Augsburgs grüne Insel

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Augsburgs grüne Insel Stadtgarten und Wittelsbacherpark: Freizeitziel, Ausstellungsort, Kongresszentrum Der Augsburger Stadtgarten mit dem 1895 angelegten Wittelsbacherpark ist eine beliebte Erholungs- und Freizeitfläche am Rand des Stadtzentrums. Im Lauf der Zeit diente diese grüne Insel als Ort

context verlag Augsburg

13.04.2012

für Ausstellungen und Konzerte, Messen, Kongresse und sportliche

Franz Häußler

Augsburgs grüne Insel Stadtgarten und Wittelsbacherpark

Großereignisse bis hin zu olympischen Spielen. Die Geschichte der grünen Insel begann 1886: In diesem Jahr fand die Schwäbische Kreisausstellung statt, die 730 244 Besucher anlockte. Danach wurde ein Verein gegründet, um dieses Areal als Erholungs- und Vergnügungsfläche zu erhalten: Die gepflegten Grünanlagen, Ludwigsbau und Sängerhalle, Ausstellungen und Konzerte waren Publikumsmagnete. 1965 wurde die Sporthalle eingeweiht, zu Beginn der 1970er Jahre errichtete man hier den Hotelturm und die Kongresshalle (heute „Kongress am Park“). Der 1957 gestiftete Rudolf-DieselGedächtnishain legte den Grundstein für die Städtepartnerschaften mit Amagasaki und Nagahama. Stadtgarten und Wittelsbacherpark sind mit ihrer bewegten Vergangenheit, ihren markanten Gebäuden, lauschigen Plätzen und weitläufigen Grünflächen zentrale Plätze in Augsburgs Geschichte. Stadthistoriker Franz Häußler hat die Geschichte und Geschichten des Stadtgartens und des Wittelsbacherparks – vom Ludwigsbau bis zu „Kongress am Park“ – reich bebildert dokumentiert.

Franz Häußler context verlag Augsburg 120 Seiten I 129 Abbildungen I 18,90 Euro ISBN 978-3-939645-48-1

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Augsburgs grüne Insel | Stadtgarten und Wittelsbacherpark

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Vom Ludwigsbau zu „Kongress am Park“



Es begann anno 1886

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Eine Ausstellung lockte 730 244 Besucher an

Stadtgarten und Wittelsbacherpark

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Vergnügungs- und Erholungsplatz für ganz Augsburg

Die Sängerhalle

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Ein Vielzweck-Holzbau für 6000 Festgäste

Der Ludwigsbau

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Konzerthalle, Faschingshochburg, Ersatz-Oper

Der Treffpunkt für Augsburg

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Stadtgarten: Jahrzehntelang Publikumsmagnet

An der Seufzerallee

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Junger Park mit variantenreicher Geschichte

Rudolf-Diesel-Gedächtnishain

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Das Geschenk aus Japan wurde 1957 übergeben

Die Sporthalle

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Eröffnung 1965 mit einem Handball-Länderspiel

Der „Maiskolben“

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Ungewöhnliches Turmhotel und Appartementhaus

Die Kongresshalle

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Seit 1972 viel frequentierter Multifunktionsbau

„Kongress am Park Augsburg“

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Denkmalgeschützte Architektur und Hightech Dank Impressum/Bildnachweis

119 120 Plan vom 25. Februar 1911. Er umfasst den Stadtgarten, den Wittelsbacherpark und Flächen für spätere Parkerweiterungen.

