crescendo 7/2014, Premium Ausgabe Dezember 2014/Januar 2015

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Ausgabe 07/2014 Dezember 2014 – Januar 2015

www.crescendo.de 7,90 Euro (D/A)

PREMIUM AUSGABE

CD

inkl.

Schwerpunkt

Musik & Medizin Wie kann Musik heilen? Macht Musik krank?

Thomas Quasthoff Warum der Bariton auch nach seinem Bühnenabschied einen vollen Terminkalender hat.

Diana

Damrau Die agile Sopranistin über den täglichen Wahnsinn des Klassikgeschäfts B47837 Jahrgang 17 / 07_2014

Mit Beihefter Class Aktuell

MOZARTWOCHE 2015

Stiftung Mozarteum Salzburg 22. Januar bis 1. Februar „...Mozart allumfassend in ­Verbindung mit Franz Schubert und Elliott Carter...“ Marc Minkowski


THOMAS ALBERTUS

IRNBERGER „Der mit der Geige tanzt“ aktuelle Aufnahme

WDR 3, 26. August 2014

Beethoven Die Violinsonaten Vol. 1 mit Michael Korstick

demnächst erhältlich

Gramola SACD 99050

Dvorˇák Violinkonzert, Mazurek, Romanze Gramola SACD 99022

Goldmark Violinkonzert, Sonate Gramola SACD 98986

KONZERTDATEN 2015 LIVE IN DEUTSCHLAND 17.03. Nürnberg 18.03. Stuttgart 19.03. Bad Neuenahr 24.03. Karlsruhe 25.03. München 27.03. Bonn 14.04. Bielefeld 15.04. Berlin 18.04. Bremen 23.04. Wiesbaden 03.05. Hamburg

www.gramola.at

www.thomas-albertus-irnberger.com


p r o l o g

Auszeit

w i n fr i e d h a n u s c h i k Herausgeber

Liebe Leser, „Ein Affe verdient mehr pro Tag“ stand in der Überschrift eines crescendo-Beitrags vom März 2013. Mit diesen klaren Worten prangerte Sängerin Elisabeth Kulman die teilweise miserablen Arbeitsbedingungen der Künstler an deutschen und internationalen Bühnen an, wahrscheinlich ohne zu ahnen, was sie damit auslösen würde. Innerhalb weniger Wochen avancierte sie zur Frontfigur von „art but fair“, einer Plattform für den Unmut eines ganzen Berufsstands. Seitdem wurde sie überrollt von den Geistern, die sie rief. Kulman war immer schon streng mit sich, diszipliniert, sie funktionierte ohne Rücksicht auf Verluste, wollte die Erwartungen aller Anderen einlösen und wenn möglich übertreffen. Eine Professionalität, die Publikum, Medien und Veranstalter erwarten. Exzellenz, jeden Abend auf's Neue – dazwischen Interviews, Foto-Shootings und die Aufgaben des Alltags. Doch neben ihrem straffen künstlerischen Terminkalender kam nun die Vollzeitaufgabe der Cheflobbyistin dazu. Kulman kämpfte, legte sich ins Zeug und versuchte ihr Bestes, doch es kam, wie es kommen musste: Sie war mit ihren Kräften am Ende. Ausgebrannt. Fertig. Sie sagte alle Vorstellungen ab und nahm sich eine Auszeit. Es folgte großes Geschrei. Darf man das? Werden die Veran-

Fotos Titel: Simon Fowler / ERATO; Marco Borggreve

An dieser Stelle ist keine Abo-CD vorhanden?

stalter sie noch buchen? Ihr Management teilte Anfang Juli mit: Aufgrund eines Erschöpfungszustandes, hervorgerufen durch langfristige, mehrfache Dauerbelastung, kann die Künstlerin leider [...] ihren Konzertverpflichtungen nicht nachkommen.“ Zwei Monate später meldete sie sich persönlich, postete auf ihrer FacebookSeite ein Video und erzählte ungeschminkt von ihrem Erschöpfungszustand. Am 29. Oktober schrieb sie „Wahnsinn. Ich hab‘s getan.“ Sie buchte einen Flug nach Bangkok. Vier Wochen Thailand. Seitdem hält sie die Welt auf ihrer Facebook-Seite mit intimen Einblicken über ihr Seelenleben auf dem Laufenden. Und jetzt die große Frage: Darf man das, soll man das? Sich so nackig machen, so angreifbar? Oder besser die Inszenierung wahren, die Fassade des Stars aufrecht erhalten, den alle viel lieber sehen, als den Mensch dahinter mit all den Problemen, von denen wir doch selbst genug haben? Wieviel Befindlichkeit ist erlaubt, wie authentisch darf man sein? Diese Fragen lösten auch hier in der Redaktion eine Diskussion aus. Die Öffentlichkeit kennt meist nur die Hülle eines Stars, es ist ein wohlkalkuliertes Spiel aus Nähe und Distanz. Elisabeth Kulman gehört auch hier zu den modernen Rebellen. Ich finde, sie ist aufrichtig. „Gerade starke Frauen sind zur größten Schwäche fähig!“ schreibt sie im Booklet ihrer CD „frauen.leben.liebe“. Ist das unprofessionell oder gerade die neue Professionalität des 21. Jahrhunderts? Ich jedenfalls ziehe meinen Hut und wünsche Elisabeth Kulman, dass „alles gut wird“ auf ihrem ganz eigenen Weg. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Jahresausklang und in all dem Trubel ein wenig Raum für Muse und Müßiggang. Herzlichst,

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Ihre Abo-CD In der Premium-Ausgabe finden Sie nicht nur doppelt so viel Inhalt: mehr Reportagen, Porträts, Interviews und ­ Hintergründe aus der Welt der Klassik – in einer besonders hochwertigen Ausstattung, sondern auch unsere ­ crescendo Abo-CD. Sie ist eine exklusive Leistung unseres c­ rescendo Premium-Abonnements. Premium-Abonnenten erhalten sechs Mal jährlich eine hochwertige CD mit Werken der in der aktuellen Ausgabe vorgestellten Künstler. Mittlerweile ist bereits die 51. CD in dieser crescendo Premium-Edition erschienen.

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morgen kommt

P r o g r a m m

salut salon klassisch weihnachtlich verführt mit Witz und Charme

Weihnachts-Tour unter anderem in: 10. 12. Flensburg 4. 12. Soest 16. 12. Dortmund 5. 12. Bielefeld 18. 12. Stuttgart 6. 12. Hannover 19. /20. 12. Mainz 7. 12. Hamburg Viele weitere Termine: salut-salon.com/tour

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warnerclassics.de

14 Gabriel Prokofiev Auf einen Kaffee mit dem Enkel des berühmten russischen Komponisten.

34 Sol Gabetta Das neue Album der lebensfrohen und quirligen Cellistin ist überraschend düster.

STandards

Künstler

hören & Sehen

03.... Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor. 06.....Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulisssen. 08.....Blickfang Das beste Sprungfoto des Jahres. 10......Ouvertüre Ein Anruf bei... ... Teodor Currentzis. Die Playlist von Counter Valer Sabadus. Tabelle: Wie hoch ist der Kitschfaktor? 30.....Personalien Len Blavatnik stiftet Warner Music Prize 35.....Impressum

14......Ein Kaffee mit ... Gabriel Prokofiev. 16......Renée Fleming Über ihr Weihnachtsalbum und was an Angela Merkels Mann toll ist. 18......Laurence Equilbey Die Dirigentin hat ein neues Orchester gegründet. 20.....Die Prégardiens Vater und Sohn haben ein gemeinsames Liedalbum aufgenommen. 22.....Thomas quasthoff Singt wieder! 24.....Bryn Terfel Der Bass-Bariton über neue Medien und Opernübertragungen im Kino. 26.....Diana Damrau Ein Gespräch über Wahnsinn im Alltag und auf der Bühne. 28.....KlavierBegleiter Sind sie die Schattenmänner der Klassik-Szene?

46..... R ätsel des Alltags 70..... KOMMENTAR Axel Brüggemann über kränkelnde Erwartungen. 82.....Daniel Hope... Der crescendoKolumnist durfte vor Merkel und Gorbatschow spielen.

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31...... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 32..... Attilas Auswahl Die Empfehlungen unseres Kolumnisten. 43..... U nerhörtes & Neu Entdecktes: Christoph Schlüren über zwei Grandes-Dames. 44.....Akustik Die besten Kopfhörer für uneingeschränkten KlassikGenuss.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 81.

Dezember 2014 – Januar 2015

Fotos: Uwe Arens / Sony Classical; Alfonso Salgueira; Uwe Arens / Sony Classical

Das neue Album jetzt im Handel und auf

10 Valer Sabadus Unsere Playlist: Was hört der Countertenor auf seinem iPod?


60 Konzert Im Liegen Der Holländer Jeroen van Veen und seine Frau Sandra veranstalten Liege-Konzerte. Unsere Autorin legte sich dazu.

66 MusikPhysiotherapie Karl-Josef Maria Funke verspricht Musikern ein besseres Spiel durch bessere Haltung. Was ist sein Geheimnis?

74 Reise: Berlin Der Dirigent Christoph Hagel zeigt uns sein musikalisches Berlin – und das liegt ab von klassischen Spielstätten.

erleben

gesellschaft

Lebensart

48..... DIE WICHTIGSTEN TERMINE UND VERANSTALTUNGEN FÜR DEN HERBST

62..... Schwerpunkt Musik & Medizin Musik als Heilmittel. 65..... Hildegard von Bingen Eine Annäherung an die Urmutter klösterlicher (Musik-)Heilkunst. 66.....MusikPhysiotherapie Mit Gleichgewichtsbrett zum besseren Musizieren. 68..... I n der Grotte Gute Luft und Obertongesang in der Heilgrotte.

72..... Gew innen! Der große crescendoAdventskalender 74..... R eise Berlin aus der Sicht des Dirigenten Christoph Hagel. 77..... Ter mine & Reisetipps Das Hotel Sattlerhof in der Steiermark. 78.....WEinkolumne Dirigent John Axelrod hat einen Wein gefunden, der auch dem Weihnachtsmann schmeckt.

Fotos: Sina Kleinedler; zeegaro; Bob Coat

54.....Kissinger Winterzauber Bunter Künstlermix im königlichen Kurort. 56.....Mozartwoche Mozart allumfassend in Verbindung mit Schubert und Elliott Carter. 58.....Amsterdam Sinfonietta 24 Stunden mit dem Orchester in Holland. 60.....Liege-Konzert Unsere Autorin wagte den Selbstversuch und legte sich im Konzertsaal dazu.

61...... K lassik in Zahlen

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E n s e m b l e

Hinter der Bühne

Die Welt von crescendo lebt von den Künstlern & Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen der Produktion. Alfonso Salgueiro Unser neuer Fotograf ist gebürtiger Spanier, arbeitet und lebt aber seit 2001 in Luxemburg. Dort fotografiert er nicht nur die schöne luxemburgische Landschaft für das Luxembourg Ardennes Tourist Office oder bietet FotoWorkshops an, sondern ist auch Konzertfotograf für die Philharmonie. „Ich liebe meine Arbeit dort genauso wie das Gebäude an sich, sowohl draußen als auch drinnen. Ich nutze jede Möglichkeit, ihre Architektur und ihre Beziehung zu Menschen im öffentlichen Raum im Bild festzuhalten.“ Kein Wunder also, dass er für unseren crescendo-Kaffee Gabriel Prokofiev, den Enkel des berühmten Komponisten, zwischen den markanten Säulen der Luxemburger Philharmonie fotografierte. Seite 14.

Thomas Schöberl Unser freier Mitarbeiter hat uns schon in der vergangenen Produktion tatkräftig unterstützt und sein besonderes Händchen für historische Themen bewiesen. Nicht verwunderlich, schließlich hat er Musikwissenschaft, Musik und Kunstgeschichte studiert. Wenn er nicht gerade zum Beispiel über Hildegard von Bingen forscht (seinen Text lesen Sie auf Seite 65), arbeitet er in der Musikvermittlung und als Komponist für Medien und Werbung – oder er reist nach London, wie für diese Ausgabe zu einem Frühstücksgespräch mit Bryn Terfel. Das Interview beginnt auf S. 24.

Michael Sellger

Fotos: privat; Kristin Schuster / facebook

Unser Berliner Autor durfte für diese Ausgabe einen echten Weltstar treffen: die Sopranistin Renée Fleming. Für das Gespräch über ihr neues Weihnachtsalbum hatte Sellger Marzipankartoffeln und Weihnachtsgebäck mitgebracht, das die Amerikanerin allerdings dankend ablehnte. Am Abend vorher hatte sie bei den Feierlichkeiten zum 25. Jubiläum des Berliner Mauerfalls in einer Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie am Brandenburger Tor mitgewirkt und im Trubel ihren Diamantring verloren. Die Weihnachtsleckereien hätten sie vielleicht ein bisschen getröstet – trotzdem ist es ein sehr offenes und schönes Interview geworden, das Sie ab Seite 16 finden.

In eigener Sache Wir suchen für 2015 wieder Praktikanten für die Redaktion: Wenn Sie also gerne recherchieren und schreiben, und – wie wir – ein großes Interesse an klassischer Musik haben, dann bewerben Sie sich bei uns. Schreiben Sie eine Mail mit aussagekräftigen Unterlagen und Arbeitsproben an novak@crescendo.de oder per Post an Redaktion crescendo, Rindermarkt 6, 80331 München.

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SO KLINGT WEIHNACHTEN!

RENÉE FLEMING CHRISTMAS IN NEW YORK Das erste Weihnachtsalbum von Renée Fleming Mit Jazz-Ikone Gregory Porter u.v.a.

THOMAS QUASTHOFF MEIN WEIHNACHTEN

111 KLASSIK ZU WEIHNACHTEN Aus der erfolgreichen 111-Serie Feierliche Weihnachtsmusik auf 5 CDs interpretiert von Größen wie Pavarotti, Domingo, Wunderlich u.v.a.

Thomas Quasthoffs persönliche Weihnachtsgeschichte mit JazzStandards und deutschen Gedichten Johnny Moore und White Christmas treffen auf Ringelnatz, Rilke und Brecht

HERBERT VON KARAJAN DAS WEIHNACHTSALBUM Ausschnitte aus dem berühmten Barockkonzert Leontyne Price singt die schönsten Weihnachtslieder

www.klassikakzente.de


b l i c k f a n g

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w wwww. w c r. ec rs ec es cn ed no d. do e. d e— —Dezember Ok tober – November 2014 – Januar 2014 2015


Bestes Sprung-Foto! Das mit Abstand beste Sprung-Foto, das wir in der crescendo-Redaktion in den letzten Jahren gesehen haben! Wir haben es der Produktion LAC entnommen, einer Neuinterpretation des berühmten TschaikowskyBalletts Schwanensee von Choreograph Jean-Christophe Maillot. Da ist vieles umgestellt, vieles modern, vieles anders, aber wunderbar vertanzt vom Ballett von Monte-Carlo und musikalisch interpretiert vom ­ St. Louis Symphony Orchestra unter der Leitung von Leonard Slatkin – ein neues Erlebnis für Ballett-Liebhaber.

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Foto: Alice Blangero

Wir rezensieren LAC auf Seite 40.


o u v e r t ü r e

„Noch radikaler“ Teodor, wir erwischen Sie zuhause in Perm, das ja fast tigsten Konzerte überhaupt. Wir haben da ja mit dem gesamten schon in Sibirien liegt. Ist schon Winter? Orchester im Krankenhaus gespielt, und es gab Menschen, Ja, null Grad heute. Es wird aber noch deutlich kälter, die hatten zwei Wochen lang nichts gegessen und konnminus 30 Grad. Als wir im vergangenen Jahr das Alten danach wieder was zu sich nehmen. Da geht es um bum zu Nozze di Figaro aufnahmen, haben sich Leben und Tod. Das ist unglaublich berührend. hier die Leute bei uns in der Stadt unten am Fluss Ist das neue Album mit der Oper Così fan tutte genauso energetisch wie die Aufnahme von Le getroffen und sind ins Wasser gesprungen – bei Nozze di Figaro? minus 30 Grad! Das machen die traditionell an diesem Tag. Ich habe das meinen MusiNaja, es sind zwei völlig verschiedene Opern, und kern nach der Aufnahme gezeigt und geich würde sagen, Cosi fan Tutte ist sehr dynamisch sagt: Schaut, Leute, das, was wir hier maund sogar noch ein wenig radikaler. Man kann die chen, ist gar nicht das Extremste. beiden nicht richtig vergleichen, und ich bin an das Werk auch selbst anders herangegangen. Aber Sie sind nicht reingegangen … Nein nein, ich bin nicht so der nordiWie lange wollen Sie eigentlich noch im weit entfernten Perm bleiben? Russland ist gerade nicht sche Typ, ich bin Grieche, ich stehe ja so beliebt in Westeuropa … eher auf Wärme und das südliche Leben. Sie haben für das erste Ihrer drei MozartAls Künstler sehe ich das etwas anders, Russland ist Alben Le Nozze di Figaro viel gute Kritik beund war eine sehr wichtige Welt für Künstler, denn sie ist kommen. Kamen auch SMS von Kollegen wandelbar. Man muss verstehen, dass hier vieles und Musikern? möglich ist, was in anderen westeuropäischen Städten durch den Kapitalismus Oh ja. Sehr sehr viele sogar. Das tut niemals möglich gewesen wäre. Und natürlich gut, und es ist sehr wichwenn die Bevölkerung selbst das tig für mich, zu sehen, dass das, System kreiert und nicht das System was wir da tun, verstanden wird, die Bevölkerung, dann ist das hisdenn dafür machen wir es ja. Es torisch gesehen etwas sehr Positibleibt mein oberstes Ziel, dass die ves, und wenn ich das in Russland Musik die Menschen berührt. vorfinde, dann bleibe ich noch So wie in diesem Sterbehospiz Teodor Currentzis (42) ist Musikdirektor des Opernsehr lange in einer russischen in Moskau, in dem Sie gespielt und Ballettheaters in Perm, Ural, und erster Ständiger Gastdirihaben … Stadt. Das ist mein Credo. gent des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg. Ja, das war eines meiner wichRobert Kittel

Playlist Welche Werke hört Valer Sabadus auf seinem iPod? Und vor allem, warum?

1. Queen: „Bohemian Rhapsody“ Freddy Mercury hat sich hier selbst übertroffen – ein durchkomponiertes Lied – ohne Refrain, ohne Strophenform und doch so vielfältig! 2. The Doors: „Riders on the storm” Trotz Regen und Donnereffekten am Anfang erscheint mir dieser Song als Paradebeispiel fürs „Chillout“. 3. Amália Rodrígues: „Lisboa a Noite“ In keiner anderen Fado-Stimme spiegeln sich Abschiednehmen, Sehnsucht, Zärtlichkeit und die Liebe zu der eigenen Heimatstadt so perfekt wider. 4. Radiohead: „Lotus flower“ Erzeugt bei mir eine unglaubliche Magie.

Sabadus᾽ neues Album „Le belle immagini“ ist soeben erschienen. (Sony Classical)

5. Bobby Mc Ferrin: „Don't worry, be happy” Das waren angeblich die letzten Worte eines indischen Gurus, bevor er den Rest seines Lebens schwieg. Bobbys Interpretation davon ist einfach nur grandios.

