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Nada Topić Peratović

HUMANISMUS FÜR KINDER

Center for Civil Courage Zagreb, 2014


EINFÜHRUNG Über den Herausgeber ......................................................................................... 7 Über das Buch ..................................................................................................... 8 Vorwort .............................................................................................................. 9 Danksagungen .................................................................................................... 12 ERSTER TEIL – HUMANISMUS IST FÜR ALLE! Wer sind die Humanisten? ................................................................................. 15 Wissen .......................................................................................................... 16 Kritisches Bewusstsein ................................................................................... 16 Humanistisches Denken ................................................................................ 16 Natur .................................................................................................................. 17 Unsere Erkenntnis der Welt ..................................................................... 17 Die wissenschaftliche Methode ................................................................ 19 Schöpfungsmythen ................................................................................... 20 Der Ursprung der Arten ........................................................................... 21 Evolution ................................................................................................. 23 Naturwissenschaftliche Gesetze ................................................................ 24 Gesellschaft ........................................................................................................ 25 Demokratie .............................................................................................. 25 Antifaschismus ......................................................................................... 28 Menschenrechte ....................................................................................... 29 Theismus .................................................................................................. 31 Atheismus ................................................................................................ 32 Humanismus ........................................................................................... 33 Aufklärung ............................................................................................... 34 Säkularismus ............................................................................................ 35 Freie Menschen ........................................................................................ 36 Mutige Frauen .......................................................................................... 38 Gleichberechtigung .................................................................................. 40 Feminismus .............................................................................................. 43 Pride Bewegung ........................................................................................ 45 Humanistische Gedanken .................................................................................. 49

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ZWEITER TEIL – WIE LEBE ICH EIN GUTES LEBEN? Menschlichkeit ............................................................................................... 51 Ethik ............................................................................................................. 51 Humanistische Ethik ...................................................................................... 52 Zehn Vorschläge für ein gutes Leben ........................................................... 53 1. Passe auf Dich auf! .............................................................................. 54 2. Sei frei! ................................................................................................ 56 Denke frei ........................................................................................... 56 Handle frei ......................................................................................... 58 3. Sei glücklich! ........................................................................................ 60 Genieße das Leben ............................................................................. 60 Erschaffe! ........................................................................................... 62 4. Sei solidarisch! ..................................................................................... 63 Empathie ........................................................................................... 63 Solidarität .......................................................................................... 64 Freundschaft ....................................................................................... 66 Spende Trost ....................................................................................... 67 5. Sei fürsorglich! ..................................................................................... 68 6. Kümmere dich um die Welt! ................................................................ 71 7. Sei vernünftig! ...................................................................................... 74 Benutze deinen Verstand! .................................................................... 74 Lerne dazu! ......................................................................................... 75 Zweifle! .............................................................................................. 76 Seele ................................................................................................... 77 8. Sei gerecht! ........................................................................................... 78 Gerechtigkeit ...................................................................................... 78 Freundliche und unfreundliche Wörter .............................................. 79 Ehrlichkeit .......................................................................................... 81 Unschöne Geheimnisse ....................................................................... 81 9. Übernehme Verantwortung! ................................................................. 84 Verantwortung ................................................................................... 84 Verantwortung gegenüber Tieren ........................................................ 85 Ziviler Ungehorsam ............................................................................ 86 Ziviler Aktivismus .............................................................................. 88 10. Sei mutig! ........................................................................................... 90 Wage es zu wissen! .............................................................................. 90 Zivilcourage ........................................................................................ 91 Widerstand ......................................................................................... 93 Ein Leben, das es wert ist, gelebt zu werden ............................................... 95

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ERSTER TEIL – HUMANISMUS IST FÜR ALLE!

Wer sind die Humanisten? Wie lebe ich ein gutes und gerechtes Leben? Humanistinnen und Humanisten werden Menschen genannt, die der Auffassung sind, dass die Antworten auf diese Frage im menschlichen Wissen und im kritischen Denken liegen. Ihr Denken und Handeln ist von Mitgefühl geprägt und sie empfinden Solidarität mit den Bedürfnissen und Rechten anderer. Was umfasst menschliches Wissen? Was ist kritisches Denken?

