Medien in Zentralasien

Page 1

Verfasser: Schüpp, Christoph (3.12.1971)

DIPLOMARBEIT Medien in Zentralasien unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen der Journalisten

Christoph Schüpp Gilsingstraße 27 44789 Bochum Tel: 0234 – 13 80 3 Mobil: 0173 – 25 27 672 e-mail: schuepp@hotmail.com


1. Gutachter:

Prof. Dr. Gerd Kopper

2. Gutachter:

Katharina Schliep

Tag der m端ndlichen Pr端fung:

10. Februar 2000

Nebenfach des Diplomanden:

Anglistik / Amerikanistik


INHALTSVERZEICHNIS 1

Kurzzusammenfassung

1

2

Die Region Zentralasien und ihre Staaten

2

2.1

Kasachstan

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5

Geographie Kasachstans Bevölkerung Kasachstans Geschichte und Politik Kasachstans Der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew Wirtschaft Kasachstans

5 5 6 6 8 9

2.2

Kirgisien

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Geographie Kirgisiens Bevölkerung Kirgisiens Geschichte und Politik Kirgisiens Der Präsident Kirgisiens, Askar Akajew Wirtschaft Kirgisiens

2.3

Tadschikistan

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

Geographie Tadschikistans Bevölkerung Tadschikistans Geschichte und Politik Tadschikistans Der Präsident Tadschikistans, Imomali Rakhmonov Wirtschaft Tadschikistans

2.4

Turkmenistan

2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5

Geographie Turkmenistans Bevölkerung Turkmenistans Geschichte und Politik Turkmenistans Der Präsident Turkmenistans, Saparmurat Niyazov Wirtschaft Turkmenistans

2.5

Usbekistan

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5

Geographie Usbekistans Bevölkerung Usbekistans Geschichte und Politik Usbekistans Der Präsident Usbekistans, Islam Karimov Wirtschaft Usbekistans

3 3.1

Aktuelle Situation der Medien und der Arbeitsbedingungen der Journalisten in Zentralasien Medien in Kasachstan

3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5

Elektronische Medien Printmedien Nachrichtenagenturen Internet Der rechtliche Rahmen I

10 10 11 12 13 14 15 15 16 17 22 22 25 25 26 27 28 30 31 31 32 33 36 36 37 39 39 40 41 42 42


3.1.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Kasachstan 3.1.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Kasachstan – Probleme der unabhängigen Medien 3.1.8 Persönliche Erfahrungsberichte kasachischer Journalisten 3.1.9 Perspektiven für die kasachischen Medien

44 47

3.2

54 54 55 57 57 58 60 62

Medien in Kirgisien

3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7

Elektronische Medien Printmedien Nachrichtenagenturen Internet Der rechtliche Rahmen Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Kirgisien Arbeitsbedingungen der Journalisten in Kirgisien – Probleme der unabhängigen Medien 3.2.8 Persönliche Erfahrungsberichte kirgisischer Journalisten 3.2.9 Perspektiven für die kirgisischen Medien

3.3

Medien in Tadschikistan

3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

49 51

66 67 70 70 74 77 78 79 81 86

Elektronische Medien Printmedien Nachrichtenagenturen Internet Der rechtliche Rahmen Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Tadschikistan Arbeitsbedingungen der Journalisten in Tadschikistan – Probleme der unabhängigen Medien 3.3.8 Persönliche Erfahrungsberichte tadschikischer Journalisten 3.3.9 Perspektiven für die tadschikischen Medien

88 91

3.4

97

Medien in Turkmenistan

3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7

Elektronische Medien Printmedien Nachrichtenagenturen Internet Der rechtliche Rahmen Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Turkmenistan Arbeitsbedingungen der Journalisten in Turkmenistan – Probleme der unabhängigen Medien 3.4.8 Persönliche Erfahrungsberichte turkmenischer Journalisten 3.4.9 Perspektiven für die turkmenischen Medien

3.5

Medien in Usbekistan

3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6

Elektronische Medien Printmedien Nachrichtenagenturen Internet Der rechtliche Rahmen Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Usbekistan II

97 98 99 99 99 102 103 105 106 107 108 110 113 114 116 118


3.5.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Usbekistan – Probleme der unabhängigen Medien 3.5.8 Persönliche Erfahrungsberichte usbekischer Journalisten 3.5.9 Perspektiven für die usbekischen Medien

119

4

Vergleichsanalyse

127

5

Internationale Medienorganisationen in Zentralasien

5.1 5.2 5.3

Internews Radio Free Europe / Radio Liberty British Broadcasting Corporation (BBC)

131 131 133 134

6

Fazit

135

7

Quellenverzeichnis

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Literaturangaben Gesetzestexte (ohne Autorenangabe) Karten- und Bildmaterial Weitere Medien Persönliche Gespräche / Interviews

137 137 146 146 147 147

III

120 124


1

Kurzzusammenfassung

Die vorliegende Diplomarbeit Medien in Zentralasien unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen der Journalisten beschäftigt sich mit der Situation der Journalisten in den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in den 90er Jahren und ihren Perspektiven für das 21. Jahrhundert. In der empirischen Arbeit werden zunächst die geographischen, demographischen, geschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Eckdaten der genannten Länder skizziert, da diese das Gerüst für das aktuelle Medienumfeld darstellen. Im Anschluss daran wird in alphabetischer Reihenfolge die Entwicklung der Medien der fünf unabhängigen Staaten beschrieben und anhand zahlreicher persönlicher Erfahrungberichte von zentralasiatischen Journalisten und westlichen Journalisten, die aus Zentralasien berichten, verdeutlicht, wie die Arbeitsbedingungen dort zurzeit aussehen. Schon dabei fällt auf, dass die ehemals sowjetischen Länder sich in den vergangenen neun Jahren der Unabhängigkeit medientechnisch zum Teil grundlegend unterschiedlich entwickelt haben. So gelten in Kasachstan und Kirgisien vergleichsweise liberale Mediengesetze und die Journalisten arbeiten zwar unter ständiger Beobachtung durch die Regierungen, aber trotzdem in einem für sie erträglichen Medienumfeld. Tadschikistan nimmt eine Sonderstellung ein, da das Land wirtschaftlich und politisch nach einem Bürgerkrieg Anfang der 90er Jahre noch immer extrem instabil ist und auch die Arbeitsbedingungen der Journalisten unter diesen erschwerten Bedingungen leiden. Zwischen 1992 und 1994 starben mehr als 40 tadschikische Journalisten im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes. Diese Tatsache machte das kleinste zentralasiatische Land zu einer der tödlichsten Regionen für Journalisten und wirft noch heute seine dunklen Schatten über die gesamte Region. In Usbekistan und Turkmenistan herrschen seit Beginn der Unabhängigkeit 1991 zwei Diktatoren, denen fast alle Mittel recht sind, um gegen unabhängige Journalisten vorzugehen. Vor allem in Turkmenistan ist die Situation der Journalisten besonders schlecht. Dort existieren heute überhaupt keine unabhängigen Medien mehr und die Perspektiven für die kommenden Jahre oder Jahrzehnte lassen auch nicht auf eine Änderung des Status quo schließen. Nach der eingehenden Untersuchung der aktuellen Situation der Journalisten in den verschiedenen Ländern stelle ich die wichtigsten Unterschiede heraus und erkläre mit Hilfe der persönlichen Erfahrungen zentralasiatischer Journalisten, wie diese Unterschiede im Laufe der vergangenen neun Jahre zustande gekommen sind. Dabei wird deutlich, dass vor allem das politische Umfeld ausschlaggebend für die Handhabung der Mediengesetze und die Verbesserung bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Journalisten ist. Je stärker und autoritärer ein Präsident in Zentralasien seine Amtsgeschäfte führt, desto größer wird der Druck auf die Journalisten. Lediglich in den Ländern, in denen eine politische Opposition existiert und auf gesellschaftlicher Basis Diskussionen geführt werden, können auch die Medien durch eine aggressive und investigative Berichterstattung ihren Beitrag zur weiteren Demokratisierung der Gesellschaft leisten. Die Perspektiven der zentralasiatischen Medien und der Arbeitsbedingungen der Journalisten sind genau wie ihre aktuelle Situation abhängig von der politischen Entwicklung. Da durch die zum Teil diktatorischen Zustände keine besonderen politischen Veränderungen zu erwarten sind, scheint auch die Zukunft der zentralasiatischen Journalisten nicht viel Neues zu bringen. Eine Verbesserung der Situation könnte durch Medienassistenz-Organisationen aus dem Westen erreicht werden, die den Journalisten vor Ort mit finanziellen, technischen und juristischen Hilfen zur Seite stehen. Außerdem zeigt das Modell des Radiosenders Radio Free Europe / Radio Liberty, dass es möglich ist, journalistische Ressourcen auch aus dem Ausland gezielt in einer Region einzusetzen, in der die Regierungen den Journalisten vor Ort die tägliche Arbeit mit allen Mitteln zu erschweren versuchen.

1


2

Die Region Zentralasien und ihre Staaten

Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat das Bild Europas in den letzten zehn Jahren maßgeblich verändert. Doch auch in Asien spüren die Menschen die Auswirkungen von Glasnost und Perestroika. Aus der ehemaligen Sowjetunion entstanden im vorderasiatischen Kaukasus die eigenständigen Staaten Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Die Teilrepublik Tschetschenien kämpft mittlerweile schon zum zweiten Mal in einem blutigen Krieg gegen Moskau um ihre Unabhängigkeit von Russland. Ihr Status ist weiterhin ungeklärt. Weite Teile des Landes sind annähernd vollständig verwüstet. In Zentralasien riefen Anfang der 90er Jahre gleich fünf ehemalige Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit aus. Die Länder Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan gehören nach wie vor der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an. Sie bilden kulturell und geographisch gesehen die Region, die seit Jahrhunderten als Chtlyzz Fpbz (Srednaja Asija), Mittelasien, bekannt ist und in der folgenden Karte geographisch dargestellt ist. 1.

Abbildung 1: Übersichtskarte Zentralasien1

Zentralasien umfasst im eigentlichen Sinne die vier ehemaligen Sowjetrepubliken Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Wegen der engen Verwandtschaft der zentralasiatischen Völker mit den Kasachen, deren riesiges Land sich im Norden an Zentralasien anschließt, wird jedoch auch Kasachstan im Allgemeinen als fünftes Land unter dem Begriff Zentral- oder Mittelasien miteinbezogen. Zentralasien erstreckt sich somit auf 5.800.000 km² von der Ostküste des Kaspischen Meeres aus vorbei am Kopet Dag-Gebirge, das Turkmenistan vom Iran trennt, entlang des Amu Da1

Central Asia Access. Übersichtskarte Zentralasien. http://www.jca.ax.apc.org/~y-okada/igc/apc-e/intl/centasia.html. (18.1.1999)

2


rya- und des Pyanj-Flusses bis in die Hochregionen des Pamir-Gebirges. Von dort verlaufen die Grenzen Zentralasiens über das Tien Shan-Gebirge, bevor sie am Altai-Gebirge in nordwestliche Richtung schwenken und dem Fluss Irtysh bis fast zur russischen Stadt Omsk folgen. Hier geht es weiter in Richtung Westen, wo der zentralasiatische Raum in der Nähe des Urals an der Nordseite des Kaspischen Meeres nahe Wolgograd und Astrachan ein Ende findet. Wegen der enormen Distanzen zwischen dem westlichsten und dem östlichsten Punkt Zentralasiens und den erheblichen Höhenunterschieden lässt sich kein homogenes Bild dieser Region zeichnen. Während vor allem in Kasachstan ein Großteil des Landes aus Steppe besteht, liegen in Kirgisien mehr als 40 Prozent des Landes in einer Höhe von mehr als 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Besonders hervorzuheben sind die drei großen Seen Zentralasiens, die vor allem für die vier kleineren Staaten bedeutenden Flüsse und die gewaltigen Gebirgsketten, die die Region von Afghanistan, dem indischen Subkontinent und dem östlichen Nachbarn, der Volksrepublik China trennen. Die drei großen Seen befinden sich in unmittelbarer Nähe des 40. Grades nördlicher Breite. An der Grenze von Kasachsatan und Usbekistan liegt der Aralsee, der zwischen 1966 und 1993 um 75 Prozent2 geschrumpft ist. Der Grund hierfür ist die Ausbeutung der Flüsse Syr Darya und Amu Darya, welche zur extensiven Bewässerung der Baumwollplantagen in Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan gebraucht wurden bzw. werden und daher nur noch zu sehr geringen Teilen bis zu ihrem eigentlichen Bestimmungsort, dem Aralsee, gelangen. Da vor allem auf der usbekischen Seite des Aralsees dieser Raubbau an der Natur deutlich wird, befasst sich das Kapitel 2.5.1 (Geographie Usbekistans) näher mit der Entwicklung und dem aktuellen Zustand des Aralsees. Weiter östlich liegen die anderen beiden großen Seen Zentralasiens. Der Lake Balqash in Kasachstan und der Lake Issyk-Kul in Kirgisien werden in den Unterkapiteln 2.1.1 (Geographie Kasachstans) bzw. 2.1.2 (Geographie Kirgisiens) näher beschrieben. Die Flüsse, die die mittelasiatische Region seit Jahrhunderten prägen, sind die bereits genannten Zwillingsströme Syr Darya (früher Iaxartes genannt) und Amu Darya (früher als Oxus bekannt). Sie fließen aus dem Hochland des Tien Shan- bzw. des Pamir-Gebirges in westlicher Richtung durch die wenig fruchtbaren Wüsten Kyzylkum in Usbekistan und Muyunkum in Kasachstan. Durch ihre Funktion als Bewässerungsquelle für die dortigen Baumwollplantagen gelten sie als Lebensadern Zentralasiens, die in ihrer Bedeutung für die Region zu vergleichen sind mit dem, was der Nil für Ägypten bedeutet. Bahnlinien, Siedlungen und Städte entstanden zumeist da, wo die Wasserversorgung sichergestellt war, d.h. in der Nähe der großen Flüsse. Außerdem kommt dem Amu Darya die politisch-geographische Aufgabe zu, Zentralasien von den südlicher gelegenen Staaten Asiens als Grenzfluss zu trennen. Die auffälligste geographische Einheit in Zentralasien sind jedoch weder die Flüsse, noch die Seen. Was beim Blick auf die Landkarte am eindrucksvollsten zu sehen ist, sind die massiven Gebirgsketten der Region. Sie befinden sich im südöstlichen Teil Mittelasiens, wo die Region an die Nachbarstaaten Afghanistan, Pakistan und China grenzt. Das Pamir-Gebirge, das vor allem in Tadschikistan für extreme Höhenunterschiede sorgt, stellt mit dem Pik Kommunisma (7.495 Meter) den höchsten Berg der ehemaligen Sowjetunion. Zusammen mit dem afghanischen Hindu Kush, dem pakistanischen Karakorum und dem tibetanischen Himalaya wird das Pamir-Gebirge als das Roof of the world3, das Dach der Welt, bezeichnet. Weiter nördlich, wo Kirgisien und China sich treffen, finden wir das Tien Shan-Gebirge, das in früheren Zeiten ebenfalls eine kaum zu überwindende Hürde für die Bewohner dieser Region darstellte. Die Gebirgskette des Tien Shan wird von den Chinesen Heavenly Mountains, Himmlische Berge, genannt.4 2 3 4

vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 48 vgl. Howe, G. Melvyn. The Soviet Union. A Geographical Survey. S. 437 ebenda. S. 438

3


Die Eingeschlossenheit Zentralasiens durch die Hochgebirge ist dafür verantwortlich, dass keine feuchttropische Luft aus dem Süden heraufziehen kann. Lediglich zum Norden hin öffnet sich die Region zum russischen Flachland hin. Doch die riesige Entfernung bis zum Arktischen Ozean verhindert eine klimatische Einflussnahme von dieser Seite. Zusammengenommen sorgen die genannten Faktoren dafür, dass Zentralasien die trockenste Gegend der ehemaligen UdSSR darstellt. In der Seidenstraßen-Stadt Bukhara beträgt die Niederschlagsmenge pro Jahr z.B. nur 113 Millimeter5. Städte wie Urgench oder Nukus (beide in Usbekistan), die zwischen den beiden großen Wüsten Karakum und Kyzylkum gelegen sind, sehen noch weniger Regen. Die Winter in Zentralasien sind mild im Flachland und extrem kalt im Hochgebirge. Im Sommer steigen die Temperaturen vor allem in den westlich gelegenen Wüsten Mittelasiens auf 44 bis 46º C an. Die folgenden Tabellen verdeutlichen die extremen Klimaunterschiede, die sich aus den aufgeführten geographischen Gegebenheiten in Zentralasien ableiten lassen. Tabelle 1: Klimaangaben für die ehemalige Hauptstadt Kasachstans, Almaty6

Monat Temperatur Niederschlag

J

F

M

A

M

J

J

A

S

O

N

D

-3 32

-1 28

-6 60

15 95

21 93

26 62

29 38

28 27

23 26

14 50

5 48

0 34

Tabelle 2: Klimaangaben für die Hauptstadt Kirgisiens, Bishkek7

Monat Temperatur Niederschlag

J

F

M

A

M

J

J

A

S

O

N

D

2 27

3 18

9 45

19 68

23 45

30 40

33 16

31 15

26 13

18 27

10 40

4 43

Tabelle 3: Klimaangaben für die Hauptstadt Tadschikistans, Dushanbe8

Monat Temperatur Niederschlag

J

F

9 10 66 70

M

A

15 21 118 109

M

J

J

A

S

O

N

D

27 68

33 12

36 2

34 2

30 3

23 30

17 47

11 68

Tabelle 4: Klimaangaben für die Hauptstadt Turkmenistans, Ashgabat9

Monat Temperatur Niederschlag

J

F

M

A

M

J

J

A

S

O

N

D

6 22

10 22

13 47

22 43

27 28

34 8

38 3

36 2

30 1

22 11

15 19

9 18

Tabelle 5: Klimaangaben für die Hauptstadt Usbekistans, Tashkent10

Monat Temperatur Niederschlag

5 6

7 8 9 10

J

F

M

A

M

J

J

A

S

O

N

D

4 47

7 42

12 63

20 54

27 31

32 16

35 4

33 1

28 3

20 27

12 40

6 48

ebenda. S. 438 vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 39 (Temperaturangaben in 0C, Niederschlag in mm) ebenda ebenda ebenda ebenda

4


2.1 Kasachstan

Abbildung 2: Übersichtskarte Kasachstan11

2.1.1 Geographie Kasachstans Die Republik Kasachstan ist mit einer Fläche von 2.717.300 km² nach der Russischen Föderation (17.075.400 km²) der zweitgrößte aus der Sowjetunion hervorgegangene Staat. Weltweit gesehen gibt es nur acht Länder, deren Territorium größer ist als das Kasachstans12. Allerdings ist Kasachstan das größte Land der Erde ohne Zugang zu einem der Weltmeere. Der westlichste Punkt des Landes liegt bei 47º östlicher Länge nahe der russischen Stadt Wolgograd, während der östlichste Punkt bei 87º östlicher Länge nur wenige Kilometer von der Mongolei entfernt ist. Im äußersten Norden Kasachstans befindet sich bei 55º nördlicher Breite die Stadt Petropavlovsk. Der südlichste Punkt des Landes ist rund 100 Kilometer jenseits der usbekischen Hauptstadt Tashkent bei 41º nördlicher Breite.13 Vereinfacht gesagt reicht Kasachstan von der Wolga bis zum Altai-Gebirge und von der westsibirischen Ebene bis zu den Wüstenoasen Zentralasiens. Kasachstan verfügt über eine mehr als 12.000 Kilometer lange Grenze, die das Land von der Volksrepublik China (1.533 Kilometer), Kirgisien (1.051 Kilometer), Russland (6.846 Kilometer), Turkmenistan (379 Kilometer) und Usbekistan (2.203 Kilometer) trennt.14 Außerdem grenzt das Land auf einer Länge von 1.015 Kilometern an den Aralsee und auf 1.894 Kilometern an das Kaspische Meer. Das kasachische Klima ist kontinental mit zumeist sehr kaltem Winter und heißem Sommer. Der höchste Punkt des Landes ist der Zhengis Shingy, auch Pik Khan-Tengri genannt, der mit seinen 6.995 Metern genau am Dreiländereck zwi-

11 12 13

14

Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Kazakhstan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1270.htm. (25.7.1999) von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 410 CD-ROM Grosser Weltatlas. Geodata geographische Datenbank. (Sämtliche kartographischen Längen- und Breitenangaben in der vorliegenden Arbeit entsprechen den Angaben der CD-ROM Grosser Weltatlas.) vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kazakhstan.(1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kz.html. (21.2.1999). S.1

5


schen Kasachstan, Kirgisien und China gelegen ist. Der niedrigste Punkt Kasachstans bei Vpadina Kaundy befindet sich bei 132 Metern unter Normal-Null.15

2.1.2 Bevölkerung Kasachstans 1995 hatte die Republik Kasachstan eine geschätzte Einwohnerzahl von 16.606.000. Bei der gewaltigen Größe des Landes entspricht das einer Einwohnerdichte von lediglich 6,1 Einwohnern pro km2.16 Jahrzehntelang sah die Bevölkerungsstruktur so aus, dass etwa 40 Prozent Kasachen mit 40 Prozent Russen sowie 20 Prozent weiteren Nationalitäten (größtenteils Ukrainer, Deutsche, Usbeken und Tataren) zusammenlebten. Mittlerweile hat sich dieses Gleichgewicht zwischen Kasachen und Russen im Zuge der Entrussifizierung des Landes zu einem Verhältnis 45:35 verändert. Kasachisch wurde zur einzigen offiziellen Sprache des Landes erklärt, auch wenn das Russische in der Verfassung von 1995 und dem Gesetz über die Sprache von 1996 immer noch als gleichberechtigte Zweitsprache angesehen wird17. Die Zahl der Analphabeten ist wie in den anderen zentralasiatischen Ländern mit unter 5 Prozent sehr gering. Allerdings fällt auf, dass 1989 nur 40 Prozent der Bevölkerung Kasachisch sprachen, jedoch 83 Prozent Russisch. Bei den Religionen spiegelt sich ebenfalls die Zweiteilung der Bevölkerung wider. 50 Prozent der Staatsbürger Kasachstans sind Muslime, die anderen 50 Prozent Christen (RussischOrthodoxe). Etwa zwei Drittel der Kasachen wohnen in Städten, wobei die ehemalige Hauptstadt Almaty mit 1.200.000 Einwohnern mit Abstand die größte Stadt des Landes ist. Weitere Bevölkerungszentren sind Karaganda (596.000 Einwohner), Chimkent (404.000 Einwohner), Pavlodar (349.000 Einwohner), Semipalatinsk (342.000 Einwohner), Ust-Kamenogorsk (334.000 Einwohner), Dzambul (317.000 Einwohner), Aktjubinsk (264.000 Einwohner) sowie Petropavlovsk (248.000 Einwohner)18.

2.1.3 Geschichte und Politik Kasachstans Von 1730 an kontrollierte Russland das kasachische Territorium, das in etwa die Größe von Indien hat. Nach einer kurzen Unabhängigkeitsphase 1917 wurde Kasachstan zu einer autonomen Sowjetrepublik erklärt. 1936 wurde Kasachstan zur Unionsrepublik. Diesen Status behielt das Gebiet bis Anfang der 90er Jahre. Am 16. Dezember 1991 erklärte die Republik Kasachstan dann ihre Unabhängigkeit. Staatschef Nursultan Abischewitsch Nasarbajew erlangte bei den ersten direkten Präsidentschaftswahlen am 1. Dezember 1992 98,7 Prozent der Stimmen und wurde somit in seinem Amt bestätigt, das er noch zu UdSSR-Zeiten nach einer Zwischenstation als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Kasachstans (seit Sommer 1989) im März 1990 angetreten hatte. Fünf Jahre später, im März 1995, löste Nasarbajew das Parlament auf und ordnete ein Referendum an, um seine eigentlich 1996 auslaufende Amtszeit bis zum Jahr 2000 zu verlängern. Am 29.April 1995 bestätigten 95 Prozent der Kasachen Nasarbajew auf diesem Wege in seinem Amt. Etwas sarkastisch schreibt Andrei Sviridov, dass die Präsidentschaft Nasarbajews das einzige stabile Element der kasachischen Politik in den vergangenen 10 Jahren gewesen ist.19 In derselben Zeit wechselte der Oberste Sowjet

15 16 17

18 19

vgl. ebenda. S.2 vgl. von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 409 Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. S.124 oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/34.html. (18.10.1999) „The status of Russian was defined as follows: „to be used on the same grounds as the state one“. vgl. von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 409 Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian

6


zweimal, angeführt von insgesamt drei verschiedenen Premierministern (Karamanov, Tereshchenko und Kazhegeldin). Die dritte und die vierte Regierung der jungen Republik dankten ebenfalls bis zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 1999 ab, so dass zurzeit die fünfte Regierung in nur 10 Jahren an der Macht ist. Sviridov merkt an, dass sich das Verhältnis von Exekutive, Legislative und Jurisdiktion in Kasachstan nicht im Gleichgewicht befindet. Seiner Auffassung nach ist das stärkste Element eindeutig die Exekutive. So unterstehen alle Richter des Landes in mehr oder weniger eindeutiger Form direkt dem Präsidenten Nasarbajew. Eine politische Opposition ist vorhanden, allerdings erfreut sie sich keiner besonders breiten Unterstützung in der kasachischen Öffentlichkeit. Die Neuregistrierung politischer Parteien ist schwierig und unregistrierte politische Vereinigungen sind illegal. Die Beteiligung eines Politikers an einer solchen illegalen Vereinigung kann zu seinem Ausschluss bei Wahlen führen. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl schaltete Nasarbajew aufgrund dieser Bestimmungen gleich drei Gegenkandidaten aus dem Präsidentschaftsrennen aus. Aus der Wahl, die unter anderem auch von der OSZE nicht anerkannt wird, ging Nasarbajew mit mehr als 80 Prozent der Wählerstimmen als klarer Sieger hervor.20 Seine Amtszeit verlängerte sich durch die Bestätigung um weitere sieben Jahre bis zum Dezember 2006. In einem ersten Kommentar nach den Wahlen sagte der alte und neue Präsident Nursultan Nasarbajew vor Journalisten in Astana: „You remember the times when turnout was 99.9% and the vote in favour 99.9%? Well, you could say that we have allowed democracy to progress by 20%.“21 Den Grund für den Wahlsieg sah die Korrespondentin der BBC in Zentralasien, Louise Hidalgo, in der Tatsache, dass viele Kasachen trotz ihrer wirtschaflichen Probleme noch immer davon überzeugt sind, dass es zu Nasarbajew zurzeit noch keine Alternative gibt. Außerdem spielte im Wahlkampf der ungleichmäßige Zugang zu den Massenmedien des Landes eine entscheidende Rolle und sorgte für den klaren Sieg Nasarbajews.22

20

21 22

McCormack. Düsseldorf. 1999. S. 125. oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/34.html. (18.10.1999) „The position of the presidency has however, been the single stable element of the Kazak political system since independence.“ ebenda. S.126. Die OSZE verweigerte die Wahlbeobachtung, da die Wahlbedingungen nicht den OSZEKriterien entsprachen. „The pre-election conditions clearly and substantially did not meet OSCE commitments.“ BBC. OSCE criticises Kazakh election. In: BBC Online Network. 12.1.1999. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F252000/252929.stm. (5.4.1999) vgl. ebenda. „In the run-up to the poll, Mr. Nazarbayev enjoyed unrivalled access to the media, much of which is in family’s hands.“

7


2.1.4 Der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew

Abbildung 3: Nursultan Nasarbajew23

Nursultan Nasarbajew wurde am 6. Juli 1940 in dem Dorf Chemolgan in der Nähe von Almaty in der Kasachischen SSR geboren. 1967 beendete er seine Ausbildung an der Technischen Hochschule unter der Verwaltung der Eisen-und-Stahl-Industrie in Karaganda. In den 60er Jahren war Nasarbajew in der Eisen- und Stahlindustrie als außerordentlich engagierter Arbeiter bekannt und machte später auch als Führungskraft auf sich aufmerksam. Anfang der 70er Jahre begann Nasarbajew dann seine politische Laufbahn als Parteisekretär der Kommunistischen Partei in Karaganda. Von 1979 bis 1984 war er Vorsitzender des Zentralkomitees der kasachischen Kommunisten. Von 1984 bis 1989 amtierte er als Vorsitzender des kasachischen Ministerrats, bevor er 1989 Vorsitzender der kasachischen KP wurde. Im April 1990 avancierte Nasarbajew zum Präsidenten der Republik Kasachstan. In dieser Position wurde er bei den ersten nationalen Präsidentschaftswahlen am 1. Dezember 1991 mit 98,7 Prozent der Stimmen eindrucksvoll bestätigt (siehe Kapitel 2.1.3). 1995 verlängerte sich die Amtszeit Nasarbajews durch ein Referendum um weitere fünf Jahre, bevor die Wahl im Januar 1999 die Präsidentschaft sogar bis zum Jahr 2006 festlegte. Nasarbajew ist seit 1962 verheiratet mit Sara Alpysovna Nasarbajewa, geb. Kunakajewa (*9.1.1941) und hat drei Töchter (Dariga, Dinara und Aliya). Die älteste Tochter Dariga (*7.5.1963, verheiratet, zwei Söhne) ist derzeit Leiterin der staatlichen kasachischen (TV-) Nachrichtenagentur Khabar. Als politisches Ideal nennt Dariga ihren Vater Nursultan Nasarbajew.24 Die zweite Tochter Dinara (*1967, verheiratet, ein Sohn) ist Absolventin des Lunacharsky State Institutes of Theatre Arts in Moskau. Die jüngste Tochter des kasachischen Präsidenten, Aliya (*1980, verheiratet, keine Kinder), besuchte in der Schweiz ein Gymnasium und studiert jetzt am Department of Fine Arts an der Washington University in den USA. Sie heiratete im Juli 1999 den ältesten Sohn des kirgisischen Präsidenten Akajew, Aldar Akajew. Die Hochzeit wurde als „fairy tale wedding“25 von den Medien beider Länder begleitet. Außerdem wurde in diesem Zusammenhang über eine wachsende Zusammenarbeit der beiden Länder gemutmaßt. In Zentralasien genießt Nasarbajew durch seine Zielstrebigkeit ein hohes Ansehen. Der usbekische Präsident Islam Karimov wird mit den Worten zitiert: „No less important is the role of 23

24 25

Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) ebenda. „An ideal of a political leader – Nursultan Nazarbayev, President of the Republic of Kazakhstan.“ BBC. Fairy tale wedding starts in Asia. In: BBC Online Network. 15.7.1998. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F132000/132890.stm. (5.4.1999)

8


President Nursultan Nazarbayev he plays in the process of consolidating friendship, fraternity and confidence among nations. He has much to learn from. My friend has outstripped me in this respect.“26 Auch im Westen gilt Nasarbajew als zuverlässiger Partner vor allem hinsichtlich der Ausrichtung der kasachischen Wirtschaft. So urteilte der Daily Telegraph am 21. März 1994: „Thanks to his firm power this large oil rich country stretching from the Caspian sea to China has turned to be one of the most West favored nation. Kazakhstan is the most purposeful Republic which is open for business.“27

2.1.5 Wirtschaft Kasachstans Kasachstan verfügt über enorme Bodenschätze (vor allem Erdöl und Erdgas) und gilt auch landwirtschaftlich gesehen als eines der reichsten Länder der Welt. Trotz bzw. wegen dieser guten Ausgangsposition ist die kasachische Wirtschaft sehr instabil. Sinken die Ölpreise auf dem Weltmarkt, macht sich das sehr schnell für die Bürger des Landes bemerkbar. Außerdem ist das Land stark auf gute Ernten angewiesen, so dass Naturkatastrophen wie die große Heuschreckenplage im Sommer 1999 sich direkt auf die Situation der Menschen auswirken. Im Sog der russischen Wirtschaftskrise und vor dem Hintergrund der fallenden Ölpreise machte der kasachische Außenhandel alleine im ersten Quartal 1999 ein Minus von 1,3 Milliarden US-Dollar.28 Die kasachische Währung ist der Tenge. Im Frühjahr 1996 lag der Wechselkurs bei 67 Tenge für einen US-Dollar. Im Januar 2000 ist der Wert des Tenge bei knapp 140 für einen US-Dollar angelangt.29

26

27

28 29

Delovaya nedelya. 6. Juni 1997. In: Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) Daily Telegraph. 21. März 1994. In: Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) ebenda. S.124 vgl. Oanda Currency Converters. 10.1.2000. http://www.oanda.com/converter/classic. (10.1.2000). „1 US Dollar = 139.200 Kasachstan Tenge“

9


2.2

Kirgisien

Abbildung 4: Übersichtskarte Kirgisien30

2.2.1 Geographie Kirgisiens Die ehemalige Sowjetrepublik Kirgisien ist mit einer Fläche von 198.500 km² etwa so groß wie Großbritannien (ohne Nordirland). Von den fünf zentralasiatischen Ländern ist lediglich Tadschikistan kleiner als Kirgisien. Der westlichste Punkt des Landes liegt bei 69º östlicher Länge unweit der tadschikischen Stadt Khodshand. Im Osten reicht die Republik Kirgisien bis an die bei 80º östlicher Länge gelegene chinesische Grenze. Im Norden erstreckt sich das kirgisische Staatsgebiet in etwa bis zum 43. nördlichen Breitengrad, während im Süden bei 39º nördlicher Breite die Grenze zu Tadschikistan verläuft. Besonders erwähnenswert ist, dass der südwestliche Teil Kirgisiens praktisch von tadschikischem und usbekischem Gebiet eingeschlossen ist. Vor allem das usbekische Ferghana-Tal, eine der wirtschaftlich gesehen wichtigsten Regionen Zentralasiens, macht einen großen Anteil dieses ausgelagerten Gebietes aus (siehe Karte 2.2). Kirgisien verfügt über eine 3.878 Meter lange Grenze, wobei das Land auf 858 Kilometern an die Volksrepublik China, auf 1.051 Kilometern an Kasachstan, auf 870 Kilometern an Tadschikistan und auf 1.099 Kilometern an Usbekistan grenzt.31 Etwa fünf Prozent der Gesamtfläche Kirgisiens nehmen die Seen des Landes ein. Dabei ist vor allem der in 1.600 Metern Höhe gelegene, etwa 170 Kilometer lange und 70 Meter breite Lake Issyk-Kul zu nennen, welcher von mehr als 4.000 Meter hohen Bergen eingeschlossen wird. Der Issyk-Kul ist der zweitgrößte alpine See nach dem Titicaca-See in Südamerika.32 Der höchste Punkt des Landes liegt im äußersten Osten, wo sich der Jenghis Chokusu, auch Pik Pobedy genannt, mit 7.439 Metern im Tien Shan-Gebirge an der chinesischen Grenze 30 31 32

Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of the Kyrgyz Republic. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1271.htm. (25.7.1999) vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kyrgyzstan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kg.html. (21.2.1999). S.1 vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 374

10


auftürmt. Der Pik Pobedy war mit dieser Höhe der zweithöchste Berg der Sowjetunion gleich nach dem 7.495 Meter hohen tadschikischen Pik Kommunisma. Weil rund 40 Prozent der kirgisischen Landoberfläche höher als 3.000 Meter liegen, ergibt sich ein Durchschnittswert für das ganze Land von etwa 2.750 Metern über dem Meeresspiegel. Aufgrund dieser geographischen Daten und der allgemeinen landschaftlichen Schönheit wird Kirgisien auch als die „Schweiz Mittelasiens" bezeichnet.33 Nur zwei Regionen Kirgisiens weisen für das Flachland typische Charakteristika auf. Im Norden ist dies das steppenähnliche Tal der Flüsse Chu und Talas, welches tief in die Bergregionen eindringt, während die andere Region mit flachlandtypischen Merkmalen aus den Ausläufern des usbekischen Ferghana-Tals im Westen Kirgisiens besteht.34 Das Klima Kirgisiens ist kontinental geprägt mit zum Teil polaren Auswüchsen im Hochgebirge des Tien Shan und fast schon subtropischen Bedingungen in der Umgebung des Ferghana-Tals im Südwesten des Landes.

2.2.2 Bevölkerung Kirgisiens Den neuesten Schätzungen von 1998 zufolge leben in Kirgisien 4.522.000 Menschen. Die Kirgisen machen nach Angaben der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) einen Anteil von 52,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus. Weitere Nationalitäten sind Russen (18 Prozent), Usbeken (12,9 Prozent), Ukrainer (2,5 Prozent), Deutsche (2,4 Prozent) und diverse andere (insgesamt 11,8 Prozent). Das Bevölkerungswachstum für 1998 wurde lediglich mit 0,37 Prozent beziffert. Im Gegensatz dazu steht die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre, wonach sich die Einwohnerzahl Kirgisiens im Zeitraum von 1970 bis 1998 annähernd verdoppelt hat. Das sowjetische Länderlexikon Cjdtncrbq Cj.' (Sovietsky Sayus - Sowjetunion) nennt für Kirgisien im Jahr 1970 eine Bevölkerungszahl von 2.926.000.35 Die Volkszählung von 1989 ergab dann bereits eine Einwohnerzahl von 4.250.000 (davon rund 2.500.000 ethnische Kirgisen) und ein Bevölkerungswachstum von 2,5 Prozent. Dieselbe Erhebung stellte auch fest, dass 39 Prozent der kirgisischen Bevölkerung in den 21 Städten und 29 stadtähnlichen Siedlungen des Landes leben.36 Außerdem wird die Aussage gemacht, dass 1989 nur vergleichsweise wenige Kirgisen außerhalb ihrer Republik zu Hause waren. So wird die Zahl der Auslandskirgisen mit 175.000 in Usbekistan, 64.000 in Tadschikistan sowie 100.000 in China und in Afghanistan angegeben.37 Die Hauptstadt Bishkek, die mit 670.000 Einwohnern38 die bei weitem größte Stadt des Landes ist, trug bis 1991 den Namen des sowjetischen Marschalls und Mitglieds der Parteikommission für Turkestan, (Mikhail) Frunse. Sie liegt nur wenige Kilometer von der Grenze zu Kasachstan entfernt im äußersten Norden des Landes. Die zweitgrößte und zweitbedeutendste Stadt Kirgisiens ist die im Ferghana-Tal gelegene Stadt Osh, die aufgrund ihrer geographischen und ethnischen Nähe (von den 250.000 Einwohnern von Osh ist die Mehrzahl usbekischer Herkunft) eine entscheidende Schnittstelle zum Nachbarland Usbekistan darstellt. Eine noch engere Verwandtschaft verbindet die Kirgisen mit dem Nachbarvolk im Norden, den Kasachen. So wurde bis zur Oktoberrevolution von 1917 die Bezeichnung Kirgiz (von kyr 33 34 35 36 37 38

vgl. Götz, Roland und Halbach, Uwe. Politisches Lexikon GUS. S. 139 vgl. Shabad, Theodore. Geography of the USSR. A Regional Survey. S. 371 Otarbajev, K. O. und Rjasanzev, S. N. Sovietsky Sayus. Kirgisien. S. 64 Russisches Original. Jnjh<ftd- R= J= b Hzpfywtd- C= Y= Cjdtncrbq Cj.'= Rbhubpbz= cnh= 64 Götz, Roland und Halbach, Uwe. Politisches Lexikon GUS. S. 138 ebenda. S. 140 King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 358

11


= Feld und gizmek = umherziehen)39 auf beide Völker bezogen. Zu dieser Zeit sprach man von den Kirgisen noch als Kara-Kirgisen, um sie von den Kasachen im Norden begrifflich zu unterscheiden.

2.2.3 Geschichte und Politik Kirgisiens Die Vorfahren der heutigen Kirgisen kamen aller Wahrscheinlichkeit nach im 10. Jahrhundert infolge der mongolischen Feldzüge aus dem sibirischen Raum nach Zentralasien. Im 18. Jahrhundert gerieten die Kirgisen unter den Einfluss des Khanats Kokand. Während die Russen ihren Vormarsch in der Region Mitte des 19. Jahrhunderts fortsetzten, verbündeten sich einige kirgisische Stämme mit den Russen, andere mit dem Khanat Kokand. Gewinner dieser Epoche waren die Russen, die in der Folgezeit auch vermehrt Europäer in Zentralasien ansiedelten und ihnen kirgisisches Land für den Ackerbau gaben. Diese Entwicklung führte zu einem kirgisischen Aufstand im Jahr 1916, der jedoch von den Russen auf brutale Art niedergeschlagen wurde. 1918 wurde das heutige Kirgisien Teil der Autonomen SSR Turkestan. Sechs Jahre später, im Jahr 1924, wurde das Gebiet erneut unterteilt und Kirgisien wurde zum Autonomen Verwaltungsgebiet Kara-Kirgisien. Die Russen nannten zu dieser Zeit die Kasachen Kirgisen, um sie von den Kosacken zu unterscheiden. Die Kirgisen nannten sie Kara-Kirgisen (‚schwarze Kirgisen‘), um sie wiederum von den ‚Kirgisen‘ genannten Kasachen zu unterscheiden. Diese sprachlichen Verwirrungen endeten 1926 mit der Schaffung der Kirgisischen ASSR, die schließlich 1936 zur vollständigen Sowjetischen Republik wurde. Mit den Reformen Gorbatschows entwickelte sich in Kirgisien eine ungewöhnlich starke Opposition, die sich vor allem mit den Themen Arbeits- und Wohnungslosigkeit beschäftigte. An diesen Themen entzündeten sich auch die einzigen nennenswerten Ausschreitungen im postkommunistischen Kirgisien, wobei 1990 etwa 300 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen kirgisischen und usbekischen Volksgruppen in den Städten Osh und Uzgen ums Leben kamen. Die ersten Wahlen des ‚neuen Kirgisiens‘ im Februar 1990 konnte der Kommunist Absamat Masaliev für sich entscheiden. Nach den Krawallen von Osh übernahm jedoch der Physiker und Präsident der kirgisischen Akademie der Wissenschaften Askar Akajew als KompromissKandidat das Präsidentenamt. Die Unabhängigkeitserklärung des Landes folgte am 31. August 1991. Damit war Kirgisien das erste der fünf zentralasiatischen Länder, das sich gänzlich von der Moskauer Zentralregierung lossagte. Präsident Akajew wurde kurze Zeit später, im Oktober 1991, in seinem Amt bestätigt. Am 5. Mai 1993 trat die neue Verfassung Kirgisiens in Kraft und löste damit endgültig die alten sowjetischen Verwaltungsstrukturen ab. Akajew verfolgt seit Beginn seiner Präsidentschaft eine progressive Wirtschaftspolitik mit weitreichenden Reformen hin zu einer Marktwirtschaft im westlichen Sinne. Diese wurden von der Bevölkerung so positiv aufgenommen, dass Akajew ein 1994 durchgeführtes Referendum klar für sich entscheiden konnte.

39

Götz, Roland und Halbach, Uwe. Politisches Lexikon GUS. S. 140

12


2.2.4 Der Präsident Kirgisiens, Askar Akajew

Abbildung 5: Askar Akajew40

Der kirgisische Präsident Askar Akajew wurde am 10. November 1944 in dem kirgisischen Dorf Kyzyl-Bairak in der Region Kemin als Sohn einer Bauernfamilie geboren. 1967 verließ er das Leningrader Institut für Präzisionsmechanik und Optik als Doktor der Naturwissenschaften. 1984 wurde er Mitglied der kirgisischen Akademie der Wissenschaften, zwei Jahre später Leiter der Abteilung für Wissenschaft und Höhere Ausbildung im Zentralkomitee der kirgisischen KP. Von 1987 bis 1989 war Akajew Vizepräsident und von 1989 bis 1990 Präsident der kirgisischen Akademie der Wissenschaften. Am 27. Oktober 1990 wählte das kirgisische Parlament Akajew zum Präsidenten der Kirgisischen SSR. Bei den ersten nationalen Wahlen am 12. Oktober 1991 wurde Akajew zum ersten Präsidenten des unabhängigen Kirgisiens gewählt. Ende 1992 wurde er zum ‚Mann des Jahres‘ in Kirgisien ernannt. Ausgezeichnet wurde Akajew „for his activities in promoting national fraternity and stability in the republic and successful external policy“41. Bestätigt wurde Askar Akajew in seinem Amt als kirgisischer Staatspräsident bei einem nationalen Referendum am 30. Januar 1994. Ein weiteres Jahr später, am 24. Dezember 1995 wurde Akajew für ein zweite Amtszeit als Präsident wiedergewählt. Askar Akajew ist verheiratet und hat vier Kinder. Sein ältester Sohn, Aldar Akajew, ist seit dem Juli 1999 mit der jüngsten Tochter des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew verheiratet (siehe Kapitel 2.1.4). Akajew wird von Journalisten als ruhiger, sachlicher Mensch mit einem schelmischen Humor beschrieben, der eigentlich ein eher untypisches Beispiel für einen Politiker seines Ranges ist.42 Sein rasanter Aufstieg in den 80er und 90er Jahren vom Physik-Dozenten in Leningrad zum hochrangigen Staatsmann gipfelte in dem Angebot Gorbatschows 1991, Akajew zum Vizepräsidenten der Sowjetunion zu machen. Dieses Angebot lehnte Akajew ab, um sich voll auf seine Aufgaben in Kirgisien konzentrieren zu können. Für seine liberale Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren ist Akajew im Westen schon mehrfach gelobt worden. Im Frühsommer 1996 wurde ihm zusammen mit seinem kasachischen Amtskollegen Nursultan Nasarbajew in der Schweiz der Crans Montana-Preis in Anerkennung seines besonderen Einsatzes für Demokratie und Marktwirtschaft verliehen. In der GUS wird Akajew durch sein asiatisches Aussehen und seine geringe Körpergröße manchmal zum Objekt des Spottes. So berichtet der Journalist Peter Scholl-Latour in seinem Buch Das Schlachtfeld der Zukunft: „Bei einer GUS-Konferenz, die unter russischem Vorsitz in Alma40 41 42

BBC. Fairy tale wedding starts in Asia. In: BBC Online Network. 15.7.1998. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F132000/132890.stm. (24.10.1999) Embassy of the Kyrgyz Republic to the United States of America and Canada. President – Head of the State. http://www.kyrgyzstan.org/akaev.html. (1.11.1999) Wright, Robin. Askar Akaev nurturing a fragile democracy in post-communist Kyrgyzstan. http://www.kyrgyzstan.org/public/01.html#robin. (1.11.1999) „A soft-spoken man with an impish sense of humor, Akaev, 52, is an unlikely politician“.

13


Ata einberufen worden war, hatte Boris Jelzin, der sich wieder einmal in alkoholischer Hochstimmung befand, dem kleinen kahlköpfigen Kirgisen mit dem Essbesteck auf der Glatze herumgetrommelt, und alle hatten das sehr komisch gefunden.“43

2.2.5 Wirtschaft Kirgisiens Der wichtigste Wirtschaftszweig in Kirgisien ist die Landwirtschaft. Vor allem die Viehzucht ist dabei von besonderer Bedeutung. So gibt es in Kirgisien dreimal mehr Tiere als Menschen. Ein Drittel des Gesamtwirtschaftsaufkommens stammt aus der Viehzucht; ein Drittel der Bevölkerung ist in der Viehzucht tätig. Ein weiteres wichtiges Produkt der kirgisischen Landwirtschaft ist die Baumwolle. Im Gegensatz zur Landwirtschaft macht die Schwerindustrie (Bergbau, Energiegewinnung durch Wasserkraft, Textilherstellung, etc.) in Kirgisien nur etwa ein Viertel der Gesamtwirtschaft aus. Die Rohstoffvorkommen des Landes beschränken sich auf Kohle, Gold, Uran und diverse Metalle. Allerdings erreicht Kirgisien bei weitem nicht den Reichtum anderer zentralasiatischer Länder wie Turkmenistan oder Kasachstan. Kirgisien hat trotz der weitreichenden Wirtschaftsreformen eine der instabilsten Ökonomien der ehemaligen Sowjetunion. Mit einem Bruttosozialprodukt von 700 US-Dollar pro Jahr pro Einwohner rangierte das Land 1995 trotz der niedrigsten Inflationsrate44 aller GUS-Staaten nur knapp vor den Bürgerkriegsländern Tadschikistan, Georgien, Aserbaidschan und Armenien gesamtwirtschaftlich gesehen auf dem fünftschlechtesten Platz. Die Produktivität der meisten Wirtschaftszweige war nach dem Zerfall der Sowjetunion dramatisch zurückgegangen. Dieser Trend konnte Mitte der 90er Jahre gestoppt werden, und die Produktivitätszahlen stiegen wieder an. Auch ausländische Kredite trugen zu dieser positiven Entwicklung bei. Deutlich wird das Ergebnis an den Arbeitslosenquoten. Während 1995 offiziell 35 Prozent der Kirgisen arbeitslos waren45, ergaben Schätzungen für 1997 nur noch eine Arbeitslosenquote von acht Prozent46. Allerdings ist die wirtschaftliche Stabilisierung allem Anschein nach noch nicht bei dem Großteil der kirgisischen Bürger angekommen. So ist die Kernaussage einer von USAID unterstützten Studie vom Dezember 1996, dass 73 Prozent der Kirgisen die wirtschaftliche Lage für schlecht halten. Außerdem besagt dieselbe Studie, dass fast die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass die heutige Jugend in einigen Jahrzehnten schlechter leben wird als ihre Eltern heute. 78 Prozent der befragten Bürger denken, dass die Lebensqualität seit der Unabhängigkeit des Landes abgenommen hat. und sogar 79 Prozent beklagten sich darüber, dass es schwer sei, die eigene Familie Monat für Monat mit Lebensmitteln zu versorgen.47 Im Mai 1993 wurde der russische Rubel von einer eigenen kirgisischen Währung abgelöst. Der kirgisische Som ist im Vergleich zu den anderen zentralasiatischen Zahlungsmitteln relativ stabil. Ende 1994 kostete ein US-Dollar 10,6 Som, Ende 1995 11,2 Som und Anfang 1997 14,6 Som.48 Mittlerweile hat sich der Kurs im Jahr 1999 auf 45,43 Som für einen US-Dollar verteuert.49 43 44

45 46 47

48

Scholl-Latour, Peter. Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. S. 505 Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kyrgyzstan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kg.html. (21.2.1999). S.5 „Following a successful stabilization program, which lowered inflation from 88% in 1994 to 15% for 1997, attention is turning toward stimulating growth.“ vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 354. vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kyrgyzstan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kg.html. (21.2.1999). S.6 vgl. Mould, David. Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects For Development. Inflation, Gross Domestic Product and Consumer Spending. Januar 1998. http://www.internews.ru/report/mould/5.html. (4.9.1999) vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kyrgyzstan.

14


2.3

Tadschikistan

Abbildung 6: Übersichtskarte Tadschikistan50

2.3.1 Geographie Tadschikistans Die Republik Tadschikistan liegt zwischen 36° und 41° nördlicher Breite sowie 67° und 75° östlicher Länge51 im Süden Mittelasiens. Das Territorium Tadschikistans umfasst eine Fläche von insgesamt 143.100 km². Somit ist Tadschikistan der kleinste der fünf zentralasiatischen Staaten. Tadschikistan grenzt im Norden und Nordwesten auf einer Strecke von 1.161 Kilometern an Usbekistan, im Nordosten auf einer Strecke von 870 Kilometern an Kirgisien, im Osten auf 414 Kilometern an die Volksrepublik China und im Süden auf 1.206 Kilometern Länge an Afghanistan.52 Von Pakistan wird Tadschikistan nur durch einen schmalen afghanischen Korridor getrennt, der an seiner engsten Stelle lediglich 15 Kilometer, an der breitesten Stelle 65 Kilometer beträgt. Dieser sogenannte Wakhan-Zipfel ist nach Einschätzung von Peter Scholl-Latour eine „geostrategische Erfindung der zaristischen und britisch-indischen Kartographen, die durch diesen weltverlorenen Schlauch ihren jeweiligen Imperien und deren unstillbarem Expansionsdrang einen Riegel vorschieben wollten"53. Weitere Einzelheiten über die Gründe für die außergewöhnliche Form der tadschikischen Grenzen folgen in Kapitel 2.3.3 (Geschichte und Politik Tadschikistans).

49 50 51 52 53

(1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kg.html. (21.2.1999). S.6 vgl. DHL Worldwide Express. Currency Converter. Juni 1999. http://www.dhl-usa.com/currency. (15.1.2000) Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Tajikistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1281.htm. (25.7.1999) United Nations. Republic of Tajikistan. Human Development Report. 1995. Kapitel 1. Introduction and Country Background. http://www.undp.org/undp/rbec/nhdr/tajikistan/chapter1.htm. (10.1.1998). S. 2 vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Tajikistan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/ti.html. (21.2.1999). S. 2 Scholl-Latour, Peter. Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. Seite 133

15


Der Westen Tadschikistans besteht aus der Wüste und der wüstenähnlichen Steppe der TuranEbene. Weiter östlich bauen sich die Gebirgsketten des Tien-Shan und des Pamir auf. Sie erreichen mit dem Pik Kommunisma, der mit 7.495 Metern der höchste Berg der ehemaligen Sowjetunion war, sowie dem etwas kleineren Pik Lenina (7.134 Meter) fast eine Höhe von 8.000 Metern. Rund 93 Prozent der Fläche Tadschikistans liegt im Gebirge. Mehr als die Hälfte des Landes befindet sich auf einer Höhe von mehr als 3000 Meter über dem Meeresspiegel und lediglich sieben Prozent des Landes liegen unterhalb einer Höhe von 1.000 Metern. Daher verwundert es nicht, dass fruchtbares Ackerland mit fünf Prozent nur einen sehr geringen Anteil am gesamten tadschikischen Staatsgebiet ausmacht. Die Turan-Ebene ist geprägt von kontinentalem Klima mit gemäßigten Temperaturen, während die Gebirgsregionen des Tien-Shan und des Pamir sich durch trockene, kalte Sommer und trockene, eiskalte Winter kennzeichnen.

2.3.2 Bevölkerung Tadschikistans Über die Bevölkerungszahlen Tadschikistans gibt es widersprüchliche Angaben. Während der Fischer Weltalmanach 199854 die Einwohnerzahl des zentralasiatischen Landes mit 5.836.000 beziffert, weist die Medienassistenz-Organisation Internews55 darauf hin, dass es zurzeit keine verlässlichen Bevölkerungszahlen gibt. Ihren Informationen nach hatte Tadschikistan im Jahr 1991, ein Jahr vor dem Bürgerkrieg, 5.300.000 Einwohner. In den Kriegsjahren sollen jedoch mindestens eine Million Menschen aus finanziellen und politischen Gründen das Land verlassen haben. Außerdem waren durch den Krieg weit mehr als 50.000 Todesopfer zu beklagen. Beide angegebenen Bevölkerungszahlen, 5.836.000 bzw. 5.300.000, setzen sich den Quellen zufolge aus 62,3 Prozent Tadschiken, 23,5 Prozent Usbeken, 7,6 Prozent Russen, 1,4 Prozent Tataren, 1,3 Prozent Kirgisen, 0,8 Prozent Ukrainern, 0,6 Prozent Deutschen und 2,5 Prozent anderen Nationalitäten zusammen. Die Zahl der Russen, Ukrainer und Deutschen im Land ist zurzeit stark rückläufig. Die Alphabetisierungsrate in Tadschikistan liegt mit 98 Prozent bei den Einwohnern über 15 Jahren im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern sehr hoch56. Die meisten Tadschiken sind Muslime, wobei die Sunnis mit 80 Prozent den größten Anteil stellen. Nur rund 28 Prozent der Gesamtbevölkerung Tadschikistans wohnen in Städten57. Die Hauptstadt Dushanbe hat eine Einwohnerzahl von 584.00058. Weitere bedeutende Städte sind Khodshand, das ehemalige Leninabad, mit 164.500 Einwohnern, Kulyab mit 79.000 Einwohnern, Kurgan-Tyube mit 58.000 Einwohnern und Ura-Tyube mit 48.000 Einwohnern. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Tadschiken lag 1979 bei 66,3 Jahren. Bis 1990 war sie auf 69,4 Jahre angestiegen, wobei die durchschnittliche Lebenserwartung tadschikischer Frauen mit 71,9 Jahren um rund fünf Jahre höher liegt als die tadschikischer Männer (66,8 Jahre). Die Säuglingssterblichkeit in Tadschikistan ist erheblich höher als in Industrieländern. So starben von 1000 lebend geborenen Babys 1997 41 während ihres ersten Lebensjahres, was einer Säuglingssterblichkeitsrate von 4,1 Prozent entspricht.59 Zum Vergleich: In Deutschland wurde 1995 eine Säuglingssterblichkeitsrate von nur 0,6 Prozent dokumentiert60. 54 55 56 57

58 59

von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 691 Internews. Media in the CIS. Tajikistan: Basic data. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan.html. (20.10.1999) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook 1996. Tajikistan: Facts And Figures. http://www.rferl.org/BD/TA/info/ta-ciafacts.htm. (10.1.1998). S. 3 United Nations. Republic of Tajikistan. Human Development Report. 1995. Kapitel 1. Introduction and Country Background. http://www.undp.org/undp/rbec/nhdr/tajikistan/chapter1.htm. (10.1.1998). S. 3 ebenda. S. 4 United Nations. Population Reference Bureau. World Population Data Sheet 1997.

16


1991, im Jahr der Unabhängigkeit, wurde Tadschikisch zur offiziellen Landessprache. Zurzeit ist Tadschikisch, welches eng mit dem Persischen (Farsi) verwandt ist, die meistverbreitete Sprache in Tadschikistan. Dabei benutzen die Tadschiken nicht wie früher die arabischen Schriftzeichen, sondern die in den vergangenen 80 Jahren üblich gewordenen kyrillischen Zeichen. Eine weitere für das Verständnis der aktuellen Probleme wichtige demographische Tatsache besteht darin, dass eine große Zahl von Menschen tadschikischen Ursprungs in den Nachbarländern Usbekistan und Afghanistan lebt. Allein in Afghanistan sollen rund 4 Millionen Tadschiken zu Hause sein61. Hierfür ist neben der hohen Zahl an Kriegsflüchtlingen vor allem die Aufteilung Zentralasiens in Autonome Sowjetgebiete in den 20er Jahren verantwortlich. In der Konfliktanalyse Central Asia: Conflict, Resolution and Change von Sergej Gretsky (geschrieben im Dezember 1995 für das Center for Political and Strategic Studies (CPSS)) wird berichtet, dass zur Zeit der Division des zentralasiatischen Raums von 1.100.000 Tadschiken nur 300.000 auf dem Gebiet des späteren Tadschikistans lebten.62 Die Mehrzahl der Tadschiken, die nicht in ihrem neugeschaffenen Heimatland wohnten, befanden sich in den usbekischen Städten Samarkand und Bukhara.

2.3.3 Geschichte und Politik Tadschikistans Historisch betrachtet ist Tadschikistan, wie schon das vorhergehende Kapitel zeigt, alles andere als ein einheitliches Gebilde. Zudem haben kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Territorium der heute selbstständigen Republik Tadschikistan eine lange Tradition. Schon im 13. Jahrhundert machte die Region durch den Eroberer Dschingis Khan auf sich aufmerksam. Samarkand, eine der berühmtesten Städte der ehemaligen Seidenstraße und zudem eine der Hochburgen der historischen Tadschiken, wurde 1370 von Timur dem Lahmen zur Hauptstadt seines Imperiums ernannt. 1395 erstreckte sich das Gebiet, das unter Timurs Herrschaft stand, bis weit in die östliche Türkei und beinhaltete auch den Iran, den Irak und Teile Syriens. 1860 begann die Eroberung Zentralasiens durch die Russen. Der Mangel an Baumwolle trieb die Zaren aus St. Petersburg und Moskau durch die kasachische Steppe und die Wüste Turkmenistans bis in die Berge Tadschikistans. Bis 1873 hatten die Russen praktisch das gesamte Gebiet bis zur iranischen und afghanischen Grenze unter ihre Herrschaft gebracht und nannten das eroberte Land fortan Turkestan. Erste massive Unstimmigkeiten mit den Bewohnern Zentralasiens gab es im Ersten Weltkrieg, als die Russen begannen, auch Moslems zur Armee einzuziehen. Die Revolution von 1917 überraschte die moslemischen Eliten in den ehemaligen Khanaten, so dass ihre Macht in der Folgezeit immer weiter abnahm und die Russen Zentralasien fest in ihrer Hand hatten. Die Republik Tadschikistan wurde Anfang der 20er Jahre durch die von Stalin vorangetriebenen Grenzziehungen geschaffen. So entstand die Tadschikische SSR auf einem Moskauer Reißbrett zum einen aufgrund von sprachlich-ethnischen Kriterien, zum anderen jedoch auch aus politisch-taktischem Kalkül heraus. Peter Scholl-Latour vergleicht in seinem Buch Das Schlachtfeld der Zukunft den Kaukasus mit dem zentralasiatischen Raum. Die Gemeinsamkeit, die sich dabei ableiten lässt, ist, dass Stalin bei der Aufteilung des sowjetischen Gebietes in vollrangige Republiken, Autonome Republiken, Autonome Gebiete sowie Enklaven und

60 61 62

http://www.dsw-online.de/informat/laender/land155.htm. (22.2.1998) von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 165 vgl. Warikoo, K. Cockpit of Central Asia: Afghanistan Factor in Tajikistan's Crisis. http://207.159.86.9/Afghanistan/Warikoo.html. (15.11.1998). S. 1 vgl. Gretsky, Sergej (CPSS). Central Asia: Conflict, Resolution and Change. Dezember 1995. http://www.cpss.org/casiabk/chap16.txt. (5.1.1998). S. 2

17


Exklaven „den ethnisch-konfessionellen Streit systematisch programmiert und durch extrem komplizierte, willkürliche Grenzziehungen geschürt“63 hat. Scholl-Latour führt weiter aus: „Sollte es den exotischen Dependenzen des Sowjetreiches wirklich eines Tages nach Unabhängigkeit und Separation von Moskau gelüsten, dann wären alle Voraussetzungen für das altbewährte Rezept von divide et impera! versammelt. Tatsächlich ist die tödliche Saat aufgegangen, als Boris Jelzin 1991 mit einem Federstrich die Sowjetunion auflöste und in ihre Teilrepubliken zerfallen ließ.“64 1924 wurde in Moskau die nationalterritoriale Aufteilung Mittelasiens vorangetrieben. Dabei wurde die Autonome Republik Tadschikistan der vollrangigen Sowjetrepublik Usbekistan zugeschlagen. Der nördliche Teil des heutigen Tadschikistans, die Provinz Khodshand, hatte, anders als der Rest des Landes, nicht zum Emirat von Buchara, sondern zum Khanat Kokand gehört, das sich schon länger unter starkem russischen Einfluss befunden hatte. Erst als die usbekische Autonome Republik Tadschikistan 1929 den Status einer vollrangigen Unionsrepublik erhielt, wurde die Provinz Khodshand ein Teil Tadschikistans. Die beiden wichtigsten Zentren tadschikischer Kultur hingegen, die Städte Samarkand und Buchara mit einer tadschikischen Bevölkerung von annähernd einer Million Menschen, sind bis heute ein Teil Usbekistans. Margarethe Marsall nennt das Ergebnis der Grenzziehung von 1929 ein „ethnisch und historisch heterogenes Gebilde“65. Sie sieht darin die „historische Wurzel“66 für den Bürgerkrieg der frühen 90er Jahren. Am 24. August 1990 erklärte die ehemalige Sowjetrepublik Tadschikistan ihre Souveränität. Es folgte die Unabhängigkeitserklärung vom 9. September 1991, mit der sich Tadschikistan endgültig von der Sowjetunion lossagte. Die Vereinten Nationen sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass die Unabhängigkeit für Tadschikistan völlig unvorbereitet kam.67 In den folgenden Monaten kam es vor allem in der Hauptstadt Dushanbe zu Massenprotesten, die das Verbot der Kommunistischen Partei (KP) zum Ergebnis hatten. Die daraufhin angesetzten Wahlen im November 1991 gewann der ehemalige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Tadschikistans, Rakhmon Nabiyev. Die Opposition behauptete, das Wahlergebnis sei gefälscht worden und verwehrte der Wahl die Anerkennung. Weitere Demonstrationen der Nabiyev-Gegner führten dazu, dass die Opposition in die Regierung miteinbezogen wurde. Kurzfristig regierte in Dushanbe eine Koalition aus islamischen Fundamentalisten und pro-westlichen Demokraten, deren Gemeinsamkeiten sich auf den Kampf gegen den Kommunismus und die damit verbundene Abhängigkeit von Russland beschränkten. Die Russen ihrerseits versuchten, das in der tadschikischen Hauptstadt gebildete Regierungsbündnis auseinanderzutreiben und fanden dafür tatkräftige Unterstützung in der südlichen Provinz Kulyab. Mit Moskauer Hilfe formierte sich dort die People's Front um den Altkommunisten und Direktor der Lenin-Sovchose in Kulyab, Imomali Rakhmonov, die sich im Oktober 1992 anschickte, die Regierung in Dushanbe zu stürzen. Einen Monat später wurde Rakhmonov dann tatsächlich zum neuen Parlamentsvorsitzenden gewählt, während sich die Regierung zu größten Teilen aus engen Vertrauten des neuen starken Mannes in Tadschikistan zusammensetzte. 63 64 65

66 67

Scholl-Latour, Peter. Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. Seite 399 ebenda. S. 399 Marsall, Margarethe. Mittelasien. Die Entwicklung in Tadschikistan,Usbekistan,Turkmenistan und Kyrgysstan seit der Unabhängigkeit. In: Weltgeschehen IV/95. Analysen und Berichte zur Weltpolitik für Unterricht und Studium. S. 9 ebenda. S. 9 vgl. United Nations. Republic of Tajikistan. Human Development Report. 1995. Kapitel 1. Introduction and Country Background. http://www.undp.org/undp/rbec/nhdr/tajikistan/chapter1.htm. (10.1.1998). S. 1

18


Die einseitige Verteilung der Machtbefugnisse, d.h. die Besetzung von hochrangigen Posten mit Politikern aus einem einzigen Landesteil, war ein Grund für den kurze Zeit später ausbrechenden Bürgerkrieg. Mehr als 50.000 Menschen fielen den anarchistischen Zuständen in Tadschikistan in den folgenden vier Jahren zum Opfer. Regierungstreue Soldaten und Anhänger der islamistischen Fundamentalisten leisteten sich dabei erbitterte Kämpfe. Während des gesamten Bürgerkriegs in Tadschikistan wurden die Regierungstruppen nicht nur finanziell von Russland unterstützt. Moskau griff sogar mit 25.000 Soldaten direkt in das Kriegsgeschehen ein, so dass Rakhmonov das Gebiet um die Hauptstadt Dushanbe relativ sicher unter seiner Gewalt halten konnte. Die Jahre 1992 und 1993 markierten den Höhepunkt der Brutalität in Tadschikistan. Auch Journalisten waren dabei häufig die Zielscheibe der Gewalttäter. Wieviele Journalisten genau den Wirren des Bürgerkriegs zum Opfer fielen, wird wohl nie vollständig geklärt werden können. Einige Quellen sprechen von mehr als 30 toten Journalisten, andere sogar von 50 bis 80 Todesfällen. Die meisten dieser Morde gehen auf das Konto der People's Front. Diese mordete, etwas vereinfacht gesagt, im Auftrag der tadschikischen Regierung. Die Zustände, die Anfang der 90er Jahre in dem kleinen zentralasiatischen Land herrschten, sind wohl am besten mit dem Wort Anarchie zu beschreiben. Mit Hilfe der russischen Armee gewann der Kulyabi Clan nach wochenlangen Machtkämpfen langsam wieder die Oberhand gegen die aufstrebenden Islamisten, die vor allem aus dem Garm-Tal und der Pamir-Region stammten. Ein Abschnitt aus dem Buch Das Schlachtfeld der Zukunft von Peter Scholl-Latour führt dem Leser eindrucksvoll vor Augen, welche Ausmaße die Brutalität in Tadschikistan im Jahr 1992 angenommen hatte: „Die Gefängnisse wurden geöffnet, Mörder und Galgenvögel freigelassen und in tollwütigen Milizen auf die Islamisten gehetzt. An ihrer Spitze stand ein notorischer Schwerverbrecher, Sangak Saforow, der siebzehn Jahre seines Lebens hinter Zuchthausmauern verbracht hatte (Das Committee to Protect Journalists spricht sogar von 23 Jahren.68, meine Ergänzung, C.S.) und nunmehr seine bestialischen Instinkte, die rote Fahne der ehemaligen Weltrevolution schwenkend, mit sadistischer Wollust auskostete. Saforow übernahm die Führung des Kuljabi-Clans, und jetzt gab es kein Erbarmen mehr mit den politischen Gegnern. Den gefangenen Islamisten wurden vor der Hinrichtung die Augen ausgestochen. Die Nahda-Führer, wo immer man ihrer habhaft wurde, häutete man bei lebendigem Leibe. (...) Nach vorsichtigen Schätzungen sind in diesen tadschikischen Bartholomäusnächten 50.000 bis 60.000 Menschen ermordet worden.“69 Nach monatelangen erbitterten Kämpfen trafen sich die Bürgerkriegsparteien erstmals im April 1994 in Moskau, um Friedensverhandlungen aufzunehmen. Nach einem halben Jahr führten die Gespräche schließlich am 17. September 1994 in Teheran zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens. Kurze Zeit später führte die Regierung Rakhmonov unter dem Protest der Opposition im Oktober und Anfang November 1994 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durch, die Rakhmonov und seine Partei mit eindeutiger Mehrheit gewannen. Außerdem verabschiedete Rakhmonov eine neue Verfassung, die durch ein Referendum herbeigeführt worden war. Alle diese politischen Ergebnisse wurden weder von der Opposition noch von den internationalen Beobachtern (UN, OSZE und EU) anerkannt, da die Wahlen nach Ansicht der internationalen Staatengemeinschaft nicht als frei und fair bezeichnet werden konnten. Erstmals seit der Unabhängigkeit Tadschikistans fanden in dem zentralasiatischen Land am 26. Februar 1995 Parlamentswahlen statt. Insgesamt wurden 181 Sitze im tadschikischen Parlament, dem Madschlisi-Oli, vergeben. Die meisten der gewählten Parlamentsmitglieder stammten aus der ehemaligen KP. 86 von ihnen waren in ihren Wahlbezirken ohne Gegen68 69

Committee to Protect Journalists (CPJ). A Retreat to Tyranny: Tajikistan's Unreported War Against Press Freedom. 1994. gopher://gopher.igc.apc.org:5000/00/int/cpj/reports/3. (27.1.1999). S. 8 Scholl-Latour, Peter. Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. S. 152

19


kandidaten angetreten, so dass ihre Wahl schon vorher festgestanden hatte. Stärkste Kraft im neuen Parlament wurden unweigerlich die prokommunistischen Anhänger Rakhmonovs. Der nannte die Wahl nach Aussage von Margarethe Marsall „frei und demokratisch“70, ergänzte allerdings, dass es Demokratie in Tadschikistan in absehbarer Zeit nicht geben werde. Trotz etlicher gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und Oppositionstruppen wurde die sogenannte Waffenruhe mehrfach verlängert. So auch am 17. August 1995, als Präsident Rakhmonov und der Führer der tadschikischen Opposition, Said Abdullah Nuri, ein Abkommen zur Verlängerung der Waffenruhe bis zum 26. Oktober 1995 unterzeichneten. Rakhmonov und Nuri, der bis zu diesem Zeitpunkt im Exil in Afghanistan lebte, hatten sich erstmals im Mai 1995 in Kabul getroffen. Laut Marsall soll Rakhmonov Nuri dabei vor der Presse als „große Figur in Tadschikistan“71 bezeichnet haben. Said Abdullah Nuri war von den verschiedenen in der UTO (United Tajik Opposition) verschmolzenen Oppositionsgruppen bei der Gründung der UTO am 27. Juli 1995 in Teheran zu deren Chef bestimmt worden. Es folgte ein Jahr, in dem sich die Bürgerkriegsgegner trotz immer wieder verlängerter Waffenruhe inhaltlich nicht auf ein Friedensabkommen einigen konnten. Die Waffenruhe existierte nur auf dem Papier, in Wirklichkeit wurde in vielen Teilen Tadschikistans auch 1996 weitergekämpft. Präsident Rakhmonov sah sich durch die anhaltenden Kampfhandlungen in seinem Land und unter dem massiven Druck Russlands dazu gezwungen, im Dezember 1996 erneut zu Gesprächen mit den Führern der Opposition nach Moskau zu reisen. Erstes Ergebnis der Gespräche am runden Tisch war das Waffenstillstandsabkommen zwischen dem Präsidenten Imomali Rakhmonov und dem UTO-Führer Said Abdullah Nuri am 23. Dezember 1996. Ein halbes Jahr später hatte der Bürgerkrieg in Tadschikistan dann schließlich ein Ende. Am 27. Juni 1997 unterzeichneten Präsident Rakhmonov und der UTO-Führer Said Abdullah Nuri in Moskau einen Friedensvertrag. Beide Seiten einigten sich darauf, die Macht in Tadschikistan bis auf Weiteres zu teilen und gemeinsam für einen Prozess der Wiedereingliederung der Oppositionellen und der zahlreichen Bürgerkriegsflüchtlinge einzustehen. Die Parteien bzw. Bewegungen Islamic Renaissance Party, Democratic Party, Rastokhez People's Movement und La'li Badakhshon Society, die seit 1993 offiziell verboten waren, wurden wieder zugelassen. In den Kriegsjahren waren diese Oppositionsgruppen von ihren im Exil lebenden Führern geleitet worden und hatten sich zuerst in Afghanistan zum sogenannten Islamic Revival Movement vereinigt. 1996 änderten sie dann ihre Bezeichnung zu United Tajik Opposition (UTO). Nach der zwischenzeitlichen Ruhe zogen erst im Juli 1998 wieder dunklere Wolken über Tadschikistan auf. Am 20.7.1998 wurden vier Mitarbeiter der Vereinten Nationen auf dem Weg ins Garm-Tal von Unbekannten erschossen. Daraufhin protestierten verschiedene internationale Hilfsorganisationen. Das Internationale Rote Kreuz zog seine Mitarbeiter aus den ländlichen Gebieten Tadschikistans ab und konzentrierte die humanitäre Arbeit bis auf Weiteres auf die Hauptstadt Dushanbe.72 Die zweite Phase der Umsetzung des Friedensvertrags von 1996 begann schließlich im August 1998, als neben der bereits geduldeten UTO auch die anderen Oppositionsparteien und deren Medien ihre Arbeit wieder aufnehmen durften. Kurze Zeit später, am 22. September 1998, wurde einer der Führer der UTO, Otakhon Latifi, in Dushanbe ermordet. Die UTO er70

71 72

Marsall, Margarethe. Mittelasien. Die Entwicklung in Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und Kyrgysstan seit der Unabhängigkeit. In: Weltgeschehen IV/95. Analysen und Berichte zur Weltpolitik für Unterricht und Studium. 1995. S. 53 vgl. ebenda. S. 55 vgl. International Committee of the Red Cross (ICRC). ICRC News 98/29. ICRC shocked by murder of four UN staff members in Tajikistan. 23.7.1998. http://www.icrc.ch/unicc/icrcnews.../07ba3387efee55d84125664a005036cc?OpenDocument. (17.10.1998)

20


klärte drei Tage später ihren vorläufigen Ausstieg aus der Nationalen Versöhnungskommission. Im November 1998 wurde ein Putschversuch des Führers der Partei der Nationalen Einheit, Abdumalik Abdulladschanow, und der Miliz des Rebellenführers Mahmud Khudoiberdyev, in der Region Leninabad von den Regierungstruppen niedergeschlagen.73 Ein Jahr später, im November 1999, standen dann in der beschriebenen unruhigen Atmosphäre Präsidentschaftswahlen an. Vier Kandidaten wollten an der Wahl teilnehmen. Den Oppositionsmitgliedern Saifiddin Turaev und Sulton Kuvvatov wurde jedoch vom Höchsten Gericht des Landes die Registrierung zur Wahl verboten. Kurz vor der Wahl wurde Davlat Usmon (in einer anderen Quelle (s. unten) ist die Rede von Davlat Ismonov, meine Anmerkung, C.S.) von der Islamic Renaissance Party als Kandidat zugelassen. Allerdings sagte Usmon, seine Zulassung sei nur ein offizielles Zugeständnis der Regierung, um die Wahl nicht auch auf dem Papier zu einer Ein-Kandidaten-Wahl verkommen zu lassen. Die UTO hatte schon vorher ihre Mitarbeit in der Nationalen Versöhnungskommission aufgekündigt, da eine freie und faire Wahl ihrer Meinung nach unter den genannten Umständen nicht möglich sei.74 Zu den Behinderungen der Oppositionskandidaten gehört auch das 1999 modifizierte Wahlrecht, das es zur Grundlage für eine Nominierung macht, dass ein potentieller Kandidat die Unterschriften von mindestens fünf Prozent aller Wähler vorweisen kann. Außerdem verweigerte die Regierung Rakhmonov zahlreichen Parteien die Registrierung oder nahm bereits ausgesprochene Registrierungen wieder zurück, so dass eine echte Opposition in rechtlichem Rahmen gar nicht entstehen konnte. Bei der Wahl am 6. November 1999 erreichte Präsident Rakhmonov laut offiziellen Angaben einen Stimmenanteil von 97 Prozent. Die Wahlbeteiligung unter den 2,8 Millionen Wählern in Tadschikistan soll bei 96 Prozent gelegen haben. Diese Ergebnisse hält der Oppositionskandidat Davlat Ismonov, der laut offiziellen Angaben zwei Prozent der Stimmen bekam, für schlichtweg falsch und fordert die Annulierung der Wahl.75 Während nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press Wahlbeobachter aus 14 Ländern den Urnengang begleiteten, hatte die OSZE sich wegen der unfairen Bedingungen im Wahlkampf geweigert, offizielle Wahlbeobachter nach Tadschikistan zu schicken. Die Leiterin der Europa- und Zentralasien-Abteilung der Organisation Human Rights Watch, Holly Cartner, nannte die Wahl eine Farce. Ihrer Meinung nach seien das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht in den vorangegangenen Monaten in zahlreichen Fällen verletzt worden. Außerdem gelte mittlerweile die Entschuldigung nicht mehr, die Situation im Land sei durch den Bürgerkrieg bedingt. „Coming out of a civil war, Tajikistan is often described as the special case in Central Asia. But there can be no excuse this time around for its failure to meet its international commitments.“76

73 74

75 76

vgl. Asia-Plus. (News Agency). Good-bye to the year: The chronology of main events of 1998. In: Bulletin 62. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_62/1.html. (30.1.1999). S. 4 Human Rights Watch. Tajikistan’s presidential elections. 28.10.1999. http://www.hrw.org/hrw/press/1999/oct/tajik1028b.htm. (23.11.1999) „The United Tajik Opposition (UTO) has withdrawn from the Commission on National Reconciliation (CNR) and the Central Electoral Commission, claiming that in these conditions, a free and fair poll is impossible.“ vgl. Associated Press. Tajik election made official. In: Washington Post. Online. 11.11.1999. http://www.washingtonpost.com/wpsrv/aponline/19991111/aponline103138_000.htm. (23.11.1999) Human Rights Watch. Presidential Elections in Tajikistan a Farce. 28.10.1999. http://www.hrw.org/hrw/press/1999/oct/tajik1028.htm. (24.11.1999)

21


2.3.4 Der Präsident Tadschikistans, Imomali Rakhmonov

Abbildung 7: Imomali Rakhmonov77

Der Präsident der Republik Tadschikistan, Imomali Rakhmonov, wurde am 5. Oktober 1952 in der Tadschikischen SSR als Sohn eines Bauern geboren. Nach Beendigung der Schule begann er eine Elektrikerlehre in der Stadt Kurgan-Tyube. Von 1971 bis 1974 diente er in der Pazifikflotte der UdSSR. Nach seiner Rückkehr studierte er in Dushanbe am Institut für Ökonomie der Tadschikischen Staatsuniversität, welches er 1982 mit einem abgeschlossenen Studium verließ. In den Folgejahren engagierte Rakhmonov sich in der Kommunistischen Partei und übernahm von 1987 bis 1992 die Funktion des Direktors der Lenin-Sovchose in der Dangara-Region. 1990 war er als Volksdeputat in den Obersten Sowjet der Tadschikischen SSR gewählt worden. Am 16. November 1992 wurde der damals 40-jährige zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets und somit zum wichtigsten Mann Tadschikistans. An diesem Tag sagte Imomali Rakhmonov: „I will never know rest until lasting peace is established in Tajikistan and the last refugee returns home."78 Rakhmonovs Hauptcharakterzüge sind nach Aussagen seiner Mitarbeiter Geradlinigkeit, Objektivität und Bescheidenheit. 1997 machte der tadschikische Staatspräsident eine Pilgerfahrt nach Mekka. Rakhmonov ist verheiratet mit Azizmo Asadullaeva und Vater von sieben Töchtern und einem Sohn. Seine älteste Tochter ist bereits verheiratet, während die jüngste erst im Sommer 1998 geboren wurde. Der einzige Sohn, Rustam Rakhmonov, studiert am Presidential Lyceum in Dushanbe. Neben seiner Familie beschäftigt sich der tadschikische Präsident Imomali Rakhmonov gerne mit klassischer Musik, Romanen und Sport.79 Der Privatmann und der Staatsmann Imomali Rakhmonov scheinen zwei völlig verschiedene Personen zu sein. Die Beschaulichkeit der Familienidylle wechselt sich allem Anschein nach fast übergangslos ab mit der Grausamkeit der Diktatur.