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Es begann anno 1886


Es begann anno 1886 Eine Ausstellung lockte 730 244 Besucher an

Das Kongresszentrum „Kongress am Park“ (früher Kongresshalle) und der Hotelturm befinden sich im Augsburger Stadtgarten. Der offizielle Name für diesen ältesten Teil des großen Parks steht zwar in den Stadtplänen, ist aber nicht mehr geläufig. Einst war er in aller Munde und in Augsburg ein fester Begriff. Dort befanden sich eine Konzerthalle, die Sängerhalle, der Ludwigsbau, ein Marionettentheater und anderes mehr. Der Stadtgarten war das Vergnügungs-, Veranstaltungs- und Ausstellungsareal Nummer eins, lange bevor 1972 die Kongresshalle eingeweiht wurde. Die Geschichte des Stadtgartens und des ab 1895 angelegten Wittelsbacherparks begann mit der „Schwäbischen Kreisausstellung“ im Jahre 1886. Sie fand auf jenem weiten Gelände statt, das nach dem Ende der Ausstellung zum Stadtgarten umgestaltet wurde. Dieses Areal wurde noch Mitte des 19. Jahrhunderts überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Die Felder zwischen der Gögginger Straße und dem Rosenauberg hießen „Sankt Georgen-Acker“ und „Rosenaufeld“. Weit draußen an der Allee nach Göggingen lag das „Gartengut zum Rosenaufeld“. Es war bis um 1850 das einzige bebaute Grundstück westlich der Straße.

Bodenspekulation mit dem „Sankt Georgen-Acker“ 1817 hatte es der Augsburger Bankier Dietrich Erzberger erworben und darauf ein herrschaftliches Landhaus errichten lassen. Seine Anschrift lautete Litera J 35, 36, 37 (ab 1879: Gögginger Straße 38a). Auf dem Weg Hinter aufwendigen Fassaden verbergen sich die Hallen der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1886. Der See mit Pavillon vermittelt den Eindruck eines Parks.

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von der Stadt dorthin standen an der Gögginger Straße zwei kleine Votivkapellen, dahinter erstreckte sich das Rosenaufeld. Seit 1844 trennen Eisenbahnschienen das Rosenaufeld von der Kernstadt. Eine Brücke führt über die Bahntrasse, unmittelbar danach zweigt die Rosenaustraße ab. An ihrer Südseite begann der Stadtgarten. Bis 1866 gehörte ein rund 8500 m2 großes Eckgrundstück dem Kunst- und Handelsgärtner Ludwig Daucher. Er verfügte darin über ein „Wohnhaus mit Remise und Hofraum“. So ist das Anwesen im Kaufvertrag beschrieben, mit dem am 13. Februar 1866 der Eigentumsübergang an die Tabakfabrik Lotzbeck & Cie. beurkundet ist. Deren Besitzer Ludwig Sander kaufte zu dieser Zeit systematisch stadtMit solchen Zeichnungen und ausführ-

nahes Bauerwartungsland. Im November 1864 hatte er schon von Gärtner

lichen Texten warben 1886 die bekanntes-

Daucher daneben dessen „Sankt Georgen-Acker“ (3,62 ha) und ein weiteres

ten deutschen illustrierten Wochenblätter

Feld (1,87 ha) gekauft.

für die Ausstellung in Augsburg. Das

Heute würde man Ludwig Sander einen Bodenspekulanten nennen.

Presse-Komitee hatte eine aufwendige

Er wusste sicherlich, dass ein Bebauungsplan „östlich und westlich der

Werbestrategie entwickelt, die sich lohnte.

Gögginger Landstraße zwischen Rosenaustraße und Ulrich-HofmaierStraße“ (so die Aufschrift auf der Archivalie Nr. 14263 im Staatsarchiv Augsburg) vorgesehen war. Als dieser 1873 konkret in die Wege geleitet wurde, stiegen die Bodenpreise enorm. Georg Thenn, der wohlhabende Besitzer des renommierten „Gasthofs zur goldenen Traube“ südlich der St.-Moritz-Kirche, setzte auf weiter anziehende Grundstückspreise und erwarb am 13. September 1876 für 104 571 Mark den Sander'schen Grundbesitz von 60 410 m2 über dem Rosenauberg. Die Bezeichnung „Thenn'sches Gartengut“ für den an der Gögginger Straße liegenden Teil galt nur kurz.

