Schöner trinken Christoph Merian Verlag
Barockes Silber aus einer Basler Sammlung
Schöner trinken Barockes Silber aus einer Basler Sammlung
Schöner trinken
Barockes Silber aus einer Basler Sammlung Herausgegeben von Sabine Söll-Tauchert für das Historische Museum Basel
Christoph Merian Verlag
Inhalt Vorwort Marc Zehntner, Sabine Söll-Tauchert
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Geleitwort des Sammlers
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I. Einordnung der Basler Silbersammlung «des Munds offen vergißt» Eine Basler Sammelleidenschaft mit klarem Fokus Sabine Söll-Tauchert
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Glänzende Statussymbole Barocke Trinkgefässe im Dienst der Repräsentation Andreas Schuler
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«Saufen wie ein Bürstenbinder» Trinksitten des Barock Sabine Söll-Tauchert
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Grottesken, Fratzen und Delfine Dekorelemente im Barock Christian Hörack
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«Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit» Techniken der Goldschmiedekunst Martin Sauter
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Im Reich der Sinne Der Nürnberger Duftbrunnen Karin Tebbe
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Ein fahrendes Trinkspiel Akeleipokal mit Laufwerk Karin Tebbe
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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm Eine silberne Genealogie der besonderen Art Jeanette Gutmann
115
Vom Weinberg zur englischen Prinzessin Der Büttenmann Jeanette Gutmann
121
«Pecunia non bibit» – Geld trinkt nicht Zwei besondere Münzgefässe Andrea Casoli
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III. Katalog Christian Hörack
II. Glanzstücke der Sammlung Ein «Kabinetstück» der Luzerner Spätrenaissance Von der Hummerschere zum Tafelschiff Lorenz Seelig
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Wenn Objekte Geschichten erzählen Ein goldener Adler als Dank für die Neuenburger Krisendiplomatie Anne Hasselmann
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Volle Fahrt voraus Zwei Trinkschiffe aus Nürnberg Karin Tebbe
81
In einem Zug Drei Windmühlenbecher Karin Tebbe
87
Wunderwerke auf der Tafel Zwei Mühlenpokale aus Münster Sabine Söll-Tauchert
93
Becher
143
Deckelbecher
193
Humpen
213
Römer
227
Schalen
243
Pokale
259
Flaschen, Krüge und Kannen
293
Trinkspiele und Tafelzier
309
IV. Anhang Alphabetisches Verzeichnis der Goldschmiede, Meister- und Ortsmarken
327
Literaturverzeichnis
357
Abbildungsnachweis
367
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Vorwort Der Titel ‹Schöner trinken› von Ausstellung und Katalog spielt mit seiner mehrdeutigen Aussage zum einen auf das Grundbedürfnis des Menschen an, seinen Durst zu stillen, zum anderen auf die Möglichkeit einer ästhetischen Steigerung der Sinnenfreude. Wichtig dabei ist nicht nur das Ambiente, sondern auch die Wahl der Gefässe, denn es macht einen Unterschied, ob man aus einem Pappbecher Wein zu sich nimmt oder sich einen edlen Tropfen aus einem Silberbecher schmecken lässt. Das Vergnügen am gemeinsamen Genuss von Wein, Bier und anderen Getränken, der meist über das simple Durstlöschen hinausgeht, verbindet uns mit den Menschen anderer Zeiten und Kulturen. In der Frühen Neuzeit galt der Konsum von Wein und Bier, die oftmals den Stellenwert von Grundnahrungsmitteln hatten, als gesundheitsförderlich, zumal Wasser in den meisten Fällen verunreinigt war und Krankheiten übertragen konnte. Das ritualisierte Trinken spielte im öffentlichen Leben eine zentrale Rolle. So begrüsste man in gehobenen Gesellschaftsschichten einen Gast mit einem aufwendig gearbeiteten Trinkgefäss, dem sogenannten Willkomm, das dieser zu leeren hatte. Auch wurde bei Vertragsabschlüssen, Hochzeiten und weiteren feierlichen Anlässen das Trinkgefäss erhoben und somit das Abkommen oder die soziale Verbindung besiegelt. Die Bedeutung des Trinkens als gesellschaftlicher Akt schlug sich im 16. bis 18. Jahrhundert auch in der grossen Zahl und vielfältigen Gestaltung der Gefässe nieder. Dabei wurden die etablierten Formen der Becher, Römer, Humpen, Schalen, Flaschen, Pokale und Doppelpokale variiert und teilweise fantasievoll ausgearbeitet. Im Gegensatz zu Gefässen aus einfacheren Materialien verbanden sich bei jenen aus vergoldetem Silber die Funktion des Gebrauchs in hohem Masse mit jener der Repräsentation. Besonders Pokale gewannen als Zeugnisse höfischer und patrizischer Prachtentfaltung immer mehr an Bedeutung. So entwickelten sich die Trinkgefässe im Barock zu einem Haupttätigkeitsfeld der Goldschmiede nördlich der Alpen. Dabei waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Trinkgefässe in fantasiereichen Formen von Tieren, Menschen, Schiffen, Früchten und vielem mehr dienten als Scherzbecher und Trinkspiele. Sie zählten zu den Prunkstücken der Tafel und trugen zur Unterhaltung der Tischgesellschaft bei. Die in unterschiedlichen Techniken ausgeführte Bearbeitung der Oberfläche führte neben dem visuellen auch zu einem taktilen Vergnügen. Eingravierte Inschriften wie Trinksprüche, Widmungen und Ehrungen geben Auskunft über den Zweck und
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die Bedeutung der Gefässe und bringen diese ‹zum Sprechen›. Die Basler Privatsammlung, die hier erstmals mit all ihren Facetten einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wird, zeigt eine beachtliche Fülle derartig vielgestaltiger Trinkgefässe des Barock. Zweifellos bietet die Zusammenschau der über zweihundert Goldschmiedearbeiten einen Einblick in eine der bedeutendsten Silbersammlungen in Schweizer Privatbesitz. