Castello di Ama on Weinwelten - January 2015

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Castello di Ama ist nicht wie andere Weingüter in der Toskana

Castello di Ama ist nicht wie andere Weingüter in der Toskana. Kunst und Wein gehen an diesem Ort eine perfekte Symbiose ein: Hier und da ist ein Pflasterstein bunt bemalt, im Boden der Kapelle leuchtet ein rotes Loch im Boden, kleine Mauern durchziehen einen Teil des Gartens und zwischen zwei Bäumen steht ein Fernrohr, das auf eine Hütte gerichtet ist. Schaut man hindurch wird der Blick auf zwei Puppen gelenkt, die an einem Tisch sitzen. „Der Wein, den ich mache, erklärt diesen Ort, das wirst du nachher verstehen“, erklärt mir Marco Pallanti. Er ist der Weinmacher auf Castello di Ama, ein kleiner, feiner Mann mit kurzen, weißen Haaren, der seinen zerknitterten Leinenanzug mit großer Lässigkeit trägt. ‚Dieser Ort‘, das sind für Pallanti drei Dinge: der Boden, die Höhe und diese Kleinigkeiten, die dem unaufmerksamen Beobachter verborgen bleiben.

Seit mehr als 30 Jahren versucht Pallanti jedes Jahr aufs Neue, den perfekten Sangiovese zu herzustellen. Damit ist er einer der Pioniere im Chianti Classico. Denn als er 1982 hierher kam, wurde Masse gemacht, nicht Klasse. Pallanti hatte zuvor in Frankreich gelernt, unter anderem bei Patrick Léon, dem legendären Weinmacher von Mouton Rothschild. Das Burgundische, das Leichte, versucht Pallanti seit damals allen seinen Weinen zu geben. „Ich habe hier sogar viele Jahre mit Pinot Noir experimentiert. Es hat lange gedauert, bis ich eingesehen habe, dass das einfach keinen Sinn macht“, sagt er, zuckt bedauernd mit den Schultern und lacht. Zarte, lustige Fältchen ziehen sich dabei durch sein gebräuntes Gesicht und man versteht sofort, warum die Tochter eines der damaligen Besitzer von Castello di Ama sich in ihn verliebte. Die beiden heirateten, übernahmen den Betrieb und bekamen drei Kinder. „Ich hoffe, dass eines von ihnen weitermacht“, sagt Pallanti. „Ich will, dass dieser Ort bewahrt wird und nicht zum Disneyland für amerikanische Touristen. Tradition, das kommt vom lateinischen Wort tradere, das Beste in die Zukunft bringen.


Gleich neben der Kellerei liegt der Weinberg, aus dem Pallanti seinen berühmtesten Wein macht, den L’Apparita keinen Sangiovese, sondern einen reinen Merlot, der eine Klarheit und Frische mit sich bringt, die ihres gleichen sucht. Pallanti deutet auf die Reben. Sie sind in der Lyra-Erziehung gewachsen. Das bedeutet, dass die Rebe statt nur eine Laubwand wie üblich, zwei Y-förmige Laubwände hat - doppelt so viele Blätter, damit steht der Pflanze mehr Energie zur Verfügung, aber die Arbeiter haben im Weinberg auch doppelt so viel zu tun. Mit einer weiten Geste deutet Pallanti auf alles, was ihn umgibt: die Reben, die Kellerei, die Maschinen, die Hügel. „Alles was wir hier machen, tun wir, um die beste Qualität zu erreichen“, sagt er. Das lernte er damals in Frankreich. Die Franzosen fragten schon damals bei allem, was sie taten, nach dem Warum. Und die Italiener? Pallanti lächelt nachsichtig. „Die machen halt einfach…

Dabei ist der Sangiovese eine Rebsorte, die es einem auf Qualität versessenen Winzer nicht leicht macht, da sie sehr rasch auf veränderte Bedingungen reagiert. Der Besitz von Castello di Ama erstreckt sich über fünf Täler, auf 40 Hektar wachsen Oliven, auf 90 Hektar Reben. „Die Entfernungen zwischen den Täler und den Weinbergen sind klein. Aber die Unterschiede im Wein sind groß“, sagt Pallanti. Wenn die Unterschiede so groß sind, wie soll dann der Wein den Ort erklären?“, frage ich. „Komm, ich zeige dir was“, sagt er. Um vor mehr als 30 Jahren die Kellerei zu bauen, trugen die Arbeiter damals ein kleines Stück des Hanges ab. Dort kann man nun sehen, wie der Boden auf dem Grund von Castello di Ama aufgebaut ist: Obenauf liegt etwa ein Meter lockere Erde. Dann kommt Albarese-Gestein, ab und an durchbrochen von etwas Lehm. „So sieht der Boden hier fast überall aus. Die Reben müssen richtig kämpfen, um tief zu gelangen. Das gibt dem Wein die Kraft“, sagt Pallanti. Wir treten vor das Kellereigebäude und blicken weit über die Hügel. „Schau, wie hoch wir liegen. Auf fast 500 Metern.“ Das heißt kühle Nächte und eine späte Lese. „Das ist gefährlich, weil der Sangiovese sehr reif sein muss, um Top-Qualitäten zu geben. Aber wenn wir das hinbekommen, dann gibt das dem Wein eine tolle Frische“, sagt Pallanti. Bleiben noch die Kunstwerke, die sich hier und da auf dem Grundstück finden. Seit dem Jahr 2000 lädt Pallanti jedes Jahr einen Künstler ein, der kommt und das Terroir auf seine Weise interpretiert. Sie beobachten manchmal wochenlang die Menschen bei der Arbeit, lassen die Umgebung auf sich wirken. Und dann schaffen sie etwas, das den Ort bereichert, ergänzt, verschönert. Wie die Mauern, die den Garten durchziehen. Sie sind Miniaturen der berühmtesten Mauern der Welt: etwa die Chinesische Mauer, die Berliner Mauer oder der Sperrwall in Israel. Alle sind kniehoch, so dass Besucher sie einfach überschreiten können. „Das gefällt mir daran besonders. Dass hier diese Mauern keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen“, sagt Pallanti.

So ist Castello di Ama im Laufe der Jahre zu etwas Besonderem geworden. Es ist nicht einfach nur ein weiteres Weingut in der Toskana, wie es viele gibt. Castello di Ama ist ein kleines Kunstwerk, wie die Weine von Marco Pallanti es sind. Sie haben eben nicht nur die Kraft aus dem Boden und die Frische von der Höhe. Sie haben - selbst der einfache Chianti Classico - eine enorme Eleganz, Komplexität und Intensität. Pallanti weiß mit dem dezenten Einsatz von Holz zu spielen, wie kaum ein Anderer. „Wein und Kunst haben noch eine Gemeinsamkeit“, sagt er zum Abschied. „Sie haben beide den gleichen Richter, der entscheidet, ob sie gut sind oder nicht: die Zeit.“

17/01/2015


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