+++ Glücklicher Gewinner: Der ungarische Trompeter Tamás Pálfalvi ist der Gewinner des mit 10.000 Euro dotierten ersten Fanny-Mendelssohn-Förderpreises. Fünf Musiker konnten sich in der Endrunde der Plattenfirma Berlin Classics, die nun die erste CD des Gewinners produzieren wird, mit ihrer Musik und ihren Ideen vorstellen. +++ Hat Vanessa Mae geschummelt? Überraschenderweise hatte sich die Geigerin für die Olympischen Winterspiele in Sotchi qualifiziert – und hätte eigentlich nicht teilnehmen dürfen, das bestätigte der Internationale Skiverband FIS. Grund: Die Qualifikationsresultate von Star-Geigerin Vanessa Mae waren gefälscht. Jetzt ist die Skifahrerin für vier Jahre gesperrt worden. +++ Essen schlecht, Konzert abgesagt: Ein ganzes Orchester ist weiter auf S. 12

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Dezember 2014 – Januar 2015

Foto: Bob Coat

Ein Anruf bei ... Dirigent Teodor Currentzis, dessen Nozze di Figaro hierzulande für viel Aufmerksamkeit sorgte und der nun Mozarts Così fan tutte veröffentlicht.


HERAUSRAGENDE NEUHEITEN BEI SONY CLASSICAL

JONAS KAUFMANN DU BIST DIE WELT FÜR MICH

DOROTHEE OBERLINGER THE PASSION OF MUSICK

TEODOR CURRENTZIS MOZART: COSÌ FAN TUTTE

Wenn Jonas Kaufmann Dein ist mein ganzes Herz, Du bist die Welt für mich und andere Hits der 20er und 30er Jahre singt, ist das einfach unwiderstehlich gut. „Ein mitreißendes, emotionsgesättigtes Gute-Laune-Album.“ RBB Kulturradio

Im krisengeschüttelten England des 17. Jahrhunderts blühte in den Pubs und bürgerlichen Salons die „private musicke“. Wie farbenreich diese von keltischer Volksmusik inspirierte Kammermusik klang, demonstrieren Flötistin Dorothee Oberlinger und Gambist Vittorio Ghielmi mit ihren Ensembles.

Seine Nozze di Figaro wurde zur Oper des Jahres (Echo Klassik) gekürt. Jetzt erscheint die zweite herausragende Neuaufnahme einer Mozart-Oper des Dirigenten Teodor Currentzis und seines Ensembles MusicAeterna. „Ein grandioses Gesamtkonzept!" RBB Kulturradio

LANG LANG AT THE ROYAL ALBERT HALL

CHRISTMAS IN MOSCOW DOMINGO · CARRERAS · SISSEL

DEUTSCHE HARMONIA MUNDI 50 CD COLLECTION

Das spektakuläre Londoner Konzert in der legendären Royal Albert Hall begeistere Presse und Publikum gleichermaßen. Über 120 Minuten Musik der Extraklasse von Mozart, Chopin, Schumann u.a. auf DVD & Blu-ray.

Ein großes weihnachtliches Gala-Konzert in der Tradition der Wiener Weihnachtskonzerte mit den Star-Tenören Plácido Domingo und José Carreras, die sich für das Moskauer Konzert die bezaubernde norwegische Sängerin Sissel Kyrkjebø als Partner ausgesucht haben.

Diese limitierte Edition enthält 50 CDs des Labels Deutsche Harmonia Mundi zum Sonderpreis. Mit hochkarätigen Künstlern wie Nikolaus Harnoncourt, Hille Perl, Thomas Hengelbrock, Dorothee Oberlinger, Simone Kermes, Buno Weil, Nuria Rial, l’arte del mondo, dem Huelgas Ensemble, dem Freiburger Barockorchester u.v.a.

www.sonymusicclassical.de

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www.langlang.com www.dorotheeoberlinger.de www.placidodomingo.com www.jonaskaufmann.com


o u v e r t ü r e

Kling, Glöckchen!

Klassik Radio-Moderator Holger Wemhoff hat sich für uns bei einer Portion Plätzchen vier Weihnachts-Neuerscheinungen angehört und sie auf ihren Inhalt untersucht – und natürlich den weihnachtlichen Kitschfaktor.

CHRISTMAS WITH SALUT SALON

RENÉE FLEMING „Christmas in New York“

TSCHAIKOwSKY „Der Nussknacker“ (komplett mit Neeme Järvi)

Mormon Tabernacle Choir „Let the Season in“

„Sie hätten sich noch ein bisschen was aufsparen sollen – das Lebenswerk kommt doch erst noch!“ Hornist Felix Klieser nach etwa vier Minuten Standing-Ovations für ihn beim ECHO Klassik 2014

Wer? Wie? Was?

Für wen?

Kitschfaktor

Ein Klavier, zwei Geigen, ein Cello: Zusammen ergibt diese Kombi das erfolgreichste musikalische Frauenquartett der Republik: Salut Salon! Ihre Bühnenprogramme? Jetzt schon Legende! Und jetzt ihre erste Exklusivaufnahme für Warner Classics, und die leuchtet weihnachtlich in allen Facetten!

Für alle, für die Weihnachten nicht nur Besinnlichkeit bedeutet (obwohl mit Bach und Brahms auch dafür gesorgt ist), sondern auch Fest, Freude, Humor und vor allem Vielfalt! Wenn man denkt, die Mädels würden nur allein ihre Instrumente fantastisch beherrschen, dann sollte man sie mal singen hören, z. B. in „Carol of the Bells“.

Niedrig. Im Gegenteil: Den Kitsch versucht man hier erfolgreich zu umgehen!

The Diva is back: Aber wie! Und nicht als Operndiva. La Fleming ist einer der wenigen Opernstars, der die amerikanischen Weihnachtshits eben NICHT opernhaft singt. Weil sie eben von Haus aus keine Opern-, sondern Jazzsängerin ist, und diesem „Beruf “ ist sie als Künstlerin in diversen US-Bars über Jahre nachgekommen.

Für alle! Und das ist die Kunst. Die Klassik-Fans lieben Fleming sowieso. Die Jazz-Fans lieben die Gastauftritte zahlreicher Jazz-Größen wie Wynton Marsalis, Chris Botti, Kurt Elling, Rufus Wainwright oder Brad Mehldau. Und diejenigen, die ihren Abend in entspannter Clubatmosphäre mit einem Glas Whiskey beenden? Auch hier taugt die neue Fleming als Hintergrund!

Nach Dornröschen und Schwanensee hat Neeme Järvi mit den Bergener Philharmonikern pünktlich zu Weihnachten mit dem Nussknacker den Sack zugemacht. Und ich komme nicht umhin, diesen Knacker als den Kracher unter allen existierenden Aufnahmen zu bezeichnen. Wahnsinnig viel Liebe zum Detail, Mut zum Tempo, Mut zur Entstaubung! Es rabimmelt wieder im Weihnachtskarton: Wer nicht genug von Zuckerguss, Plätzchen, Lichtlein und Glöckchen bekommen kann, muss jedes Jahr auf die neue Weihnachts-CD des weltweit berühmten Mormon Tabernacle Choir zurückgreifen. Jedes Jahr werden Gaststars eingeladen. Diesmal: Sopranistin Deborah Voigt und die britische Filmlegende John Rhys Davies.

Für diejenigen, die in der Weihnachtszeit nicht ohne den „Nussknacker“ leben können und die sich unter dieser Grundprämisse nur das Beste ins erleuchtete Haus holen wollen.

Erfreulich niedrig, mit wenig Zuckerguss, dafür umso mehr Schmackes!

Für alle, die mit DIESER musikalischen Backmischung klarkommen, ohne dass der Magen drückt: Bach und Rimsky-Korsakow gemixt mit „We wish you a merry Christmas“ und der Weihnachtsgeschichte!

G E L E S E N N O T I E R T Die Zitate des Monats

„Nun hat das Wort Lufthansa-Pilot entschieden mehr Sex als das Wort Lehrbeauftragter, in dessen Schatten man leicht überhört, dass da nicht etwa Gestrandete ein Gnadenbrot verzehren.“

Wohldosiert. Also fast schon gering für eine Amerikanerin!

Massiv!

„Die Netrebko leuchtete nicht nur stimmlich. Frisch verlobt, majestätisch trägerfrei in goldflammenchangierenden Glitzerchiffon gehüllt, betrat sie königinnengleich und doch mädchenhaft scheu mit Funkelstirnband das Philharmonie-Podium.“ Manuel Brug (Die Welt) über Anna Netrebkos Auftritt in Strauss' Vier letzte Lieder in der Berliner Philharmonie

Volker Hagedorn (Die ZEIT, 6.11.) in seinem Artikel über den Protest der Lehrbeauftragten an deutschen Musikhochschulen.

in Moskau Opfer einer Lebensmittelvergiftung geworden. 48 Musiker des Symphonieorchesters der Primorsky Oper aus Wladiwostok klagten über Magenprobleme und waren nicht in der Lage, das Konzert zu spielen. ++++ 1300 Sänger für Penderecki: „Dies Illa“, das neuste Werk des polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, ist den Opfern des Ersten Weltkriegs gewidmet und wurde beim Flanders Festival in Brüssel uraufgeführt. Immerhin 22 belgische Chöre und zusätzlich 17 Chöre aus anderen Ländern nahmen an diesem musikalischen Großprojekt teil. ++++ Montserrat Caballé (81) will nicht ins Gefängnis: Die Operndiva hat ihre 508.000 Euro Steuerschulden, die sie beim spanischen Staat hat, zurückgezahlt und eine freiwillige Strafzahlung angekündigt. ++++

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o u v e r t ü r e

Historische Kuranlagen &

Auszeichnung für MCO „Feel the Music“ erhält den Kulturmarkenaward 2014

Goethe-Theater Bad Lauchstädt

Gehörlose Kinder im Workshop mit Leif Ove Andsnes

Das Mahler Chamber Orchestra darf sich über den Kulturmarkenaward 2014 freuen. Das besondere Musikvermittlungsprojekt „Feel the Music“, bei dem gehörlose Kinder an die Musik herangeführt werden sollen (crescendo berichtete) wurde von einer 31-köpfigen Expertenjury zum Europäischen Bildungsprogramm des Jahres 2014 gekürt. In mehreren Workshops, die sowohl an den Schulen als auch in den Konzertsälen stattfinden, erleben die Kinder, wie Musik mit allen Sinnen wahrgenommen werden kann. Über 150 Kinder aus sieben Ländern haben bisher an dem Projekt teilgenommen. Ole Bækhøj, Chief Executive des Mahler Chamber Orchestra sagt: „Wir freuen uns sehr, dass die Jury ‚Feel the Music‘ zum Europäischen Bildungsprogramm 2014 ernannt hat und hoffen, dass diese Auszeichnung weitere Ensembles und Veranstalter dazu inspiriert, Angebote für hörgeschädigte Menschen zu schaffen, die unser Musikleben bereichern.“

Foto: Candida Höfer

GOETHES SÄCHSISCHES ARKADIEN Theatersommer 2015 1. Mai - 27. September Goethe-Theater Bad Lauchstädt HÖHEPUNKTE 21. Juni | Mozart DIE ZAUBERFLÖTE Lautten Compagney Berlin | RIAS-Kammerchor Berlin

pa s d e D e u x

11. Juli | Gluck ORPHEUS UND EURYDIKE Landestheater Coburg

Unsere Rubrik mit Doppelgängern aus der Klassikwelt. Diesmal: Celine Dion und Diana Damrau

8./9. August | Händel ACIS AND GALATEA CONCERT ROYAL Köln

Fotos: tumblr; Michael Tammaro; Anna Novák

22./23. August | Händel RINALDO Marionettentheater Carlo Colla e Figli, Mailand Lautten Compagney Berlin

Eintrittskarten www.goethe-theater.com Besucherzentrum: Tel. 034635 905472 besucher@goethe-theater.com

Sopranistin Diana Damrau (43) hat viele Gesichter: Manchmal sieht sie aus wie Meryl Streep, manchmal ganz anders und auf diesem Foto hat sie eindeutig den Celine-Dion-Look.

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Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH Parkstraße 18 | 06246 Goethestadt Bad Lauchstädt


K ü n s t l e r

Auf einen Kaffee mit ...

Gabriel Prokofiev (39) beim crescendoKaffee in der Philharmonie Luxemburg.

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Foto: Alfonso Salgueiro / Alsal Photography

Gabriel Prokofiev


Musik natürlich sehr nahe steht. Und diesmal bot es sich an. Bevor Sie sich der klassischen Komposition gewidmet haben, haben Sie viel elektronische Musik gemacht ... ... ja, und als Jugendlicher habe ich Popsongs geschrieben. Ich hatte eine coole Band. Wir hatten übrigens gerade eine Reunion und haben das erste mal nach 20 Jahren wieder zusammen gespielt. Als ich in Birmingham studierte, konnte ich sehr viel elektroakustisch arbeiten, sie hatten dort eine fantastische Musikabteilung, und es crescendo: Ihr Nachname ist nicht gerade unpopulär in der klas- war befreiend, so zu komponieren. Da ging es nicht um irgendwelche Tonalitäten, Harmonien oder Regeln – es ging nur um den sischen Musik, und man würde denken, Ihnen stehen alle Türen puren Klang. offen. Ist das so oder hat es auch Nachteile, der Enkel von Sergej Und dann fingen Sie an, elektronische Musik zu produzieren: Prokofiev zu sein? Gabriel Prokofiev: Wenn ich sehe, was mein Großvater geschaffen Dance, Hip-Hop, Grime, UK-Garage. hat, motiviert mich das immer, noch härter zu arbeiten. Er war ein Ja, weil ich wirklich unzufrieden war mit der zeitgenössischen hart arbeitender und engagierter Mann. Mein Vater war Bildhauer, Klassik-Szene. Ich liebe diese Musik wirklich. Aber an diesem Punkt in meinem Leben stellte ich fest, und auch er hatte das von meinem dass es mir mit meinen Werken darum Großvater: Er arbeitete jeden Tag an „Zuerst habe ich angefangen, ging, mit den Menschen zu kommuseiner Kunst. Das inspiriert mich sehr. Doch als ich Teenager war und dann eine riesige Sinfonie zu schreiben, bis nizieren und sie zu begeistern. In der zeitgenössischen Szene hatte ich das anfing, Musik zu studieren, war ich ein mir aufgefallen ist: Ich habe ja gar Gefühl, dass zwar die Stücke gut waren, bisschen schüchtern, weil ich dachte, die wir aber einfach niemanden erreichen Leute erwarten so viel von mir. Das gilt kein Orchester.“ konnten – außer vielleicht andere Komauch auf der Bühne: Ich spiele Klavier ponisten und ihre Freundinnen. Die und Waldhorn, aber ich war selbst zum Üben zu eingeschüchtert. Deswegen bin ich kein aktiver Musiker, elek-tronische Musik außerhalb der Klassikwelt hat mich begeisund das bereue ich wirklich. Das ist sicherlich ein Minuspunkt. Ich tert. Ich arbeitete mit Rappern und spielte wieder in einer Band. würde gerne auftreten und Musik spielen, denn ich fühle die Musik Wieso haben Sie dann doch den Weg zur Klassik eingeschlagen? so stark in mir. Aber mittlerweile habe ich unglaublich gute Musi- Weil ich festgestellt habe, dass diese Musik – auch wenn das total ker kennengelernt, da denke ich mir immer: wieso also nicht lieber „underground“ oder rebellisch klingt – eigentlich wahnsinnig kondenen die Musik geben? Ich arbeite ja immerhin als DJ und spiele servativ ist. Wenn man in der Welt der elektronischen Musik Erfolg haben will, muss man sich wirklich anpassen. Da geht es viel zu auch manchmal Synthesizer auf der Bühne. sehr um das, was gerade „in“ ist. Ich hatte das Gefühl, dass man hier Sie sind in London aufgewachsen. Wie ist es speziell in der englange nicht so viel Freiheit hat wie in der klassischen Musik. Und ich lischen Hauptstadt? Was verbinden die Leute da mit Prokofiev? wollte Musik machen, die von echten Musikern zum Leben erweckt In London fragen mich Menschen immer wieder: „Oh, Prokofiev? werden kann. Zuerst habe ich angefangen, eine riesige Sinfonie zu Ist das ein polnischer Name?“ Das macht mich immer ein bissschreiben, bis mir aufgefallen ist: Ich habe ja gar kein Orchester. Ich chen glücklich, weil es mir den Druck nimmt. Ich glaube, es war habe dann ein Streichquartett geschrieben, das war 2003, und damit ein Vorteil, in England aufgewachsen zu sein und nicht in Russstartete eigentlich erst meine Komponisten-Karriere. land. Dort wäre der Druck, ein Prokofiev zu sein, viel viel größer! 2004 haben Sie ein Platten-Label mit dem sehr eigenwilligen In Russland ist mein Großvater eine echte nationale Berühmtheit Namen „Nonclassical“ gegründet – war das Ihre Art der Rebel– ich habe mal eine Münze mit seinem Gesicht drauf gesehen, und lion gegen die klassische Musik? da wurde mir das erst so richtig bewusst. Naja, das Problem ist doch, dass viele Menschen, wenn sie den Sie haben ein Violinkonzert über den Krieg geschrieben. Wäre es nicht schöner gewesen, ein Stück über den Frieden zu kompo- Begriff „klassische Musik“ hören, denken, das wäre etwas sehr formelles und nur was für ältere Generationen. Bei „Nonclassical“ nieren? machen wir Klassik – aber eben nicht im klassischen, traditionelEhrlich gesagt, ich war schon ein wenig eingeschüchtert von der len Sinne. Wir sind weniger formell, dafür umso progressiver. Wir Idee, ein Konzert über den Krieg schreiben zu müssen. Krieg an machen auch Club-Events, bei denen die Leute einfach hochkaräsich ist schrecklich. Und wenn es in der Musik nur um den Krieg tige Musik hören sollen. geht, dann wird zwangsläufig ein schweres, unerträgliches Stück Da liegt eine Frage nahe: Liegt die Zukunft der klassischen – ein Albtraum-Stück! – daraus. Deswegen habe ich mein ViolinMusik vielleicht außerhalb des Konzertsaals? konzert 1914 genannt. Ich begleite das Jahr: den Enthusiasmus vor Ich muss sagen, ich persönlich liebe den Konzertsaal. Besonders dem Krieg, den Patriotismus und dann den Schrecken, der über alle hereinbrach. Schon am Ende des ersten Jahres war dieser Krieg für Orchestermusik. Es ist einfach schwer, für solche Musik andere geeignete Orte zu finden. Ich kenne zum Beispiel ein Orchester, ein Desaster und die Soldaten litten unter Kriegsneurosen. Somit das Multi-Story Orchestra, die in einem Parkhaus auftreten – das habe ich in meinem Stück aber beides: den anfänglichen Frieden glücklicherweise eine gute Akustik hat. Wenn man also alternative und dann den Krieg. Das ist meine Lösung zu dieser Frage. Orte mit passender Akustik findet, ist das fantastisch. Wir müssen Hätte Ihr Großvater Ihr Violinkonzert gemocht? auf jeden Fall außerhalb des Konzertsaals existieren, um zu über(lacht) Na, das hoffe ich doch! Schließlich beziehe ich mich musileben. Das bedeutet aber nicht, dass es den Konzertsaal nicht mehr kalisch auch auf ihn und zitiere einen seiner Märsche – er konnte geben darf. Entscheidend ist: wir müssen die Leute außerhalb des fantastische Märsche schreiben. Konzertsaals einsammeln, um sie mit hineinzunehmen! Prokofiev klaut also bei Prokofiev ... Interview: Anna Novák n Genau. Verweise auf ihn passieren immer wieder, weil mir seine War es vorbestimmt, dass Gabriel Prokofiev Komponist wird? Wenn man sich seinen Stammbaum anschaut, liegt das nahe. Wir trafen den Enkel von Sergej Prokofiev in der Philharmonie in Luxemburg, wo sein erstes Violinkonzert „1914“ von Daniel Hope und dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg aufgeführt wurde, auf einen Kaffee. Er hat nichts von einem strengen Russen, sondern ist ein lässiger Typ, eher schüchtern. Erst wenn er über seine Musik spricht, blüht er richtig auf.

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Die Volksdiva? Weltstar Renée Fleming über ihr Image, ihr kitsch-freies Weihnachtsalbum „Christmas in New York“ – und warum sie Angela Merkels Mann bewundert.

