Dorothee Huber
Architekturf端hrer Basel Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung
Christoph Merian Stiftung / S AM Schweizerisches Architekturmuseum (Hg.) ChristopH Merian verlag
6 Vorwort
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus und Hubertus Adam
9 Architekturführer – weiterschreiben Dorothee Huber
10 Naturraum – Kulturraum 13 Siedlungen der Kelten und Römer 1 7 Augusta Raurica (Augst) und Castrum Rauracense (Kaiseraugst) 22
Basel im Mittelalter 24 Die frühmittelalterliche Stadtbildung 25 Die befestigte mittelalterliche Stadt 31 Kirchen und Klöster 42 Profanbauten
52 Im Zeichen des Humanismus 58
Barocke Architektur in Basel und Umgebung, 17. und 18. Jahrhundert 65 Adelshof und Stadtpalais 79 Lust- und Sommerhäuser, Landsitze
90 Um 1800: gedachte Architektur 94 Der Blick in die Landschaft 98
Bauen im 19. Jahrhundert 100 Bauten der Geselligkeit und der Bildung 103 Baumeister und Architekten
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Aufbruch in eine neue Zeit 130 Neue Grenzen 132 Stadtentfestigung und Stadterweiterung 136 Schwierigkeiten mit der Stilfrage 137 Bauaufgabe und Bautyp 137 Bahnhöfe, Brücken, Kraftwerke 146 Industriearchitektur 155 Wohnen in der Stadt 173 Staatsbauten 180 Kultur- und Gesellschaftsbauten 188 Schulhäuser, Kollegien- und Institutsgebäude 194 Spitäler und Heime 197 Sakralbauten 206 Von der Altstadt zur City: Die Umgestaltung der freien Strasse und des Marktplatzes 218 Zoologischer Garten
222 Der Moderne auf der Spur 225 Städtebau zwischen Stadterweiterung und Stadterneuerung 232 Siedlungsbau 252 Siedlungen in der Region Basel 254 Die Moderne im Rampenlicht 266 Angewandte Moderne 273 Beton versus Holz: Materialikonografie 282 Versöhnung der Gegensätze: Bekleidungsarchitektur 292
Die Moderne weiterdenken 294 Zwischenüberlegung 294 Die Pflege des ‹hohen Durchschnitts› 297 Vom Städtebau zur Stadtplanung
402
298 Idealstadtentwürfe 299 Gellert-Areal 303 Bahnhofgebiet SBB
305
Investieren in den Wohlfahrtsstaat
306 Schule und Sport 323 Theater, Kino, Museum 329 Kirchenbau 336 Wohnheim, Altershotel, Spital
343
Wirtschaftlicher Aufschwung
353 Büro- und Geschäftshaus
355 370
Stadterhaltungskämpfe Wohnen in der Stadt – Wohnen auf dem Land
370 Stadtrandsiedlungen 376 Einfamilienhäuser 383 Hochhäuser 386 Städtische Mehrfamilienhäuser 395 Formen verdichteten Wohnens
Zurück zur Stadt 404 Architektur als Zeitmaschine 410 Zentren am Rande 434 Die Stadt als Wunderkammer
444 Anhang
444 Karten von Basel und Umgebung 472 Ausgewählte Literatur 474 Ortsregister Basel 486 Ortsregister Umgebung 490 Namensregister 498 Bildnachweis 500 Impressum
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Vorwort Die erste Ausgabe des Standardwerkes mit dem Titel ‹Architekturführer Basel – Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung› erschien 1993, herausgegeben vom Architekturmuseum Basel, verfasst von Dorothee Huber. Über zwanzig Jahre sind nun vergangen, und in Basel hat sich vieles verändert. Es ist ein Glücksfall, dass sich die Autorin der ursprünglichen Ausgabe, Dorothee Huber, bereit erklärt hat, die erste Fassung zu überarbeiten und bis zur Gegenwart zu ergänzen. Die damalige Herausgeberin heisst seit 2005 nun S AM Schweizerisches Architekturmuseum, um ihren über die Grenzen der Nordwestschweiz hinausreichenden Anspruch zu verdeutlichen. Was hat sich am ursprünglichen Konzept verändert? Zunächst sind, den Zeitläufen entsprechend, zahlreiche neue Bauten hinzugekommen. Was wir damals postulierten, gilt auch heute noch: «Ein Führer durch die Geschichte der Architektur einer Stadt ist ein Führer durch die Zeit ... Im Ablauf der Geschichte erhalten die einzelnen Teile der Stadt ihre Bedeutung, sowohl die ‹Monumente› wie auch die Masse des Gebauten, die unauffällig das Bild der Stadt ausmacht, als Folie dient für das Beson dere.» Der Anspruch an den Architekturführer ist somit nahezu unverändert geblieben. Selbstverständlich aktualisieren und bereichern die Realisationen und Projekte der beiden vergangenen Dekaden den Band. Da sind vor allem die zahlreichen Schulhäuser zu nennen, neue Museen wie die Fondation Beyeler und das Museum Tinguely, die weit über die Grenzen hinaus Beachtung finden. Der Fürsorge im weiteren Sinn gelten Heime wie das REHAB, das Sonderschulheim zur Hoffnung oder die neuen Bauten wie Frauen- oder Kinderspital im Bereich des Universitätsspitals. Für das Stadtgeflecht bedeutend sind die urbanistischen Eingriffe der beiden Pharmakonzerne Novartis und Hoffmann-La Roche; beide Institutionen bauen ihren jeweiligen Campus aus und binden somit Bauten von Architekten mit internationalem Prestige in die G eschichte der Stadt ein. Für Basel mit seinen engen politischen Grenzen und minimalen Landreserven ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit existenziell. An den Rändern des Kantons entstehen neue Quartiere, wie auf dem Dreispitz im Südosten, oder im Nordwesten mit dem Hafenareal oder der Erlenmatt auf dem Gebiet der ehemaligen Gleise der Deutschen Bahn. Der notwendigen Verdichtung folgend entstehen Hochhäuser, bis jetzt zerstreut, noch ohne übergeordnete, urbanistisch ablesbare Konzentration.