Die Stadtgärtnerei wird zum Ausstellungsgelände Bereits am 18. April 1878 kaufte die Stadt die 6,04 ha große Fläche. Sie musste 180 000 Mark dafür bezahlen. In eineinhalb Jahren hatte Georg Thenn also die gewaltige Summe von rund 75 000 Goldmark verdient. Die „Commune“ (so der neue Besitzvermerk) hatte Baulandpreise bezahlt, baute aber auf dem Gelände vorläufig weder selbst, noch veräu-

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Es begann anno 1886


ßerte sie es zur Bebauung weiter. Im Adressbuch 1878/79 lautet der Eintrag erstmals „Städt. Gartengut, Gögginger Landstraße 4a“. Die Bezeichnung „Städt. Gartengut“ war treffend, denn auf etwa der Hälfte der Fläche wurde die Stadtgärtnerei eingerichtet, der Rest des Ackerlandes in Wiesen umgewandelt. In das vormals Thenn'sche Gartenhaus zog der Stadtgärtner Karl Jung ein. Er und seine Gärtner übernahmen die vormaligen Anzuchtflächen eines Kunstgärtners und zogen hier alles heran, was zur Verschönerung öffentlicher Bereiche benötigt wurde. Diese Stadtgärtnerei ist als Vorläuferin des Botanischen Gartens anzusehen, obwohl damals noch keine öffentliche Blumen- und Pflanzenschau angegliedert war.

Die größte Ausstellung des 19. Jahrhunderts Ein Teil des städtischen Geländes über dem Rosenauberg wurde 1883 von einem Komitee als zentrumsnahes Idealgelände für die „Schwäbische Kreis-, Industrie-, Gewerbeund kunsthistorische Ausstellung Augsburg 1886“ ausersehen. Dieser Tatsache verdanken wir folgende Grundstücksbeschreibung: „Dasselbe bestand aus zwei Theilen; der vordere, gegen die Göggingerstrasse gelegene Theil enthielt das Wohnhaus des Stadtgärtners und war an der Peripherie von Gesträuchen und Bäumen umgeben; der rückwärtige, an die Rosenaustrasse und den Rosenauberg grenzende Theil war lediglich Wiesgrund.“ Als Ausstellungsareal war das vordere Grundstück ins Auge gefasst – die Stadtgärtnerei. Die Stadt stellte das Gelände kostenlos zur Verfügung, doch dieses galt es erst für die neue Verwendung tauglich zu machen. Das war der Beginn eines finanziellen und organisatorischen Mammut-

Dieser anschauliche „Situationsplan“ im

Unternehmens, das die vornehmlich aus der Wirtschaft kom-

Großformat war an vielen Stellen auf dem

menden Organisatoren in die Tat umsetzten. Es wurde das

Ausstellungsgelände angebracht. Er ermög-

größte bislang in Augsburg realisierte Ausstellungsprojekt.

lichte den Besuchern das Zurechtfinden.

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Ausschnitt aus einem 1881 gefertigten

Ein Manko wies der Stadtgarten anfangs auf: Es fehlte eine Konzert-

Umschreibplan. Die Ur-Karte (schwarz)

halle. Dem half die Stadtgarten-Gesellschaft rasch ab. Das Konzerthaus

bildet noch das Gartengut ab, das 1886

wurde 1889 mit einer Grundfläche von 1450 m2 gebaut. Diese Fläche

zum Ausstellungsareal wurde. In Rot wur-

musste der Stadtgarten an der Imhofstraße abgeben. Die Halle erhöhte

den um 1890 darüber die davon verblie-

das Platzangebot unter Dach, bot sie doch fast 2000 Sitzplätze. Der

benen Gebäude, der Rundbau der im Juli

„Augsburger Kurier“ vom 21. Juli 1889 enthält ein Inserat für „2 Monstre-

1889 eröffneten Konzerthalle sowie die

Concerte zur Feier der Eröffnung der neuerbauten Concerthalle“. Jean

neuen Grundstücksgrenzen nachgetragen.

Keller, der wenige Jahre zuvor für Friedrich Hessing das Kurhaustheater in Göggingen errichtet hatte, zeichnete als Architekt verantwortlich. Die Konzerthalle und ihre Bespielung belasteten die Stadtkasse nicht, denn in Augsburg gab es einst reichlich Mäzene. Ein Beispiel dafür, wie

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Stadtgarten und Wittelsbacherpark


sich Wohlhabende damals dem Gemeinwohl verpflichtet fühlten, sind die

Der Stadtgarten erlebte auch „aeronau-

Prinz-Brüder. Ideen- und Hauptgeldgeber war das Finanzgenie Friedrich

tische Produktionen“ wie jene am 4. August

Prinz (1840 –1914), dessen 1914 aus seinem Vermögen von zwei Millionen

1889 vor über 3000 Schaulustigen.

