strasse ( Übersichtsplan Basel 2 ). Oberbasel / Basel, Oberes n. SiedN. Ehem. Sie reich im Umfeld der Grenzacherstrasse im Grenzbereich zu Riehen, möglicherweise Areal der Riehener Flur Im Landauer und des NAMENBUCH BASEL-STADT 3 1537 Zu obern Ba∫el an krenzacher ∫tras ( KloA Domstift Urk, 507 ) ; 1454 J Juchar lit ze hochen füren ze oberba∫el ( SpitalA F5 ) ; 1436 lit ze oberen Ba∫el vff hohenfuoren ∫iten nebent die lant∫tranß vff den Rein ( SpitalA R4.2, 45v ) ; 1434 Zú oberen Ba∫e ( KloA St. Alban K, 12 ) ; 1408–1414 lit ze oberen Ba∫el vff hochen fuoren ze einer ∫it der von klingental guot vnd zúhet vff die land∫tra∫∫e vff den Rin ( SpitalA R3, 202v ) ; ze obern ba∫el ( KloA St. Alban B, 29v ) ; 1395 de j duali ze obern ba∫el ( KloA St. Alba 1395 e obern ba∫el ( KloA St. Alban F, 36r ) ; 1363 uno duale ze obren ba∫el ( KloA St. 3 ) ; 1293 ( 1896 K ) an eime stúke reben lit ze obern Basil und an eime halben manwerc lit in ch [...] de li ze icitur Ob le ( UBBS 2, 249, 265 f. ) ; an das gotzhus die gut und ich han in den doerffern der Tùllikon, Leidichoffen Wahinhofen, 109 ff. ).Riehentor n. FortN, Ri ‹ Tor, durch d m. Stadttor in Kleinbasel an der K Riehentorstrasse und Claragraben. 1864 abgetragen ( 611908 / 267700 ; 255 ) : 1995 òòr ( Suter, Baseldeutsch, 177 ) ; 1862 Riehenthor ( Neues Nummern- und Adressbu 1858 Riehen-Thor ( Falkner S 5,13 ) ; um 1836 Riechen Thor ( Plan A 1,4 ) ; 1832 Rie ( Keller Plan Basel, Kleinbasel ) ; 1822 Riehen Thor ( Hofer Plan Kleinbasel ) ; 180 Thor ( Plan F 4,55 ) ; 1786 Riechemer Thor ( Ryhiner Plan, In der kleinen Stadt ) ; 1725 Riehemer Thor ( GerA R9, 47 ) ; 1682 Vor Riehe Thor ( GerA R4, 68r ) ; 1661 Rhiehei ( KloA St. Maria-Magdalena O, 83 ) ; 1627 von Riehemer Thor ( GerA S3, 45av ) ; 1610 biß zuo dem Riechemer thor ( Platter, Pest Edition, 450 ) ; 1595 ( 1663 C ) vor Rieche ( KloA St. Maria-Magdalena P, 244 ) ; JÜRGEN MISCHKE/ 1535 vor Riehenthor ( W Ber 1503, 64 ) ; 1535 INGA SIEGFRIED (HG.) vor Riehemerthor ( Wettingen Ber 1 1533 als das vor Rÿehennthor ( KloA St. Alban K, 3 ) ; 1440 ( 1441 C ) vor Riehemer St. Maria-Magdalena E, 342 ) ; 1421 ( 1902 K ) ze minren Basel vor Riehemerthor ( UBB 115 ) ; 1365 ( 1899 K ) vor dem thor, da man gên Riehein gat ( UBBS 4, 293, 265 ) ; 12 K ) juxta portam superiorem versus Riehein ( UBBS 2, 353, 205 ff. ) ; 1265 ( 1890 K ) sit portam Enrum Basil in via que ducit versus Riehein ( UBBS 1, 461, 334 f. ). Krani FamN (Socin, 382): 1292 (1896 K) Petro dicto zem Kraneche (UBBS 3, 86, 47); 12 K) ex parte altera Petro dicto zem Kraneche et Christine uxori (UBBS 3, 86, 47f zum FamN (Socin, 382): 1544 (1805 C) Martin Krebƒ (Blasien Gef Rieh, 165); 1454 krebs (SpitalA F5); 1332 heinrich zem krebs (KloA St. Maria-Magdalena Urk, 7 (1295 C) Conrado filio petri dicti zem kreps (KloA St. Leonhard H, 4v). Klybeck, U FlurN. Heuteüberbautes Gebiet S der Wiesenmündung im N des Klybeck-Quartiers 270070 ; 250 ) : 1880 Untere Klybeck ( Plan K 1,103 ) ; 1845–1865 unter Klybeck ( Dufo Kleinbasel ). Klybeck / Klübin n. SiedN, FlurN, BurgN, QuartN. Quartier im N K zwischen dem Rhein, der Wiese und der Horburgstrasse mit altem Siedlungskern
DIE ORTSNAMENGEBUNG IM KANTON BASEL-STADT
Christoph Merian Verlag
NAMENBUCH BASEL-STADT 3
Die Ortsnamengebung im Kanton Basel-Stadt
Hg. von Jürgen Mischke und Inga Siegfried mit Beiträgen von Lorenz Hofer, Jürgen Mischke, André Salvisberg, Myriam Schmidt-Müller und Inga Siegfried Leitung : Annelies Häcki Buhofer
CHRISTOPH MERIAN VERLAG
Diese Publikation wurde ermöglicht durch Beiträge der Christoph Merian Stiftung, der Bürgergemeinde der Stadt Basel und des Swisslos Fonds Basel-Stadt.
Gedruckt mit Unterstützung der Berta Hess-Cohn Stiftung.
1. Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: // dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Christoph Merian Verlag Alle Rechte vorbehalten ; kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Nana Badenberg Korrektorat: Jürgen Mischke, Inga Siegfried Buchgestaltung : icona basel Lithos und Druck : Schwabe AG, Muttenz Bindung : Grollimund AG, Reinach / BL Schriften : Minion Pro, DIN Papier : Maxi Offset hochweiss 100g / m2, Duchesse Offset 200g / m2 ISBN 978-3-85616-630-4 www.merianverlag.ch Ebenfalls im Christoph Merian Verlag erschienen: Band 1: Die Ortsnamen von Riehen und Bettingen / ISBN 978-3-85616-614-4 Band 2: Die Ortsnamen von Basel / ISBN 978-3-85616-615-1 Gesamtausgabe: Namenbuch Basel-Stadt / ISBN 978-3-85616-631-1
Die Ortsnamengebung im Kanton Basel-Stadt
Inhalt
Vorwort
7
Stadtnamen
10
Namengeschichte
18
Ă„lteste Namen
26
Fortifikationsnamen
32
Flurnamen
52
Kirchennamen
64
Hausnamen
76
Familiennamen
90 92
Zweitnamenregister Vormoderne Strassennamen
176
Nomenklaturgeschichte
194
Moderne Strassennamen
202
Stadtsprache
212
Parallelnamen
222
Anhang
229 230 237 250 251 253
Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Korrigenda zu Band 1 Vollständiges Register Band 2 und 3
5
Die Ortsnamengebung im Kanton Basel-Stadt
Vorwort
Die Namenforschung beschäftigt sich oft mit Einzelnamen, die sie in alphabetisch geordne ten Sammlungen beschreibt und erklärt und so eine genau definierte Summe von Namenerläuterungen erstellt : die Namen einer Gemeinde oder eines Bezirks, die Strassennamen einer Stadt etc. In diesen Darstellungen können interessierte Laien die Siedlungs-, Flur- oder Familiennamen entsprechend ihrer persönlichen Lebenssituation nachschlagen, und Fach kolleginnen und -kollegen können nach Vergleichsfällen zu ihren eigenen Forschungs gegenständen suchen. Dabei treten die allgemeinen theoretischen Fragestellungen ebenso in den Hintergrund wie die Entwicklung neuer Erkenntnisse, die die Namenforschung insgesamt betreffen und die uns in der Analyse der Ortsnamen eines bestimmten Gebiets begegnen ; sie können nur sehr bedingt im Vorwort oder in Aufsätzen erläutert werden. Diesem Mangel hilft der vorliegende dritte Band des ‹ Namenbuchs Basel-Stadt › ab. Der Auswertungsband des ‹ Namenbuchs Basel-Stadt › beschäftigt sich detailliert mit der kantonalen Ortsnamengebung und damit mit der Frage, welche toponymischen Strukturen und Benennungsmuster uns in den Ortsnamen des Kantons begegnen, und versucht, die Entstehung der heutigen Namenlandschaft im Kanton sowohl in ihrer sprachlichen als auch kulturhistorischen Dimension fassbar zu machen. Anders als die beiden Lexikonbände für die Gemeinden Riehen und Bettingen ( Band 1) sowie die Stadt Basel ( Band 2 ), die sich der onomastischen Deutung der einzelnen Ortsnamenelemente widmen, werden hier in thematischen Aufsätzen verschiedene Namenklassen und Namenschichten besprochen, wobei für die Auswertung das vollständige Belegmaterial des universitären Forschungsprojekts berücksichtigt ist. Geht man davon aus, dass sich die Ortsnamenlandschaft in Stadt- und L andgemeinden wegen der spezifischen strukturellen und demografischen Entwicklung der jeweiligen Siedlungsform unterscheidet, empfiehlt es sich, die in Städten vorkommenden Mikro toponyme ( das sind beispielsweise Fortifikationsnamen, Hausnamen, Strassennamen, Platznamen, Parknamen, Gastronomienamen, Institutionsnamen, Kirchennamen, aber auch Flurnamen ) gesondert in den Blick zu nehmen, um beurteilen zu können, worin die Unterschiede von städtischer und ländlicher Toponymie liegen. Da eine solche auf eine städtische Gemeinde bezogene onomastische Untersuchung in dieser Form bislang noch nicht vorlag, bildet die Auswertung und Analyse der städtischen Toponyme einen Schwerpunkt dieses Bandes und erfüllt damit ein Forschungsdesiderat. Ergänzt wird der Band zudem durch zwei grundlegende Beiträge von Lorenz Hofer zur Stadtsprache und von André Salvisberg zur Nomenklaturgeschichte im Kanton Basel-Stadt. Neben der analytischen, auf die Ortsnamen und die Ortsnamengebung ausgerichteten Darstellung enthält der Band ein Verzeichnis mittelalterlicher und frühneuzeitlicher
7
8
Die Ortsnamengebung im Kanton Basel-Stadt
Beinamen und Familiennamen, die bei der Sichtung der historischen Basler Ortsnamen in den Quellen zusätzlich erhoben worden sind. Es versteht sich aufgrund der Verweise auf die bereits in den ersten beiden Bänden behandelten, vor dem 15. Jahrhundert erst belegten Namen zudem als Gesamtregister der im ‹ Namenbuch Basel-Stadt › dokumentierten, seit dem 12. Jahrhundert aufgekommenen Zweinamigkeit im Umfeld von Basel. Es erweitert das ‹ Mittelhochdeutsche Namenbuch › von Adolf Socin um Belege aus dem 13. und 14. Jahrhundert und bietet eine hilfreiche Belegsammlung zur Erforschung der Entstehungsgeschichte von Familiennamen im Untersuchungsraum. Wie schon die beiden vorangegangenen konnte auch dieser dritte Band nur durch zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer verwirklicht werden. An erster Stelle gilt unser Dank Zamira Angst, Julia Bänninger, Julia Schaffer, Myriam Schmidt-Müller und Michael Simonett für ihre wissenschaftliche und redaktionelle Mitarbeit in der Forschungsstelle. Für das Vertrauen in das Forschungsprojekt und die positive Beurteilung unseres Verlängerungsgesuchs ist dem Schweizerischen Nationalfonds und der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft zu danken. Dadurch erst konnte ein Auswertungsband realisiert werden, in dem die während der Datenerhebung und lexikografischen Arbeit gesammelten Erkenntnisse kohärent dargestellt und ausführlich erläutert werden. Zur Anschaulichkeit der thematischen Auswertung tragen wesentlich die zahlreichen Karten mit lokalisierten Ortsnamen bei. Für den Export der Belegstellen aus der Datenbank und die Erarbeitung dieser Karten danken wir unserem Datenbankentwickler und -verantwortlichen Hannes Degen, der das Projekt seit seinen Anfängen begleitet hat. Rebekka Schifferle und Martin Hannes Graf gilt unser Dank für ihre hilfreichen und anregenden Rückmeldungen zu einzelnen Buchkapiteln und Christoph Philipp Matt für die vielen Antworten zu archäologischen Fragen. Für Bereitstellung wie auch Nutzungsgenehmigung der historischen Bilder und K arten danken wird dem Staatsarchiv Basel-Stadt und dem Bundesamt für Landestopografie swisstopo. Die sorgfältige Ausführung des Satzes und die Buchgestaltung sind dem Grafik atelier Icona Basel zu verdanken. Durch das umsichtige Lektorat von Nana Badenberg erhielt der Text seine korrekte und stringente Form. Dass das dreibändige Werk nun vollständig und in einem Schuber erhältlich ist, ist der Aufnahme in das Programm des Christoph Merian Verlags zu verdanken sowie der grosszügigen finanziellen Unterstützung seitens der Christoph Merian Stiftung, des Swisslos-Fonds Basel-Stadt und der Berta Hess-Cohn Stiftung, ohne die die Forschungsergebnisse nicht in gedruckter Form vorliegen würden. Zuletzt gilt unser Dank der Universität Basel und dem Deutschen Seminar, das uns Räumlichkeiten sowie Infrastruktur zur Verfügung gestellt und ermöglicht hat, das Forschungsprojekt über acht Jahre hinweg durchzuführen. Basel, im Sommer 2016 Annelies Häcki Buhofer, Jürgen Mischke und Inga Siegfried
