Der FC Basel und seine Stadt. Eine Kulturgeschichte

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D E R FC BAS E L U N D S E I N E STA DT Eine Kulturgeschichte

Philipp Loser Thilo Mangold Claudio Miozzari Michael Rockenbach

Christoph Merian Verlag

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Inhaltsverzeichnis

9 S p ra c h e Ein magischer Raum

D i e G e s c h i c hte d e s FC B a s e l b e g i n nt m it e i n e r S u c h e n a c h Wo r te n – u n d e n d et i n wo r tre i c h e m S c hwe i g e n . O h n e S p ra c h e i st Fu s s b a l l n i c hts .

27 B i l d s e r i e Ein ganz normaler Verein

D i e A nfä n g e : m e h r a l s n u r Fu s s b a l l – u n d we i b l i c h e r, als man denkt.

47 G re nze n Echte Basler Spieler

A n d e r Zu s a m m e n s et zu n g d e r e r ste n M a n n s c h af t d e s FC B a s e l l ä s st s i c h d i e M i g rati o n s g e s c h i c hte d e r S t a dt a b l e s e n . U n d d e r s c hw i e ri g e U m g a n g d a m it .

67 G e l d Mehr, mehr, mehr

J e g rö s s e r d a s G e s c h äf t r u n d u m d e n FC B a s e l w i rd , d e sto d rä n g e n d e r ste l l e n s i c h g a nz g r u n d s ät zl i c h e Fra g e n : zu R o m a nti k , Ko m m e r z u n d I d e ntit ät .

87 B i l d s e r i e Epische Duelle

I m m e r w i e d e r d i e Zü rc h e r. I m p re s s i o n e n r u n d u m d a s M e i ste r s c h af ts - Ents c h e i d u n g s s p i e l g e g e n d i e G ra s s h o p p e r s 1 97 1 .


103 G e g n e r

« Nie eine vo uns ! ! ! » W i r u n d d i e a n d e re n : Er z fe i n d e , L i e b l i n g s g e g n e r u n d d e r B a s l e r M i n d e r we r ti g ke its ko m p l ex .

121 B i l d s e r i e Karli, Bentzgi, Rämsi

M it Fa h n e n , Fa n s u n d Fö h nfri s u re n m it te n i n d i e S t a dt . B a s e l n a c h d e m T ite l vo n 1 97 3 .

141 D ro g e n « Chemie-Affen »

P i l l e n , P u l ve r, S p rit ze n , A l ko h o l . Vo n e rl a u bte n u n d ve rb ote n e n D ro g e n i m Fu s s b a l l – u n d d e r B ezi e h u n g z w i s c h e n d e m FC B a s e l u n d d e r P h a rm a i n d u stri e . 157 G e s c h l e c ht

« Läng mir an d Banane» M ä n n e r s a c h e Fu s s b a l l . N i rg e n d s i st G e s c h l e c hte rp o l iti k rü c kst ä n d i g e r a l s i m S t a d i o n . 173 B i l d s e r i e

Auf ins ‹Mad Max ›! Ekst ati s c h , ex ze s s i v, g i e ri g . D e r B e g i n n d e r g o l d e n e n N u l l e rj a h re – m it d e n Au g e n e i n e s Fa n s g e s e h e n .


201 P o l i t i k

Zur Wahl empfohlen: der FC B Po p u l i ste n , fa l s c h e Fre u n d e , O p p o r tu n i ste n : Fu s s b a l l i st p o l iti s c h . Wa r e r s c h o n i m m e r. G e ra d e a u c h i n B a s e l .

2 23 Ä st h et i k Das Brummen der Stadt A m En d e i st e s g a nz e i nfa c h : d i e Fa s n a c ht , d i e Ku ltu ri n stituti o n e n u n d d e r FC B a s e l – ü b e r d i e s e s D re i e c k l ä s st s i c h B a s e l ve r ste h e n .