Goldmark eingerichtete „Prinz-Stiftung“ 2012 rund zehn Millionen Euro

Die „Officiellen Fest-Postkarten“ des Volks-

umfasst. Der Junggeselle war Vorstandsmitglied der Augsburger Kamm-

festes von 1906 trugen diesen Stempel.

garn-Spinnerei und Aufsichtsrat im Stadtgarten-Verein. Sein Bruder, der Färbereibesitzer Heinrich Gottlieb Prinz (1839 –1895), bestimmte in seinem Testament einen Teil der Erträgnisse aus seinem Nachlass „zur Vergrößerung und Verschönerung des Augsburger Stadtgartens und aktuell der Erbauung eines Gesellschaftshauses in diesem Garten“.

Die Prinz-Brüder als spendable Mäzene Alljährlich musste die Stadt als Verwalterin des Heinrich-Prinz-Erbes stattliche Beträge auszahlen. 1896 waren dies rund 2000 Mark, 1905 der doppelte Betrag. Zum Vergleich: Der Jahres-Spitzenlohn eines Arbeiters in der Augsburger Textilindustrie betrug um 1895 rund 1250 Mark. Der AKS-Vorstand Friedrich Prinz war bereits zu seinen Lebzeiten spendabel.

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Stadtgarten und Wittelsbacherpark


Den Ersatz an gleicher Stelle bildete der Ludwigsbau. Er konnte im Jahr 1914 eingeweiht werden. 1965 wurde er abgebrochen und durch die am 17. Juni 1972 eröffnete Kongresshalle ersetzt. Sie hatte eine weitere, allerdings bereits 1934 verschwundene Vorgängerin – die rund 6000 Personen fassende hölzerne Sängerhalle.

Anno 1913: Stadtgarten 56 000 m2, Wittelsbacherpark 73 000 m2 Im Oktober 1913 nennt Stadtbaurat Otto Holzer die damalige exakte Größe der Parkanlage. Sie umfasse insgesamt 129 000 m2 (Stadtgarten 56 000 m2, Wittelsbacherpark 73 000 m2). 1950 wurde der Stadtgarten nach über einem halben Jahrhundert wiederum zum Messegelände: Bis 1954 wurden die weiten Grünflächen mindestens einmal im Jahr zweckentfremdet. 1955 ließ die Ausstellungsgesellschaft erstmals am Rand des südlichen Parkteils gegenüber der St.-Anton-Kirche Zelthallen aufstellen. Von 1956 bis 1987 fand hier die Augsburger Frühjahrs-Ausstellung („afa“) statt. Um diese Fläche wuchs danach die Parkanlage, und zwar um 35 000 m2 auf nunmehr 180 879 m2 (einschließlich des Parkplatzes an der Sporthalle). Einen „Park im Park“ bildet seit 1957 der von dem japanischen Großindustriellen Magokichi Yamaoka gestiftete 940 m2 große Rudolf-DieselGedächtnishain mit seinen 56 Felsen aus dem Fluss

„Officielle Festkarte No 1“ zur Gastwirts-

Inagawa in Japan. Sieben Kinderspielplätze unter-

gewerbe-Ausstellung im Jahre 1906.

schiedlicher Größe und Ausstattung weist der Grün-Plan von 2012 auf.

Linke Seite: Baulinienplan, 10. März 1905.

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Eine Postkarte zum 57. Deutschen Katho-

Wiese hinter der hölzernen Schaufassade von 1886 an, die bis dahin wie

likentag 1910 zeigt die speziell zu diesem

eine Kulisse an dieser Stelle den Stadtgarten abschloss.

Großereignis modernisierte Sängerhalle.

