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Der Plattenladen in der Hosentasche
from Apps Magazin 2/22
by CDA Verlag
MADE IN SWEDEN
Was viele nicht wissen: Der Streaming-Pionier Spotify, welcher Musik im Abo erst salonfähig gemacht hat, kommt aus dem schwedischen Stockholm.
Egal ob Spotify, Amazon Music Unlimited, Apple Music oder vergleichbare Anbieter - die meisten Musik-Streamingdienste unterscheiden sich nur marginal von der Konkurrenz. Das Angebot ist nahezu identisch, die Preis- und Abogestaltung ebenso. Doch gerade dann, wenn sich die Spreu nur minimal vom Weizen trennt, braucht es eine Instanz, die die wenigen Unterschiede herauskitzelt und Ihnen sagt, bei welchem Anbieter Sie das beste Angebot abstauben können und das meiste für Ihr Geld bekommen.
Das gehört zum guten Ton
Daher haben wir sechs dieser Anbieter unter die Lupe genommen. Fünf davon sind einer großen Mehrheit bekannt und großteils schon etliche Jahre im Geschäft. Einen weiteren Anbieter, der sein Heil im Hi-Res-Segment sucht, haben wir ebenfalls in den Vergleich mit aufgenommen. Die unterschiedlichen Dienste haben wir wochenlang unter die Lupe genommen - sowohl beim Sport, als auch im Auto, in den Ö s oder am Abend auf der Couch. Wir ließen uns von aktueller Musik berieseln, genossen zeitgenössische Klassiker, lauschten literarischer Kunst in Form von Hörbüchern und konsumierten unzählige unterhaltsame Podcasts. Außerdem wühlten wir uns durch die teils umfangreichen Webseiten der Anbieter und haben die kompletten Angebotspaletten untersucht. Auf den nächsten Seiten klären wir nicht nur die Frage, wer das beste Angebot für Musikstreaming bereithält, sondern zeigen auch alle Vor- und Nachteile auf.
Lossless - Marketing oder unverzichtbar?
Warum es beim Streamen (so gut wie) keine verlustfreie Qualität braucht
Immer mehr Streamingdienste versuchen, ihren Kunden mit Lossless-Musikqualität einen Abonnement-Abschluss zu entlocken. Der Begri „lossless“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „verlustfrei“, was eine besonders gute Qualität impliziert. Dass es diese Technologie überhaupt braucht, begründet sich in der Tatsache, dass unkomprimierte Musikstücke gut und gerne 40 MB aufweisen, während ein herkömmlicher MP3-Track nur rund 3-4 MB Speicherplatz oder - im Streamingbereich ganz wichtig - Downloadkapazität benötigt. Kleinere Dateien knabbern somit unterwegs weniger am freien Datenvolumen.
Die MP3-Datei, besser gesagt der verwendete Codec, ist in der Lage, die Titel um bestimmte Freqenzbereiche zu verringern, die das menschliche Gehör ohnehin nicht wahrnehmen kann. Ganz vereinfacht könnte man sagen, dass die stillen bzw. nicht hörbaren Bereiche eines Musiktitels entfernt werden, die die Datei unnötigerweise aufblasen und mehr lästiges Anhängsel als sinnvolle Ausnutzung des Speicherplatzes sind. Also ein relativ geringer Qualitätsverlust im Verhältnis zur immensen Ersparnis in der Dateigröße. Und genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Denn solch komprimierte Formate wie MP3 oder auch ACC werden gerade von audiophilen Menschen, die viel Wert auf einen möglichst uneingeschränkten Musikgenuss legen, verachtet. Allerdings, und da sind wir beim Punkt, sind diese Soundliebhaber wohl nur bedingt die Zielgruppe für Streamingdienste.
Für diese Personengruppe hat die Musikindustrie in den letzten Jahren mehr und mehr die Lossless-Technologie auf Schiene gebracht. Das verwendete Dateiformat wird FLAC genannt, es sorgt zwar ebenfalls für eine Kompression der Ursprungsdatei, vollbringt das allerdings nicht im Weglassen von Inhalten, sondern im e zienteren Ausnutzen von Dateigrößen. Damit ist eine FLAC-Datei zwar größer als eine MP3-Datei, jedoch kleiner als die Ursprungsversion bei beinahe identischer Qualität.
