation mit den Privaten Brauereien
Bayern
e.V.
umfasst
diese
Kampagne
den
Internetaufritt
http://www.franken-bierland.de/ mit zugehöriger "FrankenBIER"-App in Deutsch und Englisch und Facebook-Auftritt, sowie die Broschüre „Franken – Heimat der Biere“. Diese ist sowohl über den Prospektversand der Internetpräsenz des Verbandes selbst158 als auch über die Projektseite als Printexemplar zu bestellen159 oder auch 154
Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012, S. 18.
155
Vgl. ebenda, S. 19.
156
Vgl. ebenda, S. 36-39.
157
Vgl. Private Brauereien Bayern e. V., 2012.
158
http://www.frankentourismus.de/prospekte/ [23.12.2012]
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
38
als PDF verfügbar160. Im Geschäftsbericht für das Jahr 2011 zeigt sich der Verband sehr zufrieden mit den Download und Zugriffzahlen des Portals bzw. der App, so dass für 2012 eine Neuauflage der Broschüre ins Auge gefasst wurde 161. Am 31.Oktober 2012 wurde eben diese Neuauflage im Rahmen einer Bierprobe in der Familienbrauerei „Drei Kronen“präsentiert162. Die Broschüre schaut „über den Seidla-Rand hinaus“163, da auch verschiedene Volksfeste und Kirchweihen, Museen und Wanderwege präsentiert werden. Die Broschüre unternimmt also den Versuch das gesamte Bier-touristische Angebot Frankens darzustellen. Eine Einteilung nach Regierungsbezirken bzw. Tourismusregionen wurde bewusst unterlassen, da es für den Gast keine Rolle spiele, welche Verwaltungsgrenzen durch seine Urlaubsregion verlaufen. „Was zählt, ist die Qualität des Angebots“164, so Innenminister Herrmann bei der Vorstellung der Broschüre (siehe dazu auch Kapitel 3.1). Dementsprechend unterscheidet der Internetauftritt ebenfalls keine Regionen, sondern unterteilt das Angebot in „Bier erleben“, „Biertradition“, „Biertouren“, „Bierfeste“ und „Besuche“ ein165. Das Portal versteht sich als umfassendes Informationsangebot, auf dem aber keine Buchungen möglich sind. Bei Interesse wird auf den jeweiligen Anbieter des Angebots hingewiesen. Es handelt sich hier also um eine Kooperation zwischen Brauereien in Form des Vereins Private Brauereien Bayern, den regionalen Tourismusanbietern (z.B. Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH und Tourismuszentrale Fränkische Schweiz) und dem Tourismusverband Franken e.V. mit dem Ziel, die Reichweite der übergeordneten Tourismusorganisation für das Thema Bier optimal zu nutzen. Während der Verband Marketing, Know How und Betreuung zur Verfügung stellt, liefern die regionalen Organisationen und Brauereien die Inhalte und Angebote. Wie gut das Angebot von den Gästen angenommen wird, konnte leider nicht beurteilt werden. Der Tourismusverband Franken wollte sich mit Hinweis auf 159
http://www.franken-bierland.de/service/prospekte/ [23.12.2012]
160
http://www.franken-bierland.de/catalogs/tvf_blaetterkatalog_bierbroschuere_2012/index.html [23.12.2012]
161
Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012, S. 37.
162
Vgl. Tourismusverband Franken e.V., 2012b, S. 1.
163
Vgl. ebenda
164
Tourismusverband Franken e.V., 2012b, S.2
165
http://www.franken-bierland.de/ [23.12.2012]
4
Synergien im „Biertourismus“ in Oberfranken
39
Wettbewerbsgründe leider nicht zu den Besucherzahlen des Portals, Downloadzahlen der App und der Broschüre als PDF-Version sowie der Auflagenstärke der Printausgabe äußern166.