Ortsnamengebung
10
Stadtnamen
Stadtnamen Inga Siegfried
Der Blick auf den Kanton zeigt, dass wir es auf dessen Gebiet mit zwei unterschiedlichen Siedlungsformen zu tun haben. Der untersuchte und in den Namenbüchern Basel-Stadt 1 und 2 dargestellte Raum beinhaltet die Stadt Basel mit dem seit 1908 eingemeindeten ehemaligen Dorf Kleinhüningen, das heute Industrie- und Hafenquartier ist, und die zwei zum Kanton gehörenden Landgemeinden Riehen und Bettingen. Die Stadt Basel, die am Oberrhein in direkter Grenzlage zu Frankreich und Deutschland liegt, weist eine über zweitausendjährige Besiedlungsgeschichte auf. Ihre Kontinuität als Stadt ist seit dem Mittelalter geprägt von ihrer Funktion als Bischofs-, Konzils-, Humanisten- und Handelsstadt.1 Sie war seit dem Frühmittelalter der geistige und wirtschaftliche Mittelpunkt der Gegend am Oberrhein und hat auch heute noch eine Zentrumsfunktion inne. Die Siedlungsanlagen der beiden Landgemeinden Riehen und Bettingen sowie die der früher eigenständigen Gemeinde Kleinhüningen sind im Zuge der alemannischen Zuwanderung im ersten Jahrtausend nach Christus entstanden und waren bis ins 20. Jahrhundert ausschliesslich von ihrem ländlichen Charakter ( dörflicher Siedlungskern, umgebende Flurenlandschaft ) geprägt.2 Während in den Landgemeinden Riehen und Bettingen viele Flurnamen noch gelten oder bis vor kurzer Zeit verwendet worden sind und die Benennungen eine relativ hohe Stabilität aufweisen, die sich unter anderem in der Tradierung der von einer bis ins 20. Jahrhundert sprachlich weitgehend homogenen Bevölkerung getragenen mündlichen Lautungen zeigt,3 vollzieht sich in Basel der Prozess einer ständigen urbanen Erweiterung 4 und Verschiebung in der Bindung von Namen an Referenzorte, der Namenüberlagerung durch Funktions- oder Besitzerwandel. In der Stadt können wir zudem einen viel bewussteren Einsatz von und Umgang mit Eigennamen beobachten, der sich aus einer höheren Bevölkerungsdichte und dadurch ausgeprägteren Kommunikationsnotwendig-
1
Kreis / Wartburg, Basel, 28 ff. NbBS 1, 17 f. Zum Stadt-Land-Kontinuum und der historischen Entwicklung des Verhältnisses von Stadt und Land vgl. Häussermann, Stadt, 444 ff. 3 So konnte für die Landgemeinden auf eine in den 1990er-Jahren durchgeführte Flurbegehung zurückgegriffen werden, bei der die zum damaligen Zeitpunkt den Gewährspersonen noch bekannten Flurnamen in ihrer dialektalen Aussprache gesammelt worden sind. 4 Die um 1080 erbaute Stadtmauer von Basel wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts und nach dem Erdbeben von 1356 weiter nach aussen verschoben sowie partiell erweitert und musste schliesslich wegen des enormen Wachstums, das Basel im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung erfuhr, nach 1859 abgerissen werden ( Fischer, Mauern, 75 ). 2
Stadtnamen
keit ergibt.5 Die einstige Flurenzone vor den Stadtmauern wurde nach deren Nieder legung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend überbaut und die neu entstandenen Strassen- und Platznamen bewusst, teils auch programmatisch gesetzt. Der moderne Selbstentwurf der Stadt vollzog und vollzieht sich auch durch die Stadtplanung und die zugehörige Namenwahl. Für manche Phasen der Stadterweiterung kann der Prozess der Namenfindung und Normierung neuer Toponyme über Nomenklaturprotokolle direkt in den Blick genommen werden und erlaubt auf diese Weise wichtige Einsichten in den Wandel der städtischen Namenlandschaft. Geht man also davon aus, dass sich die Ortsnamenlandschaft in Stadt und Landgemeinden vor allem hinsichtlich ihrer historischen Genese unterscheidet, empfiehlt es sich, die in Städten vorkommenden Mikroto ponyme ( das sind beispielsweise Fortifikationsnamen, Hausnamen, Strassennamen, Platznamen, Parknamen, Quartiernamen, Gewerbenamen, Institutionsnamen, Kirchennamen, aber auch Flurnamen ) gesondert in den Blick zu nehmen, um so im Detail beurteilen zu können, worin die Unterschiede der städtischen und ländlichen Toponymie liegen. Während sich die meisten kantonalen Namenbuchprojekte in der Schweiz auf die Darstellung der Siedlungsnamen, Flurnamen, Gewässernamen und Landschaftsnamen konzentrieren und die kleinräumigeren Toponyme innerhalb der Siedlungen meist ausser Acht lassen, hat das ‹ Namenbuch Basel-Stadt 2 › durch die genaue Wahrnehmung gerade dieser städtischen Mikrotoponyme einen Schritt hin zum Verständnis der bisher von der Toponomastik zu wenig untersuchten städtischen Namenlandschaft gemacht. Der Grund für die bisherige mangelhafte oder selektive Untersuchung der Stadtnamen ist vor allem in einem Vorurteil der traditionellen Toponomastik zu sehen, das es im Folgenden herauszuarbeiten gilt.
Forschungsstand ebenso getreu pflegt auch das landvolk die alten namen seiner stillen feldmark zu bewahren, in den städten, und je größer sie werden, desto mehr, weicht die anhänglichkeit an das hergebrachte leicht dem geräusch der neuerungen, die von andern vortheilen begleitet sind, neue häuser steigen auf an neuer stelle, die straße wird anders gebrochen und der vorige name verschwindet. in den städten begegnet der forscher wenigen spuren des höchsten alterthums, auf dem lande, wenn er sie zu erkennen weiß, vielen. ( Jacob Grimm, 1839 )6
In seiner Schrift ‹ Über hessische Ortsnamen › vertritt Jacob Grimm, der die philologische Erforschung von Ortsnamen und damit die Begründung der wissenschaftlichen Onomastik 5
Der Gebrauch städtischer Eigennamen ( Familiennamen und Toponyme ) wurde im Zuge der im 13. Jahrhundert einsetzenden rechtlichen Verbindlichkeit von Eigennamen aufgegriffen und zur Neuzeit hin mehr und mehr geordnet, verschriftlicht und effektiviert ( z. B. Hausnummern ), zugleich ergab sich hieraus eine stärkere Trennung von amtlich und privat / kommerziell genutzten Eigennamen. Die zuvor nur in Besitzer- und Kaufurkunden schriftlich festgehaltenen und ansonsten mündlich tradierten Örtlichkeitsnamen wurden nun zunehmend in Plänen und auf Schildern aufgeführt. 6 Grimm, Ortsnamen, 136 f.
