Bilderreise: Das Christentum erobert Rom Von Ursula Kampmann, © MoneyMuseum Was ist Gott? Diese Frage hätten ein Römer, der an die Staatsgötter glaubte und ein Römer, der sich zu Christus bekannte, völlig unterschiedlich beantwortet. Für den einen waren die Götter Mächte, die man mittels magischer Zeremonien dazu veranlassen konnte, dem Menschen gewogen zu sein. Für den anderen war Gott ein liebender Vater, der den Menschen seinen Sohn geschickt hatte, um alle, die sich zu ihm bekannten, zu erlösen. Während die römischen Götter ihre Rituale forderten, beanspruchte der christliche Gott den ganzen Menschen und verbot ihm eifersüchtig jegliche Verehrung anderer Götter. Christliche und römische Gottesauffassung waren so unterschiedlich, dass die eine der anderen nicht friedlich weichen mochte. Wie und warum aber geschah es, dass das Christentum die römischen Kulte ablöste?
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Die römische Form der Frömmigkeit
Pietas, vor brennendem Altar stehend, aus der rechten Hand Weihrauch aus einem Kästchen über die Flamme streuend. Sesterz des römischen Mitkaisers Lucius Verus (161-‐169 n. Chr.), geprägt für seine Gattin Lucilla
Die Römer hielten Pietas für die Grundlage ihres Staates. Wollten wir «Pietas» mit dem deutschen Wort «Frömmigkeit» wiedergeben, würden wir den Sinn nicht treffen. «Pietas» bedeutete die Ehrfurcht vor allem, was die Vorfahren überliefert haben: getreue Ausübung aller häuslichen Rituale, Übernahme der politischen Verantwortungen und der persönlichen Bindungen, Gehorsam gegenüber den Älteren und Höherstehenden. «Pius» war derjenige, der sich in die göttliche Ordnung fügte, ohne irgendetwas daran ändern zu wollen. Ihm galt die Fürsorge der Götter, die ihn für seine Pietas belohnten. Der Staat Rom – so glaubten es zumindest die Römer – hatte nur deshalb die besondere Gunst der Götter erfahren, weil er wie kein anderer die den Göttern zustehenden Rituale praktizierte.
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Neue Götter kommen nach Rom
Der ägyptische Gott Sarapis, auf seinem Kopf als Zeichen der Fruchtbarkeit einen Getreidescheffel (Polos), frontal stehend, in der linken Hand ein Szepter, in der rechten Getreideähren haltend. Antoninian (doppelter Denar) des römischen Kaisers Caracalla (198-‐217 n. Chr.), 198-‐211 n. Chr.
Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. hatte sich das Römische Reich mit gewaltiger Geschwindigkeit geografisch ausgedehnt. Die römischen Beamten, Soldaten und Händler kamen nun in Kontakt mit den Göttern anderer Völker, lernten, sie anzubeten, und brachten sie heim zu sich nach Rom. Zunächst war die Verehrung dieser fremden Götter nur die private Angelegenheit weniger, doch langsam fanden sie auch Eingang in den Staatskult. Seit dem Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. tauchten mehr und mehr fremde Gottheiten im römischen Münzbild auf. Die neue Auswahl im religiösen Bereich brachte eine Verlagerung religiöser Gefühle mit sich: Die Staatsgottheiten traten im persönlichen Glauben der Römer in den Hintergrund zugunsten der neuen Götter, die dem Einzelnen Reichtum im Diesseits und ein Weiterleben nach dem Tode versprachen.
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Philosophie als Konkurrentin der Religion
Porträt des Mark Aurel, bekannt als der Philosoph auf dem Kaiserthron. Sesterz des römischen Kaisers Mark Aurel (161-‐180 n. Chr.), 171-‐172 n. Chr.
