Bilderreise durch die Griechische Religion

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Bilderreise durch die griechische Religion Von Ursula Kampmann, © MoneyMuseum Die Gegensätze und Gemeinsamkeiten zwischen der westlichen, christlich geprägten Welt und dem Islam sind heute fast ständig ein Thema. Worin das Christentum aber seine eigenen Wurzeln hat, ist schon fast vergessen. Gemeint ist hier nicht etwa die Jesus-­‐ oder die biblische Schöpfungsgeschichte – nein, es ist die vielfältige, lebenspralle Welt der griechischen Götter. Ein guter Grund also, sie sich wieder in Erinnerung zu rufen. Denn obwohl längst vom Olymp verstossen, haben sich Rituale und Zeremonien zu ihrer früheren Anbetung bis heute im christlichen Glauben erhalten: In jedem Osterlamm und in jedem kirchlichen Gottesdienst leben die «heidnischen» Rituale und Zeremonien aus antiker Zeit wieder auf ...

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Was ist Gott?

Domenico Novello Malatesta (*1418, †1465), nach seiner Rettung aus einer Schlacht vor dem Kreuz kniend, um Gott für seine Rettung zu danken. Bronzegussmedaille des italienischen Medailleurs und Malers Pisanello (*ca. 1395, †ca. 1455)

Die Religionen des Buches haben darauf eine ganz ähnliche Antwort, auch wenn ein Muslim, ein Christ und ein Jude seinen Gott jeweils bei einem anderen Namen nennt: Gott ist allmächtig, Gott ist gerecht, Gott ist Herrscher im Himmel und auf Erden und blickt herab auf die Menschen, urteilt, ob sie sich gut oder schlecht verhalten, belohnt und bestraft, schafft Ausgleich in einer Welt, in der die Schwachen den Mächtigen hilflos ausgeliefert sind.

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Was ist Gott für einen antiken Griechen?

Ein Adler, einen Hasen reissend. Hemidrachme aus Akragas (Agrigent, Sizilien), um 410 v. Chr.

Einem Griechen in der Zeit der Kolonisation (7./6. Jahrhundert v. Chr.) wären diese Forderungen an die Götter höchst merkwürdig vorgekommen. Für ihn war ein Gott keine Person, sondern eine Erfahrung. Unsere Münze gibt im Bild die Art und Weise wieder, wie der Gott Zeus in das Leben der Menschen eingreifen konnte. Ein Mensch erlebte die göttliche Übermacht genauso wie der Hase, der gerade noch friedlich auf einer Wiese an einem Grashalm mümmelt, wenig später in den Krallen des Adlers davongetragen wird, ohne jede Chance sich dagegen zu wehren. Der Mensch fühlte sich machtlos in den Händen der Götter, so machtlos wie heute noch diejenigen, die mit dem Flugzeug abstürzen, weil ein Triebwerk in Brand gerät. Auch heute noch glauben wir, manchmal den Finger der Allmacht in unserem Leben zu verspüren.

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Die Götter schenken den Erfolg

Ein Wagenlenker, sein siegreiches Gespann antreibend. Goldstater des makedonischen Königs Philipp II. (359-­‐336 v. Chr.), geprägt in Pella

Die Griechen glaubten nicht an die Gerechtigkeit ihrer Götter. Ihre eigene Erfahrung lehrte sie anderes: Sie sahen Menschen, denen alles gelang, und andere, die immer Pech hatten. Sie schlossen daraus, dass nicht das eigene Bemühen das Ergebnis brachte, sondern dass es die Götter waren, die Erfolg oder Misserfolg verteilten. Sie hatten ihre Lieblinge, denen sie beistanden, damit alles zu einem glücklichen Ende kam. Deshalb wurde die Gunst der Götter schnell zu einem politischen Argument. Und diese Gunst konnte einfach erprobt werden: Im Wettkampf war der Sieger derjenige, dem ein Gott beigestanden hatte. Deshalb zeigt Philipp II. von Makedonien hier im Münzbild seinen Sieg in Olympia, um die Griechen zu überzeugen, dass sie ihn – den von Zeus Begünstigten – zum Hegemon im Kriegszug gegen die Perser machen sollten.