2 35

S c h l a g wo r t ve r ze i c h n i s

240

Q u e l l e nve r ze i c h n i s

244

B i l d n a c h we i s e

244

Dank

2 50

I m p re s s u m



S p rac he

Ein magischer Raum

D ie G esc hic hte des FC B asel b e ginnt mit einer S uc he nac h Wor ten – un d en det in wor treic hem S c hweigen . O hne S p rac he ist Fus s ball nic hts .


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Er weiss nicht mehr, wohin mit der Freude, er schreit und tobt und bekommt kaum Luft. Stakkato. «Cabral tankt sich durch! Er schiesst ! Rotblaue Glückseligkeit ! Hervorragend, wie er den Ball am Goalie vorbei in die Maschen setzt ! Und schaut, die Tifosi, die Tifosi! Diese langen Gesichter!» René Häfliger, Videomacher, Interviewer, Radiomoderator, Gross­ rat auch (ein Tausendsassa), sass im Oktober 2010 als Berichterstat­ ter von ‹Radio Basilisk› im Stadio Olimpico von Rom und konnte es kaum fassen. Da gewinnt der FCB , sein FCB , doch tatsächlich gegen die AS Roma. Ein Zusammenschnitt seiner Moderation lässt sich auf Youtube nachhören, und jedes Mal, wenn man das tut, befällt einen das gleiche, diffuse Gefühl : eine seltsame Mischung aus Vertraut­ heit und Fremdscham. Häfliger ist nicht nur die Stimme am Spiel­ feldrand, er ist Fan, der Fan. Sein Baseldeutsch ist so baseldeutsch, wie es nur sein kann. Er gibt all den Fussballfloskeln dieser Welt ein heimisches Gepräge. Den ‹langen Bällen› und ‹Vorstössen› und ‹über­ fallartigen Angriffen›. Den ‹rasanten Kontern› und ‹satten Schüssen› aus der ‹zweiten Reihe›. Häfliger und die meisten Fussballkommentatoren bedienen sich an lange eingeübten Codes. Fussballsprache ist Allgemeingut gewor­ den, weit über das Stadion hinaus. Politiker reden im Parlament da­ von, wie sie ‹einen Penalty versenken› und ‹ja kein Eigengoal› schies­ sen möchten. In der Werbung, in Filmen, im Schul- und Kinderzimmer (‹Das gibt die Gelbe Karte!›), auf der Strasse: überall. Kein anderer Sport ist in unserer Sprache so präsent wie der Fussball.

Erfindung einer Sprache Dabei musste diese Sprache, die Fussballsprache, zuerst mühsam erfunden werden. So geläufig uns heute Begriffe vom Fussballplatz

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sind, so schwierig war es für die Fussballpioniere im 19. Jahrhundert, überhaupt erst Worte zu finden für das, was sie da taten. Eine entscheidende Rolle spielte dabei ein Basler. Ferdinand ­Isler, Gründungsmitglied des FCB , erster Aktuar und dreifacher Torschütze im allerersten vereinsinternen Spiel. Da es 1893 noch kei­ ne Fussballregeln auf Deutsch gab, bestellte und übersetzte er eng­ lische Regeln. Dank Isler wurden die ersten Fussballregeln in der Schweiz verbreitet. Er publizierte auch regelmässig in verschiede­ nen Zeitungen «über das Footballspiel». Den Kern der neuen Sport­ art beschrieb er dabei in einem Artikel in der ‹Allgemeinen Schwei­ zer Zeitung› so: «Die Quintessenz des Spieles besteht nun darin, den vollkommen runden Ball … unter der Querstange des Mals hindurch­ zutreiben, und zwar ohne Anwendung der Hände.» ‹In die Maschen setzen › oder ‹Tore schiessen › schrieb und sagte damals noch niemand. Neben «den Ball durch das Mal hindurch­ treiben» waren in den frühen Spielberichten des FCB Formulie­ rungen wie «den Ball durch das Ziel treiben», ein Goal «gewinnen», «erlangen» oder «treten», oder auch mal «einen Ball durch das Goal senden» zu lesen. Die Beförderung des Balls mit dem Fuss wurde als « werfen», «shooten» oder « passieren» bezeichnet. Die Beschrei­ bung von Zweikämpfen überforderte die ersten Berichterstatter: «Gegen Schluss des Spieles wurde auf beiden Seiten sehr – sagen wir ‹massif› (sic!) gespielt », hiess es in einem Spielbericht. An an­ derer Stelle war von einem «scharfen», aber nicht «rohen» Spiel die Rede.