Neben den vielen fremden Kulten wurde die Philosophie zu einer ernsthaften Konkurrentin der römischen Götter. Sie beantwortete die existentiellen Fragen, die in der Staatsreligion keine Rolle spielten: Woher komme ich, wohin gehe ich, wie kann ich mein Leben lebenswert gestalten? Besonderen Erfolg hatte in Rom die Philosophie der Stoiker, die die persönliche Pflichterfüllung ohne Rücksicht auf eigene Wünsche in den Mittelpunkt stellte. Ihre Ideale waren Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. moralisches Allgemeingut. Alle bedeutenden Politiker beschäftigten sich mit Philosophie und Kaiser Mark Aurel war nicht der Einzige, der eine philosophische Abhandlung verfasste. Im Verlauf des 2. und 3. Jahrhunderts veränderte sich der Fokus der Philosophie. Die sogenannten Neuplatoniker begannen, sich mit den Göttern selbst zu beschäftigen und hinter der Vielfalt der staatlichen und fremden Götter ein allmächtiges, höheres Wesen zu postulieren, das der vollendete Philosoph in einem mystischen Erlebnis schauen könne.
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Der Zusammenbruch der römischen Sicherheit
Probus, in voller Rüstung auf seinem Pferd in die Schlacht reitend, am linken Arm einen Schild, in der rechten Hand einen Speer haltend; sein Pferd trampelt einen am Boden liegenden Feind nieder. Die Umschrift lautet: «VIRTVS PROBI AVG». Antoninian (doppelter Denar) des römischen Kaisers Probus (276-‐ 282 n. Chr.), 277 n. Chr.
Der Rückgang der Bedeutung der römischen Staatskulte im Leben der einzelnen Bürger fiel zeitlich zusammen mit der militärischen Katastrophe an den äusseren Grenzen. Im Zuge einer gewaltigen Völkerwanderung waren plötzlich Gebiete bedroht, die seit Jahrhunderten keine fremden Heere mehr gesehen hatten. Die Grenzen wurden überrannt, fremde Völker siedelten sich diesseits des Limes an. Die Römer mussten sie dulden, da sie selbst nicht mehr über genug Menschen verfügten, um das fruchtbare Land zu bebauen: Seuchen, Hungersnöte und kriegerische Wirren hatten die bäuerliche Bevölkerung dezimiert. Doch nicht nur das Grenzland war bedroht, auch die Kernländer des Reiches waren nicht mehr sicher. Gruppen von plündernden «Barbaren» drangen bis an die Tore von Rom vor, brandschatzten Städte wie Ephesos, Heiligtümer wie Delphi.
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Der Zusammenbruch der römischen Einheit
Büste des Postumus. Aureus des römischen Generals Postumus, Herrscher über das Gallische Sonderreich (ca. 259-‐268 n. Chr.), geprägt in Köln, 264 n. Chr.
Nicht nur gegen äussere Feinde mussten die römischen Soldaten kämpfen. Immer wieder erhoben sich im riesigen Reich Feldherren zum Gegenkaiser. Dies lag zum grossen Teil an den Entfernungen, die es unmöglich machten, Eindringlinge effektiv zu bekämpfen, während der Kaiser sich an einer anderen Front befand. Bis man Befehle erhielt, waren ganze Provinzen verwüstet. So griffen viele Feldherren zum Purpur und schufen sich zum Teil grosse, von Rom unabhängige Sonderreiche, die sie mit den ihnen unterstellten Truppen schützten. Teilweise, wie im Fall des Postumus in Gallien, existierten diese Sonderreiche mehrere Generationen lang völlig vom Restreich getrennt. Natürlich strebte jeder der Kaiser danach, über das ganze Reich zu herrschen. Die Folge war, dass die römischen Truppen – sobald gerade kein äusserer Gegner zu bekriegen war – gegen den inneren Gegner, den Kaiser des Sonderreiches, marschierten und Römer Römer töteten. Die Bewohner des Reiches nahmen diese Zeit des Kriegs, der Zwietracht, des Hungers und der Krankheit als eine apokalyptische Endzeit wahr, als eine Strafe der Götter für die Menschen.
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Neue Frömmigkeit und Opferverordnungen
Büste des Probus, einen Helm mit Strahlenkrone tragend, in der rechten Hand einen Speer, am linken Arm einen Schild haltend, auf dem der Kaiser selbst dargestellt ist, wie er einen Feind im Kampf niedersticht. Die Umschrift lautet: «VIRTVS PROBI AVG». Antoninian (doppelter Denar) des römischen Kaisers Probus (276-‐ 282 n. Chr.), 276 n. Chr.