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Unser Dank gilt der Christoph Merian Stiftung, die mit einer überaus grosszügigen Unterstützung die Erarbeitung und Umsetzung des Buches überhaupt erst ermöglicht hat. Das S AM als Rechtsnachfolger des AM, Architekturmuseum Basel, hat die Rechte am Buch unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dem Christoph Merian Verlag gebührt Dank, weil er das Projekt initiiert und mit allen Kräften über den gesamten Zeitraum der Produktion gefördert und unterstützt hat. Zum neuen Auftritt des Architekturführers tragen entscheidend die Fotos von Tom Bisig bei, die das Buch auch visuell zu einem konsistenten Werk machen; JeanJacques Nobs von der LAC AG übernahm die lithografischen Arbeiten, Thomas Neeser und das Team von Neeser & Müller sorgten für den adäquaten gestalterischen Ausdruck. Des Weiteren danken wir der Lektorin Karoline Mueller-Stahl für ihre präzise Lektüre des Manuskripts sowie der Offsetdruckerei Grammlich in Pliezhausen für Druck und Herstellung. Unser grösster Dank aber gilt Dorothee Huber, die ihr umfangreiches Manuskript um zwanzig Jahre jüngster Basler Architekturgeschichte bereichert hat. Es ist eine grosse Freude, dass der grundlegend überarbei tete und ergänzte ‹Architekturführer Basel› nun das Licht der Welt erblicken kann.
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Hubertus Adam
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Architekturführer – weiterschreiben Zwanzig Jahre liegen zwischen dem ersten und dem zweiten Erscheinen dieses Architekturführers. Sanfte Renovation oder Totalumbau? Ich entschied mich für ‹weiterbauen›. Sachliche Fehler wurden getilgt, Autorschaft und Bauzeit von Umbauten nachgetragen, bemerkenswerte Bauten aus der jüngsten Vergangenheit eingearbeitet. An der Schnittstelle zwischen der ersten und der zweiten Ausgabe musste manches neu angeordnet werden. Im Lichte der Gegenwart erschienen einzelne Bauten entbehrlich, andere erhielten ihrem baukünstlerischen Rang entsprechend einen neuen Platz in der architekturgeschichtlichen Ordnung. Ein Architekturführer ist kein Inventar sehens- oder schützenswerter Bauten. Vor der Vollständigkeit gelten hier die Beispielhaftigkeit und die Aussagekraft der vorgestellten Bauwerke in architekturgeschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht. Was hat Bestand in der geschichtlichen Betrachtung? Auch dieser Kanon wechselt seine Gestalt. Und gleichwohl muss die architektonische Leistung der jüngeren Vergangenheit immer von Neuem erfasst, verstanden und gedeutet werden. Wenn wir diesen Gang durch die Architekturgeschichte Basels mit einer, gemessen am Umfang des tatsächlich Gebauten, kleinen Auswahl von Bauten schliessen, so geschieht dies im Wissen der Begrenztheit der Darstellung, aus einer Scheu auch angesichts der jeweils neuen Unübersichtlichkeit – und im Vertrauen auf die Neugierde der Besucherinnen und Besucher dieser Stadt, die auf ihren Wegen entlang ihrer Vorlieben noch manche Entdeckung machen mögen. Mein grosser Dank geht an Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Anne Nagel, Thomas Lutz, Christoph Matt, Martin Möhle, Toni Rey, Peter Stiner und Hubertus Adam für die kritische Lektüre einzelner Kapitel. Tom Bisig hat mit seiner stillen und souveränen Arbeit an den Fotografien ebenbürtigen Anteil an diesem Buch. Ihm gebührt meine höchste Anerkennung. Für die tatkräftige Unterstützung bei der Bildredaktion danke ich Kevin Heiniger – und für die grosszügige und geduldige Hilfe bei der Beschaffung der Bilder sind wir Yvonne Sandoz, Denkmalpflege Kanton Basel-Stadt, Esther Baur und ihrem Team, Staatsarchiv Basel-Stadt, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kupferstichkabinetts der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, des Historischen Museums Basel und des Wirtschaftsarchivs der Universität Basel ausserordentlich dankbar. Und dass der neu gestaltete Architekturführer einladend und anregend wirken wird, dies meine Hoffnung, das ist das Verdienst von Thomas Neeser, Thomas Müller und Angela Stocker, auch ihnen meinen herzlichen Dank.