Foto: Timothy White / Decca

von Michael Sellger

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crescendo: Frau Fleming, ich habe Ihnen gewürzte Mandeln, Marzipankartoffeln und Lebkuchen mitgebracht. Mögen Sie probieren? Renée Fleming: Es tut mir leid, aber eigentlich esse ich keinen Zucker. Aber am ehesten mag ich noch Lebkuchen, die kann man auch in New York kaufen. Dort gibt es jetzt übrigens auch Weihnachtsmärkte wie in Deutschland, aber sie sind nicht so gut. Dennoch muss die Stadt zur Weihnachtszeit etwas besonderes sein: Sie haben Ihr Album „Christmas in New York“ genannt. In New York vermischt sich so unglaublich viel, Menschen, Religionen, Stile. Das merkt man auch zur Weihnachtszeit sehr stark. Außerdem leben Kurt Elling, Gregory Porter und Wynton Marsalis, mit denen ich am Album zusammengearbeitet habe, in der Stadt. Wie ist es denn zur Zusammenarbeit mit Rufus Wainwright gekommen? Ich kenne Rufus schon lange – er ist ein Freund. Und er ist ein riesiger Opernfan und hat schon selbst eine Oper geschrieben. Er sang „In the bleak midwinter“ mit mir, weil es das Lieblingslied seiner Mutter war. Am Anfang war es schwierig, weil wir uns stimmlich nicht sofort verstanden, aber nach zehn Minuten harmonierten wir. Er ist unheimlich begabt. Ihr Weihnachtsalbum ist gar nicht so kitschig wie andere. Wie haben Sie das geschafft? Das ist vor allem eine Frage der Musikauswahl. Einige der Titel haben gar nichts mit Weihnachten zu tun. Für mich ist Weihnachten auch die Zeit des Nachdenkens, dazu passen nicht nur Weihnachtslieder. Jeder der Künstler hat Ideen mit eingebracht, so hat sich das Album sehr organisch entwickelt. Wir haben dann auch neun Monate dafür gebraucht. Gehört so ein Weihnachtsalbum zu einer Gesangskarriere? Man denkt tatsächlich, dass irgendwann verlangt wird, ein Weihnachtsalbum zu machen. Ich hätte aber nicht gedacht, dass es kein traditionelles Album mit klassischer Musik werden würde. Einerseits war es zu teuer, ein Album mit Orchester zu produzieren. Vor allem aber lebe ich in New York – New York war für mich immer wie Jazz. Die meisten Menschen sagen, Weihnachten sei in ihrer Kindheit am schönsten gewesen. Wie geht es Ihnen damit? Das Weihnachten meiner Kindheit war großartig, einmal habe ich sogar ein Pferd bekommen. Es sind fantastische Erinnerungen. Schwieriger war es später mit meinen eigenen Kindern, weil wir oft die einzigen in New York waren und nicht mehr die ganze Familie zusammenkam. Aber ich habe versucht, es schön zu machen. Weihnachten bedeutet übrigens eine Menge Arbeit, besonders für Mütter. Noch so eine Meinung: Weihnachten ist viel zu kommerziell. Finden Sie das auch? Für mich wäre es wirklich schöner, wenn man nicht ständig gezwungen wäre, zu schenken. Mit Familie und Freunden zusammen zu sein und in einer schön dekorierten Wohnung gut zu essen finde ich viel schöner. Man bekommt ohnehin nur Sachen, die man nicht will. Ich finde es schöner, das Jahr über Geschenke zu machen. Als Sie 2013 mit der National Medal of Arts ausgezeichnet wurden, hieß es in der Begründung, Sie seien vielen als „the people᾽s diva“ bekannt, was man als „Diva des Volkes“ übersetzen könnte. Sind Sie eine Volksdiva? Das klingt sehr schön auf Deutsch. „Volksdiva“ bedeutet wohl, dass ich bodenständig geblieben bin. Manchmal habe ich mir gewünscht, eine andere Persönlichkeit zu entwickeln. Aber es ist nie passiert, ich bin immer die gleiche Renée Fleming geblieben. Diese Renée Fleming scheint über sich selbst lachen zu können: In der Late-Night-Show von David Letterman singen Sie den

Pflegehinweis „Nicht bügeln. Dunkles separat waschen“ zu einer Melodie aus Carmina Burana. Viele waren von meinem Auftritt überrascht. Die Macht des Lachens ist so stark! In diesem Sommer habe ich in einem Theaterstück, einer Komödie, eine Operndiva gespielt. Das machte unfassbar viel Spaß. Auf der Bühne hatte ich das nie, ich war als lyrischer Sopran natürlich immer tragisch. Die Zahl Ihrer Preise und Auszeichnungen ist schwindelerregend. Reden wir über Niederlagen. Gibt es etwas in Ihrer unglaublichen Karriere, das nicht geklappt hat? 1998 hatte ich ein ganzes Jahr lang entsetzliche Bühnenangst und Lampenfieber, das war furchtbar. Und auch sonst bekam ich nicht immer alles, was ich wollte. Heute ist es noch schwieriger: Es gibt zum Beispiel Blogger, die über ihre Konzerteindrücke mitunter grausame Dinge schreiben. Ich lese das nicht, aber ich weiß, wie hart die sein können. Als ich anfing, gab es noch Verständnis dafür, wie schwer es ist, gut zu sein. Man spürt, dass dieses Verständnis nicht mehr da ist, die warten regelrecht auf Fehler. Vor zehn Jahren haben Sie in Ihrem Buch geschildert, wie Sie zur Sängerin wurden. Sie könnten auch ein Buch darüber schreiben, wie man über Jahrzehnte hinweg an der Spitze bleibt. Das werde ich machen, sobald ich Zeit dazu habe. Es ist wirklich schwierig, auf dieser Ebene zu bleiben und die Ausdauer zu haben – stimmlich und körperlich. Auch der Lebensstil ist eine Herausforderung: Das viele Reisen, das Ein- und Auspacken, das Fernsein von zuhause. Ich habe das jede Woche. Aber man wird andererseits auch mit unglaublichen Erfahrungen belohnt – letzte Woche sang ich in London im St James's Palace vor Prinz Andrew, gestern zur Feier des Mauerfalls vor Angela Merkel und ihrem fantastischen Mann. Was macht Joachim Sauer so fantastisch? Er interessiert sich nicht nur sehr für Musik und Oper, er hat auch die Selbstsicherheit, sich neben einer erfolgreichen Frau wie Angela Merkel wohlzufühlen. Ich hatte das gleiche Problem, denn erfolgreiche Frauen haben es oft schwer, einen selbstsicheren Mann zu finden. Ich schaffte es auch irgendwann, aber es dauerte. Das hat viel mit dem Ego des Mannes zu tun. Bei Frau Merkel und ihrem Mann spürt man aber, dass sie als Paar harmonieren. Läuft eine Karriere irgendwann von allein oder bleibt es ein harter Kampf um die beste Publicity und die besten Engagements? Es wäre gut, eine langfristige Strategie zu haben. Wo singe ich? Was singe ich? Beschränke ich mich auf ein bestimmtes Repertoire? Wo will ich hin? Diese Art von strategischem Denken ist wichtig. Es ist heute viel komplizierter, denn keine Plattenfirma investiert mehr in das Marketing für einen Künstler. Man muss sich schon selbst ins Gespräch bringen. Gehört zu dieser Art von Marketing auch, die Nationalhymne beim Superbowl zu singen, wie Sie es Anfang des Jahres taten? Das hat viel geholfen, ich habe in den USA jetzt ein ganz neues Publikum. Wenn man in meiner Branche arbeitet, hat man selten die Chance, im Fernsehen vor so vielen Zuschauern aufzutreten. Kurz nach dem Auftritt rief das Smithsonian Institute an, die wollten das Kleid für ihr Museum. Die Menschen kennen vielleicht nicht meinen Namen, aber sie wissen, dass ich die Nationalhymne vor mehr als 100 Millionen Menschen gesungen habe. n

„Als ich anfing, gab es noch Verständnis dafür, wie schwer es ist, gut zu sein.“

„Christmas in New York“ Renée Fleming, Gregory Porter, Kurt Elling, Rufus Wainwright u.a. (Deutsche Grammophon)

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Ein Orchester, bitte! Während viele Klangkörper um ihre Existenz bangen, hat die Französin Laurence Equilbey die einmalige Gelegenheit bekommen, ein ganz neues Ensemble zu gründen: das Insula Orchestra. Wir trafen sie in Paris und erfuhren gleich noch eine weitere gute Nachricht. v o n A n Na N o v Á k

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Foto: Jean-Baptiste Millot

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aris. Die Cité de la Musique hat – das, was ihr zum musikalischen ist ein Erlebnispark für Glück noch gefehlt hat: „Ein paar mal Musikinteressierte. Hier im Jahr dirigiere ich große Oratorien reiht sich eine Musikinstimit Alte-Musik-Orchestern und ich tution an die andere: das arbeite viel mit modernen Orchestern Pariser Conservatoire, ein Instrumenund Musik aus dem 20. Jahrhundert, tenmuseum, ein großer Saal mit guter aber ich wollte gerne wieder mehr sinAkustik und direkt nebenan die neue fonisches Repertoire machen. Mozart, Pariser Philharmonie, an der immer Haydn ... mit dem Insula Orchestra noch gebaut wird. Es ist ein ziemkann ich mir diesen Traum erfüllen.“ lich milder Herbsttag und vor dem Das Schönste am eigenen Gebäude, in dem gleich Mozarts KröOrchester? „Man kann so proben, nungsmesse aufgeführt wird, hängt wie man sich das vorstellt. Man hat eine Gruppe Jugendlicher herum Zeit, über musikhistorische und stiund versucht sich zu dröhnendem listische Aspekte nachzudenken Hip-Hop aus ihren Smartphones am und daran zu arbeiten.“ Acht bis Breakdance. Direkt nebenan unterhält zehn Produktionen will das Insula sich eine Gruppe festlich behängter Orchestra pro Jahr stemmen. Für Französinnen über ihr Abendessen. Laurence Equilbey die Chance, auch Dirigentin Laurence Equilbey Wir treffen die Dirigentin LauGast-Dirigenten einzuladen, „das ist rence Equilbey – derzeit wohl eine der privilegiertesten Musikerin- für Orchester mit historischen Instrumenten eher ungewöhnlich.“ nen überhaupt, denn: während weltweit viele Orchester um ihre Exis- Sie hat konkrete Zukunftsvisionen: möchte mit bildenden Künsttenz bangen, von der Fusion oder Auflösung bedroht sind, hat sie die lern arbeiten, neue Konzertformate schaffen. Die Résidence in der einmalige Gelegenheit bekommen, ein neues Orchester zu gründen. Île Seguin ist die perfekte Gelegenheit dafür. Musik für alle soll es Das Conseil général des französischen Départements Hauts-de-Seine dort geben, heißt es im Konzept des Konzerthauses, und da setzt baut gerade an einem neuen Konzerthaus auf der Île Seguin im Wes- auch die Französin an: „Ich habe schon immer viele Ideen gehabt, ten von Paris. 2016 soll es fertig werden, und es brauchte ein musika- aber das meiste lässt sich räumlich nicht umsetzen. Wenn ich aber lisches Ensemble, das hier die Residenz übernehmen soll. Man könne nun eine Konzerthalle habe, wo ich die Planung vollkommen frei ein Orchester zusammenstellen, schlug Equilbey vor – und bekam machen kann, habe ich ganz andere Möglichkeiten. Wir können den Zuschlag. traditionelle Konzerte dann genauso anbieten wie „Flash-KonOb das nicht ein Wunder wäre, heute, in dieser Klassik-Welt, zerte“, also ganz kurze Konzerte oder solche, die in verschiedene wollen wir wissen. Die Equilbey lächelt. Oh ja, sagt sie, eine Wahn- „Sets“ aufgeteilt sind, wie im Jazz. Wir werden mehr Oper machen sinns-Chance sei das. Ein bisschen ehrfürchtig guckt sie, aber auch und vielleicht szenische Oratorien. Wir werden andere Ensembles mächtig stolz. Kann sie auch sein, schließlich hat man ausgerechnet einladen und junge Leute mitbestimmen lassen.“ sie gefragt, die 52-jährige Dirigentin, die mit dem Ensemble Accentus Alle gestalterischen Türen scheinen Equilbey und ihrem bereits einen fantastischen Chor in Frankreich etabliert hat, mit dem Orchester offen zu stehen, meint man. Und doch bleibt sie nachsie seit Jahren hochkarätige Konzerte und Aufnahmen präsentiert. denklich. Sie will sich nicht zu überschwänglich freuen, so wirkt Nun also auch ein Orchester. Sie hat es Insula Orchestra genannt, es, bevor sie tatsächlich Fuß auf das neue Konzert-Terrain gesetzt benannt nach einer Region im Gehirn, die für empathisches Emp- hat. „Die Klassikwelt ist ein schwieriges Universum“, sagt sie, „man finden zuständig ist. Wirkt beim ersten Hören ein bisschen abwegig muss so viel kämpfen für die eigenen Ideen und Projekte.“ In den dieser Name, aber er macht Sinn, wenn man das Orchester live erlebt. vergangenen zwanzig Jahren, in denen sie ihren Chor in der Szene Obwohl das Orchester gerade bereits seine dritte Saison spielt, liegt etabliert hat, hat sie das gelernt. Dass Networken und mit Politikern dieser gewisse Hauch des Neuen und des Abenteuers in der Luft. Verhandeln einfach dazugehört. Am Anfang ihrer Karriere war sie Equilbey hat ihre Musiker in ganz Europa rekrutiert: Ihre „naiver, vielleicht idealistischer. Als Künstler ist es oft nicht leicht, Stimmführer hat sie aus führenden Orchestern zusammengesucht, zu akzeptieren, dass es heute nicht mehr nur um die restlichen Positionen mit begabten jungen Hochschul-Absoldie Kunst geht.“ n venten besetzt. Diese Gruppe hat Power, das erkennt man schon an W. A. Mozart: „Requiem“ Sandrine Piau, Sara Mingardo, Werner Güra, der Gruppendynamik auf der Bühne. Auf historischen Instrumenten Christopher Purves, accentus, Insula Orchestra, Laurence Equilbey (Naïve) ist das Repertoire in der Klassik und frühen Romantik angesiedelt. Track 14 auf der crescendo Abo-CD: “III. Sequenz. Lacrimosa“ Für die Dirigentin – die bei Nikolaus Harnoncourt in Wien studiert


Klassik-Tipps zum Weihnachtsfest CDs und DVDs im Vertrieb von NAXOS Die Pianistin Anastasia Injushina interpretiert selten gespielte Klavierschätze Mozarts

Zum 200. Geburtstag von Richard Strauss Ein sensationeller Rosenkavalier von den Salzburger Festspielen DVD: 719308 Blu-Ray: 719404

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RICHARD STRAUSS: Der Rosenkavalier Krassimira Stoyanova, Günther Groissböck, Mojca Erdmann Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst, Inszenierung: Harry Kupfer

ANASTASIA INJUSHINA: Neglected Treasures – Klavierwerke von Mozart

Mozarts Requiem: Unvollendetes Werk in vollendeter Interpretation

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Don Giovanni – Mozarts Meisterwerk in einer optisch und musikalisch spektakulären Produktion

Ein Werk intensivster Menschlichkeit: Wagners Parsifal in einer gefeierten Inszenierung von Stephen Langridge

DVD: OA1145D Blu-Ray: OABD7152D

DVD:OA1158D Blu-Ray: OABD7159D

W. A. MOZART: Don Giovanni

RICHARD WAGNER: Parsifal

Mariusz Kwiecien, Alex Esposito, Malin Byström, Veronique Gens Orchester des Royal Opera House, Nicola Luisotti, Inszenierung: Kasper Holten

Simon O'Neill, Angela Denoke, René Pape, Gerald Finley, Willard W. White, u.a. Orchester d. Royal Opera House, Antonio Pappano, Inszenierung: Stephen Langridge

Im Vertrieb der Naxos Deutschland GmbH www.naxos.de www.naxosdirekt.de


Fotos: Marco Borggreve (2) / Montage: crescendo

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Klingen französisch, sind aber deutsch: Julian und Christoph Prégardien.

„Father & Son“ Die lyrischen Tenöre Christoph und Julian Prégardien führen eine vorbildliche Vater-Sohn-Beziehung. Warum das so ist, und weshalb sie ihr Album auch gleich danach benannten, verrieten sie uns beim Gespräch im Münchner Prinzregententheater. von Teresa PieschacÓn-Raphael

crescendo: „Als ich 14 Jahr alt war“, schreibt Mark Twain, „war mein Vater für mich so dumm, dass ich ihn kaum ertragen konnte“ … Julian und Christoph Prégardien: (lautes Lachen) Es geht weiter: „Aber als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, wie viel der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte.“ Christoph Prégardien: Das ist toll! Oh, das muss ich mir merken! Von mir natürlich dazugelernt! Julian Prégardien: Heute mit 30 habe ich mich emanzipiert. Ich bin seit etwa sechs Jahren im Beruf und weiß, dass es ganz schön dumm wäre, wenn ich nicht den Rat meines Vaters einholen würde. In jeder Hinsicht. Julian, was haben Sie empfunden, als Sie Ihren Vater zum ersten Mal auf der Bühne sahen? Julian Prégardien: Ich lasse mir gerne von meinen Eltern erzählen, dass ich, als ich klein war … Christoph Prégardien: … er war vielleicht zwei, drei Jahre alt … Da setzte er sich vor die Stereoanlage auf ein Kissen, und als die Musik anfing, eine Rossini-Ouvertüre, da fing der ganze Körper an mitzumachen. Julian Prégardien: Mit fünf sah ich meinen Vater zum ersten Mal auf der Bühne … 20

Christoph Prégardien: … Das war im Don Giovanni mit Albert Dohmen und ich sang Don Ottavio. Julian war bei den Proben und war von Albert und seiner dämonischen Ausstrahlung fasziniert. Er wollte Bariton werden und kein Tenor. Julian Prégardien: Ja. Mit fünf wollte ich ein Don Giovanni sein! Aber heute finde ich die Tenorpartie des Don Ottavio viel interessanter. Ich bin ja auch Vater und habe zwei Kinder. (Lachen) Sie waren beide zu Beginn Ihrer Laufbahnen an der Frankfurter Oper engagiert ... Julian Prégardien: Für mich waren dies vier lehrreiche Jahre. Aber aufgrund meiner ästhetischen Sicht merkte ich, dass dies nicht das richtige Haus für mich ist. Christoph Prégardien: Julian mag klare Aussagen. Sie, Christoph, sind diplomatischer, nicht wahr? Christoph Prégardien: (Lachen) Ich wollte immer Diplomat werden! Weil man so viel unterwegs ist. Ich habe zunächst ein Semester Jura studiert, aber dann wurde die Musik doch wichtiger. Julian Prégardien: Natürlich war es schön, am gleichen Haus zu singen wie mein Vater, nicht nur zu Beginn seiner Karriere, sondern auch später. Ein Problem vieler Opernhäuser ist, dass keiner für die Besetzung zuständig ist. Es braucht einen, der wirklich etwas vom Fach und den Sängern versteht. So wie ein Fußballtraiwww.crescendo.de

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ner für die Mannschaft zuständig ist, wäre es am Theater sinnvoll, wenn es da jemanden gäbe, der sich für das Sängerensemble zuständig fühlt. Meist ist es nur ein Verantwortlicher, der GMD oder Intendant, der die Regisseure, Bühnenbildner und alle Sänger bestimmt. Außerdem spielen bei der Besetzung auch andere Mechanismen mit, die man nicht beeinflussen kann, wie etwa der von Agenturen bestimmte Vermarktungswert. Wie war das bei Ihnen, Christoph? Christoph Prégardien: Damals gab es noch feste Ensembles. Große Häuser, wie in München oder auch in Frankfurt, haben ein zu großes Ensemble, um alle Sänger gut betreuen zu können. Julian hat recht: Es müsste nicht der GMD sein, der sich kümmert und entscheidet, sondern vielleicht der Korrepetitor. Korrepetitoren verstehen viel mehr von Sängern als andere, inklusive Dirigenten, weil sie mit ihnen täglich arbeiten. Julian Prégardien: Viele Korrepetitoren sind andererseits frustrierte Dirigenten. Jeder will doch auf der Bühne stattfinden und nicht hinter den Kulissen. Christoph Prégardien: Ja. Früher gab es mehr Generalmusikdirektoren, die eine Ahnung von Sängern hatten. Heute sind Intendanten vielfach Verwaltungsmenschen. Wir hatten damals Michael Gielen. Er hatte seine eigene Ästhetik, und es war auch nicht alles Gold, was da geglänzt hat. Aber er hat sich um das Ensemble gekümmert. Als ich 1983 an die Frankfurter Oper kam, mit 27, war ich technisch noch nicht ausgereift. Das haben die natürlich gehört. Sie ließen mir Zeit. Ich habe weiter Unterricht genommen. Ich hatte wirklich Zeit, mich zu entwickeln, erst mit kleineren Partien. Langsam wuchs ich in das lyrische Fach hinein. Ich nehme an, Sie würden heute nicht mehr anfangen wollen.