4.7.2
Bierland Oberfranken
Die Kooperation Bierland Oberfranken unterscheidet sich vom Projekt „Franken – Heimat der Biere“ in so fern, dass hier ein Fokus auf Oberfranken gelegt wird und zukünftig die Buchung der touristischen Leistungen ermöglicht werden soll. 12 Brauereien haben sich 2004 zusammengeschloßen und mit Hilfe der Handwerkskammer Oberfranken und der Marketinginitiative Oberfranken den Verein „Bierland Oberfranken“ gegründet167. Bereits im April 2005 konnte sich der Verein mit 100 Mitgliedern als weltweit größter Zusammenschluss regionaler Brauereien bezeichnen168. Damit waren bereits ein Jahr nach Gründung circa die Hälfte aller oberfränkischen Brauereien Mitglieder des Vereins. Am 26. April 2005 ging das Herzstück des Projekts, die Homepage http://www.bierland-oberfranken.de/ online.169 Bereits 2009 konnte der Verein vermelden, dass mit Hilfe der touristischen Partner 43 Reisegruppen mit insgesamt 1.200 Übernachtungen über die Homepage generiert werden konnten170. Bei seiner Hauptversammlung am 19. November 2012, ergriff der Verein die Gelegenheit für die bisherigen Bemühungen ein Resümee zu ziehen und eine Aussicht auf die anstehenden Aufgaben zu geben. Um das Bierland Oberfranken bekannt zu machen und touristisch zu vermarkten, galt es im ersten Schritt die dafür nötige Datenbasis zu schaffen: Heute sind 180 Brauereien, 400 Biergärten, 150 Brauerei-Gaststätten, 500 Volksfeste, 100 Bockbieranstiche, 49 Brauerei- und Biermuseen und 54 Touren durch Oberfranken in einer Datenbank erfasst, die den inhatlichen Kern des Internet Auftritts www.bierland-oberfranken.de darstellt171.
166
Eigene Erhebung per E-Mail.
167
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2004.
168
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2005.
169
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2005a.
170
http://www.bierland-oberfranken.de/news/152/details_67.htm [29.12.2012]
171
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 2.
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Der Mammutaufgabe, diese Daten zusammen zu tragen und aktuell zu halten, hat sich die GuideMedia GmbH aus Bamberg gestellt172. Die Kooperation Bierland Oberfranke zeigt damit sehr gut, wie auch Dienstleister aus nicht-touristischen Branchen mit ins Boot geholt werden können. Die Media Guide GmbH aus Bamberg ist eigentlich zum einen eine Werbe- und Medienagentur und zum anderen Verleger von Sachbüchern, Internetportalen und Apps. In dieser Funktion hat die Agentur die Internetportale bier.by, wein.by und Bamberg-guide.de konzipiert173. So verwundert es nicht, dass die Agentur vom Bierland Oberfranken e.V. mit der technischen Umsetzung des Content Management Systems, der Biertouren und der damit verbundenen App beauftragt wurde. Die Agentur ist mittlerweile zu einem so wichtigen Partner geworden, dass Vertreter der Agentur in den Vorstand des Vereins gewählt wurden174. Bei Beginn des Projekts war rund ein Drittel der Brauereien und Gaststätte noch gar nicht im Internet vertreten, so dass das gebündelte Auftritt nicht nur die Reichweite der einzelnen Akteure erweitern konnte, sondern in vielen Fällen ein erster Schritt in das Online-Marketing in Gänze darstellt175. Dieses gebündelte Informationsportal wird von den Gästen gut angenommen, so haben 2012 300.000 Besucher die Homepage genutzt und dabei in der Tiefe rund 4 Millionen Seitenaufrufe generiert, was für den Informationsgehalt des Portals spricht. Gegenüber 2009 stellt dies eine Steigerung um 300% dar176. Neben den Online-Bemühungen hat der Verein eine Vielzahl anderer Werbemaßnahmen ins Leben gerufen: Zum einen sind da festinstallierte Werbeschilder an den allen Autobahnen, die nach Oberfranken führen und jedes Jahr potentiell 20 Millionen Autofahrern auf die Region „Bierland Oberfranken“ aufmerksam machen. Zum anderen bietet der Verein für kleine Brauereien, die finanziell nicht in der Lage sind bei Festen mit einem eigenen Ausschankwagen präsent zu sein, die Vermietung eines solchen Wagens an. Im Jahr 2012 wurde dieses 172
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012a.
