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Vortrags- und Diskussionszyklus des MoneyForums
Schlussbericht des Referats, 3. April 2014, von Prof. Dr. Martin Janssen
Die Zukunft der Schweiz ausserhalb der EU Die Schweiz ist wirtschaftlich und politisch weltweit ein Erfolgsmodell. Verschiedene Faktoren, auf denen die Schweiz aufbauen kann, haben zu dieser Sonderstellung geführt. Viel Zündstoff bietet das Verhältnis der Schweiz zur EU. Martin Janssen zeigt auf, wel-‐ che Chancen die Schweiz ausserhalb der Eu-‐ ropäischen Union hat und was es dabei zu beachten gilt. Wie kann die Schweiz nach innen Klarheit erlan-‐ gen und nach aussen in Bewegung bleiben? Mit dieser Frage begrüsst Jürg Conzett den Unter-‐ nehmer und Wissenschaftler Martin Janssen zum Thema des Abends, wie die Zukunft der Schweiz ausserhalb der EU aussehen könnte. «Die Schweiz ist eines der wirklich erfolgreichen Länder», stellt der Referent gleich zu Beginn seines Vortrags fest. Neben der Neutralität und der Position des Landes in den letzten beiden Weltkriegen macht Martin Janssen drei Gründe dafür verantwortlich: die Eigenständigkeit der Schweiz, die Stärke der Institutionen und die Offenheit des Landes, am weltweiten Handel von Gütern und Austausch von Wissen und Menschen teilzunehmen. Diese Faktoren, die zum Erfolg der Schweiz beigetragen haben, gilt es zu schützen. Die Bedrohung der Schweiz sieht der Referent weniger von aussen als von innen. Probleme werden u.a. in der stärker werdenden Bürokrati-‐ sierung und einer mutlosen Strategie gegenüber dem Ausland gesichtet. Gedanken zur EU Der Staatenverbund mit heute 28 Mitgliedstaaten tritt seit 2009 als eigene Rechtspersönlichkeit auf. Strukturell wird zwischen überstaatlichen und zwischenstaatlichen Elementen unterschie-‐ den. Im Fokus der Ausführungen stehen die über-‐ staatlichen Kompetenzen der EU, die auf Mehr-‐ heitsbeschlüssen beruhen. Einzelne Länder kön-‐
nen dabei überstimmt werden und verfügen meist nicht über ein Vetorecht. Als problematisch hervorgehoben wird das EU-‐Recht, das straff geführt ist und hohe Wirkungskraft für alle Mit-‐ gliedstaaten hat. Mit seiner Politik verfolgt die EU ein Ziel: die Union der Völker Europas. Doch wo liegen die Probleme der EU? Sechs Krisen unterscheidet der Referent. Zu den alten Krisen gehören erstens die Struktur-‐ und zweitens die Budget-‐ und Ver-‐ schuldungskrise. Stark ineinander verwoben sind die Budget-‐, Banken-‐ und Eurokrise. Hinzu kom-‐ men d ie Rechts-‐ und Sozialversicherungskrise. «Die EU ist, anders als die Schweiz, nicht eine stabile Willenskonstruktion der Mehrheit der Bürger, sondern ein politisches und bürokrati-‐ sches Konstrukt, das seine Stabilität allein im Rechtssystem und im Interesse der Politiker und Bürokraten hat.» So wie Schweizerinnen und Schweizer bei einer Abstimmung zur Schweiz Ja
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sagen würden, ist Martin Janssen überzeugt, wür-‐ den die Bürger der EU-‐Mitglieder – hätten sie die Wahl – die EU ablehnen. Zu gross sind die Proble-‐ me wie die immense Arbeitslosigkeit im Süden, die Verstösse gewisser Mitglieder gegen das EU-‐ Recht oder der drohende Konkurs einzelner Län-‐ der. Wo steht die Schweiz? Die Schweiz blickt auf eine gemeinsame Geschich-‐ te zurück, deren Eckpfeiler u.a. die immerwähren-‐ de Neutralität seit 1814/15 und die Konstitution des modernen Bundesstaates 1848 sind. Martin Janssen geht davon aus, dass