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Fokussierung des Sammlers auf Objekte, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert vornehmlich im deutschsprachigen Raum entstanden, zeichnet diesen ‹Silberschatz› eine klare Geschlossenheit aus. Darüber hinaus wartet der Bestand mit seltenen kunsthandwerklichen Schöpfungen und speziellen Sonderformen auf, denen sich nur vereinzelt Vergleichsstücke aus internationalen Museen und Privatbesitz zur Seite stellen lassen. Dazu zählen Glanzstücke und Unikate, wie die sogenannten Weinwunderpokale aus Münster in Westfalen (Kat. 218, 219) oder der aus einer Hummerschere von einem Luzerner Goldschmied in eine Galeere verwandelte Trinkpokal (Kat. 211). Die Ausstellung veranschaulicht anhand einer reichen Auswahl von Bechern und Deckelbechern, Humpen, Römern, Schalen, Pokalen sowie Scherzgefässen und Trinkspielen den Stellenwert, die Funktion und Bedeutung dieser Preziosen. Angesichts der Vielzahl von Trinkgefässen, die den Grossteil der Sammlung ausmachen, wird auch den Trinkgewohnheiten und -sitten des Barock ein besonderes Augenmerk geschenkt. Diese mit grossem Aufwand und künstlerischem Ideenreichtum von europäischen Silber- und Goldschmieden geschaffenen Objekte trugen zu einem sinnlichen Genuss in geselligen Runden oder bei feierlichen Anlässen bei. Durch die Einbettung der barocken Silbergefässe in ihren kulturhistorischen Kontext wird deutlich, dass das Trinken aus diesen Gefässen weitaus mehr war als blosse Geselligkeit. So geben uns die kunstvollen Objekte Einblick in die Gedankenwelt und gesellschaftliche Struktur einer Zeit, die sich etwa hinsichtlich der beachtlichen Menge des konsumierten Alkohols und der Rituale von den Trinksitten unserer Zeit unterscheidet. Zugleich zeigen sich Parallelen zu unserer Gegenwart, denn derartige Trinkgefässe aus Edelmetall kommen – beispielsweise bei Zunftanlässen oder beim Dies academicus – zum Einsatz, wo sie den Akt des Trinkens ‹veredeln›. Bis heute werden wichtige Momente und Übergänge im Leben wie Jahreswechsel, Hochzeiten oder Jubiläen mit feierlichem Trinken markiert. Der gemeinschaftliche Trunk stiftet Verbindungen und bringt persönliche
Beziehungen zum Ausdruck. Dabei spielen die heute in der Regel seriell hergestellten Trinkgefässe eine geringere Rolle; die Wertschätzung hat sich hin zu den Getränken verschoben. Ausstellung und Begleitpublikation wären ohne die Unterstützung, Mitwirkung und das Engagement vieler Personen und Institutionen nicht realisierbar gewesen. Ermöglicht wurde dieses Projekt überhaupt erst durch die Grosszügigkeit des Sammlers selbst, der anonym bleiben möchte. Für über zwei Jahre hat er seine kostbaren Werke wie auch eine umfassende Dokumentation dem Historischen Museum Basel als Leihgabe zur Vorbereitung von Ausstellung und Katalog zur Verfügung gestellt. Zudem begleitete er die Entstehung des Projekts mit wertvollen Hinweisen. Dem Sammler gilt daher unser grösster Dank. Neben dem privaten Hauptleihgeber danken wir dem Kunstmuseum Basel und seinem Direktor Josef Helfenstein, der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt und ihrem Leiter Guido Lassau sowie Anne Aymone de Chambrier, Château de Cormondrèche, für die Ausleihe ausgewählter Exponate für die Ausstellung. Dem internationalen, interdisziplinär zusammengesetzten Autorenteam sind wir für die neuen Erkenntnisse über ausgewählte Silberobjekte sowie deren Kontextualisierung sehr verbunden. Für wertvolle Hinweise sowie den fachlichen Austausch im Rahmen der Vorbereitung von Ausstellung und Publikation danken wir herzlich den Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland: Florence Becher, Bodo Brinkmann (Kunstmuseum Basel), Simone Caliri (Giordano Art Collections S.R.L.), Gabriel Dette (Kunstmuseum Basel), Wanja Gerber, Peter Henrich (Kunstgalerie München), Christian Hörack (Schweizerisches Nationalmuseum, Landesmuseum Zürich), Martin Kiener (Martin Kiener Antiquitäten), Thierry de Lachaise (Sotheby’s Paris), Hanspeter Lanz, Barbara Schellewald, Lorenz Seelig, Claudius Sieber-Lehmann (Universität Basel) sowie Karin Tebbe (Kurpfälzisches Museum, Heidelberg). Unser Dank gilt auch dem Christoph Merian Verlag mit dem Verlagsleiter Oliver Bolanz und Iris Becher für die gute Zusammenarbeit sowie der Lektorin Doris Tranter für das umsichtige Korrektorat der Texte. Die interne Projektleitung hatte Benjamin Mortzfeld inne, bei dem die Fäden zusammenliefen und der das wissenschaftliche Team in vielerlei Hinsicht unterstützte. Ebenso gebührt den wissenschaftlichen Mitarbeitenden Jeanette Gutmann und Andreas Schuler ein besonderer Dank für die engagierte Mit-
wirkung bei der Konzeption und Realisierung von Ausstellung und Katalog. Jeanette Gutmann übernahm darüber hinaus die Zusammenstellung des Verzeichnisses der Meister- und Ortsmarken der insgesamt 163 Goldschmiede. Den Werkkatalog erarbeitete Christian Hörack auf der Grundlage der Objektdokumentation des Sammlers. Der Metallrestaurator Martin Sauter sorgte über Monate hinweg für die gründliche Reinigung der Silbergefässe. So nahm allein die Reinigung des Nürnberger Trinkschiffs auf unserem Buchumschlag mehr als fünf Tage in Anspruch, bis auch der letzte Millimeter der Takelage von der Oxidation befreit war. Sodann hat der Fotograf Andreas Niemz die Herausforderung exzellent gemeistert, sämtliche Silberobjekte so aufzunehmen, dass sie in ihrer Plastizität, ihrer Oberflächengestaltung und ihrem Glanz optimal abgebildet werden. Die Aufnahmen erfolgten in enger Zusammenarbeit mit dem Kernteam sowie der Gestalterin Manuela Frey, die mit vielen kreativen Ideen sowohl die attraktive Kataloggestaltung als auch die Szenografie der Ausstellung entwickelte. Und schliesslich danken wir allen Kolleginnen und Kollegen des Historischen Museums Basel, die – einmal mehr – in bewährter Zuverlässigkeit und mit viel Engagement zum Gelingen des Projekts beigetragen haben.
Marc Zehntner Direktor
Sabine Söll-Tauchert Ausstellungskuratorin und Herausgeberin
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Geleitwort des Sammlers Was hat mich zum Sammeln von altem Silber bewogen? Es waren eine Handvoll Becher und ein Pokal, die mir aus der Erbschaft meines Vaters zufielen. Sie stammten noch aus dem Bestand meines Ur-Ur-Grossvaters. Dieser kleine Stock an Goldschmiedearbeiten löste bei mir den Sammelimpuls aus. Und wie es beim Sammeln ist, man fängt klein an und wird zunehmend anspruchsvoller. Und kann nicht aufhören. Die meisten dieser Objekte waren profaner Art und stammen aus dem 17. Jahrhundert. Diese Ausrichtung habe ich übernommen. Meine Sammlung von Goldschmiedearbeiten beschränkt sich auf die Zeit des Barock, auf profanes Silber und auf Objekte aus dem deutschsprachigen Raum. Die Beschaffenheit des Silbers war in dieser Zeitspanne und in diesem Gebiet durch Reglementierung ziemlich ähnlich und die Gestaltung durch Formen gegeben, die in der Barockzeit verbreitet waren. Diese von vornherein gegebene Eingrenzung verleiht der Sammlung eine Einheitlichkeit im Hinblick auf Form und Material. Die Sammlung widerspiegelt eine Zeit, in der sich Auftraggeber – seien es der Hof, der Adel oder das Bürgertum – üppig schöne Silberobjekte anfertigen liessen, wenn nicht als Gebrauchssilber wie Becher, Humpen, Schalen, dann oft als Tafelzierde, aber ebenso als Geschenk oder als Dank für geleistete Dienste. Einige Objekte weisen ausserdem auf Trinksitten der Herrschaft oder auf Zeremonien jener Zeit hin. Vielmals war es nicht das Äussere eines Objektes selbst, das mich zu dessen Erwerb bewog, sondern die Geschichte des Silbergefässes und dessen Bestimmung, die beispielsweise durch Gravuren oder Überlieferungen dokumentiert ist.