173
http://www.guidemedia.de/10portale.php [26.12.2012]
174
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012a.
175
Vgl. ebenda.
176
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 5f.
4
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Angebot 26 Mal in Anspruch genommen177. Auch im Bereich Printmedien hat der Verein einige Publikationen auf den Weg gebracht: Neben Büchern und Karten über die Brauereien, Biergärten und Brauereitouren in Oberfranken, gehören dazu auch ein Souvenir-Plakat mit den Bierdeckeln der oberfränkischen Brauereien (ebenfalls umgesetzt von GuideMedia Bamberg) und das in Kapitel 4.2 bereits erwähnte „6er Tragerl“, das in Zusammenarbeit mit der Firma Schmidt Kartonagen aus Lichtenberg realisiert wurde178. Im September 2012 gelang es die Deutsche Bahn als Werbepartner zu gewinnen: 200.000 Bierdeckel und 500.000 Flyer mit Informationen zu den Brauereiwanderungen wurden in den Zügen der DB Regio Oberfranken verteilt 179. Auch auf einer Vielzahl von Messen und Veranstaltungen war der Verein vertreten, beispielweise bei der Internationalen Grünen Woche in Berlin, dem Tag der deutschen Einheit in München und der Consumenta in Nürnberg180. Diese Bemühungen wurden im April 2012 geehrt: Der Marketingpreis des Bayerischen Brauerbundes und des Hotel- und Gaststättenverbandes Bayern – kurz genannte die „Goldene Bieridee 2012“ - ging an den Verein Bierland Oberfranken181. Desweiteren schaffte es der Verein in der Kategorie Online-Marketing des Innovationspreises IT, der durch die Initiative Mittelstand des Bundeswirtschaftsministerium vergeben wird, unter die Top 20 des Jahres 2009182. Für das Jahr 2013 liegt die touristische Nutzbarmachung der bisher gesammelten Daten im Fokus. Bereits bei der Erstellung der Bier-Routen ging der Verein darauf ein, dass nur wenige Besucher nur für das fränkische Bier anreisen (siehe dazu auch die Unterscheidung primärer und sekundärer Bier-Tourist in Kapitel 2.4). Dementsprechend verstehen sich die Wanderwege als Kombination verschiedener Attraktionen. Im nächsten Schritt gilt es die Brauereien dabei anzuleiten Arrangements zu gestalten, die dann für Einzelreisende oder Gruppen direkt über die Homepage buchbar sein sollen. Damit geht der Verein weg vom reinen Informationsportal hin zur touris177
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 7f.
178
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 9-13.
179
Vgl. ebenda, Folie 14ff.
180
Vgl. ebenda, Folie 21ff; 33; 35ff.
181
http://www.hwk-oberfranken.de/72,0,614.html [25.12.2012]
182
http://www.bierland-oberfranken.de/deutsch/aktuelles/hohe_auszeichnung_96.html [25.12.2012]
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tischen Buchbarkeit. Qualitätsstandards für diese Leistungen sollen von der Guide Media GmbH entwickelt werden. Um auf die verschiedenen Bedürfnisse der Einzelund Gruppenreisenden eingehen zu können, das Angebot dementsprechend zu präsentieren und die Professionalität der Abwicklung zu gewährleisten, hat sich der Verein mit dem Reiseveranstalter Schmetterling Reisen aus Obertrubach (Oberfranken) touristisches Know-How ins Boot geholt. Neben der fachlichen Unterstützung bringt Schmetterling Reisen darüber hinaus ein „online-Netzwerk zu mehreren tausend Reisebüros in ganz Europa“ mit183. Der Verein Bierland Oberfranken e.V. ist mit der erfolgreichen Kooperation zwischen Brauereien, Technik-Dienstleistern und touristischen Unternehmen also auf dem besten Wege die „Bier-Destination“ Oberfranken nicht nur bekannt, sondern auch buchbar zu machen. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein. Dass sich diese Form der Kooperation auch auf andere Tourismus-Themen übertragen lässt, hat die Handelskammer Oberfranken bereits 2007 erkannt: Nach Vorbild des Projektes Bierland Oberfranken wurde der Verein "Genussregion Oberfranken" gegründet, um auch das Lebensmittelhandwerk, die Landwirtschaft und die kulinarischen Spezialitäten der Region touristisch in Wert zu setzen184. Hier enstehen nochmals Synergien, da auf beiden Portalen jeweils auf das Angebot des „Schwesterprojekts“ hingewiesen wird185 (siehe als Beispiel Bier in der Rubrik kulinarische Spezialitäten186). Gemeinsam wurden beide Initiativen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als Best Practice Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Tourismus und Handwerk aufgeführt187.