Der mit Planung und Kostenermittlung beauftragte Augsburger Zimmermeister Caspar Walter unterbreitete dem Festkomitee den Vorschlag, eine in München zum Verkauf stehende hölzerne Halle zu erwerben, zu zerlegen und im Stadtgarten wieder aufzubauen. Die Halle entspräche in der Größe in etwa seinen Plänen. Sie stand in der Landeshauptstadt auf der Kohleninsel, diente ursprünglich als Kraftmaschinenhalle, danach als Sport- und Ausstellungshalle. Nachdem der Sängerbund eine Kostenbeteiligung von 18 000 Mark zugesagt hatte, erwarb die Stadt für 41 500 Mark das 74,5 Meter lange, 32 Meter breite Bauwerk mit einer Firsthöhe von

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Die Sängerhalle


17 Metern samt bereits eingebauter Galerien. Dank perfekter zimmermännischer Konstruktion war die Halle zerleg- und transferierbar. Schön war der riesige Holzbau nicht, aber zweckdienlich. Die bereits vorhandene Schaufassade eines Ausstellungsgebäudes wertete die dem Stadtgarten zugewandte Seite optisch auf. Den Haupteingang mit Kassen und Arkaden platzierte man an der rückwärtigen Giebelseite, seitlich wurden Toiletten und Wirtschaftsräume angefügt. Ein Bretterboden, eine riesige Bühne und großzügige Ausleuchtung mit 12 Bogen- und 150 Glühlampen nahmen der Halle etwas von ihrem Schuppencharakter. Anno 1900 besaß Augsburg noch kein Stromnetz. Das Elektrizitätswerk am Lechkanal bei Gersthofen war erst im Bau. Bis von dort Strom nach Augsburg floss, trieb eine fahrbare Dampfmaschine, eine „Lokomobile“, einen Generator an. Üppiger Grünschmuck, Stoff-Draperien und Fahnen gaben der Halle sogar ein festliches Aussehen und sorgten zudem für akzeptable Akustik. Die Massenchöre beim großen Sängerfest vom 14. bis 16. Juli 1900 hatten eine Auftrittshalle. Beim 31. Radfahrer-Bundestag 1914

1902: „Zweckmäßigkeit hat sich glänzend bewährt“ Der damalige städtische Oberbaurat Fritz Steinhäußer, unter dessen

wurde die zum Sängerbundfest anno 1900 (Postkarte unten) aufgebaute

Leitung das Hallenprojekt stand, konnte bereits 1902 zufrieden feststellen:

Sängerhalle zur Radsport- und Haupt-

„Wenngleich der Gesamtkostenaufwand von 71 000 Mark für die nur zeit-

veranstaltungshalle.

weise Benützung der Festhalle auch ein sehr beträchtlicher war, so hat sich die Zweckmäßigkeit des Baues seither doch wiederholt schon glänzend bewährt und wurde einem langgefühlten Bedürfnisse der Stadt nach einem großen Festraume damit abgeholfen.“ Der Volksmund taufte den Bau rasch „Sängerhalle“. Der Stadtgarten war durch die Sängerhalle um eine große Attraktion reicher. Dank dieser Halle entwickelte sich der Park zum Veranstaltungsund Kulturzentrum Nummer eins für Massenbesuch. Die Jahrhundertfeier 1906, begleitet von Ausstellungen und Tagungen, war ein solcher RiesenEvent. Zum 57. Deutschen Katholikentag 1910 wurde der so vielfach verwendbare Zweckbau grundlegend modernisiert, durch Zubauten erweitert

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Die 1886 errichtete Schaufassade mit der

waren Großer Zapfenstreich und bengalische Beleuchtung aller Gebäude-

im Jahre 1900 angefügten Sängerhalle.

fronten angekündigt. Der Großbrand in der Nacht zuvor hatte mit infernalischem Feuerzauber alle angekündigten Lichteffekte weit übertroffen. Gauleiter Wahl schrieb sofort von einem „bolschewistischen Anschlag“,

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Die Sängerhalle


im späteren Sprachgebrauch war es ein „kommunistischer Sabotageakt“.