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Wissen Das Wissen besteht aus einer Vielzahl von Tatsachen, Informationen und Fähigkeiten, welches eine Person durch eigene Erfahrung oder Ausbildung erwirbt. Wer sich einmal die Finger verbrennt, der wird immer vorsichtig sein mit Feuer.

Kritisches Bewusstsein Das kritische Bewusstsein ist die menschliche, innere Stimme der Vernunft. Sie hinterfragt das Denken und Handeln. Unser Verstand greift auf unsere Erfahrungen und das erworbene Wissen über Feuer zurück, wenn wir Zündhölzer benutzen, ohne uns oder andere zu verletzen. Wer kritisch denkt, der hinterfragt sich selbst und andere. Er überdenkt die Umwelt und die Gesellschaft, in der er lebt. Kritisches Denken kann unser Verhalten verändern, wenn wir feststellen, dass das was wir tun oder tun wollten, nicht richtig ist.

Humanistisches Denken Der humanistische Gedanke stellt den Menschen, sein Wissen und seine Erfahrung sowie das kritische Denken in den Mittelpunkt der menschlichen Aufmerksamkeit. Das Wort „Humanist“ leitet sich vom lateinischen Wort „humanus“ ab. „Humanus“ bedeutet menschlich. „Humanus“ wiederum entstammt dem lateinischen Wort homo – der Mensch.

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Auch wenn Latein eine vermeintlich ausgestorbene Sprache ist, ist sie auch heutzutage in vielen modernen, vor allem romanischen Sprachen (wie z.B. Französisch, Italienisch) sehr lebendig und wird immer wieder z.B. für Neuschöpfungen auch in anderen Sprachen genutzt. 17


Evolution Die Wissenschaftler haben erkannt, dass die Erde älter als 4,5 Milliarden Jahre ist und dass das früheste Leben seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren besteht. Die Evolution ist die Entwicklung von Lebewesen von einfacheren hin zu komplexen Formen. Sie ist die schrittweise Anpassung der Lebewesen an die Bedingungen der Natur. Damit ihre Art überleben kann, passen sich Lebewesen von Generation zu Generation an. Arten, die sich nicht an die Bedingungen auf der Erde anpassen, sterben mit der Zeit aus. Nur wer sich anpasst, kann überleben. Während dieser Anpassung entstehen auch neue Lebewesen.

Die ersten Lebensformen auf der Erde waren winzige Organismen, die in den Ozeanen lebten. Während Millionen von Jahren haben sich die einfachen Lebensformen geändert und sich ihrer Umgebung angepasst. Schrittweise sind Bakterien entstanden, die Sauerstoff abgegeben haben. Dieser Sauerstoff hat die Entstehung von neuen Lebewesen ermöglicht - zuerst Meeresorganismen. Das Festland war anfangs nur mit Pflanzen besiedelt. Die ersten Tiere kamen später. Mit der Anpassung an die Umgebung sind die Vorfahren der Reptilien entstanden. Am bekanntesten sind die Dinosaurier. Sie sind auch die Vorfahren der Vögel. Erst als die Dinosaurier, die Millionen von Jahren auf der Erde herrschten, ausgestorben waren, konnten sich weitere Säugetiere entwickeln. Nach Millionen von Jahren entwickelten sich die Menschenaffen und erst in den letzten Jahren die Menschen. Die Menschen stammen nicht vom Affen ab, wie das oft behauptet wird. Menschen und Affen sind Verwandte. Sie haben gemeinsame Vorfahren, die vor 7 Millionen Jahren gelebt haben.