2.3.5 Wirtschaft Tadschikistans Tadschikistan hatte schon zu Zeiten der Sowjetunion das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen der UdSSR, dazu das höchste Bevölkerungswachstum und einen extrem niedrigen Lebensstan77 78

79

Reporters Sans Frontières. Top 25 Enemies of the Press. 1996. http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_MAJ/RSFDict/Dict_VF/Dict14_VF.html. (24.10.1999) Mansurova, Gulchehra. Who is who. Imomali Rakhmonov: "The path to the peace in Tajikistan is long and thorny". In: Asia-Plus. (News Agency). Bulletin 23 (61). http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_61/10.html. (30.1.1999). S. 1 vgl. ebenda. S. 2

22


dard. Die Wirtschaft ist geprägt von der Landwirtschaft, wobei Baumwolle das bedeutendste Anbauprodukt ist. 75 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Gesamtfläche Tadschikistans entfallen auf den Baumwollanbau. In der Viehzucht dominiert vor allem die Schafhaltung. Außerdem sind die Tadschiken außerordentlich engagiert bei der Zucht von Seidenraupen. Natürliche Rohstoffvorkommen (Silber, Gold, Uran) sind vorhanden, allerdings nicht in besonders großen Mengen. Die Industrie des Landes beschränkt sich fast ausschließlich auf eine Aluminiumfabrik und einige Wasserkraftwerke. 43 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Tadschikistans sind in der Landwirtschaft tätig, 24 Prozent sind im Dienstleistungssektor bzw. im Staatsdienst angestellt. In der Industrie sind 14 Prozent der Arbeiter beschäftigt, weitere elf Prozent entfallen auf Handels- und Kommunikationsfirmen, während acht Prozent in der Bauindustrie ihr Geld verdienen. Die tadschikische Wirtschaft wurde zudem durch den vier Jahre dauernden Bürgerkrieg geschwächt. Vor allem im Süden des Landes sind mehr als 80 Prozent der Industrieanlagen zerstört worden. Allein im Jahr 1997 sollen sich die materiellen Kriegsverluste auf rund vier Milliarden US-Dollar belaufen haben80. Seitdem ist Tadschikistan noch mehr von Russland und dem Nachbarland Usbekistan abhängig. Usbekistan kontrolliert die Energieversorgung Tadschikistans, da die meisten der nicht zerstörten Industrieanlagen in dem unter starkem usbekischen Einfluss stehenden Norden Tadschikistans angesiedelt sind. Russland beschränkt sich auf finanzielle Unterstützung und die Gewährleistung der Sicherheit der tadschikischafghanischen Grenze. Eines der größten wirtschaftlichen Probleme des Landes ist die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln. Die Produktion von Fleisch und Butter sank in den Jahren 1992 bis 1994 um jeweils rund 40 Prozent. Laut Informationen der Außenwirtschaftsorganisation der österreichischen Wirtschaftskammer verbrauchen drei Viertel der Bevölkerung heute weniger als 200 Gramm Butter pro Monat81. Das Bruttosozialprodukt je Einwohner lag in Tadschikistan im Jahr 1995 bei 340 US-Dollar. Die Inflationsrate wurde für 1995 von der Central Intelligence Agency (CIA) auf 28 Prozent pro Monat geschätzt82, andere Quellen nennen eine Inflationsrate von 635 Prozent für das ganze Jahr 199583. Die Medienassistenz-Organisation Internews berichtet, dass das durchschnittliche Monatseinkommen in Tadschikistan bei etwa vier US-Dollar liegt und oft nicht fristgemäß gezahlt wird84. Die tadschikische Währung ist der tadschikische Rubel, der bei meinem Besuch in Tadschikistan im April 1996 einen Wert von 275 Rubel pro US-Dollar hatte. Der Fischer Weltalmanach 1999 (Redaktionsschluss: 1. September 1998) nennt einen Umtauschkurs von 754:1.85 In der ersten Woche des Jahres 1999 wurde in Dushanbe ein amerikanischer Dollar beim Tausch mit 1200 tadschikischen Rubeln bezahlt86. Mitte 1999 lag der Wert des USDollars bereits bei 1436 Rubeln.87

80 81 82 83 84 85 86 87

vgl. Wirtschaftskammer Österreich. Außenwirtschaftsorganisation. AW-Länderblatt Tadschikistan. http://www.wk.or.at/wk/aw/laender/ld_tj/1179_96.htm#WIRTUEBER. (30.1.1999). S. 4 ebenda. S. 4 Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Tajikistan, http://www.odci.gov/cia/publications/nsolo/factbook/ti.htm. (30.12.1997). S. 5 von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 691 Internews. Media in the CIS. Tajikistan: Basic data. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan.html. (20.11.1998) von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1999. S. 709 Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org. „Media in Tajikistan". 6.1.1999. Persönliche e-mail. (11.1.1999). S. 1 DHL Worldwide Express. Currency Converter. Juni 1999. http://www.dhl-usa.com/currency. (15.1.2000)

23


Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems, des Bildungssystems sowie staatlicher Bauprojekte und die Unterstützung von Wissenschaft und Kultur sind laut Internews zu einem kompletten Stillstand gekommen.88 Der Lebensstandard in Tadschikistan verschlechtert sich zusehends, so dass Internews in der Addition aller Umstände zu dem Schluss kommt, dass Tadschikistan die ehemalige Sowjetrepublik ist, die am negativsten auf die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der post-sowjetischen Zeit reagiert hat. Wirtschaftliche Reformen, die in Tadschikistan dringend notwendig wären, konnten durch die fehlende politische Konstanz in den vergangenen Jahren noch nicht auf den Weg gebracht werden. Die Regierung habe nur halbherzige Versuche unternommen, um die Wirtschaft zu stabilisieren und Reformen zu fördern, so die Autoren des Fischer Weltalmanachs 199889. Zusätzlich erschwerend ist die Tatsache, dass der durch Tadschikistan führende PamirHighway, der in weiten Teilen entlang der chinesischen Grenze verläuft, als einer der größten Drogentransportwege der Welt gilt und es daher immer wieder Proteste und Sanktionsdrohungen der internationalen Gemeinschaft gibt. Auf die Einnahmen aus dem Drogenverkauf (zumeist Schmuggelware aus Afghanistan oder aus den südlichen Regionen Tadschikistans) „kann man hier nicht verzichten“90. Der Zentralasien-Koordinator der Friedrich-EbertStiftung, Alfred Diebold, sagt anhand dieser Tatsachen: „Schwer vorstellbar, wie sich Demokratie und Menschenrechte unter solchen Bedingungen entfalten sollen.“91

88 89 90 91

Internews. Media in the CIS. Tajikistan: Basic data. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan.html. (20.11.1998) von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 691 Diebold, Alfred. Zentralasien im Sommer `99. In: Info 4/99. Friedrich-Ebert-Stiftung. S. 34/35 ebenda

24


2.4 Turkmenistan

Abbildung 8: Übersichtskarte Turkmenistan92

2.4.1 Geographie Turkmenistans Die Republik Turkmenistan verfügt über eine Gesamtfläche von 488.100 km². Damit ist das Land um 40.000 km² größer als der östliche Nachbar Usbekistan und entspricht in etwa der Größe Spaniens (504.782 km²). Im Westen grenzt Turkmenistan bei 53º östlicher Länge auf 1.768 Kilometern an das Kaspische Meer. Die charakteristische West-Ost-Ausdehnung des Landes führt dazu, dass der östlichste Punkt Turkmenistans in rund 2.000 Kilometern Entfernung bei 67º östlicher Länge an der turkmenisch-usbekisch-afghanischen Grenze liegt. Im Norden reichen die Ausläufer des turkmenischen Staatsgebietes bis zur usbekischen Grenzstadt Nukus bei etwa 430 nördlicher Breite und sind damit nur noch gut 200 Kilometer von der heutigen Südküste des Aralsees entfernt. Die südlichste Stadt der Republik Turkmenistan ist Kushka (35º nördlicher Breite), von wo aus es nur noch 100 Kilometer bis zur westafghanischen Metropole Herat sind. Turkmenistans internationale Grenzen verbinden das Land auf 744 Kilometern mit Afghanistan, auf 992 Kilometern mit dem Iran, auf 379 Kilometern mit Kasachstan und auf 1.621 Kilometern mit Usbekistan.93 Die höchste Erhebung des Landes ist der Ayrybaba, der mit 3.139 Metern ein für zentralasiatische Verhältnisse relativ unbedeutender Berg ist. Geprägt wird Turkmenistan vor allem durch die endlosen Weiten der Karakum-Wüste, einer der größten Sandwüsten der Welt. Sie ist maßgeblich daran beteiligt, dass 80 Prozent Turkmenistans aus wasserloser Wüste bestehen. Lediglich der von den Sowjets erbaute Karakum-Kanal (der längste Bewässerungskanal der Welt) macht es möglich, in Turkmenistan überhaupt Landwirtschaft zu betreiben. Die gewaltigen Anstrengungen, die in den vergangenen Jahrzehnten zu der Schaffung einer Baumwoll-

92 93

Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Turkmenistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1282.htm. (25.7.1999) vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Turkmenistan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/tx.html. (21.2.1999). S.1

25


Monokultur geführt haben, können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass der Anteil des bewässerten Territoriums mit 2,5 Prozent verschwindend gering ist. Das Klima Turkmenistans ist dementsprechend subtropisch. Der Engländer Stephen Graham hat in seinem Reisebericht Through Russian Central Asia im Jahr 1916 seinen Besuch in Krasnovodsk, dem heutigen Turkmenbashi, mit den Worten kommentiert: „Krasnovodsk is one of the hottest, most desert and miserable places in the world. The mountains are dead; there is no water in them. Rain scarcely ever falls, and the earth is only sand and salt.“94

2.4.2 Bevölkerung Turkmenistans Turkmenistan hat mit 4.297.629 Einwohnern in etwa genauso viele Einwohner wie Kirgisien. Das Bevölkerungswachstum liegt mit einem geschätzten Wert von 1,6 Prozent jedoch weit über dem Kirgisiens und ist gleichzeitig am höchsten in ganz Zentralasien. Die Turkmenen machen 77 Prozent der Gesamtbevölkerung ihres Landes aus. Weitere 9,2 Prozent stellen die Usbeken, 6,7 Prozent die Russen, 2 Prozent die Kasachen und 5,1 Prozent verschiedene andere Nationalitäten. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den in Turkmenistan gesprochenen Sprachen. 72 Prozent der Bevölkerung sprechen Turkmenisch als erste Sprache, 12 Prozent Russisch, 9 Prozent Usbekisch und 7 Prozent andere Sprachen. Nach Angaben von Eric Johnson von der Medienassistenz-Organisation Internews berichten viele der in Turkmenistan lebenden Russen von einer Politik der ethnischen Diskriminierung, wie sie auch aus anderen Teilen der GUS bekannt ist. Hierbei handelt es sich nicht so sehr um körperliche Übergriffe von Seiten der Turkmenen, sondern vielmehr um eine Art sozioökonomische Isolationspolitik. Die führenden Posten in Wirtschaftsunternehmen und staatlichen Organisationen werden ausschließlich mit Turkmenen besetzt, unabhängig von einer eventuell höheren Qualifikation russischer Mitbewerber. Das Ergebnis dieser Ausgrenzung ist eine zunehmende Emigration der russischstämmigen Bevölkerung Turkmenistans.95 Die Hauptreligion ist der Islam, dem fast 90 Prozent der Einwohner Turkmenistans angehören. Die einzige andere Religion, die sich in dem westlichsten Staat Zentralasiens sichtbar verbreitet hat, ist das orthodoxe Christentum (neun Prozent).96 Die Alphabetisierungsrate in Turkmenistan liegt mit 98 Prozent (Männer - 99 Prozent, Frauen - 97 Prozent) genauso hoch wie in den anderen zentralasiatischen Ländern.97 Auch bei der Altersstruktur liegt das Land im gemeinsamen Trend. 39 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 14 Jahre, 57 Prozent zwischen 15 und 63 und lediglich 4 Prozent der Einwohner Turkmenistans sind älter als 65 Jahre.98 Die Hauptstadt Ashgabat, die mit ihren 517.200 Einwohnern etwa in der Mitte der fast 1.000 Kilometer langen Grenze mit dem Iran im äußersten Süden Turkmenistans gelegen ist, stellt wirtschaftlich und politisch gesehen das uneingeschränkte Zentrum des Landes dar. Die anderen größeren Städte, Tschardschou mit 166.400, Taschaus mit 117.000, Mary mit 94.900, Nevit-Dag mit 89.100 und Turkmenbashi mit 59.500 Einwohnern, sind nicht mehr als regionale Unterzentren.99

94 95 96 97 98 99

vgl. Whittell, Giles. Central Asia. The Practical Handbook. S. 72 vgl. Johnson, Eric. Turkmenistan Electronic Mass Media - Trip Report. August 1996. http://www.soros.org/turkstan/turktrip.html. (4.6.1999). S. 1 vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Turkmenistan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/tx.html. (21.2.1999). S.3 ebenda. S. 3 ebenda. S. 2 von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.). Fischer Weltalmanach 1998. S. 718

26


2.4.3 Geschichte und Politik Turkmenistans Das heutige Turkmenistan spielte in den vergangenen Jahrhunderten wiederholt eine Rolle als Schlachtfeld und Durchreiseland für Armeen und Feldherren aus verschiedenen Teilen der Erde. Allerdings galt es nie als Ziel, Turkmenistan zu erobern. Vielmehr war es wichtig, die unfreundliche Wüste Turkmenistans auf dem Weg in andere, reichere Gegenden zu überleben. So nutzte zum Beispiel Alexander der Große Turkmenistan als Zwischenstopp auf dem Weg nach Indien. Im 11. Jahrhundert versuchten die Seljuken, von Turkmenistan aus ihr Imperium bis nach Afghanistan auszudehnen. Zwei Jahrhunderte später fiel Dschingis Khan mit seinen Truppen über Turkmenistan und den Rest Zentralasiens her. Wann genau die ersten Turkmenen sich in dem Gebiet östlich des Kaspischen Meers niederließen, ist geschichtlich nicht genau nachweisbar. Wahrscheinlich ist jedoch die Phase der seljukischen Attacken die Geburtsstunde des heutigen Turkmenistans. Zu dieser Zeit müssen die Nomadenvölker vor allem aus dem Altai-Gebirge (nahe der heutigen kasachischmongolischen Grenze) in die Nähe der Karakum-Wüste geritten sein, wo sie ein beschränktes Maß an fruchtbarem Land vorfanden. Im 16. Jahrhundert wurden die turkmenischen Nomadenvölker als gefährliche Räuberbanden bekannt, die die Karawanen der Seidenstraße und die benachbarten Turkvölker terrorisierten und sich erfolgreich gegen jede fremde Invasion verteidigten. Als sie jedoch zu Ende des 19. Jahrhunderts erneut die Russen provozierten und auf einen Schlag mehr als 3.000 russische Soldaten als Sklaven verkauften, schlug das Zarenreich zurück. Nach mehreren gescheiterten Versuchen besiegte das russische Heer unter General Mikhail Skoblev 1881 die Turkmenen bei Geok-Tepe. 1894 was das gesamte Gebiet Turkmenistans erstmals vollständig unter russischer Kontrolle. Im Ersten Weltkrieg war Turkmenistan für kurze Zeit Schauplatz eines kleineren Gefechts zwischen britischen und russischen Truppen. Nach dem Ende des Krieges zogen sich die Briten aus der Region zurück und die Bolschewiken regierten das Land, welches offiziell ‚Turkmenisches Verwaltungsgebiet innerhalb der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Turkestan‘ genannt wurde. 1924 wurde Turkmenistan dann endgültig zur vollständigen Sowjetrepublik erklärt. Die folgenden Jahre sahen einen verstärkten Kampf von turkmenischen Guerrillagruppen gegen die russische Obrigkeit. Die Kommunisten ihrerseits verstärkten ihren Kampf gegen den Islam, so dass von 441 Moscheen im Jahr 1911 nur fünf bis zum Jahr 1941 bestehen blieben.100 In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg machte Turkmenistan lediglich durch den Bau des 1100 Kilometer langen Karakum-Kanals von sich reden. Das Projekt, das die Baumwollproduktion in Zentralasien explodieren ließ, sorgte zugleich für eine der schlimmsten ökologischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts (siehe Kapitel 2.5.1). Auf die politischen Veränderungen der 80er Jahre reagierte Turkmenistan nur langsam. Erst 1989 schlossen sich einige Intellektuelle unter dem Namen Agzybirlik zu einer Opposition zusammen. Die Partei, die 1990 offiziell registriert wurde, versuchte eine Art Nationalbewusstsein in dem Vielvölkerstaat Turkmenistan zu schaffen. Agzybirlik wurde von der turkmenischen Regierung verboten, als klar wurde, dass die Partei immer mehr Anhänger fand. Allerdings machte die Kommunistische Partei Turkmenistans gewisse Zugeständnisse, als sie Turkmenisch als offizielle Sprache des Landes in der Verfassung verankerte und am 22. August 1990 in einer Souveränitätserklärung das turkmenische Recht über das sowjetische hob. Am 27. Oktober 1990 wurde Saparmurat Niyazov mit 98 Prozent der Wählerstimmen als erster Präsident des Landes in das neu geschaffene Amt gewählt. Der Zusammenbruch der So100

vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 448

27


wjetrepublik überraschte Turkmenistan, da die unterentwickelte Wirtschaft vor allem wegen der zahlreichen Subventionen aus Moskau auf eine Eigenständigkeit nicht vorbereitet war. Nach dem gescheiterten Putschversuch in Moskau vom August 1991 erklärte Turkmenistan am 27. Oktober 1991 seine Unabhängigkeit. Die Politik des Landes wird offiziell von dem 50 Mitglieder umfassenden Parlament (Majlis) bestimmt. Außerdem gibt es eine Ratsversammlung (Khalk Maslakhaty), die aus den 50 Parlamentsmitgliedern, 50 weiteren direkt gewählten Mitgliedern sowie führenden Vertretern von Exekutive und Jurisdiktion besteht. Präsident der Ratsversammlung ist das Staatsoberhaupt Präsident Niyazov. Bei den Parlamentswahlen 1994 durfte lediglich die Demokratische Partei Turkmenistans Kandidaten aufstellen. Das Parlament kann vom Präsidenten vorzeitig aufgelöst werden, sobald es innerhalb von 18 Monaten zwei Misstrauensanträge durchlaufen muss.101

2.4.4 Der Präsident Turkmenistans, Saparmurat Niyazov

Abbildung 9: Saparmurat Niyazov102

Der am 19. Februar 1940 geborene Saparmurat Niyazov (verheiratet, zwei Kinder103) regiert seit der Unabhängigkeit Turkmenistans mit eiserner Hand über sein Land. Er ist der unumstrittene Führer der einzigen Partei des Landes, der Demokratischen Partei Turkmenistans, deren einziger Unterschied zur ehemaligen KP Turkmenistans der veränderte Name ist. Statuen von Niyazov schmücken jeden verfügbaren Sockel des Landes. Schätzungen aus dem Jahr 1999 ergaben eine Gesamtzahl von bis zu 10.000 über das ganze Land verteilte Präsidenten-Statuen. Bilder von Niyazov hängen an fast jedem Gebäude. Jeder Geldschein zeigt das Portrait des mächtigsten Mannes im Land. Der Erste Sekretär der Demokratischen Partei Turkmenistans, Ondzhik Musaev, hat nach Angaben des European Institute for the Media in seinem Büro nicht weniger als 26 Abbildungen des Präsidenten in verschiedenen Formen (Büsten, Poster, Gemälde, Kalender, etc.).104 101

102 103

104

Freedom House. Press Freedom Worldwide. 1. Januar 1999. http://freedomhouse.org/survey99/country/kazakh.html. (15.10.1999) „The president has extensive powers and can prorogue the parliament if has passed two no-confidence motions within an 18-month period. In addition, he issues edicts that have the force of law, appoints and removes all judges, and names the state prosecutor.“ Turkmenistan Information Center. Turkmenistan Online. The President. http://www.turkmenistan.com/president.htm. (23.10.1999) Über die Familie des turkmenischen Präsidenten wird in den vorliegenden Quellen kaum berichtet. Anders als zum Beispiel in Kasachstan (vgl. Kapitel 2.1.4), wo ein ganzer Familienclan an der Macht ist, konzentriert sich der Personenkult in Turkmenistan ganz auf das Staatsoberhaupt Turkmenbashi. vgl. McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. Turkmenistan. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 265. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/66.html. (16.12.1999)

28


Der ehemalige Pressereferent des Präsidenten, Durdymukhammed Kurbanov, soll Mitte der 90er Jahre versucht haben, Saparmurat Niyazov wegen seiner „contribution to world history“ für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Als dieses Unterfangen scheiterte, quittierte Kurbanov seinen Dienst und wird seitdem als „traitor and enemy of the motherland“ betitelt.105 Die Autoren des Reiseführers Lonely Planet Central Asia schreiben etwas sarkastisch: „Niyazov is the focus of a personality cult that makes Lenin look shy and retiring.“106 Nach seiner Wiederwahl als Präsident im Oktober 1992 mit 99,5 Prozent der Stimmen ernannte das Parlament Niyazov zum Helden des turkmenischen Volkes. Im darauffolgenden Jahr nahm Niyazov den Namen Turkmenbashi, übersetzt ‚Herr der Turkmenen‘, an. Gleichzeitig verlängerte das Parlament seine Präsidentschaft bis zum Jahr 2002. Turkmenbashi ist seit 1990 Präsident, seit 1992 gleichzeitig Premierminister und zusätzlich Vorsitzender der einzigen politischen Partei des Landes. Obwohl die Partei Turkmenbashis sich Demokratische Partei Turkmenistans nennt, wird Turkmenbashi mit den Worten „Formal democracy would be a burden to the people“107 zitiert. Politische Oppositon ist in Turkmenistan strikt verboten, und auch die Medien des Landes sind vollständig gleichgeschaltet. Unterdessen unterhält Turkmenbashi freundschaftliche Beziehungen zum Moskauer Kreml und bemüht sich um eine gesteigerte Zusammenarbeit mit den direkten und indirekten Nachbarn Iran, Türkei und Pakistan. Der turkmenische Präsident hat das Recht, neue Gesetze zu schaffen, die dann vom Parlament bestätigt werden müssen. Über die Zusammensetzung der Ministerkonferenz entscheidet einzig und allein der Präsident. Der Personenkult Turkmenbashis nimmt seit der Mitte der 90er Jahre zum Teil groteske Dimensionen an. Flughäfen, Stadtteile, ja sogar ganze Städte wie das ehemalige Krasnovodsk am Kaspischen Meer werden nach Turkmenbashi benannt. Der turkmenische Präsident ließ 1998 ein dem Pariser Eiffelturm ähnliches Bauwerk neben seinem Palast in der Hauptstadt Ashgabat bauen. In einem zweiten Bauabschnitt wurde auf dem 60 Meter hohen Sockel eine mehr als 10 Meter große Statue Turkmenbashis installiert, die sich mit einer wohlwollenden, grüßenden Geste um die eigene Achse dreht. Der Regierungssprecher des Landes, Bigeldi Geylanov, wird in diesem Zusammenhang in einem Bericht der Zeitschrift Newsweek International mit den Worten zitiert: „We are proud of our independence and proud of Turkmenbashi. For instance, I go home and I have a portrait of the president on my desk, and portraits of him in every room, and nobody forces me to do that.“108 Im April 1998 reiste Turkmenbashi zu einem Besuch in die USA. Pünktlich zu seinem Eintreffen in den Vereinigten Staaten erschien in dem amerikanischen Nachrichtenmagazin Time eine achtseitige Anzeige, in der Turkmenistan wegen der Öl- und Gasvorkommen und der neutralen politischen Ausrichtung mit Kuwait oder der Schweiz verglichen wurde. Die Anzeige wurde von der International Media Corporation (IMC) aus New York geschaltet. Es wird vermutet, dass die finanziellen Mittel für die umfangreiche Veröffentlichung aus turkmenischen Regierungs- oder Wirtschaftskreisen stammen. Über Turkmenbashi hieß es in der Anzeige: „He is the hugely popular president of Turkmenistan, the man who his citizens call Turkmenbashi – head of all Turkmen.“109 Am 28.12.1999 verabschiedete das turkmenische Parlament eine Verfassungsänderung, wonach dem Präsidenten eine unbestimmte Amtszeit eingeräumt wird. Nach Angaben der Nach105 106 107 108 109

ebenda King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 448 ebenda. S. 449 Newsweek International. Turkmenistan. Gone to his head. 30.11.1998. http://newsweek.org/nw-srv/issue/22_98b/printed/int/dept/ps/ovps_4.htm. (1.11.1999) Csongos, Frank T. (RFE/RL). Turkmenistan: Advertisement Portrays Stable Country With Popular Leader. Washington. 23.5.1998. http://www.rferl.org/nca/features/1998/04/F.RU.980423133201.html. (1.11.1999)

29


richtenagentur dpa unter Berufung auf Interfax soll Niyazov am Tag zuvor auf ein entsprechendes Angebot des turkmenischen Volksrates verzichtet haben.110 Die Entscheidung, Niyazov praktisch auf Lebenszeit im Amt zu bestätigen, kann wohl als das faktische Ende jeglicher demokratischer Formen in dem zentralasiatischen Land gewertet werden. 23-04-98

2.4.5 Wirtschaft Turkmenistans Turkmenistan ist eines der rohstoffreichsten Länder der ehemaligen Sowjetunion. Vor allem die Öl- und Gasvorkommen (die Gasvorkommen sollen die viertgrößten weltweit sein) des Landes könnten Turkmenistan auf lange Sicht zu einem florierenden Zentrum zwischen Europa und Asien werden lassen. Zurzeit überwiegen jedoch die wirtschaftlichen Probleme. Jahrzehnte der Zentralwirtschaft haben Turkmenistan nach der Unabhängigkeit 1991 in einen miserablen Zustand gebracht. Es gibt kaum Fabriken, da die Wirtschaft der Turkmenischen SSR fast ausschließlich auf die Produktion von Baumwolle zur Weiterverarbeitung in anderen Teilen der UdSSR ausgerichtet war. Auch die Schulden, die die übrigen Ex-Sowjetländer bei Turkmenistan haben und wahrscheinlich niemals begleichen werden, sind enorm. 1995 soll sich der Umfang der ausstehenden Zahlungen auf etwa 1,4 Milliarden US-Dollar belaufen haben.111 In den vergangenen Jahren hat die turkmenische Führung mehrfach versucht, ausländische Investoren zu gewinnen, um die Rohstoffvorkommen systematisch und professionell auszubeuten. So reiste Präsident Niyazov 1998 in die USA, um sich mit US-Präsident Clinton, Vize-Präsident Al Gore sowie den Präsidenten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zu treffen. Neben den USA sind auch Russland und der Iran an einer Beteiligung an der Rohstoffförderung in Turkmenistan interessiert. So vereinbarten Turkmenistan und das Nachbarland Iran bereits 1997 eine Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene. Die Grenzbestimmungen wurden vereinfacht und eine strategisch wichtige Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Ländern eröffnet. Der Iran bietet den Turkmenen den nächstgelegenen Zugang zu einem der Weltmeere, von wo aus das geldbringende Öl in alle Himmelsrichtungen verschifft werden kann. Neben den Iranern sind auch schon der russische Industiegigant Lukoil sowie die amerikanische Firma Unocal in Turkmenistan tätig. Unocal plant im Gegensatz zu den Iranern eine Pipeline, die durch Afghanistan nach Pakistan führen soll. Trotz der Bemühungen der Regierung um die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage „reichen die Einkommen der einfachen Leute nicht, um Ersatzanschaffungen vorzunehmen. Die alten Leute gehen heute in der Kleidung, die sie während der Sowjetzeit gekauft haben“.112 Die turkmenische Währung ist seit der Ablösung des Rubels am 1. November 1993 der Manat. Nach einem anfänglichen Umtauschkurs von zwei Manat pro US-Dollar war die turkmenische Währung bis zum April 1996 auf 3200 Manat für einen amerikanischen Dollar gesunken. Weitere zweieinhalb Jahre später, im September 1998, hatte sich der Wert der turkmenischen Währung erneut fast halbiert. Ein US-Dollar kostete zu diesem Zeitpunkt bereits 5350 Manat. Öl und Benzin sind in Turkmenistan sehr billig, Lebensmittel hingegen vergleichsweise teuer.

110 111 112

vgl. dpa. Turkmenien/Präsident/„Turkmenischer Präsident erhält unbegrenzte Amtszeit“. 28.12.1999. (13:19 dpa bdt0247 4 pl 144 dpa 0235) vgl. King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 450 Diebold, Alfred. Zentralasien im Sommer `99. In: Info 4/99. Friedrich-Ebert-Stiftung. S. 34/35

30


2.5 Usbekistan

Abbildung 10: Übersichtskarte Usbekistan113

2.5.1 Geographie Usbekistans Usbekistan ist mit 447.400 km² nach Kasachstan und Turkmenistan das drittgrößte Land Zentralasiens. Die aus 425.400 km² Land- und 22.000 km² Wasserfläche bestehende Gesamtgröße Usbekistans entspricht in etwa der Größe Schwedens. Im Westen umfasst Usbekistan bis zum 53. östlichen Längengrad das Territorium der Autonomen Republik Karakalpakstan, welche 37 Prozent des usbekischen Staatsgebietes einnimmt. Das Ferghana-Tal mit den Wirtschaftsstandorten Namangan, Kokand, Ferghana und Andijan bildet 1.500 Kilometer weiter östlich bei 73º östlicher Länge den Abschluss der West-Ost-Ausdehnung Usbekistans. Im Norden teilt sich das Land bei 46º nördlicher Breite den Aralsee mit dem Nachbarstaat Kasachstan. Der südlichste Punkt Usbekistans ist die Stadt Termez, wo bei 37º nördlicher Breite der Grenzfluss Amu-Darya das Land von Afghanistan trennt. Insgesamt verfügt Usbekistan über 6.221 Kilometer internationaler Grenzen. Dabei ist die Landesgrenze zu Kasachstan mit 2.203 Kilometer mit Abstand am längsten, gefolgt von der Grenze zu Turkmenistan (1.621 Kilometer), Tadschikistan (1.161 Kilometer) und Kirgisien (1.099 Kilometer). Mit dem südlichen Nachbarn Afghanistan verbindet Usbekistan nur ein 137 Kilometer kurzer Grenzsstreifen. 114 Der Westen Usbekistans wird von flacher Steppe bestimmt, die in der Mitte des Landes in die Kyzylkum-Wüste übergeht. Der Osten Usbekistans hingegen ist zumeist höher gelegen. Hier bilden die Chatkal-Berge den Anfang der sich weiter östlich befindlichen Hochgebirgsregionen Tien Shan und Pamir. Wegen der langgezogenen Wüsten- und Steppen-Ebene im Westen Usbekistans sind die Flüsse des Landes von besonderer Wichtigkeit. Im Süden bildet der Amu Darya die Grenze zu 113 114

Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Usbekistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1284.htm. (25.7.1999) vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Uzbekistan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/uz.html. (21.2.1999). S.1

31


Afghanistan und fließt dann weiter als Grenzfluss zwischen Turkmenistan und Afghanistan bis hin zum Aralsee. Der Amu Darya, der größte Wasserweg Zentralasiens, ist maßgeblich an der Existenz der Landwirtschaft in den genannten Ländern verantwortlich. Die anderen beiden Ströme, die für Usbekistan von entscheidender Bedeutung sind, heißen Syr Darya und Zerafshan. Der Syr Darya, der in Kirgisien entspringt, durchquert das Land westlich der Hauptstadt Tashkent und fließt dann durch Kasachstan ebenfalls in den Aralsee. Der Zerafshan, der seit Jahrhunderten die Wasserversorgung der Städte Samarkand und Bukhara garantiert, war aus eben diesem Grunde maßgeblich an der Entstehung des Seidenstraßen-Mythos beteiligt. Die Tatsache, dass außer in der Nähe dieser drei großen Flüsse menschliches Leben in Usbekistan nur sehr schwer möglich ist, schlägt sich in der Bevölkerungsverteilung des Landes nieder (siehe Kapitel 2.5.2). Die Versorgung der Usbeken (und der Turkmenen) mit Wasser für den täglichen Bedarf und vor allem für die Bewässerung der Baumwollplantagen hat jedoch dazu geführt, dass mittlerweile seit Jahrzehnte immer weniger Wasser den Aralsee erreicht. Von 1960 bis 1995 hat der Aralsee dadurch die Hälfte seiner Oberfläche und zwei Drittel seines Wasservolumens eingebüßt.115 Der ehemals größte Hafen des Aralsees, die Stadt Muynak im Norden Usbekistans, liegt jetzt mehr als 100 Kilometer von der Küste des Sees entfernt. 60.000 Fischer sind arbeitslos geworden, da in dem See mittlerweile keine Fische mehr leben können. Das Wasser, das noch im Aralsee ankommt, ist mit Chemikalien und Pestiziden von den Baumwollfeldern Zentralasiens verpestet. In Turkmenistan und der usbekischen Region Karakalpakstan bringt jeder Regen eine unwahrscheinlich große Menge Salz mit sich, das sich auf den Felder ablagert und jegliche Form von Landwirtschaft unmöglich macht. Auswege aus der prekären Lage sind nicht in Sicht. Zwar gibt es eine kleine Gruppe von Aktivisten, die versucht, den Aralsee zu retten, doch ohne eine länderübergreifende internationale Initiative wird es nicht gelingen, eine der größten ökologischen Katastrophen der Welt auch nur in Ansätzen umzukehren.116 Wenn der jetzige Wasserverbrauch im Aralbecken so weitergeht wie bisher, wird der Aralsee bereits im Jahr 2020 vollständig verschwunden sein. Das Klima Usbekistans lässt sich wegen der großen Diversität des Staatsgebietes nicht mit einem Schlagwort kennzeichnen. Sowohl kontinentales als auch subtropisches Klima herrscht in dem zentralasiatischen Land vor. Allerdings lässt sich für fast alle Teile des Landes gleichsam sagen, dass die Sommer lang und heiß sind und die Winter eher mild.

2.5.2 Bevölkerung Usbekistans In Usbekistan lebten nach Angaben der Central Intelligence Agency (CIA) im Jahr 1998 23.784.321 Menschen.117 Damit ist Usbekistan das bevölkerungsmäßig mit Abstand größte Land im zentralasiatischen Raum. Selbst das flächenmäßig ungleich größere Kasachstan hat etwa 7 Millionen weniger Einwohner als das Land der Usbeken, die mit 80 Prozent den Hauptanteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen. Weitere Volksgruppen, die sich in Usbekistan angesiedelt haben bzw. dort schon seit langem verwurzelt sind, sind Russen (5,5 Prozent), Tadschiken (5 Prozent), Kasachen (3 Prozent), Karakalpaken (2,5 Prozent), Tataren (1,5 Prozent) und andere (2,5 Prozent). Die Religionszugehörigkeit der Menschen in Usbekistan entspricht der Verteilung in Turkmenistan, wo ebenfalls rund 90 Prozent Muslime und neun Prozent Orthodoxe zusammenle-

115

116 117

vgl. Whittell, Giles. Central Asia. The Practical Handbook. S. 65 „The Aral Sea, the largest body of water between the Caspian and the Pacific, has shrunk by more than half its surface area and by more than two thirds of ist volume since 1960.“ ebenda. S. 66. „The destrucion of the Aral is one of the world’s major environmental disasters.“ vgl. Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Uzbekistan. (1998). http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/uz.html. (21.2.1999). S. 2

32


ben. Auch die Alphabetisierungsrate ist mit 97 Prozent im Rahmen dessen, was in der ehemaligen Sowjetunion üblich war. Vorherrschende Sprache Usbekistans ist Usbekisch, eine den anderen zentralasiatischen Sprachen mit Ausnahme des Tadschikischen verwandte Turksprache, die von drei Viertel der Bevölkerung beherrscht wird. Auch heute noch ist Russisch, das lediglich von 14 Prozent der Einwohner Usbekistans als Muttersprache bezeichnet wird, eine der gängigsten Sprachen der täglichen Kommunikation. Die Hauptstadt Tashkent ist neben der ehemaligen kasachischen Hauptstadt Almaty die heimliche Hauptstadt Mittelasiens. Mit geschätzten 2.300.000 Einwohnern ist Tashkent die größte Stadt der Region und war zu sowjetischer Zeit nach Moskau, Leningrad und Kiew die viertgrößte Stadt der UdSSR.118 Im Jahr 1966 wurde Tashkent zu mehr als 40 Prozent von einem heftigen Erdbeben zerstört. Damals starb eine nicht genauer bezifferte Anzahl von Menschen. Mehr als 300.000 Einwohner der Hauptstadt wurden über Nacht obdachlos. Die aus allen Teilen der Sowjetunion heranströmenden Hilfskräfte und die zum Wiederaufbau der Stadt bereitgestellten Rubel sorgten dafür, dass Tashkent schon 12 Jahre später mit 1.700.000 Einwohnern und „dem größten Geburtenüberschuß der Sowjetunion"119 seine Rolle als dynamischste Stadt in Zentralasien weiter spielen konnte.

2.5.3 Geschichte und Politik Usbekistans Usbekistan war schon immer etwas anders als die restlichen zentralasiatischen Länder. Während die anderen Länder lange Zeit von Nomaden besiedelt wurden, machte sich in Usbekistan schon früh eine sesshaftere Kultur breit. Das heutige Zentralasien nach dem Zerfall der Sowjetunion ist daher eher die Weiterführung der usbekischen Geschichte als die der Nachbarländer. Nach den Persern kam im 4. Jahrhundert v. Chr. Alexander der Große nach Usbekistan und heiratete nahe Samarkand die Tochter eines Stammesfürsten. Nach Alexander kam der Buddhismus nach Zentralasien, danach erneut die Perser, bevor im 6. Jahrhundert n. Chr. die ‚Westtürken‘ die Region besiedelten. Es folgten die Araber, abermals die Perser und im 13. Jahrhundert dann die mongolischen Horden von Dschingis Khan. Die Mongolen installierten lokale Khans, von denen einer (Uzbek) das Land von 1313 bis 1340 regierte. Nach ihm benannten sich die nachfolgenden Generationen und die Geschichte der eigentlichen Usbeken konnte beginnen. Nach Jahrhunderten der Khanate kamen im 18. Jahrhundert die Russen nach Usbekistan. Doch Peter der Große, Zar Paul und Zar Nikolaus I. erlitten mit ihren Armeen schwere Niederlagen gegen die widerspenstigen Usbeken. Erst 1865 fielen die Khanate Tashkent, Samarkand, Bukhara, Khiva und Kokand an die diesmal besser organisierten russischen Truppen. 1918 riefen die Bolschewiken die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Turkestan aus, zu der auch das Gebiet des heutigen Usbekistan gehörte. 1924 wurde Usbekistan zur einer eigenständigen Sowjetrepublik. Diese veränderte mehrfach ihr Gesicht, da 1929 Tadschikistan ausgegliedert wurde, 1936 Karakalpakstan eingegliedert wurde und 1956, 1963 und 1971 Teile der kasachischen Steppe zwischen ihren Besitzern hin und her wechselten. Die in der Perestroika-Zeit entstandene Oppositionspartei Birlik (‚Einheit‘) wurde 1990 nicht zur Wahl für den Obersten Sowjet Usbekistans zugelassen. Die Wahl gewann die Kommunistische Partei Usbekistans unter Vorsitz von Islam Karimov. Kurz nach dem August-Putsch 1991 in Moskau erklärte Usbekistan am 31. August 1991 seine Unabhängigkeit. Die KP wur118 119

King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 260 Parigi, Ingrid. Sibirien und Zentralasien. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde. S. 73

33


de formal in die Populäre Demokratische Partei Usbekistans (PDPU) umgewandelt. Parteiführer Karimov gewann die ersten direkten Präsidentschaftswahlen im Dezember 1991 mit 86 Prozent der Stimmen. Im Dezember 1992 nahm das Land eine neue Verfassung an, die auch ein Mehrparteiensystem und eine weitreichende Verbesserung der Menschenrechtssituation in Usbekistan vorsah. Trotzdem wurde die Oppositionspartei Birlik kurze Zeit später verboten. Präsident Karimov baute in der Folgezeit seine Macht immer weiter aus. Bei den ‚freien Parlamentswahlen‘ 1994 starteten zwei Parteien. Neben der PDPU stellte sich auch die Partei Vatan Tarakkiyoti (‚Vorwärts Vaterland‘) zur Wahl. Allerdings ist Vatan Tarakkiyoti lediglich eine von Karimov geduldete Gruppe, die keinerlei oppositionelle Ziele verfolgt. 1995 bestätigten die Wähler Präsident Karimov in seinem Amt bis zum Jahr 2000 in einer Wahl ohne Gegenkandidaten. Heute gibt es neben den beiden genannten Parteien noch die Sozialdemokratische Partei Adolat, die Nationale Demokratische Partei Fidokorlar und die Milliy Tiklanish (‚Nationale Wiedergeburt‘). Sie alle bilden jedoch keine echte Opposition, sondern sind lediglich eine Formalität, um nach außen hin ein Mehrparteiensystem darzustellen. Diese im Westen verbreitete Ansicht bestätigte der usbekische Journalist Bakhtiar Imamov mir am 20. August 1999 in Tashkent: „Im Prinzip gibt es nur eine Partei. Alles andere ist mehr als Schutzschild nach außen gedacht, damit international nicht von einem Einparteiensystem gesprochen werden kann. Das Volk ist passiv, seitdem 1992 alle wirklichen Oppositionsparteien verboten worden sind. Keiner rührt sich, alle sind politikverdrossen.“120 Politisch gesehen ist Usbekistan durch die autoritäre Führung Karimovs bisher vergleichsweise stabil geblieben. Erste schwerwiegende innenpolitische Probleme ergaben sich im Februar 1999, als durch acht Autobomben in Tashkent nach offiziellen Angaben 16 Menschen getötet und 128 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Augenzeugenberichten zufolge sollen bei den Attentaten, die fast zeitgleich im Zentrum der Hauptstadt in der Nähe mehrerer Regierungsgebäude begangen wurden, jedoch viel mehr Menschen zu Tode gekommen sein121. In einem Artikel in der New York Times vom 18. Februar 1999 mutmaßt der Journalist Paul A. Goble über die Hintergründe der Anschläge. Wer genau für die Attentate auf die usbekischen Zivilisten verantwortlich war, ist auch heute noch nicht abschließend geklärt. Zwar wurden im Juni 1999 nach Angaben der Deutschen Presse Agentur (dpa)122 unter Berufung auf die russische Nachrichtenagentur Interfax sechs Menschen zum Tode verurteilt, doch bleiben zumindest Zweifel, ob die verurteilten Männer wirklich die islamischen Terroristen aus dem Ausland sind, für die sie vom Obersten Gericht Usbekistans gehalten werden. Goble kommt zu dem Schluss, dass alle Stabilitätsbestrebungen des autoritären Präsidenten Islam Karimov das Land trotzdem nicht zu einer „Insel der Stabilität im post-sowjetischen Zentralasien“123 gemacht haben. Egal, ob nun islamistische Fundamentalisten (Islam Karimov ließ alleine 1998 mehr als eintausend Moscheen schließen), demokratische Oppositionelle oder sogar, wie von einigen angenommen, die immer noch an der zentralasiatischen Region festhaltenden Russen für die tödlichen Anschläge verantwortlich sind; für Paul Goble ist klar, dass die große Zahl der Feinde, die sich Karimov in seinen acht Jahren als Präsident des unabhängigen Usbekistan gemacht hat, auch für das sonst als so stabil geltende Usbekistan eine große Gefahr bedeutet. Nach Ansicht des Times-Journalisten muss Karimov zudem im Alter von nunmehr 61 Jahren langsam damit beginnen, seine Macht an die jüngere Generation weiterzugeben. Diese Machtverschiebungen können, so Goble, möglicherweise ein Maß an

120 121 122 123

Imamov, Bakhtiar. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 20.8.1999. Tashkent. Usbekistan Allabergenova, Asel. IREX Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 18.8.1999. Tashkent. Usbekistan dpa. Usbekistan/Prozesse/Terrorismus/Nach Anschlägen in Usbekistan sechs Männer zum Tode verurteilt. Juni 1999. (14:16 DPA bdt0313 4 pl 234 dpa 0294) Goble, Paul A. 8 deadly warnings. In: New York Times. 18.2.1999. http://eurasia.org.ru/99/english/february/60399_06.htm. (23.10.1999)

34


Gewalt mit sich bringen, das in den verheerenden Autobomben vom Februar 1999 schon jetzt eine neue Qualität erreicht hat. Im Dezember 1999 fanden in Usbekistan Parlamentschaftswahlen statt.124 Fünf verschiedene Parteien und deren Vertreter standen dabei zur Wahl. Von freien Wahlen konnte jedoch nicht die Rede sein. „Five parties fielded candidates, but they all supported the government of President Islam Karimov. Two opposition parties were banned.“125 Die OSZE schickte nach Informationen des amerikanischen Radiosenders Voice of America zu den usbekischen Wahlen nur eine verkleinerte Beobachtermission, da von Anfang an von einer geringen Wahrscheinlichkeit für ein gerechtes Wahlumfeld ausgegangen wurde. Von einer Entsendung von OSZEBeobachtern zu der Präsidentschaftswahl am 9. Januar 2000 sah die europäische Organisation ganz ab. „The voters of Uzbekistan will have no genuine choice and the election cannot be considered competitive.“126 Der einzige Gegenkandidat Karimovs war der 52 Jahre alte Abdulkhafiz Dzhalalov. Allerdings gingen westliche Beobachter schon vor der Wahl davon aus, dass Dzhalalovs Kandidatur nur den Anschein einer freien Wahl im Ausland erwecken sollte. Echte Chancen hatte der in Usbekistan weitgehend unbekannte Leiter des Philisophischen Instituts der usbekischen Akademie der Wissenschaften zu keiner Zeit.127 Außerdem wurden Vorwürfe laut, die usbekischen Medien hätten im Vorfeld der Wahlen eindeutig Karimov bei der Berichterstattung bevorzugt.128 Islam Karimov, der einzige ernsthafte Kandidat, erhielt am 9. Januar 2000 erwartungsgemäß 91,9 Prozent der Stimmen und wurde damit bis zum Jahr 2005 in seinem Amt bestätigt.129

124

125 126 127

128

129

Die genauen Ergebnisse der Wahlen finden sich auf der Internet-Seite Derksen, Wilfried. Elections around the world. (Elections in Uzbekistan). http://www.agora.stm.it/elections/election/uzbekistan.htm. (4.1.2000) Voice of America. VOA editorial – Uzbekistan’s unfree elections. 17.12.1999. The CENASIA Discussion List. http://soros.org/tajik/cenasia/1220.html. (4.1.2000) ebenda Reuters. Candidates in Uzbekistan's presidential vote. 9.1.2000. http://infoseek.go.com/Content?arn=a1736LBY462reulb-20000108&qt=uzbekistan&sv=IS&lk =noframes&col=NX&kt=A&ak=news1486. (9.1.2000) „Western diplomats and political analysts have dismissed his candidacy as a sham aimed at giving the election a democratic gloss.“ Collett-White, Mike. Reuters. Uzbek president expected to win election with ease. 8.1.2000. http://infoseek.go.com/Content?arn=a0420LBY256reulb-20000108&qt=uzbekistan&sv=IS&lk =noframes&col =NX&kt=A&ak=news1486. (9.1.2000) „Closely-controlled media have given him greater air time and column inches than his challenger, philosopher-cum-politician Abdulkhafiz Dzhalalov, in the final days of campaigning. But election officials deny any bias towards the incumbent, saying that Dzhalalov had the advantage of not having to run a country while campaigning for votes.“ dpa. Usbekistan/Wahlen/(Zusammenfassung) Islam Karimow als Präsident Usbekistans wiedergewählt. 10. Januar 2000. (12:34 dpa bdt0218 3 pl 187 dpa 0231)

35


2.5.4 Der Präsident Usbekistans, Islam Karimov

Abbildung 11: Islam Karimov130

Islam Abdughaniewitsch Karimov wurde am 30. Januar 1938 in Samarkand geboren. Nach Abschluss des Studiums am Zentralasiatischen Politechnischen Institut studierte er am Tashkenter Institut für Nationale Ökonomie weiter. Karimov arbeitete danach in der Tashkenter Landwirtschaftsmaschinenfabrik und anschließend in der Tashkenter Flugzeugfabrik, wo er als Ingenieur eingesetzt wurde. Von 1966 an war Karimov als Regierungsbeamter tätig. Zuerst arbeitete er im Staatlichen Planungskomitee des Landes, wo er nach einiger Zeit stellvertretender Vorsitzender wurde. 1983 nahm Islam Karimov das Amt des usbekischen Finanzministers an. Weitere drei Jahre später wurde er Vize-Vorsitzender des Ministerrats, stellvertretender Regierungschef und gleichzeitig Vorsitzender des Staatlichen Planungskomitees. Seit dem Juni 1989 leitet Karimov die Geschicke Usbekistans. Er ist an allen wichtigen Entscheidungen des Landes maßgeblich beteiligt und hat alle Machtbefugnisse auf seine Person vereinigt. Islam Karimov ist verheiratet mit Tatyana Akbarovna Karimova, einer Forscherin am Institut für Ökonomie an der Tashkenter Akademie der Wissenschaften. Das Ehepaar Karimov hat zwei Töchter und einen Enkelsohn.

2.5.5 Wirtschaft Usbekistans Die usbekische Wirtschaft ist gekennzeichnet durch eine sehr dominante Landwirtschaft. Dabei ist vor allem der fast ausschließlich durchgeführte Baumwollanbau zu nennen, der für einen Großteil der Erträge des Landes verantwortlich ist. Die Monokultur und die damit verbundenen Irrigationspraktiken haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einer ökologischen Katastrophe geführt, die bereits in Kapitel 2.5.1 beschrieben wurde. Außerdem ist Usbekistan der achtgrößte Goldproduzent der Welt mit einer Fördermenge von 65 Tonnen pro Jahr.131 Rund 80 Prozent des gesamten Handels betreibt Usbekistan mit den Ländern der ehemaligen UdSSR. Große Teile der Wirtschaft zeigen noch die gleichen Strukturen wie zu Sowjetzeiten. 130 131

Uzland Contacts. Your guide to Uzbek Land. The President of Uzbekistan. http://www.tashkent.org/uzland/pres.html. (25.12.1999) King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. S. 257

36


Durchgreifende Reformen und Privatisierungen wie beispielsweise in Kasachstan oder Kirgisien hat es in Usbekistan nicht gegeben. 1995 arbeiteten noch immer alle 715 staatlichen Landwirtschaftbetriebe im Kollektiv. Das Bruttosozialprodukt ging Mitte der 90er Jahre pro Jahr um etwa 10 Prozent zurück, während die Inflationsrate stetig anstieg. Die usbekische Währung Sum, die es seit dem Jahr 1994 gibt, wurde bei meinem ersten Aufenthalt in Zentralasien im Frühjahr 1996 mit einem Kurs von 1 zu 45 gegen den US-Dollar getauscht. Einen Schwarzmarkt schien es zu der Zeit noch nicht zu geben. Zwei Jahre später, 1998, lag der offizielle Kurs des Sum bei 1 zu 125. Auf dem Schwarzmarkt konnte man jedoch schon einen Dollar gegen rund 200 Sum einwechseln. Dieser Trend setzte sich auch 1999 fort. Während der aktuelle Bank-Wechselkurs im August 1999 bei 1:175 lag, sind auf dem Schwarzmarkt mehr als 500 Sum für einen Dollar zu bekommen. Ende 1999 wurde der Gegenwert des US-Dollars in Usbekistan mit 625 Sum beziffert.132

3

Aktuelle Situation der Medien und der Arbeitsbedingungen der Journalisten in Zentralasien

Die wichtigsten und aktuellsten Quellen für den geplanten Vergleich der Medien und der Arbeitsbedingungen der Journalisten in Zentralasien sind die Internet-Seiten der nichtstaatlichen amerikanischen Medienassistenz-Organisation Internews (www.internews.ru). Hier findet sich auch eine Online-Version des im Februar 1999 von dem in Düsseldorf ansässigen European Institute for the Media (EIM) herausgegebenen Buches Media in the CIS, A study of the political, legislative and socio-economic framework. Allerdings wird in der von der Europäischen Kommission unterstützten Studie nicht untersucht, weshalb sich die Mediensysteme und die Arbeitsbedingungen in den zentralasiatischen Ländern in den vergangenen neun Jahren so unterschiedlich entwickelt haben. Vielmehr bietet das Buch lediglich eine Grundlage, um die aktuellen Zustände und Zusammenhänge in den einzelnen Ländern zu verdeutlichen. Die Internetseiten des Prager Radiosenders Radio Free Europe / Radio Liberty (www.rferl.org) bieten ebenfalls die Möglichkeit der aktuellen Information mit Nachrichten und Analysen aus Zentralasien und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Allerdings werden auch hier die Länder voneinander getrennt behandelt und nur selten detaillierte Vergleiche angestellt. Besonders umfangreich hinsichtlich der Probleme von Journalisten in den zu vergleichenden Ländern ist der aktuelle Bericht der Reporters Sans Frontières (RSF) aus dem Jahr 1999. Hierbei orientieren sich die Verfasser im Bezug auf das Maß an Pressefreiheit in Zentralasien an den Verhältnissen in Russland und in den anderen (europäischen) Teilen der ehemaligen UdSSR, so dass ein erster Ansatz zu einem Vergleich zu erkennen ist. Die Hauptaussage dieses Vergleiches ist, dass in Russland der Druck auf die Medien nicht wie noch zu Zeiten des Kommunismus durch die Regierung ausgeübt wird, sondern vielmehr durch „Finanzmagnate, Waffenhändler und ambitionierte, skrupellose Politiker“133. Diese Privatisierung der Gewalt gibt es in Zentralasien noch nicht. Hier sind es immer noch die politischen Machthaber, die durch gezielte Maßnahmen die Arbeit der Journalisten behindern oder zum Teil sogar ganz untersagen. Die Reporters Sans Frontières unterstellen den Regierungen der zentralasiatischen Staaten, Jahr für Jahr den Zugang zu freien Informationen weiter zu beschneiden. Dabei verweisen die Staatsoberhäupter laut RSF darauf, dass es lediglich ihr Ziel sei, „die ökonomische und ethni-

132 133

vgl. Financial Times Information. World Currency Values. 15.10.1999. http://www.thefinancials.com/vortex/WorldCurrencyValues.html. (10.1.2000) Reporters Sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1999 Report. S. 189

37


sche Stabilität sicherzustellen“134. Diese Informationsblockaden haben jedoch in den fünf zentralasiatischen Ländern völlig verschiedene Ausmaße, Ursachen und Auswirkungen, was die folgenden Kapitel und vor allem die anschließende Analyse untermauern sollen. In der von den Reporters Sans Frontières geführten Rangliste der 25 schlimmsten Gegner der unabhängigen Presse werden gleich drei der fünf zentralasiatischen Regierungschefs geführt. In dieser Liste, die erstmals anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember 1996 erschien, liegt der Präsident Turkmenistans, Saparmurat Niyazov, auf Rang vier. Islam Karimov, der Präsident Usbekistans, wird auf Rang sieben geführt, während Imomali Rakhmonov aus Tadschikistan den 14. von 25 Plätzen einnimmt. Tabelle 6: Rangliste der Reporters Sans Frontières 1996135

RANG 1 2 3

NAME

LAND

Li Peng Mu'ammar al Kadhafi Kim Jong-il

China Libyen Nord-Korea

4

Saparmurat Niyazov

Turkmenistan

5 6

Fidel Castro Saddam Hussein

Kuba Irak

7

Islam Karimov

Usbekistan

8 9 10 11 12 13

Than Shwe Hafez el-Assad Do Muoi Teodoro Obiang Nguema Fahd Ibn Abdelaziz al-Saoud Sani Abacha

Burma Syrien Vietnam Äquatorial Guinea Saudi-Arabien Nigeria

14

Emomali Rakhmonov

Tadschikistan

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Heidar Aliev Meles Zenawi Suharto Omar hassan Ahmed el-Bechir Zine el-Abidine Ben Ali Liamine Zeroual Slobodan Milosevic Alexander Lukashenko Daniel arap Moi Frederick Chiluba Suleyman Demirel

Aserbaidschan Äthiopien Indonesien Sudan Tunesien Algerien Serbien-Montenegro Weißrussland Kenia Sambia Türkei

In alphabetischer Reihenfolge werden jetzt die Situation der Medien und die Arbeitsbedingungen der Journalisten in den fünf zentralasiatischen Staaten beschrieben. Dabei soll versucht werden, zu zeigen, wie die momentane Lage in den vergangenen Jahren seit der Unabhängigkeit von der UdSSR entstanden ist, welche rechtlichen Hintergründe es dafür gibt und welche Probleme die Journalisten am meisten belasten. Eine große Bedeutung dabei kommt den Erfahrungsberichten der Journalisten aus den jeweiligen Ländern zu. Anhand ihrer Einschätzungen und Schilderungen ergeben sich daran anschließend die Perspektiven für die Medien in Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. 134 135

ebenda. S. 190 vgl. Reporters Sans Frontières. Top 25 (14). Emomali Rakhmonov (Tajikistan). http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_MAJ/RSFDict/Dict_VA/Dict14_VA.html. (18.10.1998)

38


3.1 Medien in Kasachstan Über die Zahl der momentan in Kasachstan tätigen Medienbetriebe gibt es verschiedene Ansichten. Während die unabhängige Soros Foundation eine landesweite Studie anfertigte und die Zahlen im Jahr 1998 veröffentlichte, gab die kasachische Regierung fast zeitgleich die Ergebnisse einer ähnlichen Studie bekannt. Dabei überstiegen die Zahlen der Regierungsstudie die der Soros Foundation um ein Vielfaches. Tabelle 7: Medienbetriebe in Kasachstan 1998 (Angaben der kasachischen Regierung)136

Medienbetriebe

Print

TV/Rundfunk

Staatlich Unabhängig Gesamt

750 978 1728

71 325 396

Nachrichtenagenturen 1 34 35

Gesamt 822 1337 2159

Tabelle 8: Medienbetriebe in Kasachstan 1998 (Angaben der Soros Foundation)137

Medienbetriebe

Print

TV/Rundfunk

Almaty Andere Regionen Gesamt

143 163 306

13 37 50

NachrichtenAgenturen 1 34 35

Gesamt 156 200 356

Während die Zahlen der Soros Foundation die tatsächlich funktionierenden Medienbetriebe der Jahre 1997/98 widerspiegeln, gibt die Tabelle der kasachischen Regierung alle Registrierungen von Medienbetrieben seit Einführung des Gesetzes über die Medien vom 19. Juni 1996 wieder. Dieser Termin steht auch für den Beginn einer neuen Ära hinsichtlich der Pressefreiheit in Kasachstan. Während die Entwicklung vom sowjetischen Mediensystem hin zu einer viel freieren Variante bis Mitte der 90er Jahre durchaus positiv verlaufen war, wendete sich ab 1996 das Blatt. Präsident Nasarbajew und sein Familien-Clan beherrschen seitdem die Massenmedien mit viel mehr Nachdruck als zuvor. Für die Journalisten bedeutet das eine wesentliche Einschränkung ihrer Rechte und eine enorme Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen.

3.1.1 Elektronische Medien Das beliebteste Medium in Kasachstan ist das Fernsehen. Schon zu Sowjetzeiten besaßen fast alle Bürger des Landes ein eigenes Fernsehgerät. In seiner für die amerikanische Organisation Internews im Januar 1998 angefertigten Studie Survey of non-governmental Kazakhstani Electronic Media nennt der Journalist Ivan Sigal Zahlen, die diese Aussage deutlich untermauern. „93 percent of respondents have at least one television and 29 percent more than one; 46 percent have at least one TV with remote control, indicating a foreign brand.“138 Das Fernsehen, so die Studie weiter, ist für die Bevölkerung die wichtigste Informations- und Unterhaltungsquelle.