Alles dank der Engländer «In den früheren Berichten wussten sie gar nicht, wie man es be­ schreiben sollte, wenn jemand mit dem Fuss an den Ball tritt», sagt

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der Sporthistoriker Hans-Dieter Gerber. Man behalf sich mit Eng­ lisch. So hatte es ja auch begonnen: Der Fussballclub Basel war als ‹Football-Club› gegründet worden. Und entsprechend tönte es in den Spielberichten. Verteidiger waren «Backs», Mittelfeldspieler «Halves», die Stürmer «Forwards». Bis in die 1950er-Jahre waren in der ‹Schweizer Filmwochenschau› ­Begriffe wie «Behind» oder «Free-kick» zu hören, einzelne Worte hielten sich in der Schweiz – teilweise im Gegensatz zu Deutschland – bis heute: Offside, Match, Corner oder Penalty. Die englischen Worte von damals wurden teilweise mit deut­ schen Begriffen ersetzt, oft mit Floskeln, deren Wortsinn nie ganz ex­ akt abbildete, was tatsächlich auf dem Rasen geschah. «Über Fuss­ ball zu reden und zu schreiben, ist heute noch anspruchsvoll », sagt Gerber. «Dass die Sportberichterstattung manchmal so anstrengend ist, für Sender und Empfänger, hat mit der Unmöglichkeit der genau­ en Beschreibung der Bewegungen zu tun. Man verwendet Behelfs­ konstrukte.» Mehr Raum als die Spiele nahm in den frühen Berichten des Ver­ eins oft das Programm rund um die Spiele ein. Ausgiebig wurden die gemeinsamen Frühschoppen und Mittagessen und Abendessen und Abendschoppen beschrieben. Essen und Trinken (und das Schreiben darüber) waren Mittel zur Vergegenwärtigung des sozialen Zusam­ menhalts, der vor allem zu Beginn fast ebenso wichtig war wie der Sport. Geselligkeit spielte auch im ‹Farbenkantus› des FCB eine wich­ tige Rolle, dem ersten und heute vergessenen Vereinslied. In der Gründungszeit des Clubs wurde das Lied wiederholt im Cluborgan ­thematisiert und in unterschiedlichen Versionen abgedruckt. Der Text belegt, dass sowohl die heutigen Treueschwüre aus der Kurve («Rotblau bis in Tod») wie auch der soziale Druck zum Alkoholkon­ sum beim FCB eine lange Tradition haben:

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Ein rotblaues Band umschlinget Unsre freie Jünglingsbrust. Diesem Band ihr Brüder singet Heut ein Lied aus voller Brust, Möge dies Banner uns führen voran Immer voran auf der Siegesbahn.

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Dunkle Täler, blaue Höhen, Spiegeln sich im klaren Rhein Und der Purpurglanz des schönen Morgenrotes blitzet drein, Dem Blau der Treue, der Liebe Rot Sind wir ergeben bis zum Tod. Darum auf, ihr Freund und Zecher Hebet euer Glas aufs Neu. Stosset an und leert die Becher Auf der Freundschaft Lieb und Treu Lasset ertönen von Fern und von Nah Unseren Farben ein Hipp, hipp, hurra! Damit soll aufs Neu beschworen Sein der Bund der Brüderschaft. Haltet fest, was wir erkoren Treue, Freundschaft, Mut und Kraft. Niemals wollen wir brechen die Treu Rotblaue Fahne, wir schwören aufs Neu.