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Naturwissenschaftliche Gesetze Dank der wissenschaftlichen Forschungen erfahren Menschen neue Einzelheiten darüber, wie die Welt entstanden ist und wie sie sich weiter entwickelt. Die Welt formierte sich und verändert sich auch weiterhin durch die menschliche Kulturentwicklung. Wissenschaftler versuchen Vorgänge in der Umwelt vernünftig zu erklären. Die erforschten Vorgänge schreiben sie der Natur zu und nennen sie „naturwissenschaftliche Gesetze“. Wissenschaftler haben dank Beobachtungen und Erforschungen der Beziehungen zwischen den Naturvorgängen festgestellt, dass diese wie Ursache und Folge miteinander verbunden sind. Gewisse Vorgänge sind der Grund für die Entstehung anderer Vorgänge oder bestimmter Wirkungen. Keine Ursache ohne Wirkung aber auch keine Wirkung ohne Ursache. Darunter versteht man folgendes: Wenn man Samen Wasser gibt und sie genug Sonne bekommen, wachsen aus ihnen Pflanzen. Keiner muss beten, damit die Samen wachsen. Für eine gute Ernte brauchen die Pflanzen nur gute Wachstumsbedingungen. Die Natur braucht keine Tricks. Und der Planet Erde keine übernatürlichen Kräfte, die sie bewegen. Während ihrer Evolution entwickeln und vererben alle Arten von Lebewesen „Programme“ für ihr Wachstum und ihr Verhalten. Deshalb scheint es, als ob alles Lebendige auf der Welt nach einem bestimmten Zweck und Plan funktioniert. Aber: Kein vernünftiges Wesen formte diese Lebensprogramme. Sie sind die Ergebnisse von Anpassungen über mehrere Generationen. Die Menschen sind von eingeborenen Programmen befreit. Deshalb bestimmen sie selber den Sinn und Zweck ihres eigenen Lebens. Um aber erfolgreich auf die Umwelt einwirken zu können, müssen sie Ursachen und Folgen der Vorgänge kennen. Mit ihrem Wissen und Handeln können sie die Ursachen und damit auch die Folgen von Vorgängen verändern. 25


Aufklärung Vor mehr als 200 Jahren entwickelte sich in der europäischen Gesellschaft ein Klima, das die Überprüfung der bisherigen Erkenntnisse und des Glaubens erlaubte. Diese geschichtliche Epoche wird die Aufklärung genannt. Die Denker dieser Zeit haben sich auf die Wissenschaft, die Vernunft und das kritische Denken berufen. Sie begriffen, dass nur die Wissenschaft auf seriöse, wiederholbare und für andere Wissenschaftler überprüfbare Beobachtungen und Forschungen gründet. In Gegensatz dazu beruhen die Behauptungen, die über Jahrhunderte von Religionsgemeinschaften verbreitet wurden, auf nicht überprüfbaren Lehren und Vorschriften. Im Wortstamm des Begriffes „Aufklärung“ steht das Wort Licht. Auch bei der Übersetzung des Wortes aus der französischen und englischen Sprache erkennt man, dass es sich um eine Bewegung handelt, die den Menschen in der „Dunkelheit“ des Unwissens, in dem sie lebten, „das Licht“ der Vernunft anbieten wollte. Denker, die nach dem Sinn des Lebens suchen, bezeichnen wir als Philosophen. Das Wort Philosophie stammt vom altgriechischen Wort „philosophia“ (φιλοσοφία) ab und bedeutet „Liebe zur Weisheit“. Philosophen versuchen die Welt zu deuten und zu verstehen. Sie versuchen auch zu erklären, wie die Welt sein sollte. Giordano Bruno war einer der ersten mutigen Denker vor der Aufklärungszeit. Er glaubte, dass sich die Erde um die Sonne dreht und dass die Sonne ein Stern im Universum ist. Für die damalige Zeit war das sehr mutig. Damals dachte man noch, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Wegen seiner Ansichten verbrachte er viel Zeit im Gefängnis. Er wurde immer wieder verhört. Man sagte ihm, dass er acht Tage Zeit habe, um seine Meinung zu ändern, sonst würde man ihn töten. Doch er blieb standhaft. Und wurde zum Tode verurteilt. Man verbrannte Giordano Bruno - zusammen mit seinen Schriften - auf dem Scheiterhaufen. Die Aufklärer betonten immer wieder die Wichtigkeit der Vernunft und des kritischen Denkens. Sie waren gegen jegliche Art religiöser oder politischer Unterdrückung. Für sie war klar: Die Menschen sollen sich nicht ausnahmslos an Religionen, Traditionen und Bräuche halten, sondern nachdenken, Entscheidungen treffen und handeln. „Für den Wissenschaftler gibt es nur eine einzige Autorität: Die Vernunft und die freie Forschung“, sagte Giordano Bruno.