Dorothee Huber
Augst, römisches Theater, 150–200 n. Chr. (siehe S. 17)
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Naturraum – Kulturraum
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Seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. fliesst der Rhein beim Übergang aus dem enger gefassten Bett des Hochrheins in die weite Oberrheinische Tiefebene in einem Bogen nach Norden. Dabei zeichnet er jenes charakteristische Knie, das zusammen mit den hier mündenden Flussläufen der Wiese, der Birs und des Birsigs die topografischen Voraussetzungen für die Besiedlung der Basler Region bildet.
Rheinknie bei Basel, Höhenkurven
Um die Mitte des 19. Jh. noch hielt man aufgrund von Münzfunden auf dem Münsterhügel den römischen Ursprung der Stadt für erwiesen. Heute kann die archäologische Bodenforschung anhand von Funden eine Besiedlung des Münsterhügels in der späten Bronzezeit belegen: Auf dem Martinskirchsporn gab es in den Jahren um 900 v. Chr. eine befestigte Niederlassung. Zwei Gräben sicherten sie gegen Süden (wie Ausgrabungen auf dem Münsterhügel 2004 belegen). Nach einem Siedlungsunterbruch von etwa achthundert Jahren bewohnten im 1. Jh. v. Chr. keltische Rauriker den Münsterhügel, bevor sie alsbald unter römische Herrschaft gerieten. Schon etwa hundert Jahre zuvor hatten die Kelten an der verkehrsgeografisch günstigen Lage am Rheinknie zu beiden Seiten des Flusses erste grössere Niederlassungen angelegt, und zwar etwa 2 km rheinabwärts nördlich des Münsterhügels. Für die damalige Raumordnung charakteristisch ist die Unterscheidung in Siedlungen, in denen Handwerk und Handel die wirtschaftliche Grundlage bilden, und landwirtschaftlich geprägtes Umland. Der römische Einfluss lässt sich am Interesse der ansässigen Bevölkerung für mediterrane Kulturtechniken und Lebensgewohnheiten beobachten. (Anschaulich vermittelt wird die Frühgeschichte der Stadt Basel in einer Ausstellung im Historischen Museum in der Barfüsserkirche, aber auch an verschiedenen, dem Publikum zugänglich gemachten Fundstellen; vgl. Unter uns 2008; Deschler-Erb / Hagendorn, in: ‹Archäologische Denkmäler in Basel› 5, 2007.) Die Darstellung hier konzentriert sich – der Aufgabe eines Architekturführers entsprechend – auf die Ausdehnung und die Schwerpunkte des Sied-
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lungsgebietes, auf die funktionale Bestimmung der einzelnen Siedlungen und auf die von der frühgeschichtlichen Forschung rekonstruierten Wehrbauten und Haustypen.
Siedlungen der Kelten und Römer Die grösste keltische Siedlung entstand in der 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. (späte Eisenzeit) auf der untersten, linksufrigen Niederterrasse am nördlichen Ende des Rheinknies. Diese Siedlung genannt ‹Basel-Gasfabrik› (entdeckt 1911 bei Bauarbeiten, erneute Grabungstätigkeit seit 1989) erstreckte sich über 15 ha zwischen der heutigen Volta- und der Hüningerstrasse. Die rechtwinklige Bebauung mit Parzellen und Hofstätten deutet auf ein planmässiges Vorgehen hin. Angenommen werden eingeschossige Einraumhäuser in Pfostenkonstruktion und einige Schwellbalkenbauten, mit Lehmstampfboden und Wänden aus Flechtwerk mit Lehmverstrich und hellem Kalkputz. Die über fünfhundert ergrabenen Gruben, deren Boden und Wände zum Teil mit Lehm ausgestrichen oder mit Holz verkleidet waren, lagen neben den Wohnhäusern und dienten der Vorratshaltung, aber auch als Gewerbe- und in letzter Verwendung als Abfallgruben. Importfunde (Weinamphoren aus Italien) deuten auf weitreichende Handelsbeziehungen. Warum der Ort um 80 v. Chr. verlassen wurde, ist unbekannt.