Mit der vorliegenden Publikation und der Ausstellung der Objekte im Historischen Museum Basel ist meine Sammeltätigkeit beendet, und ich möchte an dieser Stelle allen Personen danken, die zur Realisierung der Ausstellung und des Buches beigetragen haben: Zunächst möchte ich einerseits Marc Fehlmann danken, der meinem Vorschlag zur Umsetzung von Ausstellung und Publikation spontan und mit grossem Enthusiasmus zustimmte, sowie andererseits Marc Zehntner, der das Projekt mit Freude übernommen hat. Sabine Söll-Tauchert gab als Kuratorin mit ihrem ausserordentlichen Wissen und ihren Ideen dem Konzept den roten Faden. Dem Goldschmiederestaurator Martin Sauter, der über Monate jedem Objekt sorgsam den nötigen Glanz verlieh, gilt ebenso mein Dank wie dem Fotografen Andreas Niemz, der sich der Herausforderung stellte, das Silber zu fotografieren mit all seinen Tücken, dies mit grossem Engagement und Liebe zum Detail. Manuela Frey übernahm mit ihrer immensen Erfahrung die grafische Gestaltung des Kataloges und die Szenografie der Ausstellung. Den wissenschaftlichen Mitarbeitenden Jeanette Gutmann und Andreas Schuler danke ich für ihr Engagement im konzeptionellen Bereich und Benjamin Mortzfeld für die Projektleitung. Christian Hörack sei für die Erstellung der Objekttexte im Katalogteil gedankt. Und schliesslich danke ich allen Personen, die mit einem Beitrag zu bestimmten Objekten den Katalog bereichert und zugleich einen neuen Blick auf meine Sammlungsstücke geworfen haben.
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I. Einordnung der Basler Silbersammlung
«des Munds offen vergißt» – Eine Basler Sammelleidenschaft mit klarem Fokus
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«des Munds offen vergißt» Eine Basler Sammelleidenschaft mit klarem Fokus Sabine Söll-Tauchert
Sein Staunen über die vielseitige Kunst- und Wunderkammer des befreundeten Basler Stadtarztes Felix Platter (1536–1614) brachte der Luzerner Apotheker und Staatsmann Renward Cysat (1545–1614) mit folgenden Worten zum Ausdruck: «Ist auch kum gläuplich wärs nit gesehen [–] von allerley sachen […] dass einer sich darob vergafft und des Munds offen vergißt».1 Der über vierhundert Jahre alte Ausspruch lässt sich in gewisser Weise auch auf die Silbersammlung aus Basler Privatbesitz übertragen, der diese Publikation gewidmet ist.
Denn als der Sammler vor rund zehn Jahren zum ersten Mal einen Einblick in seinen reichen ‹Silberschatz› gewährte, da blieb auch mir angesichts der auf der grossen Tafel präsentierten strahlenden Becher, Römer, Humpen, Pokale und faszinierenden Trinkspiele nichts anderes übrig, als in andächtigem Staunen zu verharren. Gerade in die eindrucksvollen Mühlenpokale aus Münster (Kat. 218, 219), deren wundersame Metamorphose von Wasser zu Wein er mir persönlich in seiner Küche vorführte, habe ich mich im wahrsten Sinne des Wortes «vergafft».
Gezieltes Sammeln mit Blick auf eine Basler Tradition Der Basler Silbersammler steht durchaus in der Tradition früherer Persönlichkeiten, die seit dem 16. Jahrhundert eine beachtliche Anzahl qualitätvoller Artefakte in ihrem privaten Ambiente zusammenführten. Man denke – abgesehen vom Kabinett des Mediziners Felix Platter – an die bedeutenden Privatsammlungen der Juristen Basilius Amerbach (1533–1591) und Remigius Faesch (1595–1667), deren Schätze das Fundament der Basler Museen bilden und ohne die sich die Rheinstadt sicherlich nicht zu einer so beachtlichen Museumsstadt entwickelt hätte. 2 Von diesem kulturellen Reichtum ist auch die Persönlichkeit unseres Sammlers stark geprägt, besuchte er doch von Kindesbeinen an die hiesigen Museen. In einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten vermochte er mit Fachkenntnis und historischem Interesse eine Vielzahl von Silber-
objekten zu erwerben und sorgsam zu dokumentieren. Im Gegensatz zu Kunsthistorikern, die museale Fachsammlungen betreuen, durfte der Privatmann stets einen sehr persönlichen Blick auf die «Objekte seiner Begierde» werfen, um eine nach individuellen Vorstellungen und -lieben gestaltete Sammlung aufzubauen. Aus Gründen der Diskretion möchte der Sammler anonym bleiben. Auch hier lässt sich eine Parallele zu seinen Vorgängern in der Frühen Neuzeit ziehen, von denen einige hinter der verschlossenen Tür ihres Studierzimmers oder ihres privaten Wohnhauses eine eindrucksvolle Sammlung zusammentrugen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr. So verhält es sich auch heute noch mit einigen Schweizer Sammlungen in Basel und der Region, die nur wenigen interessierten Freunden und Verwandten bekannt sind. Daher erfahren wir es als ein besonderes Privileg, dass wir dank der Grosszügigkeit unseres Anonymus seinen ‹Silberschatz› der Öffentlichkeit zeigen können. Schon im Vorfeld war es eine Freude, die Werke en détail in unserem Museumsdepot studieren und – ausgehend von der umfangreichen, vom Sammler zur Verfügung gestellten Objektdokumentation – bearbeiten zu können.
«des Munds offen vergißt» – Eine Basler Sammelleidenschaft mit klarem Fokus
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und auch 17. Jahrhunderts, die Form der heutigen Trinkgefässe sowie teilweise auch die Wertschätzung alten Silbers vonseiten der Sammler, Händler und Forscher weisen bei allen Unterschieden doch Parallelen zu unserer Gegenwart auf. So sind das ‹Zutrinken›, das ‹Sturztrinken› und der zuweilen in bestimmten (Männer-)Gesellschaften wie Burschenschaften oder Studentenverbindungen herrschende Trinkzwang bis heute existent. Die Formen der verwendeten Gefässe wie Becher, Humpen sowie auch der als Preisauszeichnung überreichten Pokale lassen sich teilweise bis ins Barockzeitalter und weiter zurück bis in die Antike verfolgen (siehe den Beitrag von Sabine Söll-Tauchert, S. 29–39).