„Gemeinsam aufzutreten fällt mir weniger schwer als alleine. Ich fühle mich wohl. Mein Vater gibt mir Sicherheit.“ Julian Prégardien

Christoph Prégardien: Nein. Ich beneide Julian nicht. Julian Prégardien: Ich war 25, als ich 2009 an das Opernhaus Frankfurt kam. Die Erwartungen waren enorm, ich sollte bereits in der zweiten Spielzeit viele Fachpartien singen. Ich musste mich wehren. Das ist geglückt. Wenn heute ein lyrischer Tenor an ein Haus engagiert wird, dann möchte die Presse nach der ersten Aufführung auf Anhieb jubeln: „Wunderlich ist zurück!“ Und das geht einfach nicht. Christoph Prégardien: Julian bekam an der Oper gleich einen Fachvertrag, im Gegensatz zu mir. Ich hatte einen Anfängervertrag, die gab’s damals noch. Damals engagierte man junge Leute nicht mit dem Gedanken, dass sie jetzt viele Partien in einer Spielzeit abdecken müssen, sondern erst ins Ensemble integriert werden und herangeführt werden an den Beruf, wie in einem Opernstudio. Die Finanzen sahen anders aus. Heute Künstler zu sein, heißt auch, im Internet stattzufinden. Julian, Ihr Wikipedia-Eintrag ist doppelt so lang wie der Ihres Vaters. Wie kommt᾽s? Julian Prégardien: Ich weiß gar nicht, wer das hineingesetzt hat. Ich habe versucht, mich dagegen zu wehren und es zu ändern, dann aber kam die Web-CIA. Man hat wenig Macht über die eigenen Daten. Christoph Prégardien: Ich habe resigniert, bin da relativ gelassen. Das Medium hat so eine Macht, man sollte sich nicht darüber aufregen. Julian Prégardien: Ja, aber wenn man dann Kommentare liest, wie

etwa unter einem YouTube-Video: „Gehen Sie auf Minute 12:42, da ist der Kiekser“? Das ist doch unfair! Christoph Prégardien: Verlorene Liebesmüh. Man hat keine Chance. Sie treten immer wieder gemeinsam auf: Fühlen Sie sich da im Wettbewerb, stacheln Sie sich gegenseitig an? Julian Prégardien: Gemeinsam aufzutreten fällt mir weniger schwer als alleine. Ich fühle mich wohl. Mein Vater gibt mir Sicherheit. Christoph Prégardien: Das geht mir übrigens genauso. Ich habe früher unter großem Lampenfieber gelitten. Ich lernte es zu beherrschen. Früher hatte man immer Angst, man verbaut sich etwas. Heute kann ich mir nichts mehr verbauen. Die Leute wundern sich, dass ich immer noch singe (Lachen).

„Die Leute wundern sich, dass ich immer noch singe.“ Christoph Prégardien

Können Sie sich ein Leben ohne Bühne vorstellen? Christoph Prégardien: Ein Leben ohne Liederabende wäre schlimm. Dort darf und kann man emotional so viel loswerden, wie sonst im wahren Leben nicht. Außerdem ist es ein wunderschönes Gefühl, einen Abend lang die Stimmung in einem Raum zu formen. Und dies immer wieder neu. Und dann habe ich seit 2004 ja noch meine Professur in Köln, die mir sehr wichtig ist. Haben Sie, Julian, das Buch Ihres Vater durchgearbeitet, das er über den Gesang geschrieben hat? (Schott Master-Class Gesang. Technik, Interpretation, Repertoire) Julian Prégardien: Aber klar! Es ist sehr wichtig. Dabei sind laut Theodor Fontane doch Väter „eigentlich nur dazu da, um schließlich in Widerspruch mit ihren ­Lieblingssätzen zu geraten“. Christoph Prégardien: Sehr schön! Wo finden Sie denn solche tollen Sprüche?! Julian Prégardien: Das wird jetzt mein Lieblingssatz. Und Ihr Lieblingssatz, Christoph? Christoph Prégardien: „Julian, du musst technisch mehr arbeiten! Und dich nicht immer auf deine Begabung verlassen.“ Julian Prégardien: Nach Fontane müsste er jetzt selber darüber nachdenken. (Lachen) Christoph Prégardien: Das tue ich auch. Wirklich! Ihre erste gemeinsame Aufnahme heißt „Father and Son“, ein sehr passender Titel ... Christoph Prégardien: Es gibt wenig Werke für zwei Tenöre. Manche Lieder von Schubert, Silcher und anderen haben Julian und unser Pianist Michael Gees arrangiert, damit wir sie gemeinsam interpretieren können. Schuberts Erlkönig etwa erklingt zweistimmig. Das Publikum ist begeistert, Kritiker finden es manchmal zu kitschig oder falsch. Frappant ist nicht nur das gleiche Stimmfach, sondern auch die unglaubliche Ähnlichkeit Ihrer beider Stimmtimbres. Christoph Prégardien: Ja, wir wissen oft auf der Aufnahme selber nicht, wer da gerade singt. Julian Prégardien: Das ist wirklich so! Dennoch will und werde ich keine Kopie meines Vaters sein. Christoph Prégardien: Das ist er wirklich nicht. Er hat eine sehr starke und glückliche Persönlichkeit, auch weil er gut damit umgehen kann, dass sein Vater bekannt ist. n „Father & Son“ Julian & Christoph Prégardien (Challenge Classics) Track 12 auf der crescendo Abo-CD: „Nachtlied op. 96 Nr.1“ von Robert Schumann

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„Der Kalender ist voll“ Thomas Quasthoff war eigentlich zurückgetreten, doch sein Leben findet weiter in der Öffentlichkeit statt. Ein Gespräch über sein neues Album, Kohl-Imitationen und warum es für junge Künstler nicht mehr reicht, nur schöne Töne zu singen.

Foto: Harald Hoffmann / DG

von Michael Sellger & Chris Hiller

crescendo: Ihr neues Album hat einen riesigen Nachteil ... Thomas Quasthoff: … es wird zu viel gesprochen und zu wenig gesungen, ich weiß. Aber es war von Anfang an als Wort-Album konzipiert. Wir wollten den Schwerpunkt auf Gedichte legen, die heute viel zu selten gelesen oder rezitiert werden. Autoren wie Trakl, Bonhoeffer und Ringelnatz sind ja kaum noch bekannt. Ich möchte mit dem Album also den Genuss von Gedichten wiederbeleben. Wahrscheinlich wird niemand das Album von vorn bis hinten durchhören. Aber Ihnen ist klar, dass man Ihren Bassbariton vermisst? Ich bin freiwillig zurückgetreten und hätte das nicht getan, wenn ich das nicht gewollt hätte. Nach dem Tod meines Bruders konnte ich nicht mehr sprechen. Der Schock hatte mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen. Ich habe das untersuchen lassen, und man sagte mir, körperlich sei alles in Ordnung. Das hatte tatsächlich rein psychische Gründe. Außerdem bin ich mir des Älterwerdens bewusst geworden. Stimmbänder sind Muskeln, und irgendwann lassen sie mit dem Alter nach. Ich habe eingesehen, dass die Stimme nicht mehr bei 100 Prozent lag. Ich muss es nicht auf Heestersche Weise unnötig hinausziehen. Ruhiger ist es seither nicht um Sie geworden. Kann die selbst ernannte „Rampensau“ nicht ohne Bühne? Es war wirklich so angedacht, dass ich nach dem Ausstieg nur noch als Lehrer an der Hans-Eisler-Hochschule arbeiten würde, aber dem war dann glücklicherweise doch nicht so. Ich habe unzählige Angebote für andere künstlersiche Projekte bekommen. Inzwischen ist 22

der Kalender fast genauso voll wie damals, nur dass die Reisen nicht mehr so lang sind und die Bühnen etwas kleiner. Eines Ihrer Projekte ist ein Kaberettprogramm, mit dem Sie seit einigen Monaten überall in Deutschland auftreten. Behagt Ihnen Ihr neues Leben auf Kleinkunstbühnen? Natürlich, sonst würde ich das nicht machen. Ich hätte auch nicht damit angefangen, wenn ich nicht vorher gewusst hätte, dass ich das gut kann. Die Arbeit mit Michael Frowin macht Spaß, und unsere Auftritte sind gut besucht. Es ist wunderbar, nun näher am Publikum zu sein und öfter vom Manuskript abzuweichen und zu improvisieren. Das passiert natürlich immer mehr, je länger und öfter man das spielt. Mir macht Kabarett eine unglaubliche Freude! Stimmt es, dass Sie auf der Bühne nicht nur andere, sondern auch sich selbst aufs Korn nehmen? Wir beginnen das Programm off stage, das heißt, wir inszenieren hinter der Bühne ein Gespräch von zwei Leuten, die Tickets kaufen wollen. Es geht dabei hart zur Sache: „Wer spielt da mit? Ein kleiner Zwerg? Dit kann ja woll nich wahr sein! Son abgebrochener Meter.“ Ich mache mich also über meine Behinderung lustig, um so dem Publikum den ersten „Huch“-Moment zu nehmen, wenn ich auf die Bühne komme. Gab es Pointen, die einfach nicht zünden wollten? Schlechte Pointen haben wir vorher rausgenommen (lacht). Es gibt schon große Unterschiede, wie ein Publikum auf Texte reagiert. Es sind auch Szenen dabei, bei denen den Leuten das Lachen im Halse stecken bleibt. Wir haben eine Parodie drin, in der Hitler in der Senwww.crescendo.de

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ihr das Aussehen kaum helfen. Bei mir hat man vielleicht nicht so dung von Markus Lanz sitzt. Wir machen uns also nicht nur über gerne hingeguckt, aber ich war halt immer sehr authentisch. OffenHitler lustig, sondern auch über Herrn Lanz. Das finden nicht alle sichtlich hat meine Stimme auch irgendetwas gehabt, das Menschen Leute gut. Das ist aber in Ordnung, denn Kabarett muss auch wehberühren konnte. Sicherlich auch verbunden mit meiner Behindetun, und ich möchte schon ein bisschen pieken dürfen. Sonst hätte rung, das will ich gar nicht verhehlen. Aber auch da sage ich Ihnen: ich keine Lust, das zu machen. Dieser Bonus hält keine dreißig Jahre. Was macht den Kabarettisten Quasthoff aus? Einen guten Sänger macht also Stimme, Technik und AuthentiziIch würde mich selber zuerst einmal nicht als Kabarettisten bezeichtät aus? nen. Immerhin schreibe ich keine Texte selbst. Ich weiß, dass ich sehr gut Dialekte sprechen und Typen nachmachen kann. Ich glaube, Ja. Das war᾽s? das ist eine Begabung, die kaum erlernbar ist: entweder man hat sie Intelligenz wäre hilfreich. Es reicht eben nicht mehr, nur schöne oder eben nicht. Schon als Kind habe ich Lehrer beobachtet und sie Töne zu singen. Man muss auch etwas zu sagen haben. Man muss sehr gut nachmachen können. Heute sind es Politiker, Kolleginnen die Geschichte dahinter hören und sehen können. und Kollegen. Können Sie all das auch Ihren Studenten vermitteln? In den Achtzigern haben Sie Kohl und Schmidt imitiert. Haben Nein, Intelligenz müssen sie schon selber mitbringen. Auch AusSie das noch drauf? strahlung kann man niemandem beibringen. Das hat man oder man Klar. Kohl kommt sogar im Programm vor, wenn auch nur ganz hat es nicht. Ich kann Studenten die Technik beibringen und sie für kurz. die Farben in der Stimme sensibilisieren. Stimmimitatoren beklagen manchmal, dass es in der Politik zu Was für ein Lehrer ist Professor Quasthoff? wenig Stimm- und Sprachoriginale gebe. Trifft dieser Mangel an Ich habe den Ruf, ein strenger Lehrer zu sein. Ich verlange sehr viel unverkennbaren Originalen auch für den Konzertbetrieb zu? von meinen Studenten. Das tue ich aber mit Recht. Immerhin gebe Das hat man schon immer behauptet. Ich glaube, dass jede Generation sagt, es gebe keine Persönlichkeiten mehr. Frau Schwarzkopf hat ich immer hundert Prozent und verlange das ebenso von meinen Schülern. So weiß ich aber auch, dass sie nach dem Examen auch in das besonders gern getan: „Früher war alles besser. Früher konnihrem Beruf bestehen können. Ich weiß selbst sehr gut, wie viel da ten alle besser singen.“ Das ist ja dummes Zeug! Wir haben einen draußen gefordert wird. Christian Gerhaher, einen Jonas Kaufmann und eine Anja Harteros. Simon Rattle soll Ihnen mal geraten haben, nur das zu tun, Es wird solche Persönlichkeiten in jeder Generation geben. Qualität worauf Sie wirklich Lust haben. Inwieweit sind Sie seinem Rat setzt sich letztlich immer durch. Sie haben seit mehr als zwei Jahren auch einen Außenblick auf die gefolgt? Klassikwelt, deren fester Bestandteil Sie so viele Jahre lang waren. Das hat er ein bisschen anders gesagt. Er hat zu mir gesagt: „Wenn du Talent in ganz vielen Sparten hast, dann wärst du dumm, wenn Was für eine Welt ist das aus Ihrer Sicht heute? du nicht alles ausprobierst.“ Das habe ich getan und tue es noch. Ich Ich glaube, sie ist ein Spiegelbild unserer Welt: Es gibt schnelle werde demnächst sogar in seine Fußstapfen treten und die MatFokussierungen auf bestimmte Künstler. Wenn bei diesen Künstlern thäus-Passion dirigieren. Wenn man Begabungen mitbekommen Krisen eintreten, werden sie auch genauso schnell wieder fallenhat, dann sollte man sie auch nutzen. Jetzt, da ich mit klassischer gelassen. Das gibt dem Ganzen eine große Tragik. Ich sage Ihnen Musik aufgehört habe, ist es das Schönste, diese anderen Talente ausjetzt mal auf den Kopf zu, dass bei renommierten Plattenfirmen zuprobieren. Und meine Frau ist dankbar, dass ich nicht nur zuhause heute Künstlerinnen und Künstler sind, die vor 15 Jahren nicht den abhänge. Hacken ihrer Pumps in die Tür gekriegt hätten. Heute geht es viel Vor zehn Jahren haben Sie Ihre Biografie veröffentlicht. Wie würmehr um Verkäuflichkeit: Ein hübsches Gesicht auf dem Cover den Sie das ungeschriebene Jahrzehnt im Schnelldurchlauf für macht sich halt immer besser. Da zählt dann nicht mehr so sehr eine Fortsetzung zusammenfassen? künstlerische oder stimmliche Qualität, was ich persönlich sehr Prägender Einfluss durch den Tod meiner Mutter und meines Bruschade finde. ders. Das freiwillige Karriereende. Eine intensive und wunderbare Woran mag das liegen? Ehe mit meiner Frau. Nicht immer einer Meinung, aber harmonisch. In den Plattenfirmen sitzen heute junge Menschen von Anfang dreißig, die meinen, sie wüssten wie das Musikgeschäft funktioniert. Das Darüber hinaus die neu entdeckte Leidenschaft für Kabarett, Thea­ terspielen im Berliner Ensemble und Lesungen. Ein sehr erfülltes ist übrigens auch ein Grund, warum ich nicht mehr sängerisch tätig künstlerisches Leben, das mich sehr glücklich und zufrieden macht. bin. Mir ist das alles viel zu oberflächlich geworden. Es fehlen die Thomas Quasthoff singt weniger, aber er parodiert, moderiert, langfristigen Visionen: Früher wurde ein vielversprechender junger rezitiert und schauspielert. Was wird wohl in den nächsten zehn Künstler unter Vertrag genommen und über einige Jahre hinweg als Jahren noch von ihm zu erwarten sein? Künstler aufgebaut. Heute wird jemand eingekauft, der gerade sehr Ich habe keine Ahnung. Ich kann in zehn Jahren schon tot sein. Das en vogue ist. Wenn das erste Album nicht erfolgreich ist, macht er Verrückte ist, dass ich, nachdem ich mit dem klassischen Gesang kein zweites mehr, und dann ist er weg. Und das ist schade, denn aufgehört habe, nirgendwo anrief und gefragt habe: „Kann ich nich? man muss jungen Sängerinnen und Sängern auch die Zeit geben, Wollta nich? Könn wa nich?“ Es hat sich zu entwickeln. sich alles ergeben. So ergeben sich In jüngster Zeit ist häufig der Ruf Wie ist sein neues Album? einfach immer wieder neue Sachen. nach mehr Tiefe und Emotion zu Quasthoff hat sich hier zum Ziel gesetzt, die USIch würde zum Beispiel sehr gern mal vernehmen. Aber wie kriegt man amerikanischen Klassiker zu „entkitschen“. Mission synchronisieren. Wer weiß, vielleicht echte Gefühle auf die Bühne? gelungen: er singt mit cooler Jazz-Stimme, ohne zu passiert das auch noch. Gute Frage. Man muss als Künstviel Pathos oder Schmalz, dafür mit lässigem SwingWas wollen Sie synchronisieren? ler emotional etwas zu sagen haben. Feeling. Obwohl es schöne Gedichte Soll ich Ihnen ehrlich was sagen? Authentizität ist etwas ganz, ganz sind, die er dazu liest – mehr als vier GeIch möchte am liebsten einen Wichtiges. Was macht eine Anna sangstracks hätte das Album vertragen! Animations­film synchronisieren. Netrebko so großartig? Sie sieht Aber das ist eine Mafia, so leicht hübsch aus, gar keine Frage. Wenn „Mein Weihnachten“ Thomas Quasthoff (DG) kommt man da nicht rein. sie aber nicht singen könnte, würde n 23


k ü n s t l e r

„Crossover ist toll“ Bariton Bryn Terfel über das neue Medium „Oper im Kino“, den Stellenwert der Stars und warum er ein Studioalbum dem Livemitschnitt vorzieht.

Foto: Adam Barker / DG

von Thomas Schöberl

Bryn Terfel, 1965 in Wales geboren, steht in dieser Saison in London in Donizettis „L᾽Elisir d᾽amore“ auf der Bühne.