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Die FCB -Gründer schworen nicht nur theatralisch auf die rotblaue Fahne, auf das Banner, das stets auf die Siegerbahn führt. Sie began­ nen auch recht früh damit, sich ihre eigene Wirklichkeit zu gestal­ ten. Geschichte ist immer, was man daraus macht, was man davon erzählt. Niederlagen waren dann «Lehrstücke für das bessere Zu­ sammenspiel» der eigenen Mannschaft, die zwar meistens ansehnli­ cher gespielt habe als der Gegner – aber leider etwas unglücklich. So redeten sich die FCB -Berichterstatter im Cluborgan, in diversen Zei­ tungen oder dem Protokollbuch regelmässig die Spiele schön. Über eine Begegnung mit den Old Boys im Jahr 1898 hiess es beispielswei­ se (das Spiel ging 1:1 aus) : «Zwar hatten wir gehofft, die Old Boys zu schlagen, allein gerade die grosse Siegesgewissheit war unser Nach­ teil. … Trotz aller Anstrengungen gelang es uns nicht, noch einmal den Ball durchs Goal der Old Boys zu jagen; denn die Verteidigung der Old Boys spielte es gut und grob, dass wirklich auch einer unsrer Forwards kampfunfähig wurde.» S p ra c h e

Wieder und wieder erzählen Schuld waren fiese Verteidiger – oder der schlechte Untergrund. So hiess es in einem Zeitungsbericht nach einer 1:5-Niederlage gegen die Old Boys im November 1903 : «Dass die Old Boys gewinnen würden, war bei der Stärke ihrer Mannschaft nicht zu bezweifeln; jedoch mit solcher Goalzahl, das glaubten sie selber nicht. Es ist dies Resultat eben nur dem durch strömenden Regen völlig aufgeweichten Ground zuzuschreiben. Die schweren Vordermänner der Old Boys hatten gegen die leichte Verteidigung der Basler sehr leicht aufzukommen.» Das ist das Schöne am Fussball: dass sich die Spieler und die Fans im Nachhinein, im legendenbildenden Wieder-und-wieder-­ Erzählen alles so zurechtlegen können, wie es ihnen passt. Als zum

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Beispiel das Publikum im Sommer 2000 in der 96. Minute beim Stand von 1:0 gegen die Grasshoppers Massimo Ceccaroni vehement als Pe­ naltyschützen forderte und ‹Cecca› tatsächlich antreten durfte, är­ gerten sich nur wenige, als er zuerst am GC-Goalie scheiterte und ihm der erfolgreiche Nachschuss abgepfiffen wurde. Für viele Fans passte die Geschichte von Ceccaronis verschossenem Elfmeter in sei­ nem 266. NL A -Spiel zum Mythos des ewig rennenden und technisch limitierten Verteidigers. Wäre sich der FCB -Rekordspieler mit einem erfolgreichen Torschuss nicht untreu geworden? So aber präsentier­ te er am Ende seiner Karriere eine blitzsaubere Statistik: 452 Spiele insgesamt, 0 Tore in der Nationalliga A. Ein anderes Beispiel: Marco Walker, der 1995 bei einem Heimspiel gegen die Young Boys einen Befreiungsschlag derart verzog, dass der Ball in einem weiten Bogen über das Dach des alten ‹Joggeli› flog. Spieler einer anderen Mannschaft wären dafür verlacht worden. Walker wur­ de zur Legende verklärt, weil er als Einziger das fünfundzwanzig Meter hohe Tribünendach überwinden konnte. Was für eine Heldentat ! Es gibt einige dieser kleinen, kuriosen Geschichten rund um den FCB , rund um viele Vereine, die für Auswärtige nicht immer leicht nachvollziehbar sind. Sie sind Codes, Zeichen dafür, ein Insider zu sein. Jemand, der dazugehört, ein ‹glatter Siech›, der im besten Fall die alten und altbekannten Geschichten noch etwas ausschmücken oder besonders gut erzählen kann.