Abb. 1 Duftbrunnen in Aktion, Stephan Winckler, Nürnberg, zwischen 1645 und 1651 (Kat. 214)
Aktualitätsbezug der Sammlungsstücke Es ist und bleibt eine Herausforderung, einem ‹breiteren Publikum› diese Gegenstände aus vergoldetem Silber näherzubringen, scheinen sie doch auf den ersten Blick nicht viel mit unserer aktuellen Lebensrealität zu tun zu haben. So findet sich im Haushalt eines ‹Otto-Normalverbrauchers› vielleicht ein versilberter Kerzenständer, ein geerbter Bestecksatz mit Monogramm einer Urgrosstante, ein silberner Taufbecher oder gar ein Hummerscherenknacker aus Silber, wie er 2021 in der Frankfurter Sonntagszeitung für den Preis von 300 Euro beworben wurde. Doch die wenigsten Menschen statten ihren Haushalt mit einer Vielzahl von massiven Silberobjekten aus, was sicherlich auch an der Vergänglichkeit des Glanzes dieser leicht anlaufenden Gefässe liegt. Daher erscheinen die rund vierhundert Jahre alten Silbergefässe aus der Basler Privatsammlung wie Zeugnisse einer vergangenen Zeit – ja einer vielleicht auch glücklich überwundenen Epoche. Dabei haben sie weitaus mehr mit unserer heutigen Zeit zu tun, als sich auf den ersten Blick erschliesst: Die Tafelsitten des trinkfreudigen 16.
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Ausrichtung und Charakteristika der Sammlung Der Schwerpunkt der Basler Privatsammlung liegt mit insgesamt 86 Silberbechern, 21 Deckelbechern, 12 Humpen, 20 Römern, 38 Pokalen, 17 Schalen, 14 Flaschen, Kannen und Krügen sowie 9 wundersamen Trinkspielen auf Trinkgefässen des Barock und damit auf Gefässtypen, die in dieser Zeit im Zentrum der Goldschmiedeproduktion standen. Die Gefässtypen bieten einen Überblick über die vielfältigen Trinksitten des Barock und die mit den Objekten einhergehenden Funktionen (siehe den Beitrag von Andreas Schuler, S. 19–27). Für den Sammler stand weniger der Typus des Bechers, Humpens oder Pokals im Fokus, sondern die jeweilige Geschichte des Objekts sowie dessen Funktion oder Provenienz, die anhand von Details, wie beispielsweise eingravierten Inschriften oder Wappen am Goldschmiedewerk ablesbar sind (z. B. Kat. 11, 16, 21). Die kleine Anzahl geerbter Objekte – ein Becher auf Kugelfüssen (Kat. 62), zwei Schlangenhautbecher (Kat. 17, 67), ein Römerbecher (Kat. 126), zwei Deckelbecher (Kat. 88, 90), ein Trinkgefäss in Form einer Windmühle (Kat. 222), ein Pokal aus Guebwiller (Elsass) (Kat. 177) sowie ein Ananaspokal (Kat. 180) beeinflusste dabei gewissermassen die Ausrichtung der nachfolgenden Sammeltätigkeit. Im Verhältnis zu einer anderen bedeutenden Basler Privatsammlung, die sich vornehmlich auf Erzeugnisse der Rheinstadt selbst konzentriert, ist beim vorliegenden ‹Silberschatz› der Blick auf den deutschen Sprachraum geweitet, vornehmlich auf Süddeutschland, die Schweiz und Österreich. Ausgewählte Werke beider Sammlungen sind in der 2014 vom Historischen Museum Basel herausgegebenen Publikation ‹Basler Goldschmiedekunst. Katalog der Sammlung› veröffentlicht, wie zum Beispiel der Tischglobus (Kat. 215).3 Die vorliegende Silbersammlung weist auch spezielle Stücke aus anderen Ländern wie Holland, Lettland (Riga), Österreich (Wien) oder Polen (Breslau) auf (Kat. 222, 2, 1, 9, 36, 202).
Das Konzept der Sammlung offenbart sich recht schnell: keine Objekte für den kirchlichen Gebrauch, sondern ausschliesslich Werke aus dem profanen Bereich, darunter lediglich einige Silbergefässe, die von Kirchen- oder Klosterangehörigen in Auftrag gegeben wurden, ohne jedoch sakralen Zwecken zugeführt zu werden (Kat. 14). Auch die zeitliche Konzentration auf den Barock in Mitteleuropa führte zu einer Sammlung, die ein geschlossenes Bild im Hinblick auf Form und Dekor vermittelt. Bei gleichen Gefässtypen wie Bechern oder Humpen treten dabei die unterschiedlichsten im Barock verbreiteten Dekorationsformen in Erscheinung (siehe den Beitrag von Christian Hörack, S. 41–49); einzelne Stücke weisen eine besonders originelle Wahl des Materials sowie ihrer künstlerischen Gestaltung auf (Kat. 1, 211, 217). Die Entstehungszeit der Sammlungsobjekte reicht von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins frühe 18. Jahrhundert, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf dem 17. Jahrhundert. Das älteste Sammlungsobjekt, ein Zürcher Becher, stammt von etwa 1547 (Kat. 18), die spätesten aus dem frühen 19. Jahrhundert. Eines der ersten Stücke, das der Sammler erwarb, war ein interessantes Werk der Nürnberger Goldschmiedekunst: der Automat mit einem Trinkgefäss in Gestalt einer Akeleiblüte, der – nach Befüllen der Kuppa mit Wein und dem Aufziehen des Laufwerks – über die Tafel fährt und die Tischgesellschaft sicherlich erheiterte (Kat. 216, siehe den Beitrag von Karin Tebbe, S. 109–113). Schon dieser frühe Erwerb aus dem Jahre 1995 zeigt einen geschulten Blick für Originalität und Qualität von Werken, die in Nürnberg, Augsburg sowie anderen Orten entstanden und vielfach als ‹Tafelfreudenspender› eingesetzt wurden. Der Fokus lag zunächst vorwiegend auf Erzeugnissen der beiden berühmten deutschen Goldschmiedezentren: So stammen 78 Objekte aus Augsburg, 62 Werke entstanden in Nürnberger Produktionsstätten. Insgesamt machen diese Werke also über die Hälfte der Sammlung aus. Hier veranschaulichen Erzeugnisse führender Nürnberger Meister wie Hans Pezolt (1550/51–1633) (Kat. 166) oder Reinhold Rühl (um 1622–1705) (Kat. 14, 120, 124, 125, 164, 201) sowie des Augsburger Meisters Paul Solanier (1635–1724) (Kat. 6, 7, 32, 43, 44, 81, 84, 85, 86, 87, 94, 152, 156) die Qualität der Produktion in den beiden stark exportierenden Metropolen. Erst später kamen insgesamt 43 Silberobjekte aus Schweizer Produktionsstätten wie Aarau, Baden, Bern, Burgdorf, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen, Thun, Winterthur und Zürich (Kat. 140, 172, 184) und auch entlegeneren Goldschmiedeproduktionsorten wie Leuk (Kat. 194) oder Riga (Kat. 2) hinzu, die echte Ausnahmestücke darstellen. 4 In den Jahren zwischen 1995 und 2012 bereicherte eine Reihe prominenter Pokale die Sammlung.