136

137 138

vgl. Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. S. 137. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) ebenda Sigal, Ivan. Internews Network. Survey of non-governmental Kazakhstani Electronic Media. http://www.internews.ru/report/kaztv/3.html. (4.4.1999)

39


Mehrere Fernsehsender erreichen von ihren jeweiligen Standorten aus annähernd die gesamte kasachische Bevölkerung von 16 Millionen Menschen. Dazu gehören die Sender Kazakstan1, Khabar, KTK, NTK und der russische Kanal ORT. Kazakstan-1 und Khabar sind staatliche Sender, auch wenn Khabar vor wenigen Jahren in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden ist. 51 Prozent der Khabar-Aktien besitzt weiterhin die kasachische Regierung. Leiterin der Agentur-Abteilung von Khabar ist die älteste Tochter von Präsident Nasarbajew (siehe Kapitel 2.1.4). Khabar wurde im Jahr 1995 gegründet und umfasst heute die Khabar-Fernseh-Nachrichtenagentur, den Khabar-Fernsehsender, den Khabar-Radiosender sowie vier weitere TV-Kanäle, vier Radiostationen, fünf Zeitungen und eine weitere Nachrichtenagentur. Alle Zweige von Khabar stehen unter direkter Kontrolle der Präsidentenfamilie.139 Die technische Ausstattung von Khabar ist landesweit gesehen die beste und modernste. Auch die finanziellen Möglichkeiten für junge Journalisten sind bei Khabar besser als bei allen anderen Medien. Trotz dieser Voraussetzungen schaffte es Khabar nicht, die Popularität der russischen Sender ORT, RTR und NTV zu erreichen. Die Folge war die von der Regierung beschlossene Abschaltung der russischen Sender bzw. ihre Verlegung auf schwächere Transmitter, so dass sie weniger Menschen in Kasachstan erreichen konnten. Die vorteilhafteren Kanäle wurden für die Programme von Khabar freigemacht. Der größte Privatsender des Landes ist KTK, der mittlerweile gut sechs Millionen Zuschauer in Kasachstan erreichen kann. Kleinere Privatsender wie Channel 31 oder TAN TV senden nur in Almaty und in der näheren Umgebung der größten kasachischen Stadt. Alle Sendungen des russischen Senders ORT werden in Kasachstan vor der Ausstrahlung sprachlich und inhaltlich überarbeitet, was unter anderem eine Reaktion auf die veränderte Gesetzgebung hinsichtlich der Verwendung der kasachischen Sprache ist. Allerdings wird diese Entwicklung von Experten als sehr kritisch angesehen, weil auch jetzt noch 35 Prozent der Bürger Kasachstans russischer Abstammung sind. Vor allem in den Monaten vor den Präsidentschaftswahlen Anfang 1999 beobachtete das European Institute for the Media (EIM) eine stark tendenzielle Berichterstattung im kasachischen Fernsehen. Der staatliche Sender Khabar fiel den unabhängigen Beobachtern dabei als besonders präsidentenfreundlich auf. Allerdings berichteten auch die Sender Kazakstan-1, KTK und NTK fast durchweg positiv über Nursultan Nasarbajew. Insgesamt, so das EIM, wurde in den vier genannten kasachischen TV-Sendern vor der Wahl 229mal über den Präsidenten berichtet. 62 Prozent der Berichte waren tendenziell eher positiv und 38 Prozent tendenziell neutral. Nur ein einziger redaktioneller Beitrag von insgesamt 229 richtete sich von der Tendenz her gegen den kasachischen Staatschef.140

3.1.2 Printmedien Bei den Printmedien des Landes herrscht etwas mehr Ausgeglichenheit. Es gibt sowohl staatliche Zeitungen als auch solche, die sich ‚privat‘ bzw. ‚kommerziell‘ nennen und von Politikern oder Geschäftsleuten finanziert werden, sowie einige wenige Zeitungen, die tatsächlich die Bezeichnung ‚unabhängiges Medium‘ verdienen. Zumeist sind diese letztgenannten Publikationen jedoch finanziell stark unter Druck und haben Probleme, eine regelmäßige Auflage zu produzieren. 139

140

Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. S. 133. oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) „This network is directly controlled by the members of the president’s family.“ ebenda. S. 139. „According to EIM monitoring results, the news coverage recieved by Nazarbayev on national television was 62% positive and 38% neutral, with a single negative mention out of 229 items.“

40


Die Printmedien haben am meisten unter den wirtschaftlichen Turbulenzen seit dem Zerfall der UdSSR zu leiden. Das beste Beispiel ist die Zahl der Abonnements der russischsprachigen Zeitung Kazakhstanskaya Pravda. Während zu Zeiten der Sowjetunion mehr als eine Million Menschen die kasachische Pravda abonniert hatten, bekommen jetzt nur noch 22.000 Bürger die Zeitung per Post zugestellt.141 Die zurzeit meistgekauften Printmedien in Kasachstan sind laut der EIM-Studie Media in the CIS die russischsprachigen Wochenzeitungen Karavan und Argumenty i Fakti mit einer geschätzten Auflage von 250.000 Exemplaren. Andere beliebte Zeitungen sind die kasachischsprachigen Egemen Kazakstan (tägliche Auflage 60.000 Exemplare), Kovcheg (36.000 Exemplare pro Woche) und Zhas Alash (35.000 Exemplare pro Woche) sowie die russischsprachige Nachnyem s Ponedel’nika (wöchentlich 53.000 Exemplare), die Kazakhstanskaya Pravda (täglich 37.000 Exemplare) und die Novoe Pokolenie (wöchentliche Auflage von 33.000 Exemplaren). Während das Fernsehen in Kasachstan wie in Kapitel 3.1.1 bereits beschrieben sehr regierungsfreundlich eingestellt ist, gibt es bei den Zeitungen gewisse Unterschiede. Nach Expertenmeinung tendieren die meisten Zeitungen auch zu positiven Berichten über die kasachische Regierung, allerdings gibt es mit den Publikationen Karavan, Panorama, Vremya Po Grinvichu (Greenwich-Zeit) / The Globe und 451 po Farengeitu (4510 Fahrenheit) auch einige eher neutrale Zeitungen. Dazu existier(t)en mit XXI Vek (21. Jahrhundert) und der im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen von 1999 geschlossenen Dat zwei Oppositionszeitungen. Vor allem Dat galt vor der Schließung mit etwa 50.000 verkauften Exemplaren pro Woche als populärste kasachischsprachige Oppositionszeitung. Genau genommen war Dat auch das einzige engagierte Printmedium, das auf Kasachisch gegen die Regierung Nasarbajew Politik machte. Die Hintergründe und die Umstände der Schließung werden im Kapitel 3.1.6 (Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Kasachstan) näher beschrieben.

3.1.3 Nachrichtenagenturen Nach Angaben des European Institute for the Media gibt es in Kasachstan insgesamt 35 Nachrichtenagenturen. 34 davon sind kleinere, nicht besonders bekannte Agenturen außerhalb der ehemaligen Hauptstadt Almaty. Die einzige in Almaty ansässige Nachrichtenagentur ist die staatliche Agentur Khabar. Diese ist 1995 von Präsident Nasarbajew als Nachfolgeorgan des ehemaligen sowjetischen Ministeriums für Presse und Informationen geschaffen worden. Geleitet wird Khabar von der ältesten Präsidententochter, Dariga Nasarbajewa. Die neu geschaffene Agentur verfügt über ausgedehnte Rechte wie beispielsweise das Recht, Vorschläge für die Änderung des Mediengesetzes zu machen. Khabar kontrolliert durch diese rechtlichen Möglichkeiten direkt sowohl die staatlichen als auch die privaten Medienbetriebe.142 Die offizielle Rechtfertigung für die Schaffung von Khabar und der Ausstattung mit weitreichenden Kompetenzen war nach Angaben von Adrian Karatnycky, dass es die Aufgabe der National Agency for Press and Mass Information (Khabar) sei, die Pressefreiheit zu stärken und die Medien bei der Produktion mit staatlichen Mitteln zu unterstützen.143 Khabar spielt auch eine 141 142

143

ebenda. S.139. „...has seen its postal subscriptions fall from roughly one million in Soviet times to 22,000 for 1999.“ ebenda. S. 133. „In 1995, Nazarbayev amended the Soviet-era Law on the Media and created the National Agency for Press and Mass Information. The new agency is vested with very broad powers and has increased control over state-owned as well as private media.“ Karatnycky, Adrian und Motyl, Alexander und Graybow, Charles. Kazakhstan.In: Nations in Transit 1998. Freedom House. 1998. http://freedomhouse.org/nit98/. (9.1.2000). S. 8/26 „The stated purpose of the new agency is to strengthen press freedom and provide state support for the

41


entscheidende Rolle in dem seit 1996 herrschenden Ringen um die Vergabe der Frequenzen und die damit verbundenen finanziellen Mittel, die die elektronischen Medien aufzubringen haben (vgl. Kapitel 3.1.5).

3.1.4 Internet Für den Internet-Bereich gibt es momentan in Kasachstan keine rechtlichen Einschränkungen. Jeder Bürger oder jede Bürgerin des Landes darf, wenn er bzw. sie finanziell und infrastrukturell dazu in der Lage ist, einen Internet-Anschluss haben. Allerdings verfügten im Jahr 1999 weniger als fünf Prozent der kasachischen Bevölkerung über den Zugang zu einem Computer. Dazu kommen zum Teil katastrophale Telefonverbindungen, die einen reibungslosen InternetAnschluss von vornherein extrem schwer machen. Daher sind die meisten der Internet-User in Kasachstan nach Angaben von Karatnycky, Motyl und Graybow nicht-staatliche Organisationen und andere Verbände oder Privatpersonen, die ausländische Mittel empfangen und somit die hohen Hürden auf dem Weg zum internetfähigen PC überwinden können.144 Allerdings scheint die Zukunft des Internets in Kasachstan erfolgversprechender zu sein als in den anderen zentralasiatischen Ländern. Die guten Investitionsmöglichkeiten für ausländische Firmen und das damit einhergehende Interesse der Regierung, ausländisches Kapital anzulocken, schaffen zumindest wirtschaftlich gesehen bessere Voraussetzungen für das Internet als beispielsweise in Usbekistan (vgl. Kapitel 3.5.4). Ein Anzeichen dafür, dass die Medien in Kasachstan sich eingehend mit dem neuen Medium Internet auseinandersetzen, ist die Tatsache, dass Anfang 2000 gleich 14 kasachische Medienbetriebe über eine eigene Homepage verfügen. Neben zahlreichen Zeitungen (Vremya, XXI Vek, Panorama, Almaty Herald,...) ist der Radiosender FM mix aus Almaty das einzige elektronische Medium, das über ein eigenes Internet-Angebot verfügt.145 Selbstverständlich ist auch der Prager Sender Radio Free Europe / Radio Liberty mit einer ausführlichen Seite für Kasachstan im World Wide Web vertreten und bietet die Möglichkeit, das Programm live per Real Audio zu verfolgen.146

3.1.5 Der rechtliche Rahmen Die Pressefreiheit wird in Artikel 20 der Verfassung der Republik Kasachstan vom 30. August 1995 ausdrücklich geschützt. „Die Freiheit der Rede und der Kreativität wird garantiert. Zensur ist verboten. Jeder hat das Recht, sich Informationen mit von dem Gesetz nicht verbotenen Mitteln zu beschaffen und zu verbreiten.“ 147 (meine Übersetzung, C.S.) Ähnlich sah die Gesetzgebung Anfang der 90er Jahre aus. Im kasachischen Mediengesetz von 1991 hieß es: „The press and other mass media are free. Freedom of speech and the press, guaranteed by the Constitution to the citizens of the Kazak SSR, means the right to express opinions and

144

145 146 147

publication of newspaper, magazines and books.“ vgl. ebenda. S. 10/26 „There are no formal restrictions on the access of private citizens to the Internet. Less than 5 percent of the population, however, has access to computers, high-quality telephone lines, English language skills, and other resources necessary for utilization of the Internet. The vast majority of Internet users are NGO leaders and activists who have re-ceived equipment through foreign funding.“ vgl. Slavic Research Center. Kazakhstan – Internet Resources. http://src-home.slav.hokudai.ac.jp/eng/fsu/kazakh-e2.html. (10.1.2000) vgl. Radio Free Europe / Radio Liberty. Kazakh Service. http://www.rferl.org/kz. (10.1.2000) Glasnost Defense Foundation. Gesetze und Praktiken der Massenmedien. Moskau. 1999. S. 55 Russischer Originaltext: Ajyl pfobns ukfcyjcnb= Pfrjys b ghfrnbrf chtlcnd vfccjdjb byajhvfwbb= Vjcrdf= 1999= c= 55

42


ideas, to seek, choose, obtain and disseminate information and ideas in any form including the press and other mass media. Censorship of the mass media is prohibited.“148 1995 veränderte Präsident Nasarbajew das alte sowjetische Mediengesetz und schuf die National Agency for Press and Mass Information. Die Agentur besitzt umfassende Kompetenzen und hat die Kontrolle über die staatlichen Medien wie auch über die privaten Medien seit ihrer Schaffung vor fünf Jahren stetig ausgebaut. 1997 kündigte Nasarbajew erneut an, das Mediengesetz um einen Zusatz zu erweitern. Demnach sollten Beamte, die Journalisten gegenüber die Herausgabe von Informationen verweigern, strafrechtlich haftbar gemacht werden können. Außerdem versprach der Präsident, die Massenmedien von der Mehrwertsteuer zu befreien. Beide Maßnahmen sind jedoch bis heute nicht umgesetzt worden. Stattdessen trat am 26. Juni 1998 das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Kraft, wodurch die „Zugänglichmachung von Informationen von staatlichem Interesse“ verboten wurde und dem Nationalen Sicherheitskomitee die Befugnis eingeräumt wurde, Medienbetriebe, die „die nationale Sicherheit untergraben“149, zu schließen. Außerdem dürfen ausländische Sponsoren seit Juni 1998 nur maximal 20 Prozent Startkapital für neue Medienbetriebe in Kasachstan beisteuern. 1997 trat in Kasachstan ein neues Strafgesetz in Kraft. Seitdem läuft eine öffentliche Diskussion darüber, wie dieses neue Gesetz die Arbeit der Medien beeinflusst. Sicher ist, dass Journalisten für eine Beleidigung des Präsidenten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Während es der Presse erlaubt ist, Regierungsentscheidungen, die weitverbreitete Korruption und die Handlungsunfähigkeit des Parlaments offen zu kritisieren, ist die Kritik am kasachischen Präsidenten und seiner Familie hingegen strengstens verboten, wie das U.S. Department of State in seinem Länderbericht Kasachstan von 1998 berichtet.150 Die Entscheidungen des Präsidenten sind rein rechtlich kritisierbar, nicht jedoch der Präsident selbst. Die Gefahr, für einen kritischen Bericht belangt zu werden, ist relativ groß. Deshalb, so Andrei Sviridov, würden viele Journalisten das Thema ‚Präsident‘ bzw. ‚Entscheidungen des Präsidenten‘ von vornherein vermeiden.151 Weitere rechtliche Einschränkungen erfahren die kasachischen Medien durch die Gesetzgebung hinsichtlich der Frequenzvergabe und der Sprache. Im Oktober 1996 entschied der Ministerrat, bei der Vergabe von Frequenzen für Radio- und Fernsehsender bestimmte finanzielle Auflagen einzuführen. Besonders für viele der kleineren Privatsender (Radio M, Radio MAX, Radio TOTEM, Semeinyi Kanal (alle in Almaty), Efir-TSPR (Akmola), Marina-TV (UstKamenogorsk), VNN (Rudnyi), etc.) bedeutete diese Entscheidung das finanzielle Aus, da sie die für zentralasiatische Verhältnisse exorbitant hohen Lizenzgebühren von bis zu 200.000 US-Dollar pro Jahr im TV-Bereich und etwa 100.000 US-Dollar im Radiobereich, zahlbar an die kasachische Regierung, einfach nicht aufbringen konnten. Das International Center for Journalists beruft sich auf Informationen der afp-Korrespondentin Heather Clark, die im

148

149 150 151

Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 127. oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) ebenda. S. 128. „It ... grants the Committee of National Security (CNS) the right to suspend the activities of media found to be „undermining national security“.“ U.S. Department of State. Kazakhstan Country Report on Human Rights Practices for 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/. (8.11.1999). S. 9 vgl. Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. S. 128 oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) „Although the wording of the clause states that criticising the policies pursued by the president is not a criminal offence, the possibility of fines or imprisonment for criticism relating to the president in general caused general concern and a tendency to avoid the subject altogether.“ ?????

43


März 1998 davon berichtete, dass viele Stationen wegen der nicht aufzubringenden finanziellen Auflagen ihre Arbeit einstellen mussten.152 Ivan Sigal konkretisiert die Zahlen in seinem zusammen mit den kasachischen Mitarbeitern der Medienassistenz-Organisation Internews durchgeführten Survey of non-governmental Kazakhstani Electronic Media. Demnach wurden von anfangs 48 Fernsehstationen in Kasachstan bis Januar 1998 20 geschlossen. Mindestens 17 weitere hatten ihren Sendebetrieb vorerst aufgrund der Ausschreibungsformalitäten eingestellt. Sie hatten entweder bei der Frequenzvergabe, die in Form von Auktionen durchgeführt wird, nicht den Zuschlag bekommen oder sie konnten die im Rahmen der Frequenzvergabe geforderte Geldmenge gar nicht erst aufbringen. Bei den letztgenannten 17 Stationen handelt es sich jedoch keineswegs um extrem finanzschwache oder technisch rückständige Medienbetriebe. „Of these seventeen stations, at least eight were very strong, each competing to be the most popular station in its region, belonging to a network, producing its own programs, and surviving on advertising profits.“153 Die Regierung hat also in den Jahren 1996 und 1997 systematisch den erfolgversprechendsten unabhängigen Medienzweig in Kasachstan, vielleicht sogar in ganz Zentralasien, praktisch mit einer einzigen Maßnahme eingeebnet. Der Nasarbajew-Clan gestaltete sich durch die Frequenz-Ausschreibung eine übersichtliche Medienlandschaft, die zwar nach außen hin immer noch eine gewisse Medienvielfalt darstellt, im Prinzip aber nur existiert, weil der Präsident es so will. Jederzeit könnte es auch noch die übriggebliebenen Stationen treffen, d.h. es könnte eine weitere rechtliche oder formaljuristische Hürde eingebaut werden, um auch deren Existenz nachhaltig zu gefährden. Zusätzlich zu der Einführung des Frequenzausschreibungsverfahrens änderte sich auch die Gesetzgebung hinsichtlich der Sprache in den Medien. Der Inhalt und die Folgen dieses Gesetzes werden im folgenden Kapitel näher beschrieben. Überwacht werden die kasachischen Medien vom Ministerium für Information und öffentliche Abkommen (Ministry of Information and Public Agreement / MIPA), welches in der neuen Hauptstadt Astana seinen Hauptsitz hat und in allen regionalen Zentren Außenstellen unterhält. Das MIPA besteht seit Oktober 1997 und ist die direkte Nachfolgeorganisation der National Agency on Press and Mass Information (NAPMI), welche wiederum im Oktober 1995 das Ministerium für Presse und Masseninformationen ersetzte. Dieses war im August 1991 aus zwei staatlichen Komitees (für Presse und für elektronische Medien) und dem Department on the Protection of State Secrets in the Press (Glavlit) entstanden. Alle drei Bestandteile des neuen Ministeriums waren zu Sowjetzeiten dem Department of Propaganda and Agitation des Zentralkomitees der Kasachischen KP unterstellt. Der damalige Leiter der Propaganda-Abteilung, Kuanysh Sultanov, wurde erster Minister für Presse. Er wurde 1993 von Altynbek Sarsenbayev ersetzt, der das Amt auch nach den beiden Umstrukturierungen weiterhin innehält.

3.1.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Kasachstan Die aktuelle Situation der kasachischen Medien ist das Ergebnis zahlreicher Veränderungen seit Beginn der Perestroika Mitte der 80er Jahre. Das European Institute for the Media teilt die Jahre 1986 bis 1996 in zwei Phasen ein. Die erste Phase von 1986 bis 1991 brachte eine schrittweise vollzogene Öffnung der Medien und einen gesteigerten Grad der Pressefreiheit. Die zweite Phase (1992 – 1996) bedeutete dann jedoch eine Umkehrung der Veränderungen der ersten fünf Jahre. Schließlich bewertet des EIM auch die Jahre 1997 und 1998 und beob152 153

International Center for Journalists. Kazakhstan Media Profile. 1999. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kazakhstan/media.html. (24.10.1999) Sigal, Ivan. Internews Network. Survey of non-governmental Kazakhstani Electronic Media. http://www.internews.ru/report/kaztv/5.html. (4.1.2000)

44


achtet dabei eine weitere Verschlechterung der Situation. Sergei Duvanov, der Chefredakteur der politisch neutralen Zeitung 451 po Farengeitu bilanziert die Jahre 1997/98 mit den Worten: „Whereas before the authorities agreed to leave the media alone if the media left the authorities alone, now it is a case of – the authorities will leave the media alone if the media support the authorities.“154 Ähnlich negativ äußern sich die Reporters Sans Frontières in ihrem Jahresbericht 1999 über den Zustand der Pressefreiheit in Kasachstan. Sie zitieren einen in Almaty ansässigen russischen Journalisten, der sich in zynischer Form über die gravierenden Einschnitte in der kasachische Pressefreiheit äußert. Demnach sei die Zahl der Verletzungen der Pressefreiheit drastisch zurückgegangen. Allerdings sei der Grund dafür nicht die fortschreitende Demokratisierung des Landes, sondern vielmehr die Tatsache, dass die freien Medien, die sich in der Vergangenheit den Zorn der Regierung zugezogen hätten, bereits eliminiert seien und die anderen gelernt hätten, sich ruhig zu verhalten.155 Nur wenige Journalisten berichten überhaupt noch kritisch über den Präsidenten Nasarbajew und die Arbeit seiner Regierung. Als aktivste Oppositionszeitungen machten 1998 Dat und XXI Vek von sich reden. Sie erhielten einen Großteil ihrer finanziellen Hilfe von dem Oppositionspolitiker Akezhan Kazhegeldin, der bis zu seiner Nichtzulassung zur Wahl als schärfster Konkurrent des Präsidenten galt. Dat war am 10. April 1998 unter Mitwirkung von Kazhegeldin gegründet worden. Nach einem Bericht über den vermeintlichen Reichtum der Präsidentenfamilie und einen Vergleich Nasarbajews mit Suharto wurden die Computer der Dat-Redaktion von der Steuerpolizei beschlagnahmt. Zusätzlich dazu verlor Dat auch einen Prozess wegen Verleumdung und wurde folglich zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 400.000 US-Dollar verurteilt. Dieser Richterspruch zwang Dat aus finanziellen Gründen zur vorläufigen Aufgabe. Die letzte Ausgabe von Dat erschien Anfang Dezember 1998, mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes. XXI Vek kämpft mit ähnlichen Problemen. Vor allem seit einem Artikel vom 9. September 1998, der sich mit den Finanzgeschäften der Nasarbajews beschäftigte, weigert sich das vormals mit dem Druck beauftragte Verlagshaus, die Zeitung zu verlegen. Viele der ehemaligen Werbepartner haben nach Besuchen der Steuerpolizei ihre Anzeigen aus XXI Vek zurückgezogen, was dem Blatt erhebliche finanzielle Einbußen beschert hat. Am 26. September 1998 wurde zudem ein Molotov-Cocktail in die Redaktionsräume von XXI Vek geworfen, wobei jedoch keiner der Mitarbeiter verletzt wurde.156 Auch die russisch-/englischsprachige Vremya po Grinvichu / The Globe kämpft seit einiger Zeit mit ähnlichen Problemen. Nach Informationen des EIM mussten die Herausgeber der Zeitung die Produktion des Blattes nach Kirgisien verlagern, da sich in Kasachstan kein Verlagshaus mehr finden ließ. Der Chefredakteur Nurlan Ablyazov soll diese Produktionsengpässe in direkten Zusammenhang mit der politischen Ausrichtung des Blattes gebracht haben. Seit kurzem produziert Vremya po Grinvichu / The Globe nun doch wieder in Kasachstan. Allerdings ist die Zeitung nach wie vor aus dem staatlichen Zeitungsvertriebsnetz ausgeschlossen und damit ausschließlich auf den Straßenverkauf angewiesen. Im Mai 1998 gab der kasachische Generalstaatsanwalt Yuri Khitrin bekannt, dass im Jahr 1998 insgesamt 273 Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Verstöße gegen das Mediengesetz eingeleitet wurden. Die von den Massenmedien begangenen Verstöße beinhalteten viel154

155 156

Duvanov, Sergei. Kazakstan. General Trands. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 133 oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) Reporters Sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1999 Report. S. 218 Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 141 oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) „On the 26th of September 1998, a fire bomb was thrown into the offices of the newspaper, although none of the staff were injured.“

45


fach „abuses of freedom of speech, incitement of national enmity (...) aimed at instigating disputes and controversy over the country’s history and sovereignty.” 157 Nach Informationen von Human Rights Watch begründete ein Regierungssprecher die Maßnahmen wie folgt: „The media frequently permit non-objective, insulting statements directed at government organs, officials and ordinary citizens... it is the media that should shape the ideals of our state and patriotic feelings.” Allerdings hatten sämtliche eingeleitete Verfahren bis jetzt offensichtlich keinerlei direkte Folgen für die betroffenen Medienvertreter. Allerdings, so Human Rights Watch, sei durch die Ermittlungsverfahren die bereits weit verbreitete Praxis der Selbstzensur wahrscheinlich noch einmal verstärkt worden. In vielen Fällen gab der Generalstaatsanwalt noch nicht einmal bekannt, wer genau gegen die Gesetze verstoßen haben soll. Der Verstoß an sich schien das Interessante zu sein. Kasachische Medienrechtler sehen darin den Versuch der Regierung, die Medien als Gesamtheit in Verruf zu bringen. Während das staatliche Vorgehen gegen einen einzelnen, spezifizierten Gesetzesverstoß ein normaler rechtlicher Vorgang sei, so sei die unzulässige Verallgemeinerung der Vorgänge ein politischer Akt. 158 Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass die kasachischen Medienvertreter in den vergangenen Jahren häufiger mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind als zuvor. Während Mitte der 90er Jahre sogar noch Prozesse mit einem positiven Ergebnis für die Journalisten endeten, gehen jetzt zumeist die Ankläger als Sieger hervor.159 Ein Großteil der Anklagen wird anscheinend überhaupt nicht weiter verfolgt. Der Medienexperte Andrei Sviridov vermutet, dass die Anklagen nur zum Zweck der Abschreckung erhoben werden, nicht, um letztendlich immer ein gerichtliches Urteil zu erreichen. Um die Verbreitung der kasachischen Sprache in dem Vielvölkerstaat zu unterstützen, müssen alle Fernseh- und Radioprogramme mindestens 50 Prozent ihrer Programme auf Kasachisch ausstrahlen. Mitte 1998 wurden schon rund 90 Prozent der Radiosendungen auf Kasachisch ausgestrahlt, während die Printmedien zu 80 Prozent noch immer Russisch als Arbeitssprache benutzen.160 Zudem gibt es einige wenige Zeitungen, die auf Uighurisch, Koreanisch und Deutsch veröffentlicht werden. Den vorläufigen Tiefpunkt erlebten die kasachischen Medien im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Januar 1999. Staatliche Angestellte besuchten die Redaktionsräume unabhängiger Zeitungen und Rundfunksender und drohten den Journalisten weitreichende Konse157 158

159

160

Human Rights Watch. Human Rights Watch World Report 1999. http://www.hrw.org/hrw/worldreport99/. (17.10.1999) Volkhonka 14 Interdisciplinary Studies Center. The freedom of speech and mass media in Kazakhstan. A survey of the press in Kazakhstan and Russia. Verkürzte englische Version. Moskau. 1998. http://ftp.eurasia.org.ru/99/english/january/Nat_sum.eng.htm. (23.10.1999) „Were the Attorney General's office to go to court over wrongdoing by particular journalists and their particular publications, the case would be an intrinsically legal one. But since the Attorney General's office is instigating criminal proceedings against all mass media rolled into one, this is a downright political action;“ Sviridov, Andrei. Kazakstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 131 oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/66.html. (7.1.2000) „In the summer of 1995, for instance, Aldan Aimbetov, the editor and publisher of the national newspaper Kazakhstanskaya Pravda filed a complaint at the General Prosecuter’s office. The Ministry of Press‘ decision to cancel the registration of his newspaper was subsequently annulled by the district court of Almaty. Also, in September 1996, Radio Liberty correspondent Batyrkhan Darimbet claimed moral damages for his illegitimate detainment after he reported on an anti-China demonstration. The Ministry of the Interior was fined 10.000 tenge ($150).“ vgl. ITAR-TASS. Reduced radio/TV programming in Russian. World Broadcast Information.10.7.1998. In: International Center for Journalists. Kazakhstan Media Profile. 1999. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kazakhstan/media.html. (24.10.1999)

46


quenzen an, sollten sie über Oppositionskandidaten berichten oder durch negative Berichterstattung dem Präsidenten in seinem Wahlkampf schaden. Holly Cartner, Mitarbeiter von Human Rights Watch, nannte die Vorgänge im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen „blatantly unfair“161. Über die Rolle des Präsidenten sagt Cartner: „President Nazarbaev likes to present himself as a dignified partner for Western leaders and investors. But the way his government has twisted arms in this campaign should leave no illusions about what kind of leader Nazarbaev really is.“162 Währenddessen wird Präsident Nasarbajew in der Zeitung Karavan mit den Worten zitiert: „I address all mass media representatives, independent of their property, with a request to create the maximum favorable conditions for propagation of the candidates' platforms and their meetings with the electorates. We shall elect not only the President, we shall elect our country's future. Nobody shall interfere with the free will of the Kazakhstan people. Nothing shall stand in the way of the Kazakhstan people when it is making its choice.“163 Die Diskrepanz zwischen dieser öffentlichen Stellungnahme und den zuvor beschriebenen Einschüchterungsaktionen gegen unabhängige Journalisten ist enorm und zeigt, wie vor allem in der Wahlkampfphase der kasachischen Öffentlichkeit Presse- und Meinungsfreiheit vorgegaukelt wurden. Allerdings sollte in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass erst der Präsidentschaftswahlkampf, so unfair und unausgeglichen er auch war, die öffentliche Diskussion um Pressefreiheit und das Entstehen unabhängiger Medien wieder neu entfacht hat. Ohne die finanziellen Mittel, die der Gegenkandidat Kazhegeldin in die Oppositionsmedien steckte, wäre der Kampf der Journalisten von Dat und XXI Vek gar nicht möglich gewesen. Kazhegeldins Wahlkampfbüro richtete zudem auch die Eurasia-Website ein und machte somit das Internet für die Opposition nutzbar. Das in Kasachstan noch sehr unterentwickelte Medium Internet war in der Zeit vor der Wahl Anfang 1999 trotz der noch sehr geringen Verfügbarkeit gefragter als je zuvor.

3.1.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Kasachstan – Probleme der unabhängigen Medien Die Arbeit der kasachischen Journalisten wird bestimmt von einer strengen Kontrolle von Seiten der Regierung. Selbstzensur und die desillusionierende Einsicht, dass einige Themen in der aktuellen Berichterstattung von vornherein ausgeschlossen sind, gehören zu den Arbeitsbedingungen in dem zweitgrößten Land der ehemaligen UdSSR. Nach Ansicht des International Center for Journalists hat sich die Situation in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Die Regierung versucht demnach mit allen Mitteln, die nach der Unabhängigkeitserklärung Kasachstans entstandenen freien, unabhängigen und oppositionellen Medien von ihrer Arbeit abzuhalten (siehe oben). Auch das International Press Institute (IPI) berichtet 1999 über die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der kasachischen Journalisten. In dem Artikel Kazakhstan: Government stifles private media prior to elections wird vor allem klar, wieso so viele Journalisten ein so hohes Maß an Selbstzensur ausüben. Dem Gesetz nach müssen die elektronischen Medien in Kasachstan mindestens die Hälfte ihrer Sendungen auf Kasachisch ausstrahlen (vgl. Kapitel 3.1.6). Allerdings, so das IPI, seien noch nicht einmal die staatlichen Sender dazu in der Lage, 161 162 163

European Journalism Center. Kazakhstan media harassed during election campaign. Media News Archive. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?2455. (23.10.1999) ebenda Eurasia Foundation. Statement by President of Republic of Kazakhstan Nursultan Nazarbayev. In: Karavan. 18.12.1998. http://ftp.eurasia.org.ru/english/decembre/Elc0509.htm. (24.10.99)

47


da zu viele Nachrichten und Berichte noch immer auf Russisch angefertigt werden. Nichtsdestotrotz schwebt das Sprachgesetz über den Medien und kann je nach Bedarf von der Regierung gegen die Journalisten verwendet werden. „The private media are, as a result, reluctant to risk offending the authorities for fear that the language law may be invoked in retaliation,“ kommentiert das IPI und fügt hinzu: „The threat of closure or expensive court litigation is having a chilling effect on legitimate journalistic coverage of the election campaign.“ 164 Dazu kommen die strafrechtlichen Folgen, die eine Verunglimpfung des Präsidenten mit sich führen könnte. Alle diese Punkte zusammen führen, so das IPI, zu einer „signifikanten Selbstzensur“165. Die Unterdrückung der Pressefreiheit in Kasachstan beschränkt sich jedoch größtenteils auf die Ausschöpfung rechtlicher Mittel, die Schaffung neuer Gesetze oder die Erhöhung des finanziellen Drucks auf die Medien. Körperliche Gewalt gegen Journalisten zählt zu den Ausnahmen. Übergriffe wie der in Kapitel 3.1.6 beschriebene Molotov-Cocktail-Angriff auf die Redaktionsräume der Zeitung XXI Vek kommen nur selten vor. Im Oktober 1996 wurde Sergei Tunik, Redakteur der TV-Nachrichtenagentur LID, von Unbekannten vor seiner Wohnung tätlich angegriffen. Tunik erlitt Verletzungen am Kopf und am Arm. Die Angreifer konnten nicht identifiziert werden. LID arbeitete für den privaten Fernsehkanal TOTEM, der einige Zeit später im Zusammenhang mit der Einführung der Lizenzgebühren seine Arbeit einstellen musste.166 Ein besonders mysteriöses und brutales Verbrechen gegen einen Journalisten in Kasachstan ereignete sich am 9. Januar 1997. Der amerikanische Journalist Chris Gehring, der in Almaty für die nicht-staatliche Organisation Internews als Country Director arbeitete, wurde mit durchgeschnittener Kehle in seiner Wohnung aufgefunden. Ob der Mord mit Gehrings Arbeit in Zusammenhang gebracht werden kann, ist fraglich. Die ermittelnden Beamten vermuteten, dass Gehring Opfer eines Raubmörders geworden ist. Allerdings konnte der Fall nie ganz geklärt werden, da der oder die Täter nie gefasst wurden.167 Als besonders prekär hat sich in den vergangenen drei Jahren die finanzielle Lage der unabhängigen elektronischen Medien in Kasachstan herauskristallisiert. Die Tatsache, dass viele Sender dem Bankrott nahe sind oder bereits ihre Arbeit einstellen mussten, ist ein Ergebnis des Drucks von Seiten der Regierung. Die Organisation Freedom House stellt in ihrem Jahresbericht 1999 fest: „Lack of adequate financing, however, is the most severe difficulty facing the independent media. Broadcast licenses are extremely costly, and frequently force independent stations out of business. The auction to award broadcast licenses is regarded as unfair. Three stations are appealing their failed bids. Tenders do not go to the highest bidder. Licenses are seldom awarded to commercial radios.“168 In der für fast alle Länder aufgestellten Tabelle der Pressefreiheit, einer Skala, die das Maß der Pressefreiheit widerspiegeln soll, kommen die Medien in Kasachstan auf 68 von 100 möglichen Punkten und gelten somit als ‚nicht frei‘. Allerdings liegt das Land bei der Beurteilung am unteren Ende der Wertung ‚nicht frei‘ und könnte es in den kommenden Jahren schaffen, zumindest als ‚zum Teil frei‘ eingestuft zu werden (siehe Tabelle und Fußnote 168).

164 165 166 167

168

International Press Institute (IPI). Kazakhstan: Government stifles private media prior to elections. http://www.ifex.org/communique/vol7/7-44/section2.html#kazakhstan. (24.10.1999) ebenda vgl. Reporters Sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1997 Report. S. 307 Committee to Protect Journalists (CPJ). United States journalist (m) found murdered. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 9.1.1997. http://www.ifex.org/alert/00001585.html. (24.10.1999) Freedom House. Press Freedom Worldwide. 1.1.1999. http://www.freedomhouse.org. (24.10.1999)

48


Tabelle 9: Pressefreiheit in Kasachstan 1998169

TV/Rundfunk Printmedien

A 10 13

B 13 10

C 8 11

D 3 0

gesamt

68

Bei der Bewertung durch Freedom House fallen besonders die gesetzlichen und politischen Druckmittel der Regierung negativ ins Gewicht. Außerdem fällt auf, dass sich die Repressionsmaßnahmen gegen elektronische Medien und Printmedien in etwa die Waage halten. Lediglich die Kategorie ‚Physische Gewalt gegen Journalisten‘ gibt Anlass zur Hoffnung, da mit nur drei von schlechtestenfalls zehn Punkten nur ein geringes Maß an Gewalt gegen Journalisten zu beobachten war. Die kasachischen Korrespondenten des Prager Radiosenders Radio Free Europe / Radio Liberty, Sayasat Beyisbay und Toqzhan Sabyrzhan berichteten im Oktober 1999 von neuen Repressionen gegen die unabhängige Zeitung XXI Vek. Demnach durchsuchten Polizeibeamte am 4. Oktober 1999 das Büro der Zeitung in Almaty und begannen mit der schriftlichen Erfassung des Inventars. Als Grund für ihr Vorgehen gaben die Beamten eine Entscheidung des Gerichts in Almaty an. Gleichzeitig wurden die Konten von XXI Vek bei der Nurbank in Almaty eingefroren. Den Herausgebern von XXI Vek wurde mitgeteilt, dass Untersuchungen der Steuerfahnder gegen die Zeitung eingeleitet würden. Gegenüber den RFE/RLKorrespondenten gaben die XXI Vek-Journalisten jedoch an, die Aktion sei wahrscheinlich eine Art ‚Warnung‘ für den Chefredakteur Bigeldy Gabdullin, der sich zuvor als Kandidat für die Wahl zum kasachischen Unterhaus registrieren gelassen hatte.170 Auch der Chefredakteur der Zeitung Dat, Sharip Quraqpayev, äußerte gegenüber RFE/RL Kritik an dem Verhalten der Regierung. Quraqpayev kandidierte genau wie Bigeldy Gabdullin von XXI Vek für das Unterhaus und bekam von dem staatlichen TV-Sender Khabar, dessen Leiterin nach wie vor Dariga Nasarbajewa ist, eine äußerst ungünstige Sendezeit für die ihm zustehende fünfzehnminütige Rede vor den Wahlen zugewiesen.171

3.1.8 Persönliche Erfahrungsberichte kasachischer Journalisten Die Journalisten in Kasachstan sind im Moment in einer besonders schwierigen Situation. Sie wissen um die Vorzüge der Pressefreiheit, da sie in den Jahren 1991 bis 1996 in den Genuss relativ liberaler, d.h. für ihre Verhältnisse enorm verbesserter Arbeitsbedingungen gekommen sind. Anders als in Usbekistan und Turkmenistan, wo die Journalisten permanent unter der Kontrolle des Staates gestanden haben, wechselten sich in Kasachstan mehrfach die Vorzeichen. Gerade als sich Mitte der 90er Jahre die unabhängigen Medien des größten zentralasiatischen Landes etabliert hatten, änderte die Regierung die Strategie und versucht seitdem alles, um die einmal in die (Presse-)Freiheit entlassenen Journalisten wieder in den Griff zu bekommen. 169

170 171

vgl. ebenda. Erklärung der Tabelle: A Gesetze, die den Inhalt der Medien beeinflussen 0 – 15 Punkte möglich B Politischer Druck auf bzw. Kontrolle über die Medien 0 – 15 Punkte möglich C Ökonomischer Druck / Ökonomische Beeinflussung 0 – 15 Punkte mölich D Physische Gewalt gegen Journalisten 0 – 5 Punkte möglich 0 – 30 Punkte Medien sind frei 31 – 60 Punkte Medien sind zum Teil frei 61 – 100 Punkte Medien sind nicht frei vgl. Beyisbay, Sayasat und Sabyrzhan, Toqzhan. RFE/RL. Kazakh news. 21 Vek newspaper again faces problems. 5.10.1999. E-mail-Liste Kazaklist@indiana.edu. (24.10.1999) vgl. Beyisbay, Sayasat und Sabyrzhan, Toqzhan. RFE/RL. Kazakh news. Editor of one more independent newspaper complains. 5.10.1999. E-mail-Liste Kazaklist@indiana.edu. (24.10.1999)

49


Merhat Sharipzhan, der stellvertretende Leiter des kasachischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty, hält die Veränderungen der journalistischen Rahmenbedingungen in Kasachstan für eine direkte Folge der Veränderungen in der kasachischen Politik. So erinnert er sich an politische Umbrüche aus dem Jahr 1995, die ein Jahr später die bereits beschriebene Änderung des Mediengesetzes zur Folge hatte. „The changes always go hand in hand. When Nazarbayev changed the constitution, the inner policy was changed and in 1995 he dismissed the Parliament. He prolonged his presidency and adopted a new constitution. While the media criticized all these decisions, the President found a way of putting more pressure on the media.”172 Nasarbajew führte Mitte der 90er Jahre die staatliche Agentur Khabar ein (vgl. Kapitel 3.1.3), die seitdem unter der Leitung der ältesten Präsidententochter einen Großteil der Medien unter ihre Kontrolle gebracht hat. „Since then, the situation got worse and worse”173, bestätigt Sharipzhan die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der unabhängigen Journalisten. Er berichtet von 19 Gesetzesänderungen, mit deren Hilfe die Regierung seit 1995 immer wieder direkt auf Lücken bei der Unterdrückung der Pressefreiheit reagiert hat. In einem Fall, so Sharipzhan, habe es auch einen ganz direkten Eingriff des Präsidenten in die Arbeit der Massenmedien gegeben. Die Zeitung Karavan, die nach der Unabhängigkeit Kasachstans von der ehemaligen UdSSR immer erfolgreicher geworden war, hatte sich nach und nach als populärste Zeitung des Landes durchgesetzt. Dem Eigentümer von Karavan wurden, so Sharipzhan weiter, zwei Alternativen angeboten: Er könne entweder seinen funktionierenden Betrieb an den Staat verkaufen oder ihn sofort und endgültig schließen. Karavan wurde verkauft und läuft seitdem unter dem Namen Karavan Narodnaya Gazeta. Besitzer des neuen Karavans ist Präsident Nasarbajew. Die Arbeitsbedingungen für unabhängige Journalisten in Kasachstan zum jetzigen Zeitpunkt hält Sharipzhan für verbesserungswürdig, allerdings auch für erträglich. Gemessen an den Verhältnissen in anderen Teilen Zentralasiens gehe es den kasachischen Journalisten sogar noch relativ gut. Einen wichtigen Punkt hinsichtlich der kasachischen Medien führt der RFE/RL-Journalist an, indem er auf den Zustand der russischen Medien verweist. Wie bereits in Kapitel 2.1.2 beschrieben, leben in Kasachstan fast genauso viele Russen wie Kasachen. Die russischen Medien, die in Kasachstan empfangen bzw. gelesen werden können, nennt Sharipzhan „more professional and more open”174. Dieser Gegensatz zwischen den vergleichsweise liberalen russischen Massenmedien und den unter Kontrolle des Staates gestellten kasachischen Medien könnte dazu führen, dass Nasarbajew auf Dauer nicht viel Erfolg mit der Unterdrückung der Pressefreiheit haben wird. Es erscheint unmöglich, die russischen und die kasachischen Bevölkerungsteile und damit auch die verschiedenen Meinungen und Sichtweisen auseinander zu halten. Der Grad, auf dem Präsident Nasarbajew wandelt, scheint sehr schmal zu sein. Bisher hat er es jedoch fast geschafft, „to be best friends with everybody”175. Was den Präsidenten in seinem Umgang mit den Medien so stark und unberechenbar macht, ist laut Merhat Sharipzhan dessen „vyjujdtrnjhyfz gjkbnbrf”, die ‘vielvektorale Politik’ des Machthabers in Astana. Den enormen Unterschied zwischen den Jahren vor und nach 1995 erklärt sich Sharipzhan damit, dass Nasarbajew zuerst gleichzeitig als autoritäter Präsident auftreten, aber auch finanzkräftige Investitionen aus dem Ausland mit einer liberalen Politik anlocken wollte. Er sei wahrscheinlich sogar ein Demokrat gewesen, der jetzt zu einer Geisel seiner eigenen Politik

172 173 174 175

Sharipzhan, Merhat. sharipzhanm@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 26.11.1999. Prag. Tschechische Republik ebenda ebenda ebenda

50


geworden ist, urteilt Sharipzhan über Nasarbajew. „He probably was a democrat, now he’s a hostage of his own policies.”176 Kritisch sieht der aus dem nordkasachischen Ust-Kamenogorsk stammende Sharipzhan seine eigene Zukunft und die seiner Arbeitskollegen bei Radio Free Europe / Radio Liberty, wenn es darum geht, in der ehemaligen Heimat Kasachstan wieder Fuß zu fassen. Zweimal sei er in den 90er Jahren in Kasachstan zu Besuch gewesen, nachdem er 1989 aus dem Gefängnis entlassen worden war. Sharipzhan war 1984 zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er den Armeedienst in Afghanistan verweigert hatte. Nach der Amnestie infolge der Perestroika von Mikhail Gorbatschow kam der jetzt 36 Jahre alte Kasache aus der Haft frei. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet er für Radio Free Europe / Radio Liberty. Diese Tatsache führte dazu, dass er bei seinen beiden Besuchen in Kasachstan seiner Meinung nach fast permanent beschattet wurde. Bei seinem letzten Aufenthalt 1998 wurde er zweimal für kurze Zeit festgehalten und von der KNB, der Nachfolgeorganisation des kasachischen KGB, verhört. Sharipzhan sagt mit etwas Abstand ein Jahr später: „I will not go back to Kazachstan again. Only if I get a Western passport, then I would go. The KNB knows everything about me and my family and as long as I am Kazakh citizen, nobody will help me in case of emergency. The KNB has an interest in everybody who works for RFE/RL. I think they are looking for a way to control us.”177 Ähnlich wie Merhat Sharipzhan sieht auch die Journalistin Yana Baigulova von der privaten Zeitung Almaty Herald aus der ehemaligen Hauptstadt Almaty die Situation in Kasachstan. „Almost all newspapers, radiostations, TV channels belong to President’s family.”178 Solange sie Wirtschaftsberichte schreibe, komme sie mit den Mediengesetzen nicht in Berührung, lautet die nüchterne Antwort auf die Frage, wie die Gesetzgebung die tägliche Arbeit der Journalisten in Kasachstan beeinflusst. Vor allem bei der Person des Präsidenten sei für die Journalisten besondere Vorsicht geboten. In diesem Zusammenhang berichtet Baigulova über die Reaktionen aus dem Jahr 1999 auf die Nachricht, Präsident Nasarbajew habe Geld auf Schweizer Privatkonten in Sicherheit gebracht. „We cannot touch problems concerning human rights and President. Some of newspapers (Novoye Pokoleniye), radio stations (Radio „M”), TV channels ORT (Russian channel) which said that our President keeps money in one of the Swiss banks were closed.”179 Mit dieser Feststellung verbindet sie den Wunsch nach mehr Freiheit. „If special bodies would control us less, it could be great.”180 Allerdings geht sie mit der Meinung Sharipzhans konform, dass es in den nächsten Jahren nicht zu einer rasanten Demokratisierung im Mediensystem Kasachstans kommen wird.

3.1.9 Perspektiven für die kasachischen Medien Merhat Sharipzhan legt sich bei der Zukunftsprognose für die Entwicklung der Medien in Kasachstan eindeutig fest. Er geht nicht davon aus, dass es in der näheren Zukunft einschneidende Veränderungen geben wird. „I don’t think the situation will get better and I doubt it will get worse. I rather think that it will stay pretty much like it is right now for a long time. To change the situation, we have to change the inner policies. They won’t be changed though as long as Nazarbayev is there. On the other hand, there are people monitoring the situation like the OSCE, so that is why I think it won’t get worse either.”

176 177 178 179 180

ebenda ebenda Baigulova, Yana. Almaty Herald. <herald@asdc.kz>. 14.11.1999. „Re: Media in Central Asia“. Persönliche e-mail. (15.11.1999) ebenda ebenda

51


Das Eurasia Information and Analysis Center stützt diese Sichtweise in der Studie The freedom of speech and mass media in Kazakhstan. Dabei wird die Situation der Medien in demokratischen Ländern als Maßstab genommen und mit der momentanen Situation in Kasachstan verglichen. Während in den demokratischen Ländern eine Vielzahl verschiedener Medienbesitzer nebeneinander existiert und so den Wettbewerb und die Meinungspluralität belebt, ist die Lage in Kasachstan grundlegend anders. Hier ist Präsident Nasarbajew der einzige große Medienbesitzer. Er sorgt dafür, dass die Informationspolitik im Land nach seinen Vorstellungen gestaltet wird.181 Mitte der 90er Jahre gab es mit der Zeitung Karavan ein Organ, das eine große Zahl der Oppositionellen unter einem journalistischen Dach vereinen konnte. Jetzt gehört Karavan zu der Khabar-Gruppe der Präsidententochter Dariga Nasarbajewa und hat seine ehemalige Unabhängigkeit fast gänzlich eingebüßt. Die Studie des Eurasia Information and Analysis Centers beschreibt eine Monopolstellung der staatlichen Medien, die in dieser Form in der näheren Zukunft keine Alternativen zulassen wird. Noch üben die russischen Medien einen enormen Druck auf die Regierung in Astana aus. Da nach wie vor fast die Hälfte der Bevölkerung Kasachstans russischer Abstammung ist, wird es schwer für Nasarbajew und seine staatlichen Medien sein, die freiere Konkurrenz im eigenen Land langfristig zu unterdrücken. Die Russen sind seit Ende der 80er Jahre eine zumindest teilweise vollzogene Demokratisierung bzw. Liberalisierung der Medien gewöhnt und werden nicht ohne Weiteres auf ihre Zeitungen, Fernsehprogramme und Radionachrichten aus Moskau verzichten. Und diese berichten oftmals das genaue Gegenteil von dem, was in den kasachischen Medien berichtet wird. „Another thing to watch for is that, on balance, the people are taking their cue not from the government-supervised media, after all; they are far and away more influenced by Moscow-based publications, some of which are now and then given to lashing out not only against the president's daughter in her official capacity but the president in his own right.“182 Die Zeitungen hat die Regierung fast flächendeckend unter ihre Kontrolle gebracht und auch bei den elektronischen Medien war der Nasarbajew-Clan durch die Einführung der Frequenzausschreibung (vgl. Kapitel 3.1.1 und 3.1.5) und der damit verbundenen Finanzlasten, die die unabhängigen Sender zu tragen haben, sehr erfolgreich im Kampf gegen die Pressefreiheit. Die Position des Präsidenten ist zusätzlich durch die gewonnene Wahl im Jahr 1999 gefestigt worden, so dass eigentlich eine Phase der Ruhe und Entspannung eintreten könnte. Allerdings ist eine solche Stagnation höchstens für den Präsidenten ein Erfolg. Für die Journalisten in Kasachstan bedeutet jeder Tag des Stillstands einen weiteren Rückschritt. Denn je länger die Medien schweigen bzw. ruhig gehalten werden, desto schneller gewöhnen sich die Bürgerinnen und Bürger des Landes an den jetzigen Status Quo und vergessen, die Vorzüge eines demokratischeren Systems mit einer funktionierenden freien Presse zu schätzen. Es bedarf daher jetzt einer Initiative von Seiten der Journalisten, um den momentanen Ruhezustand aufzubrechen und die Rezipienten wieder für liberalere Gesellschafts- und Politikformen zu begeistern. Es könnte sein, dass die ersten Versuche von der Regierung in drastischer Form, d.h. mit Verurteilungen oder eventuell sogar mit physischer Gewalt abgeschmettert werden. Allerdings verfügen meiner Meinung nach vor allem die vielen Russen im Norden des Landes über das Potential, eine Trendwende in der Gesellschaft zu vollziehen und für Aufklärung und ein höheres Maß an Pressefreiheit zu sorgen.

181

182

Eurasia Information and Analysis Center. The freedom of speech and mass media in Kazakhstan. A survey of the press in Kazakhstan and Russia. http://www.eurasia.org.ru/english/decembre/MEDIA.htm. (10.1.2000) „Advanced democratic nations have their multiplicity of prospective and actual media owners securing the freedom of speech to an appreciable extent, while things are the other way round in Kazakhstan, where a single, Nazarbayev's, clan has overrun most of the media there.“ ebenda

52


Gleichwohl ist nicht klar, wie sich dieses eventuelle Aufbegehren der Journalisten in einer Bewegung bündeln ließe. Merhat Sharipzhan von Radio Free Europe / Radio Liberty hofft in diesem Zusammenhang auf die Unterstützung des Westens. Dabei verspricht er sich Hilfe von internationalen Hilfsorganisationen sowie von westlichen Regierungen. Eigentlich hatte er sich schon eine Verbesserung der Stimmung hinsichtlich der Massenmedien von dem Besuch Nasarbajews in den USA im Dezember 1999 erhofft. Doch auch dieser Hoffnungsfunke scheint sich nach den Meldungen in der Presse in Luft aufgelöst zu haben. Wie RFE/RL am 22. Dezember 1999 berichtete, habe eine Diskussion über die Medien in Kasachstan und die Ereignisse im Vorfeld der Parlamentswahlen (vgl. Kapitel 2.1.3) in dem 40minütigen Gesprächs Nasarbajews mit dem US-Präsidenten Bill Clinton nicht stattgefunden. „Answering a question from RFE/RL’s special correspondent whether Nazarbayev and Clinton discussed events around the Kazakh Parliamentary elections held a few months ago, the Kazakh President said that there was not enough time for that.“183 Es scheint so, als wolle es der kasachische Präsident auf eine Fortsetzung des seit 1996 aktiv geführten Konflikts mit den unabhängigen Journalisten in seinem Land ankommen lassen. Doch auch für diesen Fall hat Sharipzhan Hoffnung: „Good journalists are there – they just have to make the ends meet!“184 Und auch Eric Johnson, der Internews-Koordinator für den Kaukasus und Zentralasien, sieht positive Impulse in der kasachischen Medienlandschaft. Er setzt vor allem auf den sich möglicherweise verbessernden ökonomischen Gesamtzustand des Landes und hält die Ansätze des unabhängigen Journalismus in Kasachstan für stark genug, um zusammen mit einer soliden finanziellen Basis einen echten Gegenpol zu den staatlichen Medien bilden zu können. Eine große Gefahr könnte jedoch auf die Journalisten und alle anderen Bürgerinnen und Bürger in Kasachstan warten. Viele Beobachter sehen die Nord-Süd-Konflikte in dem ethnisch zweigeteilten Land als ein enormes Sicherheitsrisiko an. Wallace Kaufman von der Zeitung The Globe in Almaty warnt in seinem Artikel Russians in the Kazakhstani squeeze vor einer Eskalation der angespannten Lage im Norden Kasachstans, wo größtenteils russische Mehrheiten den kasachischen Minderheiten unterstellt sind. „Civil violence can start from many sparks. An organized secessionist movement or an angry individual. (...) No one should take the explosive power of ethnic tensions in Kazakhstan lightly.“185 Eric Johnson geht noch einen Schritt weiter und sagt: „It looks like there will be a civil war. It seems that’s just the way things are going.“ Welche Folgen das Eintreffen dieser dunklen Vorahnungen für die Medien in Kasachstan haben würde, vermag heute wohl niemand vorauszusagen.

183 184 185

Radio Free Europe / Radio Liberty. Kazakh Service. News brief twice a week. Kazakh leader met US President in Washingtion. 22.12.1999. http://ww.rferl.org/bd/ka/reports/today.hml. (4.1.2000) Sharipzhan, Merhat. sharipzhanm@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 26.11.1999. Prag. Tschechische Republik Kaufman, Wallace. wkaufman@arcticmail.com. The Globe. Russians in the Kazakhstani squeeze. 23.11.1999. In: Mawkanuli, Talant. Tmawkanuli@facstaff.wisc.edu. E-mail-Verteiler Kazaklist. kazaklist@indiana.edu. (29.11.1999)

53


3.2 Medien in Kirgisien Den Journalisten in Kirgisien geht es gemessen an den Zuständen in den anderen zentralasiatischen Ländern vergleichsweise gut. Ihre Arbeitsbedingungen sind überwiegend besser, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Kirgisien stabiler und die Möglichkeiten einer unabhängigen Presse wesentlich größer als in den Nachbarstaaten. Das International Press Institute nannte Kirgisien in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit sogar eine „Insel der Demokratie in einem Meer von Autoritarismus“186. Nach knapp neun Jahren der Unabhängigkeit ist die Zahl der Zeitungen jedoch im Anschluss an einen anfänglichen Boom permanent gesunken. 1998 erschienen lediglich 30 Zeitungen auf regelmäßiger Basis.187 Neben den vier nationalen Zeitungen sind dies vor allem kleinere Veröffentlichungen aus den verschiedenen Verwaltungsgebieten des zentralasiatischen Landes. Insgesamt sind neuesten Angaben zufolge 328 Medienbetriebe in ganz Kirgisien registriert. Die staatlichen Medien werden von der Regierung lediglich mit technischer Ausstattung und den dazugehörigen Räumlichkeiten unterstützt. Direkte finanzielle Zuwendungen gibt es nicht, so dass auch die staatlichen Medien genau wie die privaten auf Werbeeinnahmen oder Spenden angewiesen sind. Der Sender Asman TV wird beispielsweise fast ausschließlich mit dem Privatvermögen der kirgisischen Unternehmerfamilie Sarygulov betrieben. Bei unabhängigen Sendern wie Piramida, Almaz oder Max TsN stehen internationale Organisationen wie die UNESCO oder die Soros Foundation im Hintergrund. Die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland ist nach Angaben des European Institute for the Media jedoch sehr gering.188

3.2.1 Elektronische Medien Ende 1997 gab es in Kirgisien 20 registrierte, unabhängige Fernseh- und Radiosender. Ein Jahr später, Ende 1998, war ihre Zahl bereits auf 30 gestiegen. 16 dieser Betriebe konzentrieren sich alleine auf die Hauptstadt Bishkek. Die bedeutendsten Sender Kirgisiens sind neben den russischen Stationen die Sender NBT, VOSST und Piramida. Piramida existiert seit Dezember 1991 und beschäftigt mittlerweile 80 Mitarbeiter. Das Unternehmen besitzt einen UKW-Kanal und hat zwei Außenstationen in Issyk-Kul und im Ferghana-Tal. Außerdem gibt der Sender eine ebenfalls Piramida heißende Zeitung heraus. Insgesamt wird das Potential von Piramida als sehr hoch eingeschätzt. NBT (Independent Bishkek TV) nahm im November 1995 den Sendebetrieb auf und beschäftigt mittlerweile 40 Mitarbeiter. Bis 1997 wurde lediglich ein russisches Programm übernommen, jetzt produziert NBT jedoch schon sechs Stunden eigenständiges Programm pro Tag. Die zu einem Vollprogramm fehlenden 18 Stunden füllt NBT nach wie vor mit dem Programm des russischen Senders TV-6 MOCKBA. Nach einer anfänglich sehr kurzen Nachrichtensendung (‚Five Pieces of News‘) sendet NBT mit Vremya Novostei inzwischen eine längere Nachrichtensendung. Der Fernseh- und Radiosender VOSST (Vostochnaya Strana / ‚Östliches Land‘) existiert offiziell seit seiner Registrierung am 30. Januar 1996. Gegründet wurde VOSST von dem Geschäftsmann Valery Khon. Der Mitarbeiterstamm produziert ein eigenes Programm, was 186

187 188

International Press Institute. Kyrgyzstan. 1998 World Press Freedom Review. In: International Center for Journalists. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (25.10.1999) Karatnycky, Adrian und Motyl, Alexander und Graybow, Charles. Kyrgyz Republic.In: Nations in Transit 1998. http://freedomhouse.org/nit98/. (24.10.1999). S. 330 Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 162. oder Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (2.11.1999)

54


durch die zeitweise Übernahme des Programms des russischen Privatsenders NTV vervollständigt wird. Die NTV-Nachrichten Sevodnya (‚Heute‘) sollen in Zukunft durch das eigenproduzierte Wochenmagazin Mesto Deistviya (‚Ort der Handlung‘) ergänzt werden. Von den 16 in Bishkek registrierten Radio- und/oder Fernsehstationen senden elf täglich in der kirgisischen Hauptstadt (sechs Radio-, drei Fernsehsender und zwei kombinierte Fernsehund Radiosender). Drei Stationen (EPOS, ORDO, MONO-GRAFFITI) produzieren in Bishkek, verbreiten ihre Programme jedoch von anderen Stationen im Land aus und haben laut EIM keine Ambitionen, in der Hauptstadt eigene Fernseh- oder Radiofrequenzen zu besetzen.189 Die Sender Kyrgyz Zher und Sadam mussten ihre Tätigkeiten wegen fehlender finanzieller Mittel unterdessen einstellen. Vier Radio- und Fernsehsender (Osh-TV, KEREMET, MEZON, ERKIN ALA-TOO) arbeiten in Osh, der zweitgrößten Stadt Kirgisiens. Allerdings ist außer Osh-TV keiner der Sender im Besitz eines eigenen, einsatzfähigen Transmitters. Die anderen drei Sender müssen über den staatlichen Kanal Sendezeiten anmieten. MEZON-TV besitzt seit kurzer Zeit einen UKWTransmitter. Allerdings blieb dem Sender bisher eine UKW-Sendefrequenz verwehrt. In der Region Dzhalal-Abad gibt es ebenfalls vier TV-Sender (DASTAN, NUR, MARS, MAKHABBAT ZHYLDYZY), die jedoch alle nicht über die technischen Voraussetzungen verfügen, ein eigenständiges Programm zu produzieren. Sie sind daher ebenfalls auf die technischen Einrichtungen des Staates angewiesen, für deren Nutzung sie Miete zahlen müssen. Weitere nennenswerte Fernsehsender in ländlichen Gebieten oder kleineren urbanen Zentren Kirgisiens sind TATINA (in Kara-Balta), AYAN (in Naryn) sowie EMTV (Ecologicheskoe Molodezhnoye Televideniye, ‚Ökologisches Jugendfernsehen‘) in Karakol. Der letztgenannte Sender versucht momentan aktiv, ein eigenes Nachrichtenprogramm zu produzieren. Zahlreiche andere Sender wie beispielsweise ASMAN, MARS, Max TsN und Almaz verzichten gänzlich auf Nachrichtenprogramme und geben dafür finanzielle Gründe an. Die Nachrichtenprogramme der Bishkeker Radiosender Evropa Plyus, O.K. und Ekho Moskvy hingegen werden als hörenswert angesehen. Vor allem die Programme von Ekho Moskvy finden besondere Erwähnung. Mit vier Nachrichtensendungen und zwei Presseschauen pro Tag zeigt sich Ekho Moskvy als engagierter Sender. In Bishkek ist Ekho Moskvy seit Juli 1998 vertreten und beabsichtigt, in den kommenden Jahren das Sendevolumen auf 14 Stunden pro Tag zu erhöhen und anschließend auch im TV-Bereich aktiv zu werden. Es gibt im kirgisischen Rundfunk Sendungen auf Kirgisisch, Usbekisch und Russisch. Die russischen Fernseh- und Radiostationen sind in Kirgisien nach einem Bericht des European Journalism Center „sehr beliebt“190. Im Jahr 1997 sah es so aus, als müsste die Ausstrahlung der russischen Programme wegen der immensen Schulden, die die russischen Stationen bei den kirgisischen Sendeanlagen haben, eingestellt werden. Hier war es jedoch die kirgisische Regierung, die einschritt und den weiteren Betrieb der Sender sicherstellte.191 Die Situation der Radiosender gestaltet sich aus Sicht des EIM wesentlich besser als die der Fernsehsender. Die größere Konkurrenz im Vergleich zum Fernsehmarkt des Landes, so wird vermutet, stimuliert die Journalisten zu mehr Selbstständigkeit im Kampf um Unabhängigkeit.

3.2.2 Printmedien Die Printmedien in Kirgisien stehen deutlich im Schatten der elektronischen Medien und haben noch mehr unter den wirtschaftlichen Zwängen des jungen Landes zu leiden als die Fernseh- und Radiosender. Vor allem die kleineren Publikationen in den ländlichen Gebieten Kir189 190 191

ebenda. S. 164 European Journalism Center. Kyrgyz Premier says Russian TV broadcasts to continue. Media News Archive. 15.10.1997. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?745. (25.10.1999) ebenda

55


gisiens erscheinen in sehr unregelmäßigen Abständen. Die meisten Regionalzeitungen haben ihr Erscheinen inzwischen ganz eingestellt. In den Städten und den Regionalzentren haben lediglich die Printmedien überlebt, die von den lokalen Verwaltungen unterstützt wurden. So gab es 1997 in der nordkirgisischen Region Talas noch fünf verschiedene Zeitungen. Ende 1999 hatten bis auf eine Zeitung alle anderen ihre Arbeit eingestellt. In Karakola arbeiten momentan nur noch zwei Redaktionen; und auch in dem politisch sehr engagierten Jalal-Abad kämpfen drei Zeitungen ums Überleben. In der zweitgrößten Stadt des Landes, in Osh, ist die Situation kaum besser. Selbst in Bishkek ist die Fluktuation auf dem Zeitungsmarkt extrem hoch. Etabliert haben sich in den vergangenen Jahren die Zeitung Vechernii Bishkek (‚Bishkeker Abendzeitung‘) und die Wochenzeitung Delo Nomer (‚Aktenzeichen‘) mit Auflagen von 50.000 täglich (Vechernii Bishkek) bzw. 60.000 pro Ausgabe (Delo Nomer). Die beliebteste Wochenzeitung, die auf Kirgisisch herausgegeben wird, ist nach Informationen des European Institute for the Media die Zeitung Asaba, die jedoch wegen ihrer Inhalte oft Probleme mit offiziellen Stellen hat und daher finanziell noch hinter den Erträgen der beiden zuvor genannten Publikationen bleibt.192 Eine Zeit lang galt die Zeitung Res Publica als progressivstes und aggressivstes Printmedium. Die Chefredakteurin Zamira Sydykova und die stellvertretende Chefredakteurin Tatjana Slashchyeva wurden im Jahr 1995 zu 18 bzw. 12 Monaten Gefängnis verurteilt. Grund dafür war ein Artikel in der Res Publica im Mai 1995, der sich mit einem angeblichen Immobilienbesitz des Präsidenten Kirgisiens in der Schweiz und in der Türkei beschäftigte. Askar Akajew dementierte die Meldung und verklagte die Journalistinnen wegen Verstosses gegen die Ehre und Würde des Präsidenten. Die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem wurde den beiden Betroffenen verboten, sich in journalistischer Weise für die Dauer der Strafe zu betätigen. Sydykova arbeitete jedoch organisatorisch weiter in der Res Publica-Redaktion mit.193 Im Oktober 1996 meldete Radio Free Europe / Radio Liberty das erstmalige Nicht-Erscheinen von Res Publica. Dem Internet-Artikel Kyrgyz Independent Newspaper Fails To Appear zufolge soll Res Publica Schulden beim staatlichen Verlagshaus Uchkun in Höhe von 10.000 kirgisischen Som (800 US-Dollar) haben, woraufhin sich Uchkun weigerte, die aktuelle Ausgabe der Zeitung zu drucken. Die Chefredakteurin von Res Publica, Zamira Sydykova, wies darauf hin, dass die staatliche Zeitung Slovo Kyrgyzstana (‚Wort Kirgisiens‘) mit 370.000 Som in der Schuld stehen soll. Der Druck von Slovo Kyrgyzstana geht jedoch nach wie vor uneingeschränkt weiter.194 Mittlerweile bleibt Res Publica hinter den Erwartungen der Bürger zurück und hat somit einen Großteil der Leserschaft verloren, obwohl die Zeitung immer noch die einzige wirkliche Oppositionszeitung des Landes bleibt und über einen gewissen Leserstamm verfügt.195 Bis vor kurzem gab es zwei staatliche Zeitungen in russischer Sprache in Kirgisien. Nachdem der Chefredakteur der Nasha Gazeta (‚Unsere Zeitung‘), Aleksandr Malevanny, der beste Kontakte zur Regierung pflegte, das Blatt verließ, wechselte eine große Zahl von Redakteuren zu der anderen russischsprachigen Zeitung, der Slovo Kyrgyzstana. Während die Nasha Gazeta jetzt nicht mehr erscheint, hat die Slovo Kyrgyzstana in den letzten Jahren jegliche Unab-

192 193 194

195

Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 166 vgl. IFEX. Action Alert. Two Respublica editors charged with libel. 30.8.1995. http://www.ifex.org/alert/00000864.html. (25.10.99) vgl. Radio Free Europe / Radio Liberty. Kyrgyz Independent Newspaper Fails To Appear. 11.10.1996. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?630. (25.10.99) Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 166 „The newspaper Res Publica is losing circulation and the former ‚hot‘ nature of ist content.“

56


hängigkeit verloren und veröffentlicht keinerlei regierungskritische Artikel mehr wie noch vor einigen Jahren. Die beiden Zeitungen, die auf Kirgisisch erscheinen, Erkin Too und Kyrgyz Tuusu, haben nur eine sehr geringe Auflage und sind für die Meinungsbildung im Lande nicht relevant. Erkin Too ist zudem ein Medium, das größtenteils aus offiziellen Gesetzestexten, Erlassen und Regeltexten besteht. Nennenswerte fremdsprachliche Zeitungen sind die Central Asian Post (in Englisch) und Zaman (neben Kirgisisch auch auf Türkisch und auf Englisch). Eine interessante Entwicklung auf dem Zeitungsmarkt setzte etwa vor zwei Jahren ein. Bis dahin hatte die Piramida Plyus den Markt der Boulevardzeitungen beherrscht. Während die Nachrichten-Magazine wie soeben beschrieben mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben, erleben die Boulevard-Zeitungen und die Anzeigenblätter seit 1997 eine durchaus positive Phase. Neben der Piramida Plyus haben sich jetzt Master-Marketing, Pyatnitsa (‚Freitag‘) und Absolyut-Express ebenfalls am Markt etabliert. Mit der Rek-Taim gibt es sogar ein kostenloses Anzeigenblatt in Bishkek. Nach wie vor nimmt jedoch der Vechernii Bishkek als Vorzeigezeitung des Landes mit bis zu 5000 Anzeigen pro Ausgabe die unumstrittene Führungsposition ein. Letztlich sind auch noch die russischen und kasachischen Zeitungen zu nennen, die allerdings fast nur in der Hauptstadt Bishkek verkauft werden. Die populärsten Zeitungen sind die russische Komsomolskaya Pravda und die kasachische Karavan. Außerdem sind auch noch die seltener gelesenen Moskovskie Kommersant-Daily, Izvestiya, Argumenty i Fakty und die Literaturnaya Gazeta in Bishkek erhältlich.

3.2.3 Nachrichtenagenturen Nachrichtenagenturen sind in Kirgisien eine absolute Seltenheit. Die einzige unabhängige Variante ist eine Agentur, die von der erfolgreichen Zeitung Vechernii Bishkek ins Leben gerufen wurde. Selbst die Geschäftsleitung des Vechernii Bishkek sieht für das Projekt mittlerweile kaum noch Perspektiven. Die wichtigsten Gründe, die gegen die Agentur sprechen, sind die finanziellen Zwänge. Die Agentur konnte anfangs nur sehr wenige Korrespondenten bezahlen und hatte dadurch im Umkehrschluss auch nur eine begrenzte Zahl von Meldungen, die von Zentralasien aus verbreitet werden konnten. Außerdem sind die zentralasiatischen Medien mit Ausnahme von Kirgisien und (mit Abstrichen) Kasachstan so wenig unabhängig, dass die Agentur zwangsläufig nur offizielle Texte aus den anderen Ländern veröffentlichen konnte. Auch die staatliche Agentur Kabar war ein Fehlschlag. Trotz erheblicher Subventionen durch die UNESCO konnte sich Kabar nicht am Markt etablieren. Auch die eher kleine kirgisische Agentur Belii Parokhod (‚Weißer Dampfer‘) kann nicht als vollständig funktionierende Agentur bezeichnet werden, da sie so gut wie ausschließlich für das Magazin Argumenti i Fakti arbeitet und nicht am Markt auftritt. Die entstandene Lücke in der kirgisischen Medienwelt füllen die russischen Nachrichtenagenturen Interfax und ITAR-TASS, die nach wie vor in der gesamten Ex-Sowjetunion aktiv sind.

3.2.4 Internet Das Internet erfreut sich in Kirgisien immer größerer Beliebtheit. Anders als in den meisten anderen zentralasiatischen Ländern wird in Kirgisien die Einführung und die Weiterverbreitung moderner Technik von den Herausgebern und Chefredakteuren massiv unterstützt. Auch die internationalen Organisationen UNESCO, Soros Foundation und USIS helfen den kirgisischen Journalisten mit der Bereitstellung von Internet-Zugängen und der Möglichkeit der Computernutzung. 57


Zwei Zeitungshäuser, zwei Zeitschriftenredaktionen, ein TV-Sender und eine Radiostation haben bereits ihre eigenen Internet-Homepages. Zurzeit ist der Internet-Zugang jedoch auf die Hauptstadt Bishkek und in geringem Maße auf die Stadt Osh beschränkt. In ländlichen Provinzen ist die neue Technologie noch nicht so weit fortgeschritten.