Beim Brand war kurzzeitig die Konstruktion

Unter den Augsburgern hielt sich das Gerücht, ein betrunkener Wachtrupp

erkennbar, ehe sie zusammenstürzte.

habe durch Fahrlässigkeit das Feuer verursacht. Offiziell wurde die Brandursache nie geklärt. Doch das aufsehenerregende nächtliche Feuer, bei

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Der Ludwigsbau


Der Ludwigsbau Konzerthalle, Faschingshochburg, Ersatz-Oper

Der Ludwigsbau wurde 1965 gesprengt. Er war das letzte der historischen Gebäude im Stadtgarten, mit dem sich vielfältige Erinnerungen einer inzwischen in das hohe Seniorenalter gekommenen Generation verbinden. Sie waren betroffen, als Bauexperten mitten in der Faschingssaison des Jahres 1963 die eiserne Tragekonstruktion der Kuppel als marode bezeichneten. Diese Experten hielten wegen akuter Einsturzgefahr eine sofortige Sperrung des Saales für nötig. Der Rat wurde befolgt, die restlichen Bälle fielen aus. Der große Saal unter der Kuppel blieb ungenutzt.

Die „marode“ Kuppel lag unversehrt auf dem Schutt Während sich in der Bevölkerung Unmut über die Schließung breitmachte und Zweifel am Expertenurteil aufkam, waren Architekten, Stadtplaner und Politiker keineswegs unglücklich über das abrupte Ende des Ludwigsbaus. Ihre Argumente: Er sei schon längst nicht mehr zeitgemäß, es bestehe ohnehin dringend Renovierungsbedarf und außerdem würde Augsburg ein moderner Vielzweckbau gut zu Gesicht stehen. Stadtbaurat Walther Schmidt war als strikter Verfechter „neuen Bauens“ bekannt und schnitt allzu gern alte bauliche Zöpfe ab. Ein Beispiel: Beim Wiederaufbau des Stadttheaters ließ er eine „Purifizierung“ der gut erhaltenen Fassade durchführen. Das heißt: Ornamente und Reliefs mussten abgeschlagen, die Statuen von Goethe und Schiller entfernt werden. Bayerns letzter König, Ludwig III., (Eingangsmitte, mit weißem Bart), nach dem der Ludwigsbau 1914 benannt wurde, stattete der neuen Konzerthalle im Jahre 1916 mit großem Gefolge einen Besuch ab.

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Wochen nach Ende des Krieges, fand das erste Konzert eines schnell zusammengestellten Augsburger Symphonie-Orchesters „for the 7th Army Troops“ statt. Am 1. November 1945 dirigierte dann Arthur Piechler Chor und Orchester des Oratorien-Vereins Augsburg vor deutschem Publikum. Johannes Brahms' „Ein deutsches Requiem“ stand den Toten zum Gedenken auf dem Programm. Das „Opernhaus Ludwigsbau“ (so die Aufdrucke auf Programmen) bot bis zur Wiedereröffnung des Stadttheaters (erste Vorstellung am 10. November 1956) die ganze Vielfalt des Theaterbetriebs: Oper, Operette, Schauspiel. Selbst große Produktionen wie „Tosca“ und „Der Ring des Nibelungen“ kamen zur Aufführung. Manch junger Mensch kam damals erstmals bei den Nachmittagsaufführungen für Schulklassen mit „höherer Kultur“ in Berührung. Im Fasching musste in dieser Zeit zerstörter großer Säle schnell umgestuhlt werden. So zum Beispiel 1950. Das belegt folgende Zeitungs-

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Der Ludwigsbau


Kurzinfo: „Heute um 20 Uhr der große traditionelle Rosenmontagsball in

27. März 1965: Die Staubwolke hat sich

allen Räumen des Ludwigsbaus mit künstlerischen Darbietungen, 3 Tanz-

verzogen, die als nicht mehr tragfähig

kapellen. Im 1. Stock Rosenlaube mit Sektausschank. Am Faschingsdienstag

eingestufte Dachkonstruktion des Ludwigs-

um 19 Uhr Madame Pompadour.“ Ball-Veranstalter und Theaterleute arran-

baus deckt kaum beschädigt das darunter

gierten sich eben. Erst in der Faschingssaison 1957 konnte der Ludwigsbau

weggesprengte Mauerwerk.

wieder seine angestammte Rolle als bevorzugter Ort großer Tanzveranstaltungen und Bälle (längst natürlich auch Maskenbälle) einnehmen – bis 1963 die eingangs geschilderte Sperrung folgte. Linke Seite: Postkarte von 1918, beschriftet

Die Orgel übersiedelte in die Herz-Jesu-Kirche Liebhaber von Orgelmusik konnten sich über den Abbruch des Ludwigs-

„Ludwigsbau (neue Conzerthalle i. Stadtgarten)“. Darunter ein Ausschnitt aus der

baus etwas hinwegtrösten: Die Orgel war ab 1966 in der Herz-Jesu-Kirche

dezent gehaltenen Faschingsdekoration

in Pfersee zu hören. Sie wanderte 32 Jahre später weiter in die Kathedrale

von 1950, gestaltet von dem Augsburger

von Szombathely in Ungarn. Dorthin wurde sie 1998 verkauft.

