Marktbewertung und Darstellungswahlrecht – die Details sind entscheidend!

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Marktbewertung und Darstellungswahlrecht – die Details sind entscheidend!

Die Rechnungslegung lässt einige Wahlrechte zu, es ist wichtig dass man diese versteht und auch damit umgehen kann. Mit solchen Wahlrechten kann die Jahresrechnung unter Umständen deutlich besser ausgestaltet und dargestellt werden, obwohl sich substanziell nichts verändert hat. Die nach Art. 960b Abs. 1 OR vorhandene Möglichkeit bestimmte Arten von Aktiven zum Marktpreis zu bewerten, dürfte in der Praxis viel weniger oft zur Anwendung gelangen, als ursprünglich angenommen. Denn gemäss verbreiteter Lehrmeinung gibt es eine Vielzahl von Kriterien, welche erfüllt werden müssen, damit einerseits ein aktiver Markt vorliegt und man andererseits von einem beobachtbaren Marktpreis sprechen kann. Im Umkehrschluss kann festgehalten werden, dass eine Marktpreisbewertung mehrheitlich in den folgenden drei Bereichen vorkommen wird: kotierte Wertschriften, strukturierte Produkte sowie Rohstoffvorräte. Nicht zur Anwendung gelangen wird die Marktbewertung bei nicht kotierten Beteiligung und Immobilien, da dort ein homogener Markt nur in Ausnahmefällen besteht. Für die Praxis von Interesse dürften die Wahlmöglichkeiten betreffend Bilanzierung sein, welche insbesondere bei Wertschriften zur Anwendung gelangen. Die möglichen Bewertungsvarianten sind in nachfolgendem Zahlenbeispiel dargestellt: Böhne Aktien

Anschaffungswert 200 TCHF

Börsenkurs 250 TCHF

Variante 1: Die Gesellschaft beschliesst vom Wahlrecht nicht Gebrauch zu machen und aktiviert die Wertschriften am Ende des Geschäftsjahres zum Anschaffungswert von 200 TCHF. Variante 2: Die Gesellschaft macht vom Wahlrecht Gebrauch und bewertet die Wertschriften am Ende des Geschäftsjahres zum Börsenkurs von TCHF 250. Variante 3: Die Gesellschaft macht vom Wahlrecht Gebrauch und bewertet die Wertschriften am Ende des Geschäftsjahres zum Börsenkurs von TCHF 250, bildet aber gleichzeitig eine Schwankungsreserve von TCHF 50, so dass insgesamt die Anschaffungskosten bilanziert sind. Bei der erwähnten Schwankungsreserve handelt es sich um eine Wertberichtigung, die als Minus-­‐ posten auf der Aktivseite aufgeführt wird. Ein Ausweis auf der Passivseite ist nach Gesetz nicht zulässig. Weiter zu erwähnen ist, dass diese Reserven auch steuerlich anerkannt sind und nicht zu einer Aufrechnung führen. Die Bewertung hat einzeln zu erfolgen und kann nur ausnahmsweise bspw. im Rahmen einer Portfoliobetrachtung vertretbar sein, wobei lediglich zwei marktgängige Titel