3.2.5 Der rechtliche Rahmen Das 1991 unabhängig gewordene Kirgisien bekam ein Jahr später ein eigenes Mediengesetz. Zusammen mit zwei Gesetzesergänzungen aus den vergangenen Jahren und der kirgisischen Verfassung soll es die Pressefreiheit im Land gewährleisten, den Journalisten freien Zugang zu Informationen ermöglichen und ihre beruflichen Aktivitäten schützen.196 Der Paragraph 16 der kirgisischen Verfassung sieht vor, dass alle Bürger Kirgisiens das Recht auf „free expression and dissemination of thoughts, ideas and concepts, freedom to engage in literature, art, scientific and technical creativity, a free press, the transfer and dissemination of information“197 haben. Dazu regelt das Grundgesetz in zwei weiteren Paragrafen das Umfeld der Medien. Demnach ist es die Aufgabe des Staates, die notwendigen Bedingungen für die Entfaltung und Entwicklung von Literatur, Kunst, Wissenschaft, Massenmedien und Sport zu schaffen. Am 17. Oktober 1998 wurde die kirgisische Verfassung um den Paragrafen 65 erweitert. Diesem Zusatz zufolge ist es verboten, Gesetze anzunehmen, die die Freiheit des Wortes und der Presse einschränken.198 Die Freiheit der Medien hört allerdings auch in Kirgisien bei Verleumdung, übler Nachrede, Beleidigung und Rufschädigung auf. Diese Gesetzesverstöße werden zivil- bzw. strafrechtlich verfolgt. Das Strafrecht greift bei Verleumdung und übler Nachrede. Hier trifft den Ankläger die Bringschuld hinsichtlich der Beweise. Bei den zivilrechtlichen Fällen (Beleidigung und Rufschädigung) muss der Beklagte beweisen, dass er die gemachten Behauptungen zu Recht aufgestellt hat. Kann der Beklagte diesen Beweis nicht erbringen, hat der Kläger ein Recht auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld sowie das Recht auf eine Richtigstellung. Das 1992 eingeführte Gesetz über die Massenmedien beschränkt die Haftung der Medien jedoch insofern, als dass die Medienbetriebe nicht haftbar gemacht werden können, wenn die zur Diskussion stehenden Äußerungen aus offiziellen Dokumenten stammen, von Nachrichtenagenturen oder staatlichen Stellen übernommen oder während eines Live-Berichtes von Dritten gemacht wurden. Die kirgisischen Journalisten werden durch das aus dem Jahr 1997 stammende Gesetz über den Schutz der professionellen Aktivitäten der Journalisten dazu verpflichtet, beruflich gewonnene Informationen in keinem Fall privat zu nutzen. Außerdem ist es ihnen verboten, Video- oder Audioaufnahmen von Privatpersonen ohne deren Einverständnis zu veröffentlichen. Dasselbe Gesetz regelt auch die Informationsmöglichkeiten der Journalisten. Demnach garantiert der Staat freie und uneingeschränkte Informationsmöglichkeiten für kirgisische Journalisten. Ausnahmen werden lediglich beim Punkt ‚Staatsgeheimnisse‘ gemacht. Allerdings heißt es deutlich: „A journalist’s access cannot be restricted to information featuring public interes, affecting the rights, freedoms and legal interests of citizens.“ 199 Zensur ist in der Republik Kirgisien offiziell verboten und wird auch tatsächlich höchstens in minimalem Unmfang betrieben. Laut Gesetz hat niemand in Kirgisien das Recht, von einem Journalisten einen Entwurf zur Ansicht vor der Veröffentlichung zu fordern, eine Überarbeitung des Textes zu verlangen oder die Veröffentlichung einer journalistischen Arbeit grundlos 196 197 198 199

vgl. U.S. Department of State. Kyrgyz Republic Country Report on Human Rights Practices for 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/. (23.10.1999). S. 6 Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 149 ebenda. „Adoption of laws limiting freedom of speech and the press is prohibited.“ ebenda. S. 153

58


zu untersagen. Auch der Informantenschutz ist in Kirgisien per Gesetz gewährleistet. Das bereits genannte Gesetz über den Schutz der professionellen Aktivitäten der Journalisten sieht dieses in Artikel 8 vor. Der Informantenschutz entfällt nur im Falle einer Aussage vor Gericht, wenn die verhandelte Sache von ‚allgemeinem Interesse‘ ist. Beschränkungen hinsichtlich der Besitzverhältnisse in den Medien gibt es im Gegensatz zu den anderen zentralasiatischen Ländern in Kirgisien nicht. Stattdessen verstärkt die Regierung die Bemühungen um die Förderung geistigen Eigentums („Much was done over the last years for the protection of rights to intellectual property“200). Das International Center for Journalists berichtet jedoch auch über empfindliche Einschränkungen des Presserechtes, mit denen die kirgisischen Journalisten zu leben haben. So wird das neue Strafgesetz vom Januar 1998 offensichtlich häufiger dazu benutzt, Journalisten nach kritischer Berichterstattung über Regierungsbeamte zu belangen. Ein Artikel des Strafgesetzes schützt die „Ehre und Würde des Präsidenten“. Bei Verstößen drohen den jeweiligen Betroffenen bis zu drei Jahre Haft und Geldstrafen bis zum hundertfachen Mindestmonatslohn.201 Natalia Ablova, die für das European Institute for the Media das Kapitel über Kirgisien in der Medienstudie Media in the CIS bearbeitet hat, berichtet ebenfalls von einer großen Zahl von Gerichtsverhandlungen bzw. Ermittlungsverfahren gegen Journalisten. Sie hebt jedoch hervor, dass nicht alle Fälle von vornherein gegen die Journalisten entschieden werden, sondern dass vielmals die Angeklagten als Sieger aus dem Rechtsstreit hervorgehen. Die Medienregulierung in Kirgisien ist eine nationale Angelegenheit. Regionale Unterschiede in der Zulassung bzw. Überwachung von Medienbetrieben gibt es nicht. Dabei ist anzumerken, dass es jedem kirgisischen Bürger erlaubt ist, einen Medienbetrieb alleine oder mit anderen zusammen zu gründen. Verboten ist lediglich die Öffnung eines Medienbetriebs, bei dem gleichzeitig staatliche Stellen und Privatpersonen oder nicht-staatliche Organisationen als Gründungsmitglieder auftreten. Die neugeschaffenen Betriebe werden beim Justizministerium registriert, solange sie eine nationale Verbreitung haben. Örtlich oder regional beschränkte Medien werden bei den jeweiligen lokalen bzw. regionalen Unterbehörden registriert. Sind die rechtlichen Vorgänge abgeschlossen, regelt die Nationale Telekommunikationsagentur die Lizenzen und sichert die elektronische und postalische Anbindung. Interessant ist der rechtliche Rahmen der kirgisischen Medien im Zusammenhang mit Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen. Die Gesetze regeln die Rechte und Pflichten der Medien in dieser Hinsicht bis ins kleinste Detail. So dürfen Journalisten in Kirgisien unangemeldet die Veranstaltungen sämtlicher zur Wahl stehender Kandidaten besuchen und darüber berichten. Die Wahlkomitees, staatliche Stellen, nicht-staatliche Organisationen und die Gewerkschaften sind verpflichtet, interessierten Journalisten über den Stand der Wahlvorbereitungen Auskunft zu erteilen. Außerdem haben die Journalisten das uneingeschränkte Recht, am Wahltag die Wahllokale zu besuchen. Bei Parlamentswahlen müssen sie sich lediglich bis einen Tag vor der Wahl angemeldet haben. Für die organisatorische Unterstützung der Journalisten bei der objektiven Berichterstattung über die Wahlen trägt das Zentrale Wahlkomitee Sorge. Alle Präsidentschaftskandidaten, die zur Wahl stehen, haben vom Moment der Bekanntgabe ihrer offiziellen Kandidatur an die gleichen Rechte. Sie dürfen bei ihrem Wahlkampf auf die staatlichen Fernseh- und Radiosender zurückgreifen. Das Volumen der Berichterstattung legt das Zentrale Wahlkomitee in Absprache mit den Chefredakteuren fest. Allerdings ist auch 200 201

ebenda. S. 154 International Press Institute. Kyrgyzstan. 1998 World Press Freedom Review. In: International Center for Journalists. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (25.10.1999) „The new Criminal Code, which took effect in January 1998, is used more and more often to prosecute journalists for criticizing government officials. The code retains an article protecting the "honor and dignity of the President," and offenders risk prison sentences of three years and fines of as much as 100 times the monthly minimum wage“.

59


hier wieder eine gerechte Aufteilung unter den verschiedenen Kandidaten von besonderer Bedeutung. Außerdem haben die Kandidaten das Recht auf eine komplette Seite in einer staatlichen Zeitung und in der regionalen Zeitung in dem Bezirk, für den sie nominiert sind.

3.2.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Kirgisien Nachdem der kirgisische Präsident Askar Akajew das Präsidialsystem eingeführt hat, ist die Zahl der Ermittlungen wegen Verleumdung spürbar angestiegen. Der Journalist Yrysbek Omursakov von der Zeitung Res Publica wurde in den vergangenen Jahren gleich mehrfach angeklagt. 1996 wurde er wegen Diffamierung des Präsidenten verurteilt, ein Jahr später wegen seiner kritischen Berichterstattung in einer Serie über die Privatisierung in Kirgisien. Als Strafe sollte Omursakov für sechs Monate ins Gefängnis, kam jedoch auf Bewährung und unter Zahlung einer Geldstrafe von einhundert Monatsgehältern nach kurzer Zeit wieder frei.202 In einem anderen Fall klagte ein lokaler Politiker aus dem Stadtteil Sverdlovsk in Bishkek gegen die Zeitung Vechernii Bishkek. Er wollte wegen einer angeblich falschen Darstellung einer Antwort in einem Interview eine Schadensersatzsumme von drei Millionen Som (ca. 140.000 US-Dollar) erlangen. Was nach dem Richterspruch blieb, war eine Strafe von 8.500 Som (400 US-Dollar) gegen den Kläger wegen Verschwendung der Zeit des Gerichts. Währenddessen hat Präsident Akajew sich in den letzten Jahren mehrfach deutlich und öffentlich für den Schutz des Presserechtes und die Entkriminalisierung der journalistischen Kritik eingesetzt. So schlug er im November 1997 vor, den Straftatbestand der üblen Nachrede aus dem Strafgesetz zu streichen und es zu einem Verstoß gegen das Bürgerrecht zu degradieren. Als das Abgeordnetenhaus die geplante Gesetzesänderung im Mai 1998 zurückwies, blieb Akajew nur die Möglichkeit, per Referendum die Verfassung zu ändern203. Mit einem erdruschartigen Ergebnis von mehr als 90 Prozent der Stimmen204 bestimmte die kirgisische Bevölkerung im Oktober 1998, dass das Parlament ab sofort von der Gesetzgebung bezüglich des Presserechtes und der Meinungsfreiheit ausgeschlossen wurde. Die endgültige Entscheidungskraft, wie die Rechte der Journalisten durchgesetzt bzw. verändert werden, liegt seitdem ausschließlich beim kirgisischen Präsidenten. Drei Zeitungen mussten im Jahr 1998 ihre Arbeit einstellen, da sie nach Ansicht des kirgisischen Justizministeriums die „Gefühle religiöser Bürger verletzt hatten“. Die Zeitungen Limon, Paishanba und Kattamadaidzhest enthielten offensichtlich erotische Abbildungen. Trotzdem behaupteten die betroffenen Journalisten, die Schließung der Zeitungen sei ein Versuch der Regierung, „unerwünschte Gegner auszuschalten“205. Mehrfach griff in den vergangenen Jahren der Generalstaatsanwalt ein, wenn es darum ging, ob die Medien mit ihrer Art der Berichterstattung zu weit gegangen sind oder ob sie sich mit ihren Äußerungen noch im Rahmen der Legalität bewegten. So wurde der Reporter des Vechernii Bishkek, Igor Shestakov, gebeten, im Zusammenhang mit einem Artikel, der sich kritisch mit dem usbekischen Präsidenten Karimov auseinandersetzte, seine Quellen preiszugeben. Da die Quelle, auf die Shestakov sich berief, eine offizielle Nachrichtenagentur (In202 203 204

205

vgl. U.S. Department of State. Kyrgyz Republic Country Report on Human Rights Practices for 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/. (23.10.1999). S. 6 ebenda. S. 6 Middle East News Items. Nexis. 90.92 % of voters support government amendments on private ownership. 16.11.1998. In: IJNET. International Journalists‘ Network. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (27.10.1999) „In a landslide vote in October 1998, the Kyrgyz population accepted an amendment to ban parliament from passing laws concerning freedom of speech and the press without government approval.“ European Journalism Center. Kyrgyz Justice Ministry closes down three newspapers. Media News Archive. 23.10.1998. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?2176. (25.10.1999)

60


terfax) war, musste der Journalisten nach kirgisischem Recht keine Verantwortung für den Inhalt der gemachten Äußerungen übernehmen.206 Die Regionalverwaltung in Osh änderte im Januar 1998 das örtlich geltende Recht dahingehend, dass ein sogenanntes ‚Information and Expert Council‘ eingeführt wurde. Dieses soll als Überwachungsorgan für die lokalen Medien fungieren und deren Entwicklung eingehend beobachten. Das European Institute for the Media spricht in diesem Zusammenhang von der Wiedereinführung der Zensur.207 Außerdem wurde 1998 ein Gesetz angenommen, demzufolge die Berichterstattung über staatliche Organe und Institutionen sowie deren ausführende Personen in den elektronischen Medien eingeschränkt wird.208 Es ist also rein rechtlich in Kirgisien nicht das möglich, was in den Nachbarländern Usbekistan und Turkmenistan täglich praktiziert wird. Dort nämlich ist die Medienpräsenz der Präsidenten erdrückend hoch und wird von keinem Gesetz in verträglichen Maßen gehalten. Nach Angaben von Adrian Karatnycky werden Journalisten häufig auf inoffiziellem Wege unter Druck gesetzt. Anscheinend ist es üblich, dass die Chefredakteure der kirgisischen Zeitungen von Vertretern der Regierung angerufen und um vorteilhafte Berichterstattung gebeten werden. Dazu kommt, dass unter den kirgisischen Journalisten Selbstzensur ein weitverbreitetes Phänomen ist. Viele der Nachrichten, so Karatnycky weiter, befassen sich daher auch mit offiziellen Terminen der Verwaltung und sämtlichen offiziellen Terminen des Präsidenten.209 Neben den gesetzlichen Mitteln, die es der Regierung ermöglichen, die kirgisische Presse zu kontrollieren, bieten sich zusätzliche wirtschaftliche Mittel. So werden nach Angaben des U.S. Department of State willkürliche Steuern erhoben, die jedoch nur einige Teile der kirgisischen Medien betreffen, während andere mit großzügiger finanzieller Unterstützung rechnen können. Zudem ist die staatliche Druckerei der einzige Ort in Kirgisien, an dem Zeitungen gedruckt und herausgegeben werden können. Den elektronischen Medien und den dort arbeitenden Journalisten geht es dagegen erheblich besser. Das liegt unter anderem daran, dass es kein Gesetz gibt, das die Ausstrahlung von Fernseh- und Radiosendungen reguliert. Die Sender müssen beim Justizministerium und bei der National Agency for Telecommunications registriert sein. Die Agentur, die in ständigem Kontakt mit dem Büro des Präsidenten steht, vergibt Lizenzen, regelt die Verteilung der Frequenzen und hat die Oberaufsicht über die zeitlichen Abläufe der Programme. Mehrere unabhängige Sender haben die erforderlichen Lizenzen in den vergangenen Jahren bereits erhalten. Die bekanntesten unter ihnen sind Radio Television Pyramida, Independent Bishkek Television (NBT), Vostochnaya Strana (VOSST), Asia Center, Open Channel und Radio Almaz. Sie alle haben ihre Zentralen in der kirgisischen Hauptstadt Bishkek. Zwei der unabhängigen Stationen wurden 1998 kurzzeitig geschlossen. VOSST und Radio Almaz mussten, so die offizielle Version, ihre Arbeit wegen technischer Probleme einstellen. Bei Almaz stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass die National Agency for Telecommunications (NAT) behauptete, Almaz übernehme unrechtmäßig die Programme der Deutschen Welle und der Voice of America. Da jedoch Verträge zwischen Almaz und den genannten ausländischen Sendern bestehen, konnten die Vorwürfe der NAT widerlegt werden. Trotzdem 206 207

208

209

Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 159 ebenda. S.160. „The Council was given the authority to coordinate the activity of the local mass media, and to consider current and future plans of the creative teams. It is therefore possible to speak of the reintroduction of censorship in Osh.“ BBC. Rules on media reporting of state bodies' work. Summary of World Broadcasts. Nexis. 2.1.1998. In: IJNET. International Journalists‘ Network. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (27.10.1999) Karatnycky, Adrian und Motyl, Alexander und Graybow, Charles. Kyrgyz Republic. In: Nations in Transit 1998. http://www.freedomhouse.org/. (28.10.1999). S. 330

61


wurde dem Sender empfohlen, politische Inhalte so weit wie möglich aus dem Programm zu streichen. Die dort beschäftigten Reporter äußerten daraufhin gegenüber dem Journalisten Narynbek Idinov von Radio Free Europe/Radio Liberty, die staatliche Maßnahme sei ein plumper Versuch der Regierung, die unabhängigen Medien zu behindern.210 Im September 1998 überraschte die NAT die kirgisischen Medien mit der Meldung, die registrierten Lizenznehmer müssen für die Kosten der Telekommunikationsagentur aufkommen. Darunter falle auch der eventuelle Kostenpunkt „solving issues of international cooperation“ sowie sämtliche Spesenrechnungen der NAT-Mitarbeiter. Das nächtliche Programm der russischen TV-Sender ORT und RTR wurde am 11. Dezember 1998 von der Republican Production Association of Radio Relay Transmission of TV and Radio Broadcasting gestoppt. Als Grund wurden finanzielle Probleme, genauer gesagt fehlende Mittel aus dem staatlichen Subventionsbudget, für die Abschaltung der Programme genannt. Zusammenfassend ist allerdings zu sagen, dass die kirgisischen Medien eine relativ liberale Rechtsgrundlage haben und dass das Verhältnis zwischen Regierung und Medien in Kirgisien entspannter ist als in den anderen vier zentralasiatischen Ländern. Konflikte entstehen meistens zwischen Einzelpersonen aus der Politik und den Redaktionen, die über die betroffenen Personen berichtet haben. Diese Streitigkeiten werden häufig vor Gericht ausgetragen, haben aber trotzdem keinerlei Auswirkungen auf die Handhabung der Mediengesetze von Seiten der Regierung.

3.2.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Kirgisien Probleme der unabhängigen Medien Der amerikanische Journalist David Mould recherchierte in den Jahren 1996 und 1997 die Probleme und die Perspektiven der kirgisischen Medien im Auftrag der United States Agency for International Development (USAID). Die dabei entstandene umfangreiche Studie Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects for Development wurde im Januar 1998 veröffentlicht211. In der Studie beschreibt Mould die fünf markantesten Probleme, denen die kirgisischen Medien zurzeit gegenüberstehen. Der erste wichtige Punkt ist die geographische Struktur Kirgisiens. Das Land ist wie in Kapitel 2.2.1 beschrieben extrem gebirgig und in weiten Teilen für den normalen Verkehr schwer zugänglich. Die Hauptstadt Bishkek und die zweitgrößte Stadt des Landes, Osh, sind über eine 600 Kilometer lange Straße verbunden, die drei Bergpässe beinhaltet und im Winter für mehr als drei Monate wegen ihrer Unzugänglichkeit geschlossen bleibt. Der Verbreitung von Printmedien innerhalb des Landes sind damit Grenzen gesetzt, die lediglich durch den Flugverkehr umgangen werden könnten. Da dieser aber sehr teuer ist, müssen die Zeitungen tatsächlich den beschwerlichen Weg über die Berge nehmen und kommen daher zeitverzögert in den südlichen Provinzen an. Im Winter fällt die Belieferung teilweise ganz aus. Die Zeitungen, die in Osh gedruckt werden, verlassen das Ferghana-Tal selten und erreichen die Hauptstadt Bishkek daher extrem selten. Weiterhin sind die demographischen Unterschiede zu berücksichtigen. Während im Norden Kirgisen und Russen den Großteil der Bevölkerung ausmachen, leben im Süden des Landes vor allem Usbeken und Kirgisen. Außerdem ist der islamische Einfluss seit Jahrhunderten im Ferghana-Tal um ein Vielfaches größer als im Rest

210

211

Idinov, Narynbek. Radio Free Europe / Radio Liberty. Kyrgyzstan: Government steps up harassment of the media. RFE/RL Newsline. 9.3.1998. http://search.rferl.org/nca/features/1998/03/F.RU.980309133420.html. (27.10.1999) Mould, David. Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects for Development. Online-Version. http://www.internews.ru/report/mould/index.html. (4.4.1999)

62


Kirgisiens. Diese Unterschiede machen es schwer, ein einheitliches Mediensystem und allen Journalisten die gleichen Grundvoraussetzungen für ihre Arbeit zu schaffen. Auch auf die elektronischen Medien hat die Geographie Kirgisiens Auswirkungen. Die Berge verhindern in Teilen des Landes den Empfang der Radio- und Fernsehprogramme, die über UKW-Frequenzen ausgestrahlt werden. Zwar hat die staatliche kirgisische Rundfunkgesellschaft Transmitter, die den Großteil des Landes erreichen können, doch altert diese Technik und die finanziellen Mittel, veraltetes Material durch neues zu ersetzen, fehlen. Die unabhängigen Medien, die ein nationales Programm ausstrahlen, sind wiederum auf die staatlichen Transmitter angewiesen, so dass eine echte Unabhängigkeit von vornherein ausgeschlossen ist. Sie mag zwar inhaltlich möglich sein, wirtschaftlich ist sie aber zurzeit sicherlich noch utopisch.212 Direkt im Anschluss geht David Mould auf das zweite wichtige Problem, die ökonomischen Zwänge, ein. In einem Industrieland, so Mould, sei die Unterhaltungs- und Medienindustrie konjunkturunabhängig und profitiere in vielen Fällen sogar von einem Konjunkturrückgang, da die Menschen in Krisensituationen teilweise sogar mehr Geld für Unterhaltung ausgeben. In einem Entwicklungsland wie Kirgisien trifft diese These nicht zu. Hier sinkt bei schlechter Konjunktur auch das Interesse der Werbetreibenden, in den Medien finanziell tätig zu werden, da die Bürger eindeutig weniger Geld zur Verfügung haben und gerade in Krisensituationen nicht mehr Geld ausgeben wollen. Die aktuellen Wirtschaftsdaten Kirgisiens, die in Kapitel 2.2.5 beschrieben sind, bedeuten ein Hemmnis für die Entwicklung unabhängiger Medien. Gerade die Werbung ist für das Entstehen eines lukrativen Wirtschaftszweiges wie die Privatmedien ein absolutes Muss. Solange das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft nicht gegeben ist, werden es die privaten Medien nach Ansicht von David Mould schwer haben, sich dauerhaft zu etablieren.213 Die schlechten wirtschaftlichen Perspektiven haben auch dafür gesorgt, dass die Medien bei der Suche nach potentiellen Geldgebern bei den Banken des Landes größtenteils abgewiesen wurden. Die Regierung, die in den vergangenen Jahren im Ausland immense Schulden gemacht hat, gilt durch die notwendige Finanzierung der Rückzahlungen im Inland als zuverlässigerer Partner als die noch wenig strukturierten Medienbetriebe des Landes. Daher kommt Mould zu dem Schluss: „Why have the banks not been lending money to media companies, or to other private businesses for that matter? Because they can make more money, and run less risk, lending money to the government of Kyrgyzstan.“ 214 Wie desaströs die Lage wirklich ist, wird deutlich, wenn man sich die Werbepreise der verschiedenen Medien ansieht. Bei dem nationalen Programm des Fernsehsenders KOORT kostet ein 30-sekündiger Werbespot 60 US-Dollar. Beim Sender NBT, der nicht die Verbreitung von KOORT erreicht, kostet dieselbe Werbezeit nur noch 18 US-Dollar. Weiter im Süden des Landes, in Osh, beträgt der Preis für einen 30-sekündigen Spot nur noch 6,50 US-Dollar bei Osh-TV und bei Mezan, der anderen usbekischsprachigen Station, 3 US-Dollar. Radiower-

212

213

214

vgl. Mould, David. Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects For Development. Geography and Population Distribution. http://www.internews.ru/report/mould/3.html. (4.4.1999) “Any independent TV or radio broadcaster wanting to prvide national or regional coverage at present has to ue the government-owned transmission system. (...) The use of government-owned transmission facilities places commercial broadcasters in a dependent position, providing national and local authorities with an economic leverage which they can, and have, used to exert control over content and to suppress criticism.” ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/5.html. (4.4.1999) „Unlike other businesses, radio and television stations have only one product – airtime – to sell. Until consumer confidence returns and spending increases, radio and TV stations will struggle for revenue, and advertising rates will remain artificially low.“ ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/6.html. (4.4.1999)

63


bung ist natürlich noch billiger. Sie liegt bei weniger als einem US-Dollar für eine halbe Minute zu jeder beliebigen Tageszeit. Durch die sehr geringen Werbeeinnahmen und die auf der anderen Seite entstehenden Produktionskosten haben die meisten Sender es schwer, die Gehälter der Journalisten zu zahlen. Vor allem im Süden des Landes arbeiten die Journalisten oft monatelang ohne Bezahlung. Die Sender versuchen daher, durch den Verleih ihrer Kameras bzw. die Produktion von Filmen bei Hochzeiten oder anderen Feierlichkeiten, ihr Budget etwas aufzubessern. Diese Art der Geldbeschaffung ist auch unter den Journalisten selbst verbreitet. Viele Journalisten lassen sich von privaten Geldgebern für das Schreiben bzw. Senden von Berichten und Reportagen bezahlen, die ansonsten nicht den Weg in die Öffentlichkeit der Zeitungen und Zeitschriften gefunden hätten. Der finanzielle Druck macht sich auch nach Meinung des European Institute for the Media besonders in den kirgisischen Provinzen bemerkbar, wo die zumeist sehr kleinen, nach Unabhängigkeit strebenden Medienbetriebe beim Kampf ums Überleben auf die Zuwendungen von industrieller oder politischer Seite angewiesen sind. Hier werden die Nachrichten oftmals durch sogenannte ‚zakazukha‘, bezahlte Produkt- oder Imagewerbung, substituiert. Die Sender berichten in epischer Länge über die Errungenschaften einzelner Individuen oder kleinerer Gruppen und begleiten deren Reisen durch die kirgisische Provinz. Der dritte und zentrale Problempunkt, den die Studie von David Mould nennt, ist die Definition und die Auffassung von Nachrichten in Kirgisien. Mould behauptet, dass die Kirgisen nach 70 Jahren sowjetischer Zentralregierung und Medienzensur nicht zwischen Nachricht und Meinung unterscheiden können: „The inability to distinguish between news and opinion is the most frequent cited legacy of the Soviet era. In a system where the role of the media was to serve the state, and help advance society towards common goals, the distinction between news and opinion, fact and comment, was essentially irrelevant.“215 Die Journalisten in den staatlichen Medien sieht Mould nicht als potentielle unabhängige Journalisten an. Für sie habe sich lediglich der Arbeitgeber geändert, nicht jedoch die Arbeit selbst. Von den Kollegen in den privaten Medien erhofft er sich die Entwicklung neuer Standards und die nötige Sorgfalt und Fairness in der Berichterstattung. Die letztgenannten Eigenschaften werden vor allem im Fernsehen oftmals vernachlässigt. So berichtet Mould von einem Besuch bei der Jalal-Abader Fernsehstation Makhabat Jildizy im November 1997, bei dem die Redakteure ihm versicherten, einen „news and information block“ zu senden. Dieser entpuppte sich als eine sponsorgesteuerte Sendung über aktuelle Termine und Veranstaltungen. Jede einzelne Meldung hatte einen Sponsor, der die sogenannte Nachrichten-Zeit faktisch gekauft hatte. Die Journalisten machten deutlich: „We need a sponsor for every piece we do.“216 Außerdem sei dies in der Praxis so üblich und werde von allen Sendern so durchgeführt. Der Unterschied zwischen Nachrichten und bezahltem Programm schien den befragten Journalisten nicht richtig deutlich zu sein. Bei der Station Keremet in Osh werden die Angestellten nach Aufträgen aus der Werbung oder von privaten Sponsoren bezahlt. Für die Produktion der Nachrichten steht kein Etat zur Verfügung. Da das Grundgehalt der Journalisten zumeist sehr gering ist und die Auftragsbeschaffung aus der Werbung mit Provisionszahlungen abgegolten wird, bleibt den meisten Journalisten gar nichts anderes über, als sich selbst so viele Werbeeeinnahmen wie möglich zu sichern. Lediglich bei den beiden Bishkeker TV-Sendern Piramida und NBT gibt es eine klare Trennung der Nachrichten- und der Werberedaktionen. Das ist das Ergebnis einer Konferenz, die die zentralasiatische Journalistenvereinigung ANESMI im September 1997 in Bishkek abgehalten hat. Dabei wurden die anwesenden Journalisten über die Wichtigkeit der Trennung der beiden Segmente innerhalb eines Senders aufgeklärt. Außerdem sollte ein journalistischer Ehrenkodex verabschiedet werden, der die Journalisten unter anderem zur Einhaltung der 215 216

ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/9.html. (4.4.1999) ebenda

64


beschriebenen Trennung verpflichtet. Dieser Punkt wurde jedoch aus dem Abschlusspapier gestrichen, da einige Journalisten zu Recht argumentierten, ihre Redaktionen seien einfach zu klein, um Nachrichten und Werbung dauerhaft auseinander zu halten.217 Statt mit objektiver Nachrichtenberichterstattung beschäftigen sich die kirgisischen Journalisten laut der Studie von Mould zu oft mit der Behandlung sogenannter ‚offizieller Nachrichten‘. Mould nennt es sogar das „official news syndrome“218. Diese Problematik ist in der gesamten ehemaligen Sowjetunion bekannt und bedarf kaum einer eingehenderen Erläuterung. Auf den Punkt gebracht bedeutet das „official news syndrome: (...) it is the officials who decide what is news, not the journalists“.219 Ein weiterer Kritikpunkt der Studie zielt auf die Abhängigkeit der kirgisischen bzw. aller zentralasiatischer Medien auf dem Gebiet der internationalen Nachrichten ab. Nur sehr wenige internationale Nachrichten erreichen die kirgisischen Bürger, was vor allem an dem fehlenden Korrespondentennetz der Medienbetriebe liegt. Lediglich die Zeitung Vechernii Bishkek verfügt über eine Handvoll Korrespondenten in Zentralasien. Ansonsten beschränken sich die internationalen Nachrichten, die nach Kirgisien gelangen, auf die von den russischen TV-Sendern verbreiteten Informationen. Den Kirgisen fehlt durch die mangelnde internationale Information auch die Möglichkeit, ihre eigenen Lebensumstände und die politische und wirtschaftliche Lage des Landes in einen globalen Kontext setzen zu können. Wie gravierend die Auswirkungen wirklich sind, darüber kann auch Mould nur spekulieren: „It is difficult to assess the social impact of the lack of international news on Kyrgyzstan, but it may have contributed to the country’s relative sense of isolation.“220 Als letzten bedeutenden Problempunkt der Arbeit der Journalisten in Kirgisien nennt David Mould den Einfluss der Politik auf die Medien. Dabei fällt eine deutliche Diskrepanz zwischen der Sichtweise des Präsidenten und der des Parlaments hinsichtlich der Medien auf. Es ist in den vergangenen Jahren zu Machtkampf zwischen Askar Akajew und dem kirgisischen Parlament gekommen. Akajew hatte versprochen, jegliche geplante Gesetzesänderungen, die die Arbeitsbedingungen der Journalisten verschlechtern könnten, im Keim zu ersticken. Im November 1997 verabschiedete das Parlament eine Gesetzesänderung, die die Medien bei der Kriminalberichterstattung eingeschränken sollte. Diese Gesetzesänderung scheiterte am Veto von Präsident Akajew. Die anscheinend medienfreundliche Gesinnung Akajews kann jedoch auch eher das Ergebnis des Machtkampfes in der kirgisischen Politik sein als ein ernsthafter Versuch Akajews, demokratische Strukturen in seinem Land zu fördern. Egal welche Motivation hinter dem Handeln Akajews steht, die Medien haben in den letzten Jahren von dem Machtkampf profitiert. Es bleibt jedoch anzunehmen, dass der positive Druck Akajews Gegendruck vom Parlament erzeugt und die Versuche, die Journalisten bei der Arbeit zu behindern, in der Zukunft intensiviert werden könnten. Bei der Gesamtbewertung der kirgisischen Medien durch die Organisation Freedom House schneidet Kirgisien im Januar 1999 trotz der beschriebenen liberalen Mediengesetzgebung nur unwesentlich besser ab als das Nachbarland Kasachstan. Besonders negativ fällt die strafrechtliche Verfolgung von Journalisten nach Berichten über Regierungsbeamte ins Gewicht. Auch die vielen rechtlichen Grauzonen werden bemängelt. So heißt es unter anderem: „Of 14 private TV and 11 radio stations, only two radio stations broadcast legally.“221 Die positivste Erkenntnis aus der Tabelle ist die Tatsache, dass der ökonomische Druck auf die elektroni217

218 219 220 221

ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/10.html. (4.4.1999) “The most heated debate was over the final article which prohibited journalists from producing or selling advertising. The Bishkek group agreed in principle, but said it was not practical because of the small size of their staffs.“ ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/11.html. (4.4.1999) ebenda ebenda. http://www.internews.ru/report/mould/12.html. (4.4.1999) Freedom House. Press Freedom Worldwide. 1. Januar 1999. http://www.freedomhouse.org. (24.10.1999)

65


schen Medien in Kirgisien nicht erdrückend hoch ist, und dass die Journalisten in den elektronischen Medien sich nicht mit gewalttätigen Übergriffen auseinandersetzen müssen. In der Gesamtbewertung der Pressefreiheit kommt Kirgisien auf 64 von schlechtestenfalls 100 möglichen Punkten und gilt damit als ‚nicht frei‘. Tabelle 10: Pressefreiheit in Kirgisien 1998222

TV/Rundfunk Printmedien

A 12 12

B 11 13

C 0 11

D 0 5

gesamt

64

3.2.8 Persönliche Erfahrungsberichte kirgisischer Journalisten Kirgisien ist das Land in Zentralasien, aus dem die wenigsten Negativschlagzeilen kommen. Naryn Idinov, Journalist beim kirgisischen Dienst des Radiosenders Radio Free Europe / Free Liberty, sagt deutlich: “In Kyrgyzstan the situation for journalists is generally not bad.”223 Kein kirgisischer Journalist brauche Angst um sein Leben zu haben, wenn er über die Vorgänge in seinem Land kritisch berichtet. Präsident Askar Akajew erlaube zwar keine Kritik an seiner Person, doch aber in gewissem Maße an seiner Politik. Bis 1995 war die Situation laut Idinov sogar noch besser als jetzt. Erst Mitte der 90er Jahre fing Akajew an, verschiedene Journalisten für getroffene Aussagen oder veröffentlichte Berichte zur Verantwortung zu ziehen. Die staatlichen Behörden zogen nach und sorgten für eine wahre Flut von Anzeigen und Prozessen. Seitdem hat sich die Lage wieder etwas beruhigt, aber, so Idinov, die Opposition sei nicht mehr so stark und öffentlich wie zuvor. “The opposition papers are not that strong anymore, There is a high amount of self-censorship among the journalists. One example is the Vechernii Bishkek. The paper began to criticize the government by giving room to the opposition. Then the tax police invaded their rooms, the editors-in-chief were fired and the other journalists began to cool down again and think twice before they wrote their articles.”224 Die einzigen Journalisten, die wirklich unabhängig und vollkommen frei berichten können, sind die ausländischen Korrespondenten. Sie berichten für gewöhnlich nicht für kirgisische Medien und genießen durch ihre fremde Staatsangehörigkeit einen ungleich höheren Schutz vor staatlichen Repressionen als die einheimischen kirgisischen Kollegen. Trotzdem, so Naryn Idinov, werde diese vorteilhafte Lage von manchen Korrespondenten nicht ausgenutzt. Die BBC zum Beispiel könne vom Prinzip her frei berichten. Allerdings sei sie wegen ihres staatlichen Charakters mehr an Fakten als an Meinungen interessiert und könne somit auch nicht für die eine oder die andere politische Seite Stellung beziehen.225 Bill Slakey, der als Country Director für die Medienassistenz-Organisation Internews in Kirgisien arbeitet, sieht die Situation der kirgisischen Journalisten ähnlich wie Naryn Idinov. Er sagt: “On the surface, Kyrgyz journalists appear freer than their colleagues in Uzbekistan and Kazakhstan. In a number of small cases, the presidential administration has been supportive of press freedom, and the laws in Kyrgyzstan are pretty good.”226 Die Kritik, die das anfängliche “on the surface” schon angekündigt hatte, schließt sich direkt an diese Aussage an. “There is a lot of ‘friendly’ pressure; phone calls questioning coverage 222

223 224 225 226

vgl. ebenda. Erklärung der Tabelle siehe Fußnote 168 (Seite 49) Die Wertung ‚5‘ in der Rubrik D (Physische Gewalt gegen Journalisten) wird allerdings durch die vorliegenden Quellen in keiner Weise bestätigt. Idinov, Naryn. idinovn@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik ebenda ebenda. „The BBC is a governmental organization and therefore they just give facts and and only rarely opinions.“ Slakey, Bill. bill@internews.kg. Internews Kyrgyzstan. „Re: Media in Central Asia“. 12.1.2000. Persönliche e-mail. (12.1.2000)

66


or the work of certain journalists. These implicit threats have led to a great deal of selfcensorship on the part of the journalists, and I think this is one of the biggest problems for the Kyrgyz media as a whole.”227 Den Wunsch, die bestehenden Zustände in der Zukunft positiver zu gestalten, hält Slakey nur dann für realisierbar, wenn alle unabhängigen Journalisten sich zusammen dafür einsetzen. Stattdessen herrscht jedoch zurzeit ein Verdrängungswettbewerb, vor allem bei den elektronischen Medien. Gerät ein Sender unter staatlichen oder ökonomischen Druck, unterlassen die anderen jegliche Hilfeleistungen. “They see pressure on a competitor as likely to benefit them.”228 Diese fehlende Bereitschaft der Journalisten, zusammen für eine bessere Lobby ihres Berufes bei der Bevölkerung und der Regierung einzustehen, ist nach Ansicht von Bill Slakey zurzeit das größte Problem der kirgisischen Medien.

3.2.9 Perspektiven für die kirgisischen Medien Natalia Ablova, die für die Studie Media in the CIS des European Institute for the Media das Kapitel über Kirgisien verfasst hat, schreibt dem Radio im Gegensatz zum Fernsehen für die Zukunft mehr Potential zu. Wie bereits in Kapitel 3.2.1 kurz erwähnt, scheinen die Radiojournalisten durch den größeren Wettbewerb der verschiedenen Radiosender untereinander automatisch mehr Wert auf Unabhängigkeit und journalistische Sorgfalt zu legen. Außerdem gilt die Hörerschaft der Sender als verhältnismäßig jung und zukunftsorientiert, so dass Ablova zu dem Schluss kommt, „Kyrgyz radio has more potential to become influential and informative than television“.229 Trotz der auch in Teilen negativen Erfahrungen der vergangenen neun Jahre scheint es das Beste für Kirgisien gewesen zu sein, dass Präsident Akajew die ganze Zeit über in verhältnismäßig ruhiger politischer Atmosphäre seine Reformpolitik durchsetzen konnte. Er löste zwischenzeitlich das Parlament auf, um es, so Akajew selbst, von den ehemaligen sowjetischen Strukturen zu befreien, zu verkleinern und es damit reformfähig zu machen. In einem Interview der amerikanischen Times-Journalistin Robin Wright äußerte Akajew sich 1997 über den Zusammenhang zwischen Demokratie und den Medien in Kirgisien: „Democracy is like a rose. In order to mallow the rose to bloom, you must tolerate the pinch of the thorns. Our democracy has granted freedom of the press but journalists are pricking me a lot of the time. I tolerate it in order to establish freedom (…) I'm in favor of a free press because it's my main means of explaining and implementing reforms. I've introduced two bills in Parliament to guarantee access to information and the professional activity of the press.“ 230 Weiter sagt Akajew in dem Zeitungsinterview über die Schließung zweier Zeitungen: „One newspasper was closed through a court proceeding because it was involved in anti-Semitic propaganda. My legal advisor was Jewish and this paper said that the country is being governed not by the president but by Jewish advisors. I said this was a disgrace. The Jewish minority made a big contribution to the economic and cultural development of Kyrgyzstan. If my image has suffered because of these things, then I am proud of it. Some of this dates back to my trip to Jerusalem. I regret to say that the advisor has moved to Germany. The second paper was closed by the minister of justice as it engaged in pornography. Although 70% of Kirghiz are Muslim, women have equal status with men and six of 16 members of Cabinet are women. We are the only country in the world where the head of the highest

227 228 229 230

ebenda ebenda Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. S. 163 Wright, Robin. Askar Akaev nurturing a fragile democracy in post-communist Kyrgyzstan. In: The Los Angeles Times. 7.9.1997. http://www.kyrgyzstan.org/public/01.html#robin. (1.11.1999)

67


constitutional court is a woman. But this is still not a culture that accepts pictures of naked women.“231 Auch wenn der Präsident in den 90er Jahren zwei Gesichter gezeigt hat, so war es doch meistens das freundlichere Gesicht, das den Journalisten in Kirgisien entgegen geblickt hat. Das Veto Ende 1997, mit dem Askar Akajew eine Einschränkung der Journalistenrechte verhinderte, war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer weiteren Demokratisierung der Medienlandschaft. In Zentralasien ist es heutzutage schon von enormer Bedeutung, die bestehenden Rechte durchzusetzen und beizubehalten. Die Hilfe des Staates ist dabei in den seltensten Fällen gegeben und ist, solange sie gewährleistet wird, ein starker Rückhalt für die Journalisten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass Kirgisien in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterposition in Zentralasien zugeschrieben wird. Robin Wright nennt Kirgisien einen regionalen Trendsetter, der trotz der geringen Einwohnerzahl von 4.500.000 durch seine politische und wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren zu einem ernstzunehmenden Einflussfaktor in der Region geworden ist. 1993 war Akajew das erste moslemische Staatsoberhaupt seit Anwar Sadat 1977, das einen offiziellen Besuch in Israel machte. 1995 wurden in Kirgisien die ersten Mehrparteienwahlen in ganz Zentralasien abgehalten. Und, wie beschrieben, versucht Askar Akajew auch auf dem Gebiet der Medien durch eine für ex-sowjetische Verhältnisse sehr liberale Gesetzgebung Zeichen zu setzen. Solange die anderen zentralasiatischen Länder jedoch nicht nachziehen, ist aller Voraussicht nach auch vorerst nicht mit einer weiteren Liberalisierung der kirgisischen Mediengesetzgebung zu rechnen. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Kirgisiens könnte die Rolle der Journalisten weiter verstärken. Die Probleme der Wirtschaftlichkeit der Medien sind bereits umfassend beschrieben worden. Sollten sich diese Probleme in den kommenden Jahren nicht verstärken sondern an Brisanz verlieren, könnte der Druck auf die unabhängigen Medien abnehmen und die Arbeit der Journalisten abseits wirtschaftlicher Zwänge neue Perspektiven erhalten. Vor allem die Studie von David Mould macht deutlich, welche Abhängigkeiten heute noch bestehen. Wenn die unabhängigen Medien erst einmal das Geld haben, sich eigene Transformatoren zu kaufen und auf gesponserte Nachrichten verzichten zu können, werden die Möglichkeiten für eine wahre unabhängige Berichterstattung endlich gegeben sein. Allerdings ist in diesem Punkt auch ein gewisses Maß an Vorsicht geboten, da in einer solchen Umbruchphase oftmals Privatleute versuchen, sich mit einem enormen finanziellen Aufwand in die Medien einzukaufen (Beispiel aus Russland: Medienmogul Boris Berezovsky). Zwar gewinnen die Medien dann eine staatliche Unabhängigkeit, auf der anderen Seite begeben sie sich jedoch direkt wieder in eine andere Abhängigkeit, so dass von Pressefreiheit im eigentlichen Sinne auch dann nicht gesprochen werden kann. Wie sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren tatsächlich entwickeln wird, ist ungewiss. Allerdings gibt es positive Signale, so dass ein Aufschwung sehr wohl denkbar ist. Die Trennung von Nachrichten und Werbung auf redaktioneller Basis, wie sie von der Journalistenvereinigung ANESMI vorangetrieben wird, ist ein weiterer Punkt, der Anlass zu Optimismus gibt. Zwar gab es bei dem in Kapitel 3.2.7 beschriebenen Journalistentreffen 1997 keine endgültige Entscheidung für eine strenge Trennung der beiden Bereiche, doch alleine die Tatsache, dass die Problematik in einem breiten Plenum thematisiert wurde, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Auch nach Meinung von David Mould ist mit dem Engagement von ANESMI ein Meilenstein in der jungen Geschichte der unabhängigen Medien in Kirgisien gesetzt worden: „The simple fact that the issue was debated at all indicates that some journalists in Kyrgyzstan recognize the need to set ethical standards for the

231

ebenda

68


profession. (...) Before 1997, ethics codes were simply not an issue for most people in the profession.“232 Eine erste Teilumsetzung der geplanten Verbesserung der Nachrichtenumgebung ist bereits bei den beiden Bishkeker TV-Sendern Piramida und NBT zu sehen. Beide haben damit begonnen, neue Nachrichtenformate zu entwickeln, um sich inhaltlich wie auch optisch von dem gewohnten Bild der kirgisischen Nachrichten abzusetzen. Die Unabhängigkeit von der ehemaligen UdSSR hat in Sachen Pressefreiheit für Kirgisien unzweifelhaft positive Auswirkungen gehabt. Das bestätigt auch der RFE/RL-Journalist Naryn Idinov. Idinov war vor seiner Zeit bei dem Prager Radiosender Herausgeber der unabhängigen Zeitung Mürök in Kirgisien und anschließend, als das Geld für den weiteren Druck von Mürök fehlte, Chefredakteur der bekannteren kirgisischen Tageszeitung Res Publica. Der studierte Physiker gibt jedoch auch zu, dass nach der Unabhängigkeit wirtschaftlich und politisch gesehen extreme Probleme entstanden sind. Idinov führt dabei in erster Linie das gespannte Verhältnis zum Nachbarland Usbekistan an. Er rechnet für die nähere Zukunft mit einer weiteren Dramatisierung der Grenzstreitigkeiten und einer eventuellen Eskalation der Lage. Wie bereits bei den Grenzverhandlungen mit dem östlichen Nachbarn China hält Idinov es für möglich, dass Kirgisien weiteres Territorium an ein Nachbarland, in diesem Fall Usbekistan, abgeben muss. Die Usbeken stellten am 16.11.1999 die Gaslieferungen für Kirgisien ein, so dass die Bevölkerung ohne Heizung den Anfang des Winters in Zentralasien erleben musste. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit könne, so Idinov weiter, auch in eine politische Abhängigkeit umschlagen. Damit würde sich dann auch die Lage der Journalisten in Kirgisien schlagartig verschlechtern. Allerdings handele es sich bei diesen perspektivischen Ausblicken lediglich um Vermutungen, die in dieser Form nicht eintreten müssen und natürlich auch nicht erwünscht sind. Abwegig sei die Vorstellung von einer Expansion der Usbeken jedoch keineswegs. Idinov schreibt den westlichen Industriestaaten und ihren Regierungen eine große Rolle bei der Festigung der Demokratie und der Weiterentwicklung der Pressefreiheit in Kirgisien zu. Er beruft sich bei dieser Einschätzung auf eine Begebenheit aus dem Jahr 1998. Der kirgisische Präsident Askar Akajew reiste zu einem Staatsbesuch in die Vereinigten Staaten, um sich dort unter anderem mit dem US-Präsidenten Bill Clinton zu treffen. Den Empfang für Akajew in den USA beschreibt Idinov als kalt und zurückhaltend. Kurz zuvor waren in Kirgisien drei Zeitungen wegen rechtlicher Bedenken vom Markt genommen worden. Die Demokratisierung des Mediensystems stagnierte. Bei dem Treffen der Regierungschefs in den USA wurde die Lage der Medien dann thematisiert. Das Ergebnis der Gespräche ließ nach Akajews Rückkehr nach Kirgisien nicht lange auf sich warten. Zwei Gesetzesnovellen wurden verabschiedet, die die Position der Journalisten und der Medien stärken. Unter anderem garantieren sie auf lange Sicht den freien Zugang zu den kirgisischen Medien für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes. Idinov geht davon aus, dass die Gesetzesänderungen schon vor der USA-Reise des Präsidenten ausgearbeitet worden waren. Allerdings glaubt er auch, dass der Druck der Vereinigten Staaten letztendlich für die Durchsetzung der Gesetze gesorgt hat. Der Einfluss, den die USA auf das rohstoffarme Kirgisien ausüben, ist nach wie vor verhältnismäßig hoch. Das Ziel des Westens sollte es jetzt sein, diesen Einfluss zum Vorteil der Medien und des Demokratisierungsprozesses des Landes so zielgerichtet wie möglich einzusetzen. Letztlich gibt es eine weitere interessante Entwicklung, die Grund zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die kirgisichen Medien aufkommen lässt. Immer mehr junge Menschen werden in den nächsten Jahren eine journalistische Hochschulausbildung beenden und den Arbeitsmarkt und die Wettkampfsituation hinsichtlich der Jobs in den Medien grundlegend verändern. So waren 1998 alleine an der Staatlichen Kirgisischen Universität in Bishkek 200 232

Mould, David. Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects For Development. News as a Commodity and Related Ethical Issues. Januar 1998. http://www.internews.ru/report/mould/10.html. (4.4.1999)

69


Studentinnen und Studenten für den vier Jahre dauernden Studiengang Journalistik eingeschrieben. Kurz nach der Jahrtausendwende sollte sich diese positive Entwicklung dann auch spürbar in dem sich verändernden Medienumfeld bemerkbar machen.

3.3 Medien in Tadschikistan Die Medien in Tadschikistan haben in den vergangenen acht Jahren seit der Unabhängigkeit des Landes nicht nur mit den Problemen zu kämpfen gehabt, die die Medien in der gesamten zentralasiatischen Region gemeinsam haben. Vielmehr kommt in dem unruhigsten der fünf Länder als besondere Verschärfung der Situation ein jahrelanger Bürgerkrieg hinzu, dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind und der in einigen Regionen des Landes nur für einige Zeit ausgesetzt zu sein scheint. Der Einfluss aus dem im Süden angrenzenden Afghanistan, die starke Bevormundung durch Russland und durch das zentralasiatische Nachbarland Usbekistan hat auch vor den Medien nicht Halt gemacht. Trotzdem, oder vielleicht gerade wegen des stark polarisierten Umfelds, hat sich eine Medienlandschaft entwickelt, die interessante Ansätze für eine gewisse Form der Unabhängigkeit mit sich bringt. Sie lebt vor allem vom persönlichen Einsatz einiger weniger Journalisten, die den Schwierigkeiten des täglichen Lebens mit ihrer Arbeit entgegnen wollen und versuchen, auf diesem Weg sich und ihr Land auf den Weg zu mehr Demokratie und wirtschaftlichem Fortschritt zu bringen. In Tadschikistan ist - anders als in den anderen zentralasiatischen Ländern - deutlich zu differenzieren zwischen der Situation der Pressefreiheit und der Lage der Journalisten. In den folgenden Kapiteln über die Medien in Tadschikistan wird sich zeigen, dass in vielen Bereichen des Mediensystems ein vergleichsweise hohes Maß an Pressefreiheit zu finden ist. Allerdings ist die Praktizierung dieser Freiheit für die Journalisten häufig utopisch, da die damit verbundenen Gefahren zu hoch sind und sie ihr Leben riskieren würden. Tadschikistan ist nach wie vor das gefährlichste Land für Journalisten in Zentralasien. Zwischen den formulierten Rechten der Medienvertreter auf der einen Seite und ihrem realen Arbeitsumfeld auf der anderen Seite besteht eine goße Diskrepanz.

3.3.1 Elektronische Medien Die umfangreichsten Informationen über elektronische Medien in Tadschikistan stammen von Eric Johnson, dem Internews-Journalisten, der 1994 für die Soros Foundation in Tadschikistan mehrere Berichte über die Massenmedien des Landes anfertigte. Sein Bericht Television in Tajikistan: A Report ist genau wie die anderen Situationsberichte von Johnson im Internet abrufbar233. Das Fernsehen gilt als das populärste Medium in Tadschikistan.234 Dabei muss unterschieden werden zwischen den staatlichen Sendern, die in Tadschikistan, Usbekistan und Russland produziert werden und auf tadschikischem Gebiet zu empfangen sind und den privaten Sendern, die seit Anfang der 90er Jahre unter amateurhaften Bedingungen ihren Betrieb aufgenommen haben und sich im Laufe der Zeit entweder etablierten oder schnell wieder von der Bildfläche verschwunden waren. In den letzten Jahren der Sowjetunion hatten die Bürgerinnen und Bürger in den urbanisierten Gebieten Tadschikistans Zugang zu vier verschiedenen Fernsehkanälen. Sie konnten zum einen die beiden russischen Sender ORT (Ostankino) und RTR (Russian TV) aus Moskau 233 234

Johnson, Eric. Television in Tajikistan: A Report. Juni 1994. http://www.vii.org/monroe/11two.html. (5.1.1998) vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998). S. 2

70


empfangen, zum anderen Tashkent TV aus Usbekistan (Sendestart täglich: 18 Uhr) und Dushanbe TV, den Sender für die sowjetische Republik Tadschikistan. Dushanbe TV war 1994 der einzige Sender, welcher in Tadschikistan für Tadschikistan ein Fernsehprogramm ausstrahlte. Produziert wird Dushanbe TV vom Staatlichen Tadschikischen Rundfunk Komitee (Gosteleradiokomitet, kurz Gostel). Gostel unterhält in den fünf Regionen des Landes drei kleinere Sendeanstalten, die regionale Nachrichten im Umfang von bis zu einer Stunde pro Tag in das laufende Programm von Dushanbe TV einspeisen. Diese regionalen Sendestationen befinden sich in den Städten Khodshand, Kurgan-Tyube und Khorog. In vielen Teilen Tadschikistans verschlechtert sich jedoch seit einiger Zeit die Möglichkeit des Empfangs der beiden russischen Kanäle ORT und RTR. Eine Untersuchung von Ivan Sigal in Zusammenarbeit mit der Medienassistenz-Organisation Internews für USAID hat ergeben, dass zur Zeit der Veröffentlichung des Survey of Russian Television im April 1997, drei Jahre nach Eric Johnsons Recherche in Tadschikistan, ORT zwar noch in Teilen des Landes zu empfangen war, allerdings nicht mehr rund um die Uhr. RTR hat in Zentralasien seit April 1997 fast keine Bedeutung mehr. Lediglich im nördlichen Teil Kasachstans sowie für drei Stunden pro Tag in Usbekistan ist der 1990 von Boris Jelzin zum russischen Staatsfernsehen erhobene Kanal zu sehen.235 1994 hatte Gostel allein in der Hauptstadt Dushanbe rund 1.500 Mitarbeiter.236 Sie produzierten etwa die Hälfte des täglich ausgestrahlten zwölfstündigen Fernsehprogramms, das alle Landesteile Tadschikistans erreichte. Außerdem nahmen sie teil an der Produktion von Rundfunkbeiträgen für die nationalen Radiosender. Der Großteil der Produktionen ist in der Landessprache Tadschikisch mit einigen Ausnahmen in Russisch oder Usbekisch. Dem Jahresbericht des Committees to Protect Journalists237 für Tadschikistan von David Satter zufolge war 1995 nur noch der Empfang von ORT und Dushanbe TV möglich. Dabei beschränkte sich die Sendezeit von Dushanbe TV jedoch auf drei Stunden pro Tag, wovon der reine Nachrichtenanteil nur bei 15 Minuten lag. Im Jahr 1999 war in der Hauptstadt Dushanbe zusätzlich auch das Programm des Moskauer Fernsehsenders TV-6 zu empfangen, welches inhaltlich an das Programm von ORT und RTR erinnert. Allerdings liegt bei TV-6 der Fokus eher auf Unterhaltung als auf nachrichtlichen Elementen. Die Geschichte der privaten Fernsehsender begann im Jahr 1989, als mehrere GostelMitarbeiter den staatlichen Sender verließen, um zum einen unabhängig arbeiten und zum anderen ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten besser ausschöpfen zu können. Der von ihnen gegründete Sender Ekran wurde kurze Zeit später in Bakhtor umbenannt, bevor er 1993 den Namen Somonen annahm. Der Grund dafür war ein Kredit in Höhe von 50 Millionen Rubel, der dem Sender im August 1993 von der Somon-Bank in Dushanbe zur Verfügung gestellt wurde. Zur Gruppe der Gründungsmitglieder zählten neben vier ehemaligen GostelJournalisten auch die Stadtregierung Dushanbes, die Union of Youth of Tajikistan (ehemalige Komsomolzy) und mehrere ausländische Kulturorganisationen, was dem Sender nach Ansicht von Eric Johnson von vornherein eine zusätzliche Legitimation verleihen sollte. Im September 1993 nahm Somonen den Sendebetrieb auf. Man verwendete dafür einen nicht benutzten Transmitter von Tashkent TV in Dushanbe und sendete täglich acht Stunden lang von 9.00 bis 17.00 Uhr. Dabei versuchten die Betreiber, pro Tag einen Eigenanteil am Gesamtprogramm von etwa einer Stunde zu erreichen, den sie mit Nachrichten aus der Region auf Usbekisch, Tadschikisch und Russisch füllen wollten. Eric Johnson merkt hier an, dass 235 236 237

vgl. Sigal, Ivan. A Survey of Russian Television. April 1997. http://www.internews.ru/report/tv/tv32.html. (25.12.1998). S. 5 Johnson, Eric. Television in Tajikistan: A Report. http://www.vii.org/monroe/11two.html. (5.1.1998) Satter, David. A land without new: CPJ returns to Tajikistan. Herbst 1995. gopher://gopher.soros.org/0/Affiliated_o...Y/Tajikistan_Project/Misc/CPJ_Fall95.txt. (1.10.1998).

71


die Qualität solcher Nachrichtenprogramme zwar eher durchschnittlich sei, dass jedoch vor allem die besonderen Anstrengungen gegen das System und ein hohes Maß an persönlichem Engagement zu beachten seien238. Als der Sender im Februar 1994 wegen eines Dekrets von Staatspräsident Rakhmonov geschlossen wurde (siehe Kapitel 3.3.5), hatte er bereits etwa 60 Angestellte und verfügte über zwei S-VHS-Kameras, mehrere VHS-Camcorder und im Vergleich zum Vorjahr erheblich verbesserte Schnittkapazitäten. Nach der Schließung des Senders mussten die Verantwortlichen Teile der Ausrüstung verkaufen, um nicht sofort auch selbst vor dem finanziellen Aus zu stehen. Zwei weitere Gruppen machten Anfang der 90er Jahre durch ihre privatfinanzierte Fernsehberichterstattung von sich reden. Dzhaikhon-oro wurde von der Stadtregierung Khodshands unterstützt und arbeitete vornehmlich mit VHS-Ausrüstungen. Temurmalik, die andere der beiden Gruppen aus Khodshand, finanzierte sich vor allem durch eine sieben Millionen Rubel umfassende Investition des Lebensmittel-Fabrikanten und ehemaligen Gouverneurs des Kreises Khodshand, Khamidov. Gemeinsam benutzten Dzhaikhon-oro und Temurmalik die ehemalige Frequenz des russischen Senders RTR in der Region um Khodshand. Die Frequenz war erst durch den Druck der Finanziers für die beiden Privatsender freigegeben worden. Temurmalik hatte zum Zeitpunkt der Schließung aufgrund des Rakhmonov-Dekrets im Februar 1994 einen Mitarbeiterstab von 21 Journalisten und Technikern. Die Ausrüstung war schon 1991 gekauft worden, als der russische Rubel im Vergleich zu 1994 noch viel stärker gegenüber dem Dollar war und so eine erheblich größere Kaufkraft hatte. Mit zwei S-VHSKameras, vier VHS-Kameras und einem S-VHS-Schnittplatz bestritten die Mitarbeiter von Temurmalik pro Tag eine Sendezeit von vier Stunden. Der tägliche Nachrichtenanteil lag bei etwa sieben bis zehn Minuten. Sowohl Temurmalik als auch Dzhaikhon-oro waren in der Lage, live zu senden. Temurmalik verfügte sogar über eine Satelliten-Anlage. Im Februar 1994 endete nach einem Dekret von Staatspräsident Rakhmonov für alle privaten Sender vorerst der Sendebetrieb. In Ura-Tyube, Vose und Tursun-zade hielten sich die Fernsehmacher jedoch nicht lange an das Sendeverbot, das im Februar von der Regierung ausgesprochen worden war. Sie sendeten in verringertem Ausmaß weiter, als sie erkannten, dass das neue Rundfunkgesetz, welches die Regierung angekündigt hatte und welches ihre Aktivitäten legalisieren würde, noch längere Zeit auf sich warten lassen würde. Somit war der private Sendebetrieb Mitte 1994 rechtlich verboten, wurde aber von offizieller Seite toleriert. Die unabhängige Station aus Kulyab konnte sogar so gute Beziehungen zum staatlichen Sender Gostel knüpfen, dass sie zu einer Art „temporary regional Gostel"239 wurde und pro Woche 45 Minuten Sendezeit im nationalen Programm zugestanden bekam. Eric Johnson, der diese Informationen 1994 vor Ort für Internews und die Soros Foundation recherchierte, kommt in seinem Bericht zu dem Schluss, dass alle unabhängigen Fernsehsender in Tadschikistan nur aus purem Enthusiasmus und durch die finanzielle Unterstützung von privater Hand aufrechterhalten werden konnten bzw. können. Ein Großteil der Programme der unabhängigen Stationen bestand 1994 aus „pirated programs”240 (Raubkopien), die entweder über Satelliten oder über den Schwarzhandel via Moskau nach Tadschikistan gelangten. Der Bericht Mass Media in Tajikistan der Nachrichtenagentur Asia-Plus von 1997 zeichnet ein ähnliches Bild vom Fernsehmarkt in Tadschikistan. Die Zahl der Privatsender hatte sich in der Zwischenzeit auf 13 verringert. Die Probleme waren jedoch dieselben. Vor allem die katastrophale finanzielle Lage und die mangelhafte Infrastruktur im Bereich Telekommunikation 238 239 240

vgl. Johnson, Eric. Television in Tajikistan: A Report. http://www.vii.org/monroe/11two.html. (5.1.1998). S. 3 ebenda. S. 3 ebenda. S. 3

72


machten es den Journalisten schwer, ihre Arbeit in zufriedenstellender Weise auszuüben. Die 13 im Jahr 1997 noch bestehenden unabhängigen Fernsehstationen sind:241 Mavji Ozod (in Vose), Poitakht (in Dushanbe), Ranginkamon (in Isfara), TV-Kanibadam (in Kanibadam), Temurmalik (in Kairakkum), Kuloyob TV (in Kulyob), Simo-TV (in Panjakent), TOO-Regar (in Tursun-zade), Afshin (in Uro-Teppa), TV-Khorog (in Khorog), Jahonoro, NK-7 und City Channel (alle in Khodshand). Einschränkungen machen die Autoren des Asia-Plus-Berichts bei den Stationen Temurmalik, TOO-Regar, Jahonoro und dem City Channel in Khodshand. Diese vier Privatsender hatten 1997 ihren Sendebetrieb vorläufig eingestellt, existierten jedoch noch als Redaktionen und hofften, bald wieder Sendungen ausstrahlen zu können. Besonders hervorgehoben werden drei der privaten Stationen, allen voran Simo-TV aus der Stadt Panjakent. Pro Tag sendet Simo-TV acht Stunden lang und versorgt die Bürgerinnen und Bürger dabei dreimal täglich mit unabhängigen Nachrichten, deren Qualität laut Asia-Plus ausgesprochen gut sei. Interessant ist dabei, dass die drei Nachrichtensendungen, die Simo-TV pro Tag sendet, ein größeres Informationsangebot darstellen als das, was der staatliche Fernsehsender Gostel seinen Zuschauerinnen und Zuschauern anbietet. Die Journalisten bei Simo-TV sind nach Erkenntnissen von Asia-Plus überdurchschnittlich gut ausgebildet und ihre technische Ausrüstung ist ebenfalls besser als die der meisten anderen kleinen Privatsender. NK-7 in Khodshand hat zwar erst 1997 den Sendebetrieb aufgenommen, wird aber von Asia-Plus schon im selben Jahr als eine der besten Stationen des Landes bezeichnet242. Das Fernsehstudio in Khorog ist das dritte besonders erwähnte Privatunternehmen, da es mittlerweile (seit dem 31.12.1996) sogar vom staatlichen Fernsehen genutzt wird als Sendestation für das nationale Programm Tadschikistans in der für den Friedensprozess extrem wichtigen Region Gorno-Badakhshan. 1999 arbeiten laut Marie Struthers von der Organisation Human Rights Watch in Tadschikistan zwischen zwölf und fünfzehn unabhängige Fernsehstationen. Einige weitere Sender besitzen eine Lizenz, können jedoch aus verschiedenen Gründen nur selten oder gar nicht ihr Programm ausstrahlen. Die Mehrheit der Stationen, die tatsächlich ein Programm ausstrahlen, senden nach Angaben von Struthers mindestens dreimal pro Woche ein selbstproduziertes Nachrichtenprogramm.243 Über die Struktur des Radios in Tadschikistan gibt es kaum verlässliche Informationen. Nach Angaben der tadschikischen Nachrichtenagentur Asia-Plus sind bisher lediglich zwei unabhängige Radio-Stationen in Tadschikistan zugelassen worden. Eine davon soll auch zwischenzeitlich schon den Sendebetrieb aufgenommen haben. Diese Information scheint jedoch Ende 1999 nicht mehr gültig zu sein. Marie Struthers schreibt über die aktuelle Situation des Radios: „At present no independent radio stations exist in Tajikistan, although at least two have received sponsors and equipment, and for almost a year have been awaiting operating licences in order to begin broadcasting. There is little expectation, however, that these stations will receive licences before the upcoming presidential elections.“244 Laut übereinstimmender Informationen der Organisationen Internews und Human Rights Watch sind die ausländischen Radiostationen BBC, Voice of America, Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL), Radio Iran, Radio Mayak, Radio Mir (beide aus Moskau) sowie der

241 242 243 244

vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998). S. 2 ebenda. S. 2. „Also should be noted the NK-7 in Khojand, which began working this year but already is one of the best stations of the country.“ vgl. Struthers, Marie. (Human Rights Watch). Tajikistan. Freedom of expression still threatened. S. 11 ebenda. S. 12

73


tadschikische Oppositionssender Voice of Free Tajikistan, der im Norden Afghanistans produziert wird, mit entsprechenden Empfangsgeräten in ganz Tadschikistan zu hören.245 Die staatliche Rundfunkgesellschaft Gosteleradio (Gostel) betreibt schon seit der Zeit der Sowjetunion neben einem Fernseh- auch einen Radiosender in Tadschikistan. Während nähere Einzelheiten über das Fernsehangebot von Gostel vorliegen, sind Informationen über das Radioprogramm von Gostel nur in eher spärlichem Umfang zu erhalten.

