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Der Schneckenhauskäfer
Berliner Mitbewohner
Der Schneckenhauskäfer
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Der Gleichfarbige Schneckenhauskäfer (Drilus concolor) ist ein zwar kleines, aber ziemlich originelles Insekt, das sich gleich durch mehrere Merkwürdigkeiten auszeichnet. Es gibt in Deutschland übrigens eine weitere Schneckenhauskäferart, die aber in Berlin nicht zu finden ist. Die borstigen Larven dieses recht seltenen Käfers leben von Gehäuseschnecken und kommen auch in Gärten vor, sofern diese solche Weichtiere beherbergen und nicht allzu aufgeräumt sind. Die Larven überwältigen Schnecken, die um ein Vielfaches größer und schwerer sind, mit Hilfe mehrerer Bisse in Kopf oder Nacken. Das Opfer versucht zwar, mit Defensivverhalten und Schleim die Angriffe abzuwehren, doch Schneckenhauskäferlarven sind überaus hartnäckig und praktisch immer erfolgreich. Mit ihren Bissen injizieren sie der Schnecke Sekrete, die das Weichtier töten und auch gleich verdauen. Die Kieferzangen der Larven haben eine Rinne, welche die Injektion des Sekrets erleichtert. Aufgenommen wird später ein außerhalb des Larvenkörpers verdauter, flüssiger Schneckenbrei. Die letzte vor der Verpuppung vertilgte Schnecke stellt ihr Haus obendrein unfreiwillig als Quartier zur Verfügung. Darin verwandelt sich die Larve erst zu einer so genannten Scheinpuppe, dann zur Puppe und später zum Käfer. Denn Drilus concolor durchläuft mehr Verwandlunsgstadien als sonst bei Käfern üblich. Nicht nur vor der endgültigen Verwandlung zum ausgewachsenen Tier, sondern auch vor der Überwinterung am Ende des ersten Sommers verwandelt sich die Larve in eine Scheinpuppe. Im Gegensatz zur bernsteinfarben und schwarz gefärbten, lauffreudigen Larve ist die Scheinpuppe blass, wenig behaart und kann nicht laufen. Im Frühjahr nach der Überwinterung häutet sie sich erneut und sieht dann wieder aus wie im Herbst zuvor – nur etwas größer. Sie geht auch wieder auf Schneckenjagd. Diese spezielle Form der vollständigen Metamorphose ist recht selten und wird als Hypermetamorphose bezeichnet. Auch die letzte von meist zwei, selten drei Überwinterungen geschieht als Scheinpuppe, die sich im dann folgenden Frühjahr aber zur echten Puppe häutet.
Weibchen im Larven-Look Handelt es sich um ein Männchen, schlüpft nach der letzten Überwinterung im Schneckenhaus ein kaum zentimetergroßer, schwarzer Käfer. Diese Tiere weisen alle typischen Merkmale eines Käfers auf und machen sich fliegend oder laufend auf die Suche nach einem Weibchen, Cucujus-Larve deren Sexuallockstoffe sie mit ihren gesägten Fühlern gut wahrnehmen können. Die Weibchen dagegen sehen immer noch wie Larven aus, nur ohne die langen Borsten. Sie können nicht fliegen, sondern laufen – zumal wenn die vielen Eier im Körper heranreifen – auf kurzen Beinchen schwerfällig umher. Daher bleiben sie teilweise in ihrem Schneckenhaus und erwarten dort ein Männchen, das sie um wenigstens das Dreifache an Länge übertreffen. Die etwa 250 befruchteten Eier werden später im Boden oder im Schneckenhaus abgelegt. Beide Geschlechter nehmen als Käfer keine Nahrung mehr zu sich. Sie zehren vielmehr von den Energiereserven, die sie als Larve angelegt haben. Von Mai bis September verzehrt eine Larve in der Regel monatlich eine Schnecke und häutet sich einige Zeit später. In der gewöhnlich zwei Jahre dauernden Entwicklung benötigen sie also durchschnittlich zehn Gehäuseschnecken. Oft handelt es sich um Bänderschnecken, die auch in Gärten häufiger auftreten. Diese Tiere spielen eine Rolle beim Abbau von abgestorbenem Pflanzenmaterial und sollten im naturnahen Garten mit Wohlwollen betrachtet werden. Im Gegensatz zur Spanischen Wegschnecke vergreifen sie sich relativ selten an grünen Pflanzenteilen. Gärtner*innen können leider nicht auf Hilfe hoffen: Schneckenhauskäferlarven fressen keine Wegschnecken. Jens Esser