Siedlung Basel-Gasfabrik, um 100 v. Chr. (Lebensbild Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
Ebenfalls in die späte Eisenzeit anzusetzen ist die 1971/72 bei Grabungen an der Rittergasse und 1974 im Münster entdeckte keltische Siedlung auf dem Münsterhügel [ • 1 S. 4 50 (B/2) ] (die Bezeichnung Oppidum ist für die vergleichsweise kleine Niederlassung von 5,5 ha umstritten). Deren Anfänge liegen im frühen 1. Jh. v. Chr. Die Siedlung auf dem Münsterhügel löste die offene Ufersiedlung von Basel-Gasfabrik in ihrer zentralörtlichen Bedeutung ab. Der neue Siedlungsplatz bot seinen Bewohnern Schutz in kriegerischen Zeiten. Das Verhältnis der hier wohnenden Rauriker nach deren Unterwerfung durch die Römer im Gallischen Krieg (58–51 v. Chr.) beschreibt die Archäologie heute unter dem Begriff der Romanisierung als kulturelle Assimilierung. Die Waffenfunde deuten darauf hin, dass die römischen Truppen den festen Platz am Rheinknie vermutlich mit Unterstützung der ansässigen Rauriker verteidigt haben. Der Murus Gallicus sicherte im Südosten den Hauptzugang zum Castrum. Die Anlage bestand aus einem mit Holzbalken armierten Wall aus Lehm und Kies,
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dem gegen aussen eine trocken gemauerte Steinfront vorgeblendet war. Der Wall mass an der Basis 12 m und in der Höhe 5 bis 6 m. Ein 30 m breiter Graben und eine Berme (flaches Vorgelände zwischen Wall und Graben) hielten die Angreifer auf Distanz. Die vom Tor nach Nordwesten führende Strasse war etwa 10 m breit, mit Kies fundiert und die Fahrbahn mit einem nach römischem Vorbild aufgebrachten Kalkgussbelag befestigt. An der Stelle des Münsters wurde sie unterbrochen durch einen Pfostenbau, der als Heiligtum gedeutet wird. Pfostenlöcher und Rutenlehm als Spuren von Wohnhäusern aus Holz und Fachwerk sowie Vorratsgruben finden sich an mehreren Stellen, so unter dem Reischacher- und dem Andlauerhof (Münsterplatz 16, 17), dem kleinen Münsterplatz und an der Augustinergasse. (Einblicke gewähren die Informationsstellen der Archäologischen Bodenforschung.) Mit der Verlegung der Grenze des Römischen Reiches an den Limes verlor die Festung auf dem Münsterhügel an strategischer Bedeutung. Doch wurden in der Zeit der keltisch-römischen Siedlungstätigkeit hier die Grundlagen herrschaftlicher Strukturen gelegt, und fortan zeigt der Münsterhügel die dichteste bauliche Kontinuität Basels. Bis um etwa 1200 war der keltische Graben quer zur heutigen Rittergasse noch vorhanden, und die keltische bzw. römische Strasse über den Hügelzug entspricht dem heutigen Verlauf der Ritter- und der Augustinergasse. In Zusammenhang mit dem Ausbau des Fernstrassennetzes und der Colonia Augusta Raurica in augusteischer Zeit sowie dem Abzug des Militärs gegen 20 n. Chr. entstand an der Gabelung der Sackgasse auf dem Hügelrücken und der als überregionale Verkehrsachse am Hügelfuss angelegten nachmaligen Freien Strasse eine dorfähnliche Siedlung, der Vicus (zwischen Luftgässlein und Rittergasse). Bezeugt sind giebelständig zur Strasse gesetzte Streifenhäuser mit Ziegeleindeckung und gemauerten Sockeln unter Fachwerkwänden; dazu gehören auch die beiden Vorratskeller, die bei Umbauarbeiten im Antikenmuseum entdeckt, konserviert und in die Ausstellung einbezogen wurden; an der Rittergasse 16 gehen die Archäologen von einem weiteren Fachwerkhaus mit nachträglich eingebautem gemauertem Vorratskeller aus.
Streifenhaus, ausgegraben an der Rittergasse 16 (Rekonstruktion Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
Seit der Mitte des 3. Jh. n. Chr. sicherten die Römer, bedrängt von den vorstossenden Germanen, erneut die Rheingrenze. Die auf dem Münsterhügel in Eile errichteten Wehrmauern sind durchsetzt von Spolien, wiederverwendeten Bruch- und Teilstücken (Pfeiler, Gesimse, Grabmäler) von grösseren Bauwer-
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ken; diese stammen vermutlich zum Teil aus Augusta Raurica (Lapidarium unter dem Hof des Schulhauses zur Mücke). In dieser spätrömischen Bauphase entstand auch ein grosses repräsentatives Gebäude militärischer oder ziviler Nutzung, dessen Fundamente im Münster ausgegraben wurden. Belegt ist auch ein basilikaähnliches Gebäude am Nordende des Platzes, ein möglicherweise mehrgeschossiger Bau von etwa 50 m Länge und 18 m Breite, ausgeführt in Mauerwerk mit Wandpfeilern. Bis heute lässt sich in spätrömischer Zeit kein frühchristlicher Sakralbau auf dem Münsterhügel nachweisen. Der Platz selbst hatte annähernd schon die heutige Gestalt und war offenbar mit Ausnahme eines Sodbrunnens nur in den Randzonen bebaut. Unter Kaiser Valentinian I. (364–375 n. Chr.) ergänzten die Römer die Festung auf dem Münsterhügel durch einen rechtsufrigen Stützpunkt (Munimentum Robur oder Burgus, ergraben im Bereich des Reverenzgässleins).