11
12
Stadtnamen
wesentlich anregte, eine Stadtkritik, die beginnend im 19. Jahrhundert in unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder geäussert wurde. Sie orientiert sich an den Stadt-LandWertungen der Romantik und sieht in der Stadt tendenziell einen unsteten, kulturvergessenden Ort, der sich in seiner Künstlichkeit deutlich von der Natürlichkeit und Ursprünglichkeit des Landes unterscheide.7 Für Grimm zeigt sich die Ursprünglichkeit des Dorfes in den Dialekten und in den Ortsnamen. Während kundige Forschende in den ländlichen Flurnamen viele « spuren des höchsten alterthums » finden können, würde man diesen in der Stadt durch den sich dort schnell vollziehenden Wandel nur noch selten begegnen. Es war vermutlich diese Position des 19. Jahrhunderts, die das Forschungsinteresse innerhalb der Toponomastik lang auf die Siedlungsnamen, Gewässernamen, Landschaftsnamen sowie ( ländlichen ) Flurnamen lenkte und im Gegenzug die städtischen Mikrotoponyme als Quelle marginalisierte. Neben historisch-heimatkundlichen Häusernamensammlungen wurden, häufig mit einem dezidiert historischen Interesse, nur die mittelalterlichen Strassennamen lexikalisch dokumentiert und gedeutet.8 Erst die Ortsnamenforschung nach 1945 nahm vermehrt auch die moderne Strassennamengebung in den Blick und erkannte diese zunehmend als wichtige kulturgeschichtliche Quelle.9 In Deutschland geschah diese Hinwendung zu den modernen Strassennamen vor allem unter dem Eindruck der politisch motivierten Strassenumbenennungen während der Zeit des Nationalsozialismus und danach. Besonders die Forschergruppe um Dietz Bering hat seit den 1990er-Jahren in ihrem Vorhaben, die Kölner Strassennamen in ihrem Wandel vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart unter kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekten gesamthaft zu untersuchen, wesentliche Impulse für die aktuelle Strassennamenforschung gegeben.10 In all diesen Arbeiten werden Strassennamen als offensichtlichstes städtisches Mikrotoponym angesehen, das sich hinsichtlich Benennungsstrategien deutlich von den Strassennamen in ländlichen Gemeinden abhebe. Bei der Beschränkung auf die Strassennamen kam es häufig zur Unterscheidung von einer vormodernen und einer modernen Namenschicht mit jeweils anders gelagerten Funktionen, die vor allem dadurch begründet wurde, dass es sich bei den vormodernen Strassennamen11 um aus der mittelalterlichen Lebenswelt erwachsene, langsam verfestigte Namen handele, während die Existenz moderner Strassennamen12 mit einer gesteuerten amtlichen Benennung erst beginne. Weiterreichende interdisziplinäre Forschungsansätze zu den urbanen Toponymen und vor allem zur Frage der Rolle von Sprache in der Entstehung von städtischen Räumen bieten die Arbeiten von Bouvier / Guillon ( 2001 ) und Branca-Rosoff / Leimdorfer ( 2001 ), die einzelne Phänomene der aktuellen städtischen Toponymie und der modernen 7 8 9 10 11 12
Vgl. Häussermann, Stadt, 443. Vgl. etwa Fechter, Topographie. Zu einer ausführlichen Darstellung der diesbezüglichen Forschungsliteratur vgl. Heuser Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 4 ff. Vgl. dazu ebd., 7 f. Vgl. das Kapitel ‹ Vormoderne Strassennamen › im vorliegenden Band. Vgl. das Kapitel ‹ Moderne Strassennamen › im vorliegenden Band.
Stadtnamen
Stadtplanung beleuchten, sich dabei aber nicht auf das gesamte städtische Namensystem in seiner ( historischen ) Vernetzung beziehen.13 Zuletzt hat Rita Heuser mit ihrem Buch über die Namen der Mainzer Strassen und Örtlichkeiten eine umfangreiche Sammlung und toponomastische Auswertung von Mainzer Ortsnamen vorgelegt, die nicht nur die Strassennamen behandelt, sondern sich das Ziel setzt, « die gesamte Namenlandschaft einer Stadt vom frühen Mittelalter bis zur heutigen Zeit zu erfassen und darzustellen ».14 Sie untersucht den innerstädtischen Bereich von Mainz, der die Altstadt und einzelne ehemalige Vororte umfasst. Ganz bewusst geht sie hierbei jedoch von einer Trennung aus, die die vorstädtischen Flurnamengebiete von einem innerstädtischen Bereich abgrenzt, der durch die typischen historischen städtischen Toponyme ( Strassennamen, Platznamen, Kirchennamen, Fortifikationsnamen ) geprägt ist. Ihre Forschungsperspektive bleibt so, trotz der Aufnahme moderner Strassennamen und der systematischen Darstellung der Einzelnamen, vor allem auf die Dokumentation der historischen städtischen Toponyme ausgerichtet und nimmt kaum die gesamte Bandbreite der modernen Namenlandschaft und deren Benennungszusammenhänge in den Blick. Im Folgenden soll dargestellt werden, welcher Forschungs- und Darstellungsansatz demgegenüber für das ‹ Namenbuch Basel-Stadt 2 › gewählt wurde und welche Vorteile sich daraus für die Wahrnehmung und Analyse einer städtischen Toponymie ergeben.