Die große Frage, ob dies der Durchschnittsnutzer braucht, müssen wir allerdings mit einem klaren Nein beantworten. Denn der überwiegende Teil der Musikstreamer konsumiert die Audioinhalte entweder per Smartphone und Kopfhörern oder mittels Bluetooth-Boxen. Und gerade bei Letzterem entsteht sogar beim Senden an das Ausgabegerät nochmals ein Qualitätsverlust. Zusammengefasst: Wenn Sie die Zielgruppe für Lossless-Audio sind, dann wissen Sie das. Und wenn Sie darüber rätseln, dann sind Sie es nicht.
Marktführer Spotify hat in Sachen Musikstreaming nach wie vor die Zügel fest in der Hand. Mit aktuell 172 Millionen Premium-Abonnenten und fast 400 Millionen aktiven Nutzern kann dem Anbieter aus Schweden niemand das Wasser reichen. Der Dienst hat seinerzeit Musikstreaming salonfähig gemacht und profi tiert enorm von seinem dualen Angebot, eine riesige Musikbibliothek auch Nicht-Bezahl-Kunden anzubieten - allerdings werbefi nanziert. Spotify-Nutzer profi tieren auch davon, dass der Dienst nicht nur auf iOS, Android und dem PC läuft. Auch auf zahlreichen Streamingboxen, Smart TVs und sogar Spielekonsolen hat sich Spotify etabliert. Und nicht zuletzt der umfangreiche Podcast-Bereich mit zahlreichen Eigenproduktionen sollte lobend erwähnt werden.
ja (3 Monate) ja ja ja ja ja 9,99 Euro 14,99 Euro
Hervorragend (92 %)
• zahlreiche Eigenproduktionen • funktioniert auf beinahe allen Plattformen • Import eigener Musik schwierig • Suchmaske mit gewissen Schwächen
Gut zu wissen: Für Podcast-Hörer dürfte Spotify der richtige Streaming dienst sein. Zahlreiche hochwertige Eigenproduktionen befinden sich exklusiv im Angebot des schwedischen Dienstes.
Apples hauseigener Musikstreamingdienst wurde im Juni 2015 erstmals vorgestellt und hat sich inzwischen zum bedeutenden Anbieter auf dem umkämpften Markt gemausert. Auch wenn der überwiegende Teil der Nutzer ein iPhone verwenden dürfte, so läuft Apple Music auch auf jedem Android-Gerät und lässt sich sogar auf Amazons Echo per Sprachsteuerung bedienen. Die Bedienung ist dennoch auf einem iPhone am besten ins Ökosystem integriert. Besonders gut gefällt uns die Suchfunktion, da die direkte Di erenzierung zwischen Inhalten in Apple Music und eigenen Musikstücken, die via iTunes auf dem Computer geladen wurden, mit nur einem Tastendruck möglich ist. Ansonsten bietet der Dienst alles, was das Herz begehrt - Playlisten, Empfehlungen von Musikexperten und Songtextanzeige inklusive.
Sehr gut (89 %)
• eigene Radiosender • eigene Songs integrierbar • keine Podcasts für Android • Jahresabonnement wird nicht aktiv beworben
Gut zu wissen: Auch wenn Apple es nicht aktiv bewirbt, so lässt sich das Monatsabo in den Einstellungen zum (vergünstigten) Jahresabonnement machen. Somit sparen sich Nutzer rund zwei Monatsgebühren.