Im Denken der Römer verknüpfte sich ihre veränderte Frömmigkeit mit der Zwietracht der Usurpatoren und den Niederlagen, die Rom im Kampf mit seinen Feinden erfuhr. Einziger Ausweg aus dieser Lage schien eine Wiederbelebung der Virtus zu sein. «Virtus» wird allgemein mit «Tugend» übersetzt, aber dies ist nicht die korrekte Bedeutung des Wortes. Zur Virtus gehören all die Charaktereigenschaften, die in Rom einen echten Mann (vir) ausmachten. Dazu gehörten natürlich primär kriegerische Tapferkeit und Mut, aber auch die Bereitschaft, sich ins soziale Umfeld einzuordnen, sich nicht gegen den Höherstehenden zu erheben (fides). Zu den Virtutes gehörte in besonderem Masse auch die Pietas, die Bereitschaft, den althergebrachten göttlichen Gesetzen zu gehorchen. Nur dann, wenn ein Kaiser und seine Soldaten Virtus und damit Pietas besassen, waren die Götter bereit, Siege zu schenken – Virtus und Sieg wurden im römischen Denken unmittelbar miteinander verbunden.
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Die Staatsgötter als Basis des Erfolgs
Die vier Tetrarchen, vor den Mauern einer Festung stehend, um gemeinsam über einem Dreifuss zu opfern. Die Umschrift lautet: «VICTORIA SARMAT» (Sieg über die Sarmaten). Argenteus des römischen Kaisers Diokletian (284-‐305 n. Chr.), geprägt in Siscia, 294-‐295 n. Chr.
Um sicherzustellen, dass die römischen Staatsgötter in jedem Haushalt des Reiches ihr Opfer erhielten, wurden von staatlicher Seite immer wieder Opferverordnungen herausgegeben und jedem römischen Bürger befohlen, unter staatlicher Aufsicht zu opfern, um zu zeigen, dass er den Göttern die ihnen zustehenden Ehren erwies. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Götter keinen Grund mehr hatten, Rom wegen einer Vernachlässigung der Opfer zu zürnen. In der christlichen Überlieferung wurden solche Opferverordnungen zu Christenverfolgungen, da eine Weigerung, den Staatsgöttern zu opfern, herbe Strafen nach sich zog. Die Christen, denen es nicht erlaubt war, anderen Göttern zu opfern, empfanden diese Opferverordnungen als speziell gegen sie gerichtete Verfolgungen.
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Ein Ausweg aus der Krise – die Tetrarchie
Diokletian und Maximianus Herculius, um einen Dreifuss stehend, um ihren Schutzgöttern Jupiter und Herkules zu opfern, die im Hintergrund auf einem kleinen Podium das Opfer überwachen. Medaillon der beiden römischen Kaiser im Wert von 2 1/2 Aurei, um 287 n. Chr.
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. stabilisierte sich die Lage im Römischen Reich wieder. Verschiedene Kaiser hatten militärische und diplomatische Vorgehensweisen entwickelt, die es ihnen erlaubten, mit den äusseren Angreifern fertig zu werden und wenigstens grössere Einbrüche an den Grenzen zu verhindern. Diokletian schaffte es durch seine überragende Persönlichkeit, dem Reich mehr als 20 Jahre Frieden zu bringen, indem er seine Verantwortung mit drei fähigen Feldherren teilte, die er zu Mitkaisern ernannte. Die neuen Herrscher schienen alle Virtus in dem Masse zu besitzen, dass die Götter ihnen ihre Unterstützung gewährten. Diokletian als der älteste und mächtigste Kaiser wählte sich Jupiter als Schutzgott, seinem ihm nur leicht nachgeordneten Mitaugustus Maximianus wies er Herkules zu.
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Die erste wirkliche Christenverfolgung
Jupiter, mit seinem Blitz einen Titanen zerschmetternd. Aureus des römischen Kaisers Diokletian (284-‐305 n. Chr.), geprägt in Kyzikos, 294-‐295 n. Chr.