Im Rahmen der Live-Kinoübertragungen des Londoner Royal Opera House verkörpern Sie Dulcamara, den Doktor in Donizettis L᾽elisir d'amore. Glauben Sie, dass das Kino nun mehr junge Leute an die Oper heranführt? Ja, das glaube ich. Wenn man sich Oper im Kino anschaut, dann ist für junge Leute die Atmosphäre etwas lockerer. Man kann dabei essen und trinken und muss keinen Smoking tragen. Die Zeiten des strengen Dresscodes sind zum Glück vorbei. Ich finde, dass sich da in den letzten Jahren viel getan hat. Man kann nicht mehr davon sprechen, dass klassische Musik kein junges Publikum erreiche. Vor allem ermöglicht Oper im Kino es auch, dass man als junger, aber auch als älterer Zuschauer mehr ausprobieren kann. Eine Kinokarte ist wesentlich erschwinglicher als einer der wenigen Plätze im Opernhaus, und so können auch junge Leute mit einem geringeren Budget einfach ausloten, was ihnen zusagt und was nicht. Das ist die eine Seite. Zum anderen ist die Live-Übertragung auch dazu da, dass Fans eine Inszenierung mehrmals sehen können, und so ganz nebenbei ist es auch für meine Eltern angenehm, dass sie mir nicht 24

extra nachreisen müssen, um mich singen zu sehen. Neben Kino und DVD spielen auch die sozialen Netzwerke für Klassikstars eine immer größere Rolle. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Ich finde, dass Twitter und Facebook eine schöne Ergänzung sind, um eine engere Beziehung zum Publikum herzustellen. Ich habe zwar momentan nicht so viel Zeit dafür, doch versuche ich immer wieder, auch auf Fragen, die ich über Twitter gestellt bekomme, zu antworten. Es ist erstaunlich, wie schnell dabei eine Eigendynamik der Beiträge entsteht, und ich bin immer wieder überrascht, wie schnell schon während einer Inszenierung erste Kritiken, Kommentare und Fotos über Facebook ihren Weg ins Netz finden. Stört es Sie, dass Ihre Zuschauer heute sofort ihre iPhones und iPads zücken und schon vor Vorstellungsende über das Gesehene urteilen? Nein, ich muss eher darüber schmunzeln. Es zeigt doch, wie interessiert die Menschen an dem sind, was sie sehen. Die Kritiken www.crescendo.de

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Bolschoi Staatsballett

UNESCO PREIS 2014

Belarus

Kino LIVE-Übertragungen aus dem ROYAL Opera House Bryn Terfel ist zusammen mit Vittorio Grigolo und Lucy Crowe in Donizettis „L‘elisir d‘amore“ auch in deutschen Kinos zu sehen. Die nächsten Aufführungen: 26.11., 29.11., 4.12., 9.12., 13.12. Die Kinos finden Sie unter www.rohkino.de

owsky waren sich noch nie einig und sind heute trotz Facebook & Co weder strenger noch milder. Braucht die Klassik also mehr medienwirksame Personen wie Anna Netrebko und Rolando Villazón? Rolando Villazón und Anna Netrebko wissen die Medien für sich einzusetzen. Das wird jedoch überbewertet. Styling, Inszenierung und Marketing machen noch nicht erfolgreich. Am Ende ist es das außergewöhnliche Talent dieser beiden Künstler und ihre harte Arbeit, die sie so erfolgreich macht und nichts anderes. Sie sind bekannt dafür, dass Sie auch ein großer Freund der Unterhaltungsmusik sind. Sie scheinen Crossover nicht so schlimm zu finden wie viele andere ... Ich finde Crossover toll. Jeder soll das machen können, wozu er Lust hat. Ich finde zum Bespiel, dass David Garrett das, was er macht, fabelhaft macht. Er ist wirklich brillant. Da ich aus Wales stamme, hab ich auch musikalische Wurzeln im Folk meiner Heimat, und darauf bin ich auch sehr stolz. Ich höre aber auch gerne Sting. Den Song Roxanne habe ich schon mehrmals zum Besten gegeben. Sie haben unter Ihrem Namen eine Stiftung ins Leben gerufen, die junge Künstler vor allem finanziell unterstützt. Vor welchen Schwierigkeiten stehen junge Talente heutzutage? Das Problem ist meistens, dass viele der jungen Künstler mit ihrer Musik kaum genug Geld verdienen, um über die Runden zu kommen. Musik muss uns wieder mehr wert sein. Viele Leute vergessen, wie teuer es ist, eine tolle Show zu liefern, und welch immenser Aufwand dahinter steckt. Leider beenden viele junge Talente oftmals vorzeitig ihr Studium oder ihre musikalische Ausbildung, sobald sich ihnen die Chance bietet, mit etwas anderem mehr Geld zu verdienen. Diese Stiftung versucht, ihnen durch finanzielle Unterstützung diesen Druck zu nehmen, und gibt ihnen Raum zur Entfaltung. Wir dürfen diese jungen Talente nicht verlieren, denn sie sind unsere Zukunft und müssen gefördert werden. Über das Geld, das sie von uns bekommen, dürfen sie dann ganz und gar frei verfügen. Nachdem Sie all das erreicht haben, was sich so viele junge Künstler ihr Leben lang erträumt haben – welche Träume und Ziele haben Sie denn selbst noch? Momentan bin ich unglaublich ausgelastet und mein Terminkalender ist schon die nächsten Jahre übervoll. Aber natürlich hat man noch Träume und Wünsche, die man verwirklichen will. Ich fände die Idee toll, Teil eines Opernfilms zu sein, erneut in der Rolle als Verdis Falstaff. Eine Zusammenarbeit mit Thielemann oder Daniel Harding fände ich inspirierend. Doch um ehrlich zu sein würde es mich am meisten reizen, an einem neuen Studioalbum zu arbeiten. Momentan ist der Trend sehr stark auf DVDs und Live-Alben ausgerichtet. Studioaufnahmen sind außer Mode. Es ist nicht immer einfach sich mit Plattenfirmen über ein Studioalbum einig zu werden, vor allem für junge Nachwuchskünstler erfüllt sich der Traum einer eigenen Platte immer seltener. n 25

BOLSCHOI-HIGHLIGHTS 2014/15 11.12.2014 • Theater im Forum am Schlosspark • Ludwigsburg “SCHWANENSEE” Ticketservice im MIK (07141) 910 39 00 13.12.2014 • Philharmonie München “SCHWANENSEE” München-Ticket (089) 54 81 81 81 15.12.2014 • Theater am Potsdamer Platz Berlin “SCHWANENSEE” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

17.12.2014 • Konzerthaus Dortmund “DER NUSSKNACKER” Konzerthaus Dortmund (02 31) 22 696 200 18.12.2014 Ruhrfestspielhaus Recklinghausen “DER NUSSKNACKER” RZ-Ticket-Center (02361) 1805-2730 19.12.2014 • CCH Hamburg “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

20.12.2014 • Colloseum Theater Essen “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

21.12.2014 • Stadthalle Bayreuth “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

22.12.2014 • Congress Centrum Ulm “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

27.12.2014 • Stadthalle Bielefeld “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

28.12.2014 • Theater am Aegi Hannover “DER NUSSKNACKER” 29.12.2014 • Theater am Aegi Hannover “SCHWANENSEE” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

30.12.2014 • Jahrhunderthalle Frankfurt “SCHWANENSEE” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

2.01.2015 • Gewandhaus zu Leipzig “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

3.01.2015 • Georg-Friedrich-Händel-Halle “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

4.01.2015 • Musik- und Kongreßhalle Lübeck “SCHWANENSEE” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

7.01.2015 • Großes Festspielhaus Salzburg “SCHWANENSEE” Oeticket +43 (0)1 96 0 96 13.01.2015 • Liederhalle Stuttgart “SCHWANENSEE” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

23.12.2014 • Liederhalle Stuttgart “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

15.01.2015 • Staatstheater Kassel Opernhaus “DER NUSSKNACKER” (0561) 109 42 22

25.12.2014 • PaderHalle Paderborn “DER NUSSKNACKER” Paderborner Ticket-Center (05251) 299 750

18.01.2015 • Musical Theater Bremen “SCHWANENSEE” Nordwest Ticket (0421) 36 36 36

26.12.2014 • Jahrhunderthalle Frankfurt “DER NUSSKNACKER” Eventim (01806) 57 00 70

19.01.2015 • Musical Dome Köln “SCHWANENSEE” Köln-Ticket (0221) 2801

(0,20 €/Anruf aus d.d. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 0,60 €/Anruf)

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„Das Extrem ist die Normalität.“ Soeben ist eine Aufnahme von Donizettis „Lucia di Lammermoor“ mit Diana Damrau in der Titelpartie erschienen, Ende Januar wird die Sopranistin die Rolle in einer Neuproduktion der Staatsoper München singen. Dazwischen kümmert sie sich um ihre Familie. Ein Gespräch über den ganz normalen Wahnsinn des Geschäfts. von Axel Brüggemann

Lulu spielen, natürlich nicht crescendo: Frau Damrau, Lucia singen. Aber ich mag diese di Lammermoor ist wahnsinnig. abgrundtiefen Charaktere, diese Hat Diana ­Damrau auch eine Kindsfrau mit ihrer Zerrissenheimliche Klatsche? heit und ihren tödlichen GefühDiana Damrau: Vielleicht muss len. man ein bisschen wahnsinnig Ist das eine intellektuelle Neusein, um diesen Beruf auszugier oder eine Neugier, etwas üben, auf jeden Fall ist wohl ein auszuprobieren, das im norHauch Verrücktheit nötig. All malen Leben nicht möglich ist: die merkwürdigen Rollen, in die Morden, fremdgehen, wahnsinman sich versetzen muss. Es wäre nig werden. hinderlich, auf der Bühne Scham Ich befürchte, mir sind diese zu haben. „forbidden characters“ in die Sie haben keine Hemmungen, Wiege gelegt. Schon beim Kinwenn Sie da oben stehen? derfasching, als die meisten Jedenfalls andere als im EinkaufsMädchen Prinzessinnen sein zentrum. Wenn ich auf der wollten, war ich anders. Ich Bühne stehe, öffnet sich irgendwollte nicht auf die schönen eine Schranke, und mir ist klar, Kleider verzichten, bin aber als dass das Extrem in der Oper die „Ich kann ja schlecht durch die Maximilianböse Stiefmutter gegangen. Ich Normalität ist. Die Frau, die dann straße gehen und mal eben die Wirkung der hatte ein rotes Prinzessinnendasteht und mordet, wahnsinWahnsinnsarie ausprobieren.“ kleid und eine silberne Krone nig wird oder leidet, hat wirklich – nix Gold und Rosa! Später nichts mit mir persönlich zu tun. habe ich gemerkt, dass damals Das funktioniert übrigens nicht schon die Königin der Nacht in mir geboren war. Die hat ja auch nur, wenn ich selber singe, sondern auch, wenn ich im Publikum diese dunkle Seite, ist in Wahrheit eine Zauberin und beschwört in sitze. Ich liebe es, mich im Theater oder im Kino in einer Inszenieeinem Urzustand die Rachegötter. Vielleicht steckt das wirklich tief rung aufzulösen, den Moment, wenn ich vergesse, wo ich bin, dass in mir. Als ich die Königin dann zum ersten Mal gesungen habe, ich in meinem Sessel hocke und in Wirklichkeit gar nicht Teil des traf ich eine alte Bekannte wieder – einen Charakter, der mich Geschehens bin. immer schon fasziniert hat. Sind Sie süchtig nach diesem extrem emotionalen Gefühl? Vielleicht ist das der Vorteil von Sängern. Andere Menschen Es ist eher die Neugier auf das Extrem. Mich interessieren Menmüssen zur Psychotherapie, Sie können all Ihre Phantasien ganz schen, die anders ticken als die meisten – ich sehe in ihnen spanlegal und gegen Bezahlung auf der Bühne ausleben. nende Fallstudien. Zum Beispiel würde ich unheimlich gern die 26

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Fotos: Michael Tammaro / Virgin Classics; Mathias Creutziger / EMI Classics

Das Besondere bei uns ist, dass wir all diese kann das Verkantete auflösen und das zum Diana Damrau Live Gefühle, die in unserem Inneren toben, in Vorschein bringen, was nicht herauskom27.11.14: Graz Stimme umwandeln können. Wir haben men will. Und, ja – zuweilen kann das auch Liederabend mit Xavier de Maistre die Möglichkeit, Gefühle im wahrsten ein bisschen Wahnsinn sein. An welchen 28. und 30.11.14: Wien Sinne des Wortes auszuatmen. Obwohl ich anderen Orten der Welt können wir diese Bizet: Les pêcheurs de perles (als Leila) glaube, dass die Stimme uns Sänger auch existenziellen Erfahrungen noch sammeln? 26., 29.1. und 1., 5., 8., 11.2.15: München vor dem realen Wahnsinn schützt. In einer Wie steht es mit den Komponisten? Auf Donizetti: Lucia di Lammermoor (als Lucia) Oper bildet sie die Grundlage: Sie bestimmt der einen Seite haben wir den lässigen 31.1.15: Salzburg die Tonhöhe, die Geschwindigkeit unserer Richard Strauss, der Wahnsinnsweiber Konzert im Rahmen der Mozartwoche Sprache, die Dynamik unseres Spiels und wie Elektra am Schreibtisch erfunden natürlich auch den Stil, den wir verkörpern. hat, aber dann eben auch diese vielen Und die Stimme setzt uns ganz natürliVerrückten: Gustav Mahler, der auf der che Grenzen: Wir können nicht richtig Couch von Sigmund Freud lag, Mozart schreien, können uns nur selten außerhalb mit seiner kleinen Klatsche und eben der Form begeben, müssen schon immer auch der Lucia-Komponist Donizetti, der an den nächsten Ton denken. Für mich im Irrenhaus von Ivry-sur-Seine gestorsind Schauspieler die eigentlich viel wahnben ist ... sinnigeren Künstler ... Donizetti hat den Wahnsinn in seinem Weil sie freier in der Gestaltung ihrer Leben ja persönlich erlebt. Und meine VerRollen sind? mutung ist, dass er sich in Lucias großer Diana Damrau in Verdis Rigoletto Ja, weil jeder Schauspieler bei seinem Arie wirklich abgearbeitet hat. Das beginnt Hamlet erst einmal ein eigenes Tempo und ja schon bei ihrem ersten Auftritt, bei dem eigene Tonhöhen finden muss. Und weil sie es mit der realen Spra- sie der Amme über ihre Vision erzählt: himmelhoch jauchzend, zu che zu tun haben. Da wir singen, bewegen wir uns schon immer Tode betrübt. Diese Frau hat gar keinen Kern. Sie ist ein Körper auf einer anderen Ebene der Wirklichkeit. Das hat den Vorteil, dass mit unglaublich extremen Gefühlswallungen. Deshalb ist Lucia für wir überhöhen und stilisieren können. Bei Schauspielern ist das mich ein Ausnahmecharakter in den Belcanto-Opern, weil sie eine anders. Ich kenne Schauspieler, die sich wochenlang in eine Rolle bipolare Persönlichkeit darstellt. Ich habe mich in der Vorbereitung hineinsteigern, die jeden Tag im Café sitzen, um Menschen zu mit Psychologen unterhalten, und die haben mir erklärt, dass Visibeobachten, die ihre Rolle in der Öffentlichkeit ausprobieren, um onen bei Menschen mit diesem Krankheitsbild nicht selten sind. zu sehen, wie sie wirkt. Aber ich kann ja schlecht durch die MaxiDonizetti hat hier die medizinische Studie eines Wahnsinnsanfalls milianstraße gehen und mal eben die Wirkung der Wahnsinnsarie komponiert. Es handelt sich nicht um einen dramatischen Kniff, ausprobieren. nicht um einen Effekt, sondern um ein pathologisches KrankheitsSie haben zwei Kinder, versuchen viel Zeit mit Ihrem Mann, bild, das hier zum Klingen gebracht wird. dem Bass-Bariton Nicolas Testé zu verbringen. Ist das Leben Edgardo und Lucia werden am Ende im Tode miteinander verzwischen Familie und Oper auch ein bisschen Wahnsinn? eint. Warum gibt es in der Oper das Glück eigentlich immer erst Unser Beruf ist sicherlich anders als der eines Bankangestellten. im Tod? Gerade mit den Kindern stelle ich fest, dass die Welt oft nicht auf Das ist das Drama! Das ist doch das Schöne! alternative Lebensmodelle eingestellt ist. Ich plane in zwei Jahren Aber eine andere Ihrer großen Rollen, die Violetta aus eine große Tournee, dann ist mein ältester Sohn im Schulalter. Ich La Traviata, hält es anders. Sie sagt: Ich sterbe zwar, aber Alfhabe lange nach internationalen Schulen gesucht, an denen er an redo, Geliebter, suche Dir eine neue Frau – ich werde für Euch unterschiedlichen Orten den gleichen Lehrplan haben würde. So beten. Das finde ich irgendwie cooler. etwas gibt es aber nicht. Nun haben wir uns für Homeschooling Na, deshalb ist die Traviata ja meine Lieblingsoper. entschieden. Wir werden also mit einem eigenen Lehrer auf Tour Im Ernst, sind Sie gläubig? Glauben Sie an ein Leben nach dem gehen. Ich begreife so langsam, dass der Wahnsinn eines SängerleTod? Daran, dass der Wahnsinn irgendwann ein Ende hat? bens darin besteht, dass wir uns in einer gesellschaftlichen AußenJa, aber nicht im strengen Sinne der Kirche. Ich bin eher eine frei position befinden. Wir ecken überall an, weil wir ein anderes praktizierende Christin mit buddhistischem Einschlag. Ich kann Leben als die Mehrheit der Menschen führen. Umso wichtiger ist mich also in Vieles hineinversetzen. Aber auch für mich geht es es, dass wir unser eigenes Leben präzise organisieren. erst einmal darum, auf dieser Welt glücklich zu werden. Wenn wir Sie meinen, um den Wahnsinn zu produzieren, braucht man es im Tode auch noch sind – umso besser. Irgendwie hat das alles eine perfekte Ordnung im Leben? auch etwas Beruhigendes. Man weiß: Schlimmer als in der Oper Ja, und nicht nur im Leben, sondern auch auf der Bühne. Selbst kann es nicht mehr werden. Und, Hand aufs Herz: Grundsätzlich wenn ich als Lucia wahnsinnig werde, muss ich ja auf einer andeist das Leben doch auch schwer. Niemand bleibt von Schicksalsren Ebene vollkommen kontrolliert sein: Die Technik, das Orchesschlägen verschont. Viele laufen weg, verschließen sich der Realität ter, der Dirigent – das genaue Wissen um die Töne. In diesem – sie fliehen vor dem alltäglichen Wahnsinn. Das Dumme daran Sinne ist das Singen und die Produktion großer Gefühle in erster ist, dass er uns immer wieder einholt. Manchmal glaube ich, dass Linie ganz profanes Handwerk! wir in der Oper vielleicht den alltäglichen Überdruck ablassen Die Oper ist ja überhaupt eine absurde Kunst: Die Herren ziekönnen. Dann verdrücken wir ein paar Tränen und fühlen uns hen einen Smoking an, die Damen binden sich Klunker ums erleichtert. Wer weiß, vielleicht gibt es durch die Oper ein paar Dekolleté und bezahlen viel Geld, damit sie im tiefsten Inneren Wahnsinnige weniger. n leiden. Das hat schon etwas masochistisches ... Donizetti: „Lucia di Lammermoor“ Diana Damrau, Joseph Calleja, In erster Linie geht man, glaube ich, in die Oper, um die Kraft der Ludovic Tézier, Nicolas Testé, Münchner Opernchor & Orchester, Musik zu spüren. Sie ist der Katalysator, die in uns das Verborgene Jesús López-Cobos (Erato) berührt, vielleicht auch Regionen, deren Existenz wir uns im Alltag nicht erlauben können. Musik weckt das Archaische in uns. Sie 27


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Schattenmänner Während die Solisten alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, werden Begleiter am Klavier oft nur im Nebensatz erwähnt. Wir trafen drei Pianisten, die das ganz anders sehen. von Dorothea Walchshäusl

E

s war kurz nach einem Konzert. Zwei Stunden lang hatte Gerold Huber vorne auf der Bühne alles gegeben: Er hatte den Tasten des Flügels die feinsten Nuancen entlockt, er hatte die tiefenpsychologischen Zwischentöne in der Unterstimme herausgekitzelt und mit ungebremster Hingabe musikalische Dramen durchlitten. Lied um Lied ein Genuss, Standing Ovations, Zugabe. Wenige Minuten später: Huber begegnet einem der zahlreichen Gäste im Publikum und wird lange mit rätselndem Blick gemustert. Dann fragend der Gast: „Also irgendwo habe ich Sie ja schon einmal gesehen … Kennen wir uns?“ Gerold Huber lacht schallend, wenn er diese Geschichte erzählt, er liebt das Understatement und noch mehr liebt er seinen Beruf. Der Straubinger ist klassischer Konzertpianist, die meiste 28

Zeit seines Schaffens jedoch arbeitet er als Klavierbegleiter. Ebenso wie der Weimarer Daniel Heide und der Wiener Christoph Berner ist er damit Angehöriger eines Berufszweigs, der in der Musikszene, chronisch unterschätzt, nicht selten ein Schattendasein in zweiter Reihe fristet. Klavierbegleiter? Das sind doch diese schlicht gekleideten Musiker am Flügel links außen. Pianisten zweiten Ranges ohne denkwürdigen Namen, im besten Falle unauffällige und unterwürfige Diener der strahlenden Sangesdiva im Rampenlicht – soweit zumindest das Klischee. Die Wirklichkeit auf und hinter dem Konzertpodium sieht anders aus, und konfrontiert man Heide, Huber oder Berner mit ihrem angeblichen Schattendasein, erntet man allenfalls ein mitfühlendes Schmunzeln. Schattendasein? Das war einmal, in früheren Zeiten, in denen in Konzertkritiken häufig „nur der Sänger www.crescendo.de

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Fotos: Mathias Creutziger; Imagem; Avi-music-Marion Koell

Die Tasten-Begleiter Daniel Heide, Gerold Huber und Christoph Berner.


