Gespräche im Garten Kultur – Natur – Gutes Leben
Tusculum auf Mapprach : Bela Bartha: Pflanzen Namen geben , Dirk Baecker: Macht und Pracht im Garten , Daniela Colombo: Tiere im Text – ein literarischer Streifzug , Ralph Dutli: Der Gott der Bienen ist die Zukunft , Axel Gampp: Prachtvolle Bienen, machtvolle Päpste , Florianne Koechlin: Schwatzhafte Tomate, wehrhafte Buche , Alexandra-Maria Klein: Die Vielfalt der Wildbienen , Pascal Mäser: Unerwünschte Gäste , Angelika Overath: Engadin – Garten des Inn , Annemarie Pieper: Lebensprägungen , Barbara Piatti: Magische Orte , Raimund Rodewald: Oasen und der poetische Reiz von Landschaft , Josef H. Reichholf: Haustiere , Günther Vogt: The Scale of Paradise , Markus Wild: Unser
Leben gleicht der Reise …
Christoph Merian Verlag
Carmen Bregy, Matthias Buschle, Daniela Settelen-Trees ( Hg.)
Gespräche im Garten Kultur – Natur – Gutes Leben
Tusculum auf Mapprach
: Annemarie Pieper: Lebensprägungen, Markus Wild : «Unser
Christoph Merian Verlag
Leben gleicht der Reise» – Denkbilder und Lebensläufe, Angelika Overath: Engadin – Der romanische Garten des Inn, Barbara Piatti : Magische Welten, Raimund Rodewald: Oasen und der poetische Reiz von Landschaft, Florianne Koechlin : Die Düfte der Nachbarin, Dirk Baecker: Macht und Pracht im Garten, Günther Vogt: Versuche das Glück im Garten zu finden, Ralph Dutli: Der Gott der Bienen ist die Zukunft, Alexandra-Maria Klein : Das bunte Leben der Wildbienen, Axel Christoph Gampp: Prachtvolle Bienen, machtvolle Päpste, Josef H. Reichholf : ‹Natürliche Scheu› oder zerstörtes Urvertrauen, Daniela Colombo: Tiere im Text, Pascal Mäser: Parasiten machen Geschichte .
«Denn dies habe ich seit jeher für die vollkommene Philosophie gehalten, fähig zu sein, über die wichtigsten Fragen gedankenreich und schön zu reden.» Cicero In: Gespräche in Tusculum
Zum Geleit Was ist Tusculum auf Mapprach?
Seit fünf Jahren treffen sich im Spätsommer im Baselbieter Jura Neugierige, um einen Nachmittag auf Mapprach zu geniessen. In und um den schönen englischen Garten fand und findet dann jeweils an drei Sonntagnachmittagen ‹Tusculum auf Mapprach› statt. Vor fünf Jahren, in einem der ersten Konzeptpapiere, haben wir versucht, die Idee der Veranstaltungen in einem Dreischritt zu fassen. Wir schrieben damals:
I Tusculum Tusculum ist eines der Synonyme für ein friedvolles, geistiges Refugium auf dem Land. Tusculum war in der Antike ein Landstädtchen in den Bergen vor Rom. Wohlhabende Familien besassen dort ihre Sommerfrische, ihr Landhaus. Im antiken Tusculum gehörte ein Gut dem römischen Philosophen Cicero. In Tusculum führte er des Sommers Gespräche, die Dialoge sind als Buch berühmt geworden. Die ‹Gespräche in Tusculum› gelten bis heute als eine seiner meistgelesenen philosophischen Schriften. Die ‹Gespräche in Tusculum› sind Überlegungen zur Lebenskunst. Anschaulich und pädagogisch leitet der Philosoph seine Gesprächspartner. Die Grundfrage ist, wie trotz Tod, Schmerz und Leiden ein gutes, gelungenes Leben geführt werden kann.
II Mapprach
Ist ein historisches Landgut, geprägt von Natur und Kultur. Das Wort ‹Kultur› stammt vom lateinischen colere, was bedeutet: anbauen, bearbeiten, Ackerbau betreiben / ansässig sein, bewohnen / verpflegen / schmücken, putzen / abwarten, warten / ausbilden, veredeln / betreiben, üben, wahren, hochhalten / verehren, anbeten, heilig halten / feiern, huldigen. Kultur in unserem heutigen Sinne kann folglich (und hier wiederum Cicero folgend) als ‹zweite Natur› bezeichnet werden, als Nachahmung der Natur als ganzer durch artifizielle Dinge und symbolische Formen.
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Der Mapprach ist, mit Hofgut, historischem Park und seiner Tradition, ein erstklassiger Ort dieser zweiten Natur – ein kultivierter Ort.