So wie einst Jupiter die Titanen zerschmetterte, so gelang es Diokletian, alle Feinde des Römischen Reiches zu vernichten. Vermutlich war es dabei weniger die Hilfe der Götter, die das Römische Reich zu so einer späten Blüte führte, sondern eine völlige Umstrukturierung der Reichsverwaltung. Hatte es bisher nur eine minimale Bürokratie gegeben, so wurde nun ein absolutistischer Beamtenapparat aufgebaut, der bis in die letzte Ecke des Römischen Reiches reichte. Das Steuersystem wurde vereinheitlicht und das erste Staatsbudget der Weltgeschichte aufgestellt. Kritiker dieser neuen Ordnung waren unter anderen die fanatischen Christen, die sich weigerten, mit einer staatlichen Obrigkeit zusammenzuarbeiten. Obwohl viele gemässigte Kirchenvertreter die Gläubigen zur Kooperation aufriefen, prägten doch die Fanatiker das Bild, das die römische Obrigkeit von den Christen gewann. Besonders im Ostreich, wo sich mittlerweile ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung zum Christentum bekannte, wurde die neue Religion zu einem Problem, dem Diokletian und sein Cäsar Galerius nicht anders entgegenwirken zu können glaubten, als es durch Verfolgung auszurotten.
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Das Scheitern der grossen Christenverfolgung
Porträt des Galerius. Argenteus des Galerius, römischer Herrscher im Osten über Kleinasien, Syrien und Ägypten (Cäsar 293-‐305 n. Chr., Augustus 305-‐311 n. Chr.), 295 n. Chr.
Die Verfolgung der Christen scheiterte kläglich. Obwohl Diokletian und Galerius das Christentum zum ersten Mal in seiner Geschichte offiziell zu einer verbotenen Religion erklärt hatten, obwohl damit die grausamste aller Christenverfolgungen einhergegangen war, gelang es den Kaisern nicht, die Strukturen der jungen Kirche zu zerschlagen. Es blieb nach dem Rücktritt des Diokletian dem Galerius überlassen, diesen Misserfolg zuzugeben und in einem Edikt dem Christentum offiziell die gleichen Rechte und Pflichten zu verleihen wie all den anderen staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Heute wird das Edikt von Mailand allgemein Konstantin zugeschrieben. Hier siegte die Überlieferung der Kirchenväter, die es nicht zugestehen konnten und wollten, dass ihr Erzfeind und Verfolger Galerius derjenige war, der dem Christentum die völlige Gleichstellung schenkte. Sie brachten dieses Edikt mit Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke in Zusammenhang.
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Konstantin, genannt der Grosse
Links: Porträt Konstantins mit Lorbeerkranz. Rechts: Jupiter mit Szepter, frontal stehend, auf seiner ausgestreckten rechten Hand eine kleine Viktoria haltend, die ihn bekränzt, zu seinen Füssen ein Adler. Nummus des römischen Kaisers Konstantin I. der Grosse (306-‐337 n. Chr.), 313-‐315 n. Chr.
Konstantin I. bringt man heute in erster Linie mit dem «Sieg» des Christentums in Verbindung. Man will das entscheidende Erlebnis in der Schlacht bei der Milvischen Brücke sehen. Dort soll Konstantin vor einer Schlacht mit Licinius einen Traum gehabt haben, in dem ihn der christliche Gott aufforderte, in seinem Namen in die Schlacht zu ziehen, dann werde er ihm den Sieg schenken. Konstantin siegte und soll 313 n. Chr. zum Dank das Toleranzedikt von Mailand erlassen haben, das dem Christentum die Gleichberechtigung gewährte. Tatsächlich wurde dieses Edikt von Galerius erlassen und von Konstantin nur bestätigt. Ausserdem dauerte die Hinwendung des Kaisers zum Christentum wesentlich länger und war stark von antiken Vorstellungen geprägt. Gerade die Münzen zeigen uns, dass Konstantin weiterhin, auch nach dem Sieg an der Milvischen Brücke, die alten Götter im Münzbild ehrte. Dahinter stand die Überzeugung, dass der christliche Gott nur einer von vielen, wenn auch vielleicht ein besonders mächtiger sei. Erst nach und nach konnten die christlichen Berater Konstantin überzeugen, dass der neue Gott eine andere Art der Verehrung verlangte als die antiken Götter.