Das Wichtigste am Fussball Darum ist das eigentliche Spiel auch gar nicht das Wichtigste am Fussball, war es nie. Sondern das Reden darüber. Das jedenfalls sagt Philippe Bischof, der frühere Basler Kulturbeauftragte und seit 2017 Direktor von Pro Helvetia. «Partien, über die man nicht

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spricht, haben eigentlich gar nicht stattgefunden», sagt Bischof, der in den 1980er-Jahren selbst in der besten Juniorenmannschaft des FCB spielte, unter anderen mit Adrian Knup und Massimo Ceccaroni. Und selbstverständlich ist es genau diese Schwärmerei, die den Mann der Kultur am Fussball am meisten fasziniert. Die Überhöhung, die aus einer belanglosen Szene ein grossartiges Ereignis macht – und aus einem fussballerischen Versager einen Helden. In diesen Mo­ menten ist Fussball ganz nahe an der Kunst, in einer Sphäre höherer Wahrhaftigkeit. Darum würde Bischof einem Fussballfan auch nie den Vorwurf machen, einen Unsinn zu erzählen oder gar Lügen zu verbreiten, das wäre ihm viel zu einfach. Bischof sagt: «Fussball er­ öffnet einen fiktionalen Raum.» Es ist ein magischer Raum, in dem Anekdoten grösser und grös­ ser werden und dabei auch jene Mythen entstehen, die sich im kol­ lektiven Gedächtnis festsetzen und das Selbstverständnis einer gan­ zen Region zum Ausdruck bringen. Drei dieser Geschichten sind für den FCB und seine Anhängerinnen und Anhänger besonders wichtig. Die erste grössere Erzählung handelt vom Verhältnis zwischen Fussball und Kultur. Diese Beziehung war während vieler Jahre schwierig. Fussball galt als Proletensport und damit als Inbegriff der Kulturlosigkeit. Dann führten der FCB und das Theater Basel 1972 eine gemeinsame – ‹nietenlose› – Lotterie durch. Für fünf Franken ge­ wann man auf jeden Fall ein Eintrittsbillett. «Entweder Sie sehen auf der Bühne des St.-Jakob-Stadions die Helden des Rasens. Oder Sie sehen in den Basler Theatern die Helden rasen.» Teil der Aktion war auch, dass sich Theaterdirektor Werner Düggelin einmal bei Helmut Benthaus auf die Trainerbank setzte, wofür sich der FCB -Trainer mit einem Gegenbesuch bei einer Probe revanchierte. So entstand eine tiefe Freundschaft zwischen Kultur und Club – und seither sitzen alle gemeinsam im Stadion. Die Kulturaffinen und die Kulturfernen. Die Einfachen und die Studierten.

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Die zweite Erzählung handelt vom Fall in die Nationalliga B und dem Wiederaufstieg. Dazwischen lagen sechs furchtbare Jahre, in denen die Fans ihren tragischen Helden aber immer beiseitestanden. Egal, wie trostlos die Spiele waren, und egal, wo sie stattfanden, ob daheim im alten ‹Joggeli› oder auswärts in Emmenbrücke, Bulle oder Châ­ tel-Saint-Denis – immer und überall wurde die Mannschaft unter­ stützt. So schaffte man 1994 nach all den Enttäuschungen dann doch noch den Aufstieg. Gemeinsam. «Nie meh Nati B !»

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Aus sehr schlecht wird extrem gut

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Die dritte Erzählung handelt vom 13. Mai 2006, dem Tag, als der FC Basel im letzten Spiel der Saison auf den FC Zürich traf. Ein Un­ entschieden hätte den Baslern zum erneuten Titel gereicht – und ge­ nau danach sah es nach dem Ausgleich durch Mladen Petrić in der 72. Minute auch aus. Basel jubelte. Bis zur 93. Minute. Einwurf FCZ (notabene viel zu weit vorne ausgeführt), Flanke, Tor. Jetzt jubel­ te Zürich. Und Basel tobte. Fans stürmten den Rasen, gingen auf FCZ -Spieler los und versuchten, sich mit Zürchern zu prügeln. Auch vor dem Stadion kam es zu Ausschreitungen, die Polizei setzte Trä­ nengas und Rauchpetarden ein. Statt einer Meisterfeier Szenen wie aus einer untergehenden Stadt. Die Presse nannte es: «Die Schan­ de von Basel.» Die Liga reagierte schockiert und verhängte so harte S ­ trafen wie nie zuvor: achtzigtausend Franken Busse, zwei ­ G eisterspiele und zwei weitere Spiele mit gesperrter Muttenzerkurve. Ein ande­ rer Verein wäre daran zerbrochen. Die Basler aber standen wieder auf, überwanden die Krise und waren danach stärker denn je. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Bernhard Heusler, der smarte Wirtschaftsanwalt, der vor dem 13. Mai 2006 in aller Diskretion die