3.3.2 Printmedien Der Zusammenbruch der Sowjetunion infolge der Glasnost-Bestrebungen von Mikhail Gorbatschow brachte für die Presse in der damals sowjetischen Republik Tadschikistan zahlreiche Veränderungen mit sich. Der bis dahin vom Staat kontrollierte Zeitungsmarkt wurde zusehends von liberaleren Strömungen unterwandert und öffnete sich langsam marktwirtschaftlichen Strukturen. Diese Öffnung setzte sich nach der Unabhängigkeitserklärung Tadschikistans im Jahr 1991 fort. Bevor der jetzige Präsident Imomali Rakhmonov im November 1992 an die Macht kam, gab es nach Ansicht der Medienassistenz-Organisation Internews in Tadschikistan eine relativ breit gefächerte Medienlandschaft, mit über 30 unabhängigen bzw. oppositionellen Zeitungen und mehreren Dutzend (Kabel-)Fernsehkanälen.246 Der erste Versuch, diese neuen Entwicklungen zu dokumentieren, wurde im Jahr 1994 unternommen. Zu dieser Zeit finanzierte die Soros Foundation eine Recherche des InternewsJournalisten Eric Johnson in Tadschikistan. Zwei Wochen lang sammelte Johnson vor Ort Informationen und verfasste anschließend einen dreiseitigen Bericht mit dem Titel The Press in Tajikistan247. Demnach entstanden Anfang der 90er Jahre bis zu 25 neue Zeitungen, wobei die Bezeichnung Zeitung in Tadschikistan verschiedene Interpretationen hat. So gehörten zu den genannten 25 Publikationen auch einseitige Veröffentlichungen, die lediglich einmal im Monat herausgegeben wurden. Zum Zeitpunkt von Johnsons Aufenthalt in Tadschikistan existierte von diesen neuen Zeitungen keine einzige mehr. Die Gründe für die Einstellung der Publikationsaktivitäten waren zum einen finanzielle Problemen, zum anderen aber auch der politische Druck während des Bürgerkriegs, bei dem die Medien zwischen die Fronten der Diktatur des Staatschefs Rakhmonov und die Widerstandsbestrebungen der zumeist moslemischen Rebellen gerieten. Als bedeutendste staatliche Presseorgane in Tadschikistan werden die Narodnaya Gazeta (Volkszeitung), deren tadschikisch- bzw. usbekischsprachigen Ableger Jumihuriyat und Kholk ovozi sowie die Golos Tajikistana (Stimme Tadschikistans) und deren tadschikisch- bzw. usbekischsprachigen Ableger Tojikistan und Tojikiston ovozi genannt. In Dushanbe erscheint zudem die Zeitung Vechernyi Dushanbe (Dushanber Abendzeitung), die 1992 von der Stadtregierung ins Leben gerufen wurde und 1994 die höchste Auflage im ganzen Land hatte. Im Herbst 1995 stand nach Angaben des Committees to Protect Journalists (CPJ) auch die Vechernyi Dushanbe kurz vor dem finanziellen Aus. Die tadschikische Regierung hatte den Verleger zu einer Strafe von 1,6 Billionen russischer Rubel (320.000 US-Dollar) verurteilt, weil in der Zeitung angeblich die „Ehre und Würde des turkmenischen Präsidenten Niyazov"248 beschnitten worden sei. Der tadschikische Minister für Kultur und Information rechtfertigte diese Maßnahme mit der Aussage, dass Tadschikistan es sich nicht leisten könne, die 245 246 247 248

vgl. ebenda. S. 12 bzw. Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Media structures. http://www.internes.ru/books/media/tajikistan_4.html. (20.11.1998). S. 1 vgl. Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Media and government. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan_3.html. (20.11.1998). S. 1 vgl. Johnson, Eric. The Press in Tajikistan. http://www.vii.org/monroe/12six.html. (5.1.1998) Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan: Year in Review: 1995. http://www.digitalrag.com/cpj/cpjdata/see/1605.html. (5.1.1998)

74


Beziehungen zu Turkmenistan in dem Moment zu verschlechtern, in dem die Turkmenen gerade zur Lieferung von Gas bereit seien. Neben den finanziellen Strafen benutzte die tadschikische Regierung 1995 auch noch andere Druckmittel, um die widerspenstigen Journalisten in den Griff zu bekommen. So wurden mehrere Redakteure der Vechernyi Dushanbe im September für kurze Zeit entführt. Ihnen wurde mit ihrer Ermordung und der Ermordung ihrer Kinder gedroht, falls sie weiterhin regierungskritische Artikel schreiben und veröffentlichen würden. Ende 1991 rief Akmal Alimov, ehemaliger Parteifunktionär und Bruder des damaligen Außenministers, die unabhängige Nachrichtenagentur Novosti Tajikistana (Tadschikische Nachrichten) ins Leben. Ein Jahr lang versuchte die Nachrichtenagentur, sich durch den Verkauf von Nachrichten aus Tadschikistan an ausländische Nachrichtenagenturen und Botschaften zu finanzieren. Im Oktober 1992 stellte sie jedoch ihre Arbeit ein, nachdem sie durch angeblich einseitige Berichterstattung im tadschikischen Bürgerkrieg politisch unter Druck geraten war. Der Gründer der Nachrichtenagentur und die 15 Redaktionsmitglieder arbeiteten seitdem für die neu gegründete Zeitung Biznes i politika (Wirtschaft und Politik), die nach Ansicht von Eric Johnson zurzeit seiner Recherche 1994 die einzige Zeitung in Dushanbe war, welche die Bezeichnung unabhängig verdiente. Hauptsponsor und Gründungsmitglied von Biznes i politika ist der örtliche Geschäftsmann Sadrydin Mukhameddov. Die Verkaufserlöse von Biznes i politika deckten nicht die Produktionskosten und eine Einstellung der Zeitung, die einmal wöchentlich mit einer Auflage von 30.000 Stück ausschließlich in der Hauptstadt Dushanbe herausgegeben wurde, schien 1994 absehbar. Trotz aller schlechter Prognosen hat sich Biznes i politika am Markt halten können und ist auch heute noch die einzige nennenswerte private Zeitung in Tadschikistan. Die Exilzeitung Charoghi Ruz (Unabhängige Zeitung) wurde in der Zeit von 1992 bis 1997 in Moskau in tadschikischer Sprache gedruckt und gelangte in sehr geringer Auflage durch Schmuggler ins Land. Nach einer Unterbrechung nahmen die Journalisten der Charoghi Ruz im April 1999 ihre Arbeit wieder vollständig auf. Vielen Tadschiken ist die Existenz der Charoghi Ruz bekannt, doch nur wenige haben jemals ein Exemplar zu Gesicht bekommen. Die Hauptleserschaft hat die Charoghi Ruz offensichtlich in Oppositionellen, die außerhalb Tadschikistans leben. Die Auflage der vierzehntägig erscheinenden Charoghi Ruz liegt nach Informationen von Johnson bei rund 10.000249. Die Organisation Human Rights Watch berichtet, dass auch im Sommer 1999 wieder einige Exemplare der Zeitung in der tadschikischen Hauptstadt gesichtet wurden.250 Außerhalb von Dushanbe scheinen Zeitungen langsam aufzuhören zu existieren.251 Die vier Regierungsbezirke außerhalb der Hauptstadt hatten den Druck der Zeitungen 1994 auf einmal pro Woche heruntergefahren und selbst dieser eingeschränkte Erscheinungszeitraum kann wegen der anhaltenden Papierknappheit oft nicht eingehalten werden. Jeder Bezirk verfügt im Prinzip über zwei Zeitungen, eine in Russisch und eine in Tadschikisch, welche teilweise Artikel voneinander übernehmen, faktisch jedoch getrennte Zeitungen sind. Das einzige Gebiet, in dem die Zustände auf dem Zeitungsmarkt etwas besser sind, ist die Gegend um die nördliche Stadt Khodshand, in der die Versorgung mit Papier durch die geographische Nähe zum Nachbarland Usbekistan nicht ganz so problematisch ist wie im Rest des Landes. Hier können Zeitungen dreimal pro Woche gedruckt werden. Außerdem gibt es 249 250

251

vgl. Johnson, Eric. The Press in Tajikistan. http://www.vii.org/monroe/12six.html. (5.1.1998). S. 2 Struthers, Marie. (Human Rights Watch). Tajikistan. Freedom of expression still threatened. S. 10 „The independent opposition newspaper Charoghi Ruz (‚The Light of Day‘) which is intensely critical of the current government, was published in Moscow from 1992 – 1997, and restarted in Moscow in April 1999. At that time a limited number of copies of the first issue of 1999 appered in Dushanbe kiosks. Additional ossus have been distributed clandestinely.“ vgl. Johnson, Eric. The Press in Tajikistan. http://www.vii.org/monroe/12six.html. (5.1.1998). S. 2. „Outside of Dushanbe, most newspapers in the country are slowly ceasing to exist.“

75


eine von der Stadt gesponserte Wochenzeitung. Unabhängige Zeitungen haben es aber auch in der nördlichen Region Tadschikistans schwer. Die Probleme mit der Papierversorgung und den Papierpreisen im ganzen Land werden begleitet vom Fehlen der journalistischen Infrastruktur. Sowohl Arbeitsmittel als auch Journalisten selbst seien schwer zu finden, so Johnson. Er behauptet weiter, bei seiner Recherche vor Ort zudem noch eine mangelnde Bereitschaft zur Informationsaufnahme bei den potentiellen Käufern von unabhängigen Zeitungen bzw. Zeitschriften bemerkt zu haben252. Die finanziell auf festem Boden stehenden Großbetriebe des Landes wie die Seidenfabrik in Khodshand, die Teppichfabrik in Kairakkum, die Aluminiumfabrik in Tursun-zade oder die Baumwollverarbeitungsfabrik in Vose brachten 1994 einmal pro Woche ihre eigenen Zeitungen heraus. Für viele Tadschiken bedeuteten diese Zeitungen die einzige zugängliche Informationsquelle neben dem Fernsehen. Zumeist sind für die Zeitungen die selben Firmen verantwortlich, die auch an dem Betrieb kleiner lokaler Fernsehsender beteiligt sind. Während in den 80er Jahren die meisten Zeitungen in Tadschikistan abonniert wurden, ist der Anteil der Abonnements in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Den Hauptgrund dafür sieht Johnson in den höheren Kosten eines Abonnements durch die enormen Zustellungskosten, die vor allem durch die Verteuerung der Benzinpreise in den 90er Jahren erheblich gestiegen sind. Zudem macht die unberechenbare Inflation in Tadschikistan einen festgelegten Abonnementspreis für die Verleger zu einem nicht kalkulierbaren Risiko. Das Risiko eines Abonnements trifft aber auch die Abonnenten selbst, da nie mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Zeitungsverleger seinerseits die Vertragsbedingungen (z.B. tägliche Zustellung) einhalten kann. Es war 1994 immer noch möglich, in Tadschikistan eine Zeitung zu abonnieren, jedoch rieten selbst die Verleger ihren Kunden von der Bestellung der Zeitungen ab. Der einzige Absatzmarkt für Zeitungen besteht somit an den Kiosken im ganzen Land. Eine aktuellere Untersuchung der tadschikischen Massenmedien bietet die private tadschikische Nachrichtenagentur Asia-Plus in ihrem Bulletin Nr. 21 (siehe Kapitel 3.3.3). Demnach waren am 1.1.1997 beim tadschikischen Ministerium für Kultur und Information 202 gedruckte Publikationen registriert, darunter 157 (!) Zeitungen253. Allerdings befinden sich unter dieser Vielzahl von Veröffentlichungen nur wenige unabhängige Zeitungen. Allen voran nennt Asia-Plus die auch schon von Eric Johnson hervorgehobene Zeitung Biznes i politika, welche, wie bereits erwähnt, entgegen Johnsons Annahme von 1994 finanziell überlebt und sich am tadschikischen Zeitungsmarkt etabliert hat. Weitere unabhängige Blätter sind Vecherniye Vesti, Paivand, Ittihod und Istiklol. Diese Zeitungen erscheinen einmal pro Woche in Dushanbe und behandeln vornehmlich soziale, sozio-politische und wirtschaftliche Themen. Komplettiert wird der Zeitungsmarkt in Tadschikistan durch acht Anzeigenblätter, die größtenteils die Artikel der oben genannten Zeitungen kopieren und den restlichen Teil ihrer Ausgaben mit Werbeanzeigen füllen. Über die Erscheinungsweise dieser Anzeigenblätter ist nichts bekannt, sie ist jedoch vermutlich sehr unregelmäßig. Neueste Zahlen einer Studie der Organisation Human Rights Watch vom November 1999 besagen, dass im August 1999 255 Publikationen beim Kultusministerium angemeldet waren, davon 199 Zeitungen.254 Sogar offizielle Stellen nennen jedoch bezüglich des tatsächlichen Erscheinens der Zeitungen lediglich einen Anteil von 30 Prozent der registrierten Printmedien. Tadschikistan ist heute eines der wenigen Länder der Erde ohne eine regelmäßig erschei-

252 253 254

vgl. ebenda. S. 2 vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998) Struthers, Marie. (Human Rights Watch). Tajikistan. Freedom of expression still threatened. S.1

76


nende Tageszeitung.255 Mehr oder weniger regelmäßig erscheinen 17 verschiedene Publikationen, darunter neben zehn staatlichen Zeitungen auch die privaten Blätter Biznes i politika, Vecherniye Dushanbe, Charkhi gardun, die Medizinzeitung Avicenne und die Wirtschaftszeitungen Digest Press, Vostochnii Express sowie der Kur’er Tajikistana. Westliche Zeitungen sind in Tadschikistan nur äußerst selten zu bekommen. Meistens sind sie dann auch noch so teuer, dass sich auch ein halbwegs gutverdienender Tadschike mit den notwendigen Fremdsprachenkenntnissen den Kauf der Zeitung nicht leisten kann. Bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 11 US-Dollar pro Kopf (Angabe für August 1999)256 und einem Preis von etwa 7 US-Dollar für eine Ausgabe des Economist scheint eine Versorgung der Bürger mit westlichen Informationen auf lange Sicht ausgeschlossen.

3.3.3 Nachrichtenagenturen In Tadschikistan gibt es zurzeit nach Informationen des Human Development Reports 1998 der Vereinten Nationen drei verschiedene Nachrichtenagenturen.257 Die National Khovar ist eine staatliche Agentur, während die beiden anderen, Asia-Plus und Infokom, private Unternehmen sind, die erst seit wenigen Jahren in Tadschikistan aktiv sind. Asia-Plus ist im Internet problemlos zugänglich, während über Infokom kaum weiterführende Informationen zu erhalten waren. Die einzigen Angaben, die gemacht werden, sind die, dass Infokom (Infokon in einer anderen Quelle)258 von der Telecomm Technology Ltd. und ihrem MitarbeiterKollektiv gegründet worden ist und einmal im Monat die Zeitung Companion mit Informationen und Analysen zur tadschikischen Wirtschaft herausgibt. Die großen internationalen Nachrichtenagenturen (Reuters, AP, etc.) bedienen sich freier Mitarbeiter, die fast ausschließlich in Dushanbe leben und zumeist gebürtige Tadschiken sind. Die älteste in Tadschikistan operierende Nachrichtenagentur ist der Staatliche Tadschikische Nachrichten Service, National Khovar. Khovar entstand nach der tadschikischen Unabhängigkeitserklärung vom 15. September 1991 und war bis dahin der lokale Arm der ehemaligen sowjetischen Nachrichtenagentur TASS. Khovar bediente, nach Informationen von Eric Johnson im Jahr 1994, ausschließlich den staatlichen Rundfunksender Gostel und einige wenige staatliche Zeitungen. Von den unabhängigen Zeitungen wurde National Khovar nicht abonniert.259 In der Studie Tajikistan. Freedom of expression still threatened von Marie Struthers von November 1999 wird Khovar nur kurz erwähnt. Da die staatliche Agentur keinerlei Bedeutung für die unabhängigen Medien hat, konzentriert sich die Autorin mehr auf die Nachrichtenagentur Asia-Plus. Asia-Plus ist eine unabhängige Nachrichtenagentur, die seit 1996 in der Hauptstadt Dushanbe ansässig ist. Die 15 Redaktionsmitglieder, von denen fünf freiwillige Mitarbeiter sind, arbeiten unter anderem an einem monatlich erscheinenden Nachrichtenbulletin in englischer Sprache, dem Tajikistan Economic Review. Dieses ist, wie auch die

255 256

257 258 259

ebenda. S.9. „...although print media has expanded since the signing of the General Agreement, not one daily newspaper exists in the country, and few are published on a regular basis,...“ ebenda. S.11. Fußnote 22. „According to Radio Liberty in Dushanbe, the average monthly wage in August 1999 was between 12.000 and 12 500 rubles, about U.S. $11. The United Nations provides a figure of $8.60 from 1998. Tajikistan Human Development Report 1998, United Nations Development Programme.“ vgl. dazu ebenda. S.11. Haupttext. „In August 1999, for example, The Economist was avilable at one Dushanbe hotel frequented by very few locals, at the price of U.S. $7.00 per issue.“ vgl. Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org. "Media in Tajikistan". 6.1.1999. Persönliche e-mail. (11.1.1999). S.1 vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998). S. 1 vgl. Johnson, Eric. The Press in Tajikistan. http://www.vii.org/monroe/12six.html. (5.1.1998). S. 3

77


fünfmal pro Woche erscheinende Publikation A-P Blitz. News in Brief, im Internet260 in Auszügen abrufbar bzw. zu abonnieren. Die Veröffentlichungen von Asia-Plus befassen sich vor allem mit wirtschaftlichen Themen wie dem Stand der Privatisierung und aktuellen Wirtschaftsstatistiken. Außerdem beinhaltet das Tajikistan Economic Review regelmäßig analytische Artikel zu Themen wie dem allgemeinen Wirtschaftsklima oder dem Zustand der Massenmedien in Tadschikistan. Die Agentur wird gesponsert von der Civil Society International und ist Mitglied der Association of Independent Electronic Mass Media of Central Asia (Assotsiatsia Nezavisimikh Electronnikh Sredstv Massovoi Informatsii Tsentralnoi Asii - ANESMI). Zu den Abonnenten von Asia-Plus gehören laut eigener Angaben im Dezember 1998 neben allen in Tadschikistan präsenten internationalen Organisationen und der in Dushanbe vertretenen ausländischen Botschaften auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Asian Development Bank und die British Broadcasting Corporation (BBC)261. Marie Struthers von der Organisation Human Rights Watch bedauert in ihrer Studie, dass Asia-Plus durch die hohen Internetkosten und die dazu noch entstehenden Abonnementskosten für tadschikische Bürger schlichtweg außer Reichweite ist.262

3.3.4 Internet Seit einigen Jahren gibt es durch die Anstrengungen der amerikanischen Central Asian Development Agency (CADA) erste Anzeichen einer Verbreitung des Internets in Tadschikistan. Allerdings beschränken sich die technischen Einrichtungen wie in den meisten anderen zentralasiatischen Ländern vor allem auf die Hauptstadt des Landes. Neben Dushanbe verfügen aber mittlerweile auch die Städte Khodshand, Kurgan-Teppa, Kulyab und Khorog über kleinere Provider. Die Preise für die Internet-Nutzung liegen mit etwa 6 US-Dollar pro Stunde weit über dem, was ein Tadschike mit einem monatlichen Einkommen von durchschnittlich vier US-Dollar für Informationsmaterial ausgeben kann. Die Hauptkunden der Server sind daher zumeist internationale Organisationen, die durch den Datenhighway die Verbindung ins Ausland sicherstellen. Marie Struthers hält es für unwahrscheinlich, dass das Internet in Tadschikistan in absehbarer Zeit eine entscheidende Rolle in den Massenmedien einnehmen kann. „Beyond prohibitive subscription and user rates, it is unlikely that Internet access will become widespread; although until June 1999 the law did not require a license or permit for providing Internet services, permission was consistently denied for two years to at least one international organization, and to more than one local educational institution.“263 Unterstützung erhält Struthers von Eric Johnson von Internews. Auch er geht nicht davon aus, dass das Internet in den nächsten Jahren für wichtige Veränderungen in Tadschikistan sorgen wird. Wenn man jedoch etwas bewegen wolle, so sei die Computertechnologie der Schlüssel dazu. „The easiest and best thing you could do would be to give millions of computers to the Tajik people for free.“264 Allerdings hält Johnson es für höchst unwahrscheinlich, dass irgend je-

260 261 262

263 264

Asia-Plus (News Agency). http://www.internews.ru/ASIA-PLUS. vgl. Asia-Plus (News Agency). Private Information-Analytic Agency. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/index.html. (30.1.1999) Struthers, Marie. (Human Rights Watch). Tajikistan. Freedom of expression still threatened. S. 10 „Although at present there are no daily newspapers in the country, the private news agency Asia-Plus publishes Russian and English-language print and electronic bulletins on politics, social and economic issues, and business. (...) The news agency serves as a resource for other newspapers and some independent television stations, while ist content continues to expand in scope, it provides very little analysis. (...) ...high subscription prices keep them well out of reach of the local population.“ ebenda. S.12 Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich

78


mand kurzfristig eine größere Summe in die tadschikische Computerinfrastruktur investieren wird. Einem Nachtrag zum bestehenden Rundfunkgesetz von 1996 (siehe Kapitel 3.3.5) zufolge benötigen Personen, die per Internet ein Radio- oder Fernsehprogramm veröffentlichen wollen, seit kurzem eine schriftliche Genehmigung vom Staatlichen Tadschikischen Rundfunkkomitee.

3.3.5 Der rechtliche Rahmen In wesentlichen Bestandteilen verkörpert das zurzeit bestehende Medienrecht noch immer das Recht, das vor 1990 in der gesamten Sowjetunion gültig war. Nach Informationen der Medienassistenz-Organisation Internews bestehen die einzigen speziell auf die tadschikischen Medien anwendbaren Regulatorien in dem Gesetz für Presse und andere Massenmedien265, welches am 14. Dezember 1990 noch vom Höchsten Sowjet der Tadschikischen SSR angenommen wurde. Das Gesetz war ursprünglich eine Kopie des Mediengesetzes der ehemaligen UdSSR und beinhaltete lediglich einige Zusätze, die den Gebrauch der tadschikischen Sprache in den Medien regeln sollten. Der Gesetzestext von 1990 ist in der Zwischenzeit mehrfach überarbeitet bzw. ergänzt worden, wodurch sich einige einschneidende Veränderungen für die tadschikischen Journalisten und die Medienlandschaft an sich ergaben. So unterzeichnete Staatschef Rakhmonov am 21. Februar 1994 ein „vorübergehendes Dekret“266, das die Aktivität jeglicher elektronischer Medien - ausgenommen der von Gostel - in Tadschikistan verbot. Rakhmonov schaffte damit die Rechtsgrundlage für die Schließung der bis dahin bestehenden unabhängigen Fernsehstationen. Die Meinungen darüber, wieso Rakhmonov das Dekret, das innerhalb der GUS einzigartig ist, unterzeichnete, gehen auseinander. Es steht jedoch außer Frage, dass die beiden größten unabhängigen Stationen, Somonen in Dushanbe und Temurmalik in Khodshand, bei der Führung Tadschikistans eine gewisse Angst hervorgerufen hatten. Diese Ansicht wird durch die Tatsachen bekräftigt, dass Somonen vom einflussreichen Bürgermeister von Dushanbe unterstützt wurde, während hinter Temurmalik der einflussreiche Industrielle Khamidov aus Khodshand stand, der gleichzeitig ein guter Freund des Rakhmonov-Gegners Abdulladschanow ist. Die Ministerkonferenz reagierte auf das Dekret und forderte Gostel auf, in einem Zeitraum von drei Monaten ein neues Rundfunkgesetz zu entwerfen, das auch die Regelung der Sendervergabe im Fernsehen umschließt. Im Mai 1994 wurde der Gesetzesvorschlag von Gostel vorgelegt. Das 42-seitige Papier entspricht in wesentlichen Punkten den Ansichten der Regierung und räumt Gostel faktisch die totale Kontrolle über den Fernsehmarkt ein. Artikel 6 des Gesetzesvorschlags macht dies deutlich: „Gosteleradio exercises control over the observance of legislation and charters of local television and radio agencies, ensures the defense of state interests, registers and issues licenses for the opening of broadcasting centers and studios, and takes inventory of television and radio facilities on the territory of the Republic of Tajikistan.“267

265 266 267

vgl. Internews. Media in the CIS. Tajikistan: Legal and regulatory framework for the media. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan_2.html. (20.11.1998) vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998). S. 2 Internews. Law of the Republic of Tajikistan on Television and Radio. Unofficial Translation. 1995. (Gesetzesvorschlag von Gosteleradio Tadschikistan vom Mai 1994). http://www.internews.ras.ru/eng/tajik_law.htm. (10.1.1998) Oder Krug, Peter (Übersetzer). Draft Statute of the Republic of Tajikistan on Television and Radio. http://www.vii.org/monroe/21six.html. (5.1.1998)

79


Ein ausdrückliches Verbot von unabhängigen Fernsehsendern findet sich in dem Gesetzesvorschlag jedoch nicht. Vielmehr wird auf die Presse- und Meinungsfreiheit verwiesen, die in der Verfassung der Republik Tadschikistan verankert sind. Dort heißt es in Artikel 30: „Every person is guaranteed freedom of speech, publishing, and the right to use means of mass information. State censorship and prosecution for criticism is prohibited.“268 Monroe E. Price und Peter Krug, die den Gesetzesvorschlag zum Rundfunkrecht in Tadschikistan für das Legal Information Resource Center in Dushanbe untersucht haben, bestätigen in einem Kommentar die Befürchtungen, dass der Gesetzesvorschlag die Möglichkeit zu einem Ausschluss der unabhängigen Fernsehsender bietet. „In addition to administration of state-owned broadcasting companies, it (Gosteleradio) appears also to have the power to act as a licensing authority for all broadcasting activity – a position which would permit it to block or limit the entry of competing broadcasters.“269 Price hält es für unumgänglich, die staatlichen Medien von der Lizensierung nicht-staatlicher Sender zu entbinden und führt dafür die Medien-Modelle der beiden Länder Ukraine und Estland an, die ebenfalls zur Sowjetunion gehörten und in ihren Rundfunkgesetzen die Trennung der staatlichen Sendeanstalten vom Lizensierungsverfahren festgelegt haben270. Kurz nach der Einbringung des Februar-Dekrets des Präsidenten im Jahr 1992 wurde am 14. März 1992 das Büro des tadschikischen Generalstaatsanwalt mit dem Recht ausgestattet, Medienbetriebe zu schließen, die zweimal in einem Jahr gegen das Gesetz für Presse und andere Massenmedien verstoßen. Früher hatten lediglich Gerichte die Bevollmächtigung, ein Verbot für bestimmte Medien auszusprechen. Die Gesetzesänderung vom 14. März 1992 wurde jedoch in Tadschikistan nach Angaben von Internews nicht ein einziges Mal in der Praxis angewandt. Eine andere Quelle spricht davon, dass nach der Gesetzesänderung vom 14. März 1992 bis zu 30 Zeitungen und Zeitschriften geschlossen wurden und zahlreiche Journalisten so ihren Arbeitsplatz verloren. Seit Anfang 1994 müssen alle Presseveröffentlichungen staatlich registriert werden, die eine Auflage von mindestens 100 Exemplaren haben. Früher hatte die Mindestgrenze bei einer Auflagenstärke von 1000 Exemplaren gelegen. Hier wird bereits deutlich, dass die Regierung Rakhmonov versucht, die Medienvertreter in ihrer Arbeit zu kontrollieren und ihre Position als Meinungsmacher im Land zu schwächen. Die unabhängige tadschikische Nachrichtenagentur Asia-Plus meldete in ihrem Bulletin 21271 im Jahr 1997, dass das seit 1994 in Arbeit befindliche neue Rundfunkgesetz vom tadschikischen Parlament, dem Madschlisi-Oli, angenommen wurde. Die Lizenzvergabe für Produktion und Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen läuft demnach über das Ministerium für Kultur und Information. Die technische Zulassung muss zusätzlich beim Ministerium für Kommunikation eingeholt werden. Das Lizensierungsverfahren und die jeweilige Lizenzdauer werden vom Ministerium für Kultur und Information bestimmt. Laut Asia-Plus können die erteilten Lizenzen per Gerichtsbeschluss ganz entzogen oder für bis zu sechs Monate gesperrt werden, sobald der bzw. die Lizenznehmer gegen das neue Rundfunkrecht verstoßen. Das Committee to Protect Journalists bestätigt die Informationen von Asia-Plus. Im CPJJahresbericht für 1997272 heißt es, das neue Rundfunkrecht sei im Dezember 1996 verabschiedet worden. Mit dem neuen Gesetz wurde in Tadschikistan die Hoffnung auf eine Liberalisie268

269 270 271 272

Constitution of Tajikistan. Englische Übersetzung. Russisches Original veröffentlicht in: Leninabadskaya Pravda. Khodshand. Tadschikistan. 30.11.1994. http://www.geocities.com/Paris/9305/constitution.htm. (10.1.1998) Price, Monroe E. und Krug, Peter: Comments on the Draft Tajikistan Media Law. http://vii.org/monroe/21seven.htm. (31.5.1998). S. 1 ebenda. S. 3 vgl. Asia-Plus (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998) vgl. Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. Attacks 1997. http://www.cpj.org/pubs/attacks97/europe/tajikistan.html. (25.12.1998)

80


rung der Medien verbunden. Im Juli 1997 enttäuschte Präsident Rakhmonov jedoch alle diese Hoffnungen. Er ordnete die sofortige, unbefristete Schließung aller nicht-staatlichen elektronischen Medienbetriebe an. Im gleichen Zuge wurden Teile der technischen Ausrüstung der unabhängigen Radio- und Fernsehstationen gepfändet und der staatlichen Rundfunkgesellschaft Gostel zur Nutzung und zur damit angeblich verbundenen Qualitätssteigerung überlassen. Diese Maßnahmen sollten laut Informationen des CPJ solange bestehen, bis die Regierung den Preis und die Formalitäten der Lizenzvergabe festgelegt hatte. Das Ministerium für Kultur und Information wurde im August 1997 aufgeteilt in das Ministerium für Kultur und Presse sowie das Staatliche Komitee für Fernsehen und Radio. Das Letztere wurde direkt dem Präsidenten unterstellt und sollte zuerst die Aufgabe übernehmen, für die landesweite Lizenzvergabe zu sorgen. Im gleichen Monat, so der Jahresbericht 1997 des CPJ weiter, äußerten Regierungsoffizielle gegenüber Mitarbeitern der OSZE, dass Bewerbungen um Lizenzen vorerst nicht bearbeitet würden und zwar solange nicht, wie der Prozess der nationalen Versöhnung nicht weiter fortgeschritten sei. Das Committee to Protect Journalists bemühte sich, den Erlass des Präsidenten zur Schließung der unabhängigen Fernseh- und Rundfunkstationen in schriftlicher Form übermittelt zu bekommen. Dieses ist jedoch bis heute nicht geschehen. Aus nicht weiter erläuterten Gründen wurden die wenigen Sender, die vor 1994 ihren Sendebetrieb aufgenommen hatten, mit einer vorläufigen Lizenz ausgestattet. Die Anträge der meisten anderen Stationen werden jedoch weiterhin ignoriert. Am 3. Dezember 1997 vergab das Staatliche Kommittee für Fernsehen und Radio endlich die erste langfristige Lizenz. Das private Fernsehstudio Mavchi Ozod darf bis zum Jahr 2002 offiziell Fernsehprogramme in der Region um die Stadt Vose produzieren und jeden zweiten Tag 18 Stunden lang auf Sendung gehen. Das Committee to Protect Journalists sieht diese Entwicklung als ersten kleinen Sieg der privaten Medien in Tadschikistan. Trotzdem bewertet das CPJ die Lizenzvergabe natürlich immer noch als „unfair“273 und fordert, dass die Lizenzvergabe in Zukunft nicht mehr zu den Kompetenzen der staatlichen Rundfunksender und ihrem Einflussbereich gehören soll. Mavchi Ozod wird seit der Lizenzvergabe massiv in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Ausländische Produktionen dürfen nicht ausgestrahlt werden. Es darf, wie bereits erwähnt, nur jeden zweiten Tag gesendet werden, zudem hat das staatliche Fernsehen in Vose seine Transmitter auf dieselbe Frequenz eingestellt wie die von Mavchi Ozod. In den Jahren 1998 und 1999 ist es in Tadschikistan nicht zu nennenswerten Veränderungen hinsichtlich des rechtlichen Rahmens der Massenmedien gekommen.

3.3.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Tadschikistan Nur sehr langsam erholt sich Tadschikistan von den Folgen des Bürgerkriegs, der zwischen 1992 und 1994 das noch sehr junge Land tief erschütterte. Bisher ist von einer entscheidenden wirtschaftlichen und sozialen Wende nicht viel zu spüren, und so verwundert es nicht, dass auch die Medien in Tadschikistan noch immer in einem Zustand sind, der sehr wenig Spielraum für eine unabhängige Berichterstattung lässt. Noch immer herrscht eine extreme Gewaltbereitschaft in dem kleinsten zentralasiatischen Land. Auch jetzt, fast drei Jahre nach Unterzeichnung des Friedensvertrags, hat diese Gewalt noch immer direkte Auswirkungen auch auf die Pressefreiheit. Vor allem aber in den Jahren 1992 und 1993 war die Gewaltbereitschaft auf allen Seiten so gravierend, dass eine ausgesprochene Kritik an den verschiedenen politischen oder militärischen Gruppierungen in Tadschikistan gleichbedeutend sein konnte mit einem selbstverfassten Todesurteil.

273

ebenda. S. 2

81


Der tadschikische Journalist Salimjon Aioubov, der früher Chefredakteur der jetzt im Untergrund fungierenden ersten unabhängigen Zeitung Tadschikistans, Charoghi Ruz (siehe Kapitel 3.3.2), war und zurzeit für Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL) in Prag arbeitet, berichtet im März 1997 in seinem Radiobeitrag Tajikistan: Journalists live in danger and fear über die Missstände in seinem Heimatland. Dabei zitiert er zu Beginn die Glasnost Foundation (Glasnost Defense Fund), die sich seit ihrer Gründung 1991 für die Rechte der Journalisten in der ehemaligen Sowjetunion einsetzt. Ihren Informationen zufolge sind in der Zeit von 1992 bis zum Ende des Bürgerkrieges im Jahr 1996 mehr als 40 Journalisten in Tadschikistan bei der Ausübung ihres Berufes getötet worden. Aioubov schlussfolgert daraus: „Journalism is a dangerous profession in many countries of the world, and nowhere has it been more hazardous than in Tajikistan.“274 Diese Einschätzung deckt sich mit der Sicht der amerikanischen Organisation Committee to Protect Journalists (CPJ), welche die Republik Tadschikistan als „most lethal place on the globe for media people“275 bezeichnet. Die getöteten Journalisten, so Aioubov, haben aus politischen, regionalen und persönlichen Gründen während des Bürgerkriegs den Tod gefunden. Viele von ihnen seien durch ihre Ablehnung der geplanten Änderung des Rundfunk- und Pressegesetzes im Jahr 1992 aufgefallen. Eine große Anzahl von Todesopfern gehe außerdem auf das Konto von verschiedenen bewaffneten Splittergruppen und Clans, die dem Bericht Aioubovs zufolge selbst im März 1997 immer noch in Tadschikistan aktiv und außer Kontrolle waren. Die Kritik Aioubovs, der seine eigene Meinung über die Situation der Journalisten deutlich in seinen Beitrag einfließen lässt, trifft vor allem die tadschikische Regierung. Die habe die Morde zwar offiziell verurteilt, doch die polizeilichen Untersuchungen, falls es sie denn überhaupt gegeben hat, führten nicht zu brauchbaren Ergebnissen. Angesichts dieser undurchschaubaren Lage startete das Committee to Protect Journalists (CPJ) 1994 eine eigene Untersuchung, die die Erfassung und die Aufklärung der Todesfälle unter den tadschikischen Journalisten zum Ziel hatte. Der dabei entstandene umfangreiche Bericht A Retreat to Tyranny: Tajikistan's Unreported War Against Press Freedom zeichnet ein erschreckendes Bild von einem Land, in dem fast alle Kriterien der Pressefreiheit mit Füßen getreten werden. Der Autor des Untersuchungsberichtes, der Programm-Koordinator des Committees to Protect Journalists für die ehemalige Sowjetunion und Mitteleuropa, Leonid Zagalsky, bemerkt einleitend, dass Tadschikistan seit 1992 der Schauplatz einer der weltweit brutalsten und zugleich am wenigsten von der Öffentlichkeit beachteten Kampagne gegen die Pressefreiheit ist. „All independent publications and broadcast outlets have been banned or forced out of business. Most Tajik journalists are now in hiding at home or in exile abroad.“276 Das CPJ dokumentiert in dem Bericht die Tötung von 27 Reportern und Herausgebern seit Mai 1992. Entgegen der Aussage von Salimjon Aioubov von Radio Free Europe / Radio Liberty, wonach die tadschikische Regierung Untersuchungen eingeleitet haben soll, beruft sich Zagalsky auf offizielle Stellen in Dushanbe, die dem CPJ-Team gegenüber bestätigt haben sollen, dass es keinerlei offizielle Untersuchungen im Zusammenhang mit der Ermordung der Journalisten in Tadschikistan gegeben hat. Vielmehr, so Zagalsky weiter, sehe die Regierung Rakhmonov ganz und gar keinen Grund, der fortschreitenden Zerschlagung der unabhängigen Medien durch eine solche kriminalistische Untersuchung einen Riegel vorzuschieben. Das Committee to Protect Journalists sah 1994 eine besondere Dringlichkeit, mit einer unabhängigen Untersuchung die Vorfälle in Tadschikistan zu dokumentieren und auf die systema274 275 276

Aioubov, Salimjon. Tajikistan: Journalists live in danger and fear. 18.3.1997. http://www.rferl.org/nca/features/1997/03/F.RU.970318153912.htm. (30.12.1997). S. 1 ebenda. S. 1. (‚tödlichster Platz der Welt für Medienvertreter‘, meine Übersetzung, C.S.) Zagalsky, Leonid (Committee to Protect Journalists (CPJ)). A Retreat to Tyranny: Tajikistan's Unreported War Against Press Freedom. 1994. gopher://gopher.igc.apc.org:5000/00/int/cpj/reports/3. (27.1.1999). S. 1

82


tische Unterdrückung der Pressefreiheit aufmerksam zu machen. Nicht nur, weil die Brutalität, mit der gegen die Medienvertreter vorgegangen wurde, immer heftigere Formen annahm, sondern auch, weil eine komplette Unterdrückung der unabhängigen Presse in Tadschikistan aus Sicht des CPJ verheerende Auswirkungen auf die zentralasiatischen Nachbarländer und vielleicht sogar auf die Entwicklung im post-kommunistischen Russland haben könnte. Über Monate hinweg befragte das Untersuchungsteam des Committees to Protect Journalists unzählige einheimische und ausländische Journalisten, Regierungsbeamte, Diplomaten, im Ausland lebende Tadschiken und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, um an Informationen zu gelangen, die zur Aufhellung eines der dunkelsten Kapitel der noch jungen, selbstständigen Republik Tadschikistan beitragen sollten. Dabei wurde schnell deutlich, dass seit 1992 Hunderte von Journalisten aus Tadschikistan vor allem nach Russland, Afghanistan, Pakistan und in den Iran geflüchtet sind. Viele von ihnen haben wohl kommen gesehen, welche Entwicklung ihr Heimatland nehmen würde. Gemessen an nackten Zahlen ist das Tadschikistan der frühen 90er Jahre in Sachen Brutalität gegenüber Journalisten lediglich vergleichbar mit Algerien oder dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die meisten Morde an Journalisten in Algerien auf das Konto militanter Regierungsgegner gingen und dass die getöteten Journalisten in Jugoslawien zumeist Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen waren bzw. von Scharfschützen im Kriegsgebiet erschossen wurden. In Tadschikistan hingegen sind die Journalisten offensichtlich von ihrer eigenen Regierung aus dem Weg geräumt worden.277 Mindestens 27 Journalisten starben in nur drei Jahren. Das ist das Ergebnis der Untersuchung von Leonid Zagalsky, der bei seiner Recherche vom Executive Director des CPJ, William A. Orme Jr., unterstützt wurde. Das CPJ dokumentierte die 27 Fälle einzeln und in chronologischer Reihenfolge278. Im Vergleich zu den mehr als zwanzig Morden in den Jahren 1992 und 1993 entspannte sich die Lage für die tadschikischen Journalisten 1994 zusehends. Trotzdem wurden auch in diesem Jahr wieder vier Medienvertreter bei oder wegen der Ausübung ihres Berufes ermordet. 1995 schickte das Committee to Protect Journalists erneut eine Delegation nach Tadschikistan, um die Entwicklung der Medien und die Situation der Journalisten vor Ort weiterzuverfolgen. Die CPJ-Delegation wurde, wie schon im Jahr 1994, von Leonid Zagalsky, dem früheren CPJ-Programmkoordinator für Mitteleuropa und die ehemaligen UdSSR-Staaten, geleitet. Mit ihm fuhren der New Times- und Radio Free Europe / Radio Liberty-Korrespondent Arkady Dubnov sowie ein Kamerateam des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE im September 1995 nach Tadschikistan. Die Gruppe traf sich in Dushanbe sowohl mit russischen als auch mit tadschikischen Journalisten. Außerdem standen Treffen mit dem Generalstaatsanwalt Amirkul Aziev und dem Minister für Kultur und Information, Bobokhon Makhmadov, auf dem Terminkalender. Das Bild, das sich für die Mitarbeiter des Committees to Protect Journalists in Tadschikistan im Herbst 1995 bot, war ernüchternd. Politisch gesehen ließ die Regierung Rakhmonov weiterhin keine Opposition zu, was dazu führte, dass auch von den Journalisten keine oppositionelle Berichterstattung ausging. Dies lag vielleicht aber auch daran, dass, so berichtet das CPJ weiter, bis zum Jahr 1995 fast alle unabhängigen tadschikischen Journalisten ins Exil geflüchtet waren279. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass ein Funktionär im Büro des Generalstaatsanwalts gegenüber dem Delegationsleiter des Committees to Protect Journalists, Leonid Zagalsky, zugegeben hat, er lese die in Moskau gedruckte unabhängige Exilzeitung Charoghi Ruz. „At least that is a real newspaper" sagte er Zagalsky wörtlich280.

277 278 279 280

vgl. ebenda. S. 2 vgl. ebenda ebenda. S. 1. „Nearly all of the independent Tajik journalists have been driven into exile.“ ebenda. S. 1

83


Doch nicht alle Offiziellen in Dushanbe scheinen das so zu sehen. Das Committee to Protect Journalists fand heraus, dass gegen mehrere Mitarbeiter der Charoghi Ruz Haftbefehle vorliegen. Außerdem berichtet Leonid Zagalsky in seinem Jahresbericht 1995 vom Mord an einem Lehrer, der von einem Polizisten erschossen worden sein soll, weil er die Charoghi Ruz gelesen hatte. Auch berichtet Zagalsky von zahlreichen Verhaftungen, die auf den unerlaubten Besitz einer Ausgabe der in Moskau erscheinenden Oppositionszeitung zurückzuführen sind. Im Allgemeinen, so der Generalstaatsanwalt, gebe es in Tadschikistan keine Pressefreiheit. Die einzige 1995 noch existierende unabhängige Zeitung sei die Vechernyi Dushanbe, die jedoch zur Zeit des Besuchs der CPJ-Delegation kurz vor der Schließung stand, da die tadschiksche Regierung eine extrem hohe Strafe gegen die Chefredaktion des Vechernyi Dushanbe ausgesprochen hatte (siehe Kapitel 3.3.2). Eine positive Entwicklung, die die CPJ-Delegation im Jahr 1995 in Tadschikistan verzeichnen konnte, ist die Zusage des Generalstaatsanwalts, dass die Todesstrafe für Journalisten nicht mehr angewandt wird. Unter dem Anklagepunkt „Attempting to overthrow the government“281 konnten Journalisten in Tadschikistan seit 1992 zur Todesstrafe verurteilt werden, was nach Angaben des Committees to Protect Journalists auch in einigen Fällen geschehen sein soll. Ein weiterer positiver Trend ist mit Sicherheit die stark sinkende Zahl von berufsbedingten Todesfällen unter Journalisten in Tadschikistan. Während 1992 zwölf Journalisten ihr Leben verloren, sank die Zahl 1993 auf elf, 1994 auf fünf bis hin zu nur einem getöteten Journalisten im Jahr 1996282. Die in Paris ansässige Organisation Reporters Sans Frontierès (Reporter ohne Grenzen) beklagt in ihrem Jahresbericht 1997 den Tod des Journalisten Viktor Nikulin in Tadschikistan. Nikulin, Korrespondent des russischen Fernsehsenders ORT, wurde am frühen Nachmittag des 28. März 1996 in seinem Büro im Westen Dushanbes mit zwei Schüssen aus einer MakarovPistole hingerichtet. Nikulin war Spezialist für die Berichterstattung über bewaffnete und politische Konflikte in Tadschikistan. Schon sein Vater Mikhail Nikulin, der ebenfalls lange Zeit als Korrespondent für Ostankino (jetzt ORT) in Tadschikistan gearbeitet hatte, erhielt während seiner Zeit in Dushanbe des öfteren Morddrohungen. Am 2. April 1996 unterschrieben laut den Reporters Sans Frontières 23 Journalisten, unter ihnen fünf Chefredakteure von unabhängigen tadschikischen Zeitungen, der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft und 10 ausländische Korrespondenten von ITAR-TASS, Mir, RTR, BBC, Interfax, Obshaya Gazeta, Novosti, Komsomolskaya Pravda, Postfactum und NTV einen offenen Brief, der alle Beteiligten an den bewaffneten Konflikten in Tadschikistan zum Verzicht auf Gewalt, inklusive der Gewalt gegen Journalisten, aufrief. Die Unterzeichner erklärten: „We protest against the murder of Viktor Nikulin and demand that President Rakhmonov and the heads of the security forces put an end to the massacre.“283 Die fünf Chefredakteure der unabhängigen Zeitungen, die den offenen Brief unterzeichneten, verzichteten symbolisch für drei Tage auf den Druck ihrer Zeitungen. Ebenso weigerten sich die ausländischen Korrespondenten, in den drei Tagen nach der Unterzeichnung des offenen Briefes Meldungen für ihre Heimatredaktionen zu verfassen und zu übermitteln. 1997 wurde zum ersten Mal seit 1992 kein Journalist in Tadschikistan ermordet. Die sonstigen Probleme der Medienvertreter wurden jedoch kaum geringer. Während des Machtkampfes zwischen der Regierung Rakhmonov und der United Tajik Opposition (UTO) hatten sowohl die tadschikische als auch die russische Regierung ausländischen Journalisten davon

281 282 283

ebenda. S. 1 Hier werden nur die Zahlen des CPJ berücksichtigt. Die Angaben von Oleg Panfilov (siehe Kapitel 4.1 und 4.1.1) werden, da sie von keiner offiziellen Stelle bestätigt wurden, vernachlässigt. Reporters Sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1997 Report. S. 337

84


abgeraten, über den Konflikt in Tadschikistan zu berichten.284 Neben dem akuten Krisengebiet Tschetschenien gilt Tadschikistan immer noch als die Region der ehemaligen Sowjetunion, die für Journalisten am gefährlichsten ist. Besonders auffällig ist dabei die steigende Zahl von Entführungen wie beispielsweise die von vier russischen Journalisten, die im Februar 1997 elf Tage lang an einem geheimen Ort festgehalten wurden. Bobjan Tuganov (NTV), Odiljan Ashurov (NTV), Galina Gridneva (ITAR-TASS) und Suraye Sobirova (Interfax) wurden am 5. Februar 1997 etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt von einer Rebellengruppe unter der Leitung von Bahrom Sadirov verschleppt. Nach Angaben des Committees to Protect Journalists wurden die Journalisten und der einige Tage nach der ersten Geiselnahme ebenfalls verschleppte tadschikische Verteidigungsminister Mitte Februar von ihren Entführern freigelassen. Nach ihrer Rückkehr nach Moskau sagten die russischen Journalisten, sie würden aus Angst vor weiteren Entführungen und eventuellen Racheakten nicht nach Tadschikistan zurückkehren.285 Am 25. September 1997 explodierte nach Angaben des Committees to Protect Journalists eine Bombe im Gebäude der Nachrichtenagentur Khovar, wobei glücklicherweise die Journalisten nur kleinere Verletzungen davontrugen. Allerdings handelte es sich bei dieser Bombe nicht um den einzigen Anschlag dieser Art. Mehr als ein Dutzend kleinerer Bombenanschläge im September und Oktober 1997 waren aus Sicht des CPJ dazu bestimmt, die in den Kriegsjahren aus Tadschikistan geflohenen Journalisten von der Rückkehr in ihr Heimatland abzubringen. Im Jahr 1998 gab es wieder ein Todesopfer unter den tadschikischen Journalisten. Laut der Glasnost Defense Foundation überfielen am 8. Juni gegen 21 Uhr Unbekannte den Journalisten Meirkhaim Gavrielov in seinem Haus in Dushanbe. Sie schlugen den 70jährigen und erdrosselten ihn anschließend mit einem Stück Draht.286 Gavrielov war ein sehr bekannter Journalist, der mehr als 50 Jahre lang für die tadschikischen Medien gearbeitet hatte. Seit 1979 war Gavrielov Chefredakteur der Zeitung Donish, die von der Tadschikischen Landwirtschaftlichen Universität herausgegeben wurde. Der 70jährige war zudem Autor zahlreicher Bücher und aktives Mitglied der jüdischen Sektion der Schriftstellergewerkschaft Tadschikistans. Eine weitere hochbrisante Nachricht aus dem Jahr 1998 ist, dass das tadschikische Außenministerium am 17. Juli die Akkreditierung der russischen Journalistin Elena Masyuk zurückzog und sie zur ‚persona non grata‘ auf dem Territorium der Republik Tadschikistan erklärte. Masyuk arbeitet für den privaten russischen Fernsehsender NTV und war 1997 zusammen mit fünf anderen Journalisten mit dem International Press Freedom Award des Committees to Protect Journalists ausgezeichnet worden.287 Die 31 Jahre alte Masyuk hatte über den Tschetschenien-Krieg berichtet und war dabei von tschetschenischen Rebellen entführt und für 100 Tage unter unmenschlichen Bedingungen in Gebirgshöhlen gefangengehalten worden.288 Bei 284 285 286

287

288

vgl. Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. Attacks 1997. http://www.cpj.org/pubs/attacks97/europe/tajikistan.html. (25.12.1998). S. 1 Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. CPJ database. 5.2.1997. Updated 23.6.1997. http://www.digitalrag.com/cpj/cpjdata/see/1609.html. (5.1.1998) vgl. Glasnost Defense Foundation. Journalist Meirkhaim Gavrielov killed. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 24.6.1998. http://www.ifex.org/alert/00003310.html. (27.12.1998) vgl. Committee to Protect Journalists (CPJ). Journalists from six countries to recieve CPJ's International Press Freedom Awards. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 22.9.1998. http://www.ifex.org/alert/00002412.html. (27.12.1998) ebenda. S. 5. „Yelena Masyuk, correspondent for NTV, captured the world's attention when she was kidnapped by Chechen armed rebels on 10 May and held, along with her two crew members, for 100 days in harsh, inhumane conditions, most of the time in damp mountain caves. She had covered the Chechen war in 1994 for NTV and had endeavoured „to show the Chechen side of the story, to give them a chance to tell their point of view, to show how terrible the war was for civilians and even Russian soldiers“, she

85


der Annulierung der Akkreditierung von Elena Masyuk berief sich Igor Sattarov vom Informationsdienst des tadschikischen Außenministeriums auf Paragraf 6 („Inadmissibility of freedom of expression abuse") des Gesetzes für Presse und andere Massenmedien der Republik Tadschikistan. Was genau Masyuk gemacht haben soll, bleibt unklar. Die Glasnost Defense Foundation protestierte gegen die Einziehung der Akkreditierung Masyuks und behauptete, dass diese Entscheidung der tadschikischen Regierung dem Land außenpolitisch gesehen mehr schaden wird, als es die kritische Berichterstattung Masyuks jemals hätte tun können.289 Am 4. Juli 1999 wurde der Pressesprecher des Innenministeriums, Jumakhon Hotami, in einem Vorort von Dushanbe von Unbekannten niedergeschossen. Hotami war seit 1993 einer der Hauptmitarbeiter der wöchentlichen Fernsehsendung Fight against crime und bekannt für seine investigative Berichterstattung. Laut Angaben seiner Familienmitglieder sei Hotami einmal sogar bei der Regierung wegen seiner Hartnäckigkeit in Ungnade gefallen, woraufhin die Sendung für eine gewisse Zeit eingestellt worden war. Zwar ist die Gewaltbereitschaft gegen Journalisten in Tadschikistan in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Von einer normalen Situation kann jedoch auch jetzt noch lange nicht gesprochen werden. Zudem sehen sich die Journalisten neben der genannten Ausübung physischer Gewalt auch noch anderen Problemen gegenüber.

3.3.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Tadschikistan – Probleme der unabhängigen Medien Den Journalisten in Tadschikistan mangelt es mehr oder weniger an allem. Sie sind schlecht bezahlt, haben kaum Möglichkeiten, ihre Zeitungen zu drucken oder ihre Radio- und Fernsehsender auf einem akzeptablen technischen Niveau zu betreiben (siehe Kapitel 3.3.1 und 3.3.2). Sie stehen unter ständiger Beobachtung des Staates und dürfen gleichzeitig auch die oppositionellen Gruppen nicht zu sehr durch ihre Berichterstattung ausgrenzen. Der kleinste Fehler, d.h. die geringste Kritik oder die geringste Parteinahme für die eine oder die andere Seite kann für die Journalisten fatale Folgen haben. Noch immer herrscht in Tadschikistan ein sehr gewaltbetontes Klima, auch wenn die Todesrate in Ausübung ihres Berufes unter den Journalisten in den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Trotzdem begleitet die Angst die tadschikischen Journalisten auch jetzt noch jeden Tag zur Arbeit. Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Übergriffe, die jeden einzelnen genauso belasten wie die Pressefreiheit des Landes als Gesamtheit, schweben jederzeit in den Köpfen der Journalisten. In Gesprächen mit tadschikischen Lokaljournalisten hat Marie Struthers von Human Rights Watch im Jahr 1999 des Weiteren herausgefunden, dass neben den infrastrukturellen, technischen, wirtschaftlichen und politischen Problemen auch die schlechte Ausbildung der Journalisten ein Grund für die miserable Qualität der Medien ist. „Many local observers believe that the low professional standards, such as the weak analysis, poor investigative techniques, and a failure to tap available sources, lower the quality of media output.“290 Sicherlich kommt erschwerend hinzu, dass viele namhafte Journalisten aus Angst um ihr Leben in den vergangenen Jahren das Land verlassen haben und es jetzt vorziehen, im Ausland ihr Geld zu verdienen. Das ist in Tadschikistan kaum möglich, da lediglich drei tadschikische Zeitungen nach Auskunft des RFE/RL-Reporters Salimjon Aioubov im Jahr 1999 profitabel sind.291 Nur die wirtschaftliche Unabhängigkeit verleiht den Journalisten die Möglichkeit, 289

290 291

told CPJ in a recent interview.“ Glasnost Defense Foundation. Details on revocation of journalist's accreditation. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 28.7.1998. http://www.ifex.org/alert/00003459.html. (27.12.1998) Struthers, Marie. (Human Rights Watch). Tajikistan. Freedom of expression still threatened. S. 13 vgl. Aioubov, Salimjon. aioubovs@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik

86


auch inhaltlich eigene Wege zu gehen. Zwar müssen die Journalisten auch dann noch sehr vorsichtig mit ihren Äußerungen sein, aber es besteht zumindest nicht mehr die Gefahr, von einem Tag auf den anderen der Geschäftsgrundlage beraubt zu werden. Die wirtschaftlichen Probleme in dem vom Bürgerkrieg ausgezehrten Land sind noch größer als in den anderen Staaten Zentralasiens. Das bewirkt auch, dass die Zeitungen über immer weniger Leser verfügen, da diese ihre wenigen tadschikischen Rubel für Nahrungsmittel und Brennstoffe ausgeben und sich finanziell nicht zusätzlich durch den Kauf von Zeitungen belasten wollen. Diese erschwerende Tatsache für die Print-Journalisten ist wiederum als Chance für die Journalisten in den elektronischen Medien zu sehen, da diesen in der Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach eine wichtigere Rolle zukommen wird. Die fehlenden finanziellen Mittel erschweren allerdings auch den Aufbau unabhängiger Medien. In Russland gab es in den Jahren nach der Auflösung der Sowjetunion einige reiche Privatleute, die mit ihren scheinbar unendlichen Ressourcen die freie Presse auf eigene, d.h. nicht-staatliche Füße stellten und ihnen das monetäre Rückgrat verliehen, das für das Überleben in dem rauhen Medienumfeld von dringender Notwendigkeit ist. In Tadschikistan, so Abbas Djavadi, der Leiter des tadschikischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty, sind solche Medienmogule nicht in Sicht. „Die Zukunft der tadschikischen Medien hängt unter anderem auch vom Geld ab. Bei uns gibt es aber leider keine Millionäre wie in Russland, die eigene Medienbetriebe gründen. In Tadschikistan will keiner die Medien finanzieren. Und auch aus dem Ausland ist zurzeit keine Hilfe zu erwarten. Meine Hoffnung ist, dass sich doch irgendwann ausländische Kapitalanleger in den tadschikischen Medien engagieren.“292 Diese Hoffnung von Abbas Djavadi hat einen praktischen Hintergrund. Ausländische Medienbetriebe oder solche, die aus dem Ausland finanziert werden, sind besser geschützt als die Medien, die unter Leitung und in Besitz tadschikischer Journalisten sind. Sobald Ausländer von Repressionen oder tätlichen Angriffen betroffen sind, gibt es ein breites Echo in der internationalen Presse. Diese negative Berichterstattung gilt es für die tadschikische Regierung um jeden Preis zu verhindern, sollte sie nicht eine weitere Verschlechterung der internationalen Beziehungen riskieren wollen. Ein ausländisches Engagement in den tadschikischen Medien, das laut Djavadi am ehesten aus Russland zu erwarten sei, würde somit die Arbeitsbedingungen der Journalisten aller Voraussicht nach deutlich verbessern. Die Ansicht Djavadis, dass ein ausländisches Engagement die Rolle der tadschikischen Journalisten stärken kann, lässt sich am Beispiel der Nachrichtenagentur Asia-Plus belegen. Der Betreiber und Gründer von Asia-Plus, Umed Babukhanov, hat unlängst von einigen europäischen und amerikanischen Fonds Geld zur Verfügung gestellt bekommen, um seine Bemühungen um die unabhängigen Medien in Tadschikistan erfolgreich fortsetzen zu können. Für seinen geplanten Radiosender, der das Asia-Plus-Angebot vergrößern soll, hat er nach Informationen von Abbas Djavadi bereits eine mündliche Zusage. Auch der Internews-Koordinator Eric Johnson hält die Arbeit von Asia-Plus für einen wichtigen Meilenstein in der Demokratisierung des tadschikischen Mediensystems. „But this can only be the beginning. The people at Asia-Plus still have to be very careful. Even with the internet-bulletin there have been problems and the planned radio station should be a much bigger threat to the government. AsiaPlus is making a step into the right direction. But then, there is no way to go but up in Tajikistan.“293 Eine positive Entwicklung, die auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Journalisten haben könnte, ist die Tatsache, dass Tadschikistan sich in den vergangenen zwei Jahren doch politisch etwas gefestigt hat. Abbas Djavadi sagt zu Recht: „Vor zwei Jahren war der Einflussbereich der Regierung praktisch auf die Hauptstadt Dushanbe beschränkt. Mittler-

292 293

Djavadi, Abbas. djavadia@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Repulik Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich

87


weile sind wir soweit, dass man fast sagen kann, das Land habe eine Regierung.“294 Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte es sein, dass die Regierung sich auch auf die bestehenden Gesetze besinnt und dann sogar die für die Journalisten so wichtigen Mediengesetze in ihrer ursprünglichen Form Anwendung finden könnten. Allerdings ist im Gegensatz zu den Beobachtungen von Djavadi auch zu bemerken, dass die Art und Weise, wie die Präsidentschaftswahl in Tadschikistan trotz der Proteste aus dem Inund Ausland im November 1999 praktisch unter Ausschluss der Opposition durchgeführt wurde (vgl. Kapitel 2.3.3), bei einer funktionierenden, freien Presse sicherlich in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Da jedoch eine unabhängige Presse so gut wie gar nicht besteht, wurde an den Umständen der tadschikischen Wahl auch nur wenig Kritik geübt. Politische Opposition und unabhängige Medien brauchen sich gegenseitig, um einen entscheidenden Gegenpol zu bilden, der auf der einen Seite die Position der Regierung schwächt und auf der anderen Seite demokratische Formen unterstützt bzw. entstehen lässt. Für die Journalisten und ihre Arbeitsbedingungen bedeutet das: Je schwächer die politische Opposition, desto geringer sind auch die Möglichkeiten der Journalisten. Je mehr Pluralismus und Demokratie herrschen, umso einfacher haben es auch die Journalisten. Die Arbeitsbedingungen der tadschikischen Journalisten im Jahr 1999 sind trotz aller denkbaren positiven Entwicklungsmodelle für die Zukunft immer noch miserabel. Die auf dem Papier existierende Pressefreiheit wird dadurch außer Kraft gesetzt, dass die Journalisten es unheimlich schwer haben, sich einem breitem Publikum zu präsentieren. Eine Zeitung ohne Papier und ein Fernsehsender ohne Strom machen es unmöglich, den tadschikischen Bürgern Appetit auf mehr Demokratie und politische sowie zwischenmenschliche Dialoge zu machen. Die Journalisten haben zwar rechtlich gesehen die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und sogar Kritik laut werden zu lassen, letztlich fehlen ihnen jedoch die Mittel, dieses auch öffentlich zu tun. Außerdem müssen sie bei jeder negativen Äußerung damit rechnen, persönlich zur Rechenschaft gezogen zu werden. In den anderen zentralasiatischen Ländern ist es hingegen eher üblich, den jeweiligen Medienbetrieb für unerwünschte Kritik zu belangen. Die Journalisten laufen dort weniger Gefahr, mit ihrer Gesundheit oder sogar mit ihrem Leben für ihre Arbeit zu bezahlen. Die Arbeitsbedingungen für die Journalisten in Tadschikistan sind daher um ein Vielfaches schwieriger, auch wenn das auf dem Papier bestehenden Maß an Pressefreiheit höher sein mag als in anderen Ländern in der Region. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Organisation Freedom House, nach deren Bewertung Tadschikistan weltweit zu den Ländern mit dem schlechtesten Medienumfeld zählt.295 Tabelle 11: Pressefreiheit in Tadschikistan 1998296

TV/Rundfunk Printmedien

A 15 15

B 15 15

C 15 15

D 2 2

gesamt

94

3.3.8 Persönliche Erfahrungsberichte tadschikischer Journalisten Der einzige sich mit den Problemen tadschikischer Journalisten beschäftigende Medienbericht, der mir bei meiner Recherche auffiel, ist ein Radiobeitrag von Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL), der am 18. Juli 1997 gesendet wurde. Der Autor, Salimjon Aioubov, veröffentlichte Tajikistan: Journalists Live in Danger and Fear eine Woche nach dem Nationalen Tadschikischen Tag der Medien am 11. März 1997. An diesem Tag gedachten tad-

294 295 296

Djavadi, Abbas. djavadia@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik Freedom House. Press Freedom Worldwide. 1.1.1999. http://www.freedomhouse.org. (24.10.1999) vgl. ebenda. Erklärung der Tabelle siehe Fußnote 168 (Seite 49)

88


schikische Journalisten ihrer getöteten Kollegen. Sie berichteten aber auch über die aktuelle Lage im Land. In dem Bericht wird der Lokaljournalist Sayidali Siddiq mit den Worten zitiert: „There is no official censorship in the Tajik media, but everyone is under the persistent pressure of selfcensorship, everyone has still vivid memories of what happened in the civil war.“297 Zangi Shavaran, ein Journalist, der für eine Regierungszeitung arbeitet, sagte gegenüber RFE/RL: „We have no guarantees, without which no one can feel himself free and safe to write everything.“298 Seine Verbitterung zum Ausdruck brachte bei dieser Gelegenheit auch ein JournalistikDozent der Dushanber Universität. Asadullo Sa'dulloev bedauert, dass der Bürgerkrieg Dutzende von Journalisten zur Flucht nach Russland und in andere Länder gezwungen habe. Diese Tatsache habe in der tadschikischen Medienlandschaft zu einem großen Defizit an professionellen Journalisten geführt. Sa'dulloev hofft jedoch, dass durch die erfolgreichen Friedensverhandlungen der Prozess des journalistischen Aderlasses wieder rückgängig gemacht werden kann und die im Exil lebenden tadschikischen Journalisten nach Zentralasien zurückzukehren, um am Aufbau ihres Heimatlandes tatkräftig mitzuarbeiten. Das Fehlen eines investigativen Journalismus paart sich in Tadschikistan mit der Unfähigkeit der politischen Opposition, eine spezielle Medienlandschaft auf der anderen Seite der Politik zu etablieren. „Aufgrund schlechter Zirkulationsmöglichkeiten bzw. schlechter Sendebedingungen verfügt keine politische Partei oder Gruppe über ein effektives elektronisches Medium oder ein PrintOutlet, durch welches sie alle ihre Anhänger erreichen könnte. Meinungspluralität kann also gar nicht entstehen, auch wenn sie theoretisch in der Verfassung vorgesehen ist,“299 sagt Sa'dulloev von der Tadschikischen Staatsuniversität. Seiner Meinung nach sind die Gründe, welche die Entwicklung der Medien in Tadschikistan hemmen, dieselben wie in den anderen zentralasiatischen Staaten: Steigende Druckpreise, unzeitgemäße Computer, fehlendes Knowhow, schlechte Sendegeräte, schlecht ausgebildete Techniker, fehlende Ausbildungsstätten für Journalisten, schlechter Einfluss der älteren Journalistengeneration auf die Jungjournalisten und ein Fehlen interregionaler Zusammenarbeit. Nach Ansicht von Najam Abbas, einem tadschikischen Journalisten aus der Hauptstadt Dushanbe, versäumen es die tadschikischen Medien, allen voran die Zeitungen, bei offiziellen Anlässen wie Staatsbesuchen oder Besuchen von ausländischen Wirtschaftsvertretern, die Hintergründe dieser Treffen zu analysieren. Abbas hält es für wichtig, den tadschikischen Bürgern die Beziehungen ihres Landes zum Rest der Welt detailliert zu schildern. Allerdings, so Abbas, beschränken sich die tadschikischen Zeitungen zumeist leider nur auf die chronologische Zusammenfassung der Treffen. „The press restrains itself to simply chronicling the relevant events usually saying that the country has signed such and such documents with this or that country or international organization.“300 Die Antworten auf die Fragen, wieso Tadschikistan die Beziehungen zu den betroffenen Ländern oder Organisationen ausbaut, worin genau die getroffenen Vereinbarungen bestehen oder wie die Nachbarländer Tadschikistans auf diese Veränderungen reagieren, werden den Lesern vorenthalten. Die Gründe für diese hintergrundlose Berichterstattung sucht Abbas sowohl auf Seiten der Leser als auch auf Seiten der Journalisten und Verleger. Die Letzteren sind seiner Meinung nach nicht an einer detaillierten Analyse interessiert, da sie glauben, der damit verbundene Mehraufwand bringe weder einen Anstieg der Verkaufszahlen noch einen Anstieg der Werbe297 298 299 300

Aioubov, Salimjon. Tajikistan: Journalists live in danger and fear. 18.3.1997. http://www.rferl.org/nca/features/1997/03/F.RU.970318153912.htm. (30.12.1997). S. 1 ebenda. S. 1 ebenda. S. 1 Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org. „From Tajikistan". 23.11.1998. Persönliche e-mail. (25.11.1998). S.1

89


einnahmen mit sich. Außerdem unterstellt Abbas den Verlegern, sie beschränkten sich in vielen Fällen auf die bloße Wiedergabe von offiziellen Texten der Presseabteilung des Präsidenten oder des Außenministeriums, um so einer „unnecessary complication“301 von vornherein aus dem Wege zu gehen. Der Vorwurf an die Journalisten, sie hielten sich oft an die offizielle Linie, um negative Reaktionen zu vermeiden, deckt sich mit den Vorwürfen gegen die Verleger. Die Leser, so Abbas weiter, scheinen sich nicht weiter für die Außenpolitik ihres Landes zu interessieren, zumindest kann er keine direkte Nachfrage erkennen, die ein erweitertes Angebot von Seiten der Medien mit sich bringen könnte. Zudem bemerkt Abbas eine mangelhafte Ausbildung bei einigen seiner Journalistenkollegen, was im Zusammenwirken mit dem ausschließlichen Vorliegen von offiziellen Quellen zu einer deutlichen Minderung der Qualität in der tadschikischen Medienlandschaft führt. Gefragt, ob man die tadschikischen Medien ‚frei‘ nennen könne, antwortet Abbas: „Ja, sie sind frei. Frei, solange sie die Politik der Herrschenden unterstützen und sie nicht in Frage stellen. Sie sind frei, die Wahrheit zu sagen bis zu dem Punkt, wo die Wahrheit die Regierung in ein schlechtes Licht rückt. Die Medien sind immer dann frei, wenn der staatliche Papierbeauftragte sagt, es gebe kein Papier oder wenn die zentrale Druckerei behauptet, sie könne keine Zeitungen drucken, da es keinen Strom gebe. Es gibt keine privaten Druckereien, keine Alternativen, selbst eine Zeitung zu produzieren. Die Zeitungsjournalisten sind also frei, sich an die Zustände zu gewöhnen oder solange zu warten, bis sie sich ändern.“302 Ein wichtiger Ansatzpunkt für Verbesserungen ist nach Einschätzung von Abbas die Vereinigung der Unabhängigen Elektronischen Medien in Zentralasien (ANESMI). Zwar sei es noch ein langer Weg, bevor die Journalistenvereinigung von der Gesellschaft akzeptiert werde, allerdings sei ihre reine Existenz bereits ein großer Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang berichtet das International Center for Journalists aus Washington im November 1999 unter Berufung auf die Medienassistenz-Organisation Internews, dass die tadschikische Abteilung von ANESMI im Herbst 1999 unter dem Namen NANSMIT (National Asociation of Independent Mass Media in Tajikistan) als nicht-staatliche Organisation in Dushanbe offiziell registriert worden ist. Auch die praktische Arbeit hat bereits begonnen. 13 Journalistik-Studenten fanden sich zu einem Kamera-Workshop zusammen und konnten anschließend in Zusammenarbeit mit dem Internews-Büro in Dushanbe das wöchentliche Fernsehmagazin Paighom (Nachrichten aus der Ferne) produzieren. Außerdem sollen Seminare angeboten werden, die die unabhängigen Journalisten auf ihre Arbeit in dem Krisengebiet besser vorbereiten sollen.303 Die einzigen auch jetzt schon positiv spürbaren Ansätze sieht Najam Abbas jedoch bei den russischen Medien. Hier könne man von Zeit zu Zeit Berichte über die Außen- und Innenpolitik Tadschikistans lesen, die sich durch einen unzensierten Kommentar kennzeichnen. Einer dieser Berichte, veröffentlicht in der russischen Zeitung Obshaya Gazeta am 26. August 1994, befasst sich direkt mit der Situation der tadschikischen Journalisten und den damit verbundenen tödlichen Gefahren. Unter dem Titel Refugee Journalist on Plight of Mass Media „They are all dying, but we remain silent"304 beschreibt die Journalistin Anna Politkovskaya 301 302 303

304

ebenda. S. 1 vgl. Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org. "Media in Tajikistan". 6.2.1999. Persönliche e-mail. (10.2.1999) vgl. International Center for Journalists. Tajik media association registers as NGO, assumes role in vital issues. 2.11.1999. http://www.ijnet.org/Archive/1999/11/5-6245.html. (25.12.1999) „In November, the association will conduct seminars on journalism and elections in the cities of Dushanbe, Khojent, Khorog, Kulyab and Kurgan Tube. NANSMIT helped organize a similar seminar in Dushanbe, the capital, in September.“ Politkovskaya, Anna. Refugee Journalist on Plight of Mass Media. Interview mit Oleg Panfilov. In: Obshaya Gazeta, 26.8.1994. Englische Übersetzung weitergeleitet durch: Straub, David. davidstraub@geocities.com. "Re: tajikistan/journalism". 5.1.1998. Persönliche e-mail. (5.1.1998)

90


ein Interview, das sie mit dem in Tadschikistan geborenen Russen Oleg Panfilov geführt hat. Der aus seinem Heimatland geflohene Journalist sagt klar, was er von den Todesfällen unter den tadschikischen Journalisten und den damit verbundenen mangelhaften Ermittlungen hält: „The minister of Internal Affairs in the present government is former criminal Yakub Salimov, who was convicted twice. His friends, obviously not lawyers, followed him to the ministry. A criminal, a certain Rustam, a well-known Tajik racketeer with the nickname Bespredel (‚Outrageous‘) was also appointed chief of the administration for the fight against gangsterism.“305 Er selbst, so Panfilov, sammle Informationen über die Mordfälle in der vagen Hoffnung, er könne sie in der Zukunft an eine neue Regierung übergeben, die an der Aufklärung der Morde interessiert sei. Panfilov gibt zudem an, er wolle sich für die Schaffung einer Gedenktafel am Gebäude der Tajik Union of Journalists stark machen. Eine Gewerkschaft der Journalisten existiert in Tadschikistan, doch ist auch sie laut Panfilov eine „kontrollierte Organisation“306. Im abschließenden Teil des Interviews von Anna Poltikovskaya steht die Oppositionszeitung Charoghi Ruz im Vordergrund. Diese wird, wie in Kapitel 3.3.2 bereits beschrieben, in Moskau gedruckt und anschließend nach Tadschikistan geschmuggelt, wo sie offiziell verboten ist. Politkovskaya hinterfragt die Tatsache, dass nicht mehr der geflüchteten Journalisten für diese früher in Tadschikistan so populäre Zeitung arbeiten. Oleg Panfilov bestätigt in seiner Antwort die Popularität der Charoghi Ruz. Die Zeitung, deren Auflage die der staatlichen Zeitungen um ein Vielfaches übertraf, war zu ihrer besten Zeit schon mittags in Dushanbe ausverkauft. Wer immer jedoch mit der Charoghi Ruz in Berührung kam oder komme, setzte sich selbst schlimmsten Gefahren aus. So berichtet Panfilov von dem Chefredakteur der Charoghi Ruz, Dododzhon Atovylloyev, dem nach Monaten von Verfolgung und Erniedrigung schließlich sämtliche Schneidezähne ausgeschlagen wurden. Auch sind Panfilov Erzählungen zu Ohren gekommen, wonach eine Person, die mit der Charoghi Ruz in der Hand auf einer Parkbank saß, einfach von vorbeifahrenden Militärs erschossen wurde. Die Gründe dafür, wieso nicht mehr Journalisten für die Charoghi Ruz arbeiten, erklären sich von selbst. Vor allem die Angst vor Verfolgung und Ermordung bestimmt das Handeln der tadschikischen Journalisten. Zudem werden die Herausgeber der Charoghi Ruz nach Angaben von Oleg Panfilov auch in Moskau an ihrer Arbeit gehindert, indem ihnen der Druck der Zeitung verboten wird. Da die Charoghi Ruz keine Werbung beinhaltet, gesellen sich zu den genannten Problemen auch noch finanzielle Probleme. Oleg Panfilov beendet das Interview mit den ernüchternden Worten: „There is an information famine in Tajikistan.“307 In allen Erfahrungsberichten von Journalisten, die aus Tadschikistan stammen oder auch jetzt noch dort arbeiten, wird klar, mit welchen enormen Problem die Medienvertreter in dem zentralasiatischen Land zu kämpfen haben. Eigentlich ist es verwunderlich, vor allem im Hinblick auf die vielen Todesfälle unter den Journalisten, dass sich immer noch Menschen finden, die für eine freie Presse in Tadschikistan eintreten. Nimmt man die jetzigen Zustände als Richtwert, dann scheint ein Engagement dennoch sinnvoll. Denn die Zukunft kann eigentlich nur eine Verbesserung der Situation mit sich bringen.