Münsterhügel, spätrömische Festung (Rekonstruktion Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
Mit der Öffnung des Grossen St. Bernhard um 25 v. Chr. und dem Ausbau des römischen Strassennetzes wuchs die Bedeutung der Colonia Augusta Raurica (Augst). In dieser vergleichsweise friedlichen Zeit der Herrschaft von Kaiser Augustus entstanden in nicht geringer Zahl in der Gegend zwischen Vogesen, Jura und Schwarzwald Landhäuser (Villae Rusticae, am Dinkelberg, im Landauer, im Wiesental, im Baselbiet), Strassendörfer (Vici, im elsässischen Kembs, Sierentz oder Ensisheim, dem badischen Weil am Rhein, im schweizerischen Niederdorf oder in Frick). Während sich etwa im Hausbau (Steinbau, Ziegeleindeckung) römische Techniken durchsetzten, ist vor allem im sakralen Bereich ein Weiterleben oder Wiederaufleben keltischer Einflüsse zu beobachten (ein gallorömischer Umgangstempel nachgewiesen in Riehen-Pfaffenloh). Mit der steigenden Bedeutung der Wasserwege entstand in Basel bei der Birsigmündung im späten 3. Jh. vermutlich eine Siedlung, der die römischen Grabstätten am Blumenrain und beim Totentanz zuzuordnen sind. Ausserhalb der befestigten Anlage ‹auf Burg› lassen sich am Fusse des Petersberges, an der Landstrasse rheinabwärts, Spuren gewerblicher Tätigkeit ausmachen. Gräberfelder an der St. Alban-Vorstadt und an der Aeschenvorstadt belegen die anhaltende Siedlungstätigkeit im Umkreis des einstigen Zentrums des Münsterhügels. Im Zusammenhang mit dem Bau des Burgus als Stützpunkt auf Kleinbasler Seite überliefert die römische Geschichtsschreibung auch erstmals den Namen ‹Basilia› für die Siedlung am Rheinknie, wenig später den Begriff der ‹Civitas Basiliensium›, was darauf hindeutet, dass zu Ende des 4. Jh. Basel und nicht mehr Augusta Rauricorum Hauptort der Region war.
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Siedlung
Einzelfund/Münze
Gräber
Villen
Fundstellen der Römerzeit (Gebiet Kanton Basel-Stadt, Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
Riehen-Pfaffenloh, gallorömischer Umgangstempel (Rekonstruktion Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
Tempel
Burgus
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Augusta Raurica (Augst) und Castrum Rauracense (Kaiseraugst) Erste wissenschaftliche Grabungen in Augst unternahm in den Jahren 1582–1585 mit Erlaubnis des Basler Rates Basilius Amerbach, Humanist, Rechtsgelehrter und Sammler, unterstützt durch den Kaufmann und Ratsherren Andreas Ryff und den Maler Hans Bock. Ihnen gelang es, das «selttsam werck», das Gemäuer «zu den neun Thürmen», als römisches Theater zu deuten. Den Zustand der Anlage im 18. Jh. überliefert Daniel Bruckner in seinen ‹Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel› mit den Illustrationen von Emanuel Büchel (erschienen in 23 Bänden 1748–1763). Die Phase der systematischen wissenschaftlichen Erforschung der römischen Stadt setzte 1882 ein. Die Aufsicht lag bei der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel, die einzelne Grundstücke erwarb und die Forschung – seit 1935 über die Stiftung Pro Augusta Raurica – unterstützte. Das Römerhaus, eine Rekonstruktion eines römischen Geschäfts- und Wohnhauses, wurde 1955, das Römermuseum 1957 eröffnet (beide Bauten nach Plänen von Alban Gerster). Heute betreiben die Kantone Aargau und Basel-Landschaft die archäologischen Grabungen mit je einer eigenen Equipe. Die gemeinsame Dachorganisation der Römerstadt Augusta Raurica untersteht seit 1995 dem Amt für Kultur des Kantons Basel-Landschaft (vgl. Berger 2012).
Emanuel Büchel, Lage von Augst, in: Daniel Bruckner: ‹Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel›. Basel 1763 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett)
Die Kolonie Augusta Raurica [ • 2 S. 471 (C/2) ] (Augusta Rauricorum) war während rund dreihundert Jahren eine blühende Stadt, deren Bewohner alle Annehmlichkeiten römischer Kultur genossen. Nicht restlos geklärt sind die Umstände der Gründung. Bezieht sich die Erwähnung einer Colonia Raurica im Jahre 44 v. Chr. auf dem Grabmal des römischen Feldherrn und Statthalters in Gallien, Lucius Munatius Plancus, auf die Gründung einer Kolonie in Basel oder eine zunächst nicht gelungene Stadtgründung in Augst? Erste Funde in Augst datieren erst in das 2. Jahrzehnt v. Chr., in die Zeit der Herrschaft Kaiser Augustus. Entscheidend sind die verkehrsgeografisch günstige Lage der neuen Kolonie am Ort des Zusammentreffens zweier wichtiger Fernstrassen, der Süd-Nord-Verbindung (Grosser St. Bernhard, Aventicum, Hauenstein) und der West-Ost-Strasse (Gallien, Burgundische Pforte, Bözberg, Donau), und der
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e rhöhte Siedlungsplatz auf dem Plateau zwischen Ergolz und Violenbach nahe dem Rhein, der sich an dieser Stelle leicht überqueren liess. Zu den Siedlern zählten wohl Zuzüger aus dem Süden und einheimische Rauriker, die zum Teil auch im römischen Heer Dienst geleistet hatten. Dank seiner Lage im befriedeten Binnenland konnte sich Augusta Raurica zum wichtigsten wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum zwischen Bodensee und dem oberen Elsass entwickeln; die in der 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. begonnene Befestigung blieb unvollendet. Zur Zeit ihrer grössten Ausdehnung erreichte die Oberstadt eine Fläche von 106 ha. Seit der 2. Hälfte des 3. Jh. muss die Stadt durch Kampfhandlungen, vielleicht auch ein Erdbeben, Zerstörungen erlitten haben und allmählich verlassen worden sein. In diese Zeit fällt wohl der Ausbau des erhöhten Platzes auf Kastelen zu einer befestigten Anlage. Zur Sicherung der Rheingrenze begannen die Römer, darunter die berühmte Legio I MARTIA, um 300 mit dem Bau des Kastells am Rhein als einem befestigten Brückenkopf; die Brücke muss in der Mitte des 4. Jh. zerstört und nachher nicht wieder aufgebaut worden sein.