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Konstantin, ein Kaiser aller Römer
Geflügelte sitzende Viktoria, auf ihrer ausgestreckten rechten Hand eine kleine Viktoria haltend, die ihr den Siegeskranz reicht, in ihrer linken Hand ein Füllhorn. Solidus des römischen Kaisers Konstantin I. der Grosse (306-‐337 n. Chr.), 324 n. Chr.
Konstantin I. konnte und wollte es sich nicht leisten, einen Teil seines Volkes auszugrenzen, indem er sich radikal zum Christentum bekannte. Als Pontifex maximus übernahm er zwar die traditionelle Aufgabe, in kultischen Fragen die endgültige Lösung zu formulieren – so nahm Konstantin an verschiedenen Konzilien teil, und seinem Kompromissvorschlag verdanken die Christen das Nizäische Glaubensbekenntnis –, doch seine Taufe schob Konstantin bis kurz vor seinen Tod hinaus. Seine Münzprägung illustriert die Art und Weise, wie Konstantin versuchte, ein Miteinander von Christen und Nichtchristen möglich zu machen und den Christen eine Identifikation mit dem Staat zu ermöglichen, ohne den Nichtchristen diese Möglichkeit zu entziehen. In der Münzprägung wählte Konstantin Symbole, die Christen und Nichtchristen akzeptieren konnten. Die hier abgebildete Viktoria, die von den Christen zum Engel Gottes umgedeutet wurde, ist typisch für Konstantins vorsichtig tastende Münzsymbolik.
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Die ersten Christen auf dem Kaiserthron
Constantius, in voller Rüstung stehend, in der rechten Hand eine Standarte haltend, auf der das Christogramm abgebildet ist, die linke Hand auf einen Schild stützend. Vor ihm knien zwei Gefangene. Nummus des römischen Kaisers Constantius II. (337-‐361 n. Chr.), 348-‐351 n. Chr.
Nach dem Tode Konstantins kamen seine drei Söhne an die Regierung. Alle drei waren von christlichen Lehrern in dem neuen Glauben unterwiesen worden. Trotzdem behielten sie die vorsichtige Politik ihres Vaters bei und begannen nur langsam, das Römische Reich zu christianisieren. Noch gab es kein Verbot heidnischer Kulte, doch christliche Fanatiker zerstörten in Gegenden, wo sie sich in der Überzahl wussten, Tempel der alten Götter. Die vorsichtig tastende Politik der ersten Christen auf dem Thron können wir auch im Münzbild verfolgen. Während Virtus und Viktoria nach wie vor wichtige Themen bleiben, tauchen nun auch christliche Symbole auf, noch im Hintergrund und kaum sichtbar, wie das kleine Christogramm, das die kaiserliche Standarte ziert.
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Paradigmenwechsel
Zwei Viktorien, zwischen sich einen Kranz haltend, in dem geschrieben steht: «VOT / X / MVLT XX». Solidus des römischen Kaisers Constans I. (337-‐350 n. Chr.), geprägt in Trier, 347-‐348 n. Chr.
Viele Rituale des Staatskultes, die die Römer von früher gewohnt waren, blieben unter den christlichen Kaisern erhalten und wurden nur umgedeutet. Typisch dafür sind die Gelübde, die früher zur Feier von Regierungsjubiläen vor dem Staatsgott Jupiter abgelegt worden waren: Anlässlich des Regierungsantritts versprach der Kaiser dem Gott ein grosses Opfer, sollte er ihm fünf Jahre als Kaiser schenken. Nach fünf Jahren wurde dieses Gelübde eingelöst und ein neues gemacht, das nun auf zehn Jahre lautete. Diese Münze wurde anlässlich des 10. Regierungsjahres von Constans I. geprägt: «VOT X» bedeutet, dass er das Gelübde für zehn Jahre einlöste, «VOT XX», dass er ein neues Gelübde für 20 Jahre ablegte. Der einzige Unterschied zu früheren Gelübden war, dass sie nun nicht mehr vor Jupiter abgelegt wurden, sondern vor dem Gott der Christen.
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Ein Heide und das Christogramm
Grosses Christogramm zwischen Alpha und Omega. Doppelter Centenionalis des römischen Gegenkaisers Magnentius (350-‐353 n. Chr.), geprägt in Trier, 353 n. Chr.