Die letzten, in den Jahren 2015 und 2016 erworbenen Stücke – das münsterische Trinkspiel mit Mühle von Hans Hoese (Kat. 219), der Pokal von Daniel Bullot aus Neuchâtel (Kat. 174), der Augsburger Faustbecher von Paul Solanier (Kat. 85) sowie der ebenfalls in Augsburg von Carl Schuch geschaffene Becher (Kat. 52) – bilden einen qualitätvollen Schlusspunkt der Sammlung.
‹Glanzstücke› Die Basler Silbersammlung wartet mit einigen absoluten ‹Highlights› auf, die hier teilweise erstmals Eingang in die Forschungsliteratur zur Goldschmiedekunst finden. So konnte der Nürnberger Duftbrunnen (Kat. 214) (Abb. 1), von Rosenberg 1925 noch als «Vergoldetes Vexiergefäß, aus Becher und Schale gebildet» 5 bezeichnet, von Hildegard Wiewelhove noch nicht in ihrer grundlegenden, 2002 erschienenen Untersuchung europäischer Tischbrunnen berücksichtigt werden und wird in der vorliegenden Publikation erstmalig in seinen ihm zugehörigen Kontext gestellt (siehe den Beitrag von Karin Tebbe, S. 103–107).6 Die Identifizierung des kunstvollen Werks als «Prototyp des heutigen Air-Conditioners» ist jenem Kunsthändler zu verdanken, der das Objekt einst erwarb und ausgehend von regelrechten «Praxisstudien» die ursprüngliche Funktion der Goldschmiedearbeit entdeckte:7 Im Rahmen eines Abendessens mit Freunden, denen der Kunsthändler seine Neuerwerbung präsentierte, stellte er im Eigenversuch fest, dass es sich hier wohl nicht um ein Trinkspiel handeln konnte. Denn nach dem Befüllen der Kuppa mit Wein und dem Aufdrehen des Hahns spritzte beim Versuch, aus der Auffangschale zu trinken, die Flüssigkeit über den Schalenrand hinaus. Das Trinken aus der Auffangschale war abgesehen davon nur mit einigem Geschick zu bewältigen, da man sich dabei mit der Kuppa an den Kopf stiess. Zu fortgeschrittener Stunde – sinnfälligerweise beim Dessert – setzte die Gesellschaft das Experiment mit dem Birnenbrand Williams Christ fort. Während des Durchlaufens des Schnapses in die Schale verbreitete sich ein «wunderbarer Birnengeistgeruch» im Raum und allen Gästen wurde die Funktion des Objekts als Duftbrunnen schlagartig klar («Man kam sich vor, wie in einer Schnapsbrennerei»). Diese Anekdote führt vor Augen, dass diese speziellen Tafelaufsätze noch heute zu Erheiterung und Staunen der Tischgesellschaft führen können. Ob der Duftbrunnen, der sich im 19. Jahrhundert im Besitz des Grossherzogs von Baden befand, als solcher wirklich zum Einsatz kam, ist denkbar, doch angesichts fehlender Gebrauchsspuren nicht mit Sicherheit zu sagen.
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Abb. 2 Porträt des Jean de Chambrier, J. van der Velde, Neuchâtel, 1720, Château de Cormondrèche
Zu den besonderen ‹Exoten› der Sammlung zählt im wahrsten Sinne des Wortes die Hummerschere (Kat. 211), die im frühen 17. Jahrhundert von einem Luzerner Goldschmied in eine kunstvoll ausgestattete Galeere umgestaltet wurde. Diese konnte als Trinkgefäss genutzt werden. Unter den erhaltenen Tafelaufsätzen stellt sie weltweit ein Unikat dar. Das vermutliche Gegenstück ist heute im Art Loss Register als verschollen gemeldet (siehe den Beitrag von Lorenz Seelig, S. 65–73). Erhellend ist auch die durch den Sammler erfolgte Zusammenführung der beiden vor 1617 und zwischen 1635 und 1650 entstandenen Trinkspiele von Johann Hoese und seinem früheren Werkstattmitarbeiter Hans Stilkindt aus Münster, die den Gästen mit der Verwandlung von Wasser in Wein ein besonderes Schauspiel boten (Kat. 219, 218, siehe den Beitrag von Sabine Söll-Tauchert, S. 93–101).
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Der Pokal in Gestalt eines Adlers zählt zu jenen Stücken, die den Sammler mit besonderem Stolz erfüllen (Abb. 3; Kat. 210, siehe den Beitrag von Anne Hasselmann, S. 75–79). Die spannende Geschichte und Funktion dieser herausragenden Goldschmiedearbeit offenbaren sich bei der Lesung der eingravierten lateinischen Inschrift. So vermeldet diese, dass niemand anderes als das Volk von Neuchâtel als Auftraggeber dieses prominenten Werks fungierte. Der Stadtrat gab den repräsentativen Pokal bei dem führenden Goldschmied der Stadt in Auftrag, um ihn dem Baron Jean de Chambrier (1686–1751) als Dankesgabe für seinen grossen Einsatz zu überreichen (Abb. 2). Dieser, Sohn des Staatsrats und Bürgermeisters François de Chambrier (1663– 1730), wurde 1722 preussischer Minister am französischen Königshof, also zwei Jahre nach der Entstehung dieses Bildnisses aus dem Besitz der Adelsfamilie de Chambrier aus Neuchâtel (Abb. 2). Dank seines diplomatischen Geschicks vermochte er fast dreissig Jahre später – 1750 – in seiner Funktion als Berater des französischen Königs das Volk seiner Heimatstadt mit umfangreichen Getreidelieferungen zu versorgen und es auf diese Weise vor einer Hungersnot zu bewahren. Als Dank schenkte ihm der Stadtrat dieses einzigartige Trinkgefäss in Form des imposanten, symbolträchtigen Greifvogels mit der ausführlichen Lobesinschrift. Auch wenn der Typus eines Trinkgefässes in Gestalt eines Adlers als Sinnbild der Macht gerade im höfischen Kontext eine gewisse Verbreitung fand, 8 so handelt es sich hier um ein absolutes Unikat: Dieses einzig bekannte Werk des Goldschmieds Charles Pentzeller (erstmals 1749 erwähnt) aus Neuchâtel, das in seiner kunsthandwerklichen Ausführung wie beispielsweise den feinen Gravuren des gesamten Gefieders eine höchst qualitätvolle Goldschmiedearbeit darstellt (Abb. 4), enthält einen speziellen Einsatzbecher zum Trinken, den der Schöpfer auf der Unterseite mit seinem vollständigen Namen, dem Entstehungsort und -jahr versah: «CHARLES PENTZELLER FAIT A NEVCHATEL EN SVISSE») (Abb. 3 und S. 78, Abb. 7). Der Adler hat in seiner Funktion als Wappentier der Stadt Neuchâtel eine sinnfällige Bedeutung. Und schliesslich ist die dem Werk inhärente Entstehungsgeschichte ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal eines solchen Adlerpokals. Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, bildet die Sammlung, die zu den beachtlichsten Silbersammlungen der Schweiz zählt und von der bis dato nur in Ausnahmefällen ausgewählte Stücke in Ausstellungen in Städten wie Nürnberg, Münster und Neuchâtel gezeigt wurden, eine hervorragende Quelle für die Erforschung der Kulturgeschichte des Barockzeitalters.