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Begegnungen mit den Göttern

Kopf der Athene im attischen Helm mit Kranz aus Lorbeerblättern. Tetradrachme aus Athen, um 440 v. Chr.

Jeder Gott hatte eine andere Form des Erscheinens. Die Menschen erlebten die göttlichen Mächte in unterschiedlicher Art und Weise, und die Bereiche, in denen ein Gott den Menschen beistehen konnte, waren völlig verschieden. Aphrodite wurde erlebt in der flirrenden Lust, die die beiden Geschlechter einander zu schenken vermögen, Apollon erschien in der Klarheit, die ein Mensch fühlt, wenn sein Wille mit dem der Götter in Einklang ist, Dionysos schenkte die Triebe, die die Griechen nicht negativ bewerteten, sondern denen sie von Zeit zu Zeit Raum gaben, um sie auszuleben. Lieblingsgöttin vieler griechischer Städte aber war Athene. Sie war die konstruktive Kraft, schenkte die klugen Gedanken, die rettende Idee. Ihr Liebling war einer wie Odysseus, der stets mit seinem flinken Denken einen Ausweg fand aus jeder gefährlichen Situation.

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Die Vielfalt der Götter

Kopf der Athene im korinthischen Helm. Goldstater des makedonischen Königs Alexander III. der Grosse (336-­‐323), geprägt in Babylon

Wir dürfen uns dabei nicht vorstellen, dass es in Griechenland nur eine Athene gab, die von verschiedenen Städten angebetet wurde, nein, jede Stadt hatte ihr besonderes Verhältnis zu einer ganz bestimmten Athene, die in einer mythischen oder realen Situation der Stadt geholfen hatte. Denn das war es, was das Wesen der Götter ausmachte, sie waren den Menschen nützlich und erhielten genauso viel Verehrung wie sie der Stadt Nutzen gebracht hatten.

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Athene und Athen

Kopf der Athene im attischen Helm mit Kranz aus Lorbeerblättern. Tetradrachme aus Athen, um 460 v. Chr.

Ein Mythos erzählt, dass sich einst Athene und Poseidon gestritten hätten, wer von ihnen die Stadt Athen schützen dürfe. Ein Wettstreit sollte zwischen ihnen entscheiden: Wer den Athenern das bessere Geschenk geben könne, der sollte Athen behüten. Poseidon schenkte eine Quelle, Athene den Olivenbaum, der den Griechen das Öl, eines ihrer wichtigsten Grundnahrungsmittel, lieferte. Athene war von grösserem Nutzen gewesen als Poseidon; so entschieden sich die Athener, Athene zu ihrer Stadtgottheit zu machen.

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Athene und Korinth

Kopf der Athene im korinthischen Helm, dahinter das Kontrollzeichen Rose. Stater aus Korinth, 370-­‐340 v. Chr.

Auch die Bürger von Korinth konnten einen Mythos erzählen, wie Athene einem ihrer Bürger geholfen hatte. Bellerophon wollte den Pegasos reiten. Es gelang ihm erst mit der Hilfe Athenes, die ihm das Zaumzeug schenkte, mit dem er den Pegasos zähmen konnte. Viele dieser Sagen sind uns heute verloren gegangen. Aber wir dürfen davon ausgehen, dass jede einzelne griechische Stadt ihre eigenen Sagen und Mythen besass, die davon erzählten, wie die Stadtgottheiten in der Vergangenheit in das Leben der Bürger eingegriffen hatten.

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Griechische Naturgottheiten

Kopf der Quellnymphe Arethusa, von vier Delphinen umgeben. Tetradrachme aus Syrakus (Sizilien), um 485 v. Chr.

Da das Wesen der Götter ihr Nutzen für eine Stadt war, wurden nicht nur die sogenannten olympischen Götter verehrt, sondern auch Naturgottheiten. Schliesslich war eine Süsswasserquelle wie die Arethusa auf der syrakusanischen Halbinsel Ortygia Gold wert, wenn eine Stadt belagert wurde. Ihr Sprudeln konnte das Überleben bedeuten, ihr Versiegen den Tod. Kein Wunder, dass sie göttliche Verehrung fand.

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Göttliche Menschen

Der Gründer von Tarent, Taras, auf einem niedrigen Stuhl sitzend, in der rechten Hand eine Spindel, in der linken Hand einen Kantharos haltend. Nomos aus Tarent (Kalabrien), um 470 v. Chr.