Carl Loewe: „Balladen & Lieder“ Roman Trekel, Daniel Heide (Avi) Track 11 auf der crescendo Abo-CD: „Der du von dem Himmel bist“ von Carl Loewe Schubert/Strauss/Wolf: „Prometheus“ Franz-Josef Selig, Gerold Huber (Avi) Track 10 auf der crescendo Abo-CD: „Das Abendroth D 627” von Franz Schubert „Fin de Siècle“ Anke Vondung, Christoph Berner (Avi) Track 13 auf der crescendo Abo-CD: „Wohl fühl᾽ ich, wie das Leben rinnt“ von Franz Schreker

erwähnt wurde und man gar nicht wusste, wer Klavier gespielt hat“, wie Huber berichtet. Freilich kennen sie alle auch heute noch die Situation nach dem Konzert, in der nur der Sänger um ein Autogramm gebeten wird, während sie als daneben stehende Pianisten geflissentlich ignoriert werden. Und doch sind derartige Szenen seltener geworden und beobachten Huber und Kollegen eine deutlich positive Wandlung der Sichtweise auf den Klavierbegleiter in der Öffentlichkeit. Die Klavierbegleiter selbst erleben die eigene Rolle ohnehin vollkommen anders. Als Begleiter sind sie nicht nur versierte Pianisten, vielmehr sind sie hypersensible Zuhörer, herausfordernde Gegenspieler und vertrauensvolle Stützen ihrer musikalischen Partner auf der Bühne. Sie sind brillante Solisten in den Vor-, Zwischen- und Nachspielen, dramatische Erzähler der im Instrumentalpart schlummernden Geschichten, sie sind ironisch verfremdende Kommentatoren und zärtlich umwerbende Verehrer. Ob Daniel Heide, der in Weimar mit dem „Lyrischen Salon“ eine Konzertreihe mit Liederabenden ins Leben gerufen hat, ob Christoph Berner, der seit Langem u. a. mit dem Sänger Werner Güra zusammenarbeitet, ob Gerold Huber, der der feste Klavierpartner des Baritons Christian Gerhaher ist: Alle sind sie auch solistisch erfolgreich unterwegs, die Arbeit als Klavierbegleiter jedoch beglückt sie ganz besonders. Bei allen dreien begann die Faszination für ein Miteinander neben dem pianistischen Einzelkämpfertum in der Jugend. Daniel Heide begleitete seine Mutter, eine Chansonsängerin, und verfiel der Arbeit mit dem Text. Gerold Huber wurde zusammen mit seinem Freund Christian Gerhaher von Schumanns Dichterliebe verführt. Und auch Christoph Berner erkannte früh für sich: „Musik kann nicht nur das alleinige Am-Klavier-Sitzen sein. Musik hat mit Kommunikation zu tun.“ Der Klavierbegleiter, so wie ihn Heide, Berner und Huber definieren, sinniert, ringt und arbeitet im stetigen, zumeist ebenbürtigen Dialog mit seinem musikalischen Partner. Im schönsten Falle verbindet die Musiker dabei nicht nur eine professionelle Zusammenarbeit, sondern ein enge, vertrauensvolle Freundschaft – die Voraussetzung für ein wirklich intensives Konzerterlebnis. „Damit etwas Tiefes auf der Bühne passiert, muss man den anderen an sich heranlassen, sich kennen und sich vertrauen“, so Berner. Man trägt und stützt sich in Stresssituationen, harrt gemeinsam an Flughäfen aus und wartet gemeinsam auf verspätete Züge und Klavierstimmer. „Den größten Teil des Konzertlebens sitzt man in Wartehallen herum. Da ist es schön, wenn man zu zweit ist“, sagt Daniel Heide schlicht, und nicht zuletzt ist es diese sozi-

ale Komponente, die er am Klavierbegleiter-Dasein schätzt. Dass man nicht alleine kämpft, verleiht Kraft – nicht nur in Wartehallen, sondern auch vor Publikum. „Als Solist ist man sehr alleine auf der Bühne. Es kostet enorme Energie, um da eine starke Bühnenpräsenz zu schaffen“, sagt Gerold Huber. Ist man allerdings in der Begleiterrolle, stetig wechselnd zwischen solistischen und zurückgenommenen Parts, kann man sich um einiges entspannter und konzentrierter dem musikalischen Kern widmen. Gerade bei der Liedbegleitung dringen Heide, Berner und Huber dabei mitunter in tiefste Schichten vor. „Mich hat diese zweite Ebene des Musizierens mit Text schon immer fasziniert, und bis heute ist es so geblieben“, sagt Heide, und Berner erzählt: „Man versucht, aus jedem Text, aus jedem Stück das Minidrama herauszuarbeiten.“ Wer bei der musikalischen Deutung des Dramas das Sagen hat, ist je nach Gegenüber verschieden. Für Gerold Huber gibt es „solche und solche Sänger – die einen wünschen viel Input, die anderen haben wiederum sehr genaue Vorstellungen.“ Beides ist für Huber in Ordnung: „Ich bin da flexibel.“ Für jemanden wie Christoph Berner ist die Gleichberechtigung da noch entscheidender, auch wenn er zugibt, dass man für ein glückliches Dasein als Begleiter durchaus ein bestimmter Typ sein sollte. „Wenn man ein Problem damit hat, ab und zu zurückzustecken, ist man in diesem Beruf falsch.“ Für Daniel Heide, Christoph Berner und Gerold Huber ist es kein Thema, wenn der Solist am Ende den größeren Blumenstrauß bekommt. „Es geht um den gemeinschaftlichen Erfolg“, meint Heide nur, „und wenn der Solist besonders glänzt, dann freut mich das ja auch.“ Außerdem hat das Leben in zweiter Reihe so manches Mal auch seine Vorteile. Für die Nerven zum Beispiel: „Ich weiß, was ein Sänger durchmacht, da vorne, frontal vorm Publikum.“ Das sei ein viel größerer Stress als die Rolle am Flügel, so Huber. Oder auch für die finanzielle Absicherung: So kann ein Pianist im Gegensatz zum angepriesenen Solisten zum Beispiel mehrmals im Jahr als Liedbegleiter bei einem Festival engagiert werden, ohne dass sich jemand daran stört. Nicht zuletzt gibt es laut Daniel Heide aber noch einen weiteren Reiz – die Freude an der stillen Größe, die dann betört, wenn der Klavierbegleiter den Laden im Zweifelsfall zusammenhält. Wo auch immer der Solist schwankt und improvisierend überrascht: der Klavierbegleiter reagiert blind, gleicht aus, umspielt und glättet. Wenn dann nach dem Konzert die Zuhörer heranstürmen und rufen: „Was für ein großartiger Abend. Und wie Sie beiden zusammen waren – einfach perfekt!“ Dann denkt sich Heide leise lächelnd: „Ja, wir waren perfekt zusammen. Und ich weiß auch genau, warum.“ n

„Es ist kein Problem, wenn der Solist am Ende den größeren Blumenstrauß bekommt.“

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Fotos: Kaupo Kikkas

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Brilliant Classics & Jeroen van Veen erstmalig auf Vinyl! Je 2 LP, 180g

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A rvo Pärt Die Japan Art Association in Tokio hat dem estnischen Komponisten den Praemium Imperiale Award verliehen. Der Preis, der seit 1989 von der kaiserlichen Familie verliehen wird, gilt in Asien als Equivalent zum Nobelpreis. Arvo Pärt, der im nächsten Jahr seinen 80. Geburtstag feiern wird,

nahm den Preis am 15. Oktober in der japanischen Hauptstadt entgegen. Pärt sagte, eine solche Ehrung sei immer auch eine Herausforderung und Verpflichtung und wies darauf hin, dass auch der Praemium Imperiale geehrt werden sollte, denn die Institution sei wie ein Vater oder eine Mutter für die Künstler.

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LeN Blavatnik

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Der aus der Ukraine stammende Milliardär mit Wohnsitz USA hat einen neuen Musik-Preis ins Leben gerufen. Der Preis ist mit 100.000 Dollar dotiert und richtet sich an junge Nachwuchssänger und Instrumentalisten. Blavatnik, der zu den 50 reichsten Menschen weltweit gehört und der im Jahr 2011 Warner Music gekauft hatte, bietet dem Gewinner des neuen Preises außerdem einen Musikvertrag seines Labels. Die Nachwuchskünstler müssen zwischen 18 und 35 Jahre jung sein. „Jungen Musikern zu

helfen, ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft der klassischen Musik“, sagte Blavatnik zu seinem Engagement. Neben der klassischen Musik unterstützt der 57-Jährige mit seiner Blavatnik Family Foundation auch die Wissenschaft und die Kunst. Der Gewinner des Warner Music Prize soll am 27. Oktober 2015 im Rahmen einer Gala in der New Yorker Carnegie Hall ein Konzert geben. Die Jury besteht aus renommierten klassischen Musikern und Entscheidern aus der Wirtschaft.

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Die Tochter von Yo Yo Ma lehnte es auf ihrer Hochzeit im US-Bundesstaat Massachussetts ab, dass ihr Vater dem Brautpaar ein Ständchen auf dem Cello spielt. Sie wolle, sagte Hornor Ma, dass er zu diesem festlichen Anlass einfach nur ihr Vater und Gast der Zeremonie sei. Als Musik für den Gang zum „Altar“ wählte sie Wagners Brautchor aus der Oper Lohengrin, wahrscheinlich die bekannteste Hochzeitsmusik der Welt.

Mehr Information gibt es unter: http://de.brilliantclassics.com Das offizielle deutschsprachige Blog von Brilliant Classics 30

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Foto: Sony Classical

Emily Hornor Ma / Yo Yo Ma

Cellist Yo Yo Ma

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hören & sehen •

Die besten CDs & DVDs des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Attila Csampais neue Entdeckungen (Seite 32) Christoph Schlüren über zwei Grandes-Dames (Seite 43)

Harriet Krijgh

Mit Nachdruck „Man kann etwas schreien, aber man kann etwas intensiv oder sogar noch intensiver sagen, wenn man es ganz deutlich und ganz artikuliert jemandem direkt in die Augen sagt“, erklärt Harriet Krijgh auf der DVD, die ihrer neuen CD Elegy beiliegt – und genau das beweist sie in den Aufnahmen bekannter Werke von Bloch bis Tschaikowsky mit der Staatsphilharmonie RheinlandPfalz unter der Leitung von Gustavo Gimeno. Das Programm wirkt wie ein „Best of“ beliebter, romantischer Melodien für Cello und Orchester. Die 23-jährige Cellistin spielt diese jedoch mit einer Nachdrücklichkeit, die auch bekannte Stücke, wie Gabriel Faurés Elégie oder Max Bruchs dramatisches Kol Nidrei interessant, nuancenreich und nicht nur als freundliches Zugabestück wirken lassen. Dabei erscheint ihre feine Artikulation nie gekünstelt sondern sehr natürlich. Der knapp 30-minütige Film Die Cellistin und der Regenbogen zeigt den bisherigen Werdegang der jungen Künstlerin, von alten Klassenvorspiel-Videos bis hin zu Proben im Wiener Musikverein und begleitet die WahlÖsterreicherin zurück in ihre niederländische Heimat. Dabei kommen nicht nur Krijgh selbst, sondern unter anderem auch ihre Lehrerin Lilia Schulz-Bayrova und Dirigent Gabriel Feltz zu Wort, unter dessen Leitung sie im Mai in der Reihe „Podium der Jungen“ brillierte. SK

„Elegy“ Harriet Krijgh, Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Gustavo Gimeno (Capriccio) Track 6 auf der crescendo Abo-CD: „Èlégie c-Moll op. 24“ von Gabriel Fauré

Foto: Nancy Horowitz

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Die wichtigsten CDs des Monats, ausgewählt von Attila Csampai

Nachhaltiges für die stille Zeit In seiner Dezember-Liste empfiehlt Attila Csampai neugierige Interpreten, die hinter bekannten Notenbildern noch Neues entdecken. J. S. Bach: „Brandenburgische Konzerte Nr.1–6“ Concerto Köln (Berlin Classics)

Von Bachs Brandenburgischen Konzerten gibt es unzählige Aufnahmen, und darunter viele exzellente Interpretationen: Das wussten auch die Mitglieder von Concerto Köln, und sie beschlossen, „das vertraute Terrain neu zu vermessen“. Sie arbeiteten ein ganzes Jahr an ihrer Version, und ließen sogar ein neues Instrument bauen: eine Doppelblockflöte, die im Vierten Konzert Bachs Vorschrift nach zwei „Fiauti d’Echo“ erfüllen sollte. Entscheidender für den Gesamteindruck scheint mir die tiefe Stimmung des Ensembles (392 Hz für den Kammerton a), die trotz frischer Tempi allen sechs Konzerten eine unerwartet dunkle, geerdete Grundfärbung verleiht, und sie so viel entspannter, bodenständiger, sympathischer wirken lässt als bei vielen höher gestimmten, auf effektvolle Brillanz geeichten Konkurrenten. Die akustische Nähe und Transparenz des warmen Klangbildes führt einen dicht heran an die menschliche Quelle dieser ungemein „belebten“ Polyphonie, so dass man vieles völlig neu erlebt: JSB steht hier mit beiden Beinen auf festem Boden.

Blutleere historisierender Cembalosounds: Ein grandioses Kompendium der französischen Barockmusik und das Experimentierfeld für seine späteren Bühnenwerke. D. Scarlatti, 18 Sonaten Igor Kamenz (naÏve)

War Domenico Scarlatti eher ein exzentrischer Spinner, eine genialische Randerscheinung, die weit weg von den Musikzentren Europas in der Abgeschiedenheit des spanischen Hofes eine frustrierte Prinzessin musikalisch bei Laune halten musste, oder war er doch einer der innovativsten Musiker des ausgehenden Barocks, der mit unerhörter Kreativität und raffinierten Lösungen die Entwicklung des modernen Klaviersatzes vorantrieb? Wenn man sich Igor Kamenz’ neues Album mit 18 eher unbekannten Sonaten des iberischen Tasten-Monomanen anhört, möchte man uneingeschränkt zum Letzteren tendieren, wenngleich der 46-jährige Wahl-Freiburger selbst als genialischer Exzentriker gilt. Vielleicht hat er gerade deshalb einen besonderen Draht zu den sprudelnden Hirngespinsten und den raffinierten Fantastereien Scarlattis, denn selten klangen dessen einsätzige „Esercizi“ so intellektuell-sperrig, so experimentell-modern und zugleich so zwinRameau: „Pièces de Clavecin“ Ketil Haugsand (Simax) gend logisch und beredt, als blickte man dem Meister selbst beim Track 4 auf der crescendo Abo-CD: „2ème AlleKomponieren über die Schulter? Kamenz entpuppt sich auch hier mande” aus: „Premier livre de pièces de clavecin“ wieder als eine Art Medium, der mit kindlicher Rigorosität alle EtiAuch der letzte große französische Barockmeis- kette aufbricht und die kreative Quelle dieses bizarren Genies freiter Jean-Philippe Rameau, lange als Synonym legt, so unwirsch, liebevoll und suggestiv, dass man schon nach kurhöfischer Rückständigkeit missachtet, war im zer Zeit dem haptischen Zauber seines Spiels erliegt. Grunde ein experimenteller Geist. Phänomenale Präsenz, dreidimensionale Plastizität und pralle Klangfülle vermittelt das Doppelalbum Mozart: „Klavierkonzerte KV 449 & 467“ Ronald Brautigam, Kölner Akademie, des norwegischen Cembalisten Ketil Haugsand, der zu Rameaus 250. Michael Alexander Willens (BIS) Geburtstag dessen komplette Clavecin-Musik eingespielt hat. Auch wenn Haugsand auf dem Cover eher missmutig dreinblickt, hat er hier Der Amsterdamer Fortepiano-Crack Ronald auf seinem selbstgebauten Instrument eine sensationelle, zweieinhalb Brautigam und die 26-köpfige Kölner AkadeStunden lang spannungsgeladene, neue Referenzmarke gesetzt, die mie unter Michael Alexander Willens arbeimit fein dosierter, kluger Agogik den überquellenden Einfallsreichten seit vier Jahren an der derzeit aufregendstum, die Charakterisierungskunst, die ausgezirkelte Raffinesse dieser ten Gesamteinspielung der Klavierkonzerte Mozarts: Die bishestilisierten Tanzsätze in praller Farbenpracht wiederbelebt – denkbar rigen Folgen ihres Projekts auf alten Instrumenten und einem weit entfernt von aller akademischen Trockenheit und der zirpenden fantastisch klingenden Nachbau eines Walther-Fortepianos (von

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Paul McNulty) erhielten weltweit euphorische Kritiken und wurden auch in crescendo ausführlich gewürdigt. In der aktuellen Folge 7 hat das mittlerweile verschworene Team das populäre C-Dur-Konzert KV467 mit dem seltener aufgeführten F-Dur-Konzert KV 449 gekoppelt, mit dem Mozart 1784 die grandiose Serie seiner 15 späten Klavierkonzerte eröffnet: In diesem „Concert von ganz besonderer Art“ (so Mozart an seinen Vater) realisiert er eine von der Oper inspirierte dramatische Interaktion zwischen Solist und Orchesterstimmen, und Brautigam und seine Kölner Akademiker verschmelzen auch hier wieder historische Klangbilder mit zeitgemäßem Drive und einer impulsiven Spielfreude, die alle zuckersüße Mozart-Gefühligkeit endgültig hinter sich lässt: Diese frische Atemluft kommt vor allen den langsamen Sätzen, so auch dem „Elvira-Madigan“-geschädigten Andante des C-Dur Konzerts zugute, das jetzt wieder seine ursprüngliche Fragilität, und die Intimität einer echten „Preghiera“, eines Dankgesangs an die Götter, zurückgewinnt.

NEUJAHRSKONZERT

2015

ZUBIN MEHTA WIENER PHILHARMONIKER

EINE STERNSTUNDE ZUM NEUEN JAHR!