Abb. 3 Adlerpokal des Jean de Chambrier mit Einsatzbecher, Charles Pentzeller, Neuchâtel, 1750 (Kat. 210)
Abb. 4 Graviertes Gefieder des Adlerpokals (Kat. 210)
Anmerkungen 1 Universitätsbibliothek Basel, https://www.e-manuscripta.ch/bau/content/pageview/65080. Liebenau 1900, S. 91. Siehe auch Piller 2011, S. 76, 78. 2 Zu den Basler Privatsammlungen der Renaissance und des Barock siehe zuletzt Kat. Basel 2011 sowie Söll-Tauchert 2014, S. 13–35. Zu drei aktuellen Basler Silbersammlungen aus Privatbesitz, darunter die vorliegende Sammlung, siehe ebenda, S. 31–32. 3 Barth/Hörack 2014, Nr. 93. 4 Martin Kiener, Zürich, danke ich für diesen Hinweis. 5 Rosenberg 1925, Bd. 3, 4220 c, S. 219. 6 Wiewelhove 2002. 7 Brief von Peter Henrich an den Sammler vom 21.1.2004. Objektdokumentation des Sammlers. 8 Hier sei beispielsweise auf folgende Adlerpokale verwiesen: Adlerpokal, Augsburg, um 1750 (Adler) / um 1670 (Sockel), Abraham I. Drentwett (Adler) und Heinrich Mannlich (Sockel), Moskau, Rüstkammer, Staatliche Museen des Kreml, Inv. Nr. Mz-191, vgl. Kat. München 2008, S. 198, Nr. 31; Trinkgefäss in Form eines Adlers, Nürnberg 1990 –1995, Moskau, Rüstkammer, Staatliche Museen des Kreml, vgl. Tebbe/Timann/Eser 2007, Bd. 1, Teil 1, S. 195, Nr. 7 und Teil 2, S. 771, Abb. 189; Bd. 2, S. 71, Nr. 95.
«des Munds offen vergißt» – Eine Basler Sammelleidenschaft mit klarem Fokus
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Glänzende Statussymbole Barocke Trinkgefässe im Dienst der Repräsentation Andreas Schuler
Neben ihrer Funktion als Gebrauchsgegenstände auf der Tafel waren barocke Trinkgefässe immer auch Symbole von Status und Zugehörigkeit. Ohne ein Verständnis für diesen Aspekt bleibt die geschichtliche Bedeutung dieser eindrücklichen Objekte im Dunkeln.
Im 16. und 17. Jahrhundert stand die Goldschmiedekunst im deutschsprachigen Kulturraum in voller Blüte.1 Unter den bedeutendsten Goldschmiedezentren stachen insbesondere die freien Reichsstädte Nürnberg und Augsburg hervor, von wo aus Silberware nach ganz Europa exportiert wurde. 2 In der Schweiz befanden sich die wichtigsten Werkstätten in grossen Städten wie etwa Basel, Zürich und Bern.3 Viele Werke aus dieser Zeit sind mittlerweile zerstört oder verschollen, andere blieben bis zum heutigen Tag erhalten. Zu ihnen gehört die beeindruckende Auswahl barocker Goldschmiedeobjekte der in diesem Katalog vorgestellten Privatsammlung. In den folgenden Ausführungen wird es darum gehen, die Objekte dieser Sammlung im gesellschaftlichen Kontext ihrer Entstehung zu verorten, indem sowohl nach ihren Auftraggebern als auch nach ihrer Funktion gefragt wird. Der Ausrichtung der Sammlung Rechnung tragend, liegt das Hauptaugenmerk dabei auf profanen Trinkgefässen aus Silber. 4
Silber für die Oberschicht Die Gesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts war eine Ständegesellschaft.5 In einer solchen war der Status einer Person in erster Linie von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten, als ‹Stand› bezeichneten gesellschaftlichen Gruppe abhängig, die sich in der Regel aus der eigenen Abstammung ergab.6 Die Unterschiede zwischen diesen Gruppen manifestierten sich sowohl in jeweils eigenen Lebensformen und Wertvorstellungen als auch in einer verschieden grossen Teilhabe an materiellem Besitz und politischer Macht. Das soziale und ökonomische Kapital des Einzelnen hing damit entscheidend von der Standeszugehörigkeit ab. Wie sehr diese hierarchische Ordnung die
Abb. 1 Die drei Stände der Christenheit, Bartholomäus Bruyn d. Ä., Köln, zwischen 1530 und 1540, LVR-Landesmuseum Bonn
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Abb. 2 Eingravierter Stammbaum des Adelsgeschlechts von Podewils auf einem apfelförmigen Trinkgefäss (Detail) von 1679 (Kat. 223)
Wahrnehmung, das Denken und Handeln der Menschen geprägt haben muss, lässt sich an zeitgenössischen Darstellungen erahnen, auf denen den drei klassischen Ständen, dem Adel, dem Klerus und den Bauern, ihr jeweiliger Platz sowie ihre entsprechenden Aufgaben klar zugewiesen werden (Abb. 1). Da silbernes Trinkgeschirr in der Frühen Neuzeit ein Luxusgut war, blieb der Kreis der Auftraggeber von silbernen Humpen, Römerbechern, Trinkschalen, Pokalen sowie anderer Objekte aus Edelmetall auf jene Stände begrenzt, welche die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie bildeten.7 Zu diesen gehörten im 16. und 17. Jahrhundert der Adel, der Klerus sowie das aufstrebende Bürgertum, das aus dem Patriziat, den Zünften und reichen Kaufleuten bestand. Der soziale Status sowie die damit zusammenhängende politische und ökonomische Potenz dieser Stände bildeten die Voraussetzung für den Besitz von prunkvollen silbernen Trinkgefässen. Über die grösste politische und materielle Macht verfügte in der frühneuzeitlichen Gesellschaft der Adel. Es überrascht daher nicht, dass Angehörige des Adels auch die bedeutendsten Auftraggeber von wertvollem Tafelsilber waren.8 Insbesondere die Königs- und Fürstenhöfe taten sich mit üppigen Aufträgen hervor und legten sich beeindruckende Bestände an Silberobjekten an, die als ‹Hofsilber› einen festen und nicht unwichtigen Bestandteil ihres Besitzes bildeten. Neben den Höfen