3.3.9 Perspektiven für die tadschikischen Medien Mehr als in allen anderen zentralasiatischen Staaten ist die Situation der Journalisten in Tadschikistan abhängig von der politischen Lage des Landes. Als Verfechter der freien Meinungsäußerung und Kämpfer für Demokratie sind die wenigen unabhängigen Journalisten eine exponierte Zielscheibe für die verschiedenen extremen Lager in Tadschikistan. Zurzeit 305 306 307

ebenda. S. 3 ebenda. S. 3 ebenda. S. 5

91


herrscht eine gewisse Ruhe, die aber jederzeit in Anarchie und Chaos übergehen kann. Sollte dies passieren, könnten sich die Journalisten unter Umständen in der gleichen misslichen Lage wiederfinden wie in den Jahren 1992 bis 1994, in denen eine große Zahl von ihnen für ihre Arbeit mit dem Leben bezahlen musste. Die tadschikischen Medien haben daher nur eine echte Chance, wenn sich die politische und die wirtschaftliche Situation des Landes stabilisieren und der noch wacklige Frieden gefestigt wird. Die Vereinten Nationen versuchen mit Hilfe der UNMOT (United Nations Mission of Observers in Tajikistan), die gewünschten Verbesserungen herbeizuführen bzw. ihren Entwicklungsprozess zu unterstützen. In den vorangegangenen Kapiteln ist erläutert geworden, in welcher extremen Abhängigkeit von der politischen Lage sich die tadschikische Medienlandschaft befindet. Eine Demokratisierung der Medien führt daher nur über eine Demokratisierung der gesamten Gesellschaft. Solange die Regierung Rakhmonov in der bestehenden Zusammensetzung und mit der jetzigen politischen Linie weiter an der Macht bleibt, dürfte sich für die tadschikischen Journalisten nicht viel an ihrer prekären Lage ändern. Wie die politische Zukunft in Tadschikistan aussehen wird, dazu hielt der tadschikische Außenminister Talbak Nazarov am 30. September 1998 vor der Asia Society in New York eine Rede.308 Darin stellte er gleich zu Beginn klar, dass Tadschikistan sich erst am Anfang eines beschwerlichen Weges hin zu einer marktwirtschaftlich geprägten Demokratie befinde. Wichtigster Punkt sei dabei zurzeit die nationale Aussöhnung, die durch das formale Ende des Bürgerkriegs am 27. Juni 1996 (Unterzeichnung des Friedensabkommens und des Abkommens über nationale Aussöhnung durch Präsident Rakhmonov und den Vorsitzenden der United Tajik Opposition (UTO), Said Abdullah Nuri) eingeleitet wurde. Nazarov weiß um die zahlreichen Probleme, die der beabsichtigten Aussöhnung im Wege stehen, weist jedoch gleichzeitig auf die stetigen Fortschritte des Friedensprozesses hin und sagt deutlich, dass sowohl der Friedensprozess als auch die nationale Aussöhnung bereits soweit vorangeschritten sind, dass sie durch nichts mehr aufgehalten bzw. rückgängig gemacht werden können309. Der tadschikische Außenminister erkennt in seiner Rede die Bemühungen an, die die internationale Staatengemeinschaft unternommen hat, um Tadschikistan aus dem Bürgerkriegssumpf zu retten. Besondere Erwähnung erfahren die beiden Länder, die unmittelbar an der Ausarbeitung des Friedensvertrages vom Juni 1996 beteiligt waren, Russland und die Islamische Republik Iran. Der zweite Teil der Rede Nazarovs ist der religiösen und politischen Situation Tadschikistans gewidmet. Auch hier hat der Bürgerkrieg der 90er Jahre für entscheidende Veränderungen gesorgt. Nazarov spricht von einer Umverteilung der sozialen und politischen Kräfte sowie der regionalen und öffentlichen Elemente im Vergleich zu der Situation, welche während der Sowjetzeit in Tadschikistan herrschte310. Als Initiatoren der entstandenen Veränderungen nennt Nazarov die politisch agierenden Islamisten aus den Bergdörfern. Kurz darauf globalisiert der tadschikische Außenminister die Probleme seines Landes: „As in many other ‚hot

308

309

310

Die Rede von Talbak Nazarov ist mit dem Titel Tajikistan: Horizons of the present and for the future (Tadschikistan: Horizonte der Gegenwart und für die Zukunft) versehen. Der Originaltext, herausgegeben von der Ständigen Mission der Republik Tadschikistan bei den Vereinten Nationen in New York, wurde mir von der Asia Society in New York für die Studienarbeit Medien in Tadschikistan unter besonderer Berücksichtigung der Situation der Journalisten (Februar 1999) zur Verfügung gestellt. vgl. Nazarov, Talbak: Tajikistan: Horizons of the present and for the future. S. 1 „The process has run into many difficulties but, nonetheless, is moving steadily forward. The major achievement is that the initiated peace process and related nation-wide consolidation have already become irreversible.“ ebenda, vgl. S. 2: „The civil war in Tajikistan drastically changed the distribution of social and political forces, regional and public elements that were established in Soviet times.“

92


spots‘ on our planet, in Tajikistan religion is an instrument in the struggle for power, like nationalism, democracy and secularism."311 Hieran lässt sich erkennen, welche Rolle die Religion hinsichtlich der Zukunft Tadschikistans haben wird. Der Bürgerkrieg war in erster Linie ein Religionskrieg. Die islamische Opposition hat zwar das Friedensabkommen unterzeichnet, jedoch kämpfen Basisislamisten in den Bergregionen vor allem im Südosten Tadschikistans weiter gegen die Regierung in Dushanbe. Diese weiß um die fundamentale Bedeutung der Religion, was Nazarov verdeutlicht: „We have not prevented and will not prevent Islam from taking its proper place within the traditional structure that is being reconstructed, but we will not allow anybody to fill the current vacuum with a new form of totalitarian ideology similar to that professed by the Taleban in Afghanistan, which seeks to compensate for its spiritual poverty with fundamentalist extremism."312 Dies ist eine klare Absage an die Islamisten, ein Plädoyer für eine deutliche Trennung von Staat und Religion. Als Beispiele dürften für die Regierung Rakhmonov die zentralasiatischen Nachbarn Usbekistan und Turkmenistan dienen, deren Präsidenten Islam Karimov (Usbekistan) und Saparmurat Turkmenbashi (Turkmenistan) ebenfalls eine direkte Einmischung der Islamisten in die Politik verhindern. Wie heftig die Grabenkämpfe zwischen den Islamisten und der Regierung Rakhmonov in Tadschikistan sind, erklären Nazarovs Ausführungen, wonach die Islamisten auf eine Verfassungsänderung drängen, weil bzw. obwohl die tadschikische Verfassung die Trennung von Staat und Religion als unveränderbaren Status Quo verankert hat. Bei der Bewältigung der zukünftigen religiös geprägten Probleme hofft die tadschikische Regierung auf Hilfe von außen. Tadschikistan, Usbekistan und Russland haben mittlerweile eine Drei-Parteien-Union gebildet. Diese gilt als erster praktischer Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Koordinierung der politischen Ausrichtung der drei Länder vor allem hinsichtlich religiöser Aktivitäten im zentralasiatischen Raum. Die Aufrechterhaltung der momentanen Hilfen wie die friedensichernden Maßnahmen der OSZE und zahlreiche andere humanitären Aktionen internationaler Hilfsorganisationen hält der tadschikische Außenminister für unbedingt notwendig, um die derzeit gefestigte Situation Tadschikistans im „Epizentrum dieser potentiell explosiven religiös-politischen Konfliktregion"313 nicht zu gefährden. Am Ende seiner Rede hebt Nazarov noch einmal die „menschlichen Ressourcen" Tadschikistans hervor. So sei trotz des Bürgerkriegs das Schulwesen nicht vernachlässigt worden, auch wenn im Süden des Landes zahlreiche Schulen schwer beschädigt worden sind. Das intellektuelle Potential sei jedoch nicht zerstört worden. Daraus entstehe seiner Meinung nach die Hoffnung auf einen Sieg der Tadschiken bei der „ideologischen Konfrontation mit dem politischen Islam"314. Seit der Rede Nazarovs hat sich an der Situation im Land nichts geändert. Präsident Rakhmonov hat nach den Wahlen im November 1999 sein Amt gefestigt. Allerdings stellt sich die Frage, wie lange man die politische Opposition, die eigentlich schon lange anerkannt und akzeptiert sein sollte, noch aus dem politischen Geschehen ausschließen kann und will. Sollte diese deutliche Trennung innerhalb der Gesellschaft anhalten, scheint ein Rückfall in Zeiten des Bürgerkriegs möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich. Eric Johnson von der Medienassistenz-Organisation Internews urteilt daher über die Situation in Tadschikistan auch grundlegend anders als der tadschikische Außenminister. Er sagt un-

311 312 313 314

ebenda. S. 2 ebenda. S. 3 ebenda. S. 6 ebenda. S. 7

93


missverständlich: „Tajikistan just isn’t a country. There is no central government, no laws that are widely accepted and no history of a civil society.“315 Johnson geht davon aus, dass Tadschikistan in seiner jetzigen Form nicht lange bestehen bleiben wird. Daher fällt seine Prognose für die Zukunft der Medien auch entsprechend verhalten aus. Zwar sagt er: „For the situation of the journalists, there is no way to go but up.“316, doch wie genau die Medien diesen Weg einschlagen sollen, kann auch Johnson nicht vorhersehen. Die Tatsache, dass der rechtliche Rahmen ein gewisses Maß an Pressefreiheit zulässt, diese aber wegen der großen Gefahr für die Journalisten, binnen kürzester Zeit zu Opfern von Gewalttaten werden zu können, gar nicht ausgeübt werden kann, stimmt Johnson nachdenklich. Während die Journalisten in den anderen zentralasiatischen Ländern wegen der Einschränkungen bei der Pressefreiheit nur beruflich ums Überleben kämpfen, kämpfen die tadschikischen Journalisten auch körperlich ums Überleben. „Restricting the freedom of the press is one thing, practicing physical violence is another thing. There is a real threat for the journalists in Tajikistan. And there is nothing that can stop you from being murdered.“317 Eric Johnson erweitert die Bedenken, die er gegenüber der Zukunft Tadschikistans hat, auch auf das Nachbarland Afghanistan. Der Einfluss der Taleban und die ungeklärten Grenz- und Kompetenzfragen in der Region lassen für die kommenden Jahre Schlimmes befürchten. Da die Perspektiven der Medien in Tadschikistan eng verbunden sind mit der politischen Entwicklung des Landes, erwartet Johnson keine Verbesserung der Situation. Auch in der Rede des tadschikischen Außenministers Talbak Nazarov wurde deutlich, wie wichtig der Afghanistan-Faktor hinsichtlich der Zukunft der gesamten Region wirklich ist. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass in Afghanistan rund vier Millionen Tadschiken leben. Hinzu kommt, dass die Tadschiken in der südöstlichen Provinz Gorno-Badakhshan dieselbe Sprache, dieselbe Religion und dieselben kulturellen Wurzeln haben wie ihre ‚Brüder‘ jenseits der Grenze.318 Schon während des tadschikischen Bürgerkriegs kamen Befürchtungen auf, Tadschikistan könne dasselbe Schicksal ereilen wie Afghanistan. In dem gebirgigen Staat südlich des Grenzflusses Oxus wütet mittlerweile seit Jahrzehnten ein vollends aus den Fugen geratener Bürgerkrieg, der die ganze Region mit einer gewissen Instabilität überzogen hat. Die Geschichte hat diese Befürchtungen bislang zumindest zum Glück nicht ganz bestätigt. Sobald sich die afghanische Taleban der ehemaligen Sowjetgrenze nähert, sei dies in Tadschikistan oder wie zuletzt im August 1999 in Usbekistan, schrillen auch in Moskau die Alarmglocken. Dann besinnt sich der Kreml auf die seit dem Moskauer Zentralasien-Gipfel vom 7. August 1993 gültigen Dokumente, die die Unverletzbarkeit der Staatsgrenzen von Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan festschreiben und die tadschikisch-afghanische Grenze als gemeinsame Grenze der GUS-Staaten anerkennen. Außerdem behalten sich die GUS-Staaten unter Führung der Russischen Föderation militärische Schritte und die „heiße Verfolgung des Feindes“ („hot persuit of enemy“319) vor, sollte die tadschikisch-afghanische Grenze verletzt werden. Wie ernst die Präsidenten der zentralasiatischen Staaten die Bedrohung aus dem Süden nehmen, zeigt sich auch in einem Interview mit dem kirgisischen Präsidenten Askar Akajew aus dem Jahr 1997. Auf die Frage der amerikanischen Journalistin Robin Wright „You live in a dangerous neighborhood. Afghanistan is nearby, as is Iran. What do you see as the main national security threats?“ antwortete Akajew: „Afghanistan is a big problem for our region. (...) Afghanistan won't be unified even if the Taliban conquer (the last major holdout region) in the north because of ethnic divisions. To achieve peace, all ethnic groups must be included. 315 316 317 318 319

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich ebenda ebenda Nazarov, Talbak: Tajikistan: Horizons of the present and for the future. S. 5 Warikoo, K. Cockpit of Central Asia: Afghanistan Factor in Tajikistan's Crisis. http://207.159.86.9/Afghanistan/Warikoo.html. (15.11.1998). S. 10

94


But the big threat for us is (narcotics) traffic, which is a problem we never expected. It is a great danger because there are many people in business and becoming addicts. Most of it comes from Afghanistan, where it is the main source of income to support the conflict. (...) We've asked the U.S. and the European Union to help us because we can't cope with the problem on our own.“320 Der Präsenz der russischen Armee in Tadschikistan wird neben dem diplomatischen Einfluss des Westens die größte Bedeutung bei der Befriedung der Region beigemessen. Eine DumaDelegation, die Ende 1997 Tadschikistan bereiste, warnte die Regierung der Russischen Föderation in Moskau vor einem Rückzug aus dem Land. Ihnen war bei ihrem Aufenthalt in Zentralasien klar geworden, dass wenn das Militär abgezogen wird, Zentralasien für Russland für immer verloren ist („We lose Central Asia for good.")321. Diese Aussage beweist jedoch auch, dass in Moskau immer noch mit Zentralasien gerechnet wird. Die fünf Länder zwischen dem Kaspischen Meer und dem Pamir-Gebirge sind zwar faktisch seit 1991 souveräne Staaten, aber im Moskauer Kreml gelten sie deshalb lange noch nicht als verloren. Die militärischen und geopolitischen Interessen Russlands sind nach wie vor ganz wesentliche Bestandteile des Alltags in Zentralasien. Der Regierung Rakhmonov kommt ein Verbleiben der russischen Truppen ebenfalls entgegen, da die Einheiten der Russischen Föderation militärische Stärke garantieren und den Präsidenten dadurch vor Umsturzversuchen schützen. Zum anderen bedeutet ein russisches militärisches Engagement in Tadschikistan auch ein finanzielles Engagement. Widerspruch kommt lediglich aus dem Nachbarland Usbekistan, welches selbst durch einen Abzug der Russen an militärischer und politischer Macht in Zentralasien gewinnen würde. Jede Erweiterung der russisch-tadschikischen Zusammenarbeit stößt daher in Usbekistan auf scharfe Kritik. Die Usbeken unter ihrem diktatorischen Präsidenten Islam Karimov beanspruchen für sich die Hauptrolle im neuen Great Game322 in Zentralasien, was jedoch durch die immer noch andauernde russische Militärpräsenz zurzeit nicht mit der Realität vereinbar ist. Der gesellschaftliche Einfluss Usbekistans auf den Norden Tadschikistans ist allerdings ohnehin seit Jahrhunderten enorm groß und hat in den Bürgerkriegsjahren eher noch an Intensität zugenommen. Experten gehen jedoch davon aus, dass Usbekistan zumindest im Moment noch keine militärische Einmischung in die Belange seines südlichen Nachbarn anstrebt. Eine abschließende Prognose zur Zukunft der tadschikischen Medien abzugeben, fällt aufgrund der sehr unübersichtlichen politischen und wirtschaftlichen Lage im Land äußerst schwer. Das seit nunmehr gut acht Jahren unabhängige Land hat noch immer nicht die Stabilität erreicht, die ein Staat braucht, um seinen Menschen Perspektiven zu geben. Auch der Journalismus in Tadschikistan leidet unter der Instabilität von Wirtschaft und Politik. Solange die Einwohner täglich ums Überleben kämpfen müssen, werden sie auch in Zukunft für die Probleme der Massenmedien nur wenig zugänglich sein. Erst wenn die Existenzängste des Einzelnen in den Hintergrund rücken, ist Raum für übergreifendere Diskussionen. Auch auf meinen Reisen durch Zentralasien ist mir mehrfach deutlich geworden, wie wenig die Menschen in der Region, vor allem aber in Tadschikistan, an Pressefreiheit und Meinungspluralität in320 321 322

Wright, Robin. Askar Akaev nurturing a Fragile Democracy in Post-Communist Kyrgyzstan. http://www.kyrgyzstan.org/public/01.html#robin. (1.11.1999) Khodjibaev, Karim. Russian Troops and the Conflict in Tajikistan. In: Center for Political and Strategic Studies (Hrsg.). Perspectives on Central Asia. http://www.cpss.org/casianw/perca1197.txt. (18.1.1999). Der Begriff Great Game beschrieb im 19. und 20. Jahrhundert den Machtpoker der Briten und der Russen in Zentralasien. Mittelpunkt der zumeist mit Spionage durchgeführten Aktionen von beiden Seiten war das Bestreben um die Vorherrschaft in Indien. Als Erster benutzte nach Angaben von Peter Hopkirk (Hopkirk, Peter. The Great Game. The struggle for Empire in Central Asia. Kodansha International. USA. 1990. S. 123) der britische Soldat Lieutenant Arthur Conolly in der Mitte des 19. Jahrhundert den Begriff Great Game in einem persönlichen Brief. Das bekannteste Beispiel für Great GameLiteratur ist der Roman Kim des Nobelpreisträgers Rudyard Kipling.

95


teressiert sind. Es stehen einfach zu viele andere Probleme im Vordergrund, deren Lösungen ebenso schwierig aber dafür umso dringlicher sind. Die wenigen positiven Ansätze, die die tadschikischen Medien erkennen lassen, finden sich zumeist auf ausländischem Territorium. Die Untergrundzeitung Charoghi Ruz ist ein gutes Beispiel dafür, wie Journalisten, die ihren Beruf als Berufung empfinden, allen Widrigkeiten zum Trotz ihrer Linie treu bleiben und das diktatorische System von außen unterwandern können. Auch der Ansatz, aus dem westlichen Ausland heraus mit westlichen Mitteln ein Radioprogramm für Tadschikistan zu produzieren, wie es das Team von Radio Free Europe / Radio Liberty in Prag macht, erscheint mir als eine durchaus gute Alternative. Radio Free Europe / Radio Liberty ist in Zentralasien, wie ich durch eigene Aufenthalte in der Region weiß, sehr beliebt und hoch angesehen. Wichtig ist meiner Meinung nach jedoch, dass die tadschikischen Journalisten, die momentan in Prag arbeiten, zu gegebener Zeit wieder den Weg zurück in ihr Heimatland finden. ‚Zu gegebener Zeit‘ heißt dann, wenn unter die in Kapitel 3.3.6 beschriebenen Grausamkeiten ein Schlussstrich gezogen wird. Die Jahre 1992 und 1993 waren aus tadschikischer Sicht die dunkelsten in der Geschichte des noch jungen Landes. Es ist sehr erfreulich, dass der Trend der frühen 90er Jahre zumindest in Teilen gebremst worden ist und die Morde an Journalisten in Tadschikistan doch deutlich zurückgegangen sind. Trotzdem ist jeder einzelne Journalist, der wegen der Ausübung seines Berufes mit dem Leben bezahlen muss, einer zuviel. Die Erfahrungsberichte der tadschikischen Journalisten (Kapitel 3.3.8) zeigen deutlich, wie schwer es die Medienvertreter in Tadschikistan haben. Vor allem die Ausführungen von Najam Abbas sind meiner Meinung nach eindrucksvolle Momentaufnahmen der Situation der Journalisten im Jahr 1999. Die Ironie, mit der er den Grad der Pressefreiheit in Tadschikistan karikiert, sagt viel über die Sichtweise der Einheimischen aus. Sie haben allem Anschein nach eine Art ‚Galgenhumor‘ entwickelt, die es ihnen ermöglicht, trotz der fast unerträglichen Einschränkungen ihren Beruf weiter auszuüben. Wie genau es mit den Medien in Tadschikistan jetzt weitergehen wird, ist ungewiss. Eine einheitliche Sichtweise konnte ich bei meiner Recherche nicht herausfiltern. Während die tadschikischen Journalisten des Radiosenders Radio Free Europe / Radio Liberty die positiven Veränderungen hervorheben und vergleichsweise zuversichtlich in die Zukunft blicken, beurteilen die meisten ausländischen Beobachter die Situation erheblich kritischer. Neben Eric Johnson von Internews sieht auch Marie Struthers, die sich für Human Rights Watch im Jahr 1999 eingehend mit der Situation in Tadschikistan beschäftigt hat, trotz der anscheinenden politischen Stabilisierung keinen Grund für die vorschnelle Hoffnung darauf, dass sich die neuerdings geduldete politische Opposition auch in den Medien widerspiegeln wird. Es scheint so, als orientiere sich die tadschikische Führung hinsichtlich des Umgangs mit den einheimischen Journalisten an den Nachbarländern Usbekistan und Turkmenistan. Dort leidet die Pressefreiheit ebenfalls darunter, dass die Stabilisierung der Wirtschaft und die Trennung von Staat und Religion oberste Priorität genießen. Allerdings leben die Journalisten in den genannten Ländern auch erheblich sicherer als in Tadschikistan. Und nur lebende Journalisten (meine Hervorhebung, C.S.) können den Demokratisierungsprozess vorantreiben und sich für eine echte Pressefreiheit einsetzen. Voraussetzung für eine bessere Zukunft der tadschikischen Medien ist also in erster Linie eine Stabilisierung des gesamten wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umfeldes.

96


3.4 Medien in Turkmenistan Es ist nicht einfach, umfangreiche Informationen über die turkmenischen Medien zu erhalten. Nur wenige Journalisten haben es in den vergangenen achteinhalb Jahren seit der Unabhängigkeit des zentralasiatischen Landes für sinnvoll gehalten, die spärlichen Ansätze unabhängiger Berichterstattung im Land von Turkmenbashi, dem ‚Herrn der Turkmenen‘, genauer zu untersuchen. Aus diesem Grund ist das, was über die turkmenischen Medien bekannt ist, die Arbeit einiger weniger engagierter Journalisten. Allen voran ist wiederum Eric Johnson von Internews zu nennen, der als einer der ersten 1996 eine Recherche-Reise nach Turkmenistan machte. Ein Großteil der Informationen, auf die ich mich in dem Kapitel über die turkmenischen Medien beziehe, stammt aus dem von Eric Johnson geschriebenen Reisebericht Turkmenistan Electronic Mass Media - Trip Report323. Eine andere Quelle, auf die ich mehrfach zurückgreife, ist der Bericht Media in the CIS. Turkmenistan324, den der Journalist Yasha Lange 1997 für das in Düsseldorf ansässige European Institute for the Media (EIM) in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission angefertigt hat sowie die überarbeitete Version des Berichts aus dem Jahr 1999. Außerdem verfügt die Homepage von Radio Free Europe / Radio Liberty über eine spezielle Seite für ihren turkmenischen Dienst325. Hier finden sich weitere Informationen, die Aufschluss darüber geben, wie es um die turkmenischen Massenmedien bestellt ist. Der Leiter des turkmenischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty in Prag, Mohammad Nazar, sagt: „There are no independent newspapers, no independent TV stations, not one independent journal and no independent political parties in Turkmenistan“326. Damit macht er klar, dass eine unabhängige Medienlandschaft in Turkmenistan nicht existiert. Die Medien, die in dem westlichsten Land Zentralasiens noch funktionieren, sind allesamt staatliche Medien. Dabei hatte die Situation kurz nach dem Ende der Sowjetunion gar nicht so schlecht für die turkmenischen Journalisten ausgesehen. Als der sowjetische Einfluss auf Turkmenistan Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre immer geringer wurde, schienen sich in dem rohstoffreichen Land unabhängige Medien schnell zu etablieren. Ein relativ liberales Mediengesetz unterstützte diese Tendenz und schon in den frühen 90er Jahren gab es in mindestens drei turkmenischen Städten unabhängige, kommerzielle Fernsehsender. Dabei machte vor allem das Kabelfernsehen einen beachtlichen Entwicklungssprung in den urbanen Gebieten. Alle privaten Fernsehsender verschwanden allerdings bis 1994, weil, so Informationen von Eric Johnson zufolge, offizielle Stellen ihnen finanzielle Unregelmäßigkeiten vorwarfen.327

3.4.1 Elektronische Medien Der staatliche Rundfunksender Turkmenistans, TMT, hat im elektronischen Bereich eine Monopolstellung. Die Mitarbeiter von TMT, das seit 1992 direkt dem Präsidenten Turkmenbashi unterstellt ist, stellen jeden Tag für die beiden TV-Sender TMT-1 und TMT-2 insgesamt 28 Stunden Programm her. Außerdem produzieren sie etwa 36 Stunden Radioprogramm, das 323 324 325 326 327

vgl. Johnson, Eric. Turkmenistan Electronic Mass Media - Trip Report. August 1996. http://www.soros.org/turkstan/turktrip.html. (4.6.1999) vgl. Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.6.1999) Radio Free Europe / Radio Liberty. Turkmen Service. http://www.rferl.org/BD/TU/. Nazar, Mohammad. nazarm@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik Johnson, Eric. Turkmenistan Electronic Mass Media. Internews. August 1996. http://www.soros.org/turkstan/turktrip.html. (4.6.1999). S. 3

97


ebenfalls auf zwei Kanälen in ganz Turkmenistan zu empfangen ist. Daneben ist TMT für die Ausstrahlung des Programms des russischen Fernsehsenders ORT (fünf Stunden pro Tag) und des türkischen Senders Avrazya (vier Stunden pro Tag), verantwortlich. Während TMT-1 98 Prozent, TMT-2 72 Prozent und ORT 96 Prozent aller turkmenischen Fernsehhaushalte erreichen, ist das Programm von Avrazya nur in der Hauptstadt Ashgabat zu empfangen. Bis November 1998 betrug die Sendezeit des russischen Senders ORT noch 18 Stunden pro Tag. Die fünf Stunden, die jetzt noch gesendet werden, durchlaufen vor ihrer Ausstrahlung eine Kontrolle durch ein spezielles Komitee, das die Inhalte des Programms prüft und gegebenenfalls Beiträge oder Sequenzen herausschneidet, bevor das Programm in Turkmenistan gesendet wird. Außerdem steht die Russische Föderation bei der aktuellen Berichterstattung von ORT deutlich im Vordergrund. Über die Situation in Zentralasien wird hier nur in sehr geringem Umfang berichtet.328 Das Programm von TMT ist, so das European Institute for the Media, zumeist von schlechter Qualität. Außerdem senden die beiden staatlichen Sender oftmals ähnliche Programme, was bei lediglich zwei bestehenden Programmen zusätzlich kontraproduktiv ist. In vielen Fällen werden die geplanten Sendungen kurzerhand verschoben oder sie fallen aus, weil TMT sich entscheidet, über aktuelle Termine des Präsidenten zu berichten. „A great deal of time is taken up with covering the president’s agenda and promoting his politics. Events tend to be treated in a uniformely positive light.“ 329 Unabhängige elektronische Medien gibt es in Turkmenistan nicht. Den turkmenischen Bürgern bleibt jedoch noch die Möglichkeit, sich per Radio über den turkmenischen Dienst von Radio Free Europe / Radio Liberty in ihrer Muttersprache über die Ereignisse in ihrem Land zu informieren. Über je drei verschiedene Kurzwellenfrequenzen sendet RFE/RL vier Stunden pro Tag in turkmenischer Sprache (siehe auch Kapitel 5.2.4).

3.4.2 Printmedien Die Situation auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt in Turkmenistan ist keineswegs besser als die der elektronischen Medien. Unabhängige Printmedien existieren nicht. Zwar gibt es im ganzen Land etwa 40 verschiedene Veröffentlichungen in gedruckter Form, darunter auch fünf regionale Zeitungen, allerdings sind alle diese Zeitungen bzw. Zeitschriften staatlicher Natur und berichten fast ausschließlich über die Arbeit des turkmenischen Präsidenten Saparmurat Niyazov. Der selbsternannte Turkmenbashi wurde Ende 1995 nach der Neutralitätserklärung Turkmenistans durch die Vereinten Nationen zum Gründer der in Neitralnyi Turkmenistan (vorher Turkmenskaya Iskra) umbenannten russischsprachigen Tageszeitung erklärt. Seit diesem Zeitpunkt gilt Turkmenbashi auch als Gründer aller regionalen und Besitzer aller nationalen Zeitungen.330 Jede Zeitung, so Rozynazar Khoudaiberdiev vom turkmenischen Dienst von RFE/RL, muss auf ihrer ersten Seite mindestens ein Foto von Turkmenbashi haben. Auf jeder Zeitung ist ebenfalls der Zusatz zu lesen: „Howandary – Türkmenistayn Prezidenti Saparmyrat Türkmenbasy“ (übersetzt: Besitzer - Der turkmenische Präsident Sa328

329

330

IFEX Communique #7-17, Turkmenistan: State Control of Media Pervasive. 28.4.1998. In: International Center for Journalists. IJNet. Turkmenistan: Press overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10.1999) McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 276 Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (2.11.1999) ebenda. S. 277. „In a UN resolution passed on the 12th of December 1995, Turkmenistan was recognised by the international community as a ‚neutral state‘. (...) President Niyazov was announced as the new founder and owner of all national newspapers. At the same time he also became founder of all regional newspapers.

98


parmurat Turkmenbashi). Alle Zeitungen drucken zusätzlich jeden Tag auf Seite 1 die neue turkmenische Nationalhymne in turkmenischer und englischer Sprache ab: „Turkmenistan, my beloved motherland, my beloved homeland! You are always with me in my thought and in my heart. For the slightest evil against you let my hand be lost. For the slightest slander about you let my tongue be lost. At the moment of my betrayal to my motherland, to her sacred banner, to Saparmurat Tukmenbashy let my breath stop.“331 Die führenden Zeitungen in Turkmenistan sind die beiden bereits genannten Türkmenistan (turkmenischsprachig) und Neitralnyi Turkmenistan (russischsprachig) mit Auflagenstärken um jeweils 16-20.000 Exemplaren. Diese Zahlen bedeuten eine Halbierung der Zahlen von vor einigen Jahren. Das European Institute for the Media führt diese Entwicklung neben den finanziellen Problemen der potentiellen Leser auch auf die Tatsache zurück, dass die Zeitungen größtenteils aus immer wiederkehrenden Artikeln und den gewohnten ‚ofitsioz‘, offiziell herausgegebenen Meldungen, bestehen. Insgesamt existieren 13 verschiedene nationale Tageszeitungen sowie einige regionale und lokale Zeitungen, die mehrfach pro Woche herausgegeben werden. Bei den regionalen und lokalen Zeitungen werden ebenfalls fast ausschließlich offizielle Meldungen verbreitet. Der einzige Unterschied ist, dass die jeweiligen Bürgermeister als Gründer und Eigentümer der Zeitungen geführt werden. Ausländische Zeitungen zu abonnieren oder andersweitig ins Land einzuführen ist seit einigen Jahren verboten (vgl. Kapitel 3.4.5).

3.4.3 Nachrichtenagenturen In Turkmenistan existiert nur eine Nachrichtenagentur, die staatliche Nachrichtenagentur Turkmen Press. Sie ist direkt dem Präsidenten unterstellt und diejenige Stelle, welche die Zeitungen und die elektronischen Medien des Landes mit Informationen über die Termine des Präsidenten versorgt. Turkmen Press stellt sicher, dass das Ziel der turkmenischen Regierung, die Nutzung der Medien als Propagandamaschine zugunsten des Präsidenten, in vollem Ausmaß erreicht wird.

3.4.4 Internet Die staatliche Telekommunikationsfirma Turkmentelecom ist der einzig Internet-Provider in Turkmenistan. Zwar gibt es keine offiziellen Zugangsbeschränkungen für Privatpersonen, doch haben im Allgemeinen lediglich einige wenige große Firmen Zugang zum Internet. Das EIM berichtet in der Studie Media in the CIS, dass Turkmentelecom bei Anfragen von Privatpersonen häufig technische Probleme als Grund für die Unfähigkeit der Einrichtung eines Internetzugangs angibt. Die geschätzten Zahlen für Turkmenistan liegen daher bei verschwindend geringen 85 bis 90 Internet-Nutzern landesweit (alle in Ashgabat).332 Das Internet stellt daher auf absehbare Zeit keine Alternative für die Turkmenen als mögliche Informationsquelle außerhalb der staatlichen Medien dar.

3.4.5 Der rechtliche Rahmen Yasha Lange vom European Institute for the Media (EIM) beginnt seinen Bericht über die Medien in Turkmenistan von 1997 mit einem Zitat, das ein sowohl erschreckendes als auch 331 332

vgl. Türkmenistan. Gündelik gazet. Nr. 268. 14. Oktober 1999. S. 1 vgl. McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. Düsseldorf. 1999. S. 281. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999)

99


genaues Bild der turkmenischen Medien zeichnet. Demnach äußerte sich der EIM-Korrespondent Ashir Yoliyev im Dezember 1996 wie folgt zur Situation in Turkmenistan: „The process of state monopolisation of the media in Turkmenistan is completed.“333 Ein vernichtendes Urteil über das Mediensystem nach nur fünf Jahren Unabhängigkeit von der ehemaligen Sowjetunion. Der Verfassung nach haben Journalisten in Turkmenistan „the right to freedom of thought and to the free expression thereof, and also to obtain information, if it is not a government, service or commercial secret“334. In der Realität jedoch existieren unabhängige Medien in Turkmenistan nicht. Der rechtliche Rahmen für die turkmenischen Medien wird einzig und allein von einem Mann bestimmt: Präsident Saparmurat Niyazov hat die uneingeschränkte Macht über alle Bereiche der turkmenischen Medien. Unter seiner Regie entstand das Komitee zur Sicherung von Geheimnissen, dessen Mitarbeiter täglich in engem Kontakt zu allen Presse-, Rundfunk- und TV-Redaktionen stehen. Somit ist von vornherein die Möglichkeit für eine staatliche Zensur gegeben, da die Mitarbeiter des Komitees zur Sicherung von Geheimnissen schon beim geringsten Anzeichen dafür, dass die Loyalität zu Präsident Turkmenbashi verletzt werden könnte, befugt sind, die betroffenen Journalisten zu entlassen. Nach Einschätzung von Lange hat diese Tatsache dazu geführt, dass Selbstzensur ein zentraler Teil des Systems geworden ist. Diese aussichtslose Situation der Journalisten hat wiederum zur Folge, dass es zu keinerlei Konfrontationen zwischen den Pressevertretern und den Regierungsbeamten kommt, da alle ihre Grenzen kennen und respektieren.335 In den ersten Jahren des selbstständigen Turkmenistans hatte die Situation der Medien hinsichtlich der Pressefreiheit noch erheblich besser ausgesehen. Nach Angaben von Eric Johnson durchlief 1991 ein neues Mediengesetz die parlamentarischen Stationen und wurde von der turkmenischen Regierung sogar angenommen. Das Mediengesetz war identisch mit der relativ liberalen russischen Ausführung. Es ist auch heute noch formell in Kraft, hat aber seit den Jahren 1994/1995 praktisch keine Bedeutung mehr. Per Gesetz hat jeder Turkmene, der älter als 18 Jahre ist, das Recht, einen Medienbetrieb zu gründen und diesen registrieren zu lassen. Für die Registrierung gelten verschiedene Kriterien, außerdem gibt eine Zahl von Ausschlussgründen, die einer möglichen Registrierung im Wege stehen könnten. In den ersten beiden Jahren nach der Unabhängigkeit Turkmenistans gab es zwei unabhängige Zeitungen, die trotz der Tatsache, dass ihre Gründer nicht der Regierung angehörten, offiziell registriert waren. Die Zeitungen Kontact und Turkmenistan Sevodnya stellten jedoch 1993 wegen finanzieller Probleme ihre Arbeit ein. Für die elektronischen Medien gelten keine speziellen Gesetze. Neben den beiden staatlichen Kanälen TMT-1 und TMT-2 existieren keine weiteren Sender. Für Print- und elektronische Medien gleichsam kostet eine Registrierung seit dem 1. Oktober 1998 eine Gebühr von 4.000 US-Dollar. Unabhängig davon hat bislang nicht eine einzige Firma, die eine Lizenz beantragt hat, diese auch ausgestellt bekommen. Ausländern ist es verboten, einen Medienbetrieb in Turkmenistan zu gründen. Lediglich zwei turkmenische Zeitungen gelten nach offizieller Version als unabhängig. Die in der Hauptstadt Ashgabat erscheinenden Tageszeitungen Adolat (Gerechtigkeit) and Galkynysh (Wiedergeburt) wurden durch ein Dekret des Präsidenten gegründet und werden, wie alle anderen Zeitungen auch, von der Regierung zensiert. Die turkmenischen Journalisten sind Angestellte des Staates und haben die Aufgabe, über die Arbeit des Präsidenten zu berichten. 333

334 335

Yoliyev, Ashir. Informationszentrum für Menschnerechte in Zentralasien. Dezember 1996. In: Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.11.1999). S. 1 Turkmenistan Constitution. Section II, Article 26. http://www.dc.infi.net/~embassy/constionA.html#constionA1. (4.11.1999) vgl. Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.11.1999). S. 1

100


Die Zeitungen sind daher laut dem International Press Institute voll von überschwenglichen Artikeln über Niyazov und seine Politik.336 Adrian Karatnycky weist in seinem 1998 erschienenen Buch Nations in Transit in dem Kapitel über Turkmenistan darauf hin, dass die Regierung neben der Einsetzung der Journalisten auch direkt in den Zeitungsvertrieb eingreift. Das staatliche Verlagshaus steht demnach in unmittelbarem Kontakt zum Kabinett der Regierung Niyazov, seitdem vor einigen Jahren das Staatliche Pressekomitee abgeschafft worden ist.337 Das International Center for Journalists berichtet unter Berufung auf die Reporters Sans Frontières in seinem Presseüberblick Turkmenistan, dass Saparmurat Turkmenbashi ironischerweise seit September 1996 sogar den Titel „Gründer der turkmenischen Medien“ trägt338. Fast gleichzeitig, im Oktober 1996, verbot der turkmenische Staatschef seinen ‚Untertanen‘, ausländische Zeitungen oder Magazine zu abonnieren und zu lesen. Dieses Verbot gilt nach Informationen des IFEX und der Glasnost Defense Foundation auch für russische Zeitungen.339 Nach der Umstellung des turkmenischen Alphabets, wonach nicht mehr die kyrillischen sondern die römischen Buchstaben verwendet werden, können die staatlichen Zeitungen von vielen Bürgern gar nicht mehr gelesen werden, da sie nach sieben Jahrzehnten sowjetischen Schulsystems nur die kyrillische Schrift lesen können. Ihnen bleiben nur noch die elektronischen Medien, um sich über die Nachrichten des Landes zu informieren.340

336

337 338

339 340

International Press Institute (IPI) Report. World Press Freedom Review. November/Dezember 1995. In: International Center for Journalists. IJNet. Turkmenistan: Press overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10. 1999) vgl. Karatnycky, Adrian und Motyl, Alexander und Graybow, Charles (Hrsg.). Turkmenistan: Nations in Transit. http://www.freedomhouse.org/nit98/. (2.11.1999). S. 598 vgl. Reporters Sans Frontières. 1997 Report. http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_VA/Rapp_VA/Europ_VA/TURKA.html. In: International Center for Journalists. IJNet. Turkmenistan: Press overview http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10. 1999) IFEX. Communique Nr. 8-4. Turkmenistan: Freedom of Expression Still Lagging. 2.2.1999. http://www.communique.ifex.org. (20.10.1999) vgl. McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 273. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999) „According to Grag Myre of the Associated Press, the abrupt switch from the Russian Cyrillic alphabet to the Latin alphabet has left many adults functionally illiterate and unable to read state-run newspapers.“

101


Diese werden jedoch genauso wie die schreibende Presse von der Regierung strengstens überwacht. Die Abteilung National TV and Radio kontrolliert die elektronischen Medien und wird dabei von der Staatlichen Kommission für Radiofrequenzen, welche dem Ministerium für Kommunikation unterstellt ist und über die Frequenzvergabe entscheidet, unterstützt. Am 24. Mai 1990 führte die damals noch sowjetische Republik Turkmenistan als Konsequenz auf die gestiegene Anzahl westlicher Videos und den expandierenden Kabelfernsehmarkt das „Gesetz zur Regulierung von Video Salons, Video Bars und Videoverleihstationen (Law for Regulation of Video Salons, Video Bars and Video Rentals)“341 ein. Dieses Gesetz gab der Regierung eine Monopolstellung hinsichtlich der Ausstrahlung von Videos in ganz Turkmenistan. Auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich das Kabelfernsehen einschloss, wurde es doch vom Staatlichen Filmkomitee Goskino zum Nachteil der privaten Sender ausgelegt. Bis 1994 gelang es den Kabelsendern, durch Gesetzeslücken (Gründung von Goskino-Tochtergesellschaften unter Vorsitz der jeweiligen Stationseigentümer) das Gesetz zu umgehen. Seit der großangelegten Kampagne des Präsidenten Mitte der 90er Jahre gegen die unabhängigen Medien ist das private Kabelfernsehen jedoch bis heute komplett verschwunden. Die finanziellen und organisatorisch-bürokratischen Probleme der Medien in Turkmenistan werden zusätzlich, wie in den anderen zentralasiatischen Ländern auch, durch ein hohes Maß an Selbstzensur, der sich die Journalisten aussetzen, begleitet. Das jedoch ist nicht verwunderlich, werden doch Vergehen wie Verleumdung oder üble Nachrede seit einer Gesetzesverschärfung von 1997 mit Mindeststrafen von fünf Jahren Gefängnis verfolgt. Bei Einmischung in die privaten Belange des Präsidenten drohen den Journalisten sogar 15 oder 20 Jahre Haft. Sogar die Todesstrafe wäre zulässig, auch wenn sie im Jahr 1999 faktisch abgeschafft und bis dahin für Journalisten auch glücklicherweise noch nicht angewendet worden ist.

3.4.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Turkmenistan Das Committee to Protect Journalists (CPJ) und die International Freedom of Expression Community (IFEX) nutzten die Berichterstattung im Vorfeld eines Treffens zwischen dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und dem turkmenischen Staatspräsidenten Turkmenbashi, um öffentlich auf die prekäre Lage der turkmenischen Medien und deren Journalisten aufmerksam zu machen. In einem sogenannten Action Alert vom 21. April 1998, das der Leiter der internationalen Abteilung des Instituts für Journalistik an der St. Petersburger Universität in Russland, Dmitry Ruschin, an mich weitergeleitet hat, monieren die Journalisten „the total state control of the media in Turkmenistan, the lack of an independent press or any alternative reporting and a general climate of intolerance directed against opposition voices“342. Dabei weisen sie auch darauf hin, dass das diktatorische Regime bereits seit Beginn der PostPerestroika-Phase jegliche Demokratisierungsprozesse in den Medien verhindert hat. Die hohe Zahl an Presserechtsverletzungen gegen einheimische und ausländische Reporter habe, so das CPJ, seit 1992 nicht abgenommen. Gleichzeitig werde in den von der Regierung kontrollierten Medien wenig über die Probleme des Landes berichtet. Stattdessen seien die staatlichen Medien gezwungen, täglich ihrer Loyalität zum Präsidenten Ausdruck zu verleihen. Diese Tatsache hat zum Bedauern des CPJ dazu geführt, dass Turkmenistan heute zu einem der isoliertesten und unterentwickeltsten Länder der ehemaligen Sowjetunion gehört und die Sicherheitsdienste des Präsidenten das Recht besitzen, ausländische Zeitungen zu konfiszieren, die Telefone von ausländischen Reportern abzuhören und diejenigen Journalisten, die 341 342

vgl. Johnson, Eric. Turkmenistan Electronic Mass Media - Trip Report. August 1996. http://www.soros.org/turkstan/turktrip.html. (4.6.1999). S. 2 Committee to Protect Journalists (CPJ). Action Alert. 21.4.1998. In: Ruschin, Dmitry ruschin@DR2709.spb.edu. "Media in Turkmenistan". 12.6.1999. Persönliche e-mail. (25.7.1999).

102


sich ihren Weisungen widersetzen, mit Nachdruck zum Einlenken zu bewegen. Neben den offiziellen Medien bieten lediglich die nur in wenigen Teilen des Landes empfangbaren russischen Nachrichtensender den turkmenischen Bürgern die Möglichkeit, sich aktuell zu informieren. Allerdings ist die Berichterstattung über Turkmenistan in den russischen Medien eher die Ausnahme. Eine weitere Möglichkeit für die Einwohner des Landes, Nachrichten in ihrer Muttersprache zu empfangen, bietet der turkmenische Dienst von Radio Free Europe / Radio Liberty. Deren Journalisten sind jedoch nach Berichten des CPJ und nach eigenen Aussagen (vgl. Kapitel 3.4.7) in den vergangenen Jahren immer wieder an ihrer Arbeit gehindert, gewalttätig angegriffen und durch die turkmenische Regierung ins Exil gezwungen worden. Auch 1998 verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen für die Journalisten erneut. Dem Land Turkmenistan, „einer Bastion des Autoritarismus“343, bescheinigen die Reporter ohne Grenzen einen völligen „Nachrichten-Blackout“. Einzelne Fälle von Verstößen gegen die Pressefreiheit in dem Land von Präsident Saparmurat Turkmenbashi werden im Jahresbericht 1999 gar nicht aufgeführt, da eine freie Presse in keiner Form besteht. In den anderen vier Ländern Zentralasiens sei die Situation gemessen an der Lage in Turkmenistan nicht ganz so extrem, aber trotzdem auch 1999 weiterhin alarmierend. Nach Angaben von Yasha Lange vom European Institute for the Media (EIM) in Düsseldorf gab und gibt es auf dem Papier seit mehreren Jahren eine turkmenische Journalistengewerkschaft (Journalists' Union of Turkmenistan). Unbestätigten Berichten zufolge unterzeichnete der turkmenische Staatspräsident Turkmenbashi im September 1995 ein Dekret, wonach alle „kreativen Gewerkschaften“344, einschließlich der Journalistengewerkschaft, umgehend aufzulösen seien. Allerdings wurde das Präsidenten-Dekret anscheinend nie veröffentlicht, was entweder daran liegt, dass es in dieser Form niemals wirklich existiert hat, oder dass die Inhalte absichtlich vor der Öffentlichkeit geschützt werden sollten. Für die Journalistengewerkschaft Turkmenistans macht das alles jedoch kaum einen Unterschied. Laut Yasha Lange hat sie weder vor noch nach dem September 1995 durch ein ‚Lebenszeichen‘ auf sich aufmerksam gemacht.345

3.4.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Turkmenistan – Probleme der unabhängigen Medien Das Committee to Protect Journalists nennt mehrere Beispiele aus den vergangenen Jahren, anhand derer deutlich wird, mit welcher Resolution und Brutalität die Verantwortlichen in Turkmenistan gegen unabhängige Journalisten vorgehen. So wurde der freie Mitarbeiter des turkmenischen Dienstes von Radio Liberty, Murat Esenov, im Oktober 1994 in Moskau von mindestens sechs Angreifern brutal verprügelt und musste mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht werden. Der Angriff auf den Reporter kam zeitlich gesehen kurz nach der Aufforderung des Präsidenten Turkmenbashi an das Innenministerium, das Verteidigungsministerium, den Obersten Gerichtshof, das Komitee für Nationale Sicherheit und die Vorgesetzten der Grenzsoldaten, noch härter gegen „Außenstehende“ vorzugehen, die „mit Neid auf Turkmenistan schauen“346. Im Oktober 1997 wurde Yovshan Annakurban, einer der beiden freien Journalisten des turkmenischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty, die nicht anonym schreiben oder 343 344 345 346

Reporters Sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1999. Report. S. 190 Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.11.1999). S. 2 ebenda. S. 2. „In any case, the Jounalists' Union of Turkmenistan has not shown any sign of life either before or after September 1995.“ vgl. ebenda

103


mit Kürzeln arbeiten, vom Komitee für Nationale Sicherheit, dem ehemaligen KGB, ins Gefängnis gebracht. Er war kurz zuvor von der turkmenischen Polizei am Flughafen in Ashgabat festgenommen worden, von wo aus er zu einem Journalistenseminar nach Prag reisen wollte. Annakurban wurde am 13. November 1997 wieder auf freien Fuß gesetzt, jedoch in der Folgezeit weiterhin streng überwacht und eingeschüchtert. Kurz nach der Verhaftung Annakurbans veröffentlichte die staatliche Zeitung Turkmenistan einen Artikel, der die Prager Radiostation des freien Journalisten scharf kritisierte. Noch schlimmer erging es am 12. Februar 1998 Muhammet Berdiyev, dem anderen freien Mitarbeiter des turkmenischen RFE/RL-Dienstes, der unter vollem Namen seine Reportagen veröffentlicht. Er wurde in seinem Moskauer Exil von Polizisten in seinem Apartment festgehalten, mit Handschellen gefesselt und zusammengeschlagen. Ihm wurde vorgeworfen, an einem Umsturzversuch gegen die turkmenische Regierung zu arbeiten. Einige Tage später, am 23. Februar 1998, wurde Berdiyev von Unbekannten angegriffen, diesmal mit Eisenstangen. Der Journalist verbrachte die nächsten 43 Tage im Krankenhaus. Diese und einige weitere Vorkommnisse, die von Vertretern von Radio Free Europe / Radio Liberty bestätigt worden sind, lassen das Committee to Protect Journalists davon ausgehen, dass es die Absicht der turkmenischen Staatsführung ist, die einzige alternative Informationsquelle des Landes, das Programm des turkmenischen RFE/RL-Dienstes, massiv zu behindern oder ganz auszuschalten. Wie weit die Hörigkeit der staatlichen turkmenischen Medien geht, zeigt ein Bericht des RFE/RL-Korrespondenten Charles Fenyvesi vom 29. Juli 1999. Demnach nannte die staatliche turkmenische Zeitung Adalat am 23. Juli 1999 den Journalisten Yovshan Annakurban in einem einseitigen offenen Brief einen „traitor to the fatherland“347, einen Vaterlandsverräter. Der im Exil lebende Annakurban hatte kurz zuvor in mehreren Interviews für den turkmenischen Dienst von RFE/RL regimekritische Aussagen gemacht. Den Prager Sender nannte Adalat gleichzeitig „a slanderous radio“ und stellte fest, dass der turkmenische Präsident Turkmenbashi genau wie der allmächtige Gott und das Vaterland von jeglicher Kritik von Menschen mit reinem Gewissen und gesundem Menschenverstand ausgenommen sei348. Das Kritikverbot und die damit einhergehende Abschreckung durch mögliche Haftstrafen wird neben den gewalttätigen Übergriffen als vorwiegendes Mittel von der turkmenischen Regierung genutzt, um die Journalisten bei ihrer Arbeit zu behindern. Interessant ist, dass ausländische Journalisten normalerweise nicht unter den staatlichen Repressionen zu leiden haben. Aus diesem Grund macht die Regierung es Ausländern extrem schwer, eine Presseakkreditierung für Turkmenistan zu bekommen. Daher sind die meisten ausländischen Medienbetriebe, die ein Interesse an Turkmenistan haben, durch ortsansässige turkmenische Journalisten in Ashgabat vertreten. Diese jedoch unterliegen wie alle anderen Journalisten unabhängig von ihrem Arbeitgeber dem turkmenischen Gesetz und sind somit genauso an die offizielle Linie gebunden wie alle anderen. Sie werden bei negativen Artikeln vom Komitee für Nationale Sicherheit vorgeladen und müssen sich teilweise sogar beim Innenministerium oder beim Vize-Premierminister des Landes, der zuständig für die Presse ist, persönlich rechtfertigen. Außerdem macht es für die Informationsbeschaffung in Turkmenistan keinen Unterschied, ob ein Journalist für eine turkmenische Zeitung oder für einen amerikanischen oder westeuropäischen Fernsehsender arbeitet, denn es wird für alle Journalisten ausschließlich offizielles Material vom Pressedienst des Präsidenten herausgegeben.349 347

348 349

Fenyvesi, Charles. fenyvesic@rferl.org. Turkmen daily calls journalist a traitor, compares President to God. In: RFE/RL Watchlist Vol. 1, Nr. 28. 29. Juli 1999. listmanager@list.rferl.org. E-mail-Liste. (29.6.1999) ebenda. „Just as God the Almighty and the Fatherland are exempt from criticism by people of good moral conduct and common sense, so is Turkmenistan's President Saparmurat Turkmenbashi.“ vgl. McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 275.

104


Die Journalisten in Turkmenistan sind trotz aller Probleme besser bezahlt als große Teile der Bevölkerung. Während das Durchschnittseinkommen pro Monat zurzeit bei etwa 40 USDollar liegt, verdienen turkmenische Journalisten zwischen 60 und 100 US-Dollar pro Monat. Früher war das Gehalt eines Journalisten davon abhängig, wieviel er schrieb. Diese in der ehemaligen Sowjetunion gängige Praxis besteht in dieser Form in Turkmenistan nicht mehr. Machten vor 1997 die Leistungsprämien noch rund 80 Prozent des Gehalts aus, so liegt ihr Anteil heute nur noch bei etwa 30 Prozent. Durch den Verfall des Manats, der turkmenischen Währung, haben die Gehälter der Journalisten wie die aller Turkmenen weiter gelitten. Für die Zukunft ist eher mit einer Verschlechterung der finanziellen Situation der Journalisten zu rechnen, da eventuelle Gehaltserhöhungen nicht annähernd das ausgleichen können, was die Inflation negativ bewirkt. Vor dem Hintergrund aller genannten Begleitumstände lässt sich sagen, dass Turkmenistan eine der schlechtesten Bilanzen in Sachen Pressefreiheit und Arbeitsbedingungen der Journalisten im gesamten früheren Ostblock aufzuweisen hat und zudem auch weltweit gesehen eines der mit Abstand schlechtesten Medienumfelder bietet. Das ist auch das Ergebnis der Organisation Freedom House. In deren Rangliste der Pressefreiheit von 1998-99 nimmt Turkmenistan neben Ländern wie Afghanistan, Syrien oder dem Irak den letzten Platz ein.350

3.4.8 Persönliche Erfahrungsberichte turkmenischer Journalisten Die Aussage des Leiters des turkmenischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty in Prag, Mohammad Nazar, „There are no independent newspapers, no independent TV stations, not one independent journal and no independent political parties in Turkmenistan.“351, beschreibt am besten, wie die Realität für die Journalisten in Turkmenistan aussieht. Zwar werden sie im Großen und Ganzen von physischer Gewalt, wie sie vor allem im Nachbarland Tadschikistan ausgeübt wird, verschont, doch ist es für einen Journalisten sicherlich schwer, sich mit den bereits beschriebenen Arbeitsbedingungen abzufinden. Für Mohammad Nazar und die anderen Mitglieder des turkmenischen Dienstes von RFE/RL bedeutet die Arbeit in Prag, weit entfernt vom Einflussbereich des in seinem Land allmächtigen Präsidenten Turkmenbashi, die einzige Möglichkeit, als Journalisten weiter zu arbeiten und dabei ihr Land und deren Bevölkerung nicht alleine zu lassen. Wie sich die Journalisten in Turkmenistan fühlen, ist kaum herauszufinden. Entweder haben sie schon lange resigniert, oder sie glauben mittlerweile die Propaganda tatsächlich, die von den staatlichen Medien im Auftrag des Präsidenten betrieben wird. Unabhängige Erfahrungsberichte außerhalb der Interviews, die ich in der Prager Zentrale von RFE/RL führen konnte, waren nicht zu bekommen. Eine Recherche vor Ort war mir im vergangenen Jahr 1999 auch nicht möglich, da die Visaformalitäten des Landes von Jahr zu Jahr schwieriger werden und ohne eine persönliche Einladung kaum eine Chance besteht, ein Visum für Turkmenistan zu bekommen. Und selbst wenn man ein Visum bekäme, wäre es extrem gefährlich, sich zu weit mit einer Recherche über die Medien des Landes vorzuwagen. Turkmenistan ist ein autoritär bzw. diktatorisch geführtes Land, das keinerlei Kritik oder Einmischung duldet. Nur so ist es auch zu erklären, dass die Medienassistenz-Organisation Internews von allen ehemaligen Sowjetrepuliken ausschließlich in Turkmenistan weder über ein Büro noch über weitreichende Kontakte verfügt. Eric Johnson von Internews nennt das mangelhafte Medienumfeld als Grund für die Zurückhaltung westlicher

350 351

Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999) „It is possible in theory to get accreditation to work in Turkmenistan, but access to information – even of a nature – is restricted. State bureaucrets simply refuse to meet journalists.“ Freedom House. Freedom in the world 1998-99. Combined Average Ratings. http://www.freedomhouse.org/survey99/tables/countat.html. (25.1.2000) Nazar, Mohammad. nazarm@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik

105


Journalisten und Hilfsorganisationen, wenn es um ein Engagement in Turkmenistan geht: „There is no history of civil society in Turkmenistan. Free Media are just not on the agenda. And I am not even sure if the Turkmen people really care.“352 Radio Free Europe / Radio Liberty hat nach langem Ringen vor zwei Jahren die Lizenz bekommen, in Turkmenistan ein Büro zu eröffnen. Seitdem gestaltet sich jedoch die Suche nach geeigneten Räumen als unerwartet schwierig. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass sich niemand finden lässt, der den Exil-Journalisten seine Räumlichkeiten vermieten will. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter des Prager Senders nach wie vor massiv bei ihrer Arbeit behindert werden. Laut Mohammad Nazar gibt es nur einen Journalistenkollegen, der es im Laufe der Jahre geschafft hat, so weit anerkannt zu werden, dass seine Arbeit für RFE/RL mittlerweile von den Behörden ignoriert wird. Trotzdem muss er wie alle anderen freien Mitarbeiter seine Meldungen heimlich absetzen. Zumeist geschieht das laut Nazar per e-mail, da alle anderen Formen der Kommunikation ständig unter der Kontrolle der Regierung stehen. Der Internetzugang in Turkmenistan ist jedoch wie in Kapitel 3.4.4 beschrieben auf sehr wenige Menschen beschränkt, so dass eine geheime Arbeit sich nicht kontinuierlich gewährleisten lässt. Die Resignation und Niedergeschlagenheit, die sich bei den Gesprächen mit den Mitarbeitern von RFE/RL heraushören ließ, ist das Ergebnis der staatlichen Medienpolitik, die seit Anfang der 90er Jahre in Turkmenistan in dieser Form betrieben wird. Die gesamte Öffentlichkeit scheint einzig und allein aus dem Präsidenten Turkmenbashi zu bestehen. Unter der Bevölkerung hat sich in diesem Zusammenhang ein Witz (russisch: Anekdote) verbreitet, den mir die RFE/RL-Journalisten bei meinem Besuch in Prag erzählten. „Wenn in anderen Ländern gesagt wird: Mach mal den Fernseher an – oder später – mach den Fernseher mal aus, dann heißt es in Turkmenistan lediglich: Mach mal Turkmenbashi an, bzw. mach mal Turkmenbashi aus.“353 Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass die Journalisten deprimiert sind und dass die Perspektiven der Medien auch nicht besonders erfolgversprechend aussehen.

3.4.9 Perspektiven für die turkmenischen Medien „The Turkmens are a little bit quiet. They don’t think they are independent.” Mit diesen Worten umreißt Mohammad Nazar von RFE/RL die aktuelle Stimmung in Turkmenistan. Die Menschen verharren in einer Lethargie, die jeglichen Versuchen, eine politische und gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, entgegenwirkt. „There is no change to be seen”, sagt Nazar weiter. „At the begining of the 90s the opportunity was there for Niyazov to take over. That’s what he did. And by talking to the West his position got stronger and stronger. They made him big. Another advantage for him is the fact that he is a member of the Teke tribe, the biggest and most influential tribe in Turkmenstan. If you believe it or not, Turkmenbashi is backed by the majority of the Turkmen people.”354 Auf die Frage, wie denn überhaupt eine Veränderung für die Journalisten in Turkmenistan zu erreichen sei, antwortet Nazar: „Without Turkmenbashi dead, there won’t be any changes.” Sein Kollege Rozynazar Khoudaiberdiev ergänzt: „Wenn er übermorgen stirbt, was das ganze Volk hofft, dann könnte sich etwas ändern.” Allerdings feiert Turkmenbashi am 19. Februar 2000 erst seinen 60. Geburtstag und daher ist, wenn alles so weiter läuft wie bisher, nicht mit einem baldigen Ableben des turkmenischen Präsidenten zu rechnen. Der befindet sich zudem unter bester ärztlicher Aufsicht. Für eine Herzoperation ist Turkmenbashi vor einigen Jahren nach Deutschland geflo352 353 354

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich Nazar, Mohammad. nazarm@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik ebenda

106


gen, wo er von Prof. Meissner, einem Herzspezialisten aus München, erfolgreich operiert wurde. Prof. Meissner, der in der Zwischenzeit aus Altersgründen die Arbeit im Münchner Herzzentrum eingestellt hat, ist nach wie vor für die Behandlung des turkmenischen Präsidenten zuständig. Die einzige positive Perspektive sieht Mohammad Nazar darin, dass seiner Meinung nach eine große Zahl von intelligenten Turkmenen im Fall eines Ablebens des Präsidenten in den Startlöchern steht, um dessen Nachfolge anzutreten. Nach Nazars Meinung sind die Chancen für eine demokratische Entwicklung dann schlagartig höher als in den anderen zentralasiatischen Ländern. Ob diese Einschätzung realistisch ist, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr denke ich, dass das Land in der Zeit nach Turkmenbashi in die Clankämpfe des vergangenen Jahrhunderts zurückverfallen könnte und die Situation für die Journalisten dadurch auch nicht besser würde. Der turkmenische Präsident hat wiederholt die politische Stabilität seines Landes, das Fehlen bewaffneter Konflikte sowie das Nichtvorhandensein extremer Armut als Argumente gegen eine freie Presse und für einen autoritär geführten Staat angeführt. Diese Argumente sind in gewisser Weise nachzuvollziehen, da sie auch zum Teil in den zentralasiatischen Nachbarländern in ähnlicher Form zu einer Gesamtstabilisierung der Staaten in der ersten Phase nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion geführt haben. Dass dabei die Demokratie mitsamt der freien Meinungsäußerung auf der Strecke bleibt, ist nicht nur außenstehenden Beobachtern, sondern anscheinend auch dem turkmenischen Präsidenten klar. In einem Treffen mit dem russischen Parlamentspräsidenten Gennadi Seleznev soll Saparmurat Turkmenbashi gesagt haben, sein Volk sei noch nicht bereit für die Demokratie und daher könne man westliche Maßstäbe im Fall von Turkmenistan gar nicht anwenden. Auch hier mag Turkmenbashi richtig liegen. Allerdings ist im Moment auch nicht die Bemühung von Seiten der Regierung zu erkennen, an dem Status Quo etwas zu ändern und dem Volk Demokratie ‘beizubringen’. Der endgültige Beweis dafür wurde meiner Meinung nach Ende Dezember 1999 erbracht, als das turkmenische Parlament die Verfassung änderte und Präsident Turkmenbashis Amtszeit auf Lebenszeit verlängerte. Politische Veränderungen wird es spätestens seit dieser Entscheidung auf längere Sicht nicht geben (vgl. Kapitel 2.4.4). In einem ersten Kommentar beurteilte Mohammad Nazar die Entscheidung wie folgt: „It is horrible and comedy at the same time. Unfortunately, it shows that Turkmenistan is too far away from democracy. And in a way, it also could mean that the option of peaceful change of government in Turkmenistan has diminished further.”355 Es bleibt abzuwarten, was in der Zeit nach Turkmenbashi passieren wird und wie lange es noch dauert, bis diese Zeit anbricht. Bis dahin bleibt Turkmenistan aller Wahrscheinlichkeit nach das zentralasiatische Land mit dem geringsten Potential für unabhängige Medien und Pressefreiheit. Das European Institute for the Media urteilt ähnlich: „The government system of control over the media is extremely effective; there is practically no public sphere in Turkmenistan and therefore it is not surprising that there is no role for a critical and independent media. The prognosis is more of the same for the foreseeable future.”356

3.5 Medien in Usbekistan In Usbekistan waren 1999 annähernd 600 Medienbetriebe beim Staatlichen Komitee für Presse registriert. Neben knapp 450 Zeitungen existierten mehr als 100 Zeitschriften und etwa 30 TV-Sender und einige Radiostationen. Diese Zahlen, die das European Institute of the Media 355 356

Nazar, Mohammad. nazarm@rferl.org. Re: Turkmenbashi. Persönliche e-mail. (30.12.1999) vgl. McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 282. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999)

107


in seinem Bericht Media in the CIS von 1999 anführt, sind jedoch offizielle Zahlen und spiegeln lediglich die Anzahl der registrierten Medienbetriebe wider. Wie viele der Betriebe wirklich effektiv arbeiteten, bleibt unklar. Die usbekischen Medien sind fast unter genauso strikter Kontrolle des Staates wie die Medien in Turkmenistan. Besonders im Printmedien-Bereich ist die Meinungsdiversität auf ein Minimum gesunken. Fast alle Zeitungen des Landes berichten vollkommen einseitig über die politische und wirtschaftliche Situation in Usbekistan. Die Zensur jeglichen gedruckten Materials ist weit verbreitet und staatlich organisiert, auch wenn sie ironischerweise auf dem Papier, d.h. laut Gesetz, verboten ist (siehe Kapitel 3.5.5). Bei den elektronischen Medien ist die Lage ähnlich. Landesweit gesehen verbreitet nur das staatliche usbekische Fernsehen Uzteleradio seine Programme. Allerdings gibt es außerhalb des Regierungszentrums Tashkent einige TV-Stationen, die mit teilweise (technisch und journalistisch) überraschend professioneller Arbeit auf sich aufmerksam machen. Diese Stationen werden bei ihrer Arbeit maßgeblich von der Medienassistenz-Organisation Internews unterstützt. Allerdings führt diese Zusammenarbeit dazu, dass die unabhängigen Fernsehsender fast permanent unter erheblichem Druck von der Regierung stehen und der Schließung oftmals näher sind als einem Fortschritt bei ihrem Kampf für echten Journalismus. Es ist zu betonen, dass die Journalisten in Usbekistan bei der Ausübung ihrer Arbeit zwar immer wieder zu Opfern der juristischen Willkür der Regierung werden, ihnen körperlich jedoch nur äußerst selten Schaden zugefügt wird. Usbekistan ist von der Einwohnerzahl her das größte Land Zentralasiens und verfügt daher auch über ein viel größeres Potential an Medienrezipienten als die Nachbarstaaten. Trotzdem hinkt Usbekistan der Entwicklung in Kirgisien und Kasachstan weit hinterher. Neben den unabhängigen Medien ist auch die politische Opposition in den vergangenen neun Jahren seit der Unabhängigkeit fortwährend unterdrückt worden. Während einer Recherchereise nach Zentralasien konnte ich im August 1999 interessante Gespräche mit usbekischen und ausländischen Journalisten führen und die Arbeit der Medien vor Ort in Usbekistan analysieren. Dabei standen die Arbeitsbedingungen der Journalisten und die Perspektiven für die Medien im 21. Jahrhundert im Vordergrund meines Interesses.