Fundstellen der Römerzeit im Umland von Augusta Raurica
Die erhöht liegende Fläche der Oberstadt misst etwa 1000 m in der Länge und 1200 m an der südlichen Basis. Das dem Stadtplan zugrunde liegende Liniennetz wird im Verlauf der Strassen (längs des Cardo Maximus, heute Hohwartstrasse) und in der Ausrichtung des Forums (Decumanus Maximus) fassbar (der Schnittpunkt der beiden Hauptachsen liegt vor dem Forumsaltar). Die sechs Längs- und die elf Querstrassen bilden rund fünfzig bebaute Quartiere, sog. Insulae (48 × 60 m). An den Stellen grösserer Unregelmässigkeiten des Geländes und der monumentalen öffentlichen Gebäude ist die strenge Rasterordnung aufgelöst. Für die erste Bebauung werden, innerhalb des späteren Strassenrasters, Holzbauten mit Lehmverstrich angenommen; bald folgten zum Teil zweigeschossige Steinbauten.
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Augusta Raurica, Gesamtplan der Stadt um 250 n. Chr.
Augusta Raurica war nicht nur – dank seiner günstigen Verkehrslage – eine Handelsstadt, sondern beherbergte in ansehnlicher Zahl Handwerks- und Gewerbebetriebe (Giessereien, Schmieden, Töpfereien, Ziegelbrennereien), die nicht nur den lokalen Markt bedienten, sondern auch für den Export produzierten (fleischverarbeitende Betriebe). Landwirtschaftliche Güter liefern die umliegenden Gutshöfe. Die reichen Funde deuten auf Wohlstand (Mosaiken, Statuetten, das luxuriöse Tafelgeschirr des Silberschatzes) und belegen eine hoch entwickelte städtische Bau-, Wohn-, Ess- und Körperkultur (Hypokausten, Aquädukte und Kloaken, Thermen). Das Forum im Zentrum der Stadt war Verwaltungs- und Geschäftszentrum (Area Publica) wie auch Tempelbezirk (Area Sacra) und umfasste von West nach Ost den Tempel, davor, an der das Forum querenden Strasse, den dem höchsten Gott geweihten Altar, den offenen Platz (33 × 58 m) und zur Hauptachse quergestellt die Basilica (22 × 49 m) mit innerem Stützenkranz und seitlichen Apsiden und schliesslich über dem Abhang zum Violenbach den Rundbau der Curia, den Versammlungsraum des Stadtrates. Umschlossen war das Forum von drei Flügeln mit Kammern in regelmässiger Reihung (Läden, Werkstätten), die sich im Bereich des Tempels nach aussen, beim Platz nach innen und aussen auf einen Säulengang öffneten. Die Erbauer des szenischen Theaters nutzten die topografischen Gegebenheiten und legten das Halbrund der Zuschauerränge in ein natürliches Tälchen. Dieses mächtigste Bauwerk der Koloniestadt enthält, noch heute deutlich erkennbar, drei Theaterbauten, ein älteres szenisches Theater, ein jüngeres Amphitheater (Arena) und als jüngsten Bau wieder ein szenisches Theater, das annähernd zehntausend Zuschauern Platz geboten haben muss, ein Hinweis auf die Grössenordnung der Bevölkerung von Augusta Raurica (das Theater entstand 150–200 n. Chr.). Während das grosse Theater in der Stadt schon den humanistischen Forschern (darunter Andreas Ryff, Basilius
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Amerbach, Hans Bock) bekannt war, wurde das Amphitheater am südwestlichen Stadtrand in einer Mulde des Rauschenbächleins erst 1959 entdeckt. Entstanden ist es vermutlich um 200 n. Chr. als Ersatz für die aufgegebene Arena im alten Theater.