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Die humanistischen Gedanken Humanisten denken über viele Dinge nach. Das sind einige ihrer wichtigsten Schlussfolgerungen: Um ein erfülltes Leben zu führen, brauchen die Menschen Wissen, kritisches Denken, Freiheit und eine gerechte Art der Entscheidungsfindung über Fragen, die die ganze Gesellschaft betreffen. Das menschliche Wissen entwickelt sich täglich weiter, dank neuer Erkenntnisse. Neue Informationen stellen die Gültigkeit alter Tatsachen in Frage. Somit ist eine tägliche Weiterbildung nötig. Viele Ereignisse verstehen wir noch nicht und können sie nicht erklären. Wir haben erkannt, dass wir mit unserer Vernunft und unserem Handeln die Welt beeinflussen können. Jeder Mensch soll glauben und tun dürfen, was er für richtig hält, wenn sein Handeln nicht der Umgebung und der Umwelt schadet. Die Freiheit eines Jeden endet dort wo die Freiheit eines Anderen beginnt. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Es ist vernünftig, dass sich die Menschen gegenseitig helfen und so handeln, dass die Welt ein besserer Ort für alle wird. Wenn wir wissen, welche Rolle wir in der Weiterentwicklung der Gesellschaft innehaben, dann können wir dieser Gesellschaft gegenüber auch Verantwortung wahrnehmen.

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ZWEITER TEIL – WIE LEBE ICH EIN GUTES LEBEN?

Menschlichkeit Einer der Grundsätze des Humanismus besagt, dass Menschen Gutes tun können, indem sie kritisch denken und handeln. Humanisten nutzen ihren Verstand und ihr Wissen, um nachzudenken, sich zu entscheiden und dann zu handeln. Sie schließen sich in Gruppen zusammen, besuchen humanistische Vorträge und Veranstaltungen. Sie helfen bedürftigen und hilflosen Menschen und nehmen Teil am Gesellschaftsleben der Gemeinschaft, in der sie leben. Aber wie sollen wir leben und handeln, damit die Welt ein angenehmer Ort für alle seine Bewohner wird?

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Zehn Vorschläge für ein gutes Leben Hast du von den zehn Geboten gehört? Die zehn wichtigsten Regeln in der jüdischen und christlichen Religion heißen „Zehn Gebote“. Die ersten vier Gebote verlangen, dass die Menschen nur einen Gott ehren. Die restlichen sechs bestimmen das Verhältnis zwischen den Menschen. Nicht religiöse Menschen leben nicht nach Gottes Gesetzen. Das Zusammenleben mit anderen Menschen bestimmen sie nach eigenen ethischen Regeln oder Grundsätzen. Dieses Buch bietet zehn Vorschläge für ein gutes Leben. Jeder Vorschlag stellt einen Ratschlag dar, den jede Person kritisch überdenken soll. Somit kann jede Person selbst entscheiden, ob er oder sie die Vorschläge annehmen möchte oder nicht. Erinnern wir uns, wie wir unsere ethischen Regeln überprüfen: Ethisch vertretbar ist, wenn es anderen nützt, ethisch unvertretbar, wenn es anderen schadet. Je mehr wir lernen und erfahren, was hilft und was schadet, desto besser können wir unsere Regeln befolgen und uns unseren neuen Erkenntnissen gemäß verhalten. Schauen wir uns gemeinsam die zehn Vorschläge an:

1. Passe auf Dich auf! 2. Sei frei! 3. Sei glücklich! 4. Sei solidarisch! 5. Sei fürsorglich! 6. Kümmere dich um die Welt! 7. Sei vernünftig! 8. Sei gerecht! 9. Sei verantwortlich! 10. Sei mutig!