Basels städtische Toponyme Im zweiten Band des Namenbuchs Basel-Stadt wurden neben den Strassen- und Platznamen auch alle anderen in der Stadt vorkommenden Toponyme behandelt, wenn sie ein Namenelement mit den im 19. Jahrhundert auf Plänen vermerkten Ortsnamen teilen. Diese Auswahl ermöglichte, dass das vorliegende Namenbuch ein Spiegel all jener ortsbezogenen Namenbestandteile geworden ist, die sich mit und ohne Kontinuität einzelner Toponyme in der Basler Namenlandschaft erhalten haben oder wiederholt als Namenmotiv benutzt worden sind. Das sich daraus ergebende Namenkorpus ist erstaunlich vollständig, was darauf hindeutet, dass es nur wenige toponymische Elemente gibt, die vereinzelt in der Basler Namenlandschaft vorkamen und vorkommen. Zumeist betrifft dies mittelalterliche Hausnamen15, Institutionsnamen, moderne Kirchennamen16 sowie moderne Gastronomie- und Gewerbenamen. Die untersuchten städtischen Toponyme lassen sich in Namenklassen17 ordnen, die zwar jeweils einen gemeinsamen Namenbestandteil haben, aber auf unterschiedliche Orte verweisen. Beispielsweise findet sich das auf einen Familiennamen zurückgehende Namenelement Duttli in vier Kleinbasler Toponymen,18 wovon zwei Flurnamen sind, eines 13
Vgl. hierzu auch die sozio-onomastischen Beiträge in Hough, Names and Naming. Heuser, Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 75. 15 Vgl. das Kapitel ‹ Hausnamen › im vorliegenden Band. 16 Vgl. das Kapitel ‹ Kirchennamen › im vorliegenden Band. 17 Vgl. Nübling, Namen, 99 ff. 14
13
14
Stadtnamen
ein Hausname und eines ein Wegname. Im Namenlexikon wird unter dem Lemma-Ansatz Duttli besprochen, auf welche sprachliche Herkunft der Familienname zurückgeht und wie sich der Familienname zunächst auf Haus und Fluren übertrug, während der Duttliweg seinen Namen später daher bekam, dass er zu Haus und Flur führte. In der wiederkehrenden Verwendung von städtischen Namenelementen lassen sich unterschiedliche Phänomene beobachten, die zur Konstanz einzelner toponymischer Bestandteile im urbanen Raum beigetragen haben. Zunächst einmal kam es mittels Namenübertragungen zur überdauernden Existenz von Namenelementen. Exemplarisch hierfür ist der Fall Grosspeter.19 Ende des 14. Jahrhunderts besass ein Peter mit Zweitnamen Hug und dem Übernamen Grosspeter ( 1395 peter hug alias gross peter ; StABS, Alban F, 24v ) im Gebiet südlich der damaligen Stadtmauer ein ausgedehntes Rebland. In einem Beleg von 1392 ( bona dicti Grospeter ; StABS, Ulrich Urk 14 ) zeigt sich, dass der Übername des Besitzers auf die Grundstücke übertragen worden war und daher auch als Flurname existierte.20 Anfang des 15. Jahrhunderts starb Peter Hug, sein Übername wurde nun von seiner Witwe Adelheid Grosspeterin verwendet,21 der bestehende Flurname Grosspeter blieb jedoch auch unabhängig vom einstigen Besitzverhältnis in Gebrauch und ist bis ins 19. Jahrhundert in Rechtsdokumenten überliefert. Mit der Eintragung des Flurnamens in den ersten Plänen des 19. Jahrhunderts verstetigte er sich schliesslich auch innerhalb der modernen Vermessung und Veramtlichung. Durch den Bau der Eisenbahnlinie im Jahr 1860 wurde die ursprüngliche Flur zerteilt und der Geltungsbereich des Flurnamens Grosspeter verschob sich auf den nördlichen Grundstücksteil, bevor er durch die weitere Überbauung als Flurname gänzlich verschwand. 1901 erstellte man dort eine Strasse und griff für die amtliche Benennung auf den lokalen Flurnamen zurück.22 Mit dieser Grosspeterstrasse blieb das mittelalterliche Namenelement erhalten und weiterhin produktiv. Denn 1932 errichtete der Unternehmer Hans Peter an der Grosspeterstrasse eine Garage des Familienunternehmens Konrad Peter. Auf der Garage war der Schriftzug Gross-Peter-Garage angebracht. Der Objektname spielte wohl bewusst mit der Verbindung zwischen dem eigenen Familiennamen und dem lokalen Strassennamen. Nach dem Verkauf der Garage hielten auch die neuen Besitzer bis zum Abriss der Garage 2010 am bestehenden Objektnamen fest. Der von Weitem sichtbare, beleuchtete Schriftzug an der Auffahrt zur Autobahn, zu der die Grosspeterstrasse nun führte, war stadtbekannt und hatte eine starke Orientierungsfunktion. Die Grosspetergarage wurde zuletzt von einer Firma betrieben, die sich selbst bis heute Grosspeter AG nennt, womit das Namenelement neu auch in einen Firmennamen 18
NbBS 2, 214 f. NbBS 2, 310 ff. und Siegfried / Mischke, Eine Stadt, 440 f. 20 Die lat. Angabe dicti ‹ genannt › gilt allgemein als typischer urkundlicher Eigennamenmarker. 21 In der Zeit, als die Witwe Adelheid die Güter ihres verstorbenen Mannes verwalten musste, schien es wohl aus juristischen Gründen vorteilhaft, sich selbst und die Besitztümer in den rechtsrelevanten Dokumenten unter dem gleichen Namen Grosspeter zu nennen. 22 Zu den in der Strassennamengebung häufigen Übernahmen von Flurnamen für Strassennamen vgl. Naumann, Verkehrswege, 503.
