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SCHLUMMERLAND
Sound für unterwegs
Foto: © Benedikt Grundberger
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3 FRAGEN AN Seraphim Grundberger
Einen Wagen voller Musik: Den hat sich Multiinstrumentalist Seraphim Grundberger gebaut. Mit „Seraphim’s Soundmobil“ spielt er als improvisierender Alleinunterhalter. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erzählt der 34-jährige Freiburger von Geklimper, Flexibilität und seinem Namen.
Was verbirgt sich hinter Seraphim’s Soundmobil?
Ein experimentierfreudiger Musiker mit Liebe zur Improvisation, allerlei kreative Instrumente, gutes technisches Equipment und das nötige „Knowhow“, um einen tollen Sound zu kreieren. Das Soundmobil ist ein individuell gebauter Holzwagen mit Loopstation, Mischpult und Verstärker. Das alles stromautark mit Akku, das schafft maximale Flexibilität für jedes Event.
Was für Instrumente nutzen Sie?
Touri-Souvenirs aus Lateinamerika, hochwertige Flöten aus Asien, Shrutibox, Handpan, Gitarre, Klangschale. Dazu allerlei Gerassel und Geklimper – eigentlich alles, was mir in die Hände kommt. Natürlich auch die Stimme und meinen Körper als Klangraum. Auch eine gechillte Beatbox ist im Programm.
Sie nennen sich Pacha Gingo, warum?
Pacha bedeutet Erde in Quechua. Auf einer kleinen Insel diesen Sommer in Costa Rica schrieb ich meinen alten Künstlernamen „Pacha Gringo“ auf eine Kokosnuss und legte sie an einen besonderen Ort. Ein paar Tage später las ich Pacha Gingo ohne „r“. Entweder ich habe das „r“ vergessen oder es ist auf magische Weise entschwunden.
www.pachagingo.com
NINA & THE HOT SPOTS MONKEY BUSINESS
Rock ’n’ Roll
TRÜMMER FRÜHER WAR GESTERN
Indie-Rock
P latte des Mon a ts
Musikalische Zeitreise
(tln). Nina & the Hot Spots – der Bandname klingt aus der Zeit gefallen. Das hat einen einfachen Grund: Das Freiburger Quintett lässt sich von der Musik früherer Dekaden inspirieren: Rock ’n’ Roll, Swing und Rockabilly gehören zu den Zutaten, die Nina und ihre vier Mitmusiker für ihre Songs anrühren.
Die Nummern auf dem Debütalbum beflügeln Beine und Vorstellungskraft. Der Vorhang des Kopfkinos geht auf, und der geneigte Hörer steigt mit Doc Brown und Marty McFly aus dem zeitreisenden DeLorean. Haltestelle: Irgendwo in den USA der 1950er-Jahre.
Sicher, weltbewegend ist das nicht. Aber zeugt es angesichts einer ganz anders gearteten zeitgenössischen Musik nicht von Kreativität, sich an der Kunst früherer Epochen abzuarbeiten?
Sängerin Nina Salhab erweckt die dreizehn Songs mit ihrer ausdrucksstarken Stimme zum Leben, musikalisch setzt vor allem Uwe Pickardt mit seinen Saxophoneinlagen Akzente. Bei Nummern wie dem Titelsong oder der bereits 2020 erschienenen Single „Barber Bop“ wächst die Lust, die Gruppe in einem möglichst vollen Club live zu erleben. Man braucht ja schließlich keinen DeLorean für ein Musikerlebnis im Stile vergangener Tage.
Indie-Rock mit Verstand
(tln). Fünf Jahre sind seit dem zweiten Album von „Trümmer“ ins Land gezogen. Doch keine Sorge: Die Jungs aus Hamburg haben ihr Handwerk nicht verlernt. Wer auf deutschsprachigen Indie mit unkonventionellen und durchdachten Texten steht, kann getrost zugreifen.
Inhaltlich arbeiten sich „Trümmer“ in ihren elf Songs an verschiedenen Themen ab. „Ich wär so gern ein Optimist“, gesteht Frontmann Paul Pötsch im Opener „Wann wenn nicht“ über verzerrte Gitarren und ruft dazu auf, etwas zu einer besseren Realität beizutragen. Deutliche Worte findet das Quartett in der Nummer „Draußen vor der Tür“: Pötsch und Co. positionieren sich dezidiert gegen Populismus und Nationalismus. Und wie nebenbei hat es mit „Tauben an der Ihme“ ein herrlich unkitschiges und ironisches Stück über den großen lyrischen Dauerbrenner, die Liebe, auf den Longplayer geschafft. Musikalisch packt die Band ihre Texte in ein gitarrenbasiertes Indie-Gewand, mal getragen, mal im Midtempo, dann wieder nach vorne.
Fazit: Das neue Werk von „Trümmer“ überzeugt. Und motiviert, ganz im Sinne des Titels des Highlights der Platte, mal über den Tellerrand rauszublicken und ein bisschen mehr Utopie zu wagen: „Aus Prinzip gegen das Prinzip“ – eine perfekte Selbstbeschreibung der Band.