Der Musikstreamingdienst des Versandgiganten kann auf zwei Arten abonniert werden. Als regulärer Nutzer, der über kein Prime-Abo verfügt, bezahlt man 9,99 Euro im Monat nach einer aktuell dreimonatigen, kostenlosen Testphase. Wer hingegen bereits im Amazon-Ökosystem zu Hause ist, über ein Prime-Abo verfügt oder einen EchoSprachassistenten zu Hause stehen hat, der kann von manchem Vorteil profi tieren. So werden für den Dienst dann nur 7,99 im Monat oder 79 Euro jährlich fällig, außerdem gibt es die Variante, nur 3,99 Euro für ein einzelnes Echo-Gerät zu bezahlen. Die App selbst ist sehr übersichtlich aufgebaut, der gewohnte Standard wie Playlisten, Podcasts und Millionen von Titeln wird ebenfalls geboten und HD-Audio für verlustfreie Qualität ist ohne Zusatzkosten mit an Bord.
ja (3 Monate) ja ja ja ja ja 9,99 Euro / 7,99 Euro * - * 14,99 Euro
Hervorragend (91 %)
• HD ohne Aufpreis • klar strukturierte Oberfläche • für Prime-Kunden günstiger • Musikangebot des kostenlosen Zuganges eingeschränkt • kein Upload eigener Songs
Gut zu wissen: Haben Sie einen Echo mit AlexaSprachsteuerung zu Hause, dann kann exklusiv für dieses eine Abspielgerät der Dienst um nur 3,99 Euro monatlich abonniert werden.
* nur für Prime-Kunden
Bereits seit geraumer Zeit gilt Deezer als Geheimtipp im hart umkämpften Markt der Streamingdienste. Mit einem riesengroßen Musikarchiv und neuerdings auch einem kostenlosen, werbefi nanzierten Zugang sowie einem HiFi-Angebot macht sich der aus Frankreich stammende Anbieter fi t für die Zukunft. Die App ist dabei ähnlich aufgebaut wie die der Mitbewerber. Auch die Möglichkeiten, Playlisten zu erstellen, vorgefertigte Empfehlungen zu konsumieren oder Songs nach Genres sortiert abzuspielen fi nden sich in Deezer. Außerdem unterstützt der Anbieter zahlreiche Lautsprecher, auf denen sich die Musik dann ebenfalls anhören lässt. Etwas schade fi nden wir das Songlimit für Playlisten, Downloads oder allgemein Lieblingssongs. Für Letztere liegt die Grenze bei 10.000.
Hervorragend (94 %)
• eigene Songs integrierbar • umfangreiches Angebot • günstigstes Jahresabo • Songlimits für Playlisten • für HiFi muss extra bezahlt werden
Gut zu wissen: Für unter 90 Euro bekommen Nutzer mit “Deezer Premium Ein Jahr” das aktuell günstigste Stand-Alone-Jahresangebot eines MusikstreamingAnbieters.
Googles YouTube Music hatte eine lange Vorlaufzeit, bevor der Dienst schließlich im Sommer 2018 an den Start ging. Als Arbeitstitel stand lange Zeit YouTube Red im Raum und schließlich kam Googles Streamingdienst in der jetzigen Form vor vier Jahren nach Deutschland. Der Dienst ist ähnlich aufgebaut wie die Konkurrenz, auch beim Preis wagt Google keinen Stunt und bietet das Monatsabo für 9,99 Euro an. Was den Dienst allerdings so besonders macht, ist die Möglichkeit, immer dann wo welche verfügbar sind, sich Videos zum Musiktitel anzeigen zu lassen. Dazu müssen Sie lediglich den Slider auf der Oberseite (siehe Abbildung) zwischen Song und Video hin- und herschieben. Diese Funktion war in unseren Tests mehr als einmal eine sehr beliebten Option.
Sehr gut (86 %)
• Zugriff auf YouTube-Musikangebot • werbefreies YouTube für Aufpreis von 2 Euro monatlich • kein Lossless-Angebot •keine integrierten Podcasts • kein Jahresabo
Gut zu wissen: Nutzer von YouTube Music können für einen Aufpreis von lediglich zwei Euro im Monat das komplette YouTube-Angebot (Premium) werbefrei nutzen und zudem Videos auf Smartphones im Hintergrund abspielen.