3.5.1 Elektronische Medien Der einzige landesweit operierende TV-Sender in Usbekistan ist der staatliche Sender Uzteleradio (TV and Radio Company of Uzbekistan). Das Programm des Senders steht unter strikter Kontrolle der Regierung. Ein Großteil der Sendezeit, die die Nachrichten im Programm von Uzteleradio einnehmen, entfällt auf die Berichterstattung über die Arbeit des Präsidenten. Das European Institute for the Media urteilt unter Berufung auf unabhängige Beobachter: „...the information is one-sided, dull and the level of professionalism is fairly low.“357 Insgesamt strahlt Uzteleradio sein Programm über vier Kanäle aus. TV-1 ist der traditionelle Regierungskanal. TV-2 unterscheidet sich nur auf dem Papier von TV-1. Seit 1998 läuft er offiziell als kommerzielles Programm, wenn auch das Werbevolumen sich kaum von den anderen Programmen absetzt. TV-2, auch Yoshlar (Jugend) genannt, soll vor allem die junge Generation der Usbeken ansprechen. Der dritte Kanal, der meshdunarodny kanal (Internationaler Kanal), übernimmt ab 18 Uhr die Programme der russischen Sender ORT und RTR sowie Teile des Programms von CNN. Allerdings werden die übernommenen Programmteile vor der Ausstrahlung zensiert, d.h. eine eventuelle negative Berichterstattung über Usbekistan wird konsequent herausgeschnitten. Tashkent TV, der vierte Kanal, den Uzteleradio seinen Zuschauern in Usbekistan anbietet, erreicht nur Haushalte in Tashkent und der näheren Umgebung der Hauptstadt. 357

vgl. ebenda. S. 323. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999)

108


Die Möglichkeit, Werbeminuten verkaufen zu dürfen und somit die Einnahmen zu steigern, gibt es für das usbekische Staatsfernsehen erst seit einem Dekret des Präsidenten Karimov von Mai 1996. Mit dem gleichen Dekret sicherte Karimov allen Sendern unter dem gemeinsamen Dach von Uzteleradio auch eine vorerst bis zum Jahr 2000 befristete Steuerfreiheit zu. Die Regierung schaffte damit verzerrte Wettbewerbsbedingungen, da die unabhängigen Sender nach wie vor Steuern zahlen müssen. Während die Medienassistenz-Organisation Internews 1996 noch mit 15 unabhängigen TVStationen in ganz Usbekistan zusammenarbeitete, haben bis 1999 nur elf ihren Sendebetrieb aufrechterhalten können. Sieben weitere Sender existieren noch, von einem geregelten Sendebetrieb kann jedoch nicht gesprochen werden. Zumeist finanzieren sich die unabhängigen Sender nach Angaben von Scott Smith, dem Landesdirektor von Internews in Usbekistan, durch einige wenige Werbeblöcke und ansonsten durch den Verleih der technischen Ausrüstung bzw. der Vermietung eines Kamerateams für Aufnahmen bei Hochzeiten oder anderen gesellschaftlichen Anlässen.358 Von allen 18 unabhängigen Stationen ist nicht eine einzige in der Hauptstadt Tashkent angesiedelt, wo eigentlich der größte Markt für die Medien sein sollte. Den Grund dafür sieht Scott Smith in der Tatsache, dass die Kontrolle des Staates in Tashkent noch strikter ist als in den anderen Landesteilen. Smith hält die Sender Orbita aus Angoram und Molodjoshny TV aus Andizhan für die aus Sicht der angewandten Pressefreiheit progressivsten Fernsehsender. „Orbita has done some aggressive reports and Molodjoshny TV is very well equipped and has the direct support of a well-off Uzbek businessman. They have even sold four or five of their reports to the CNN World Report. That means that they must be produced in a professional way.“359 Internews hat vor einigen Jahren damit begonnen, die unabhängigen Stationen in Usbekistan zu einem Network zusammenzuschließen. Dieses Network produziert ein halbstündiges Programm mit dem Namen Zamon (Periode). Die elf aktiven Sender in Usbekistan schicken wöchentlich ihre besten Berichte an das Internews-Büro in Tashkent, wo ein Zusammenschnitt von 30 Minuten hergestellt wird. Diese Sendung, Zamon, wird dann wieder zurück an die beteiligten unabhängigen Sender geschickt, wo sie dann ausgestrahlt wird. Scott Smith unterstreicht, dass neben dem Network-Charakter von Zamon auch der Konkurrenz-Aspekt eine große Rolle in der Strategie von Internews spielt. Die einzelnen Sender, die durch ihre räumliche Distanz und die schlechten technischen Bedingungen nie einen Vergleich zu ihrem eigenen Programm hätten bekommen können, haben durch Zamon die Möglichkeit, auch die Arbeit anderer Sender begutachten zu können. Daraus, so Smith, entstehe ein Wettbewerb, der zwangsläufig die Verbesserung des Programms herbeiführen wird. Im Herbst 1999 hatte die usbekische Regierung den an Zamon beteiligten Sendern mit Schließung der Redaktionen bzw. Aberkennung der Registrierung gedroht, sollten sie weiter das von Internews initiierte Network-Programm produzieren. Scott Smith: „The government said: Zamon is produced by an organisation that has no media registration. That is not true though. Of course, we do not have a media registration, because we are not a media outlet. We only provide assistance and technical facilities. We really don’t produce Zamon, we only put the pieces together.“ 360 Nur zwei der Sender, Orbita und Gullistan, hatten sich bereit erklärt, trotz der Warnungen der Regierung weiter an Zamon festzuhalten. Internews stand in gewisser Weise unter Zugzwang und entschied sich dafür, die Produktion von Zamon zwischenzeitlich auszusetzen. Mittlerweile jedoch ist Zamon wieder auf Sendung. Wie Eric Johnson, der Kaukasus- und Zentralasien-Koordinator von Internews, im Dezember 1999 bestätigte, ist die Angelegenheit vorläu358 359 360

Smith, Scott. scott@internews.uz. Internews Country Director. Gesprächsnotizen vom 21.8.1999. Tashkent. Usbekistan ebenda ebenda

109


fig so geregelt worden, dass Woche für Woche ein anderer Sender für den Zusammenschnitt der besten Berichte aus ganz Usbekistan zuständig ist.361 Der Produktionsort ist immer noch das Internews-Büro in Tashkent, allerdings halten sich die Internews-Mitarbeiter jetzt weitestgehend aus den technischen Abläufen heraus, damit der Staat keine weitere Handhabe gegen die unabhängigen Fernsehjournalisten hat. Das European Institute for the Media weist darauf hin, dass grundsätzlich die Anschaffung einer Satellitenantenne zum Empfang ausländischer, besonders russischer Fernsehsender nicht verboten ist. Allerdings, so das EIM weiter, können sich nur sehr wenige Usbeken eine derartige Anschaffung leisten.362 Bei den Radiostationen ist die Situation in Usbekistan ähnlich wie bei den Fernsehsendern. Auch hier dominieren vier verschiedene Kanäle der staatlichen Rundfunkorganisation Uzteleradio. Neben den staatlichen Sendern ist vor allem der kommerzielle Sender Radio Grand 101.5 FM in Tashkent aktiv. Die Nachrichtensendungen unterscheiden sich vom Inhalt her allerdings nicht stark von den Zeitungen der Hauptstadt, d.h. sie berichten fast ausschließlich über Regierungstermine und die Amtsgeschäfte des Präsidenten (vgl. Kapitel 3.5.8). Noch beliebter war laut Diloram Ibrahim vom BBC-Büro in Tashkent der Sender Moi Gorad (Meine Stadt), der jedoch seit Ende 1998 nicht mehr auf Sendung gehen darf. Mitauslöser der Schließung von Moi Gorad war die BBC. Moi Gorad, ein reiner Unterhaltungssender, war auf der Suche nach einem zu übernehmenden Nachrichtenanteil bei dem britischen World Service fündig geworden. Ausgerüstet mit einer gesponserten Satellitenschüssel empfing Moi Gorad ein Signal aus London und sendete ab dem 14. Dezember 1998 zur vollen Stunde die BBC World News. Nur drei Tage nach dem Abkommen mit der BBC und dem Start des (gemeinsamen) Programms wurde Moi Gorad von der Regierung geschlossen und zur NeuRegistrierung aufgefordert. Dieser Prozess ist auch jetzt, gut ein Jahr später, noch nicht abgeschlossen. „Instead, the people who were responsible for the shut-down of Moi Gorad have now opened their own radio station.“363 Die Brüder Shagulamov, Freunde des Präsidenten Karimov und gleichzeitig die mächtigsten Männer im Zensurapparat UZGLAVLIT, betreiben nach Aussage von Diloram Ibrahim den im März 1999 gegründeten Sender Radio Sezam. Die BBC selbst sendet seit Ende 1994 zweimal täglich ein Nachrichtenprogramm in usbekischer Sprache (vgl. auch Kapitel 3.5.8 und 4.3).

3.5.2 Printmedien Im Jahr 1990, als Usbekistan noch ein offizieller Teil der UdSSR war, gab es in der zentralasiatischen Republik 162 Zeitungen. Sie alle wurden direkt von der Regierung finanziert. Unabhängige Medien gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes vom 1. September 1991 stieg die Zahl der Medienbetriebe und deren Veröffentlichungen rasant an. In dem Bericht The structural reconstruction of the Uzbek press beschreibt Lutfulla Kabirov vom Tashkenter Creative Center for Journalists, Ilkhom, die Entwicklung der usbekischen Presse in den 90er Jahren. Demnach existierten laut Informationen des Staatlichen Komitees für Presse Ende 1997 mehr als 500 Zeitungen in Usbekistan. 328 davon wurden als staatliche

361 362

363

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999 McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 324. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999). „In addition, there is no regulation preventing people from installing satellite dishes or parabolic antennas, however only a small proportion of the Uzbek population can afford them.“ Ibrahim, Diloram. BBC Tashkent. Gesprächsnotizen vom 23.8.1999. Tashkent. Usbekistan

110


Zeitungen geführt, 109 als Organe öffentlicher Institutionen oder Organisationen und weitere 34 als kommerzielle bzw. religiöse Zeitungen.364 Die Medienassistenz-Organisation Internews nennt für Januar 1998 eine ähnliche Gesamtzahl von 495 Zeitungen (377 staatliche, 74 öffentliche und 44 kommerzielle bzw. religiöse Zeitungen) und 113 Zeitschriften. Außerdem exisiterten zum selben Zeitpunkt nach Recherchen von Internews mindestens 25 Fernsehstationen, fünf Radiostationen und eine Nachrichtenagentur365. Die aktuellsten Printmedien-Daten für Usbekistan führt das European Institute for the Media an. Demnach existierten 1999 noch 448 registrierte Zeitungen, von denen nur eine (unbekannte) geringe Zahl auch wirklich gedruckt und verkauft wird. Die Gesamtzirkulation aller Zeitungen in Usbekistan hat laut EIM in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen. Die Gründe dafür liegen offensichtlich bei den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten durch ein zu geringes Werbeaufkommen und das fast vollständige Ausbleiben der früher obligatorischen staatlichen Subventionen. So verringerte sich zwischen 1992 und 1995 die Zahl der veröffentlichten Zeitungen auf ein Zehntel der vorherigen Auflage. Als Beispiel nennt Lutfulla Kabirov die Zeitung Neuer Tag, die im Jahr 1997 lediglich zweimal erscheinen konnte. Viele der Regionalzeitungen geben einmal pro Woche oder einmal in zehn Tagen eine Ausgabe heraus. Andere, so vermutet Kabirov, sind nur noch beim Staatlichen Komitee für Presse registriert, existieren aber in Wirklichkeit nicht mehr. Von der Gesamtauflage aller usbekischen Zeitungen zusammen (5.000.000 Exemplare) im Jahr 1990 sind heute nur noch knapp 500.000 übrig geblieben. Die Krise, für die offiziell die wirtschaftlichen Probleme des Landes verantwortlich gemacht werden (Papierknappheit, fehlende Computertechnik, gestiegene Transportkosten), hat nach Ansicht des Creative Centers for Journalists in Tashkent ihre wahren Gründe in der Struktur der Pressebetriebe. 70 Prozent der usbekischen Zeitungen gehören den örtlichen, regionalen oder überregionalen Verwaltungen. Neben 66 nationalen Zeitungen gab es 1995 97 regionale und 164 lokale Zeitungen. Die Unternehmensstruktur und Unternehmensphilosophie der Zeitungsverlage vergleicht Kabirov mit der Struktur und der Philosophie der Verwaltungsapparate in Usbekistan. Die Parallelen, die sich dabei ergeben, verdeutlichen seiner Meinung nach, wieso die Medien in Usbekistan an einem unabhängigen, werbeorientierten Wettbewerb nicht interessiert sind. Alle Zeitungen, ob lokal, regional oder überregional, die staatlich organisiert sind, haben nur einen einzigen Geldgeber. Dieser, die Regierung von Islam Karimov, bestimmt daher über die Zusammensetzung der Redaktion, die Ausrichtung der Zeitung und den Umfang der Veröffentlichungen. Die Herausgeber sind offensichtlich nicht an einer verbesserten Qualität der Zeitung interessiert, da die finanzielle Komponente von vornherein geklärt ist. Viele der regionalen, kleineren Zeitungen haben keine eigenen Konten, sondern werden direkt von ihrem jeweiligen Sponsor finanziert. Das bedeutet jedoch auch, dass sie nicht als juristische Personen auftreten können und damit nicht für ihre eigentlichen Rechte einstehen können. Die wichtigsten Zeitungen des Landes waren im Sommer 1999 nach Angaben des BBCReporters Bakhtiar Imamov die offizielle Kabinettszeitung Pravda Vostoka, die Narodnaya Slova (auf Usbekisch Khalq suzi), eine Zeitung von Kabinett und Ministerien, Adolat, die Zeitung der sozialdemokratischen Partei, Adabiyot va san´ati, die Zeitung des Ministeriums für Kultur sowie die seit 1996 bestehende Xurriyet, die sich selbst unabhängig nennt und von den Mitgliedern einer ehemaligen usbekischen Journalistenvereinigung, die mittlerweile in Fund for Democracy and Support of the Mass Media umbenannt worden ist, geleitet wird. 364

365

Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. The structural reconstruction of the Uzbek press. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. (12.6.1999) Internews Uzbekistan. TV Stations of Uzbekistan. http://www.internews.uz/uztvs.html. (2.1.2000) und Internews Uzbekistan. Radio Stations of Uzbekistan. http://www.internews.uz/uzradio.html. (2.1.2000)

111


Anders als durch die Produktion von Xurriyet fällt der Fund for Democracy and Support of the Mass Media jedoch nicht auf.366 Privatfinanzierte Zeitungen existieren in Usbekistan zwar in geringem Umfang, eine große Rolle spielen sie auf dem Zeitungsmarkt jedoch nicht. Die Herausgeber wissen, dass sie jederzeit unter Beobachtung der Regierung stehen und halten sich aus diesem Grund zumeist peinlich genau an die offiziell erlaubte Form der Berichterstattung. Schließungen von Redaktionen, die gegen die Regierung gerichtete Artikel veröffentlicht haben, werden ohne Ankündigung durchgeführt. „The government has shown no compunction over shutting down disagreeable newspapers in the past and can be reasonably expected to behave similarly in the future.“367 Besonders auffällig ist ein Trend, den Kabirov in einem weiteren Bericht veranschaulicht. In dem analytischen Text Some trends of newspaper development in Uzbekistan368 vergleicht Kabirov die Verkaufszahlen der nationalen usbekischen Zeitungen mit denen der regionalen und lokalen Zeitungen. Die bei der Analyse erhaltenen Ergebnisse zeigen eine gegensätzliche Entwicklung. Die Verkaufszahlen der nationalen Zeitungen haben, wie das nachfolgende Diagramm verdeutlicht, im letzten Jahrzehnt dramatisch abgenommen. So verkauft die bis Anfang der 90er Jahre auflagenstärkste usbekische Zeitung, die Narodnoye slovo, von 261.200 Exemplaren im Jahr 1991 heute nur noch 7.680. Damit hat sie eine Auflagenstärke erreicht, die sie auf eine Stufe stellt mit vielen anderen Publikationen in Usbekistan. Bei den meisten Zeitungen haben sich die Verkaufszahlen auf ein Niveau eingependelt, dass weniger als ein Zehntel der ehemaligen Dimensionen erreicht. Interessant ist auch, dass der große Einbruch der Verkaufszahlen in den ersten fünf Jahren des vergangenen Jahrzehnts zu verzeichnen war. Seit 1995 sind die Zahlen im Landesdurchschnitt in etwa stabil geblieben.

366 367

368

Imamov, Bakhtiar. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 20.8.1999. Tashkent. Usbekistan McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. S. 325. oder Online-Version: http://www.internews.ru/books/media1999/html. (8.1.2000). Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. Uzbek Mass-Media Report. Some trends of newspaper development in Uzbekistan. (20.1.1999) In: Ruschin, Dmitry. ruschin@DR2709.spb.edu. Uzbek mass-media report. Persönliche e-mail. (12.6.1999)

112


300000

Khalq Suzi 250000

Pravda Vostoka Uzbekiston adabiyoti Narodnoye slovo Turkeston

200000

Molodyej Uzbekistana

Auflage

Vecherniy Tashkent Toshkent Oqshomi Uzbekiston Ovozi

150000

100000

50000

0 1991

92

93

94

95

96

97

98

1999

Jahr

Abbildung 12: Entwicklung der Verkaufszahlen nationaler usbekischer Zeitungen in den 90er Jahren369

Im krassen Gegensatz zu der Entwicklung bei den nationalen Zeitungen stehen die Zahlen der regionalen Zeitungen in den 90er Jahren. Kabirov führt als Vergleichswerte die Auflagen einiger Zeitungen in der Region Namangan auf.

369

Grafik erstellt anhand der Daten in Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. Uzbek Mass-Media Report. Some trends of newspaper development in Uzbekistan. (20.1.1999) In: Ruschin, Dmitry. ruschin@DR2709.spb.edu. Uzbek mass-media report. Persönliche e-mail. (12.6.1999). S. 3-5 Khalq Suzi, Narodnoye Slovo und Pravda Vostoka sind Regierungszeitungen, Uzbekiston Adabiyoti wird vorzugsweise von den sogenannten intellektuellen Usbeken gelesen während Turkeston und Molodyej Uzbekistana für eine zum größten Teil jüngere Leserschaft geschrieben werden. Der rapide Rückgang der Zahlen der Narodnoya Slov zwischen 1991 und `92 wird in den Quellen nicht näher erläutert.

113


8000

7000

6000 Istqlol Davr Kasansaynoma Uychinoma Yangiqurgon Khayoti Chortoq Yerkin Khayot Norin Ovozi Chust Pop Tonggi Istiqbol

Auflage

5000

4000

3000

2000

1000

0 1991

92

93

94

95

96

97

1998

Jahr

Abbildung 13: Entwicklung der Verkaufszahlen regionaler usbekischer Zeitungen in den 90er Jahren am Beispiel der Stadt Namangan370

Vergleicht man die beiden Diagramme, so erkennt man, dass der negative Trend der nationalen Zeitungen sich bei den regionalen Zeitungen in demselben Zeitraum nicht eingestellt hat. Das Creative Center for Journalists hat dazu Umfragen unter den usbekischen Zeitungslesern gemacht und herausgefunden, dass der Grund für die veränderten Lesegewohnheiten vor allem das gestiegene Interesse an lokalen und regionalen Themen ist, während das Interesse an nationalen Themen stark zurückgegangen ist. Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass sich im Laufe der 90er Jahre ein Maß an Politikverdrossenheit in Usbekistan eingestellt hat, dass zu einer langsamen Entfremdung der Bürger von den nationalen Massenblättern geführt hat. Der starke Rückgang der Verkaufszahlen bei den nationalen Zeitungen ist außerdem offensichtlich eine Folge der gestiegenen Zeitungspreise in Usbekistan. Wie rasant der Preisanstieg in den 90er Jahren gewesen ist, zeigt der Vergleich der Zeitungspreise mit dem Wert eines Brotes. 1990 entsprach der Wert einer Zeitung etwa einem Prozent des Brotpreises. 1999 machte der Zeitungspreis schon 80 Prozent des Brotpreises aus.

3.5.3 Nachrichtenagenturen Die ehemalige sowjetische Nachrichtenagentur TASS wurde im Jahr 1992 rein formell in UzTAG umbenannt. Später wurde aus der UzTAG die Uzbek National Information Agency (UzA), die auch heute noch im Stil des sowjetischen Vorgängers TASS besonders gefilterte Meldungen aus ganz Usbekistan an die Journalisten weitergibt. Neben der UzA gibt es seit einiger Zeit die Nachrichtenagentur Jakhon, die allerdings von der Struktur her der UzA

370

Grafik erstellt anhand der Daten in Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. Uzbek Mass-Media Report. Some trends of newspaper development in Uzbekistan. (20.1.1999) In: Ruschin, Dmitry. ruschin@DR2709.spb.edu. Uzbek mass-media report. Persönliche e-mail. (12.6.1999). S.5-7

114


gleicht. Der einzige Unterschied ist, dass die UzA dem Präsidenten direkt untersteht, während Jakhon die Agentur des Außenministeriums MID verkörpert. Außerdem nahm nach Informationen von Bakhtiar Imamov Anfang 1999 die Nachrichtenagentur Turkestan Press ihre Arbeit in der usbekischen Hauptstadt auf. Turkestan Press spezialisiert sich jedoch auf kulturelle und gesellschaftliche Nachrichten, so dass eine Kollision mit den Interessen der Regierung Karimov weitestgehend ausgeschlossen werden kann.371 Ausländische Nachrichtenagenturen sind mit Ausnahme der russischen ITAR-TASS, die einen festen Korrespondenten in Usbekistan hat, nicht vertreten.

3.5.4 Internet Bei dem Medium der Zukunft, dem Internet, versucht der usbekische Staat im Moment, die Zugangsmöglichkeiten für die Bürger des Landes rigoros zu beschränken. In einem Gespräch am 19.8.1999 mit Timothy Scott, dem Manager des IREX-Büros372 in Tashkent, wurde mir deutlich, wie einschneidend die geplanten Veränderungen auf dem Internet-Sektor in Usbekistan sein werden, sollten sie wirklich in die Tat umgesetzt werden. 1995, so Scott, als IREX die Arbeit in Tashkent aufnahm, gab es praktisch keine InternetZugangsmöglichkeiten in Usbekistan. Seitdem jedoch hat das Internet auch in Zentralasien eine rasante Entwicklung erfahren. Mittlerweile gibt es in Usbekistan drei große und annähernd 2000 kleinere Provider. Die drei Marktführer sind die privaten Anbieter Eastlink und Nautov sowie der staatliche Internet-Provider UzPak. Diese Konkurrenzsituation könnte schon bald beendet sein, da nach einer Resolution der usbekischen Regierung aus dem Jahr 1998 der Internet-Zugang nur noch über den staatlichen Provider UzPak möglich sein soll. Bis jetzt ist die Forderung der Regierung noch nicht umgesetzt worden, vor allem, so Scott, weil UzPak noch nicht die technischen Kapazitäten besitzt, um alle gewünschten InternetVerbindungen herstellen zu können. Als Gründe für die Monopolisierung nannte die usbekische Regierung nach Aussage des IREX-Managers die Verbesserung des technisches Standards auf dem Internet-Sektor für das ganze Land - bisher ist der Internet-Zugang wegen der schlechten Qualität der Telefonleitungen außerhalb der Hauptstadt mehr oder weniger auf Tashkent beschränkt - sowie sogenannte Sicherheitsaspekte, die sich auf den Schutz des Volkes vor Terrorismus und Pornographie beziehen.373 Die wahren Gründe der Regierung dürften hingegen vor allem in den finanziellen Vorteilen einer Verstaatlichung des Internets, das zurzeit etwa 10.000 Benutzer in Usbekistan zählt (Tendenz steigend) sowie der besseren Kontrolle über die Informationsmöglichkeiten der Bürger des Landes liegen. Yaqub Turan, der Leiter des usbekischen Dienstes von Radio Free Europe / Radio Liberty, bestätigt, dass das Internet in Usbekistan langsam an Bedeutung gewinnt. Allerdings, so Turan in einem Gespräch in der Prager Zentrale von RFE/RL am 27.11.1999, sei die usbekische Regierung entschlossen, alle Medienzweige ausnahmslos zu kontrollieren. Das Internet sei ein Teil der Medien und damit auch ein Angriffsziel für die Regierung Karimov. Dazu

371 372

373

vgl. Imamov, Bakhtiar. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 20.8.1999. Tashkent. Usbekistan IREX, das International Research and Exchange Board, ist eine private amerikanische Organisation, deren offiziell erklärte Ziele die Verbesserung der Forschungs- und Berufsvorbereitungsmöglichkeiten im Austausch zwischen den USA und den Staaten Osteuropas und der ehemaligen UdSSR sind. Unter anderem beinhaltet das Programm von IREX auch zwei für zentralasiatische Journalisten wichtige Punkte: „IREX ... supports, through technical assistance, the development of self-sustaining, independent media in Central and Eastern Europe (CEE), and the Newly Independent States of the former Soviet Region (NIS) ... and promotes the use of the Internet for scholarly and professional communication.“ (IREX. About IREX. http://www.about-irex/index.htm. (5.8.1999)) Scott, Timothy. IREX Tashkent. 19.8.1999. vgl. Gesprächsnotizen. Tashkent. Usbekistan „The Government says they will limit the harmful information and increase human rights issues by protecting the people from certain internet-output.“

115


komme die finanzielle Komponente, die eine erfolgreiche Verbreitung des Internets zusätzlich verhindere.374 In einem Land, in dem die Medien zensiert werden und der Nachrichtenfluss vom Staat gesteuert wird, bietet das Internet vor allem den Journalisten die Möglichkeit, sich grenzübergreifend, günstig und schnell anderen Menschen mitzuteilen. Während des Kosovo-Krieges ist diese Kommunikationsform zum ersten Mal von Journalisten und einfachen Bürgern so genutzt worden, dass Informationen, die sonst keinesfalls an die Öffentlichkeit gelangt wären, aus dem besetzten Gebiet heraus übermittelt werden konnten. Wahrscheinlich, so die allgemeine Annahme unter usbekischen Journalisten, fürchtet die usbekische Regierung, dass das Internet die in den letzten gut acht Jahren geschaffene Medienzensur gezielt unterwandern könnte. Der Staat will Einfluss darauf nehmen, wer einen Internet-Zugang bekommt und was derjenige im Internet veröffentlicht. Anders ist die geplante und rechtlich bereits beschlossene Monopolisierung nicht zu erklären. Die französische Organisation Reporters Sans Frontières (RSF) veröffentlichte 1999 erstmals nicht nur eine Liste mit den ‚Feinden der Presse‘ (‚Enemies of the Press‘), sondern auch eine Liste mit den ‚Feinden des Internets‘ (‚Enemies of the Internet‘). Demnach beschränken 45 Staaten weltweit gezielt den Zugang zum Internet und zwingen ihre Bürger, auf einen staatlichen Internet-Provider zurückzugreifen. 20 dieser Länder, unter anderem auch Usbekistan, beschreiben die RSF als ‚Feinde des Internets‘. In der Begründung der Einstufung aller fünf zentralasiatischen Länder als Feinde des Internets heißt es: „Some governments totally prevent their citizens from gaining access to the internet on the pretext of protecting the public from ‚subversive ideas‘ or defending ‚national security and unity‘. Others control a single Internet Service Provider or even several, installing filters blocking access to web sites regarded as unsuitable and sometimes forcing users to officially register with the authorities. The internet is a two-edged sword for authoritarian regimes. On the one hand, it enables any citizen to enjoy an unprecedented degree of freedom of speech and therefore constitutes a threat to the government. On the other, however, the internet is a major factor in economic growth, due in particular to online trade and the exchange of technical and scientific information, which prompts some of these governments to support its spread.“375 Die Tatsache, dass es in Usbekistan (noch) private Provider gibt, wird von den RSF anerkannt. Allerdings seien diese „controlled by the telecommunications ministry, which is responsible for chastising those who speak out against the government.“376 Die usbekische Regierung beruft sich immer wieder auf die negativen Seiten des Internets. Die Probleme mit Pornographie im Internet sind offenkundig, während auch die Einwände hinsichtlich des Terrorismus in letzter Zeit in der ehemaligen UdSSR mehr und mehr an Gehalt gewinnen. So berichtete der russische Fernsehsender RTR in seiner Nachrichtensendung Vesti am 31. August 1999 im Zusammenhang mit dem Konflikt in Dagestan, dass die islamistischen Rebellen angeblich mit Hilfe des Internets in der unzugänglichen Bergregion im Süden Russlands kommunizieren und somit der russischen Armee immer einen Schritt voraus seien.377 Nach den Bombenanschlägen in Tashkent vom Februar 1999 hat das Argument ‘Limitierung des Terrorismus‘ in Usbekistan im Zusammenhang mit der Verstaatlichung des Internets immer mehr an Gewicht gewonnen. Wie der Interessenkonflikt der Regierung mit den privaten Anbietern in dem bevölkerungsreichsten Land Zentralasiens ausgehen wird, ist zurzeit noch nicht abzusehen. Es scheint je374

375 376 377

Turan, Yaqub. turany@rferl.org. Radio Free Euope / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik. „The Government is determined to control the whole media. 95% of the people can’t afford the internet and the other 5% will still be restricted.“ Reporters Sans Frontières (RSF). The twenty enemies of the Internet. http://www.rsf.fr/indexuk.html. (5.9.1999) ebenda RTR. Vesti. 31.8.1999. 00.00 Uhr

116


doch so, als werde der Staat, sobald es die technischen Kapazitäten von UzPak zulassen, das Monopol durchsetzen und den Internet-Zugang nach seinen eigenen Richtlinien beschränken.

3.5.5 Der rechtliche Rahmen Das International Center for Journalists in Tashkent beschreibt die usbekische Medienlandschaft als einen schlecht definierten Raum zwischen konstitutioneller Garantie auf freie Meinungsäußerung und Freiheit der Medien auf der einen Seite und der erbitterten Kontrolle des Staates auf der anderen Seite378. So sind in der Verfassung Usbekistans „freedom of thoughts, speech and convictions“ 379 verankert. In der Realität jedoch wird von der usbekischen Regierung eine systematische Zensur der Medien durchgeführt, die durch die staatliche Kontrolle in einem strikten Registrierungsverfahren der Presse- und Rundfunkorgane Ausdruck findet. Hierbei erfordert es das usbekische Gesetz, dass ausnahmslos alle Medienbetriebe offiziell registriert werden müssen. Wenn man das Gesetz wörtlich nimmt, müsste sogar jede einzelne Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift bzw. jede Ausstrahlung einer Fernseh- oder Radiosendung vor der Veröffentlichung beim Staatlichen Komitee für Presse der Zensur unterworfen werden. Der Vorsitzende des Komitees ist Mitglied der Regierung Karimov und wird selbst überwacht von den Staatsratsmitgliedern des Präsidenten. Diese strenge Form der staatlichen Regulierung wurde eingeführt, um die Veröffentlichungsaktivitäten der usbekischen Opposition besser überwachen zu können.380 Einige staatliche Zeitungen haben allerdings, so der Zentralasien-Koordinator der Medienassistenz-Organisation Internews, Eric Johnson, eine Art ‚Freibrief‘ für ihre Publikationen bekommen, der sie von den genannten Regulatorien entbindet381. Der staatliche Fernseh- und Radiosender Uzteleradio, der aus dem ehemaligen sowjetischen Medienmonopolisten Gosteleradio entstanden ist, bildet eine weitere Ausnahme. Uzteleradio ist nicht verpflichtet, sich der Registrierung beim Staatlichen Komitee für Presse zu unterziehen. Das Komitee ist für die Durchsetzung des noch kurz vor der Unabhängigkeit Usbekistans im Jahr 1991 eingeführten Pressegesetzes verantwortlich und hat das Recht, die Lizenz zur Veröffentlichung von Informationen zu erteilen und zu entziehen. Den Journalisten garantiert die usbekische Verfassung auf dem Papier neben der allgemeinen Medienfreiheit auch den freien Zugang zu Informationen, erweiterte Schutzrechte für Journalisten sowie den Schutz der Informanten bzw. der Informationsquelle382. Allerdings werden diese von der Konstitution vorgesehenen Freiheiten nach Ansicht amerikanischer Menschenrechtsexperten nicht in die Tat umgesetzt383. Dazu kommt, dass in dem Gesetzestext von 1997 die Rechte und die Pflichten von Journalisten in gewisser Weise kollidieren. So haben die Journalisten zwar das im usbekischen Mediengesetz eingeräumte Recht, „Informationen zu 378 379 380

381 382 383

International Center for Journalists. IJNet. International Journalists‘ Network. Uzbekistan. Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Uzbekistan/media.html. (3.1.2000) vgl. Lange, Yasha. Media in the CIS. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media/uzbekistan_1.html. (3.1.2000) International Center for Journalists. IJNet. International Journalists‘ Network. Uzbekistan. Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Uzbekistan/media.html. (3.1.2000) „This provision has been enforced to curtail the publishing activities of Uzbek opposition groups.“ Johnson, Eric und Olcott, Martha und Horbitz, Robert. The Media in Central Asia. An Analysis Conducted by Internews for USAID. April 1994. S. 33 ebenda vgl. U.S. Department of State. Uzbekistan Country Report on Human Rights Practices for 1997. Bureau of Democracy, Human Rights and Labor. 30.1.1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/1997_hrp_report/uzbekist.html. (4.1.2000) „Although the Constitution prohibits censorship, it is widely practiced and the Government tolerates little, if any, criticism of its actions.“

117


suchen, zu erhalten und auszuwerten“, andererseits müssen sie dabei jedoch darauf achten, dass sie gleichzeitig für die „Richtigkeit und die Glaubwürdigkeit der veröffentlichten Informationen in Einklang mit der Verfassung (meine Hervorhebung, C.S.)“ 384 verantwortlich sind. Wörter wie Diktatur, Opposition, Krise oder ökonomische Katastrophe sind nach Jahren der Selbstzensur mehr oder weniger aus dem Wortschatz usbekischer Journalisten verschwunden. Werden sie doch noch einmal von einem Journalisten benutzt, entfernt das Staatliche Komitee für Presse sie selbstverständlich aus dem Text. Das International Center for Journalists zitiert in seinem Bericht über die Medien in Usbekistan erneut Lutfulla Kabirov vom Tashkenter Creative Center for Journalists, Ilkhom. Kabirov behauptet, die in anderen Sektoren der usbekischen Wirtschaft vollzogene Hinwendung zur freien Marktwirtschaft sei nicht von den Medien des Landes kopiert worden. Hier, so Kabirov, herrsche immer noch das alte hierarchische System385. Außerdem vermeiden usbekische Journalisten aus Zwecken des Selbstschutzes offensichtlich häufig eine zu deutliche Kritik an der Regierung und üben somit Selbstzensur aus. Die Angst vor den offiziellen Stellen des Landes geht nach Ansicht des Jahresberichtes 1997 des amerikanischen Büros für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit auf ein Gesetz von 1991 zurück, in dem „die Verletzung der Ehre und der Würde des Präsidenten“ unter Strafe gestellt wird386. Artikel 6 des Mediengesetzes regelt zudem die Rechtslage hinsichtlich des Missbrauchs der Medien. „Article 6. The inadmissibility of the misuse or use of the media. It is inadmissable to use the media to call for a change in the constitutional order, or the alteration of the territorial integrity of Uzbekistan, propaganda for war and violence, cruelty, national, racial or religious enmity or the distribution of state secrets. It is impermissable for the media to be used to cause harm to the honour and dignity of a citizen, or interfere in ther private life.“387 Dabei ist vor allem interessant, dass das Gesetz es nicht nur verbietet, die Medien für die aufgeführten Zwecke zu missbrauchen, sondern dass auch die Medien selbst allem Anschein nach für einen eventuell durch sie begangenen Missbrauch haftbar gemacht werden können. Aus dieser Rechtslage ergibt sich eine unzweifelhafte Zurückhaltung der usbekischen Journalisten, die bei jedem geschriebenen oder gesendeten Satz aufpassen müssen, nicht über die Grenzen einer aus Sicht des Staates angemessenen Berichterstattung hinauszuschießen.

384

385

386

387

Law of the Republic of Uzbekistan. On the Mass Media. 26.12.1997. http://www.internews.uz/law/law4e.html. (4.1.2000) „Article 2. Freedom of speech and the mass media. Mass media in the Republic of Uzbekistan. are free and operate in accordance with the Constitution of the Republic of Uzbekistan, this law and other legislative acts. The mass media have the right to search for, receive and disseminate information, and are responsible for truthfulness and trustworthiness of aired or published information in accordance with legislation.“ vgl. Kabirov, Lutfulla. Structural Reconstruction of the Uzbek Press. In: Post-Soviet Media Law & Policy Newsletter. Issue 48-49. 15.9.1998. http://www.vii.org/monroe/issue48_49/article.html. (20.11.1999) vgl. U.S. Department of State. Uzbekistan Country Report on Human Rights Practices for 1997. Bureau of Democracy, Human Rights and Labor. 30. Januar 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/1997_hrp_report/uzbekist.html. (4.1.2000) „Although the Constitution prohibits censorship, it is widely practiced and the Government tolerates little, if any, criticism of its actions.“ McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. Düsseldorf. S. 324. oder Online-Version: http://www.internews.ru/books/media1999/html. (16.12.1999). „In addition, there is no regulation preventing people from installing satellite dishes or parabolic antennas, however only a small proportion of the Uzbek population can afford them.“

118


3.5.6 Aktuelle Situation der Pressefreiheit in Usbekistan Die Zeiten, in denen unabhängige Medien in Usbekistan auf dem Vormarsch waren, gehören eindeutig der Vergangenheit an. In den Jahren der Perestroika im damaligen Sowjetreich hatten auch in dem bevölkerungsreichsten Land Zentralasiens liberalere Strukturen Einzug gehalten. Vor allem in der Zeit von 1986 bis 1991, als fast in der gesamten UdSSR der ‚wind of change‘, der ‚Wind des Wandels‘, zu spüren war, verbesserte sich die Lage für die Medien. Dieses „revival of a more democratically oriented press“388 war jedoch nur von kurzer Dauer und seit 1991 weht wieder ein rauherer Wind in Tashkent und Umgebung. Den ersten Meilenstein im Kampf gegen die unabhängigen Medien setzte Präsident Islam Karimov im April 1992. Damals verbot er der mittlerweile ebenfalls verbotenen Oppositionspartei Erk (Freiheit), eine gleichnamige Zeitung herauszugeben. Das juristische Fundament für dieses Verbot schuf Karimov sich selbst, indem er ein Dekret erließ, welches Parteien und Massenbewegungen, die politische Ziele verfolgen, jegliche Veröffentlichungsaktivitäten untersagt.389 Am Ende der 90er Jahre wird die Situation der Pressefreiheit in Usbekistan bestimmt durch die starke staatliche Kontrolle, die auf die Medien ausgeübt wird. So werden in vielen Fällen die Chefredakteure der usbekischen Zeitungen nicht nach ihren journalistischen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgewählt, sondern geraten vielmehr dadurch an ihre verantwortungsvollen Posten, dass sie durch besondere Loyalität gegenüber der Regierung von Präsident Islam Karimov bestechen. Damit beabsichtigt die Regierung nach Ansicht von Lutfulla Kabirov, dass die Zeitungen und anderen Presseorgane von vornherein auf den Kurs der Regierung gebracht werden und keine Anzeichen von Kritik erkennen lassen werden.390 Während die einheimischen Medien zensiert werden, versucht die usbekische Regierung, es ausländischen Medienvertretern so schwer wie möglich zu machen, in Usbekistan zu arbeiten, über die Situation im Land zu berichten oder die heimischen Journalisten finanziell zu unterstützen. Im Dezember 1997 veränderte Präsident Karimov das bestehende Medienrecht insofern, als dass es möglich war, die Registrierung von Medienbetrieben abzulehnen, wenn „der Gründer oder einer der Gründer (...) oder der Herausgeber außerhalb der Republik Usbekistan seinen Wohnsitz hat“391. Es ist auch bereits vorgekommen, dass ausländische Journalisten ihre Akkreditierung verloren und ihren Arbeitsaufenthalt in Usbekistan kurzfristig beenden mussten. So wurden Korrespondenten der russischen Nachrichtenagentur Interfax und der russischen Zeitung Sevodnya nach Russland zurückgeschickt. Über die Gesamtsituation der Medien und der Gesellschaft urteilt Alfred Diebold von der Friedrich-Ebert-Stiftung Ende 1999: „Usbekistans Präsident Karimow zeigt sich selbstbe388 389 390

391

ebenda. S. 320 ebenda. „Article 3 of this decree stated that: „political parties and mass movements pursuing political goals do not have the right to publishing activity.““ vgl. Kabirov, Lutfulla. Structural Reconstruction of Uzbek Press. In: Post-Soviet Media Law & Policy Newsletter, Issue 48-49. 15. September 1998. http://www.vii.org/monroe/issue48_49/article.html. (20.11.1999) „It should be noted that almost all the editors of governmental newspapers were appointed as a result of special decisions by the administration. We do not want to assert that this kind of appointments always gives negative results, but in practice we could see that journalists are selected not for professional characters but for their loyalty. This means that there will not be any critics on the newspaper.“ Law of the Republic of Uzbekistan. On the Mass Media. 26.12.1997. http://www.internews.uz/law/law4e.html. (4.1.2000) „Registration of a mass media organization can be refused if: (...) The founder or one of the founders of a mass media organization, or publisher is based outside the Republic of Uzbekistan. In case of the refuse to register the mass media organization the applicant shall be sent a notification in written form with the specific grounds of the refusal.“

119


wusst. Eine organisierte Opposition gibt es schon lange nicht mehr. Amnesty International berichtet immer wieder über Menschenrechtsverletzungen. Ende des Jahres werden Parlamentswahlen stattfinden. Die Programme aller Parteien bestehen in der uneingeschränkten Unterstützung des Präsidenten. Die Pressefreiheit ist durch die Angst der Journalisten vor Repressionen eingeschränkt.“392 Holly Cartner von Human Rights Watch beschreibt die Zustände noch direkter: „Censorship coupled with political repression is so much a way of life for journalists, that most of the time they censor their own questions before asking them.“393 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verhältnis zwischen Regierung und Medien so stark reguliert ist, dass eine für die Bevölkerung informative und aufklärende Berichterstattung gar nicht entstehen kann. Die Regierung tut alles, um die Journalisten ruhig zu stellen. Dabei werden auch alle rechtlichen Möglichkeiten ausgenutzt, um die Pressefreiheit nachdrücklich in enge Schranken zu verweisen.

3.5.7 Arbeitsbedingungen der Journalisten in Usbekistan In dem Bericht Structural Reconstruction of the Uzbek Press bemängelt Lutfulla Kabirov die Tatsache, dass die Arbeitsbedingungen der usbekischen Journalisten neben der staatlichen Kontrolle auch noch unter weiteren, zumeist wirtschaftlichen Problemen, leiden. Vor allem das Fehlen von Computern und die mangelhafte Ausbildung der Journalisten, die möglicherweise auch aus den bestehenden wirtschaftlichen Missständen entstanden ist, erscheinen dabei als besonders wichtige Punkte. Verbesserungen auf dem Gebiet des Marketings sieht Kabirov als unbedingt notwendig an, um posititve Veränderungen für die usbekischen Journalisten herbeizuführen. Die Verdienstmöglichkeiten für usbekische Journalisten sind gering. Das European Institute for the Media gibt einen Durchschnittsmonatslohn pro Journalist von etwa 60 US-Dollar an. Da dieses Einkommen jedoch selbst in Usbekistan kaum zum Überleben reicht, lassen sich zahlreiche Journalisten zum Hineinschreiben versteckter Werbung in ihre Artikel oder Berichte hinreißen. Diese Praxis ist laut EIM weit verbreitet, auch wenn sie durch die Zensurinstanzen und den stagnierenden Werbemarkt letztendlich auch nicht besonders einträglich ist. Ein weiterer Nachteil, mit dem die Journalisten in der Republik Usbekistan zu kämpfen haben, ist, dass ein regierungskritischer Artikel in einer Zeitung von der usbekischen Öffentlichkeit häufig als schädlich für die Geschicke des Landes gewertet wird. Diese Argumentation wird von der Regierung dankbar angenommen und dient dann als Legitimation für die Bestrafung einzelner Journalisten oder die Schließung der jeweiligen Medienbetriebe. Eric Johnson geht davon aus, dass die Wurzel dieser allgemeinen Medienfeindlichkeit kultureller Art ist und sich in den Jahrzehnten des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt hat.394 Kabirov kommt zu dem Schluss, dass die ersten Schritte auf dem Weg zu einer unabhängigen Presse in Usbekistan vor allem im Bereich der Arbeitsbedingungen der Journalisten gemacht werden müssen. Demnach sollten die Medienvertreter bessere Zugangsmöglichkeiten zu moderner Technologie bekommen. Sie müssen, wollen sie wirklich unabhängig berichten, in der Lage sein, das staatliche Veröffentlichungsmonopol mit Hilfe moderner Computertechnik zu umgehen. Der nächste, für die weitere Entwicklung der usbekischen Medien ebenso wichtige Schritt auf dem Weg zu einem akzeptablen Grad an Unabhängigkeit liegt darin, die Möglich392 393

394

Diebold, Alfred. Zentralasien im Sommer `99. In: Info 4/99. Friedrich-Ebert-Stiftung. S. 34/35 Cartner, Holly. Human Rights Watch / Helsinki. Offener Brief vom 3.10.1996. In: McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socioeconomic framework. S. 322. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (6.1.2000). Johnson, Eric und Olcott, Martha und Horbitz, Robert. The Media in Central Asia. An Analysis Conducted by Internews for USAID. April 1994. S. 33

120


keiten des Marketings vollständig zu nutzen. Die daraus erwachsenden finanziellen Voraussetzungen schaffen erst das Umfeld, in dem die Journalisten nicht mehr auf die staatliche Finanzierung angewiesen sind und damit auch nicht mehr der staatlichen Kontrolle ihrer Arbeit unterliegen. Allerdings, und das sehen auch die Mitarbeiter des International Center for Journalists in Washington so, wird es schwer sein, die genannten Voraussetzungen für die Verbesserung der journalistischen Arbeitsbedingungen zu schaffen, solange die Regierung auf das Verbot für ausländischen Investoren pocht, sich in den usbekischen Medien zu engagieren (siehe Kapitel 3.5.6). Der möglicherweise größte Wachstumsmarkt, das Internet, wird zudem, wie in Kapitel 3.5.4 beschrieben, massiv vom Staat kontrolliert und mit Restriktionen beladen, so dass eine technische Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalisten durch das Internet nicht zu erwarten ist. Auch in der Bewertung der Organisation Freedom House schneidet Usbekistan in Sachen Pressefreiheit im Vergleich zu den anderen Ländern Zentralasiens überdurchschnittlich schlecht ab. Mit einem Wert von 6,5 auf einer Skala von 1 (frei) bis 7 (nicht frei) liegt Usbekistan hinter Kirgisien (5), Kasachstan (5,5) und Tadschikistan (6). Lediglich Turkmenistan (7) schneidet in der Rangliste 1998/99 noch schlechter ab.395

3.5.8 Persönliche Erfahrungsberichte usbekischer Journalisten In einem Gespräch mit Diloram Ibrahim, der Managerin des usbekischen Dienstes der BBC in Tashkent, am 23.8.1999 erklärte sie mir an einem aktuellen Beispiel, wie unterschiedlich die Informationsfreiheit in den verschiedenen Ländern gehandhabt wird. Anfang August 1999 fielen 21 bewaffnete Usbeken, die dem Militär-Spezialkommando Scorpion angehörten, von Tadschikistan aus in Kirgisien ein und nahmen nahe der tadschikisch-kirgisischen Grenze nordöstlich der tadschikischen Stadt Garm fünf Menschen als Geiseln. Am 15. August 1999 bombardierte die usbekische Luftwaffe Ziele jenseits der tadschikischen Grenze396. In den kirgisischen und den tadschikischen Medien wurden diese Vorkommnisse geschildert. Vor allem die kirgisischen Medien, allen voran die Zeitung Vecherniy Bishkek, erläuterten und diskutierten die Hintergründe der Vorfälle, an denen unmittelbar drei der fünf zentralasiatischen Staaten beteiligt waren. Auch die unabhängige tadschikische Nachrichtenagentur AsiaPlus und die staatliche Agentur National Khovar berichteten über den Konflikt. Zwar waren nicht alle Berichte objektiv und manche widersprachen sich sogar, aber, so Ibrahim, „zumindest wurde in Kirgisien und Tadschikistan laufend berichtet“. In Usbekistan erfuhren die Menschen nichts von den militärischen Aktionen, die sich nur wenige Hundert Kilometer südlich mit Beteiligung der usbekischen Luftwaffe ereigneten. Etwa eine Woche später, bei einer Pressekonferenz des usbekischen Außenministeriums zum Thema Religionsfreiheit, stellte Diloram Ibrahim dem Sprecher des Außenministerium im National Press Center in Tashkent vor allen anwesenden Journalisten die Frage, welche Absicht die bewaffneten Usbeken mit ihrem Übergriff verfolgt haben und in welcher Form sich die usbekische Luftwaffe in den Konflikt eingeschaltet hat. Vorher hatte es auf Anfrage der BBC keine Antwort auf die Anfragen gegeben. Jetzt, vor den versammelten und gleichsam erstaunten Tashkenter Journalisten, musste der Sprecher des Außenministeriums eine Antwort geben. Diese begann er, „wie so oft“397, mit den Worten: „Well, as you all know...“. Nach Aussage von Diloram Ibrahim werden die Journalisten häufig mit solchen nichtssagenden Floskeln abgespeist. Bei Nachfragen gab es sogar schon die Antwort: „Sie sollten mehr lesen, dann würden Sie nicht 395 396 397

vgl. Freedom House. Freedom in the world 1998-99. Combined Average Ratings. http://www.freedomhouse.org/survey99/tables/countat.html. (25.1.2000) vgl. auch Jefplanov, Andrej. Kirgiskie voiska vstupili v boi s terroristami. In: Vechernjaja Moskva. 25.8.1999 Ibrahim, Diloram. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 23.8.1999. Tashkent. Usbekistan

121


so dumme Fragen stellen!“398. Auch bei der oben beschriebenen Pressekonferenz bekamen die Journalisten kaum Informationen über das Ausmaß der Bombardierung. Lediglich acht Bomben, so der Sprecher, seien abgeworfen worden. Es könne sein, dass dabei zufälligerweise auch das Nachbarland Tadschikistan getroffen worden sei. Mit diesen wenigen offiziellen Informationen musste Ibrahim in die Redaktion zurückkehren. Als sie abends aus Interesse die Berichterstattung im usbekischen Staatsfernsehem verfolgte, wurde der Angriff auf Tadschikistan mit keinem Wort erwähnt. Obwohl die Journalisten der staatlichen Medien spätestens seit dem Morgen von dem bewaffneten Konflikt wussten und mit ihren Aufnahmegeräten und Kameras bei der Pressekonferenz anwesend waren, wurde stillschweigend von einer offenen Berichterstattung abgesehen. Bei einer weiteren, schon mehrere Monate zurückliegenden Gelegenheit, ergab sich für Diloram Ibrahim die Möglichkeit, das Ausmaß an Pressefreiheit in den unterschiedlichen Ländern Zentralasiens zu beurteilen. Bei einem Flug nach Almaty in Kasachstan anlässlich einer Veranstaltung zum 50jährigen Bestehen der World Health Organization (WHO) verbrachte sie während einer Verspätung mehrere Stunden mit einem turkmenischen und einem kasachischen Journalistenkollegen. In dem Gespräch, das sich dabei entwickelte, wurde klar, dass der turkmenische Journalist seine usbekische Kollegin um deren Freiheit beneidete. Ihr jedoch ging es im Vergleich zu ihrem kasachischen Kollegen genauso. Sie beneidete ihn nicht nur um seine Freiheit, sondern auch um seine vergleichsweise besseren Arbeitsbedingungen in Kasachstan. Diloram Ibrahim geht davon aus, dass in Usbekistan wie in Turkmenistan die Medien dieselbe Rolle spielen wie in der ehemaligen Sowjetunion. „These countries preserved the Soviet heritage of holding back information. They try to control the media wherever they can.“399 Vor allem die Zeitungen in Tashkent, so Ibrahim weiter, seien alles andere als Informationsblätter. Sie seien alle gleich, vielleicht einmal abgesehen von der 1996 gegründeten Boulevard-Zeitung Hürriyet, die sich allerdings fast vollständig apolitisch gibt und auch soziale Themen vernachlässigt. Trotzdem wurde der erste Chefredakteur der Hürriyet, Karim Bakhriev, nach kurzer Zeit wegen der progressiven Berichterstattung von der Regierung entlassen. Hürriyet hat laut Ibrahim seinen Stil beibehalten. Politische Themen sind jedoch mehr denn je tabu. Außerhalb Tashkents sei die Situation der Presse ein wenig besser, so die Managerin des usbekischen Dienstes der BBC. In Andizhan zum Beispiel habe die Lokalzeitung bei einigen Anlässen bereits Artikel aus der russischen Zeitung Isvestijya kopiert, so zum Beispiel einen Bericht über die usbekische Mafia in Russland, und sei damit ungestraft davongekommen. In Tashkent könne sie sich einen solchen Fall nicht vorstellen, sagte Ibrahim. Die regionalen Unterschiede in der Pressefreiheit seien ganz einfach mit der Ballung der Ministerien und der Kontrollinstanzen in der Hauptstadt zu erklären. In den Provinzstädten müssen zwar auch alle Medienbetriebe registriert sein, doch wacht lediglich ein Bürgermeister direkt über die Geschicke der Medien und nicht ein ganzer Kontrollapparat. Hier gibt es außerdem kaum eine Chance, sich mit anderen Medien zu informieren. Während in Tashkent die russischen Magazine Argumenti i fakti und Trud in ihren usbekischen Versionen erhältlich sind, besitzen die lokalen Zeitungen außerhalb Tashkents laut Diloram Ibrahim wegen ihrer fast monopolartigen Posititon einen ganz anderen Stellenwert: „Here in Tashkent the people do not trust the newspapers and they are right in doing so.“400 Viele der Tashkenter Zeitungen haben nach Angaben von Ibrahim nur einen Mitarbeiterstamm von drei bis vier Personen. Der Chefredakteur schreibe pro Ausgabe mindestens vier Artikel selbst, jeweils unter anderem Namen. Die anderen Mitarbeiter machen dasselbe. Hinzu kommen offizielle Pressetexte der Ministerien sowie Gesetzestexte oder Bekanntmachungen.

398 399 400

ebenda ebenda ebenda

122


Obwohl die BBC ein ausländischer Sender ist, kommt sie durch ihren seit dem 30. November 1994 bestehenden usbekischen Dienst (zweimal täglich eine halbe Stunde Nachrichten auf Usbekisch über Usbekistan) häufig mit der usbekischen Regierung in Konflikt. Seit mehreren Monaten darf die BBC nicht mehr auf der Mittelwelle senden, sondern muss auf die Kurzwelle ausweichen. Eine Maßnahme der Regierung, so Ibrahim, um den usbekischen Bürgern den Empfang des Programms zu erschweren. Als das passiert war, wollte die BBC mit einer Werbeanzeige auf der Titelseite des Magazins Journal Prestige auf die neue Frequenz aufmerksam machen. Selbst diese Anzeige, die von der BBC selbst bezahlt wurde, musste erst durch die Hände des usbekischen Zensors. Das UZGLAVLIT, eine Abteilung des State Committees of Press, war mit dem Design der Anzeige nicht einverstanden und änderte wiederholt das Aussehen der Werbeannonce. Schließlich war die BBC nach einiger Diskussion mit allen Änderungen einverstanden, solange nur die neue Frequenz korrekt und in gewünschter Größe zu lesen sei. Überhaupt, so Ibrahim, sei die BBC in den letzten Jahren mehr und mehr ins Blickfeld der usbekischen Regierung gerückt. „The government wants to control the BBC“401, so Ibrahim wörtlich. Dabei werden vor allem die bei der BBC angestellten usbekischen Journalisten diskreditiert. Sie werden als schlechte Usbeken hingestellt, die im Ausland erzogen worden seien, ihre Muttersprache nicht vernünftig beherrschen und nicht im Sinne des Landes arbeiten. Es soll sogar Versuche von Seiten der Regierung gegeben haben, eigene Mitarbeiter als Journalisten bei der BBC vorzuschlagen bzw. dort anzubieten. Bis heute hat sich die BBC jedoch das Recht vorbehalten, ihre Journalisten nach eigenen Richtlinien einzustellen. Welchen Weg die usbekischen Medien in den nächsten Jahren gehen werden, weiß Ibrahim nicht einzuschätzen. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes stehen im Vordergrund und werden auch die Entwicklung auf dem Mediensektor direkt beeinflussen, so die usbekische Journalistin. Zudem sei die von den Sowjets übernommene und von der Regierung Karimov optimierte Staatsideologie ein Faktor, der nicht zu unterschätzen sei. Während im Nomadenund Clan-Land Turkmenistan alles auf einer ‘Ein-Mann-Ideologie‘ aufgebaut sei, habe Usbekistan eine lange Tradition als Staat, der mehrere Nationen verbindet. Solange die Regierung durch ihre Propaganda den Menschen diesen Glauben an das Vaterland weitervermittelt, wird es schwer sein, so Ibrahim abschließend, wirklich freie Medien zu gestalten, die unabhängig von der Regierungslinie arbeiten und informieren können. Ähnlich beurteilt Bakhtiar Imamov, ein weiterer Mitarbeiter des usbekischen Dienstes der BBC in Tashkent, Gegenwart und Zukunft der Medien in seinem Land. Imamov, der von 1988 bis 1993 am Institut für Journalistik der Tashkenter Universität studiert hat, arbeitete danach zuerst für die usbekische Nachrichtenagentur Uzbek Tass. In einem Gespräch im BBC-Büro am 20.8.1999 sagte Imamov, die Zeitungen in Usbekistan seien alle loyal dem Präsidenten gegenüber. Ihre Themen seien alle gleich und wirklich freie Zeitungen gebe es nicht.402 Auch die Medienunternehmen, die sich unabhängig nennen und nicht direkt von einem der vielen staatlichen usbekischen Ministerien unterstützt werden, sind nach Ansicht von Imamov genauso unter staatlicher Kontrolle wie alle anderen. Als Beispiel nennt er die angeblich unabhängige Nachrichtenagentur Turkestan Press, die Anfang 1999 in Tashkent gegründet wurde. Ihr Hauptsponsor ist die National Cooperation for Oil and Gas. Hinter der Fassade dieser Cooperation versteckt sich das usbekische Ministerium für Öl und Gas (Ministerstva Neft i Gaz), das in den letzten Jahren lediglich den Namen geändert hat. Die Strukturen und die Machthaber in den Reihen des Vorstands sind dieselben geblieben. Von einer unabhängigen Nachrichtenagentur kann, so Imamov, keine Rede sein. Außerdem beschränkt sich Turkestan Press nach Auskunft des BBC-Journalisten zum größten Teil auf die Berichterstattung über

401 402

ebenda Imamov, Bakhtiar. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 20.8.1999. Tashkent. Usbekistan. „Jyb dct kjzkmys- ntvfnbrf jlbyfrjdfz.“

123


kulturelle Themen, um jeglichen Konflikten auf dem Gebiet der Politik aus dem Wege zu gehen. Die meisten Journalisten in Usbekistan seien der Meinung, so Imamov weiter, ihre Aufgabe bestehe in der Erfüllung der staatlichen Vorgaben für Journalisten. Demnach sollen sie mit ihrer Berichterstattung der Regierung dabei behilflich sein, den wirtschaftlichen Umbau des Landes zu vollziehen. „Wir sind in einer Phase, in der wir gerade erst auf unseren eigenen Beinen stehen können“403 sagt Imamov, und es scheint mir so, als stehe auch er in gewisser Weise hinter der Linie der Regierung Karimov, wonach Journalisten eine Pflicht als Staatsdiener zu erfüllen haben. Die von der Regierung häufig benutzte Floskel „Wir sind ein Volk, also müssen wir auch gemeinsam arbeiten“404 scheint bei auch bei dem ehemaligen Journalistik-Studenten Spuren hinterlassen zu haben. Eine Lösung für die Probleme der usbekischen Journalisten fällt ihm nicht ein. Er bedauert, dass die 1992 in großer Anzahl existierenden oppositionellen Zeitungen „nur oppositionell und nicht demokratisch“ waren. Seiner Meinung nach gab es damals die Chance, wirklich etwas in Usbekistan zu bewegen, doch sei diese Chance vergeben worden, da es keinerlei konstruktive Kritik, keine positiven Impulse gegeben habe. Jetzt sei das Land an einem Punkt angelangt, so Imamov weiter, an dem die Menschen erst langsam Demokratie lernen müssen, bevor sie sie anwenden können.405 Die ehemaligen Kritiker seien ausgewandert oder haben sich in der Zwischenzeit zur Ruhe gesetzt. Das heutige Parteiensystem mit den fünf offiziell anerkannten Parteien trage ebenfalls nicht zur Demokratisierung der usbekischen Medien bei. Vier der fünf Parteien, so Imamov in dem persönlichen Gespräch am 20.8.1999, seien nur dazu da, der internationalen Öffentlichkeit zu zeigen, dass Usbekistan kein Ein-Parteien-System habe. Die Macht der Regierung in allen Sektoren des Landes sei so groß, dass auch die bestehenden Gesetze, die in Usbekistan zum Schutz von Journalisten geschaffen worden sind, nicht angewendet werden. Solange dies so bleibe, könne es keine Demokratisierung der usbekischen Medien geben. Eine vage Hoffnung verband Imamov mit den Parlamentschaftswahlen im Dezember 1999, den Präsidentschaftswahlen im Januar 2000 und den Versprechungen der Regierung Karimov, im Jahr 2000 die usbekische Wirtschaft zu liberalisieren und ausländischen Investoren durch die ab dann geltende Konvertierbarkeit der usbekischen Währung ins Land zu locken. Der BBC-Journalist hofft auf eine mit der Demokratisierung der Wirtschaft einhergehende Demokratisierung der Gesellschaft und schließlich auch eine Demokratisierung der Medien. „Je mehr private Eigentümer es in Usbekistan gibt, desto stärker wird das Rechtsempfinden des Einzelnen. Je stärker das Rechtsempfinden des Einzelnen, desto stärker ist auch der Drang nach Demokratie in der Gesellschaft.“406 Allerdings, so Imamov abschließend, rechne er mit einer Demokratisierung Usbekistans frühestens in fünf bis zehn Jahren. Yaqub Turan, der Leiter des usbekischen Dienstes des Radiosenders Radio Free Europe / Radio Liberty, sieht die Hauptverantwortung für die momentane Lage der Medien in Usbekistan darin, dass Präsident Karimov von Anfang an auf die Sicherung der wirtschaftlichen und politischen Situation gesetzt hat und diese um jeden Preis durchsetzen will. Das Verbot einer politischen Opposition und die strenge Kontrolle über die Massenmedien gehörten als tragende Maßnahmen zur Strategie der Regierung. Allerdings sei eine Stabilitätssicherung mit diesen Mitteln nicht auf Dauer zu garantieren. „If you block the media, the consequence will be unpleasant.“407 403 404 405 406 407

ebenda. „E yfc gthbjl- rjulf vs njkmrj yf yjub dcnf/v.“ ebenda. „Vs jlyf yfwbz- vs ljk;ys hf,jnfnm dvtcnt.“ ebenda. „K.lb pltcm njkmrj bpexf.n ltvjrhfnb.- yflj ltvjrhfnbpbhjdfnm vtlktyyj.." ebenda. Gesprächsnotizen vom 20.8.1999. Tashkent. Usbekistan Turan, Yaqub. turany@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Republik

124


Turan, der als in Afghanistan geborener Usbeke für den von der amerikanischen Regierung gesponserten Sender RFE/RL arbeitet, unterscheidet bei der Betrachtung der Arbeitsbedingungen der Journalisten deutlich nach Nationalität. Die meisten Journalisten seien Usbeken, die für usbekische Sender oder Zeitungen arbeiten. Für diese gelten nach Angaben von Turan die restriktiven Bedingungen, die eine unabhängige Berichterstattung nicht zulassen. Außerdem gebe es eine Zahl von ausländischen Journalisten. Diese seien jedoch, vor allem solange ihre Berichte nicht in Usbekistan veröffentlicht werden, kaum eine Zielscheibe für die medienfeindlichen Regierungsbeamten. Eine Zensur oder gar eine Bestrafung ausländischer Journalisten hätte sicherlich eine aus Sicht der usbekischen Regierung ungewollte, negative Berichterstattung im Ausland zur Folge. Turan wirft dem Präsidenten Usbekistans, Islam Karimov, vor, er sei nur an einer glänzenden Darstellung seines Landes nach Außen interessiert. Von der immer wieder proklamierten Demokratie sei vor allem für die einheimischen Journalisten nichts zu spüren. „If Karimov is serious, then he should open up the media. If a leader says, „we are looking forward to be a free democratic country“, then he should reform the country politically and economically.“ Solche Reformen seien jedoch noch nicht abzusehen.

3.5.9 Perspektiven für die usbekischen Medien Eine positive Perspektive für die usbekischen Medien ergibt sich meiner Meinung nach nur, wenn sich ein entscheidender Punkt hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Journalisten ändert. Die bereits bestehenden Gesetze, die zum Schutz der Journalisten eingeführt worden sind, müssen angewendet werden. Diese Forderung, die ich in persönlichen Gesprächen mit usbekischen Journalisten häufig gehört habe (vgl. Kapitel 3.5.7), ist der zentrale Punkt bei der Demokratisierung der usbekischen Medien. Wie kann diese Forderung jedoch umgesetzt werden, wenn die Staatsmacht so erdrückend und allgegenwärtig ist wie in Usbekistan? Ulugbek Ergashev, ein junger Journalist, der 1998 zum Präsidenten der usbekischen Journalistengewerkschaft ANESMI gewählt worden ist, denkt, dass der Weg zu einem liberaleren Arbeitsklima in Usbekistan nur mittels einer Gewerkschaft zu erreichen ist. Ergashev vertritt die Meinung, dass die Journalisten nur in einer starken Gemeinschaft etwas Entscheidendes in der Gesellschaft verändern können. Mit ANESMI gibt es seit 1995 in Zentralasien eine Journalistenvereinigung, die von ihren Zielen her einer westlichen Journalistengewerkschaft gleicht. Die Association of Independent Electronic Mass Media (ANESMI) wurde zuerst in Kirgisien gegründet. Mittlerweile hat sie in allen zentralasiatischen Ländern mit Ausnahme von Turkmenistan ein eigenes Büro. Im Sommer 1998 wurde der usbekische Journalist Ulugbek Ergashev zum Vorsitzenden von ANESMI in Usbekistan gewählt. In einer offenen e-mail beschreibt der InternewsRegionalkoordinator Eric Johnson, wie steinig der Weg von Ergashev auf dem Weg zu seinem jetzigen Posten gewesen ist.408 Demnach gründete Ergashev 1996 die erste private Radiostation Usbekistans (Evropa Plus), die kurz nachdem sie den Sendebetrieb aufgenommen hatte von der Regierung wieder abgesetzt wurde. Nach langem Warten durfe Ergashev Ende 1996 dann wieder auf Sendung gehen. Bis dahin nutzte der arbeitslose Journalist die Zeit, um die Idee einiger anderer usbekischer Journalisten, sich in einer Art Gewerkschaft zusammenzufinden, weiterzuentwickeln. Die etwa 35 privaten Anbieter in Usbekistan, die zu der Zeit fast ausschließlich im Fernsehbereich tätig waren, besuchten zum größten Teil ein Seminar, das von den nicht-staatlichen, westlich-finanzierten Organisationen Counterpart und Internews organisiert worden war und die Schaffung und Unterhaltung einer Journalistenvereinigung zum Thema hatte.