Die Söhne des Konstantin hatten nicht dessen glückliche Hand in der Regierung. Schnell kam es zu Aufständen. Im Westreich erhob sich Magnentius zum Gegenkaiser. Der glaubte zwar an die alten Götter, hatte aber verstanden, dass die Christen mittlerweile eine zu mächtige Bevölkerungsgruppe geworden waren, als dass man sie hätte vernachlässigen können. So griff er in seinen Münzbildern bewusst christliche Motive auf wie z. B. das Christogramm, das so unter einem «Heiden» zum ersten Mal bildfüllend auf Münzen erschien.
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Julian – der Abtrünnige oder der Philosoph?
Links: Büste des Julian mit Perlendiadem. Der Kaiser trägt den langen, feinen Bart der neuplatonischen Philosophen. Rechts: Stier, darüber zwei Sterne. Nummus des römischen Kaisers Julian II. (361-‐363 n. Chr.), 362-‐363 n. Chr.
Noch eine kleine Chance sollten die altrömischen Götter unter dem Kaiser Julian II. bekommen, den seine Freunde «den Philosophen», seine Feinde «den Abtrünnigen» nannten. Julian war als Verwandter Konstantins christlich erzogen worden, hatte sich aber – sobald er frei entscheiden konnte – der neuplatonischen Philosophie zugewandt, die von ihren Inhalten und Idealen her der christlichen Religion nicht unähnlich war: Sie kannte ein höchstes göttliches Wesen, dem man durch ein gottgefälliges Leben begegnen konnte. Julian verfolgte nach seinem Amtsantritt die Christen nicht, nahm ihnen aber jegliche Vorrechte. Er selbst liess den römischen Staatsgöttern wieder alle Ehren erweisen, die ihnen zustanden. Der Stier auf der Rückseite dieser Münze könnte für die Opfer stehen, die nun wieder der oberste Gott Jupiter erhielt. Man hat aber auch eine Deutung als ägyptischer Apis-‐Stier versucht.
Julian blieben nur drei Jahre. Ammianus Marcellinus schreibt, er sei auf einem Feldzug der Parther von hinten, also aus den eigenen Reihen erschossen worden.
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Der endgültige Sieg des Christentums
Büste des Theodosius mit Diadem. Solidus des römischen Kaisers Theodosius I. (379-‐395 n. Chr.), geprägt in Konstantinopel, 383-‐388 n. Chr.
Unter Theodosius I. erfuhr die alte Religion empfindliche Beschränkungen. Nach einem blutig niedergeschlagenen Aufstand in Konstantinopel zwang Bischof Ambrosius von Mailand den Kaiser, Busse zu tun und als Sühne strengere Gesetze gegen die Altgläubigen zu erlassen. So verbot Theodosius im Jahre 391 n. Chr. jede Form des alten Gottesdienstes, des religiösen Tempelbesuchs wie des Hauskultes. 392 wiederholte er dies und liess den Götterkult als Majestätsverbrechen und Hochverrat mit schweren Sanktionen belegen.
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Der Todeskampf des Heidentums
Der Kaiser, in voller Rüstung frontal stehend, in der linken Hand ein Szepter haltend, das in einem Christogramm endet, in der rechten Hand eine Erdkugel, auf der eine Viktoria steht, die ihn bekränzt. Solidus des römischen Kaisers Majorian (457-‐461 n. Chr.)
Auch wenn nach 392 n. Chr. christliche Bilderstürmer die Tempel der alten Götter plünderten, die Statuen zerschlugen und die Anhänger der alten Götter verfolgten, dauerte es noch lange, bis die letzten Reste des antiken Glaubens vernichtet waren. Vieles überlebte im Volksglauben, viele Bräuche und manch heidnischer Gott wurden in die lokalen christlichen Feste bzw. in den Heiligenkalender inkorporiert. Auch wenn sich die römischen Kaiser gerne als christliche Sieger über die heidnische Schlange, den Teufel, feiern liessen, nahm das Christentum so viele Elemente des alten Glaubens in sich auf, dass Christus und seine Anhänger der ersten Generation wohl nicht geglaubt hätten, dass sie und die Römer des 5. Jahrhunderts der gleichen Religion angehörten.
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