Nicht nur Erscheinungen der Natur wurden rituell verehrt. Auch Menschen, die das Schicksal einer Stadt bestimmt hatten, konnten dort Aufnahme in das Pantheon finden. Der Gründer, der einst die Kolonisten aus ihrer alten Heimat weggeführt hatte und erfolgreich eine neue Siedlung errichtet hatte, wurde nach seinem Tod als Schutzgott für die Zukunft auf der Agora, dem Marktplatz, in der Mitte seiner Neugründung begraben.

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Das Schicksal wird zu Gott

Die Tyche von Antiochia, auf einem Gebirge sitzend, auf ihrem Kopf eine Mauerkrone tragend und in ihrer Hand Ähren und die Mohnkapsel haltend. Vor ihr schwimmt der Flussgott Orontes. Tetradrachme aus Antiochia am Orontes (Syrien), 197-­‐217 n. Chr.

Seit dem Beginn des Hellenismus, etwa seit der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr., mussten die Menschen immer öfter beobachten, dass ihre alten Stadtgottheiten keine Chance hatten, gegen die Kriegsmaschinerie der Herrscher etwas auszurichten; als die Römer den Griechen bewiesen hatten, dass auf die Hilfe der Götter nicht mehr zu zählen war, da führten viele Städte den Kult einer neuen Gottheit in Griechenland ein. Sie begannen Tyche, das Schicksal der Stadt, wie eine Gottheit zu verehren. Sie mochte sich – wenn es denn die eigenen Götter nicht mehr vermochten – ihrer Stadt gewogen zeigen.

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Wie sieht ein Gott aus?

Artemis von Ephesos, frontal stehend. Kistophor, geprägt in Ephesos (Ionien), 41-­‐54 n. Chr.

Auch wenn die Statuen für die Tempel dieser neuen Gottheiten von den besten Bildhauern ihrer Zeit angefertigt wurden – die meisten der bekannten ehrwürdigen Kultbilder sahen nicht so aus wie die marmornen Götter, die wir heute in unseren Museen bewundern. Die ehrwürdigsten Götterstatuen bestanden aus natürlichen Materialien wie Holz oder Stein und ein Mythos erzählte, wie das Kultbild in die Stadt gekommen war. Solche Kultbilder waren in das religiöse Ritual eingebunden, man kleidete sie, wusch und salbte sie und trug sie in Prozessionen in der Stadt herum. Die hölzerne Statue der Artemis von Ephesos z. B. stand einmal im Jahr im Mittelpunkt eines uralten orientalischen Befruchtungsritus, bei dem die Hoden der geopferten Stiere auf ihren Oberkörper geheftet wurden – was im Münzbild deutlich zu sehen ist. Man nahm diese schaurigen Anhängsel übrigens ein paar Tage später wieder ab und brachte das Kultbild in einer rituellen Prozession zum Meer, um es zu waschen.

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Woher kommen die Kultbilder?

Die Tyche von Lesbos, in ihrem Arm die Kultstatue des Dionysos Phallen haltend. Bronzemünze aus Mytilene (Lesbos), 197-­‐217 n. Chr.

Nur für wenige Kultbilder ist uns überliefert, wie sie ihren Weg in das Heiligtum fanden. Der kleine Stab, den die Tyche auf dieser Münze in ihrem linken Arm hält, ist in Wahrheit der grösste Gott der Insel Lesbos. Eines Tages hatten Fischer dort ein merkwürdig geformtes Stück Treibholz in ihren Netzen gefunden. Sie brachten es an Land und schickten eine Gesandtschaft nach Delphi, um vom Orakel zu hören, was es mit diesem Stück Holz auf sich habe. Die Pythia liess ihnen sagen, dass dies in Wahrheit ein Gott sei, der Dionysos Phallen, der in Zukunft die Insel Lesbos beschützen werde, und dem man dafür Verehrung zollen möge.

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Wo wohnen die Götter?

Tempel des Zeus in Neokaisareia am Schwarzen Meer. Bronzemünze aus Neokaisareia, 193-­‐211 n. Chr.