Augusta Raurica und Castrum Rauracense, Vogelschau von Süden (Rekonstruktion)
Der Schönbühltempel liegt in erhöhter Lage in der Achse des Theaters. Grabungen erbrachten Spuren eines älteren, raurikischen Tempelbezirkes aus dem frühen 1. Jh. n. Chr., der neben dem römischen Tempel auf dem Hauptforum der einheimischen Bevölkerung als Kultstätte gedient haben muss. Der grosse römische Tempel stand auf einem 3,5 m hohen Podest. Er mass – wie von Vitruv gefordert – sechs Säulen in der Breite und neun Säulen in der Länge und entsprach dem Typus eines Umgangstempels (Peripteros oder Pseudoperipteros). Den topografisch-räumlichen Zusammenhang von Tempel und Theater steigert die Monumentaltreppe zwischen den Anlagen, die für den Tempel feierlicher Wegraum, für das Theater Teil des szenisch wirkungsvollen Hintergrundes war. Das Südforum, von dem heute nichts sichtbar ist, folgt der Ausrichtung des Insulae-Rasters und umschloss einen rechteckigen Platz von 31 × 49 m; in der Randbebauung waren Läden, Tabernen, Versammlungsräume und vermutlich auch ein Kultraum eingerichtet. Die Anlage erhob sich über dem Abhang südlich des Schönbühltempels und vermittelte zwischen diesem und den in den Niederungen der Grienmatt gelegenen Heilthermen und dem Heiligtum. Seit dem frühen 18. Jh. rätselten die Gelehrten über die Bestimmung der Mauerreste in der Grienmatt. Aubert Parent (siehe S. 94) rekonstruierte 1803 einen phantastischen Tempel. Erst die Untersuchungen durch Rudolf Laur-Belart in den 1950er-Jahren brachten grössere Klarheit. Angenommen wird eine dreiteilige Anlage mit zwei seitlichen Podesten mit Säulen und einem Mitteltrakt mit, nach Osten und Westen, je zwei halbrunden Statuennischen. Die zur Koloniestadt auf dem Plateau gehörende Unterstadt erstreckte sich in der Ebene zwischen Violenbach, Ergolz und Rhein. Der ihr zugrunde liegende Raster umfasst lang gestreckte Insulae zwischen breiten Strassen. Vermutet werden hier Schiffsanlegestellen, Lager- und Umschlagsplätze wie auch Handwerks- und Gewerbebetriebe (Keramik, Glas); unmittelbar an der römischen Fernstrasse von Gallien nach Rätien, der heutigen Kantonsstrasse, liegt die gut erhaltene Anlage in der Schmidmatt mit Gasthaus und Tuchwalkerei.
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Seit Mitte des 3. Jh. mehrten sich Grenzkonflikte zwischen Römern und Alamannen. Als Teil eines zusammenhängenden Systems entlang des Rheins zur Abwehr der vordringenden Germanen schützt das Castrum Rauracense die strategische Schlüsselstelle beim Brückenkopf in Kaiseraugst (nach der Zerstörung der Koloniestadt Augusta Rauricorum).
Castrum Rauracense, um 375 n. Chr. (Zeichnung Markus Schaub)
Das spätrömische Kastell, das Castrum Rauracense, erhob sich an der Stelle des heutigen Dorfes Kaiseraugst, in dessen Strassenzügen Kontur und innere Einteilung der Militärstation aus der Zeit um 300 n. Chr. noch heute ablesbar sind. Auf vier Seiten umschlossen einst Mauern von ursprünglich 8 bis 10 m Höhe und fast 4 m Stärke ein unregelmässiges Rechteck von 3,7 ha Fläche. Dem linksufrigen Brückenkopf entsprach auf der gegenüberliegenden Seite ein kleines Kastell mit insgesamt acht Rundtürmen (Mauerreste dieses Festungsbaus sind noch erhalten). Neben den im Kastell stationierten Truppen müssen hier auch Teile der Bevölkerung der ehemaligen Koloniestadt Augusta Raurica gewohnt oder zeitweilig Schutz gesucht haben. Aufgehendes Mauerwerk der ‹Heidenmauer› wurde an verschiedenen Stellen wiederhergestellt (West- und Südmauer). In die Mauer waren in dichter Reihung 18 nach aussen vorspringende wohl polygonale Türme eingelassen. Die heutige Dorfstrasse entspricht der römischen West-Ost-Strasse. Erste frühchristliche Spuren sind in der Region Basel in Kaiseraugst fassbar. Hier ist 343/346 ein Bischof Iustinianus Rauricorum bezeugt, ohne dass sich von diesem eine kontinuierlich Folge von Bischöfen ableiten liesse. Die in den 1960er-Jahren ergrabene frühchristliche Kirche in Kaiseraugst (bei der alten Dorfkirche), ein Saalbau mit halbrunder Apsis, einem Baptisterium und Annexbauten, datieren die Forscher in die Zeit um 400 n. Chr. Die Anlage zählt zu den frühesten Zeugen christlicher Sakralarchitektur im Rheingebiet und in der heutigen Schweiz.
Leonhardskirche, Hallenraum gegen Osten (siehe S. 35)
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Basel im Mittelalter
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Basel im Mittelalter
In der nachrömischen Zeit geriet die Region Basel verkehrsgeografisch und politisch in eine Randlage zwischen den burgundischen, fränkischen und germanischen Herrschaftsbereichen. Die Archäologen sprechen von einer Ruralisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse und von einer Regionalisierung der Handelsbeziehungen. Auf dem Basler Münsterhügel bestimmten seit dem 5. Jh. nun wieder Holz- und Fachwerkhäuser, Haustiere und Pflanzgärten das Bild der Siedlung (Grubenhäuser des 7. und 8. Jh. sind bezeugt). Die Kleinbasler Gräberfelder Gotterbarmweg, Waisenhaus und Kleinhüningen (5.–7. Jh.) weisen auf germanischen, diejenigen am Bernerring auf fränkisch-merowingischen Einfluss hin. Ob diese Grablegen als Hinweise auf neue, dezentrale Siedlungsschwerpunkte zu deuten sind, ist ungewiss. Als ausgesprochen beständig erwiesen sich dagegen die Linien der ehemaligen römischen Fernstrassen von Grenzach über Basel und Kleinhüningen rheinabwärts und auf der linken Rheinseite die Linie Gundeldingerstrasse-Holeestrasse (vgl. Archäologische Bodenforschung / Historisches Museum Basel (Hg.) 2008).