19
Stadtnamen
übergegangen war, von dem es sich auf weitere Garagen in der Region übertrug. Im direkten Umfeld der Basler Grosspeterstrasse blieb das Namenelement ebenfalls produktiv und motivierte dort den Namen der nahen Grosspeteranlage. Informell wird das dortige Gebiet bisweilen Grosspeter-Areal genannt, und ein dort geplantes Bürogebäude trägt den Projektnamen Grosspeter Tower. Der Fall Grosspeter zeigt eindrücklich die mitunter grosse räumliche und typologische Beweglichkeit von urbanen Namenelementen, die sich durch einen wiederholten Referentenwechsel bei Erhaltung des ursprünglichen Namenkerns ergibt. Die hohe Bautätigkeit in der Stadt führt einerseits zur häufigen Aufgabe früherer Fluren und Häuser, was aber andererseits nicht selbstredend das Verschwinden der dazugehörigen älteren Namenelemente nach sich ziehen muss.23 Ein anderes bei den städtischen Toponymen häufig zu beobachtendes Phänomen ist die Wiederaufnahme von Namenelementen ohne erkennbare Benennungskontinuität. Exemplarisch hierfür ist der Fall Gilgenberg.24 Das Namenelement Gilgenberg begegnet uns in Basel mehrfach in toponymischer Verwendung, wobei sich eine vormoderne und eine moderne Benennungsschicht unterscheiden lassen. Der mittelalterliche oder frühneuzeitliche Hausname Zum Gilgenberg und der vom 13. bis zum 17. Jahrhundert belegte Kleinbasler Flurname Im Gilgenberg verweisen auf einstige Besitzbeziehungen zu den Freiherren von Gilgenberg. Dieser Familienzweig des Adelsgeschlechts von Ramstein leitete seinen Namen von seiner Stammburg Gilgenberg beim solothurnischen Zullwil ab.25 Die durch die Anwesenheit der Freiherren von Gilgenberg in Basel und entsprechende Besitzverhältnisse motivierten vormodernen Toponyme stehen wiederum in keinem direkten Benennungszusammenhang mit der 1896 amtlich benannten Gilgenbergerstrasse in einem damals neu erschlossenen Basler Wohnquartier. Der Strassenname gehört zu einer Gruppe von neu vergebenen Strassennamen, mit denen an mittelalterliche Burgen und die zugehörigen Adelsgeschlechter erinnert werden soll. Das Namenelement Gilgenberg wurde also im modernen Strassennamen ohne direkten Bezug auf die vormodernen Toponyme wieder aufgenommen. Die hier zugrunde liegenden regionalgeschichtlichen Überlegungen als Anlass für die Namenwahl werden schon in einer Auftragsexpertise für den Regierungsrat von 1889 angeführt.26 Der Basler Staatsarchivar und Sekretär des Regierungsrats Rudolf Wackernagel zählte hierin die Benennung nach Burgen und Adelsgeschlechtern aus der Stadt- und Regionalgeschichte als Beispiel für mögliche neue Strassennamen auf. Die einzelnen Motive seien dabei frei wählbar und sollten am besten mit vergleichbaren Strassennamen zu einer lokalen Gruppe komponiert werden. Die seit dem 19. Jahrhundert für die amtliche Benennung der Strassen zuständigen Behörden27 wählten bei der Gilgenbergerstrasse ein solches ‹ freies › Benennungsmotiv. Die Basler Namenlandschaft jedoch trug schon vor dieser Entscheidung to23
Zu ähnlichen Fällen der kontinuierlichen Weitergabe von Namenelementen vgl. beispielsweise Feierabend, David, Horburg, Klybeck, Holee, Gundeldingen im NbBS 2. 24 NbBS 2, 290 ff. 25 SONb 2, 15 u. 236. 26 Bau H4, 27.12.1889. Vgl. dazu auch das Kapitel ‹ Moderne Strassennamen › im vorliegenden Band.
15
16
Stadtnamen
ponymische Spuren der Freiherren von Gilgenberg in sich, die zum Benennungszeitpunkt der Strasse allerdings nicht mehr im offiziellen Stadtnamenbild sichtbar waren. Mit dem modernen Strassennamen wurde das Namenelement erneut in der städtischen Toponymie verankert. Es begegnet uns damit in Basel in Ortsnamen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten für verschiedene Orte vergeben worden sind, von denen jeder seine eigene Benennungsgeschichte hat. Durch den Zugriff auf historische Urkunden in der Belegsammlung des ‹ Namenbuchs Basel-Stadt› können wir auch die nicht miteinander im Zusammenhang stehende mehrfache Verwendung der Namenelemente beobachten und erhalten so einen Einblick in deren Konstanz in der städtischen Namenlandschaft. Gerade im Fall von Gilgenberg, aber zum Beispiel auch bei nach nahen Siedlungen ( etwa Benken, Badenweiler, Altkirch ) benannten Toponymen zeigt sich so die historische Tiefendimension von Basel als eines drei Regionen verbindenden Lebensraums. Während Paul Siegfried, der Autor des ersten Strassennamenbuchs von Basel aus dem Jahr 1921,28 die freie Namenwahl mitunter als unangebunden und beliebig kritisierte, da ihm der Blick auf ältere Benennungen mit dem gleichen Namenelement verwehrt blieb, bietet das nun vorliegende Basler Ortsnamenlexikon ein anderes Bild. Auch in diesen Ortsnamen offenbart sich die Stadt- und Kulturgeschichte, da sie die regionale Verflechtung der Stadtbewohner über die Jahrhunderte hinweg belegen. Die in ihrer Motivwahl von der Stadtgeschichtsschreibung inspirierten Nomenklaturverantwortlichen trugen dazu bei, dass diese Namenelemente Eingang in die modernen Strassennamen fanden.29 Viele Einsichten in das Wesen städtischer Toponyme lassen sich erst in der gesamthaften Wahrnehmung und Auswertung von Namenklassen gewinnen. Da diese für die städtischen Ortsnamen gezielt untersucht worden sind, nimmt der Auswertungsband die hierfür gesammelten Toponyme nochmals in ihrer Klassenzugehörigkeit wahr und versucht, sich ihnen mit weiterführenden Fragestellungen bezüglich Vorkommen, Motivik, Entwicklung und Benennung zu nähern. Die folgenden Aufsätze zu den Fortifikationsnamen, den Haus- und Familiennamen, den Kirchennamen, den Flurnamen sowie den vormodernen und modernen Strassennamen untersuchen und präsentieren diese Namenklassen auch in zeitlichen Schnitten und ermöglichen so Momentaufnahmen der historischen Namenlandschaft Basels, wie sie uns in den überlieferten Belegen begegnet. Zugleich kann auf diese Weise die Entwicklung der städtischen Toponymie im Rahmen des Wandels des urbanen Lebensraums beobachtet werden.
27
Vgl. dazu das Kapitel ‹ Nomenklaturgeschichte › im vorliegenden Band. Vgl. Siegfried, StrassenN, 92. 29 Zu weiteren Fällen der diskontinuierlichen Verwendung von Namenelementen vgl. auch die Einträge Adler, Colmar, Sternenberg, Strassburg, Waldeck, Wyhlen, Zwinger im NbBS 2. 28
Stadtnamen
Fazit Stadtnamen umfassen alle in einer Stadt vorkommenden Toponyme und weisen als solche ein grosses Spektrum von kontinuierlich und diskontinuierlich auftretenden Namenelementen aus der städtischen Namengeschichte auf. Wegen der sich bereits seit dem Mittelalter entwickelnden städtischen Verwaltung und den in der Stadt ansässigen Grundherren sind die einzelnen Ortsnamen in Basel schon früh gut dokumentiert und blieben in ihrer Überlieferung nicht einzig auf die mündliche Weitergabe angewiesen.30 Dies führte einerseits zur Tradierung von seit dem 11. Jahrhundert belegten Toponymen, deren Namenbestandteile vor allem auch durch das Phänomen der Namenübertragung bis in die heutige Nomenklatur erhalten blieben. Andererseits belegt die in der Stadtnamenlandschaft häufig vorkommende wiederholte Verwendung von Namenelementen ohne Fortbestand der benannten Orte, dass ein Rückschluss von der demografischen und topografischen Situation in der Stadt auf die dortige Toponymie zu Fehlschlüssen führen kann. Die im Fall von Basel auffällige Konstanz der Namenmotivik ist dabei wohl wesentlich auch auf die gesellschaftliche und politische Stabilität der Stadt zurückzuführen, die nie von grossen politischen Umbrüchen oder Systemwechseln betroffen war. Ausserdem führte die kantonale Trennung der Basler Landschaft von der Stadt 1833 dazu, dass es ausser Kleinhüningen keine weiteren wachstumsbedingten Eingemeindungen stadtnaher Siedlungen in die Stadtgemeinde mehr geben konnte, womit die Siedlungsgliederung in zwei Altstadtkerne und den einstigen vorstädtischen Bereich wesentlich erhalten blieb. Anders als das Urteil von Jacob Grimm nahelegt, lohnt es sich, die Stadtnamen ohne Vorurteile und Beschränkungen zu untersuchen, da sie sowohl hinsichtlich sprachgeschichtlicher, kulturgeschichtlicher und vor allem onomastischer Erkenntnismöglichkeiten ein bisher wenig beachtetes Korpus zur Verfügung stellen, an dem besonders gut Übergangsprozesse einzelner Namenelemente und die Ausprägungen verschiedener urbaner Konzepte beobachtet werden können.31 Die städtischen Ortsnamen lassen sich dabei nicht nur als blosse Benennungen von Orten wahrnehmen, sondern zugleich auch als sprachliche und gesellschaftliche Interpretation des städtischen Lebensraumes zu verschiedenen Zeiten und über die Zeiten hinweg.