das Schweizer Volk einen EU-‐Beitritt heute mehr denn je ablehnen würde. Die Schweiz will ihre internationale Stel-‐ lung schützen und möchte mit den Nachbarn ei-‐ nen weltweit freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Beschränkungen sind gefragt beim Kapital, das in die Schweiz fliesst, und der Migration. Doch wie sieht das Wechselspiel zwi-‐ schen der EU und der Schweiz aus? Für die EU sei die erfolgreiche Schweiz mit ihrem grossen Volks-‐ vermögen und ihrem Postulat zur Eigenständig-‐ keit ein Ärgernis. Auf keinen Fall wolle die EU im Zusammenhang mit der Schweiz Präjudizien schaffen, die ihr Probleme mit den eigenen Mit-‐ gliedstaaten einhandeln. Voraussichtlich wird die Haltung der EU gegenüber der Schweiz hart blei-‐ ben und für die Umsetzung des Artikels 121a, «Steuerung der Zuwanderung», muss eine EU-‐ kompatible Lösung gefunden werden. Schlussfolgerung • Der Redner ist der Meinung, dass die Schweiz ein Verständnis der EU, nicht für die EU, auf-‐ bauen muss, um eine eigene Strategie gegen-‐ über der EU zu finden. Dies erfordert einen po-‐ litischen Nachrichtendienst. • Nach Janssen muss sich die Schweiz klar dafür aussprechen, dass «eine dynamische und unge-‐ prüfte Übernahme des EU-‐Rechts, wie es der Bundesrat zur Zeit noch vertritt, nicht zur Dis-‐ kussion steht». Dieses Ansinnen stehe auch im Widerspruch zur Idee d es Bilateralismus. Ange-‐ sichts des starken EU-‐Interventionismus wür-‐ den die Wettbewerbschancen der Schweiz ge-‐ genüber dem nicht-‐europäischen Ausland ge-‐
schädigt. An der Schweiz liege es, sich vermehrt dem weltweiten Wettbewerb zu stellen und im Fokus zu behalten, dass es nicht nur europäi-‐ sche, sondern auch nicht-‐europäische Partner gibt. Dass das Land für einen global orientier-‐ ten Wettbewerb eintritt, seine Geschicke aber selber bestimmen will, soll die Schweiz der EU gegenüber deutlich vertreten. • Die Umsetzung des Artikels 121a zur Steuerung der Zuwanderung sollte nach Janssen unbüro-‐ kratisch gelöst werden. Er schlägt vor, einen Infrastruktur-‐Fonds zu gründen, in den jedes Unternehmen, das einen ausländischen Mitar-‐ beiter anstellt, jährlich einzahlt. Die Beitrags-‐ höhe wird nach Kategorien – Branche, Ausbil-‐ dung, Nachfragesituation, Familiennachzug, Herkunft usw. – politisch festgelegt und kann von Jahr zu Jahr angepasst werden, um die Zie-‐ le des neuen Artikels zu erreichen. Die Migra-‐ tion würde so über den Preis – in Form von Ab-‐ gaben, eventuell sogar von Subventionen – nach einem marktwirtschaftlichen Verfahren gesteuert. • Martin Janssen betont zum Abschluss, dass die Schweiz ihre eigene Position aus einer Stellung der Stärke kommunizieren soll, zu der der Bundesrat durch sein Mandat von Volk und Ständen legitimiert ist. Die klare Position des Redners lädt zu einer ange-‐ regten Diskussion ein, die durch Fragen und Ge-‐ genargumente die einzelnen Punkte des Referats aufnimmt und vertieft.
Der Referent Dr. oec. publ. Martin Janssen unterrichtete mehr als 35 Jahre Volkswirtschaftslehre und Finanz-‐ marktökonomie. 1985 gründete er ECOFIN, eine Unternehmung, die in den Bereichen Software-‐ entwicklung für das Asset-‐ und Risikomanage-‐ ment, in der strategischen Beratung grosser In-‐ vestoren sowie in der Bereitstellung von Anlage-‐ und Vorsorgelösungen tätig ist. Martin Janssen veröffentlichte mehrere Bücher und Aufsätze im Bereich d er Finanzmarktökonomie. Heute führt er im Hauptamt die ECOFIN-‐Gruppe.