183
Ganzer Absatz vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012a.
184
http://www.bmwi.de/?did=278400 [25.12.2012]
185
Vgl. Bierland Oberfranken e.V., 2012, Folie 43.
186
http://www.genussregion.oberfranken.de/spezialitaeten/produktgruppen/82/bier_48.htm [25.12.2012]
187
http://www.bmwi.de/?did=278400 [25.12.2012]
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Fazit und Ausblick
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5. Fazit und Ausblick Die Synergien, die rund um das Thema Bier-Tourismus in Oberfranken entstehen, sind sehr unterschiedlicher Natur. Die Betrachtungen dieser Bachelorarbeit begannen mit Überlegungen, wie der einzelne Gastronom, respektive Brauerei, das Thema Tourismus individuell für sich nutzen kann, und endeten mit einer Initiative, bei der Branchengrenzen keine Rolle mehr spielen. Auffällig ist, dass besonders jene Ideen erfolgreich sind, die sich nicht auf Bier als Hauptreisemotiv verlassen, sondern andere Reisethemen miteinbeziehen. Es wurden Beispiele gefunden, bei denen die Landschaft der Region miteingebunden wird (z.B. 5-Seidla-Steig in Kapitel 4.6), die Geschichte eines Ortes nähergebracht wird (z.B. Führungen durch die Katakomben der Bayreuther Aktienbrauerei in Kapitel 4.3) und bei denen die lokale Küche für den Gast erlebbar ist. Regionale Spezialitäten werden nicht nur in der traditionellen Zubereitung präsentiert, sondern durch die Verwendung von Bier als Zutat und durch saisonale Besonderheiten wird das Profil der Gastronomie geschärft (siehe Kapitel 4.2). Somit entstehen Synergien nicht nur zwischen den beteiligten Akteuren, sondern auch zwischen den verschiedenen Reisemotiven und –themen der Region Oberfranken. Desweiteren ist bemerkenswert, dass bei der Gestaltung eines touristischen Angebotes gerade die vermeintlich nicht-touristischen Partner den Unterschied machen können. So kann der Erfolg des 5-Seidla-Steigs unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass mit dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg und den Fahrdiensten des Busunternehmens Schmetterling Reisen eine grundlegende Infrastruktur gewährleistet wird. Dazu passt auch, dass einige der genannten Initiativen nicht von Vertretern der Tourismusbranche angestoßen wurden, sondern oftmals die Brauer und Brauereien auf die Tourismusbranche zugekommen sind. So wurde der Verein Bierland Oberfranken e.V. maßgeblich auf Initiative der örtlichen Brauereien mit Hilfe der Handwerkskammer Oberfranken gegründet. Erst im zweiten Schritt kamen mit der Guide Media GmbH und dem Reiseveranstalter Schmetterling Reisen touristische Partner mit ins Boot. Das Einbringen von touristischen Know-How ist zwar elementar, um bei der Angebotsgestaltung die Qualität und die Professionalität der Geschäftsprozesse sicherzustellen. Die Grundinitiative kann aber durchaus von anderen Branchen kommen.