DIE ÄRZTE DUNKEL
Rock
MEEK MILL EXPENSIVE PAIN
US-Rap
Gute, alte Punks
(db). Knapp ein Jahr nach ihrem bisher letzten Album „Hell“ legen Die Ärzte mit „Dunkel“ nach. Die neue Scheibe bietet ein buntes Potpourri an musikalischen Einflüssen: Zwischen Barbershop, EDM und Sergio-Leone-Gedächtnismundharmonika blitzen die obligatorischen treibenden Gitarrenläufe auf, die Fans lieben und erwarten. Das klingt mal ungewohnt, mal virtuos.
Die Texte bewegen sich leider in Abstufungen alberner Dümmlichkeit und gratismutiger Belanglosigkeit. Aller Ironie zum Trotz zünden Zeilen wie „Ob wir wohl bald zusammenwohnen? Und hoffentlich hat sie Brüste wie Melonen“ von fast Sechzigjährigen einfach nicht mehr. Anfang der 90er mag es irgendwie subversiv gewesen sein, Nazis als „Arschloch!“ zu bezeichnen. Heute lockt das Statement, Rechtsradikale seien doof, keinen müden Hund mehr hinterm Ofen vor.
Apropos: Neue Tricks lernen Hunde im Alter auch nicht mehr. Es fällt also schwer, den Ärzten das vorzuwerfen, was sie kompromisslos seit fast vierzig Jahren am besten machen: verdammt spaßige Rockmusik, die zum Feiern und Mitsingen einlädt und im Zweifel politisch nichts falsch macht. Die treue Fangemeinde der deutschen Rock-Institution wird das Album wieder zu Recht bejubeln. Alle anderen verpassen nichts, wenn sie weghören.
Schmerz und Glamour
(tln). Erfolg ist der für den Grammy nominierte Rapper Meek Mill gewöhnt. Aber auch den Schmerz. Mit seinem neuen Album „Expensive Pain“ gibt der Mann aus Philadelphia dem Auf und Ab einen Namen. 18 Songs sind auf seiner fünften Soloplatte. Das Intro „Hate on Me“ erinnert flowtechnisch an Kendrick Lamar. Wütend klingt der Rapper, wenn er gegen die anderen austeilt. So geht das auch in „Outside“ weiter. Energie hat das, auf viel Tiefgang darf man nicht hoffen. Für das inflationär verwendete „Bitch“ gäbe es auch Alternativen.
Thematisch geht’s bei dem 34-Jährigen auch um psychische Probleme und das US-Strafrecht. Am liebsten erzählt er aber von Ruhm und Reichtum, dem Glamour im Kontrast zu seiner schwierigen Vergangenheit: Als 13-Jähriger habe er kaum etwas zu essen gehabt. Sein Vater wurde erschossen, als er ein Kind war.
Ein Highlight ist der Titeltrack „Expensive Pain“. Meek Mill erzählt auf einem souligen Beat seine Geschichte: Es geht um Gefängnisstrafen, Konflikte mit der Polizei und seine heutige Walt-Disney-Traumwelt. Solchen Sound hätte das Album mehr vertragen können. Der Mix aus Trap, R’n’B und Pop-Elementen wirkt willkürlich. Auch wenn das an den Rapskills des erfolgsverwöhnten Künstlers nichts ändert.
... heute extraterrestrisch
Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen – nicht nur, aber vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.
Warum sich nicht mal in den Weiten des Weltalls umhören? Wir haben auf der Erde genug zu tun, aber auch im Orbit sollte es gewisse Mindestgeschmacksstandards geben, zumal wir ja irgendwann die verbrannte Erde eh zurücklassen müssen, um uns in der Milchstraße ein neues Zuhause zu suchen. Also zurück in die Zukunft.
Der Sänger Andy Andres war diesbezüglich sehr vorausschauend und beschäftigte sich 1978 schon mit fremden Welten. In dem Song „Wenn ein Wega-Junge Liebeskummer hat“ thematisiert er den Liebeskummer eines jungen Mannes vom Planeten Wega. Das ist naheliegend. Ein grüner Junge namens XP² setzt sich aufgrund von Liebeskummer in sein Raumschiff, kurvt durch die Galaxis und landet schließlich auf der Erde, wo er dann auf den Sänger trifft.
Dem schüttet er sein Herz aus und bittet ihn um Rat. Er ist sozusagen der Vorläufer von Fred vom Jupiter und Codo von DÖF, nur eben in schlecht. Es fiept und pluckert, ein Synthi wird exzessiv bemüht, die 70er halt – ziemlich crazy und ganz heiß auf die sexy Future. Irgendwann werden die Außerirdischen selber zum Mikro greifen, das Gute daran: Wir verstehen es dann nicht: Sfsdäärüghjzjzzzz nhtääölkkukzklkkzkk äääzkzzkulkjeeöökkkzhjt ? In etwa so – nur dass dies bloß Kaiserstühler Dialekt ist. Die Vulkanier sind ja irgendwie auch nicht von dieser Welt.
Von hinterm Mond grüßt Ralf Welteroth für die Geschmackspolizei