Grafiker Richard Leitsch.

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Die Sporthalle


Die Sporthalle Eröffnung 1965 mit einem Handball-Länderspiel

Am 11. Dezember 1965 war es so weit: Die neue städtische Sporthalle am Rand des Wittelsbacherparks konnte mit dem Handball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich eröffnet werden. Das Gelände zwischen der Seufzerallee (der Verlängerung der Moltkestraße) und der Ulrich-Hofmaier-Straße bot sich aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Rosenaustadion und dessen Nebenfeld an. Dieses Areal war schon 1905 in einem Baulinienplan verplant: Hier sollten Einfamilienhäuser stehen. 1935 wurde im Stadtgarten eine riesige Stadthalle geplant. Eine Zeichnung weist entlang der Ulrich-Hofmaier-Straße einen rundum mit Grün abgeschirmten „Auto-Park-Platz“ aus, den ein Kinderspielplatz von einem Eichenhain trennt. Dieser Hain wurde nie bepflanzt.

Sporthalle statt Eichenhain Exakt dort, wo eigentlich Eichen stehen sollten, sah man 1962 das Idealgelände für eine Sporthalle. Das Areal südlich der Seufzerallee war zu dieser Zeit teilbegrünt, diente bereits als Parkplatz für das Rosenaustadion und galt für die Ausrichtung der Frühjahrs-Ausstellung nebenan als unentbehrlich. Im Juni 1962 schrieb die Stadt Augsburg einen Ideenund Preiswettbewerb für eine Sporthalle aus. In der Stadtratssitzung vom 18. März 1963 fiel die Entscheidung für ihren Bau. Die Räte hatten sich nicht nur für den preisgünstigsten Entwurf entschieden, sondern auch den ungewöhnlichsten. Sie fanden das vorgestellte Modell außergewöhnlich ästhetisch. Schon am 29. Oktober 1963 erfolgte die Grundsteinlegung. Dieses Hallenmodell imponierte 1963 dem Preisgericht derart, dass es sich für das elegante neuartige Hängedach entschied.

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die PR-Information „Der Turm“ von der 12. bis zur 17. Etage 102 eingerichtete mietbare Appartements im „Boardinghouse“, von der 19. bis zur 33. Etage 195 Atelier- und Appartement-Wohnungen. „Wohnen im Park“ lautete ein Slogan. Eine Aussichtsterrasse im 34. Geschoss erlaubte Besuchern den Rundumblick über Augsburg und die Umgebung, im 35. Stockwerk wurde ein Panorama-Restaurant mit „Rainbow-Night-Club“ eingerichtet. Sechs Schnellaufzüge in der Mittelröhre sorgten für bequeme Beförderung. Die Augsburger genossen anfangs massenweise die Aussicht. Am 17. Juni 1972 war nebenan die Kongresshalle eröffnet worden. Das Hauptargument der den Bau des „Maiskolbens“ befürwortenden Stadtpolitiker war die ideale Ergänzung des neuen stadteigenen Veranstaltungsbaus und dessen Aufwertung zum Kongresszentrum durch ein luxuriöses Hotel. Ein Parkhaus für 550 Pkw entstand nebenan. Es sollte Autos von Kongresshallen-Besuchern und Turmbewohnern von den umliegenden Wohnstraßen fernhalten.