30
Zur Frage der in Städten beobachtbaren Schreiberausgleichssprache und der in den Belegen selten zu findenden mundartlich geprägten Schreibformen vgl. Heuser, Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 551. Exemplarisch hierfür ist auch der Unterschied zwischen den urkundlichen Ortsnamenschreibungen im 15. / 16. Jahrhundert und den stark dialektal geprägten Varianten in Felix Platters ‹ Beschreibung der Stadt Basel und Pestbericht › aus dem Jahr 1610. Vgl. dazu auch das Kapitel ‹ Parallelnamen ›, 224. 31 Die jeweiligen Vorstellungen über die Stadt werden aber nicht nur in der offiziellen Namengebung sichtbar, sondern auch im Umgang der privaten und gewerblichen Namennutzerinnen und Namennutzer mit den Toponymen, vgl. dazu das Kapitel ‹ Parallelnamen › im vorliegenden Band.
17
18
Namengeschichte
Namengeschichte
Jürgen Mischke
Wohl niemand wird bezweifeln, dass die Stadt Basel eine Geschichte hat, eine Stadtgeschichte, die erzählt werden kann. An solchen Erzählungen hat man sich immer wieder und auf verschiedene Weise versucht. Überblickswerke interpretieren und verknüpfen ausgewählte Ereignisse zu einer konsistenten Geschichte der Stadt von den Anfängen bis in die Gegenwart, und doch ist jeder dieser Versuche stark von den gewählten Schwerpunkten, der jeweiligen Entstehungszeit und dem spezifischen Adressatenkreis geprägt. So lässt sich die Geschichte einer Stadt zum Beispiel als lehrhaftes Exempel erzählen, eingebunden in einen göttlichen Heilsplan, als Besiedlungs- und Baugeschichte, als gesellschaftliche Emanzipationsgeschichte oder als politisch-wirtschaftliche Verflechtungsgeschichte.32 Was der Begriff Stadtgeschichte meint, scheint uns selbstverständlich, die Namengeschichte einer Stadt hingegen erklärungsbedürftig ; dass Stadtgeschichte und Namengeschichte jedoch miteinander in Verbindung stehen, soll anhand der nachfolgenden Überlegungen zum Siedlungsnamen sichtbar gemacht werden.33 Viele Ortshistoriografien haben den unterschiedlichen Ansätzen zum Trotz eines gemeinsam : Die Deutung des jeweiligen Siedlungsnamens spielt eine zentrale Rolle. So enthalten Wikipedia-Artikel zu Städten und Dörfern fast immer eine Rubrik zur ‹ Bedeutung › von deren Namen, und auch zur Stadt Basel wird kaum ein historischer Überblickstext geschrieben, der ohne einen Verweis auf die Deutungsversuche des Siedlungsnamens auskäme. Zu wissen, was der Name Basel ‹ bedeutet ›, scheint Teil der Textgattung Basler Stadtgeschichte zu sein und wichtig für das Verständnis des Wesens dieser Stadt. Die Frage, woher der Name Basel kommt und was ihn ursprünglich motiviert hat, birgt aus heutiger Sicht viele Unsicherheiten.34 Gerade dieser unklaren Deutungslage ist es zu verdanken, dass in den fast sechshundert Jahren, in denen bislang nachweislich über den Namen Basel nachgedacht wurde, ein gutes Dutzend unterschiedlicher Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des Siedlungsnamens gefunden worden sind. Sie sind, wie die städtische Historiografie auch, geprägt von den Vorstellungen und vom Selbstverständnis der Zeit, in der sie jeweils entstanden sind. Namengeschichte ist dabei weit mehr als ‹ nur › die Geschichte der Entwicklung von Lautung und Schreibung eines Namens, es geht bei den Deutungen des Stadtnamens immer auch um zeitgenössische Verhandlungsprozesse einer städtischen Identität. Der folgende Überblick über die Namengeschichte von Basel soll dies zeigen. 32
Ein Überblick über die Basler Historiografiegeschichte findet sich bei Teuteberg, Basel, 22 ff. Zum Gebrauch des Begriffs vgl. zum Beispiel Sonderegger, Namengeschichte, 3405 ff. ; Schröder, Namenkunde, 4. 34 Vgl. NbBS 2, 106 f. 33
Namengeschichte
Frühe Deutungen Die Deutungsversuche zum Siedlungsnamen Basel reichen zurück bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Für diese Zeit ist auch erstmals die Legende des im Gerberbrunnen hausenden Basilisken belegt. Von diesem Untier mit giftigem Atem und Blick soll der Name der Stadt abgeleitet worden sein, wie Enea Silvio Piccolomini ( 1405–1464 ) in einem 1438 im Kontext seiner Teilnahme am Basler Konzil verfassten Brief an den Erzbischof von Tours bemerkt. In dieser wohl bis heute bekanntesten Namendeutung bringt Piccolomini den Stadtnamen mit der Wirkung in Verbindung, die vom Basler Konzil ausgehe : Für Ketzer sei es genauso gefährlich, vom Basler Konzil zu hören, wie es sei, den Blick des Basilisken zu kreuzen. Auf nämliche Weise argumentiert er im Fall einer anderen im selben Brief erwähnten Deutung, die den Stadtnamen aus dem Griechischen herleitet. Dass Basel ‹ die Königin › bedeute, müsse deshalb korrekt sein, weil diese Stadt die Königin der Kirche beherberge : das Konzil.35 Am wahrscheinlichsten scheint Piccolomini aber eine Deutung, die den Namen Basel vom lateinischen Wort basis ableitet, da die Stadt mit dem Konzil das ‹ Fundament › des Glaubens verstärken werde. Allein diese drei unterschiedlichen Auslegungen innerhalb eines Dokumentes machen deutlich, wie sehr sich ältere hermeneutisch-rhetorische Namendeutungen von modernen linguistischen Ansätzen unterscheiden.36 Die von Piccolomini angeführten allegorischen Deutungen des Siedlungsnamens scheinen im Basel des 15. Jahrhunderts Teil