„Russian Impulse – Rachmaninow, ­Prokofjew, Kapustin“ Fanny Azzuro (Paraty)

Rachmaninows späte Corelli-Variationen op. 42 zählen zu seinen großartigsten Arbeiten, und verwenden das berühmte barocke „Folia“Thema zu einer melancholisch-bizarren Traumreise durch die dunklen Bezirke der russischen Seele. Nur wenige Pianisten haben diesem Meisterwerk bislang Beachtung geschenkt und es dann meistens als Virtuosenstück verkannt. Jetzt hat die 26-jährige Französin Fanny Azzuro den 20-teiligen Zyklus rigoros aus dem Dornröschenschlaf gerissen, und ihm mit Prägnanz, mit kontrollierter Leidenschaft und gebündelter Gestaltungskraft seine starke menschliche Physiognomie, also inneres Feuer, agogische Kraft, und den für Rachmaninow so typischen dunklen Zauber zurückgegeben: Azzuros besondere Gabe des beredten Gestaltens, der prägnanten Charakterisierung und einer vom Tanz inspirierten sinnlichen Agogik befreit auch Prokofjews kontrastreiche sechste Sonate von 1939 vom Panzer eines allzu grellen, schroffen Zeitstücks. Auch hier öffnet sie mit rhetorischem Gespür den inneren Reichtum an wechselnden Stimmungen und Farben. Mit den halsbrecherischen Variationen op. 41 des Jazz-Tüftlers Nikolai Kapustin verleiht sie ihren ernsten „russischen Impulsen“ einen heiteren Ausklang. Fazit: ein starkes Debüt einer hochbegabten Pianistin. „Pasión Tango“ Friedrich Kleinhapl, Andreas Woyke (Ars Produktion)

Track 7 auf der crescendo Abo-CD: „Jalousie“ von Carlos Gardel

Als der österreichische Cellist Friedrich Kleinhapl vor fünf Jahren seine CD mit Beethovens Cellosonaten veröffentlichte, nannte ich ihn einen Berserker. So rigoros, unwirsch und leidenschaftlich hatte man diese Stücke noch nicht gehört. Jetzt hat der 48-jährige Grazer mit seinem kongenialen deutschen Klavierpartner Andreas Woyke sich in die entfernten Regionen des argentinischen Tango begeben und sich damit einen lang gehegten Herzenswunsch erfüllt: Im Mittelpunkt seines neuen Albums „Pasión“ steht der musikalisch anspruchsvolle, moderne Nuevo Tango des argentinischen Klassikers Astor Piazzolla, der den Tango unter großen Widerständen zu einer Kunstform entwickelte, und Kleinhapl setzt wieder alles daran, um die enorme emotionale Kraft, die Seelenglut dieser kleinen Meisterwerke zum Lodern zu bringen, und so den Zuhörer mit seinem kraftvoll-herben Ton ganz unmittelbar zu packen: Kleinhapl und Woyke sind besessene Leidenschafts-Musiker, denen es um die Wahrheit geht, nicht unbedingt um Schönheit oder Eleganz. Wer sich ihrem Furor ausliefert, wird reich beschenkt. 33

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist das Klassik-Highlight zum Auftakt des kommenden Jahres und steht dieses Jahr unter der Leitung von Star-Dirigent Zubin Mehta. Erhältlich ab 9. Januar als CD bzw. Download und wenig später auch als DVD bzw. Blu-ray.

www.sonymusicclassical.de www.wienerphilharmoniker.at www.zubinmehta.net


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Solo

Foto: Uwe Arens / Sony Classical

„Prayer“ Sol Gabetta, Amsterdam Sinfonietta, Candida Thompson (Sony Classical)

Sol Gabetta

Dunkle Klagelieder Eigentlich kennt man die argentinische Starcellistin Sol Gabetta als äußerst lebenslustige und virile junge Frau, sprühend vor Brillanz und Spielfreude. Insofern reibt man sich verdutzt die Augen (und dann die Ohren), wenn man ihr neues Album „Prayer“ in die Hand und den CD-Player bekommt. Schwarz ist das Cover, dunkel der Inhalt. Angeregt von einer ihrer erklärten LieblingsZugaben, Ernest Blochs Prayer, hat sie ein komplettes Programm mit Stücken im jüdischen Tonfall zusammengestellt. Leider kon-

zentriert sie sich dabei ganz auf jene melodramatischen Werke, die sich auch als Soundtrack für Schindlers Liste oder Quo vadis nutzen ließen, und vergisst – mit Ausnahme einiger umarrangierter Schostakowitsch-Lieder – die etwas diesseitigere Tanzmusik aus dem Shtetl. Natürlich, Sol Gabettas Ton ist die reine Wonne, ihre Energie und Passion aus jeder Note hörbar. An trüben Herbsttagen sollte man diese CD dennoch wohl lieber nicht ­einlegen. CM

Anastasia Injushina

Anna Gourari

Klassisches Erbe

Flüchtige Visionen

Mit Raritäten und zwei populären Variationszyklen von Mozart spielt sich Anastasia Injushina unter die feinsten, bewusstesten Pianisten unserer Zeit. Keine Mätzchen, keine übertriebenen Stilisierungen, schöner runder Klang ohne Härte, transparent und kraftvoll, nüchtern verstanden und innig empfunden, gesanglich und metrisch stets klar, geschmeidig artikulierend, balanciert auch in den variablen Tondauern, technisch makellos ohne Schaustellung – all dies entspringt einer Grundhaltung, die nicht nur den Klassikern bestens ansteht. Lediglich der Charakter der Courante aus der Händel-nahen Suite KV 399 ist nicht ganz getroffen. Auf diesem exzellenten Niveau ist wahre Vertiefung möglich: noch subtilere Agogik, sparsamere Pedalisierung, orchestralere Dynamik, noch mehr Mut zur Losgelöstheit – hier reift eine Musikerin heran, die das klassische Erbe von Clara Haskil und Lili Kraus antreten und weiterentwickeln könnte. CS

Was Anna Gouraris Spiel für viele Hörer so attraktiv machen dürfte, ist die klangliche Kontinuität ihres Spiels. Dieses ist zwar nicht allzu mannigfaltig in der Farbgebung, und keineswegs orchestral in Palette und Charakter, jedoch ausgesprochen wohlklingend und weit überwiegend vom Gesang der Oberstimme aus verstanden. In agogischer und dynamischer Hinsicht herrscht einige Willkür, und bewusste Formung größerer Abschnitte oder gar des Ganzen ist ihre Sache nicht. So sind denn auch, abgesehen von vielen diskutablen Details, Prokofiews Visions fugitives und Nikolai Medtners Märchen op. 26 Nr. 3 bei ihr in besseren Händen als Chopins große h-Moll-Sonate, die ziemlich schwergewichtig und ohne klare modulatorische Orientierung langwierig und über weite Strecken unverständlich bleibt. Flüchtige Visionen statt klarer Entwicklungen! Die tontechnische Abbildung ist exzellent. CS

Mozart: „Piano Works. Neglected Treasures“ Anastasia Injushina (Ondine) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: „Andante F-Dur für eine Orgelwalze KV 616“ 34

„Visions fugitives“ Anna Gourari (ECM) www.crescendo.de

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Impressum Isang Enders

Verlag

Singen, tanzen, jagen „Sprechen sollen die Suiten, singen und tanzen, jagen und besinnen. Bachs Musik ist so menschlich.“ Diese Einschätzung ist dem jungen Cellisten Isang Enders Credo und Ansporn zugleich. Eine komplette Studiosession verwarf er auf dem Weg zur finalen Aufnahme der sechs Bach’schen Cellosuiten – ein Perfektionsdrang, der sich gelohnt hat. Enders spielt schlicht und doch klangsinnlich, frei im Tempo und doch stringent und phrasiert gerichtet, ohne Bachs unergründlichen Werken etwas aufzuoktroyieren. Und findet auch als x-ter Interpret dieser Bibel der Cellisten noch Raum für Originalität: in der Gruppierung nach dunklen (5, 2, 4) und hellen (3, 1, 6) Suiten etwa oder in einer historisch informierten Sonderfassung der 5. Suite auf Basis der zugrunde liegenden Lautensuite. Dass der befreundete Klavier-Shootingstar Kit Armstrong den äußerst hellsichtigen Booklet-Text beigesteuert hat, rundet diese äußerst gelungene Aufnahme noch ab. CM

Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

Art director Stefan Steitz

Redaktion Anna Novák (AN)

schlussREdaktion Edigna Hackelsberger

„Bach. Cello Suites“ Isang Enders (Berlin Classics)

Kolumnisten Attila Csampai, Daniel Hope, John Axelrod, Axel Brüggemann, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell

Mitarbeiter dieser Ausgabe Angelika Rahm (AR), Uwe Schneider (US), Michael Sellger, Götz Bühler (GB), Rainer Aschemeier (RA), Malve Gradinger (GRA), Julia Hartel (JH), Maximilian Stössel (STÖ), Katherina Knees (KK), Magdalena Wolf (MW), Dorothea Walchshäusl, Clemens Matuschek (CM), Ruth Renée Reif, Arnt Cobbers, Angelika Otto, Teresa Pieschacón ­Raphael (TPR), Antoinette Schmelter de Escobar (SDE), Sina Kleinedler (SK), Thomas Schöberl, Chris Hiller, Vera Brandes, Bernd Hoppe (BH), Holger Wemhoff & Bob Coat.

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Angelika Otto | otto@crescendo.de Foto: Bernhard Güttler

Gültige Anzeigenpreisliste

Arianna Savall

Arianna auf Hildegards Spuren Jordi Savall ist längst ein Weltstar im Alte Musik- und auch im Weltmusiksektor. Seine Tochter Arianna Savall, Sängerin und Harfenistin, wandelt schon lange in Papas Fußstapfen – wenngleich sie ihre Musikpraxis noch freier, noch ungebundener, fast völlig ohne Berücksichtigung musikalischer Stilgrenzen auslebt. Mit dem Hardangerfidelspieler Petter Udland Johansen und anderen hat sie nun ein Album mit Musik der heiligen Hildegard von Bingen eingespielt, die bekanntlich zu den innovativsten Gestalten der mittelalterlichen Musik zählte – vielleicht, weil sie ihre Musik anhand von mystischen Visionen empfangen haben soll. Die ruhige Musik der heiligen Nonne, die sich durch beinahe schon an Gesualdo erinnernde Intervallsprünge auszeichnet, ist hier mit besonderer Sorgfalt und viel Liebe in einem ätherisch schönen Klanggewand umgesetzt worden. Das ist weniger ein Interpretieren, als vielmehr ein Ertasten, ein behutsames Nachspüren in Musik von großer Schönheit und Reinheit. Fazit: Ein ganz besonderes Highlight im laufenden Veröffentlichungsjahr! RA

Hildegard von Bingen: „Vox Cosmica“ Arianna Savall, Petter Udland Johansen, u.a. (Carpe Diem) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: „Antiphona: O quam mirabilis“ von Hildegard von Bingen

Nr. 18 vom 10.09.2014

Druck Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Vertrieb Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstr. 77, 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

Erscheinungsweise crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Abonnement Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende premium-CDs und kostet 49,90 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 1.1.2012). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3548, Fax: -362452, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 69.467 (laut IVW-Meldung 1II/2014) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

(Teil-)Beilagen/Beihefter: Diese Ausgabe enthält (Teil-)Beilagen/Beihefter von CLASS, Villa Papendorf und Brilliant Classics.

Das nächste crescendo erscheint Am 29.1.2015

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Jazz Branford Marsalis

Tribute to Nina Simone

James Farm

Ein Mann, ein Sound

Keine Kopie

Viel geschafft

„Dies ist keine Stunde überhöhter, abstrakter Kunstgalerien-Langeweile oder ein Epos narzisstischen Gedudels“, schreibt Rafi Zabor in seinen Liner Notes zu „In My Solitude“, dem neuen Album des Saxophonisten Branford Marsalis. Tatsächlich bietet der älteste Spross der großen Jazzfamilie aus New Orleans auf seinem ersten Soloalbum eine ebenso introspektive wie reduzierte Musik, einen enormen Wohlklang, nah an musikalischer Meditation. Passend, dass es sich hierbei um eine Live-Aufnahme aus der „Grace Cathedral“ in San Francisco handelt, die vor gut fünfzig Jahren mit Duke Ellingtons „Sacred Concert“ geweiht wurde. Tatsächlich sammeln diese elf Stücke, von Jazz-Standards über eine Bach-Sonate und eine Komposition von Ryo Noda bis zu vier grundverschiedenen Improvisationen, den Geist des Zuhörers. Mögen sie noch so sehr in kathedralem Hall wabern, sie bleiben immer fokussiert. Oft reißt der Applaus den Zuhörer etwas unsanft in die Realität zurück, einmal kommentiert Marsalis in seinem Solo eine vorbeifahrende Feuerwehrsirene und holt so sanft die Außenwelt zu sich und uns. Einsame Klasse. GB

Tribute gibt es so oft, wie sie selten gut sind. Ausnahmen wie diese französische Produktion zu Ehren von Nina Simone bestätigen die Regel. Abgesehen von zwei oder drei gründlich uninspirierten Interpretationen von Klassikern aus dem Kanon der singenden und songschreibenden Pianistin bietet diese Sammlung zwischen Pop-Jazz und Soul-Pop insgesamt einen erfrischenden Zugang zu Simones wunderbarer Musik. Das liegt sicherlich zum einen an den Charakterstimmen, die hier einer einzigartigen Künstlerin Tribut zollen, ohne sie zu kopieren. Schon mit dem episch-elektronischen Baltimore von Lianne La Havas als Opener wird klar, dass hier originelle Wege gegangen werden. Weitere Highlights kommen von Melody Gardot, Youn Sun Nah oder der französischen Sängerin Camille. Dass dieses Album nicht nur einen musikalischen „roten Faden“ hat, sondern auch durch originelle Arrangements und Ansätze besticht, liegt außerdem daran, dass hier nicht nur ein gutes Produzententeam, sondern auch ausgezeichnete Instrumentalisten am Werk sind. Und das Beste: man bekommt wieder Lust, sich die Originalversionen von Nina Simone anzuhören. GB

„James Farm“ ist eine All-Star-Band ohne Gehabe, eine instrumentale Songschmiede mit eigenem Sound, eine Jazzband, die den schmalen Grat zwischen Popularität und Integrität nicht ignoriert, aber doch auf sehr eigene Art und Weise begeht. In konsequenter Nachfolge des Modern Jazz Quartet oder der Fusion-Supergroup „Weather Report“, finden sich hier Saxophonist Joshua Redman, Pianist Aaron Parks, Bassist Matt Penman und Schlagzeuger Eric Harland zusammen, um ihre Vision eines modernen, populären Jazz auszuleben. Auf ihrem zweiten Album City Folk, das die „urbane Landliebe“ des Bandnamens in den Titel spiegelt, stellt dieses akustische Jazz-Quartett seine kollektiven Themen und Grooves so gekonnt in den Vordergrund, dass man hinter jedem Konstrukt die Spielfreude spürt. Damit tritt die Band ein Jazz-Erbe an: Ihre Hard-Bop-Vorfahren aus den 60-ern nutzten ihre klaren Themen und eingängigen Grooves auch vornehmlich, um sich darauf improvisierend auszubreiten. Dass das stellenweise zu Lasten der Zwischentöne gehen kann, merkt man besonders beim letzten Stück, Joshua Redmans Ballade What remains. GB

„In My Solitude” Branford Marsalis (Okeh)

„Round Nina – A Tribute To Nina Simone” (Verve)

„City Folk“ James Farm (Nonesuch)

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Ein auSSErgEwöhnlichEr KonzErtfilm auS dEm BErlinEr admiralSpalaSt DVD / CD / DOWNLOAD Ab 28.11 im HANDeL! WWW.pALAstOrCHester.De


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Capella de la Torre

Musik für eine ­Königin

Alte Musik

Mit dem Album „Harry Our King“ hatte die Capella de la Torre um Katharina Bäuml anno 2012 Musik für und von Heinrich VIII. wiederentdeckt. Nun folgt mit der CD „Isabella“ ein ganz ähnliches Projekt. Diesmal steht jedoch die historische Figur Isabellas von Kastilien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Capella stellt 28 meist recht kurze, meist sehr muntere Stücke vor, die für die musikbegeisterte Königin entstanden sein sollen. Das wirkt konzeptionell und musikalisch manchmal nur wie ein eher lauer Aufguss des famosen „Harry“-Projekts, zumal bei der neuen Produktion im Vergleich zum 2012er-Album auch beim Aufnahmesound gespart wurde, der nun weitaus weniger lebensnah und natürlich klingt. Was bleibt, ist schlichtweg schöne Musik und das Bewusstsein darüber, dass diese ein Tor in die Historie aufstoßen kann. Es fällt aber auch ins Ohr, dass sich solche historischen Konzepte nicht beliebig oft und in gleicher Güte wiederholen lassen. RA

KammerMusik

änssler CLASSIC

Royales Vergnügen

Diese Neuerscheinung entführt die Ohren musikalisch mitten ins London des 18. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht Georg Friedrich Händel, der als „Master of the Orchestra“ der Royal Academy of Music in London großen Einfluss auf die Musiktheaterproduktionen hatte. Händels Werke und die Opern der Italiener Giovanni Bononcini und Attilio Ariosti sind maßgebliche Zeugnisse der Londoner Opernszene um 1720. Auf diesem Album werden sie wunderbar miteinander verknüpft und vom Countertenor Lawrence Zazzo mit großen Sinn für Details zum Leben erweckt. Zazzos Interpretationen von Arien aus Barockopern wie Giulio Cesare, Coriolano oder Griselda fügen sich wie Mosaiksteinchen zu einem stilsicheren Bild zusammen und dokumentieren das aufrichtige Interesse des Künstlers am musikalischen Kontext. Unter der Leitung des Dirigenten David Bates schwingt sich das Ensemble La Nuova Musica zu inspirierter und sensibler Begleitung auf. Alles in allem ist den Künstlern mit A Royal Trio eine echte musikalische Delikatesse gelungen. Köstlich! KK

wünscht frohe Weihnachten

Der Musikalische Adventskalender 2014 In 24 Musikstücken, musiziert von professionellen Ensembles oder Laienformationen, wird der Kreis weihnachtlicher Empfindungen musikalisch durchschritten. | CD-No. 93.322

Händel, Bononcini, Ariosti: „A Royal Trio“ Lawrence Zazzo, La nuova Musica, David Bates (Harmonia Mundi) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: „Così stanco Pellegrino“ aus: „Crispo“ von Bononcini

Machet die Tore weit Der Knabenchor „capella vocalis“ unter der Leitung von Eckhard Weyand hat sich mit sehr viel Hingabe Weihnachtsliedern mit landestypischen Elementen gewidmet und entdeckte wahre Juwelen. | CD-No. 98.040

Foto: Frank Jerke

„Isabella – Music for a Queen“ Capella de la Torre, Katharina Bäuml (Deutsche Harmonia Mundi)

Lawrence Zazzo

Atos Trio

Uneingeschränkte Weltklasse Schostakowitschs e-Moll-Trio, Arenskys d-Moll-Trio sowie der postum veröffentlichte, Fragment gebliebene Lento-Satz aus Rachmaninoffs Klaviertrio Nr. 1: Das ist ein herausragendes, berauschendes Programm, bestehend aus drei der schlichtweg besten Klaviertriokompositionen des 20. Jahrhunderts. Man muss sich das wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen, denn Alben wie The Russian Album des Atos Trios laufen heutzutage Gefahr, übersehen zu werden. Ja, wer heute noch ernst zu nehmendes Kammermusikrepertoire interpretiert, hat es schwer, ein Publikum zu finden. Dabei sind die hier vertretenen Stücke überreich an melodischen Einfällen, und die Interpretation des Atos Trio ist zur uneingeschränkten Weltklasse zu zählen. Insbesondere die enorme Dynamikbandbreite und die Leidenschaftlichkeit sind zwei Trademarks, die das Atos Trio heute aus der Masse der Kammermusikensembles hervorstechen lassen. Einfach fantastisch! RA