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leisteten sich aber auch Adelsfamilien ohne Fürsten- oder Königstitel wertvolle Goldschmiedeobjekte. Eine dieser Familien war die hinterpommersche Adelsfamilie von Podewils, die um 1679 ein aufwendiges Trinkgefäss in Form eines Stammbaums anfertigen und die Namen der Familienmitglieder darauf eingravieren liess (siehe den Beitrag von Jeanette Gutmann, S. 115–119, Abb. 2). Eng mit dem Stand des Adels verbunden war der Stand des Klerus. Diese Verbundenheit lag vor allem darin begründet, dass hohe Kirchenämter in der Regel adeligen Geschlechtern vorbehalten waren. Kirchliche Ämter waren denn auch oft mit durchaus weltlichen Herrschaftsbefugnissen verknüpft. Wie beim Adel drückte sich der gesellschaftliche Status des Klerus unter anderem im Besitz von wertvoller profaner Goldschmiedekunst aus, wozu auch silberne Trinkgefässe gehörten.9 Bei manchen dieser Objekte ist die privilegierte Stellung der Auftraggeber und das daraus resultierende hohe Selbstbewusstsein geradezu greifbar. So etwa im Fall eines Medaillons des Erzbischofs und Kurfürsten Johann Hugo von Orsbeck (1634–1711), in dem sich dieser auf dem Deckelinneren eines Trinkbechers prominent in Szene setzen liess (Abb. 3). Neben dem Adel und dem Klerus gewann im 16. und 17. Jahrhundert mit dem städtischen Bürgertum eine weitere Bevölkerungsgruppe zunehmend an Bedeutung und sicherte sich ihren Platz in der Oberschicht. Zu ihm gehörten patrizische Familien, Mitglieder einflussreicher Zünfte und wohlhabende Kaufleute.10 Bei den Patriziern handelte es sich um Familien, die bereits im Mittelalter wichtige Magistratsämter innehatten. Ihr Aufstieg gründete darauf, dass sie sich in den sogenannten ‹freien Reichsstädten›11 als «ratsfähige Geschlechter» ein mehr oder weniger deutlich ausgesprochenes Monopol auf den Einsitz im Stadtrat und die damit verbundene politische Führung sicherten. Auch bei diesem Teil der Oberschicht äusserte sich der privilegierte gesellschaftliche Status unter anderem darin, dass seine Vertreter als Auftraggeber wertvoller Silberobjekte in Erscheinung traten.12 Am augenscheinlichsten kam diese Auftraggeberschaft im sogenannten ‹Ratssilber› zum Ausdruck. Dabei handelte es sich um einen Bestand an wertvollen Silberobjekten, der letztlich zum Besitz des jeweiligen Stadtregiments – und damit der ratsfähigen Geschlechter – gehörte und dessen Bedeutung symbolisierte.13 Erweitert wurde das Ratssilber unter anderem durch Stiftungen einzelner Personen, die ein wichtiges Amt innehatten oder in ein solches gewählt wurden. In einigen Städten war es zudem üblich, dass eine Neu- oder Wiederwahl in bedeutende Ämter mit entsprechenden Schenkungen an die jeweils gewählte Person verdankt wurde.14 Die Inschrift auf einer Weinprobierschale aus dem frühen 17. Jahrhundert, in der dem neugewählten Grossweibel von Burgdorf zur Wahl gratuliert wird, zeugt von einer ebensolchen Schenkung (Abb. 4).
Abb. 3 (oben) Medaillon mit dem Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten Johann Hugo von Orsbeck (1634–1711) auf Deckelbecher von 1685 –1687 (Kat. 92) Abb. 4 (unten) Inschrift auf einer Weinprobierschale aus Burgdorf, die als Geschenk zur Wahl zum Grossweibel angefertigt wurde, Mitte des 17. Jh. (Kat. 143): «Wyl Heinrich Trachsel woll ware beglüket Grossweibel zu werden drumb es sich fin schiket Das Hr. Leuw mit Schiessen mich gewonen welchs er Ihme von Hertze gegunet»
Auf eine ähnliche Grundlage wie die Patrizier stützten im 16. und 17. Jahrhundert die aufstrebenden Zünfte ihren sozialen Aufstieg. So erhielten sie durch ihre zunehmende wirtschaftliche Bedeutung in einigen Reichsstädten Zugang zum Rat und sicherten sich damit die Teilhabe am jeweiligen Stadtregiment.15 In der Folge traten sie als Teil der Oberschicht ebenfalls als Auftraggeber wertvoller Silberobjekte in Erscheinung. Und wie Patrizier mit ihrem Hofsilber häuften auch einzelne Zünfte eine beachtliche Menge an Goldschmiedeobjekten – das sogenannte ‹Zunftsilber› – an.16 Nicht wenige dieser Objekte lassen sich durch die verwendeten Symbole noch heute eindeutig der entsprechenden Zunft zuordnen. So etwa im Fall eines Pokals der Thuner Metzgerzunft, von dessen Auftraggeberschaft ein eingraviertes Zunftwappen zeugt (Abb. 5). Neben dem Patriziat und den Zünften gehörten schliesslich auch wohlhabende Kaufleute zum aufstrebenden Bürgertum. Grund dafür waren in erster Linie die in dieser Zeit neu erschlossenen Absatzmärkte und der dadurch erwirtschaftete Reichtum.17 Dieser Reichtum erlaubte es besonders erfolgreichen Kaufleuten, sich Trinkgefässe aus Edelmetall zu leisten und damit ihre Zugehörigkeit zur Oberschicht zu markieren. Zu ihnen gehörte etwa die aus Konstanz stammende Kaufmannsfamilie Zollikofer, die durch den Handel mit Leinwand zu grossem Vermögen gelangte und zu einer der führenden Familien von St. Gallen aufstieg. Das zusammen mit der Jahreszahl 1599 eingravierte Wappen der Familie Zollikofer von Nengensberg auf der Wandung eines Pokals zeugt noch heute von ihrem wirtschaftlichen Erfolg (Abb. 6). Mit der Betrachtung der Auftrag-
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Abb. 5 (oben) Wappen der Thuner Metzgerzunft auf einem silbernen Pokal aus Burgdorf, um 1605 (Kat. 173) Abb. 6 (unten) Wappen der Zollikofer auf einem silbernen Pokal aus Neuchâtel, Anfang 17. Jh. (Kat. 174)
geberschaft ist ein Teil des gesellschaftlichen Kontextes jener prunkvollen Goldschmiedeobjekte erhellt, die im vorliegenden Katalog präsentiert werden. Sie erscheinen nicht länger ‹nur› als silberne Trinkgefässe, sondern offenbaren sich uns als Ausdruck des Status und der Macht der einflussreichsten gesellschaftlichen Schichten jener Zeit. Wie sich im Folgenden zeigen wird, lag es im Interesse dieser Elite, dass sie auch von den Zeitgenossen als solche wahrgenommen wurden.