Als Lossless-Musikstreaming bei den Platzhirschen der Branche noch kein Thema war, hatte Qobuz bereits den sprichwörtlichen Fuß in der damals noch nicht vorhandenen Türe und setzte auf verlustfreies Musikhören. Der Dienst hat seine Abostruktur stark vereinfacht und bietet Hi-Res-Inhalte und Musik in CD-Qualität, so der Tenor auf der Webseite, in den zwei Abostufen „Studio Premier“ und „Studio Sublime“ an. Die Qualität der Musikstücke, die in verlustfreier Version verfügbar sind, hebt sich tatsächlich merkbar vom herkömmlichen MP3-Einheitsbrei der Konkurrenz ab. Allerdings sind diese Unterschiede nur auf qualitativ hochwertigen Endgeräten merkbar, keinesfalls bei In-Ear-Headsets oder bei Bluetooth-Boxen. Und bei Weitem nicht jeder Track ist in Hi-Res verfügbar, alle aber zumindest in CD-Qualität.
Sehr gut (88 %)
• Musik in höchster Qualität • Shop für digitale Alben • Flair eines Plattenladens • keine integrierten Podcasts • für “Otto Normalhörer” zu teuer
Gut zu wissen: Neben dem Streamingangebot besteht auch die Möglichkeit, im digitalen Plattenladen einzukaufen. Diese Alben gehören einem dann für immer, auch nach Beendigung des Abos.
Deezer
Kostenlose Testphase ja (1 Monat)
Podcasts
ja Offline-Modus ja Verlustfreies Streamen ja
Gratiszugang mit Werbung
ja
Browseranwendung ja Preis Monatsabo 9,99 Euro Preis Jahresabo 89,91 Euro
Spotify Amazon Music
ja (3 Monate) ja (3 Monate)
ja ja
ja ja ja ja ja ja
ja 9,99 Euro ja 9,99 Euro / 7,99 Euro * - *
GESAMTNOTE Hervorragend (94 %) Hervorragend (92 %) Hervorragend (91 %)
* nur für Prime-Kunden
Apple Music YouTube Music qobuz
Kostenlose Testphase ja (1 Monat) ja (1 Monat) ja (1 Monat)
Podcasts
nein nein nein
Offline-Modus ja Verlustfreies Streamen ja
Gratiszugang mit Werbung
nein
ja 14,99 Euro ja nein ja
ja 9,99 Euro
Preis Jahresabo 99,00 Euro 149,99 Euro -
GESAMTNOTE Sehr gut (89 %) Sehr gut (88 %) Sehr gut (86 %)
FAZIT
Wie bereits eingangs signalisiert, unterscheiden sich die getesteten MusikstreamingAnbieter nur marginal voneinander. Bis auf Qobuz, der bewusst die Hi-Res-Schiene bedient und damit einen anderen Kundenstamm anspricht, hat jeder Dienst ein Standard-Abo für monatlich rund zehn Euro im Angebot. Und auch ein vergünstigter Familytarif für bis zu sechs Familienmitglieder ist in jedem Portfolio zu fi nden. Ein klassischer Preis-Leistungssieger ist aufgrund der minimalen Unterschiede nur schwer festzumachen, denn selbst die Di erenzierung nach einem ein- oder dreimonatigen Testzeitraum wird der Tatsache nicht gerecht, dass der Dienst der Wahl eigentlich zum Durchlaufposten auf dem Konto werden dürfte. Denn wird einmal damit begonnen, sich eine Struktur an Playlisten und eine Favoritenliste anzulegen, wird ein möglicher Wechsel mit jedem Monat, den man bei einem Dienst verbringt, schwieriger und umfangreicher.
Deshalb ist es auch umso wichtiger, Deshalb ist es auch umso wichtiger, vor dem Abschluss eines Abos gründlich zu recherchieren und zu überlegen, welcher Dienst denn nun der richtige für Sie ist. Und genauso verhält es sich, wenn Sie bereits einen Dienst angemeldet haben. Dann sollte ein möglicher Wechsel gut überlegt werden - aus bereits angeführten Gründen. Was wir aber auch mit Sicherheit festmachen können: Keiner der getesteten Dienste fällt auch nur in irgendeiner Form merklich ab. Somit können Sie also ohnehin keinen großen Fehler begehen.