zusammen noch keine Portfoliobetrachtung rechtfertigen. Auch an dieser Stelle sei auf die Offenlegungspflichten hinzuweisen, insbesondere auf den Anhang, welcher zwingend auf die Besonderheit der Marktbewertung bei dieser Position einzugehen hat. Die Auflösung und die Bildung solcher Schwankungsreserven erfolgt in der Erfolgsrechnung im Bereich des Finanzerfolges. Weiterführend gilt es sich auch immer wieder die Frage zu stellen, ob diese Aktien als Beteiligungen auszuweisen sind. Das Obligationen-­‐ wie auch das Steuerrecht sind sich einig und sprechen grundsätzlich erst ab einem Anteil von mindestens 20% von einer Beteiligung. Werte unter diesem Prozentsatz stellen eine klassische Finanzinvestition dar. Offenlegungsfragen (Beteiligungsrechte und Optionen sowie Ereignisse nach dem Bilanzstichtag) Im neuen Anhangartikel Art. 959c Abs. 2 Ziffer 11 OR steht: «Anzahl und Wert von Beteiligungsrechten oder Optionen auf solche Rechte für alle Leitungs-­‐ und Verwaltungsorgane sowie für die Mitarbeitenden» sind offen zu legen. Diese Bestimmung ist jedoch unklar formuliert. Bedeutet dies nun, dass im KMU Umfeld zwangsläufig die Aktienverkäufe und insbesondere auch der bezahlte Kaufpreis jährlich offenzulegen sind? Somit wären in jedem KMU Unternehmen die Besitzverhältnisse aus dem Anhang ersichtlich und man würde sich nahe an den zusätzlichen Offenlegungspflichten von Art. 663c OR befinden, welche aber «nur» für börsenkotierte Unternehmen gelten. Zudem stellt sich die Frage, ob diese Offenlegung, falls man eine AG wählt, überhaupt noch etwas mit dem ursprünglichen Grundgedanken der Société Anonym zu tun hat. Es kann insofern gesagt werden, dass ein Zustand wie unter Art. 663c OR klar nicht beabsichtigt ist. Die Bestimmungen in Art. 959c OR Abs. 2 Ziffer 11 sind gemäss verbreiteter Meinung grosszügig auszulegen. Grundsätzlich sind nur die im Berichtsjahr neu zugeteilten Rechte offen zu legen, d.h. keine Bestände oder Abgänge, denn dieses Vorgehen wird als zu aufwändig bezeichnet. Umstritten ist, ob der Nominalwert als Wertbasis ausreicht oder nicht. Meines Erachtens dürfte der Nominalwert nicht ausreichen. In der Praxis könnte sich dieser aus dem einfachen Grund dennoch durchsetzen, da meist zu wenig Zeit für die Berechnung dieses Wertes bleibt und generell die Tendenz besteht, sich bei der Offenlegung auf das absolute Minimum zu beschränken. Die weitere Entwicklung gilt es abzuwarten und die daraus resultierenden Praxislösungen aktiv zu verfolgen. Für mich ist es nach wie vor offen, ob dieser Gesetzesartikel ein toter Buchstabe bleiben wird. Abschliessend möchte ich noch auf die Ereignisse nach dem Bilanzstichtag eingehen. In diesem Bereich herrscht Unklarheit, ob in dieser Position pauschal eine Standardformulierung offengelegt oder von einer Negativformulierung abgesehen wird, sofern keine Ereignisse vorliegen. Gemäss meinen aktuellen Erfahrungen sind kantonal unterschiedliche Tendenzen zu beobachten. Während manche eher eine Standardwortformulierung vorziehen und somit explizit bestätigen, dass keine offenzulegenden Sachverhalte als Ereignis nach dem Bilanzstichtag vorliegen, sehen andere von einer negativen Bestätigung ab und legen unter diesem Punkt nur dann etwas offen, wenn auch ein solches Ereignis besteht. Hier gilt es abzuwarten, welche Lösung sich langfristig durchsetzen wird.


Fazit Sie sehen, wie viele Aspekte es bereits in den gewählten Bereichen zu berücksichtigen gibt. Folglich beschränkt sich das neue Rechnungslegungsrecht nicht nur auf die neuen Mindestgliederungsvorschriften. Deshalb benötigt es nebst umfassenden Fachkenntnissen für die Erstellung einer qualitativ einwandfreien Jahresrechnung auch eine regelmässige Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen. Mit einem Wahlrecht wie bei den Wertschriften kann der Erfolg des laufenden Geschäftsjahres deutlich verbessert werden, obwohl die wirtschaftliche Tätigkeit sich nicht verändert.


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