Wollte man einen neuen Gott verehren, so musste man ihm als Erstes einen Bezirk anweisen, in dem er leben konnte. Dafür wurde ein Stück Land der Stadt als heiliger Bezirk vom alltäglichen Leben ausgegrenzt. Man konnte dort nur einen Gott verehren oder viele. Die Götter waren nicht eifersüchtig aufeinander und lebten im gleichen heiligen Bezirk friedlich zusammen. Dieses Stück Land wurde abgegrenzt von allen existenziellen menschlichen Tätigkeiten: Weder Tod noch Geburt durften es berühren. Ein Tempel konnte in so einem heiligen Bezirk stehen, musste dies aber nicht tun. Er diente in der Regel dazu, Kultobjekte aufzubewahren, wenn sie nicht im Ritual gebraucht wurden. Er stand nicht wie die christliche Kirche im Mittelpunkt des Rituals, sondern durfte häufig von den Gläubigen nur an ganz bestimmten Tagen betreten werden.

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Wo begegnen sich Mensch und Gott?

Der Flussgott Hypsas in heroischer Nacktheit, am kleinen Stierhorn im Haar erkennbar, ein Trankopfer über einem Altar aus einer Patera opfernd; in seiner linken Hand einen Zweig haltend, im Feld rechts ein Eppichblatt (Zeichen für die Stadt Selinunt) und ein Kranich. Didrachme aus Selinunt (Sizilien), um 450 v. Chr.

Mittelpunkt jedes heiligen Bezirkes war der Altar. Wenn bei den Christen heute noch der Altar und die Kommunion im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen, dann haben wir damit ein direktes Erbe der Antike übernommen. Die Griechen stellten eine Verbindung mit ihren Göttern im Opfer her. Wenn der Rauch des verbrannten Fettes zum Himmel aufstieg, dann galt dies als Nahrung der Götter. Die Menschen verbanden sich wenig später untereinander im heiligen Mahl, wenn gemeinsam die Fleischteile des Opfertieres verspeist wurden. Mehr als 1000 Jahre lang wurden die verschiedenen Opferrituale durchgeführt, auch wenn sich die geistigen Inhalte, die mit diesen Opfern verbunden wurden, änderten.

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Das Opfer

Die Gesandtschaften der ionischen Städte, sich um den Tempel des Poseidon versammelnd, um beim Opfer zuzusehen. Bronzemünze aus Kolophon (Ionien), 3. Jh. n. Chr.

Obwohl der griechische Glauben seinem Wesen nach tolerant war, kannte diese Toleranz scharf gezogene Grenzen. Jeder Bürger durfte privat verehren, welche Gottheit ihm persönlich am nützlichsten erschien: Der Seemann wird sich an Poseidon gewandt haben, der Bauer an Demeter, der Kaufmann vielleicht an Hermes, doch in der offiziellen städtischen Prozession war jedem der ihm gebührende Platz zugewiesen, den er oder sie auszufüllen hatte. Am Ritual teilzunehmen, war genauso Bürgerpflicht wie bei einem Angriff die Stadt zu verteidigen, und ein Fehlen oder gar das despektierliche Reden über die Stadtgottheit konnte mit dem Tode bestraft werden.

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Die Priester

Die Amtsabzeichen der wichtigsten Priester von Tarsos (Kilikien): der Kranz des Demiurgos und die mit Kaiserbüsten verzierte Krone des Kilikiarchen. Bronzemünze aus Tarsos (Kilikien), 218-­‐222 n. Chr.

Priester zu sein, war in den meisten Kulten keine lebenslange Berufung, sondern ein politisches Amt, über das die Volksversammlung verfügte. Es wurde für eine bestimmte Zeitspanne an besonders verdiente Bürger verliehen, die gleichzeitig bereit waren, einen grossen Teil der Kosten aus ihrem privaten Budget zu bezahlen. Hier sehen wir die Insignien, mit denen in Tarsos in Kilikien aus normalen Bürgern Priester wurden. Links die Krone des Demiurgos, eines hohen Amtsträgers der Stadt, rechts die des Kilikiarchen (Priester des Kaiserkultes). Der war nicht nur verantwortlich für die Leitung der Sitzungen des Provinziallandtages, er musste sich auch um die Ausübung des Kaiserkultes kümmern, wie uns die kleinen Köpfe der verschiedenen Kaiser an seiner Krone zeigen.