Verkäufe, Zwangsversteigerungen Im Januar 1974 sorgte die Pressemeldung „Der Turm wird verkauft“ für Überraschung. Neuer Turmherr wurde der vom Baustoffhändler zum Herrscher über Deutschlands damals größtes Textilimperium aufgestiegene Augsburger Hans Glöggler. Über seine Luxemburger Firma Eurotextile kaufte er den Turm für 50 Mill. DM. Mit einem rauschenden Fest wurde der Eigentumswechsel mit viel Prominenz gefeiert. Das Adressbuch 1975/76 nennt als Besitzer „Eurotextile S. A. Hans Glöggler“ und nicht weniger als 239 unter der Adresse Imhofstraße 12 gemeldete Mieter. Im Februar 1976 war Schnitzenbaumer vorübergehend wieder Eigentümer: Der Multiunternehmer Glöggler befand sich bereits in argen Finanznöten und konnte

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Stockwerk um Stockwerk wuchs 1971 das

die „Rest-Kaufsumme“ von 45 Mill. DM nicht überweisen. Er scheiterte

außergewöhnliche Bauwerk, das auf die-

schlussendlich als Textilmonarch.

sem Foto die halbe Höhe erreicht hat. Zahl-

Doch auch die Schnitzenbaumer-Holding war nicht mehr imstande,

reiche Schaulustige trafen sich fast täglich

das gewaltige Objekt finanziell zu schultern. Ende 1979 wurde der Turm

an Augsburgs interessantester Baustelle.

erstmals für 35 Mill. DM zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Doch

Der „Maiskolben“


niemand wollte ihn zu diesem Preis haben. Im März 1980 bekam die

Ungewöhnliches Foto aus dem im Stadt-

Hessische Landesbank (ihr schuldete Glöggler aus dem Turmgeschäft

archiv verwahrten papierenen Nachlass

immer noch 33 Mill. DM) den Zuschlag für 20 Mill. DM. Sie wollte die

des Baukonzerns Thosti. Aus einem am

Immobilie natürlich nicht behalten. Ohne Erfolg suchte sie einen Käufer.

Kran hängenden Drahtkorb richtete der

Im darauffolgenden Jahr entschloss sich die Bank deshalb zum stückchen-

Fotograf seine Kamera von oben auf die

weisen Verkauf. Sie pries 328 Eigentumseinheiten als „Renditeobjekte für

ungewöhnliche Baustelle.

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| 104 | „Kongress am Park Augsburg“


„Kongress am Park Augsburg“ Denkmalgeschützte Architektur und Hightech

Die Kongresshalle ist seit der Wiedereröffnung am 3. Mai 2012 nicht mehr die alte. Das drückt auch der neue Name aus: „Kongress am Park Augsburg“. Das typische 70er-Jahre-Bauwerk wurde auf vielfältige Weise fit gemacht, um im harten Wettbewerb unter deutschen Tagungszentren konkurrenzfähig zu bleiben und um neue Kunden nach Augsburg zu locken. Es gab viele Gründe für die Stadt Augsburg, die „große Lösung“ anzugehen: eine auf 20 Mill. Euro veranschlagte Generalüberholung. Die Kongresshalle wurde vor dem großen Ölpreisschock geplant und gebaut. Der kam Ende des Jahres 1973, mehr als ein Jahr nach ihrer Einweihung. Entsprechend dem bis dahin vorherrschenden Denken von der unbeschränkten Verfügbarkeit preisgünstiger Ressourcen fiel auch die Energiebilanz dieses Großprojektes aus. Der Verbrauch war utopisch hoch. Eine Energieschleuder sei die Kongresshalle, hieß es. Die Kosten für Heizung, Lüftung und Wasser summierten sich auf rund 400 000 Euro pro Jahr.

Miserable Umweltbilanz und Sicherheitsmängel Es war klar, dass dies so nicht bleiben konnte. Das Denken in Bezug auf Umweltbilanz und Energieeffizienz ist längst ein anderes als zu Baubeginn. Dazu kam, dass eine optische Auffrischung an vielen Stellen überfällig war. Viele Bauteile, Installationen und Beläge waren verbraucht oder entsprachen nicht mehr zeitgerechten Standards. Im November 2008 lag Die klaren Strukturen des rauen Sichtbetons der im Jahre 2009 zum Baudenkmal erklärten Kongresshalle kamen bei der im Mai 2012 vollendeten Generalsanierung außen wie innen wieder zum Vorschein.

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