Die frühmittelalterliche Stadtbildung Mit dem Wiederanknüpfen der Karolinger an den römischen Reichsgedanken erfuhren die spätantiken Zentren eine neue Belebung. Neue städtische Siedlungsimpulse gingen seit dem 8. Jh. von den Bischöfen aus. Von massgeblicher Bedeutung für die Entwicklung von Basel war die Reorganisation des Bistums seit der Mitte des 8. Jh. Die in ihren baulichen Aktivitäten fassbaren Bischöfe Walo (um 800) und Haito (763–836, Bischof seit 805) standen dem karolingischen Königshaus nahe. Die Festigung des Bischofsstaates verdankte sich auch dem Nachwirken spätantiker Verwaltungsstrukturen (etwa der Civitates). Bald waren es die Klöster, die auch Aufgaben der Sicherung territorialer Ansprüche etwa elsässischer Grundherren übernahmen (wichtig z. B. Murbach im Elsass und Moutier-Grandval im Jura). Auf dem Basler Münsterhügel ist mit einem frühen christlichen Kirchenbau zu rechnen. Nicht zuletzt aufgrund des Patroziniums vermuten die Archäologen an der Stelle der Martinskirche am nördlichen Ende des Münsterhügels ein kirchliches Zentrum aus fränkischer Zeit. Im Kleinbasel ist es die Gegend um St. Theodor, in der alamannische Gräber auf eine Kirchenanlage aus dem 1. Jahrtausend hinweisen. Noch immer bildete der Rhein eine starke, wenn auch nicht unüberwindliche natürliche Grenze zwischen den galloromanischen, später fränkischen und karolingischen und den rechtsrheinischen alamannischen Einflusssphären, eine Trennung, die auch in der Herausbildung zweier bischöflicher Herrschaftsbereiche, nämlich dem Erzbistum von Besançon und Mainz für Grossbasel und dem Bistum Konstanz für Kleinbasel, fortlebte. Aufgrund der Grabungen im Münster in den 1970er-Jahren rekonstruieren die Archäologen einen ersten Münsterbau, das karolingische Haito-Münster, einen Saalraum mit südlichem Seitenschiff, zwei Rundtürmen in der Westfassade und einer Aussenkrypta (frühes 9. Jh., zu besichtigen in der archäologischen Informationsstelle). Zum bischöflichen Immunitätsbezirk gehörten auch die St. Ulrichskapelle an der Rittergasse (abgebrochen 1886) und die Taufkapelle St. Johann am Anfang der Augustinergasse (abgebrochen 1839, die Vorgängerkirche 2002/03 ergraben).
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Haito-Münster, frühes 9. Jh. (Rekonstruktion Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt)
In der unteren Talstadt (zwischen Andreasplatz und Rhein), bei St. Alban und St. Theodor deuten karolingische Funde in den untersten Kulturschichten auf Siedlungsaktivitäten ausserhalb des alten Zentrums. Im 10. Jh. schon diente St. Peter als Begräbniskirche; auch im Rosshofareal geben Grubenhäuser und Keramikfunde Hinweise auf eine frühe Ansiedlung. Gemeinsam ist allen diesen Fundstellen die günstige Verkehrslage an alten Strassenverbindungen. Die Funde an diesen Stellen belegen neuerliche weit gespannte Handelsbeziehungen und lassen die Archäologen vermuten, es handle sich hier um Marktorte für den Fernhandel. Diese hoch entwickelte Wirtschaftsform setzt eine spezialisierte Tätigkeit verschiedener Berufsgruppen voraus und ist in Verbindung mit dem Ausbau des bischöflichen Macht- und Verwaltungsapparates Grundbedingung städtischer Entwicklung.
Die befestigte mittelalterliche Stadt Seit der Jahrtausendwende bis zum Eintritt der Stadt in den Bund der Eidgenossen im Jahre 1501 gehörte Basel zum Deutschen Reich, sein Stadtherr, der Bischof, war Lehensträger des Deutschen Kaisers. Die streng gegliederte mittelalterliche Gesellschaft umfasste die Geistlichkeit (Domstift, Orden), den Adel (Stadt- und Landadel), der seine Macht teils im Dienste des Bischofs, teils in Opposition zu diesem ausbaute, und die Bürgerschaft, die in Zünften organisierten Handwerker und Kaufleute, die, in einem langwierigen Emanzipationsprozess zu Wohlstand und Macht gelangt waren und in die Herrschaftsrechte des Bischofs eintraten. Gegen Ende des Mittelalters lebten in Basel als der grössten Stadt im Gebiet der heutigen Schweiz rund zehntausend Menschen.