408

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. 7.4.1997. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. (12.6.1999)

125


Nachdem sich die ersten unabhängigen Journalisten der elektronischen Medien darauf verständigt hatten, eine eigene Organisation zu gründen, bereitete die usbekische Regierung ein Dekret zur Schaffung eines eigenes Dachverbandes der privaten Fernseh- und Rundfunkanbieter vor. Als jedoch klar wurde, dass die Journalisten um Ulugbek Ergashev kein Interesse daran hatten (Eric Johnson: „Expressing that lack of interest was in itself an act of courage in Uzbekistan.“)409, versuchte die Regierung, die Journalisten mit finanziellen Mitteln zu locken. Ergashev berichtete Johnson in einem persönlichen Gespräch in Tashkent, dass die Regierung sich sogar bereit erklärt hätte, die gesamten Kosten für die Journalistenvereinigung zu tragen. Als die unabhängigen Journalisten auch dieses Angebot ablehnten, stürmten die Beamten das Gründungstreffen der ANESMI und schlugen einen Mitarbeiter der Regierung, der gerade für Menschenrechte zuständig war, als Kandidaten für den Vorsitz der zu gründenden Vereinigung vor. Als auch dieser Versuch der Einflussnahme scheiterte und der Kandidat der Regierung offensichtlich chancenlos war, wurde ein Mitarbeiter des usbekischen Justizministeriums zum Gründungstreffen von ANESMI bestellt, der die Vereinigung wegen eines Verfahrensfehlers für null und nichtig erklärte. Allerdings hatten die Journalisten vorgesorgt und ein eigener Rechtsanwalt konnte die Vorwürfe aus der Welt schaffen. Ulugbek Ergashev wurde im weiteren Verlauf des Treffens zum Vorsitzenden von ANESMI Usbekistan gewählt. Eric Johnson hält diese Versuche der Regierung, die Gründung einer Journalistengewerkschaft zu verhindern, für unangebracht. Seiner Meinung nach sind die in der ANESMI vereinigten Journalisten keineswegs regierungsfeindlich oder oppositionell. Zumindest waren sie es nicht, bevor der Konflikt mit den Regierungsbeamten anfing. Johnson weiter: „By taking a hard line, the government's creating a confrontation where there wasn't one, and doesn't need to be one. ANESMI has no desire to criticize anyone; it just wants to be able to represent the stations' interests at any rate. The State Press Committee, which is responsible for control (in every sense of the word) over the media, has vowed to prevent ANESMI from being registered, and has threatened Ulugbek's station with closure. The stations, however, are working hard to make ANESMI a reality, and they deserve all the help they can get.“410 Noch wehrt sich die Regierung, die Journalistengewerkschaft ANESMI anzuerkennen. Sollte ANESMI irgendwann ihre Arbeit aufnehmen, könnte das der erste Schritt hin zu einer Unabhängigkeit der usbekischen Medien sein. Ulugbek Ergashev sagte bei meinem Besuch im August 1999, er werde weiter für ANESMI kämpfen. Dabei gab er auch zu verstehen, dass selbst eine mögliche Klage vor Gericht nicht ausgeschlossen sei und er auf jeden Fall den eingeschlagenen Weg beibehalten wolle.411 Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine Verbesserung der Situation der Journalisten ist die wirtschaftliche Öffnung des Landes, die jedoch auch den Mediensektor beinhalten muss. Das Creative Center for Journalists befürchtete schon 1995, dass die ökonomische Entwicklung Usbekistans an den Medien vorbeigehen könne. In mehreren Seminaren mit fast 200 usbekischen Zeitungsherausgebern stellten die Beteiligten fest, dass die Marktwirtschaft in der nationalen Ökonomie Einzug gehalten hat, während die Medien immer noch unter zentralisiertem Management arbeiten. „In Uzbekistan arises the structure of market economics in all areas of national economy. But the structure of massmedia was out of these changes. And if, for example, in national economy there is a tend to privatisation then in the structure of massmedia there is still principle of centralized management. A contradiction between economical structure of society and old structure of massmedia appeared.“ 412 Von einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage des Landes könnten die Medien profitieren, da durch ein erhöhtes Finanzaufkommen auch ein größerer Werbemarkt entstehen 409 410 411 412

ebenda ebenda Ergashev, Ulugbek. ANESMI Usbekistan. vgl. Gesprächsnotizen vom 23.8.1999. Tashkent. Usbekistan Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. Structural reconstruction of the Uzbek press. (20.4.1998). In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. 12.6.1999)

126


könnte. Das wiederum würde die Position der unabhängigen Sender bzw. Zeitungen in Usbekistan festigen und Expansionschancen bieten. Ob jedoch dieser von allen Seiten erhoffte finanzielle Aufschwung in den kommenden Jahren Realität wird, bleibt abzuwarten. Lutfulla Kabirov betont, dass vor allem der Zeitungsmarkt durch den monopolisierten Druck und die finanziell sehr aufwendige Verbreitung der Zeitungen unter den momentanen Zuständen leidet und bei einer Verbesserung der Lage einen Riesenschritt in Richtung Demokratisierung machen könnte.413 Bei dieser Sichtweise wird Kabirov unterstützt von Eric Johnson von Internews. Johnson, der davon ausgeht, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Nachbarländern Kirgisien und Kasachstan in der näheren Zukunft deutlich verbessern werden, hofft auch auf einen entsprechenden Trend in Usbekistan. Denn, so sagt er, „if they had the money, they could be independent“414. Ein sehr negatives Bild von der momentanen und zukünftigen Lage in Usbekistan zeichnet der Bericht Is Uzbekistan the worst dictatorship in Central Asia? von Charles Fenyvesi. Darin beschreibt der Journalist von Radio Free Europe / Radio Liberty, wie die usbekische Regierung systematisch gegen die Menschenrechte und die Pressefreiheit verstößt. Er zitiert John Beyrle, den Sonderbeobachter des US Secretary of State in Usbekistan mit den Worten: „Truly independent human rights NGOs face difficulty registering and suffer harassment and obstruction."415 Usbekistan sei auf dem Weg, neben dem Nachbarland Turkmenistan zur schlimmsten Diktatur in Zentralasien zu werden. Ein weiteres Anzeichen dafür sei auch der Bau zweier riesiger Gefängnisse für Dissidenten, die nach Aussage seines RFE/RL-Kollegen Paul Goble vergleichbar sind mit einem „gulag of the Soviet past“ 416. Goble behauptet weiter, dass die Unterdrückung der Medien, der Dissidenten und des intellektuellen Lebens an sich in Usbekistan so nachdrücklich durchgeführt werden, dass Außenstehende bei oberflächlicher Beobachtung das Land für sehr stabil halten müssen. Tatsächlich jedoch gehen regierungskritische Usbeken wie der im Exil lebende Oppositionspolitiker Muhammed Salih davon aus, das Land stehe „on a threshold of civil war comparable to Afghanistan's“417. Salih kritisiert den Westen wegen dessen abwartender Haltung, die seiner Meinung nach im Wesentlichen eine Antwort auf die Einschüchterungstaktik von Präsident Islam Karimov sei, der bei einer westlichen Forderung nach mehr Demokratie mit dem Verlust eines strategisch wichtigen Partners in Eurasien gedroht haben soll. Der Westen und Russland, so Salih weiter, seien „equally accountable for the revival of totalitarianism in Central Asia and for the present threat of regional civil war.“418 Die Meinungen darüber, in welche Richtung die Rahmenbedingungen der Massenmedien in Usbekistan sich in den kommenden Jahren entwickeln werden, gehen weit auseinander. Von wirtschaftlichem Aufschwung über Stagnation bis hin zum Ausbruch eines Bürgerkrieges oder bewaffneter Grenzkonflikte mit Tadschikistan – alles scheint möglich in Usbekistan im 21. Jahrhundert. Vielleicht ist daher die Einschätzung von Eric Johnson am treffendsten: 413

414 415

416 417 418

ebenda. „Nowadays, we should solve this problem for local newspapers to help them in making their newspapers cheaper. But there is one more problem. Newspapers don`t have their own printing house. They have to print the newspaper in govermental printing-houses for very high charge. By our sight, the own printing-house means the independence of newspaper. Also there is a big problem with newspaper's spreading, which is handled by the state and not so effective.“ Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich Fenyvesi, Charles. Radio Free Europe / Radio Liberty. listmanager@list.rferl.org. Is Uzbekistan the worst dictatorship in Central Asia?. In: RFE/RL WATCHLIST Vol. 1. Nr. 38, 21.10.1999. E-mail-Liste watchlist@list.rferl.org. (21.10.1999) ebenda. „Goble called the repression of media, of dissidents, and of intellectual life...so intense that to a superficial outsider, Uzbekistan looks genuinely stable.“ ebenda ebenda

127


„Uzbekistan is the most volatile of the Central Asian countries.“419 Diese innere Unruhe im Staat und im Mediensystem sei jedoch selbst verschuldet, so Johnson, da die Regierung schon immer in einer starken Position gewesen sei. „They don’t have to do it like that. Karimov supresses everybody. They might have to pay a high long-term price for their short-term stability.“420

4

Vergleichsanalyse

Die Medien in Zentralasien waren 1991 mit scheinbar gleichen Voraussetzungen aus dem sowjetischen System heraus in die Unabhängigkeit ihrer jeweiligen Länder entlassen worden. Scheinbar nur deshalb, weil nicht alleine der rechtliche Rahmen, d.h. die Mediengesetzgebung über die Situation der Journalisten und der Medien in einem Land entscheiden. Die ehemalige Sowjetunion bietet durch ihren plötzlichen Zerfall ein hervorragendes Gebiet für die Erforschung der Medienumfelder und der verschiedenen Einflüsse, die auf die Gestaltung dieser Medienumfelder einwirken. Was in Zentralasien deutlich wird, ist, wie enorm wichtig die politische Situation eines Landes und die Einstellung der Regierung gegenüber den Medien für die Arbeitsbedingungen der Journalisten sind. Das mit Sicherheit krasseste Beispiel ist die Situation der Journalisten und der gesamten Gesellschaft in dem westlichsten Land Zentralasiens, in Turkmenistan. Hier, wo seit Jahrhunderten Familienclans das Sagen haben und eine geordnete Stammeshierarchie zum Selbstverständnis der Menschen gehört, regiert ein Diktator, der jegliche Opposition zerstört hat und auch nicht den geringsten Zweifel daran lässt, dass alle Entscheidungen, die im Land getroffen werden, vorher mit ihm abgesprochen werden müssen bzw. sowieso von ihm selbst getroffen werden. Da eine politische Opposition nicht existent ist, entsteht auch unter den Journalisten keine unabhängige Bewegung. Die Medien sind prinzipiell dazu da, verschiedenen Meinungen eine Plattform zu geben und gesellschaftliche Diskussionen zu unterstützen. Wo aber, wie in Turkmenistan, verschiedene Meinungen offiziell nicht erlaubt sind, wird auch die Plattform der Medien nicht gebraucht. Der turkmenische Präsident Turkmenbashi hat daher ein neues Betätigungsfeld für die Journalisten gefunden. Sie sind zuständig für seinen Propaganda-Apparat, der die egozentrischen Auswüchse des Präsidenten vervielfältigt und für die breiten Massen zugänglich macht. Louise Hidalgo nennt Turkmenistan eine „one-mancountry“421, einen Ein-Mann-Staat, und auch Eric Johnson von Internews macht den diktatorischen Stil von Turkmenbashi für die unhaltbare Situation der turkmenischen Journalisten verantwortlich. Lösungen für die schwierige Situation hat anscheinend niemand, da die Basis fehlt, auf der man unabhängige Medien aufbauen könnte. Schon Anfang der 90er Jahre, als das Land unabhängig wurde, war die Gesellschaft mit der neuen Situation überfordert. Diese Tatsache hat der Diktator Turkmenbashi geschickt ausgenutzt. Die staatliche Macht über die Medien ist heute so erdrückend, dass selbst das westliche Ausland keinen Einfluss mehr auf Turkmenistan ausüben kann. Eric Johnson: „There is nothing the West can pressure Turkmenbashi with. He has oil, he has gas, he owns an officially neutral state and his people don’t starve.“422 Das Fehlen einer politischen Opposition hat somit durch die gleichzeitige gegen die Medien gerichtete Arbeit des Präsidenten dafür gesorgt, dass sich Turkmenistan zu dem für Journalisten feindlichsten Land Zentralasiens und auch einem der journalistenfeindlichsten Länder der ganzen Welt entwickelt hat. Da der Präsident sein Amt seit einer Entscheidung des Parlaments Ende 1999 auf Lebenszeit behalten wird, sehen die Perspektiven für die unabhängigen Journalisten in Turkmenistan auch auf längere Sicht finster aus. 419 420 421 422

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich ebenda Hidalgo, Louise. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 22.8.1999. Tashkent. Usbekistan Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich

128


Ähnlich ist die Situation in Usbekistan. Auch hier herrscht mit Islam Karimov ein Diktator, der kaum unabhängige Medien duldet. Allerdings hat er es ungleich schwerer als sein turkmenischer Amtskollege, da Usbekistan zum einen das bevölkerungsreichste Land Zentralasien und zudem in sich nicht so homogen ist wie Turkmenistan. Die wirtschaftliche Lage in Usbekistan ist in den vergangenen Jahren ständig schlechter geworden. Langsam scheint sich eine Öffentlichkeit zu entwickeln, die für mehr Offenheit und Meinungsfreiheit plädiert. Karimov versucht das mit politischen Ablenkungsmanövern zu verhindern, indem er offiziell mehrere Parteien erlaubt. Diese jedoch spiegeln nicht das Verlangen der Bevölkerung nach mehr Mitspracherecht wider und stellen schon gar keine politische Opposition dar. Vielmehr sind sie als ‚positives Signal‘ für den Westen gedacht, denn den braucht Karimov anders als der turkmenische Staatschef Niyazov, um seine angeschlagene Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Sollte diese zusammenbrechen, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach auch die politische Vorherrschaft Karimovs in Gefahr. Noch ist für unabhängige Journalisten in Usbekistan kaum Entfaltungsraum vorhanden. Dennoch sind Ansätze einer unabhängigen Medienlandschaft schon jetzt zu erkennen und die Chancen auf eine bessere Zukunft mit einer offeneren Gesellschaft sind vorhanden. Es gibt vereinzelte Journalisten in Usbekistan, wie zum Beispiel Ulugbek Ergashev (vgl. Kapitel 3.5.9), die versuchen, das zurzeit bestehende Mediensystem in Usbekistan zu erneuern. Der Weg, den Ergashev einschlagen will, erscheint mir als eine der bestmöglichen Optionen. Wie wichtig es wäre, eine funktionierende Journalistengewerkschaft in einem Land wie Usbekistan zu haben, wird dadurch verdeutlicht, dass die Regierung alles tut, um Ergashevs Vorhaben zu verhindern. Westliche Organisationen bzw. Regierungen haben die Möglichkeit, positiv in die Bestrebungen der unabhängigen usbekischen Journalisten einzugreifen. Eine gewisse Grundlage für das Entstehen landesweiter unabhängiger Medien mit besseren Arbeitsbedingungen für die Journalisten besteht bereits. Jetzt könnte das Ausland den Druck auf die Regierung erhöhen, denn Karimov ist auf westliche Kredite angewiesen. An einem wirtschaftlichen Kollaps des bevölkerungsreichsten Landes in Zentralasien kann niemand interessiert sein. Zwar würde Karimovs Macht bröckeln, doch könnten im gleichen Maße radikale Elemente die Zügel in die Hand nehmen. Sinnvoller wäre es, Karimov die Finanz-Kredite nur unter Auflagen zu erteilen. Eine der Auflage sollte es dann sein, dass er die Arbeitsbedingungen der Journalisten verbessert und die Zensur sowie andere Repressionen gegen die usbekischen Journalisten deutlich zurückfährt. Trotz aller eventuellen Verbesserungsansätze bleibt zu sagen, dass das Maß an Pressefreiheit in Usbekistan zum jetzigen Zeitpunkt etwa auf dem selben Stand ist wie zu sowjetischen Zeiten. Louise Hidalgo, die BBC-Korrespondentin in der usbekischen Hauptstadt, geht davon aus, dass sich daran auch in der näheren Zukunft nichts ändern wird. „People here have an amazing patience. They have the motto: Whatever happens is okay. Things could always be worse... I think it will take a very long time for the establishment of media freedom and democracy here in Uzbekistan. There are already some brave journalists, but there would have to be more to really make a difference.“423 In Tadschikistan wird im Gegensatz zu allen anderen zentralasiatischen Ländern deutlich, dass sehr wohl ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Maß an Pressefreiheit und den Arbeitsbedingungen der Journalisten liegen kann. Normalerweise geht man davon aus, dass ein hohes Maß an Pressefreiheit gleichbedeutend ist mit guten Arbeitsbedingungen für die Journalisten. Die aktuelle Situation in Tadschikistan bestätigt, dass dem nicht immer so sein muss. Im Vergleich zu den bereits genannten Diktaturen in Turkmenistan und Usbekistan herrscht in Tadschikistan ein eher mildes Medienklima, solange es um die Rechte der Journalisten auf dem Papier geht. Tadschikische Journalisten dürfen unzweifelhaft mehr als ihre turkmenischen oder usbekischen Kollegen. Doch zwischen Theorie und Praxis liegen in dem kleinsten und von wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen am schlimmsten gekennzeichneten 423

Hidalgo, Louise. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 22.8.1999. Tashkent. Usbekistan

129


Staat in Zentralasien Welten. Während die Journalisten in den anderen Länder bei Verstößen gegen bestehende Rechte oder bei Beleidigungen von Regierungsbeamten oder sogar des Präsidenten vor Gericht gestellt werden, herrscht in Tadschikistan nach wie vor das Gesetz der Waffe. Die Pressefreiheit selbst ist im Prinzip gegeben, nur kann sie wegen der hohen Gefahren für das Leben der jeweiligen Journalisten nicht ausgeübt werden. Eric Johnson über die Zustände im Tadschikistan: „The situation in Tajikistan doesn’t allow the freedom to be exercised. The journalists are in fear of being killed. Even though the worst time seems to be in the past, there still is a real threat.“424 Die Selbstzensur der Journalisten, die ohnehin schon eines der heikelsten Themen innerhalb der Medien der ehemaligen UdSSR ist, wird durch eine direkte körperliche Bedrohung selbstverständlich noch einmal drastisch unterstützt. Vor diesem zentralen Problem stehen die tadschikischen Journalisten heute, und eine konkrete Hilfe ist nicht in Sicht. Die wirtschaftlichen Perspektiven sehen trostlos aus und auch die immer noch bestehende politische Instabilität des Landes mit bewaffneten Grenzkonflikten, nicht eingehaltenen Versprechungen aus dem Friedensvertrag und einem Präsidenten, der nur auf Machterhaltung aus zu sein scheint, lassen für die Zukunft Tadschikistan schwarz sehen. Internationale Hilfsorganisationen und Beobachtermisionen sind seit Jahren vor Ort und die einzige positive Nachricht bisher ist, dass sich die Lage nicht noch weiter verschlechtert hat. Es bleibt jedoch trotz allem festzustellen, dass die tadschikische Gesellschaft auf jeden Fall zerstrittener ist als die in Turkmenistan und Usbekistan. Für die Bürger hat das in den vergangenen neun Jahren vor allem Krieg und Instabilität gebracht. Für die Journalisten ergibt sich jedoch aus dem gesellschaftlichen Konfrontationskurs der verschiedenen Lager die Möglichkeit, auch über verschiedene Meinungen zu berichten. Der in seiner Rolle geschwächte Präsident Imomali Rakhmonov hat es im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Staatschefs Niyazov und Karimov nicht geschafft, die politische Opposition zu vernichten. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Journalisten von der Papierform her freier sind als die in Turkmenistan und Usbekistan. Und doch sind sie handlungsunfähig. Denn die Angst vor körperlichen Schäden sitzt tiefer als der Mut, im Sinne von freien unabhängigen Medien aktiv das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Die Entwicklung in Kasachstan ist mit Erschrecken zur Kenntnis zu nehmen. Während es bis zum Jahr 1996 so aussah, als sollte sich ein relativ liberales Mediensystem entwickeln, welches unter dem Einfluss der allgemeinen Demokratisierung und Marktöffnung in Kasachstan zu ungeahnter Freiheit hätte kommen können, scheint Präsident Nasarbajew seit einigen Jahren ‚die Uhr zurückdrehen‘ zu wollen. Ob die fünf Jahre von 1991 bis 1996 genügt haben, um das Verlangen der Bürger nach Pressefreiheit in den Köpfen zu verankern, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall hatten die unabhängigen Medien eine Chance und sie haben versucht und versuchen es zum Teil immer noch, diese Chance zu nutzen und für ein demokratischeres Umfeld in ihrem Land zu sorgen. Die momentane Situation ist geprägt von der Angst des Präsidenten, das riesige Land Kasachstan und somit auch seine Machtbefugnis könne an ethnischen Konflikten zerbrechen. Die Gefahr besteht, denn die Zweiteilung der kasachischen Bevölkerung in Kasachen und Russen hat enorme gesellschaftliche Auswirkungen. Auch bei den Medien ist das deutlich spürbar. Vor allem im Norden Kasachstans, wo die russische Bevölkerung in der Mehrzahl ist, dominieren die russischen Medien, die im Vergleich zu den kasachischen Medien eine erheblich größere Meinungsvielfalt präsentieren. Alleine diese Tatsache könnte möglicherweise die seit 1996 von Präsident Nasarbajew durchgeführten Unterdrückungsmaßnahmen gegen die kasachischen Medien zum Scheitern bringen und die Arbeitsbedingungen der Journalisten wieder verbessern. Dazu bedarf es jedoch auch der Initiative engagierter Journalisten. Diese können sich in Kasachstan allerdings anders als in Tukmenistan, Usbekistan oder Tadschikistan der Unterstützung aus dem Westen sicher sein. Kasachstan ist mit seinen riesigen Rohstoffvorkommen ein wichtiger Handelspartner der Zukunft. 424

Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich

130


Die USA sind einer der größten Interessenten und jedesmal, wenn Staatschef Nasarbajew mit den Amerikanern zusammentrifft, scheint er seine diktatorischen Züge, mit denen er seit Jahren die Journalisten in die Knie zu zwingen versucht, zu vergessen. Eric Johnson von Internews hofft, dass sich die wirtschaftliche Situation in Kasachstan in den kommenden Jahren spürbar verbessern wird und damit auch die Möglichkeiten für die privaten Medien steigen, sich am Markt erneut etablieren zu können. Allerdings sieht auch er die Gefahr eines Bürgerkrieges über Kasachstan aufziehen, der im Ernstfall alle Bemühungen der vergangenen Jahre zunichte machen würde. Das einzige Land in Zentralasien, das sich aus Sicht der Pressefreiheit fast durchweg positiv entwickelt hat, ist Kirgisien. Louise Hidalgo, die Zentralasien-Korrespondentin der BBC, sagt über die Entwicklung der 90er Jahre: „President Akajew has understood that the only way to survive with a country of the size of Kyrgyzstan is that you open it for foreign investment. They want to make it the ‚Switzerland of Asia‘ again.“ Der Physiker Akajew hat anscheinend als einziger amtierender Präsident in Zentralasien, der nicht vorher einen hohen Posten in der jeweiligen KP-Spitze innehielt, verstanden, dass das Überleben seines Landes gekoppelt ist an eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Öffnung. Während der Kasache Nasarbajew auch den wirtschaftlichen Erfolg suchte, ohne aber demokratische Formen in seinem Land einzuführen, setzte Akajew auf die Ende der 80er Jahre von Gorbatschow angestrebten Ziele Glasnost und Perestroika. Im Fall von Kirgisien ist die Rechnung vorerst aufgegangen. Die Journalisten genießen verhältnismäßig gute Arbeitsbedingungen, in der Bevölkerung werden Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Themen kontrovers diskutiert und der Westen scheint ebenfalls Gefallen an dem touristisch hochinteressanten Land gefunden zu haben. „Kyrgyzstan has always had a lively democracy. The Kyrgyz seem to discuss more and resolve things that way“425, sagt Eric Johnson und unterstreicht damit, dass die Voraussetzungen für Kirgisien, ein demokratisches Land mit einer funktionierenden Medienlandschaft zu werden, durchaus gegeben sind. Von allen fünf zentralasiatischen Ländern ist es Kirgisien, das für Journalisten das beste Medienumfeld stellt. Wie sich die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen für die Journalisten vor Ort äußern, beschreibt die britische Journalistin Louise Hidalgo. Da sie die einzige feste Korrespondentin der BBC in Zentralasien ist, reist Lousie Hidalgo häufig durch die fünf Länder, um aus erster Hand ihre Informationen zu bekommen und sich ihr eigenes Bild von den Ereignissen zwischen Ashgabat und Almaty machen zu können. Dabei sind ihr in den vergangenen Jahren auch die teilweise gravierenden Unterschiede hinsichtlich der Pressefreiheit aufgefallen. Als positivstes Beispiel nennt Hidalgo die Medien in Kirgisien. Dort, so ist ihr aufgefallen, gibt es eine permanente öffentliche Diskussion, die sowohl in den kirgisischen Massenmedien als auch auf zwischenmenschlicher Basis geführt wird. Außerdem lässt die kirgisische Regierung nach Angaben von Hidalgo mehr nicht-staatliche Organisationen zu als irgendeine andere Regierung in Zentralasien. In Tadschikistan herrscht nach Ansicht der BBC-Korrespondentin ein nicht unbedingt demokratisches Klima und doch haben die beiden verfeindeten Gruppierungen, die Regierung auf der einen und die United Tajik Opposition (UTO) auf der anderen Seite, einen Kompromiss gefunden, der beiden ein Überleben garantiert und sich durch die Tolerierung oppositioneller Zeitungen auch positiv auf die Medien ausgewirkt hat. Auch in Tadschikistan stößt die BBC wie in Usbekistan häufig auf Widerstand, da sich durch die objektive Berichterstattung in den Jahren des Bürgerkriegs eine einseitige Symphatie zwischen der UTO und der BBC entwickelt hat, die jetzt zu Schwierigkeiten zwischen den BBC-Reportern und der Regierung Rakhmonov geführt hat. Hidalgo sagt: „The Tajiks also like to denounce the BBC, especially because the UTO defined the BBC as their ‚allies‘ “426. 425 426

ebenda Hidalgo, Lousie. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 22.8.1999. Tashkent. Usbekistan

131


Die Situation in Kasachstan hat sich nach der Einschätzung von Louise Hidalgo im letzten (Wahl-)Jahr dahingehend geändert, dass die antioppositionellen Maßnahmen der Regierung zugenommen haben. Während die wirtschaftlichen und ökologischen Probleme des größten zentralasiatischen Landes immer größer werden, verschärft der kasachische Präsident Nazarbaev offenbar die Bemühungen zugunsten seiner Machterhaltung. „They do have opposition papers, but they are on and off“ sagt Hidalgo. Außerdem sei der russische Einfluss auf Kasachstan immer noch sehr groß, was das Entstehen einer eigenen unabhängigen Presse negativ beeinträchtige. Wie groß der Einfluss wirklich ist, verdeutlichen die Aussagen des russischen Radikalpolitikers Vladimir Zhirinovsky von Anfang August 1999. In einem Interview mit der unabhängigen kasachischen Fernsehstation NTK TV in Almaty behauptete Zhirinovsky, Kasachstan sei überhaupt nicht eigenständig, sondern lediglich eine russische Kolonie.427 In Turkmenistan, wo die BBC-Korrespondentin zuletzt im März 1999 war, sind die Mitarbeiter der Regierung offener und kooperativer ausländischen Journalisten gegenüber als in Usbekistan, wo Hidalgo ihren festen Arbeitsplatz hat. Sie konnte in Ashgabat sogar direkt mit dem Außenminister sprechen und musste sich nicht mit Stellvertretern oder Pressesprechern begnügen. Während die offiziellen Stellen in Usbekistan „nicht viele Fragen beantworten“428, ist die Arbeit für westliche Korrespondenten in der turkmenischen Hauptstadt erheblich einfacher. Vielleicht liegt das, so Louise Hidalgo mit einem Lächeln, jedoch aber nur daran, dass „die BBC kein eigenes Büro in Ashgabat hat“429.

5

Internationale Medienorganisationen in Zentralasien

Neben den einheimischen zentralasiatischen Medien arbeiten in der Region auch etliche ausländische, d.h. westliche Medienorganisationen. Dabei fallen vor allem die Medienassistenz-Organisation Internews, der Radiosender Radio Free Europe / Radio Liberty und die British Broadcasting Corporation (BBC) durch ihr besonderes Engagement auf. Sie verfolgen zwar unterschiedliche Ziele, beschäftigen sich dabei jedoch allesamt mit der Situation in Zentralasien und meistens auch mit den Arbeitsbedingungen der Journalisten. In den folgendenen Unterkapiteln erläutere ich die Ziele und die Vorgehensweisen der genannten Organisationen, da sie für die Schaffung demokratischer Gesellschaftsformen und damit auch für eine positive Veränderung des Medienumfelds in Zentralasien von enormer Bedeutung sind.

5.1 Internews Die Medienassistenz-Organisation Internews, die ihren Hauptsitz in den USA hat, existiert seit dem Jahr 1982. Die Organisation bezieht einen Großteil ihrer finanziellen Mittel von der United States Agency for International Development (USAID). Außerdem ist Internews auf Spenden angewiesen, um die weitreichende internationale Tätigkeit (neben der ExSowjetunion ist Internews auch in Südosteuropa, im Mittleren Osten und in Afrika vertreten) zu finanzieren. In fast allen Staaten der ehemaligen Sowjetunion unterhält Internews Büros, die zumeist mit mehreren lokalen Journalisten und einem westlichen Landesdirektor besetzt sind.

427 428 429

Beyisbay, Sayasat und Sabirzhan, Toghzhan (RFE/RL). News from Kazakhstan. 2.8.1999. In: Magauin, Edige. MagauinE@RFERL.ORG. Kazakh News. E-mail-Verteiler kazaklist@indiana.edu. (2.8.1999) Hidalgo, Lousie. BBC Tashkent. Gesprächsnotizen vom 22.8.1999. Tashkent. Usbekistan. „They don’t answer many questions.“ ebenda

132


Auch in Zentralasien hat Internews vier Büros. Neben den drei Hauptstädten Bishkek (Kirgisien), Tashkent (Usbekistan) und Dushanbe (Tadschikistan) ist die MedienassistenzOrganisation auch in der ehemaligen kasachischen Hauptstadt Almaty vertreten. Lediglich in Turkmenistan gibt es keine Niederlassung von Internews. Das Hauptziel der nicht-staatlichen Organisation ist nach eigener Aussage die Unterstützung der unabhängigen Medien und die damit einhergehende Verbesserung der bürgerlichen Gesellschaftsformen. „Internews programs are based on the conviction that vigorous and diverse mass media form an essential cornerstone of a free society.“430 Um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen, unterstützt Internews das Entstehen neuer unabhängiger Medien. Außerdem sollen die schon bestehenden Medienbetriebe durch technische und juristische Hilfestellung sowie durch Aus- und Weiterbildung von Journalisten in ihrer Position gestärkt werden. Schließlich versucht Internews, die Medien als Werkzeug zur Lösung nationaler und internationaler Konflikte zu benutzen.431 In Zentralasien ist Internews seit 1992 aktiv. Hier sieht die Organisation ihr Hauptaufgabengebiet („main focus“432) in der Aus- bzw. Fortbildung lokaler Journalisten. „Internews helps private broadcasters throughout the NIS (newly independent states, i.e. the former USSR) so that they'll do more and better news.“433 Seit 1998 veröffentlicht Internews Central Asia in Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan wöchentlich das TV-Nachrichtenmagazin Open Skies, das ein Zusammenschnitt der besten Nachrichtenbeiträge aller mit Internews zusammenarbeitenden Sender in Zentralasien ist. Internews hat mit Open Skies bzw. den kleineren, nationalen Senderzusammenzuschlüssen ein gemeinsames Netzwerk der unabhängigen Sender in der Region geschaffen. Eric Johnson, der Kaukasus- und Zentralasien-Koordinator der dortigen sieben Internews-Büros (Almaty, Bishkek, Dushanbe, Tashkent, Baku (Aserbaidschan), Tbilisi (Georgien) und Yerevan (Armenien)), hat sich für seine Arbeit bei Internews die folgenden Ziele gesetzt: „I want to have five different organizations in every one of these countries. An association of journalists, an association of media owners, a non-governmental freedom defence group, a network of radio and/or stations and a technichal/educational media assistance organization.“434 Johnson gesteht jedoch ein, dass es bis zur Verwirklichung dieses Wunschgedanken in Zentralasien noch ein weiter Weg ist, da in den meisten Ländern bisher nur eine bzw. maximal zwei der genannten Organisationen bereits ihre Arbeit aufgenommen haben. Nähere Informationen über Internews bzw. die Landesdienste von Internews in Zentralasien finden sich auf den jeweiligen Internetseiten. Tabelle 12: Internews-Homepage-Adressen

Internews-Homepage Internews Kasachstan Internews Kirgisien Internews Usbekistan Internews Tadschikistan 430 431

432 433 434

www.internews.org www.internews.kz www.internews.kg www.internews.uz www.internews.ru/tj/index.html

Internews. About Internews. http://www.internews.org/PROJECTS/LetManage.html. (17.1.2000) Internews Network Kazakhstan. Welcome to the web-site of Internews Kazakhstan! http://www.internews.kz/eng/index.htm. (9.1.2000) „Internews Network: Promotes the development of independent television and radio in the newly emerging democracies; Produce and distribute new TV shows on local and international themes; Use electronic mass media as a tool to solve national and international conflicts; Train journalists to adhere to the highest ethical standards in reporting.“ Internews Central Asia. Projects: Training, Media Law, Offices. http://www.internews.org/PROJECTS/CentAsiatext.htm. (17.1.2000) Johnson, Eric. johnson@internews.ru. 7.4.1997. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. (12.6.1999) Johnson, Eric. johnson@internews.ru. Internews. Gesprächsnotizen vom 4.12.1999. Paris. Frankreich

133


Die Angebote von Internews werden in den zentralasiatischen Ländern unter den einheimischen Journalisten sehr geschätzt. Die Anwesenheit einer Medienassistenz-Organisation mit Hauptsitz in den USA, einer gesicherten Finanzlage und einem regen Interesse an der Situation der Journalisten wird allgemein als positiv beurteilt. Abbas Djavadi vom Radiosender Radio Free Europe / Radio Liberty zollt der Arbeit von Internews großen Respekt. „Internews gibt sehr gute Seminare und ist für die Journalisten in Zentralasien sehr wichig, da die Arbeit vor Ort ganz auf die Praxis bezogen ist und mit echten Hilfen den Journalisten zur Seite steht.“435

5.2 Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL) Eine interessante Alternative zum zumeist staatlichen Radioprogramm ist für die Einwohner Zentralasiens das Programm des Prager Senders Radio Free Europe / Radio Liberty. Der Sender hatte bis 1995 seinen Hauptsitz in München und ist dann in die tschechische Hauptstadt Prag umgezogen, wo die amerikanische Regierung dem Sender das ehemalige tschechoslowakische Parlamentsgebäude für seine Studios zur Verfügung stellte. Radio Free Europe / Radio Liberty berichtet in den jeweiligen Landessprachen bzw. Dialekten in und aus einem Großteil der Länder Osteuropas und den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. In einem Mission Statement vom 27. März 1998 nennt RFE/RL als seine Hauptaufgabe die Förderung demokratischer Werte und demokratischer Institutionen.436 „The first requirement of democracy is a well informed citizenry“437 lautet die Prämisse, unter der die Journalisten des Prager Senders an ihre Arbeit gehen. Durch unabhängige Berichterstattung und hintergründige Analysen wollen sie versuchen, ihren Rezipienten die demokratischen Grundwerte näherzubringen und somit den Weg frei zu machen für umfassende politische Erneuerungen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. „RFE/RL provides objective news, analysis, and discussion of domestic and regional issues crucial to successful democratic and free-market transformations.“438 Die Journalisten, die in Prag arbeiten, sind zum größten Teil in der ehemaligen Sowjetunion geboren und arbeiten jetzt bei den Landesdiensten, die aus ihren und über ihre jeweiligen Heimatländer berichten. Im Fall der zentralasiatischen Journalisten ist es oft so, dass die RFE/RL-Mitarbeiter aus ihren Heimatländern flüchten mussten, um staatlichen Repressionen zu entgehen. Die Arbeit in Prag gibt ihnen die Möglichkeit, in gesicherter Entfernung und auf hohem technischen Niveau immer noch als Journalisten Einfluss auf die Menschen in ihrer Heimat zu nehmen. Das Ziel dieser Einflussnahme soll es laut offizieller Linie des Senders sein, ethnische und religiöse Intoleranz zu bekämpfen und für gegenseitiges Verständnis zu werben.439 Ein weiterer wichtiger Punkt in der Philosophie von Radio Free Europe / Radio Liberty ist die Bemühung um Aus- und Weiterbildung der aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Journalisten. Diese werden zu Workshops nach Prag eingeladen und sollen nach ihren zumeist vier- bis achtwöchigen Aufenthalten die erlernten Abläufe bei der Arbeit in ihren Heimatländern anwenden. 435 436

437 438 439

Djavadi, Abbas. djavadia@rferl.org. Radio Free Europe / Radio Liberty. Gesprächsnotizen vom 27.11.1999. Prag. Tschechische Repulik Radio Free Europe / Radio Liberty. Our mission. 27.3.1998. http://www.rferl.org/welcome/english/mission.html. (15.1.2000). „The mission of Radio Free Europe/Radio Liberty is to promote democratic values and institutions by disseminating factual information and ideas.“ ebenda ebenda ebenda. „RFE/RL combats ethnic and religious intolerance and promotes mutual understanding among peoples.“

134


Wie ich aus meiner eigenen Reiseerfahrung in Zentralasien weiß, nutzen viele Menschen in der Region die verschiedenen Dienste von RFE/RL. Zwar gelten der BBC World Service und die Voice Of America unter den Menschen in Zentralasien immer noch als die objektivsten und besten Informationsquellen, doch durch die vielfältige Sprachpalette, die RFE/RL seinen Zuhörerinnen und Zuhörern in der ehemaligen UdSSR bietet, hat der Prager Sender in den vergangenen Jahren viele Freunde dazugewonnen. Das Internet-Angebot von RFE/RL bietet den Benutzern laufend aktualisierte Nachrichten aus allen Regionen Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion. Außerdem ist es seit einiger Zeit möglich, sich per realaudio in das laufende Programm der Landesdienste von Radio Free Europe / Radio Liberty einzuschalten. Die Sendungen in den zahlreichen Landessprachen umfassen (für den zentralasiatischen Bereich) zumeist ein- bis zweistündige Nachrichten- und Analysen-Blöcke. Für genauere Einzelheiten zu den verschiedenen Diensten und den Sendezeiten empfiehlt sich ein Blick auf die RFE/RL-Homepage www.rferl.org.

5.3 British Broadcasting Corporation (BBC) Die British Broadcasting Corporation (BBC) behauptet von sich selbst, das Medienunternehmen mit dem weltweit dichtesten Korrespondentennetz zu sein. Auch in Zentralasien ist die BBC mit zahlreichen Journalisten vertreten. Allerdings ist die britische Journalistin Louise Hidalgo die einzige feste Korrespondentin der BBC in Zentralasien und gleichzeitig eine der wenigen ausländischen Journalisten in der Region. Neben der in Tashkent ansässigen Hidalgo gibt es lediglich in der ehemaligen kasachischen Hauptstadt Almaty sowie in der kirgisischen Hauptstadt Bishkek mehrere westliche Korrespondenten, die für die Nachrichtenagenturen AFP / AP (Korrespondentin Heather Clark in Bishkek) und Reuters sowie die amerikanische Zeitung New York Times (Korrespondent Steve Levine in Almaty) arbeiten. Nach Auskunft von Louise Hidalgo hat noch nicht einmal der amerikanischen Mediengigant CCN einen festen Korrespondenten in Zentralasien. Die BBC hat seit 1992 (ein Jahr nach der Unabhängigkeit Usbekistans von der ehemaligen Sowjetunion) einen festen Korrespondentenplatz in Tashkent. Die jetzige Korrespondentin Louise Hidalgo setzt nach eigenen Angaben pro Tag durchschnittlich ein bis zwei Radiobeiträge für den BBC World Service ab. Fernsehbeiträge sind erheblich seltener (etwa ein bis zwei pro Monat). Um in Usbekistan als Medienunternehmen arbeiten zu dürfen, muss die BBC wie alle anderen Medienunternehmen einmal im Jahr ein Registrierungsverfahren durchlaufen. Bisher hat es dabei für das britische Unternehmen keinerlei Probleme gegeben. Allerdings sagt Hidalgo offen: „The Uzbek Government doesn’t like to talk to the BBC. They are very suspicious about it. My Uzbek colleagues at the BBC Office have been pressured not to work for the BBC. They were told to be ‚good Uzbeks‘ and stop working for a Western media outlet.“440 Diese Art von Einschüchterung ist, so Hidalgo weiter, bereits häufig vorgekommen, ist jedoch kein permanentes Druckmittel der Regierung. Ende 1998 beschloss die usbekische Regierung zudem, dass das usbekische Programm der BBC nicht mehr weiter auf Mittelwellenfrequenzen gesendet werden darf. Seitdem ist das BBC-Programm nur noch über Kurzwelle zu empfangen. Darunter haben, so Hidalgo, natürlich auch die Hörerzahlen gelitten, da weniger Menschen in Usbekistan über Kurzwellenradios verfügen als über Mittelwellenradios. Trotz mehrfacher Versprechungen, das Programm wieder auf Mittelwelle zuzulassen, bleibt die Situation bislang unverändert. Im BBC-Büro in der usbekischen Hauptstadt Tashkent arbeiten neben Louise Hidalgo auch mehrere usbekische Journalisten. Während die britische Korrespondentin für die Programme des BBC World Service (in Englisch) zuständig ist, arbeiten die usbekischen Journalisten vor 440

Hidalgo, Louise. BBC Tashkent. vgl. Gesprächsnotizen vom 22.8.1999. Tashkent. Usbekistan

135


allem an dem usbekischen Programm der BBC. Jeweils eine halbe Stunde lang sendet die BBC morgens und abends in usbekischer Sprache Nachrichten für die Bürger des Landes. In Kasachstan und Kirgisien, wo ebenfalls einheimische freie Mitarbeiter tätig sind, sendet die BBC täglich zweimal 15 Minuten Nachrichten in den jeweiligen Landessprachen. Außerdem betreibt das britische Medienunternehmen ein russischsprachiges Programm, welches jeweils sieben Stunden pro Tag in den beiden genannten Ländern ausgestrahlt wird. In Tadschikistan sind vier freie Mitarbeiter zusammen mit zwei persisch sprechenden Journalisten des Tashkenter Büros damit beschäftigt, neben der Zulieferung von Nachrichten für die World Service-Korrespondentin Louise Hidalgo auch eine einstündige Nachrichtensendung auf Persisch zusammenzustellen. Lediglich in Turkmenistan hat die BBC kein eigenes Büro und daher auch kein eigenes turkmenisches Programm. Die BBC hat somit zwei zentrale Aufgaben in Zentralasien. Zum einen beliefert sie die Zuhörer in Westeuropa bzw. in der ganzen Welt über den BBC World Service mit Neuigkeiten aus den zentralasiatischen Ländern, zum anderen ist die BBC auch für die Menschen vor Ort aktiv und versucht, westliches Medien-Know-How an einheimische Journalisten weiterzuvermitteln und somit möglichst unabhängige Informationen in der gesamten Region zu verbreiten.

6

Fazit

Die Journalisten in Zentralasien leiden unter zum Teil erschreckenden Arbeitsbedingungen und unterliegen mit Ausnahme der kirgisischen Journalisten fast ausschließlich einer staatlichen Zensur. Von der anfänglichen Euphorie der frühen 90er Jahre, als alle fünf Länder Zentralasiens unabhängig wurden und die Möglichkeit zu einem Neustart bekamen, ist heute nicht viel geblieben. Selbst dort, wo eine erfreuliche Entwicklung stattgefunden hat, versuchen die Regierungen jetzt teilweise, die erzielten Erfolge wieder rückgängig zu machen. Die gesamte Region Zentralasien ist politisch instabil und wirtschaftlich ‚am Boden‘, so dass die Zukunftsperspektiven nicht sehr gut aussehen. Und genau von diesen Faktoren, der Politik und der Wirtschaft, hängt das Schicksal der zentralasiatischen Journalisten am meisten ab. Die Präsidenten der fünf Staaten haben einen für westliche Standards unverständlich großen Einfluss auf die Situation in ihren Ländern. In Turkmenistan und Usbekistan hat das dazu geführt, dass es praktisch keine unabhängigen Medien mehr gibt. Es lässt sich ganz deutlich ein Zusammenhang zwischen der Regierungsform und der Entwicklung der Medien erkennen. Je autoritärer, je diktatorischer ein Land geführt wird, desto geringer sind die Chancen für die Journalisten, unter akzeptablen Arbeitsbedingungen arbeiten zu können. Das liegt daran, dass eine funktionierende Medienlandschaft immer ein gesellschaftlich vertretbares politisches Umfeld als Grundlage benötigt. Ohne politische, gesellschaftliche Diskussion haben die Medien keine Chance, da sie weder den Rücken gestärkt bekommen noch jemandem den Rücken stärken können (außer natürlich einem Diktator). Es ist auffällig, dass gerade das Land, das keinen ehemaligen hohen KP-Funktionär als Regierungschef installiert hat, über das liberalste Mediengesetz und die besten Arbeitsbedingungen verfügt. In den anderen Ländern, vor allem in Turkmenistan, scheint es manchmal so, als sei die Zeit stehengeblieben und das alte sowjetische Medien-Propaganda-System noch voll funktionsfähig. Natürlich gibt es neben der politischen Ebene noch eine Vielzahl anderer Gründe, wieso sich die Medien in den fünf zentralasiatischen Ländern so grundlegend anders entwickelt haben. Jedoch sehe ich nach dem Studium der Quellen und nach zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Journalisten aus Zentralasien die Personen der Präsidenten als die zentralen Fixpunkte, an denen man die gegensätzlichen Entwicklungen festmachen kann. Die Frage nach der Zukunft der zentralasiatischen Journalisten lässt sich nur vermutungsweise beantworten. Auch hier spielen die Präsidenten wieder eine große Rolle. Ändern sie die politische Ausrichtung der Länder und sorgen damit für mehr Offenheit im eigenen Land und einen damit eventuell verbundenen wirtschaftliche Aufschwung, so dürften sich auch die Lage der 136


Medien und die Arbeitsbedingungen der Journalisten nachhaltig verbessern. Halten sie an ihrer Linie fest, wird es von Jahr zu Jahr schwieriger für die Journalisten, unter der Bevölkerung Interesse für mehr Pressefreiheit zu wecken. Auch hier ist Turkmenistan wegen seiner im Moment abgeschlossenen Entwicklung das beste Beispiel. Weil nach der Unabhängigkeit 1991 erst gar keine gesellschaftliche Diskussion geführt wurde und eine Opposition niemals existiert hat, sind die Medien über Jahre hinweg stumm geblieben. Heute hat Präsident Niyazov sein Ziel erreicht: Unabhängige Medien gibt es in Turkmenistan nicht mehr. Um dieses Szenario in den anderen Ländern zu verhindern, sind die zentralasiatischen Journalisten trotz aller eigenen Bemühungen auf Hilfe aus dem Westen angewiesen. Dabei erscheint mir die praktische Vor-Ort-Hilfe von verschiedenen Medienassistenz-Organisationen die geeignetste Methode zu sein. Nach allen Recherchen und den Gesprächen, die ich geführt habe, halte ich es am sinnvollsten, so wie die nicht-staatliche Organisation Internews mit gezielten praktischen, technischen und juristischen Maßnahmen die Aus- und Weiterbildung der zentralasiatischen Journalisten zu fördern. Auch ist es sehr wichtig, dass die Einwohner Zentralasiens mit verlässlichen Informationen versorgt werden. Hier sehe ich Radio Free Europe / Radio Liberty als intelligente Alternative an, da neben der Berichterstattung für die Zuhörerinnen und Zuhörer in Zentralasien auch die Journalisten aus der Region als Journalisten weiterarbeiten und im Dienste ihrer Länder für Aufklärung und Demokratisierung sorgen können . Um die Arbeitsbedingungen der Journalisten in Zentralasien zu verbessern, bedarf es auch einer größeren Lobby in Westeuropa und Nordamerika. Die westlichen Industriestaaten und ihre Regierungen können mit gezieltem Druck auf die zentralasiatischen Präsidenten zum Teil mehr erreichen als die Journalisten vor Ort. Da der Selbstfindungsprozess der fünf neuen Staaten Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan auch neun Jahre nach der Unabhängigkeit noch nicht halbwegs abgeschlossen ist, bietet sich noch immer die historische Chance, die alten sowjetischen Strukturen zu sprengen und in Zentralasien für Demokratie mit Pressefreiheit und unabhängigen Journalisten zu sorgen. Der Vorsitzende der OSZE, der Norweger Knut Vollebaek, wies kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters auf die Brisanz hin, die in Zentralasien auf die internationale Staatengemeinschaft zukommen könnte: „This is an area where we could see conflicts even worse than the Balkans. And we should address them now because now we have the possibility to do so.“441

441

Doyle, Alister. (Reuters). Interview - OSCE chief fears C. Asia next Balkans. 30.12.1999. http://news.excite.com/news/r/991230/03/europe-asia-security. (4.1.2000)

137


7

Quellenverzeichnis

7.1 Literaturangaben Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org "From Tajikistan". 23.11.1998. Persönliche e-mail. (25.11.1998) Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org "Media in Tajikistan". 6.1.1999. Persönliche e-mail. (11.1.1999) Abbas, Najam. abbas@najam.td.silk.org "Media in Tajikistan". 6.2.1999. Persönliche e-mail. (10.2.1999) Ablova, Natalia. Kyrgyzstan. Basic data. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (2.11.1999) Aioubov, Salimjon. (RFE/RL). Tajikistan: Journalists live in danger and fear. 18.3.1997. http://www.rferl.org/nca/features/1997/03/F.RU.970318153912.htm. (30.12.1997) Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) Asia-Plus (News Agency). Private Information-Analytic Agency. http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/index.html. (30.1.1999) Asia-Plus. (News Agency). Mass Media in Tajikistan. In: Bulletin 21. http://www.internews.ru/ASIAPLUS/bulletin_21/massmedia.html. (25.12.1998) Asia-Plus. (News Agency). Good-bye to the year: The chronology of main events of 1998. In: Bulletin 62. http://www.Internews.ru/ASIAPLUS/bulletin_62/1.html. (30.1.1999) Associated Press. Tajik election made official. In: Washington Post. Online. 11.11.1999. http://www.washingtonpost.com/wpsrv/aponline/19991111/aponline103138_000.htm. (23.11.1999) Baigulova, Yana. Almaty Herald. herald@asdc.kz. 14.11.1999. „Re: Media in Central Asia“. Persönliche e-mail. (15.11.1999) BBC. Fairy tale wedding starts in Asia. In: BBC Online Network. 15.7.1998. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F132000/132890. stm. (5.4.1999) BBC. OSCE criticises Kazakh election. In: BBC Online Network. 12.1.1999. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F252000/252929stm (5.4.1999) BBC. Rules on media reporting of state bodies' work. Summary of World Broadcasts. Nexis. 2.1.1998. In: IJNET. International Journalists‘ Network. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (27.10.1999) Beyisbay, Sayasat und Sabirzhan, Toghzhan (RFE/RL). News from Kazakhstan. 2.8.1999. In: Magauin, Edige. MagauinE@RFERL.ORG. Kazakh News. E-mail-Verteiler kazaklist@indiana.edu. (2.8.1999)

138


Beyisbay, Sayasat und Sabyrzhan, Toqzhan. RFE/RL. Kazakh news. 21 Vek newspaper again faces problems. 5.10.1999. E-mail-Liste Kazaklist@indiana.edu. (24.10.1999) Beyisbay, Sayasat und Sabyrzhan, Toqzhan. RFE/RL. Kazakh news. Editor of one more independent newspaper complains. 5.10.1999. E-mail-Liste Kazaklist@indiana.edu. (24.10.1999) Cartner, Holly. Human Rights Watch / Helsinki. Offener Brief vom 3.10.1996. In: McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. Düsseldorf. 1999. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (6.1.2000). Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kazakhstan. 1998. http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kz.html. (21.2.1999). Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Kyrgyzstan. 1998. http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/kg.html. (21.2.1999) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Tajikistan. http://www.odci.gov/cia/publications/nsolo/factbook/ti.htm. (30.12.1997) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook 1996. Tajikistan: Facts And Figures. http://www.rferl.org/BD/TA/info/ta-ciafacts.htm. (10.1.1998) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Tajikistan. 1998. http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/ti.html. (21.2.1999) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Turkmenistan. 1998. http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/tx.html. (21.2.1999) Central Intelligence Agency (CIA). The World Factbook page on Uzbekistan. 1998. http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/uz.html. (21.2.1999) Collett-White, Mike. Reuters. Uzbek president expected to win election with ease. 8.1.2000. http://infoseek.go.com/Content?arn=a0420LBY256reulb-20000108&qt=uzbekistan &sv=IS&lk=noframes&col=NX&kt=A&ak=news1486. (9.1.2000) Committee to Protect Journalists (CPJ). A Retreat to Tyranny: Tajikistan's Unreported War Against Press Freedom. 1994. gopher://gopher.igc.apc.org:5000/00/int/cpj/reports/3. (27.1.1999). Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. Year in Review. 1995. http://www.digitalrag.com/cpj/cpjdata/see/1605.html. (5.1.1998) Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. Attacks 1997. http://www.cpj.org/pubs/attacks97/europe/tajikistan.html. (25.12.1998) Committee to Protect Journalists (CPJ). Tajikistan. CPJ database. 5.2.1997. Updated 23.6.1997. http://www.digitalrag.com/cpj/cpjdata/see/1609.html. (5.1.1998) Committee to Protect Journalists (CPJ). Action Alert. 21.4.1998. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. "Media in Turkmenistan". 12.6.1999. Persönliche e-mail. (25.7.1999). Committee to Protect Journalists (CPJ). Journalists from six countries to recieve CPJ's International Press Freedom Awards. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 22.9.1998. http://www.ifex.org/alert/00002412.html. (27.12.1998) 139


Committee to Protect Journalists (CPJ). United States journalist (m) found murdered. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 9.1.1997. http://www.ifex.org/alert/00001585.html. (24.10.1999) Csongos, Frank T. (RFE/RL). Turkmenistan: Advertisement Portrays Stable Country With Popular Leader. Washington. 23.5.1998. http://www.rferl.org/nca/features/1998/04/F.RU.980423133201.html. (1.11.1999) Daily Telegraph. 21. März 1994. In: Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) Delovaya nedelya. 6. Juni 1997. In: Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999) Derksen, Wilfried. Elections around the world. (Elections in Uzbekistan). 30.12.1999. http://www.agora.stm.it/elections/election/uzbekistan.htm. (4.1.2000) DHL Worldwide Express. Currency Converter. Juni 1999. http://www.dhl-usa.com/currency. (15.1.2000) Diebold, Alfred. Zentralasien im Sommer `99. In: Info 4/99. Friedrich-Ebert-Stiftung. November 1999 Doyle, Alister. (Reuters). Interview - OSCE chief fears C. Asia next Balkans. 30.12.1999. http://news.excite.com/news/r/991230/03/europe-asia-security. (4.1.2000) dpa. Usbekistan/Prozesse/Terrorismus/Nach Anschlägen in Usbekistan sechs Männer zum Tode verurteilt. Juni 1999. (14:16 DPA bdt0313 4 pl 234 dpa 0294) dpa. Turkmenien/Präsident/Turkmenischer Präsident erhält unbegrenzte Amtszeit. 28.12.1999. (13:19 dpa bdt0247 4 pl 144 dpa 0235) dpa. Usbekistan/Wahlen/(Zusammenfassung) Islam Karimow als Präsident Usbekistans wiedergewählt. 10. Januar 2000. (12:34 dpa bdt0218 3 pl 187 dpa 0231) Duvanov, Sergei. Kazakstan. General Trands. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (7.1.2000) Embassy of the Kyrgyz Republic to the United States of America and Canada. President – Head of the State. http://www.kyrgyzstan.org/akaev.html. (1.11.1999) Eurasia Foundation. Statement by President of Republic of Kazakhstan Nursultan Nazarbayev. In: Karavan. 18.12.1998. http://ftp.eurasia.org.ru/english/decembre/Elc0509.htm. (24.10.99) Eurasia Information and Analysis Center. The freedom of speech and mass media in Kazakhstan. A survey of the press in Kazakhstan and Russia. Moskau. 1998. http://www.eurasia.org.ru/english/decembre/MEDIA.htm. (10.1.2000) European Journalism Center. Kazakhstan media harassed during election campaign. Media News Archive. http://www.ejc.nl/medianews.html. (???)

140


European Journalism Center. Kyrgyz Premier says Russian TV broadcasts to continue. Media News Archive. 15.10.1997. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?745. (25.10.1999) European Journalism Center. Kyrgyz Justice Ministry closes down three newspapers. Media News Archive. 23.10.1998. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?2176. (25.10.1999) Fenyvesi, Charles. fenyvesic@rferl.org. Turkmen daily calls journalist a traitor, compares President to God. In: RFE/RL Watchlist Vol. 1, Nr. 28. 29. Juli 1999. listmanager@list.rferl.org. E-mail-Liste (29.6.1999) Fenyvesi, Charles. Radio Free Europe / Radio Liberty. listmanager@list.rferl.org. Is Uzbekistan the worst dictatorship in Central Asia?. In: RFE/RL WATCHLIST Vol. 1. Nr. 38. 21. 10.1999. E-mail-Liste watchlist@list.rferl.org. (21.10.1999) Financial Times Information. World Currency Values. 15.10.1999. http://www.thefinancials.com/vortex/WorldCurrencyValues.html. (10.1.2000) Freedom House. Press Freedom Worldwide. 1. Januar 1999. http://freedomhouse.org/survey99/country/kazakh.html. (15.10.1999) Freedom House. Freedom in the world 1998-99. Combined Average Ratings. http://www.freedomhouse.org/survey99/tables/countat.html. (25.1.2000) Glasnost Defense Foundation. Gesetze und Praktiken der Massenmedien. Moskau. 1999. Russischer Originaltext: Ajyl pfobns ukfcyjcnb= Pfrjys b ghfrnbrf chtlcnd vfccjdjb byajhvfwbb= Vjcrdf= 1999 Glasnost Defense Foundation. Journalist Meirkhaim Gavrielov killed. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 24.6.1998. http://www.ifex.org/alert/00003310.html. (27.12.1998) Glasnost Defense Foundation. Details on revocation of journalist's accreditation. In: International Freedom of Expression Exchange Clearing House (IFEX) Action Alert Service. 28.7.1998. http://www.ifex.org/alert/00003459.html. (27.12.1998) Goble, Paul A. 8 deadly warnings. In: New York Times. 18.2.1999. http://eurasia.org.ru/99/english/february/60399_06.htm. (23.10.1999) Götz, Roland und Halbach, Uwe. Politisches Lexikon GUS. Beck'sche Reihe. LÄNDER. München. 1993 Gretsky, Sergej (CPSS). Central Asia: Conflict, Resolution and Change. Dezember 1995. http://www.cpss.org/casiabk/chap16.txt. (5.1.1998) Hopkirk, Peter. The Great Game. The struggle for Empire in Central Asia. Kodansha International. USA. 1990 Howe, G. Melvyn. The Soviet Union. A Geographical Survey. Macdonald & Evans Ltd. Plymouth. England. 1983 Human Rights Watch. Human Rights Watch World Report 1999. http://www.hrw.org/hrw/worldreport99/. (17.10.1999) Human Rights Watch. Presidential Elections in Tajikistan a Farce. 28.10.1999. http://www.hrw.org/hrw/press/1999/oct/tajik1028.htm. (24.11.1999)

141


Idinov, Narynbek. Radio Free Europe / Radio Liberty. Kyrgyzstan: Government steps up harassment of the media. RFE/RL Newsline. 9.3.1998. http://search.rferl.org/nca/features/1998/03/F.RU.980309133420.html. (27.10.1999) IFEX Communique #7-17, Turkmenistan: State Control of Media Pervasive. 28.4.1998. In: International Center for Journalists. IJNet. Turkmenistan: Press overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10.1999) IFEX. Communique Nr. 8-4. Turkmenistan: Freedom of Expression Still Lagging. 2.2.1999. http://www.communique.ifex.org. (20.10.1999) IFEX. Action Alert. Two Respublica editors charged with libel. 30.8.1995. http://www.ifex.org/alert/00000864.html. (25.10.99) International Center for Journalists. Kazakhstan Media Profile. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kazakhstan/media.html. (24.10.1999) International Center for Journalists. Tajik media association registers as NGO, assumes role in vital issues. 2.11.1999. http://www.ijnet.org/Archive/1999/11/5-6245.html. (25.12.1999) International Center for Journalists. IJNet. International Journalists‘ Network. Uzbekistan. Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Uzbekistan/media.html. (3.1.2000) International Committee of the Red Cross (ICRC). ICRC News 98/29. ICRC shocked by murder of four UN staff members in Tajikistan. 23.7.1998. http://www.icrc.ch/unicc/icrcnews.../07ba3387efee55d84125664a005036cc?Open Document. (17.10.1998) International Press Institute (IPI). Kazakhstan: Government stifles private media prior to elections. http://www.ifex.org/communique/vol7/7-44/section2.html#kazakhstan. (24.10.1999) International Press Institute. Kyrgyzstan. 1998 World Press Freedom Review. In: International Center for Journalists. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (25.10.1999) International Press Institute (IPI) Report. World Press Freedom Review. November/Dezember 1995. In: International Center for Journalists. IJNet. Turkmenistan: Press overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10. 1999) Internews. About Internews. http://www.internews.org/PROJECTS/LetManage.html. (17.1.2000) Internews Uzbekistan. TV Stations of Uzbekistan. http://www.internews.uz/uztvs.html. (2.1.2000) Internews Uzbekistan. Radio Stations of Uzbekistan. http://www.internews.uz/uzradio.html. (2.1.2000) Internews Network Kazakhstan. Welcome to the web-site of Internews Kazakhstan! http://www.internews.kz/eng/index.htm. (9.1.2000) Internews. Law of the Republic of Tajikistan on Television and Radio. Unofficial Translation. 1995. (Gesetzesvorschlag von Gosteleradio Tadschikistan vom Mai 1994). http://www.internews.ras.ru/eng/tajik_law.htm. (10.1.1998) oder Krug, Peter (Übersetzer). Draft Statute of the Republic of Tajikistan on Television and Radio. http://www.vii.org/monroe/21six.html. (5.1.1998) 142


Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Basic data. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan.html. (20.10.1999) Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Legal and regulatory framework for the media. 1997. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan_2.html. (20.10.1999) Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Media and government. http://www.internes.ru/books/media/tajikistan_3.html. (20.10.1999) Internews. Media in the CIS. Tajikistan. Media structures. http://www.internews.ru/books/media/tajikistan_4.html. (20.10.1999) Internews Central Asia. Projects: Training, Media Law, Offices. http://www.internews.org/PROJECTS/CentAsiatext.htm. (17.1.2000) IREX. About IREX. http://www.about-irex/index.htm. (5.8.1999) ITAR-TASS. Reduced radio/TV programming in Russian. World Broadcast Information. 10.7.1998. In: International Center for Journalists. Kazakhstan Media Profile. 1999. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kazakhstan/media.html. (24.10.1999) Jefplanov, Andrej. Kirgiskie voiska vstupili v boi s terroristami. In: Vechernjaja Moskva. 25.8.1999 Johnson, Eric. Television in Tajikistan: A Report. In: Post-Soviet Media Law & Policy Newsletter. Juni 1994. http://www.vii.org/monroe/11two.html. (5.1.1998). oder http://www.ctr.columbia.edu/vii/monroe/11two.htm. (10.1.1998) Johnson, Eric. johnson@internews.ru. 7.4.1997. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. (12.6.1999) Johnson, Eric. The Press in Tajikistan. Juni 1994. http://www.vii.org/monroe/12six.html. (5.1.1998) Johnson, Eric. Turkmenistan Electronic Mass Media - Trip Report. August 1996. http://www.soros.org/turkstan/turktrip.html. (4.6.1999) Johnson, Eric und Olcott, Martha und Horbitz, Robert. The Media in Central Asia. An Analysis Conducted by Internews for USAID. April 1994. Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. The structural reconstruction of the Uzbek press. In: Ruschin, Dmitiry A. ruschin@DR2709.spb.edu. „Media in Uzbekistan“. Persönliche e-mail. (12.6.1999) oder In: Post-Soviet Media Law & Policy Newsletter. Issue 48-49. 15.9.1998. http://www.vii.org/monroe/issue48_49/article.html. (20.11.1999) Kabirov, Lutfulla. jorn@train.internews.uz. Uzbek Mass-Media Report. Some trends of newspaper development in Uzbekistan. (20.1.1999) In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. „Uzbek mass-media report“. Persönliche e-mail. (12.6.1999) Karatnycky, Adrian und Motyl, Alexander und Graybow, Charles (Hrsg.). Turkmenistan: Nations in Transit. Freedom House. 1998. http://www.freedomhouse.org/nit98/. (9.1.2000) Kaufman, Wallace. wkaufman@arcticmail.com. The Globe. Russians in the Kazakhstani squeeze. 23.11.1999. In: Mawkanuli, Talant. Tmawkanuli@facstaff.wisc.edu. E-mail-Verteiler Kazaklist. kazaklist@indiana.edu. (29.11.1999)

143


Khodjibaev, Karim. Russian Troops and the Conflict in Tajikistan. In: Center for Political and Strategic Studies (Hrsg.). Perspectives on Central Asia. Volume II. Number 8. November 1997. http://www.cpss.org/casianw/perca1197.txt. (18.1.1999) King, John und Noble, John und Humphreys, Andrew. Central Asia. A Lonely Planet travel survival kit. Lonely Planet Publications. Australien. 1996 Krug, Peter (Übersetzer). Draft Statute of the Republic of Tajikistan on Television and Radio. http://www.vii.org/monroe/21six.html. (5.1.1998) Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.11.1999) Mansurova, Gulchehra. Who is who. Imomali Rakhmonov: "The path to the peace in Tajikistan is long and thorny". In: Asia-Plus. (News Agency). Bulletin 23 (61). http://www.internews.ru/ASIA-PLUS/bulletin_61/10.html. (30.1.1999) Marsall, Margarethe. Mittelasien. Die Entwicklung in Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und Kyrgysstan seit der Unabhängigkeit. In: Weltgeschehen IV/95. Analysen und Berichte zur Weltpolitik für Unterricht und Studium. Siegler & Co. Verlag für Zeitarchive GmbH. Sankt Augustin. 1995 McCormack, Gillian. European Institute for the Media. Media in the CIS. A study of the political, legislative and socio-economic framework. Düsseldorf. 1999 Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (2.11.1999) Middle East News Items. Nexis. 90.92 % of voters support government amendments on private ownership. 16.11.1998. In: IJNET. International Journalists‘ Network. Kyrgyzstan: Press Overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Kyrgyzstan/media.html. (27.10.1999) Mould, David. Television and Radio in Kyrgyzstan: Problems and Prospects For Development. Januar 1998. Online-Version. http://www.internews.ru/report/mould/index.html. (4.9.1999) Nazar, Mohammad. nazarm@rferl.org. Re: Turkmenbashi. Persönliche e-mail. (30.12.1999) Nazarov, Talbak. Tajikistan: Horizons of the present and for the future. Rede in der Ständigen Vertretung der Republik Tadschikistan bei den Vereinten Nationen. New York City. 30.9.1998 Newsweek International. Turkmenistan. Gone to his head. 30.11.1998. http://newsweek.org/nwsrv/issue/22_98b/printed/int/dept/ps/ovps_4.htm. (1.11.1999) Oanda Currency Converters. 10.1.2000. http://www.oanda.com/converter/classic. (10.1.2000) Otarbajev, K. O. und Rjasanzev, S. N. Sovietsky Sayus. Kirgisien. Verlag "Gedanke". Moskau. 1970. Russisches Original: Jnjh<ftd- R= J= b Hzpfywtd- C= Y= Cjdtncrbq Cj.'= Rbhubpbz= Bplfntkmcndj $Vsckm$= Vjcrdf= 1970=

Parigi, Ingrid. Sibirien und Zentralasien. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde. Verlag W. Kohlhammer GmbH. Stuttgart. 1978 Politkovskaya, Anna. Refugee Journalist on Plight of Mass Media. Interview mit Oleg Panfilov. In: Obshaya Gazeta, 26.8.1994. Englische Übersetzung weitergeleitet durch: Straub, David. davidstraub@geocities.com. "Re: tajikistan/journalism". 5.1.1998. Persönliche e-mail. (5.1.1998) 144


Price, Monroe E. und Krug, Peter. Comments on the Draft Tajikistan Media Law. August 1995. http://www.Internews.ras.ru/eng/tajik_report.html. (10.1.1998) Radio Free Europe / Radio Liberty. Our mission. 27.3.1998. http://www.rferl.org/welcome/english/mission.html. (15.1.2000) Radio Free Europe / Radio Liberty. Kyrgyz Independent Newspaper Fails To Appear. 11.10.1996. http://www.ejc.nl/mn/showresultnews.html?630. (25.10.99) Radio Free Europe / Radio Liberty. Kazakh Service. News brief twice a week. Kazakh leader met US President in Washingtion. 22.12.1999. http://ww.rferl.org/bd/ka/reports/today.hml. (4.1.2000) Reporters Sans Frontières. 1997 Report. http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_VA/Rapp_VA/Europ_VA/TURKA.html. In: International Center for Journalists. Turkmenistan: Press overview. http://www.ijnet.org/Profile/CEENIS/Turkmenistan/media.html. (24.10. 1999) Reporters Sans Frontières. Top 25 (14). Emomali Rakhmonov (Tajikistan). http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_MAJ/RSFDict/Dict_VA/Dict14_VA.html. (18.10.1998) Reporters sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1997 Report. Paris. 1997 Reporters sans Frontières. Freedom of the press throughout the world. 1999 Report. Paris. 1999 Reporters Sans Frontières (RSF). The twenty enemies of the Internet. http://www.rsf.fr/indexuk.html. (5.9.1999) Reuters. Candidates in Uzbekistan's presidential vote. 9.1.2000. http://infoseek.go.com/Content?arn=a1736LBY462reulb-20000108&qt=uzbekistan &sv=IS&lk =noframes&col=NX&kt=A&ak=news1486. (9.1.2000) Satter, David. A land without new: CPJ returns to Tajikistan. Herbst 95. gopher://gopher.soros.org/0/Affiliated_o...Y/Tajikistan_Project/Misc/CPJ_Fall95.txt (1.10.1998) Scholl-Latour, Peter. Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir. Goldmann Verlag. München. 1998 (Taschenbuchausgabe) Shabad, Theodore. Geography of the USSR. A Regional Survey. Columbia University Press. New York. 1961 Sigal, Ivan. A Survey of Russian Television. April 1997. http://www.Internews.ru/report/tv/tv32.html. (25.12.1998) Sigal, Ivan. Internews Network. Survey of non-governmental Kazakhstani Electronic Media. Januar 1998. http://www.internews.ru/report/kaztv/index.html.. (4.4.1999) Slavic Research Center. Kazakhstan – Internet Resources. http://src-home.slav.hokudai.ac.jp/eng/fsu/kazakh-e2.html. (10.1.2000) Slakey, Bill. bill@internews.kg. Internews Kyrgyzstan. „Re: Media in Central Asia“. 12.1.2000. Persönliche e-mail. (12.1.2000) Sleder, Richard. richard@internews.uz. „Internews Uzbekistan Bulletin #8“. 12.5.1999. In: Ruschin, Dmitry A. ruschin@DR2709.spb.edu. Media in Uzbekistan. Persönliche e-mail. (12.6.1999) 145


Struthers, Marie. Tajikistan. Freedom of expression still threatened. Human Rights Watch. Vol. 11. No. 14. November 1999. Sviridov, Andrei. Kazakstan. In: European Institute for the Media. Media in the CIS. Gillian McCormack. Düsseldorf. 1999. Online-Version. http://www.internews.ru/books/media1999/html. (18.10.1999) Türkmenistan. Gündelik gazet. Nr. 268. 14. Oktober 1999 United Nations. Republic of Tajikistan. Human Development Report. 1995. http://www.undp.org/undp/rbec/nhdr/tajikistan/chapter1.htm. (10.1.1998) United Nations. Population Reference Bureau. World Population Data Sheet 1997. http://www.dsw-online.de/informat/laender/land155.htm. (22.2.1998) U.S. Department of State. Kazakhstan Country Report on Human Rights Practices for 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/. (8.11.1999) U.S. Department of State. Kyrgyz Republic Country Report on Human Rights Practices for 1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/. (23.10.1999) U.S. Department of State. Uzbekistan Country Report on Human Rights Practices for 1997. Bureau of Democracy, Human Rights and Labor. 30.1.1998. http://www.state.gov/www/global/human_rights/1997_hrp_report/uzbekist.html. (4.1.2000) Voice of America. VOA editorial – Uzbekistan’s unfree elections. 17.12.1999. The CENASIA Discussion List. http://soros.org/tajik/cenasia/1220.html. (4.1.2000) Volkhonka 14 Interdisciplinary Studies Center. The freedom of speech and mass media in Kazakhstan. A survey of the press in Kazakhstan and Russia. Verkürzte englische Version. Moskau. 1998. http://ftp.eurasia.org.ru/99/english/january/Nat_sum.eng.htm. (23.10.1999) von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.:). Fischer Weltalmanach. Zahlen Daten Fakten '98. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main. 1997 von Baratta, Dr. Mario (Hrsg.:). Fischer Weltalmanach. Zahlen Daten Fakten '99. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main. 1998 Warikoo, K. Cockpit of Central Asia: Afghanistan Factor in Tajikistan's Crisis. http://207.159.86.9/Afghanistan/Warikoo.html. (15.11.1998) Whittell, Giles. Central Asia. The Practical Handbook. Cadogan Guides. London. 1995 Wirtschaftskammer Österreich. Außenwirtschaftsorganisation. AW-Länderblatt Tadschikistan. http://www.wk.or.at/wk/aw/laender/ld_tj/1179_96.htm#WIRTUEBER. (30.1.1999) Wright, Robin. Askar Akaev nurturing a fragile democracy in post-communist Kyrgyzstan. In: The Los Angeles Times. 7.9.1997. http://www.kyrgyzstan.org/public/01.html#robin. (1.11.1999) Yoliyev, Ashir. Informationszentrum für Menschnerechte in Zentralasien. Dezember 1996. In: Lange, Yasha. Media in the CIS. Turkmenistan. http://www.internews.ras.ru/books/media/turkmenistan_4.html. (4.11.1999). Zagalsky, Leonid (Committee to Protect Journalists (CPJ)). A Retreat to Tyranny: Tajikistan's Unreported War Against Press Freedom. 1994. gopher://gopher.igc.apc.org:5000/00/int/cpj/reports/3. (27.1.1999) 146


7.2

Gesetzestexte (ohne Autorenangabe)

Constitution of Tajikistan. Englische Übersetzung. Russisches Original veröffentlicht in: Leninabadskaya Pravda. Khodshand. Tadschikistan. 30.11.1994. http://www.geocities.com/Paris/9305/constitution.htm. (10.1.1998) Law of the Republic of Uzbekistan. On the Mass Media. 26.12.1997. http://www.internews.uz/law4e.html. (4.1.2000) Turkmenistan Constitution. Section II, Article 26. http://www.dc.infi.net/~embassy/constionA.html#constionA1. (???)

7.3

Karten- und Bildmaterial

Abbildung 1: Central Asia Access. Übersichtskarte Zentralasien. http://www.jca.ax.apc.org/~y-okada/igc/apce/intl/centasia.html. (18.1.1999) Abbildung 2: Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Kazakhstan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1270.htm. (25.7.1999) Abbildung 3: Analysis and Strategic Research Center (ASRC) of the President of the Republic of Kazakhstan. Dossier Nursultan Abishevich Nazarbayev. 1998-99. http://www.president.kz/articles/state/state_container.asp?lng=en&art=dosie. (18.10.1999). Foto des kasachischen Präsidenten, Nursultan Nasarbajew Abbildung 4: Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of the Kyrgyz Republic. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1271.htm. (25.7.1999) Abbildung 5: BBC. Fairy tale wedding starts in Asia. In: BBC Online Network. 15.7.1998. http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/asia%2Dpacific/newsid%5F132000/ 132890.stm. (24.10.1999). Foto des kirgisischen Präsidenten, Askar Akajew Abbildung 6: Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Tajikistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1281.htm. (25.7.1999) Abbildung 7: Reporters Sans Frontières. Top 25 Enemies of the Press. 1996. http://www.calvacom.fr/rsf/RSF_MAJ/RSFDict/Dict_VF/Dict14_VF.html. (24.10.1999). Foto des tadschikischen Präsidenten, Imomali Rakhmonov Abbildung 8: Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Uzbekistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1284.htm. (25.7.1999) Abbildung 9: Uzland Contacts. Your guide to Uzbek Land. The President of Uzbekistan. http://www.tashkent.org/uzland/pres.html. (25.12.1999) Foto des usbekischen Präsidenten, Islam Karimov Abbildung 10: Rekacewicz, Philippe. UNEP GRID Arendal. Map of Turkmenistan. 1997. http://www.grida.no/db/maps/prod/level3/id_1282.htm. (25.7.1999) Abbildung 11: Turkmenistan Information Center. Turkmenistan Online. The President. http://www.turkmenistan.com/president.htm. (23.10.1999) Foto des turkmenischen Präsidenten, Saparmurat Niyazov

147


7.4

Weitere Medien

CD-ROM Grosser Weltatlas. Geodata geographische Datenbank. Falk-Verlag. München.1997/1998 RTR. Russisches Fernsehen. Vesti. (Reportage über die russische Offensive in Dagestan und Tschetschenien). 00.00. 31.8.1999

7.5

Persönliche Gespräche / Interviews

Gesprächspartner

Organisation / Funktion

Gesprächsort

Datum

Sprache

Asel Allabergenova

IREX Programm-Assistentin IREX Landesdirektor Usbekistan BBC Central Asia Journalist Internews Landesdirektor Usbekistan BBC Central Asia Korrespondentin BBC Central Asia Programm-Manager Usbekistan Internews, Landesdirektor Usbekistan ANESMI-Präsident / Usbekistan Internews, Anwalt für Usbekistan Internews, Landesmanagerin Usbekistan RFE/RL, Reporter des Tadschikischen Dienstes RFE/RL, Leiter des Tadschikischen Dienstes RFE/RL, Leiter des Usbekischen Dienstes RFE/RL, Reporter des Kasachischen Dienstes RFE/RL, Reporter des Kirgisischen Dienstes RFE/RL, Leiter des Turkmenischen Dienstes RFE/RL, Reporter des Turkmenischen Dienstes Internews, Kaukasus- und Zentralasien-Koordinator

Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan Tashkent Usbekistan

18.8.1999

Russisch

20.8.1999

Englisch

20.8.1999

Russisch

21.8.1999

Englisch

22.8.1999

Englisch

23.8.1999

Englisch

23.8.1999

Russisch

26.11.1999

Englisch

27.11.1999

Deutsch

27.11.1999

Englisch

27.11.1999

Englisch

27.11.1999

Englisch

27.11.1999

Englisch

27.11.1999

Russisch

4.12.1999

Englisch

Timothy Scott Bakhtiar Imamov Scott Smith Louise Hidalgo Diloram Ibrahim Scott Smith Ulugbek Ergashev Ramil Gafurov Khalida Anarbaeva Salimjon Aioubov Dr. Abbas Djavadi Yaqub Turan Merhat Sharipzhan Narynbek Idinov Mohammad Nazar Rozynazar Khoudaiberdiev Eric Johnson

148

Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Prag, Tschechische Republik Paris, Frankreich


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.