heiklen Dossiers des Clubs betreut hatte (zum Beispiel Hakan ­Yakins Transfer zu Paris Saint-Germain und seine baldige Kurzrückkehr). In der schweren Stunde trat Heusler ins Rampenlicht, und anders als Gisela ‹Gigi› Oeri, die starke Frau im Club, redete er mit den Fans. Nett. Ohne Schuldzuweisungen. Das schwierige Verhältnis z­ wischen Clubleitung und Fans wurde besser, und als Heusler erst zum ­Vizepräsidenten und dann zum Präsidenten avancierte, war endgül­ tig alles gut. Der FCB vor einer beispiellosen Meisterserie, mehrere Male Cupsieger, europäische Erfolge. Nun waren alle glücklich. Ein scharfes Vorgehen gegen Fans schien nicht mehr nötig, ein Beitritt zum Hooligan-Konkordat ebenso wenig. Und alles begann am 13. Mai 2006: der FCB – wie Phönix aus der Asche.

Geschönte Geschichten S p ra c h e

Es sind drei schöne Geschichten, die zum Ausdruck bringen, wie aussergewöhnlich der FC Basel doch ist. Widerstandsfähig und kulti­ viert. Ein grosser Club dank Figuren wie Heusler, Düggelin und Bent­ haus und der vielen Fans, die in guten wie in schlechten Zeiten zu ihrem Verein stehen. So wunderbar die Geschichten auch klingen: sie sind geschönt, allesamt. Oder zumindest etwas einseitig wiedergegeben. Sie haben zwar einen wahren Kern, doch bestehen mehr aus dem ganzen Drum­ herum. Narrative, gehegt und gepflegt – und nicht näher hinter­ fragt. Wie viele Spieler des FC Basel waren tatsächlich schon einmal im Theater? Wie eng ist die Beziehung zwischen Kultur und Sport wirklich? Wie nachhaltig das Engagement von Düggelin und Bent­ haus? Erzählt man sich die Geschichte nicht einfach, weil sie so gut ins Selbstbild von Basel passt? Kulturaffin – und dann erst noch sau­ gut im Fussball.

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B ildserie

Ein ganz normaler Verein

D ie Anfänge: m ehr als nur Fus s ball – un d we ib lic her, als m an denk t .

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Zu heiss für Fussball. 1907 beschloss der FC Basel, in den Sommermonaten auf Leichtathletik ­u mzustellen. Auf dem Bild : der spätere F C B -Präsident Jules Düblin (Dritter von links) mit Kollegen, um 1913.

1917 organisierte der FC Basel auf dem Landhof die Schweizer Leichtathletikmeisterschaft. Läufer Karl Mangold gewann das Rennen über 110 Meter Hürden. Sein Club: Young Boys, Bern.

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Die ersten weiblichen Aktivmitglieder im FC Basel spielten mit Stock. 1920 trat der Basler Hockey-Club dem F C B bei und brachte eine Frauenequipe mit. Die Hockeysektion blieb rund zehn Jahre beim Verein.

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Der erste Leichtathletik-Trainingsplatz auf dem Landhof, eher rudimentärer Art. In der Jubiläumsschrift zum fünfunddreissigjährigen Bestehen des F C B wurde das Bild so ­b eschrieben : « Meyer springt Stabhoch, Roby Spreng kontrolliert die Fehler ; Glenck Max, Bickel, Düblin und Tony Rittel als Zuschauer. Auf der Leiter sitzt Max Galler, der das Seil mit den Steinsäcklein wieder hinauf hissen musste. »

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