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Spende Trost Jeder Mensch erlebt in seinem Leben traurige Momente. Wir sind traurig, wenn wir etwas verlieren, das wir lieben. Wir sind traurig, wenn das Lieblingsspielzeug kaputt geht. Aber auch wenn wir von einem Freund Abschied nehmen müssen, weil er wegzieht und wir ihn nur noch selten sehen. Bilder von hungernden oder leidenden Menschen machen uns traurig. Am meisten trauern wir aber, wenn jemand stirbt, den wir geliebt haben. Das kann jemand aus der Familie oder ein Freund sein. Oder auch ein Haustier. Liebe Menschen, die nicht mehr bei uns sind, werden uns immer fehlen. Mit der Zeit denken wir an die schönen Erlebnisse und fühlen uns nicht mehr so betrübt.

Gespräche mit Freunden helfen uns, wenn wir traurig sind. Trauer tut weh. Aber sie zeigt uns auch, dass wir lieben. Wir trauern nur, weil wir unsere Familie oder unsere Freunde lieben und vermissen. Die Trauer zeigt uns, dass wir glücklich sein und das Leben mit den Liebsten genießen sollen. Wenn wir an glückliche Momente denken, sind wir weniger traurig. Dann trocknen die Tränen und ein Lachen huscht über unser Gesicht.

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Sei vernünftig! Benutze deinen Verstand! Einer der größten Denker der Aufklärung war Immanuel Kant. In seinem Aufsatz, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ schrieb Kant im Jahr 1784 folgendes: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Was wollte der berühmte Denker damit sagen? Der Mensch, den Kant erwähnt, hat sich in der Aufklärungszeit entschlossen, sich endlich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Der Mensch fing endlich an zu denken und sein bisheriges Wissen, langjährige Überzeugungen, Gewohnheiten und Bräuche zu hinterfragen. Der Mensch war nach Kants Meinung, bevor er seinen eigenen Verstand benutzte, nicht reif, er war wie ein kleines Kind. Der Mensch ist selbst schuld an dieser Unreife, da er das Nachdenken aus Unwissen, Angst oder Nachlässigkeit anderen Menschen überlassen hat. Jahrhundertelang haben Menschen ohne kritische Überlegung die Behauptungen ihrer Herrscher, mächtiger Individuen oder Religionsführer einfach angenommen. Ohne kritisches Denken gehorchten die Menschen den Entscheidungen anderer und lebten unter ihrer Führung. Es lässt sich leicht leben, ohne über irgendetwas nachzudenken. Noch schöner ist es, seine Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten jemand anderem zu überlassen. Aber diese Sorglosigkeit hat ihren Preis. Wenn wir im Unwissen leben oder das Nachdenken anderen Menschen überlassen, dann sind wir wie Marionetten. Die Person, die die Fäden der Puppen hält, leitet uns und bestimmt, wie wir uns benehmen müssen. Kant fordert uns deshalb auf: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Er erinnert uns, dass jeder Mensch die Verantwortung hat, selbst nachzudenken und zu Erkenntnissen zu kommen.

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Als Mitglied der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“, wurde Sophie zusammen mit ihrem Bruder Hans und ihrem Freund Christopher Probst festgenommen. Die drei hatten an der Universität München am 19. Februar 1943 Flugblätter verteilt. Darauf forderten sie die Menschen zum Widerstand gegen die Nazis auf. Die Nazis machten Sophie ein unmoralisches Angebot. „Wir lassen dich frei. Wenn du aussagst, dass die anderen beiden die Flugblätter verteilt haben.“ Sophie schlug das Angebot aus. Sie wurde am 22. Februar 1943 wegen Verrats hingerichtet. „Jemand musste den ersten Schritt machen“, sagte sie im Gerichtssaal. Ihr eigenes Leben konnte sie so nicht retten. Doch sie verteidigte ihre ethischen Überzeugungen. Die Nazis konnten ihren Willen nicht brechen. Ihre letzten Worte waren: „Wie können wir erwarten, dass die Gerechtigkeit überwiegt, wenn es fast keinen gibt, der sich für eine gerechte Sache anbieten würde? Was für ein schöner sonniger Tag und ich muss gehen“. Sophies Mut ist die Antwort auf alle, die sich mit den Worten „Wir wussten von nichts“ oder „Wir hatten gegen das Böse keine Chance“ herausreden wollten. Sie ist ein großes Vorbild für uns alle.

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