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Fazit und Ausblick
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Auch wenn Synergien unabhängig von der Größe oder der Anzahl der beteiligten Partner festgestellt werden konnten, so bleibt festzuhalten, dass zumindest für die Informationssuche und die Buchbarkeit durch den Gast ein zentraler Knotenpunkt unabdingbar ist. Gerade wenn die Bemühungen von „nicht-Touristikern“ vorangetrieben werden, zum Beispiel durch einen gemeinnützigen Verein, wie im Falle des Brauereimuseums Bamberg, bedarf es größerer Partner, durch deren Werbereichweite die Außenwirkung optimiert werden kann. Der Verein selbst könnte dies aufgrund seiner finanziellen Ausstattung und des fehlenden Know-Hows kaum selbst gewährleisten. Gerade im Internet, durch das vermeintlich jeder Betrieb seine Reichweite erhöhen kann, empfiehlt sich eine Zusammenarbeit, um beim potentiellen Gast durch den Umfang und die Qualität der Inhalte respektive Angebote Aufmerksamkeit zu erregen. Bei der Initiative Bierland Oberfranken haben die Brauereien erkannt, dass ein individuelles Vorgehen „zu zersplittert“ wäre, um Gäste anzulocken188. Vor allem bei Gästen aus dem Ausland profitiert jeder einzelne Beteiligte von einem geschloßenen Auftreten als Region. Wie eingangs in Kapitel 1 erwähnt werden durch dieses Vorgehen die Transaktionskosten, sprich der Informationsaufwand für den Gast, reduziert und damit theoretisch eine Präferenz des Angebots gegenüber der Konkurrenz erzeugt189. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit ist es, Dank der Mitarbeit der verschiedenen Tourismusorganisationen und –einrichtungen, auch gelungen, die positiven Effekte der Verbindung Bier und Tourismus zu belegen. Jedes der genannten Beispiele kann auf eine positive Entwicklung der Buchungs- und Übernachtungszahlen verweisen. An manchen Stellen ist ein kausaler Zusammenhang zwischen der Thematik Bier und den positiven Effekten schwer zu beweisen, siehe beispielsweise die Einschätzung der Tourist-Information Kulmbach, wonach der Einzelhandel von der Kulmbacher Bierwoche profitiert. Gerade bei einem zeitlich so begrenzten Event, wie dem Hofer Schlappentag, ist es schwer einzuschätzen, wie viele der Tagesbesucher und Übernachtungsgäste tatsächlich für dieses Fest anreisen oder eher zufällig zu diesem Termin dort Urlaub machen. Diesem Einwand sei aber entgegengesetzt, dass keines 188
http://www.bierland-oberfranken.de/news/29/details_67.htm [29.12.2012]
189
Kräkel, Matthias (2006). Synergien. In: Wirtschaftslexikon; Das Wissen der Betriebwirtschaftslehre; Band 10; Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. S. 5568f.
5
Fazit und Ausblick
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der genannten Beispiele sich auf Bier als alleiniges Reisemotiv verlässt. "Die Qualität und Vielfalt unserer Biere sind ein wichtiger Imagefaktor für die ganze Region, den wir als Türöffner auch für andere Bereiche nutzen wollen", so Reinhard Leutner vom Bierland Oberfranken e.V. In diesm Sinne wird es für die weitere Entwicklung spannend werden, welche Impulse von außen auf das bestehende Angebot einwirken können und welche Impulse das Thema Bier-Tourismus nach außen geben kann. Die Gründung der Genußregion Oberfranken nach Vorbild des Bierlandes Oberfranken zeigt bereits, dass die Lerneffekte, die eingespielten Prozesse und nicht zu letzt das Vetrauen der Beteiligten zueinander erfreulicherweise nicht an der „Vereinsgrenze“ halt machen.
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Erklärung Bachelorarbeit gemäß § 14 Abs. 1 und 4 bis 9 der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) der Hochschule für angewandte Wissenschaften - Fachhochschule München vom 29.01.2008 sowie § 10 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Tourismus-Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften - Fachhochschule München vom 24.10.2006 in derzeit gültiger Fassung. Ich versichere, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbständig angefertigt, nicht anderweitig für Prüfungszwecke vorgelegt, alle benutzten Quellen und Hilfsmittel angegeben, sowie wörtliche und sinngemäße Zitate gekennzeichnet habe.
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