III Tusculum auf Mapprach
Im Spätsommer soll an drei Sonntag-Nachmittagen an die alte Tradition der ‹Gespräche in Tusculum› angeknüpft werden. An drei Orten auf dem Mapprach finden Gespräche, Konzerte und weitere kulturelle Veranstaltungen statt. Dafür bieten sich an: Der historische Park, die Scheune oberhalb des Parks und die Schirmhütte an schönster Aussichtslage. Tusculum auf Mapprach setzt sich aus drei Hauptelementen zusammen: 1 – Inhaltlicher Anstoss einer Referentin, eines Referenten 2 – Aperitif mit Gesprächen 3 – Kleines Konzert Inhaltlich sind die ‹Gespräche› auf die Wechselwirkung Kultur – Natur bzw. das gute Leben (Lebenskunst) fokussiert.
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So weit das alte Papier. Aber – die Idee hat sich bewährt – in diesem Sinne wurden und werden die Sommersonntage gestaltet. Wir schauen auf 15 beglückende Veranstaltungen zurück (fünf Jahre à drei Veranstaltungen pro Sommer). Es freut uns, dass wir die Wortbeiträge in einem Buch zusammenfassen können. Sehr glücklich machen uns auch die Bilder von Doris Flubacher, die uns seit Anfang an begleitet hat, und mit den Fotografien können Sie, liebe Leserin und Leser, einen Eindruck von den Stimmungen bekommen. Die Konzerte lassen sich natürlich schlecht dokumentieren – wer die Stimmung der ‹Kleinen Konzerte› am Weiher oder im Park erleben will, muss einfach zu den Veranstaltungen von Tusculum auf Mapprach kommen. Ein herzliches Dankeschön geht auch an die, die das Buch ermöglicht haben: Hier sind die Geldgeberinnen zu nennen. Wunderbar gestaltet hat es Iris Ganz. Lektoriert hat es Rieke Krüger – merci. Die Druckerei Grammlich war, wie immer, wunderbar. Und unser Dank geht natürlich an den Christoph Merian Verlag, an Andrea Bikle, Karin Matt, Oliver Bolanz und Claus Donau. Mapprach im Sommer 2019 Carmen Bregy Matthias Buschle Daniela Settelen-Trees
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«Sieh, das Gute liegt so nah» Daniela Settelen-Trees
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Die Hektik und den dichten Verkehr der Stadt haben wir längst hinter uns gelassen, Grünflächen, Äcker und Wälder beginnen das Landschaftsbild zu prägen. Schmucke Bauernhäuser zeugen vom bescheidenen Reichtum, den die Seidenbandproduktion in die abgelegenen Täler gebracht hat. Je näher wir dem Wisenberg kommen, desto steiler der Weg, der sich zwischen Weideflächen und Hochstammkulturen sowie Brachen und Hecken emporschlängelt. Mitten im Kulturland liegt ein grosses Bienenhaus. Das Absterben seiner Völker war vor Jahren ausschlaggebend für die biologische Umstellung des Hofguts Mapprach. Wenn die Bienen den Stock verlassen, empfängt sie heute ein Naturwiesengürtel. Am Ende der Strasse thront das stattliche, denkmalgeschützte Gut mit seinen diversen Stallungen und Nebengebäuden. Einen Steinwurf davon entfernt schmiegt sich der englische Park an das hügelige Gelände an. Im Wohnhaus befinden sich zwei Hinweise auf die Bauzeit: Ein Türsturz ist mit der Jahrzahl 1695 und eine Bodenplatte mit 1698 datiert. Erbauer war Johannes Stöcklin-Huber, Pfarrer zu St. Theodor in Basel und Kilchberg (BL). Landgüter galten schon damals der Oberschicht als wertbeständige KapitalanZusätzlich lieferten sie frische Erzeugnisse sowie Holz zum Heizen und Kochen. Ab dem 17. Jahrhundert befanden sich 70 % der neu entstandenen Güter im oberen Kantonsteil in städtischem Privatbesitz.3 Die meisten dieser Landsitze lagen als Aussiedlerhof abseits der Dörfer. Somit konnten die Besitzer die strengen Gesetze der Dreifelderwirtschaft 4 und den Flurzwang (für die Dorfgemeinschaft verbindliche Regelung der Bestellungs-, Aussaat- und Erntefristen) umgehen. Zusätzlich ermöglichten die Landgüter den Städtern einen Tapetenwechsel während der Sommermonate: Ein glückliches Ausschwärmen (Abb. 1) in die Sommerfrische. 5 Das Übersiedeln auf die Landsitze während der Sommermonate war jedoch schon in der Antike populär. Lange hatte dies primär wirtschaftliche Gründe; der landwirtschaftliche Betrieb, der die ökonomische Basis der Herrschaft darstellte, sollte zumindest in der Sommerzeit aus der Nähe überwacht werden. Gleichzeitig lage. 2