des gelehrten humanistischen Allgemeinwissens gewesen zu sein. So findet sich in Hartmann Schedels ( 1440–1514 ) universalhistorischer Überblicksdarstellung von 1493, die heute als ‹ Schedelsche Weltchronik › bekannt ist, ein illustrierter Eintrag zur Stadt, der den Namen Basel ebenfalls aus dem Griechischen ableitet und ihm die Bedeutung ‹ die Königin › zuschreibt. Alternativ wird auch hier eine Herleitung des Stadtnamens von dem Wort basis angeführt, sie wird jedoch gerade in umgekehrter Weise ausgelegt : In Verbindung mit dem 1356 stattgefundenen Erdbeben handle es sich um einen im Namen enthaltenen Hinweis auf einen Mangel an Fundament. Dass diese Interpretationen den Siedlungsnamen aus dem Lateinischen oder Griechischen herleiten, ist kein Zufall, fallen die Auslegungen doch in die Zeit eines renaissancehumanistischen Gelehrtenideals, das ein Studium dieser Sprachen und der klassischen Literatur umfasste und sie als Verkehrssprachen der ‹ scientific community › nutzte. Noch ganz im Sinne eines mittelalterlichen Namenrealismus wurde die Ähnlichkeit der Wörter dabei als Indiz für eine Wesensverwandtschaft der benannten Dinge verstanden.37 Nachvollziehbar ist daher auch die allegorische Verknüpfung mit der Basiliskenlegende. Auch wenn man bei der Deutung des Siedlungsnamens wohl kaum auf eine bereits bestehende 35
Eine ähnliche Argumentation taucht übrigens bei Johannes Oekolampad ( 1482–1531 ) auf, der den Siedlungsnamen mit Jesus Christus als obersten König in Verbindung bringt. Ungesichert, aber diskutiert worden ist ferner, ob in der Beschreibung der Stadt Basel in einem Oberrheinischen Städtelob aus dem 13. Jahrhundert, nach der in Basel viele Burgen stünden, die sie « wie eine Krone » trage, bereits eine Namendeutung Basel = Königin enthalten sei, Meyer, Lob, 24 f. 36 Siehe zum Vergleich dazu NbBS 2, 106 f. 37 Vgl. Reich, Name und maere, 27 ff. ; LM 8, 354 ff.
19
20
Namengeschichte
Legende von einem Basilisken im Untergrund des Gerberbrunnens zurückgegriffen haben wird. Eher schon dürfte eine Übertragung in umgekehrter Richtung stattgefunden haben : Ein gelehrter Diskurs um die Bedeutung des Namens Basel stellte eine Verbindung her zu dem ähnlich lautenden Tiernamen Basilisk ( von griechisch basiliskos ‹ kleiner König › ), dem – wie beim Siedlungsnamen – über das Ähnlichkeitsprinzip der Wesenszug ‹ königlich › zugeschrieben wurde. Deshalb wird der Kamm auf dem Kopf des Tieres in vielen Darstellungen als Krone stilisiert.38 Dann erst, kurz vor oder im 15. Jahrhundert, dürfte eine volkstümliche, auf den Gerberbrunnen bezogene Ungeheuergeschichte mit dem Motiv des Basilisken verbunden, und in der Folge der Volksglaube an den Basilisken in Basel derart befeuert worden sein, dass die Bevölkerung Angst vor diesem Untier bekam.39 Bemerkenswert ist das grosse späthumanistische Interesse, das im ausgehenden 15. und 16. Jahrhundert den Namen von Städten im Allgemeinen galt. Nicht zuletzt der Buchdruck ermöglichte die Verbreitung von Kosmografien, in denen das Wissen über die bekannte Welt gesammelt wurde. In diesen Weltbeschreibungen und -geschichten fungierten Namen als wesentliches Organisationsmuster des mit der Landschaft in Verbindung gebrachten Wissens, sie waren somit Teil eines Aneignungsprozesses der Welt.40 Bestimmte Namenformen wurden daher in den Weltbeschreibungen nicht nur allegorisch ausgelegt, sondern in frühphilologischen Deutungsversuchen auch als Zeichen für ein hohes Alter der Ortschaften interpretiert, womit die Landschaft und die Städte gleichsam historisiert und legitimiert wurden.41 Und sie bezeugen in dieser Textgattung, wie sich ein Zeichensystem der städtischen Identität ausprägte. Zentrale Elemente dieser Identität sind, wie auf der Darstellung Basels in der – übrigens in Basel gedruckten – Weltchronik von Hartmann Schedel ( 1493 ) zu sehen ist, ein Stadtwappen ( auf dem Rheintor ) und ein ( hier über der Ortschaft schwebender ) Name. Die gleichen Elemente finden sich in Sebastian Münsters Beschreibung der Region und Stadt Basel von 1538 ( Zeichnung Conrad Schnitt ) sowie in seiner ‹ Cosmographia › von 1544.42 Stadtwappen und Namen gehen hier dieselbe identitätsstiftende Beziehung ein, wie sie zu jener Zeit Familienname und Familienwappen hatten.43 Sie sind zwei Repräsentationsformen desselben Referenzobjekts. Das Basler Wappen zeigt einen Bischofsstab ; erstmals tauchte das Motiv im 11. Jahrhundert auf Basler Münzen auf. Im 14. Jahrhundert hat sich dann die noch heute auf dem Kantonswappen übliche Ikonografie des Stabes herausgebildet.44 Der die Herrschaft symbolisierende Stab des kirchlichen Würdenträgers liess sich nur indirekt mit der etymologischen Herleitung des Stadtnamens Basel als ‹ Königin, königlich › verbinden, so zum Beispiel wenn Piccolomini das Konzil als Königin der Kirche stilisierte. 38 39 40 41 42 43 44
LM 1, 1529 f. ; Hofmeier, Basels Ungeheuer, 13 u. 35 ff. ; Sammer, Basilisk, 135 ff. ; Münster, Cosmographia 6, 784. Unter uns, 13 f. ; Stähelin, Name, 7. Vgl. dazu Schlögel, Im Raume, 226. Zum Beispiel Münster, Cosmographia 3, 258. Münster Plan ; Münster, Cosmographia 3, 338. Mischke, Familiennamen, 302. Gemeinden beider Basel, 20 ff. ; Alioth, Brückenschlag, 11.