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Wettkämpfe zu Ehren der Götter

Ein Wagenlenker, die siegreiche Maultierbiga antreibend. Tetradrachme aus Messana (Sizilien), um 420 v. Chr.

Teuerste Ausgaben für so einen Priester waren neben dem Opfertier das Stiften von Preisen für die Wettspiele, die praktisch mit jedem grossen Fest zu Ehren der Götter verbunden waren. Bürger und Gäste massen sich in sportlichen und musischen Wettbewerben. Auch die berühmten Olympischen Spiele waren nur eine von mehreren Zeremonien anlässlich des grossen Festes zu Ehren von Zeus. Nirgendwo sehen wir besser als an den Wettkämpfen, dass auch die griechische Religion eine Wandlung durchlebte: Galt in archaischer und klassischer Zeit die Teilnahme in Olympia als Zeugnis frommer Gesinnung, durchlebten die Spiele im Hellenismus genauso wie der traditionelle Götterglaube eine tiefe Krise. In römischer Zeit gab es eine Renaissance der Wettkämpfe, wobei allerdings der rein sportliche Aspekt in den Vordergrund trat. Die Wettkämpfe wurden zu einem reinen Publikumsmagneten mit allen Erscheinungen, die wir am modernen Leistungssport so hassen.

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Der Wille der Götter

Dreifuss des Apollon, links im Feld ein mit Bändern geschmückter Lorbeerzweig. Nomos aus Kroton (Lukanien), um 320 v. Chr.

Manchmal genügte es nicht, in einem Wettkampf festzustellen, wem die Götter ihre Gunst schenkten. Manchmal brauchten die Menschen konkretere Antworten, wie sie sich gemäss des Willens der Götter verhalten sollten. Dafür gab es die Orakelstätten. Viele von ihnen waren Apollon geweiht, dem Gott, der für die Harmonie stand, nicht nur in Mathematik und Musik, sondern auch im Verhalten der Menschen untereinander und zu den Göttern. Es gab viele grosse und kleine Orakel in der griechischen Welt. Das Bekannteste ist bis heute Delphi. Dorthin kamen all die, die sich die Reise und die teuren Opfer leisten konnten. Wer nicht über die Mittel verfügte, fand noch in der kleinsten Stadt ein Orakel, wo er auf göttliche Ratschläge zur Lebensbewältigung hoffen konnte.

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Das Ende der griechischen Götter

Der Kaiser in voller Rüstung, in seiner rechten Hand ein langes Kreuz und in seiner linken Hand einen Globus haltend, auf dem eine kleine Viktoria steht, die ihn bekränzt. Mit seinem rechten Fuss zertritt der Kaiser das Böse in Form einer Schlange mit Menschenkopf. Solidus des römischen Kaisers Valentinian III. (425-­‐455 n. Chr.), geprägt in Ravenna

Das Ende der griechischen Religion kam nicht auf einen Schlag. Die antiken Götter wurden nur langsam verdrängt vom jungen Christentum. Doch die «heidnischen» Rituale und Zeremonien beeinflussten den christlichen Gottesdienst. Wenn heute noch der Weihwasserwedel über eine Gemeinde geschwungen wird, dann erinnert das daran, dass so einst das Opfertier auf die heilige Handlung vorbereitet wurde. Wenn Weihrauchdüfte die Kirchen erfüllen, dann ist der Weg nicht weit zum Thymiaterion, mit dem die Gerüche des Blutes der geopferten Tiere überdeckt werden sollten. Das Wesen der griechischen Religion war der Nutzen, den die Götter den Menschen brachten. Und so kämpften die alten Götter und ihre Anhänger nicht um die Macht. Schliesslich hatte sich der Gott des aufstrebenden Christentums als mächtiger gezeigt. Müde soll die Pythia einst in Delphi dem Kaiser Julian, der noch einmal das Rad der Geschichte zurückdrehen wollte, selbst ihr Ende geweissagt haben: «Kündet dem König: Das erhabene Gebäude ist auf dem Boden zusammengebrochen! / Phoibos besitzt nicht mehr Hütte noch prophetischen Lorbeer, / Und seine Quelle schweigt; die sprechende Woge ist versiegt.»

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