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Abb. 1 Sommerfrische auf dem Hofgut Mapprach, Verwalterfamilie Theodor Zaeslein-Müller, 1890, Privatbesitz
konnte man den stickig heissen Städten entfliehen. Im Zuge der Industrialisierung ging dieser Brauch auf das Bürgertum über. Wer sich keinen eigenen Sommersitz leisten konnte, quartierte sich in Gasthäusern oder privat ein. Auf diese Weise ist das Phänomen der Sommerfrische eng mit dem beginnenden Tourismus verbunden. 1747 erwarb Johann Heinrich Zaeslin die beiden Alphöfe Mapprach und Hofmatt (Abb. 2). Der sehr vermögende Basler Handelsmann und Bankier ging als Erbauer des Neuen Wenkens in Riehen in die Geschichte ein. Die Beweggründe, die damals zum Erwerb des Gutes geführt haben, sind leider nicht überliefert. Teilte er als Mann von Welt die schwärmerische Naturverbundenheit, wie sie Albrecht von Haller 1729 in seinem Gedicht «Die Alpen» beschrieb oder Jean-Jacques Rousseau in seinen Schriften propagierte? Oder war die Hoffnung, im Oberbaselbiet Kohle oder Erz 6 zu finden, ausschlaggebend? Allemal stellte das Landgut damals eine solide Kapitalanlage dar. Nach dem Tode von Zaeslin wurde es 1752 gemäss Testament in eine Stiftung überführt. Im Laufe der Jahre mussten Hof und Haus immer wieder neuen Bedürfnissen angepasst werden. 1790 waren 26 Kühe im Sommer7, 18 im Winter verzeichnet. 1845 standen 30 Hornvieh im Stall. Erst 2012 wurde die Milchwirtschaft zugunsten der
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Abb. 2 Porträt von Johann Heinrich Zaeslin, Erbauer des Neuen Wenkenhofs, 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Öl auf Leinwand, Villa Wenkenhof, Riehen
Mutterkuhhaltung aufgegeben. Seither bewirtschaftet die Familie Susanne und Martin Zuppiger-Widmer mit ihrer Angusherde 8 den biozertifizierten Hof. 2015 konnte ein Stall für 60 Grossvieheinheiten eingeweiht werden. Ebenso wurde das ursprünglich zweigeschossige Wohnhaus nach dem Zeitgeschmack umgebaut. Davon zeugt die Erweiterung im 18. Jahrhundert um eine Fensterachse und der Anbau einer vorerst offenen Laube gegen Norden. Dem Lebensgefühl des Barock entsprechend, gehörten geräumigere Zimmer und schmucke Kachelöfen, Elemente städtischer Formensprache, zur Ausstattung. Eine Toilette mit Wasserspülung war ab 1839 der grosse Luxus. Zeitgleich wurde ein ganzes Zimmer mit einer das idyllische Landleben verherrlichenden Papiertapete (Abb. 3) ausgekleidet.9 Die in unterschiedlichen Brauntönen (en camaïeu) gehaltene Tapete zeigt im Rapport einen Bauern mit zwei Ochsen beim Pflügen und einen Hahn mit seinen Hühnern im Freien. Blattwerk verbindet die beiden Motive. Mit dem Bau der Futterscheune10 und dem Aufstocken des Wohnhauses war 1899 die Hofsituation, wie wir sie heute kennen, abgeschlossen.
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Abb. 3 Papiertapete, wohl französisch, 1839, Hofgut Mapprach, Verwalterwohnung Erdgeschoss
Als Kulturdenkmal vereint das Hofgut Mapprach die seit Jahrhunderten gelebte Verbindung von landwirtschaftlichem Nutzen und Zierde sowie Kultur, Natur und das gute Leben. Das Projekt Tusculum auf Mapprach greift diese Verbindung auf und verknüpft sie sowohl mit der Tradition der Sommerfrische als auch den ‹Gesprächen in Tusculum›.11 Ciceros Landsitz hat in der altetruskischen Ortschaft Tusculum, südöstlich von Rom, gelegen. Hier in der Sommerfrische der Albaner Berge schrieb er die 5 Dialoge und debattierte mit seinen Freunden. Unser Spaziergang führt am Bauerngarten und einem Gartenkabinett vorbei. Rechts der Strasse liegt die Wagenremise. Neben dem Fuhrpark dient sie drei Eseln und im Sommer zahlreichen Freilandschweinen als Unterstand. Vor uns liegt nun der mit einer Hecke umfangene Park, welchen wir über ein kleines Tor betreten. Vom sechseckigen Kabinett, «nach Art einer Einsiedeley mit Rinden bedeckt»12, weist eine direkte Sichtachse zum Weiher, dem Mittelpunkt des Gartens. Ab 1866 13 wurde dieser zur «Ergötzlichkeit»14 angelegt (Abb. 4). Der mit Hangwasser gespeiste Springbrunnen ergiesst sich unter natürlichem Druck ins Wasser.15 Das anmutige Plätschern auf der Oberfläche ist seither fester akustischer Bestandteil einer Promenade im Park.
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