Materielle Symbole der Zugehörigkeit Anschliessend an die Betrachtung der Auftraggeberschaft der silbernen Trinkgefässe soll im Folgenden der Frage danach nachgegangen werden, aus welcher Motivation heraus sich die frühneuzeitliche Oberschicht diesen Luxus überhaupt geleistet hat und wozu ihnen die kostbaren Goldschmiedewerke letztlich dienten. Nun mag diese Frage im Falle von Trinkgefässen banal erscheinen. Denn welchen anderen Zweck sollten Trinkgefässe schon erfüllen, als jenen, dass man aus ihnen trinkt? Diese Antwort ist allerdings nur auf den ersten Blick naheliegend. Gerade im Fall von sehr kostbaren Gefässen stellt sie sich allerdings als unbefriedigend heraus. Denn wenn es den Auftraggebern tatsächlich nur darum gegangen wäre, ein Gefäss zu besitzen, aus dem man Getränke zu sich nehmen kann, hätten sie wohl kaum jenen immensen finanziellen Aufwand betrieben, den die Anschaffung der edlen Trinkgefässe bedeutet. Um die Existenz der kostbaren Pokale, Becher, Humpen und Römerbecher zu erklären, reicht der Hinweis auf ihre Funktion als Trinkgefässe also nicht aus. Sie müssen mehr gewesen sein. Einen Hinweis auf eine Funktion, die über den Zweck der Flüssigkeitsaufnahme hinausgeht, gibt das Einschmelzen von silbernen Objekten zur Gewinnung von Münzen in wirtschaftlich schlechten Zeiten.18 In diesem Kontext erscheinen die entsprechenden Objekte auf den ersten Blick als Wertanlage und Rücklage. Dass die Objekte aus Edelmetall in Krisen als Reservoir für Münzen verwendet wurden, heisst allerdings noch keineswegs, dass dieser Nutzen beim Erwerb der silbernen Prachtstücke als deren Kernfunktion bereits im Zentrum stand und sie somit stets im Hinblick auf eine möglicherweise eintretende Krise angeschafft wurden. Vielmehr ist der zweite Punkt sehr unplausibel. Der Erwerb von verarbeitetem Edelmetall alleine im Hinblick auf eine spätere Einschmelzung wäre nämlich insofern irrational, als es sich dabei insgesamt um eine Wertminderung handelt. Auch wenn die Möglichkeit einer Einschmelzung also zwar sehr wohl zu den wahrgenommenen Vorzügen von silbernen Trinkgefässen und ihrer Wertigkeit gehört haben mag, so hat sich deren Funktion jedoch kaum darin erschöpft.
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Abb. 7 Familienwappen der städtischen Elite von Winterthur auf der Wandung eines Staufbechers, Winterthur, 1629 (Kat. 10)
Was hat die frühneuzeitliche Oberschicht also letztlich dazu motiviert, sich äusserst kostspielige Trinkgefässe aus Silber zu leisten? Eine mögliche Antwort auf diese Frage findet sich beim Nürnberger Kupferstecher und Kunsthändler Christoph Weigel (1654–1725). Dieser geht in seiner Schrift ‹Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-Stände› aus dem Jahr 1698, in der er unter anderem die verschiedenen Handwerkskünste nennt, auch auf den Nutzen von Goldschmiedeobjekten ein. Diesen macht er im Hinblick auf sakrale Objekte an der Verwendung von Goldschmiedewerken zur Aufbewahrung von Reliquien fest. Den Zweck von profanen Objekten sieht er hingegen darin, dass sie als «Kennzeichen majestätischer Hoheit» sowie «[…] zum Beweis eines rühmlichen Standes […]» dienen und entsprechend auch von den Angehörigen dieser Stände besessen werden.19 Folgt man dieser zeitgenössischen Einschätzung, dann bestand der zentrale Zweck des Erwerbs und Besitzes von profanen silbernen Trinkgefässen in erster Linie also darin, die eigene politische Macht und Zugehörigkeit zur Oberschicht zu markieren. Ein Blick auf die Werke der Sammlung scheint diese Annahme zu bestätigen. So verweisen viele von ihnen mittels Wappen, Figuren oder Inschriften auf die Zugehörigkeit zum Adel, zu einer bedeutenden Zunft oder zu einer einflussreichen Patrizierfamilie. Demselben Zweck dienten auch Hinweise auf standesgemässe Tugenden oder ständische Privilegien wie etwa die Jagd. Durch diese ‹Markierungen› waren die entsprechenden Gefässe jeweils unmissverständlich einer bestimmten Personengruppe, beziehungsweise einem bestimmten Stand zugeordnet. Und dadurch wiederum dienten sie ihren Besitzern dazu, ihre Identität und ihren Status zum Ausdruck zu bringen, und wurden damit zum Beweis ihres «rühmlichen Standes».
Ein Bespiel dafür, wie silberne Trinkgefässe direkt und explizit als Zeugnisse von Zugehörigkeiten dienten, ist ein Staufbecher aus Winterthur aus dem Jahr 1629, zu dessen Anfertigung wohl die Errichtung eines neuen Schützenhauses Anlass bot (Kat. 10). Auf dem Becher sind die Namen verschiedener Personen sowie ihre jeweiligen Familienwappen und allfällige Positionen im städtischen Rat an prominenter Stelle eingraviert (Abb. 7). Es handelt sich dabei um Personen, welche die Spitze der Schützengesellschaft bildeten und allesamt zur städtischen Elite gehörten. Eben dies kommt durch ihre eingravierten Namen und Wappen auf dem Becher auch zum Ausdruck. Die Inschrift funktionierte damit gewissermassen als ‹Who's Who› der städtischen Gesellschaft Winterthurs. Die Funktion von silbernen Trinkgefässen als Symbole von Zugehörigkeit und Status ergab sich jedoch nicht erst aus eingravierten Wappen und Namen. Vielmehr eigneten sie sich bereits aufgrund der kostbaren Materialität, der grossen Handwerkskunst und des daraus resultierenden Werts als Zeugnisse einer herausgehobenen gesellschaftlichen Position. Bereits der Besitz von Objekten aus Edelmetall an sich diente der Oberschicht als Markierung der eigenen, privilegierten sozialen Stellung. 20 Neben diesem Ausdruck der Zugehörigkeit einzelner Personen zu einem bestimmten Stand unterstrichen die wertvollen Gefässe durch ihren ästhetischen und materiellen Wert darüber hinaus auch zugleich die Bedeutung und den Status dieses Standes selbst. 21 Dies gilt für das Silber an den Königs- und Fürstenhöfen ebenso wie für das Silber der Patrizier und Zünfte. Gerade für das aufstrebende städtische Bürgertum war dieser Ausdruck des eigenen ständischen Selbstbewusstseins und der eigenen Potenz zentral. Es ist daher bezeichnend, dass ihnen der Adel – insbesondere der französische sowie der burgundische Hof –, der sich solcher Symbole schon länger bediente, dabei als Vorbild diente. 22 Denn durch ihn waren bestimmte Statussymbole gewissermassen bereits kodiert und eingeübt und wurden als solche verstanden. Will man die silbernen Trinkgefässe des 16. und 17. Jahrhunderts aus ihrer Zeit heraus verstehen, muss man sie also in erster Linie als «materielle Symbole»23 der Zugehörigkeit zu einem gehobenen Stand und der Bedeutung eben dieses Standes betrachten. Durch sie wurden an sich abstrakte gesellschaftliche Rangordnungen sinnlich greifbar und damit gegenwärtig. Der Begriff für diese Art der Sichtbarmachung ist jener der Repräsentation (lat. repraesentare; vergegenwärtigen). Damit ist die Frage nach der Funktion frühneuzeitlicher Silbergefässe geklärt: Sie dienten der Oberschicht zur Repräsentation, verstanden als «standesgemässe Selbstdarstellung». 24
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