Atos Trio: The Russian Album (Farao Classics) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: „Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32” III. Elegia. Adagio von Anton Arensky 37

haenssler-classic.de | info@haenssler.de Im Vertrieb von NAXOS Deutschland www.naxos.de


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Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra

Orchester

1001 Klangfarben Seitdem der Wiener Sascha Goetzel 2009 die Leitung des Borusan Istanbul Philhamonic Orchestra übernommen hat, hat sich der türkische Klangkörper zu einem Aushängeschild interkultureller Musikvermittlung entwickelt. Das neue Album ist bereits die dritte Aufnahme des Orchesters, die bei Onyx erschienen ist. Besonders spannend daran: Die Programme sind immer auch eine künstlerische Spurensuche, auf der die Musiker die verschlungenen Pfade der multikulturellen Welten mit ihren unterschiedlichen Klangsprachen erkunden wollen. Auf dieser Reise widmet sich das Borusan Istanbul Philhamonic Orchestra russischen Kompositionen, die sich von orientalischen Geschichten inspirieren ließen. Mit Rimsky-Korsakovs romantischer Tondichtung Scheherazade und der orientalischen Fantasie Islamey von Mily Balakirev, mit der Caucasian Sketches-Suite von Mikhail Ippolitov-Ivanov und türkischen Klängen aus der Feder von Ulvi Cemal Erkin malt das Borusan Istanbul Philhamonic Orchestra ein musikalisches Klangbild mit 1001 Farben. Märchenhaft! KK

Rimsky-Korsakov: „Cheherazade“ Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra (Onyx)

Vasily Petrenko & Royal Liverpool Philharmonic Orchestra

Schostakowitsch-Highlight

Noch einmal, zum Abschluss seines gefeierten Zyklus᾽ mit den Sinfonien Schostakowitschs, verblüfft Vasily Petrenko, der längst kein Geheimtipp mehr ist, den Hörer mit der Selbstverständlichkeit seiner ansteckenden Interpretation. Gerade die 13. Symphonie von 1962 („Babi Yar“) gerät mit ihrer künstlerisch gefassten Anklage des Antisemitismus oft sperrig und unverständlich. Petrenkos Lesart jedoch hat nichts vom Betulichen eines moralisierenden Mahnmals, sondern dringt mit orchestralem Gewicht und rhythmischem Biss in die existenzielle Tiefe dieser gewagten, politischen Komposition vor. Sein Royal Liverpool Philharmonic Orchestra setzt das mit so selbstverständlicher Präzision und Sicherheit um, dass die klangliche Schönheit zu den, von Alexander Vinogradov mit seinem voluminösen, geradezu „belcantesk“ gehaltenem Bass, geschilderten Gräueln der Texte Jewtuschenkos einen berührenden Kontrast bildet. Eine große Aufnahme von starker Wirkung, die musikalisch wie intellektuell zutiefst berührt, eben weil sie so natürlich und gewissenhaft daherkommt. US

Dimitri Schostakowitsch: „Symphony No. 13 ‚Babi Yar‘“ Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Vasily Petrenko (Naxos) Carlos Kleiber

Zerklüfteter Abgesang

Foto: Alice Calypso for Malina

Carlos Kleibers einzige aktive Auseinandersetzung mit Gustav Mahler, die Aufführung des Lieds von der Erde im Wiener Konzerthaus am 7. Juni 1967, ist legendär und war für die Sammler schon mehrfach in Piratenveröffentlichungen erhältlich. Nun endlich liegt das Dokument mit der herrlich inbrünstigen Christa Ludwig, dem so fesselnd wie notentextfern deklamierenden Waldemar Kmentt und den bei allem Engagement des öfteren überforderten Wiener Symphonikern auf dem hauseigenen Label erstmals in optimierter, da aus dem Originalband bezogener Klangqualität vor. Wie stets zieht uns Kleiber magisch ins Gestisch-Tänzerische des Werks und verleiht auch der melancholisch klagenden Dekadenz überall noch eine ekstatische Zerrissenheit, die zu der gespaltenen Innenwelt des Komponisten passt. So erhält dieser große Abgesang etwas fortwährend Zerfahrenes, Irrlichterndes, das sich vital allen meditativen Klischees versperrt. CS

Mahler: „Das Lied von der Erde“ Christa Ludwig, Waldemar Kmentt, Wiener Symphoniker (Wiener Symphoniker)

Musica Aeterna, Teodor Currentzis

Der Klang des Lichts Kaum beginnt die Musik, so wird man in die Atmosphäre hineingezogen. Sanfter Streicherklang umfängt die Ohren wie mit einer liebevollen Umarmung. Man hört die Musiker atmen, ist völlig gefangenen von der großen Sinnlichkeit der Aufnahme. Wie ein Sonnenaufgang entfaltet sich die Musik aus JeanPhilippe Rameaus Ballettmusik Les fêtes d᾽Hébé. Dann preschen die Musiker des Ensembles Musica Aeterna unter der Leitung ihres griechischen Chefdirigenten Teodor Currentzis urplötzlich los und galoppieren davon im wilden Groove des 18. Jahrhunderts. Nur um kurz danach wieder mit fast zärtlicher Intensität und strahlender Klangschönheit bei Musik aus dem vierten Akt von Rameaus letzter Oper Les Boréades zur Ruhe zu kommen. Das Spiel mit den überraschenden Stimmungswechseln, den Brüchen, Farben und den verschiedenen Nuancen und den vielen kleinen Details in der Klanggestaltung machen diese spannende Aufnahme zu einer Ode an Rameaus Kompositionskunst und zu einem wahren Fest für die Sinne. Bravo! KK

„Rameau. The Sound of Light“ Nadine Koutcher, Alexei Svetov, Musica Aeterna, Teodor Currentzis (Sony Classical) 38

Ozawa & Boston Symphony

Ravel im neuen Klang Mehr als nur eine Wiederveröffentlichung ist diese randvolle Ravel-CD: Man hat einige der legendären, von der Deutschen Grammophon anlässlich des Ravel-Jahres 1975 im seinerzeit neuen Quadrophonie-Verfahren produzierten Aufnahmen Seiji Ozawas mit dem Boston Symphony Orchestra anhand der Originalbänder remastert und als SACD Hybrid MultichannelAufnahmen herausgebracht. Den ohnehin für ihre Transparenz und Klarheit des Klanges gelobten Aufnahmen aus den Anfangsjahren von Ozawas Bostoner Chefposition bekommt das bestens. In solcher Frische und Lebendigkeit hat man sie wohl noch nicht gehört. Ozawa, der den exzellenten Bläsern hier eine rhythmische, den Hörer ansteckende Agilität abgewinnt, mit variablen Artikulationen und feinen Dynamikabstufungen, profitierte damals von der französischen Prägung des Orchesters. Vor allem verstand er es, die Fülle des amerikanischen Klangs mit der Delikatesse schillernder, impressionistischer Couleurs zu vereinen. Noch immer Referenzaufnahmen! US

Ravel „Orchestral Works“ Seiji Ozawa, Boston Symphony Orchestra (Pentatone) Track 8 auf der crescendo Abo-CD: „Le jardin féerique. Lent et grave“ aus: „Ma mère l’oye“ www.crescendo.de

Dezember 2014 – Januar 2015


a d a s a M t a t Share a nigh

Summer 2015

La Traviata Masada 2014

opera nights in

Tosca by Puccini Conductor: Daniel Oren Director: Nicolas Joel Carmina Burana by Carl Orff Conductor: Yves Abel

For more details about the festival in Acre & Jerusalem Visit: Israel-Opera.co.il

Land of Creation


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Foto: Camille Triadoux

Tanz

Jean-Christophe Maillot

Bouba Landrille Tchouda

Ein Schwanensee-Thriller

Traum und Fantasie

Tschaikowskys Klassiker boomt derzeit – nun liegt Jean-Christophe Maillots Choreografie Lac für sein Ballet de Monte-Carlo auf DVD vor. Es ist eine spannende Deutung, die Kindheitsängste und Alpträume verarbeitet, mehrfach den Wechsel zwischen Mensch und Tier zeigt, den Schwan als Vogelfrau darstellt – uraufgeführt 2011 in Monaco. Die Choreografie zwischen Neoklassik und modernem Ausdruckstanz ist rasant, und die exzellenten Tänzer setzen sie mit Kraft und Vitalität imponierend um – der sprungstarke Prince (Stephan Bourgond), The White Swan als verängstigt flatterndes Wesen (Anja Behrend), der animalische Black Swan (April Ball) und dessen Mutter, die diabolisch rasende Her Majesty The Night (Bernice Coppieters). Eindrucksvoll sind die Kamerasequenzen aus der Vogelperspektive, welche die ornamentalen choreografischen Formationen plastisch darstellen. Auf Ernest Pignon-Ernests stilisierter Bühne aus Stoffbahnen, Gesteinsblöcken und Schraffur haben die Tänzer in fantasievollen Kostümen von Philippe Guillotel beste Voraussetzungen, diesen genialen Wurf umzusetzen. BH

Tschaikowski: „LAC. After Swan Lake“ Jean-Christophe Maillot, Les Ballets de la Compagnie de Monte Carlo (Opus Arte)

Bouba Landrille Tchouda nennt seine Version von Tschaikowskys Ballett A und nicht The Nutcracker, denn es handelt sich um eine mögliche Tanz-Variante, die Freunde des klassischen Balletts irritieren wird, aber jugendliche Zuschauer ansprechen dürfte. 2011 gründete der Choreograf die Compagnie Malka mit Sitz in Château Rouge-Annemasse. Mit ihr kam das Ballett im Herbst 2012 zur Aufführung. Die Musik wird verfremdet von elektronischen Klängen Yvan Talbots. Die Choreografie ist ein Mix aus Hip-Hop, afrobrasilianischen Tänzen und modernem Ballett. Im Mittelpunkt steht Clara (Sonia Delbost-Henry), die sich am Weihnachtsvorabend in die Kindheit zurückträumt und ihren Prinzen trifft (roboterhaft gewandt: Rémi Autechaud). Dritter Solist ist der korpulente Hichem Sérir Abdallah als Nussknacker, der aber mit stupender körperlicher Gewandtheit und artistischer Bravour verblüfft. Die anfangs leere Bühne wird von Rodrigue Glombard bald mit bunten Geschenkschachteln gefüllt, die von den Tänzern in lustigen Kostümen (Claude Murgia) spielerisch variiert werden – aufgestapelt als Weihnachtsbaum oder gebaut als Tor zu einer magischen Welt. Eine Traumsequenz lässt Clara gar als Putze den Boden schrubben. Dann fallen zum Blumenwalzer weiße Federn vom Himmel – alles in dieser Aufführung ist geboren aus Traum und Fantasie. BH

„A Nutcracker“ Compagnie Malka, Bouba Landrille Tchouda (Arthaus Musik)

»… die Faszination wunderbarer Musik«

CD Rondeau ROP6097 Hans Leo Hassler zum 450. Geburtstag Chormusik aus dem Hohen Dom zu Mainz

CD Klanglogo KL1512 Gustav Mahlers ergreifendste Vokalwerke Thomas Laske, Verena Louis

Im Vertrieb von Naxos Deutschland www.naxos.de

CD Klanglogo KL1507 Cello con Fuoco Veronika Wilhelm, Cello solo Werke von Bach, Ligeti, Kodály

CD Klanglogo KL1508 La Dresda Galante Hofmusik aus dem augustinischen Dresden Zürcher Barockorchester, Miriam Feuersinger

Video-Trailer: rondeau.de/CD/ROP6094

CD Rondeau ROP6094 LaCappella - shimmering Sechs Damen mit wunderbaren Stimmen Musik von der Renaissance bis in die Gegenwart

Ensemble LaCappella · Foto: Alexandra Vosding


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Oper

Kent Nagano, Diana Damrau

Japanische Kinderlieder

„Aoime no ningyou“, die kleine blauäugige Puppe stammt aus Amerika und ist aus Kunststoff gefertigt. Bei ihrer Ankunft am fremden japanischen Hafen, da sind ihre Augen voll Tränen. Darum sollen sich die gutherzigen japanischen Mädchen ihrer annehmen und mit ihr behutsam und liebevoll spielen. Der Text zu diesem Kinderlied („Shoka“/ Schullieder) stammt aus dem Jahr 1921. Davon inspiriert entwickelte ein amerikanischer Missionar die Idee, Kinder aus den Vereinigten Staaten, hübsche blauäugige Puppen als Symbol der Freundschaft, nach Japan senden zu lassen. Als aber 1941 Amerika und Japan sich gegenseitig den Krieg erklärten, wurden jene Puppen zum Sinnbild für den Feind und ihre großen blauen Augen zu denen eines Spions. Hinter den hochpoetischen und doch kurzgefassten Kinderliedern verbirgt sich also eine tiefsinnige Welt, die vom Leben und Leid der japanischen Bevölkerung erzählt, von Fremden, die nach Japan kommen, oder auch von Japanern, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihr Land verlassen. Doch auch die Schönheit der Natur kommt nicht zu kurz und ist dabei immer auch eine Metapher für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Seele. Während die Texte dieser Lieder auf berühmter japanischer Literatur beruhen, orientiert sich ihr zauberhaftes Arrangement und ihr Kompositionsstil an dem westlicher Musik. Als Interpretin für diese einzigartigen Melodien konnte Kent Nagano die berühmte Sopranistin Diana Damrau gewinnen, die mit diesem Projekt erneut beweist, wie spielerisch leicht es ihr fällt, musikalische Konventionen und Grenzen scheinbar mühelos zu überwinden. Es sind vor allem Großterzschichtungen und pentatonische Skalen, die den Hörer auf eine schwerelose, impressionistische Reise jenseits aller üblichen Gemütszustände entführen. Dieses Album ist ein zeitloser Strom nostalgischer Tagträumerei, ein süßes Schweben in der Melancholie eines kollektiven Gedächtnisses einer ganzen Nation. TS

„Shoka. Japanese Children Songs“ Diana Damrau, Orchestre Symphonique de Montréal, Kent Nagano (Analekta) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: “Chin chin chidori”

Foto: Bernd Uhlig / La Monnaie

Neue Welten

Barbara Hannigan

Lulus Wut und Lust Egal, wie man zu Alban Bergs Oper Lulu steht, diese Inszenierung sollte man gesehen haben. Weil sie dem Zuschauer gnadenlos unter die Haut geht, ihn zum Voyeur macht, überwältigt und fassungslos zurücklässt – ein großer Wurf von Regisseur Krzysztof Warlikowski und perfekt umgesetzt von einem tollen Ensemble aus Sängern und Tänzern. Darüber das unter der Leitung von Paul Daniel fabelhaft musizierende Orchestre Symphonique de la Monnaie zu vergessen, wäre ungerecht. Aber zu sehr faszinieren in dieser Aufführung zwei Frauen: Die phänomenale Barbara Hannigan in der Titelrolle gibt alles. Sie singt, tanzt (auf Spitze!) und spielt gleichermaßen atemberaubend das „Prachtexemplar von Weib“ (Berg), entblößt Körper und Seele, zeigt Kraft wie Zerbrechlichkeit, Wut und Lust, macht diese Männerfantasie endlich einmal (be-)greifbar. Und dann ist da noch Rosalba Torres Guerrero mit ihrem Tanzsolo als schwarzer Schwan: der reine Wahnsinn. AR

Alban Berg: „Lulu“ Barbara Hannigan, Dietrich Henschel, Charles Workman, Natasche Petrinsky, Orchestre Symphonique de la Monnaie, Paul Daniel (Bel Air Classics)

Haydn 2032

Haydn auf Italienisch Dass man heute manchmal scherzhaft von der „hysterischen Aufführungspraxis“ spricht, wenn man eigentlich die historische meint, daran ist das Ensemble Il Giardino Armonico nicht ganz unschuldig. Immerhin hatten dessen wegweisende Vivaldi-Aufnahmen in den 1980er- und 90er-Jahren zu einem Tempo- und Intensitätsanstieg in der gesamten Alte-Musik-Szene beigetragen. Unter dem Banner „Haydn 2032“ möchte das italienische Orchester nun alle 107 Sinfonien des Komponisten bis zu dessen 300. Geburtstag im Jahr 2032 im Konzert aufführen und vom EliteLabel Alpha mitschneiden lassen. Das erste Ergebnis dieser Bemühungen umfasst die Sinfonien Nr. 1, 39 und 49. Da die Nr. 49 von der Nachwelt den Beinamen „La Passione“ verpasst bekam, hat man auch das dazugehörige Album so genannt. Die Interpretation ist – typisch für Il Giardino Armonico – ruppig, aber sehr musikalisch. Die teils extrem flotten Tempi wirken einerseits etwas barock, aber man kann sich diesem Stil andererseits auch schlecht entziehen. Dieser „italienische Haydn“ hat schon etwas für sich, auch wenn er in dieser Aufarbeitung Alte stellenweise verdächtig Musik nach Tartini klingt. RA

Haydn 2032 – „La Passione“ Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini (Alpha) 41

Sparpreis Kultur: per Bahn zur Kunst – besonders günstig!

Zum Beispiel zur Ausstellung „Pompeji“ in Hamburg oder „Degas“ in Karlsruhe. Ab 39 Euro. Bis zu vier Mitfahrer sparen je 10 Euro. Hin und zurück innerhalb von 3 Tagen. Solange der Vorrat reicht. Mehr Infos unter www.bahn.de/kultur

Die Bahn macht mobil.


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Film

Mary Wigman

Ohne vorgeschriebene Vokabeln

Foto: Arthaus

Ein von Spitzenschuh und Schnürkorsage befreiter Tanz lag Anfang des 20. Jahrhunderts in der Luft. Aber es ist doch vor allem die große Mary Wigman (1886– 1973), die, zunächst zusammen mit dem Tanz-Theoretiker Rudolf von Laban, dann ganz aus sich selbst zu einer neuen Form findet. Auf dieser DVD sprechen ehemalige Schüler über die charismatische Persönlichkeit Wigman, über ihren nicht auf Technik sondern auf Bewegungs-Wiederholung basierenden Unterricht. Und in einfühlsamem Wechsel zwischen Aussagen von Tanzexperten und Filmausschnitten bekommt sie ein immer subtileres Profil, diese eigenwillige, aus gutem Hause stammende Wigman, die Ehe und Kinder ablehnt, die aus ihrer unglücklichen Liebe zu Laban künstlerische Kraft schöpft, die unerschütterlich vor leeren Sälen ihre Soloabende gibt, bis sich doch der Erfolg einstellt, sogar in Amerika. Ohne Wigmans freies, nicht nach vorgegebenen Vokabeln, sondern nur aus innerem Erleben geschöpftes Tanzen hätte sich der zeitgenössische Tanz vielleicht nicht entwickelt. Eine sehr schöne, erhellende Dokumentation. GRA

„Mary Wigman – The Soul of Dance“ Ein Film von Norbert Busè und Christof Debler (Arthaus Musik)

Codex Gisle

Edles Gesangsbuch

Buch

Richard Strauss

Strauss in Ton, Bild und Schrift

Foto: Privatarchiv

Ein exquisites Weihnachtsgeschenk für Liebhaber alter Schätze sind die besonderen Faksimile-Drucke des Quaternio-Verlags. Der Codex Gisle, wiederentdeckt im Bistumsarchiv Osnabrück, ist ein Graduale, also ein Chorbuch für den täglichen Gesang in der Messfeier. Er stammt aus einem Zisterzienserinnenkloster nördlich von Osnabrück und wurde dort um 1300 erschaffen. Höchst ungewöhnlich ist es, dass Künstlerund Schreibernamen bekannt sind: Mit roter Tinte hat Schwester Gisela von Kerssenbrock das Graduale an mehreren Stellen mit einer anbetenden Nonne und dem Schriftzug „Gisle“ signiert. Gisela war die Sangmeisterin des Klosters, unterwies ihre Mitschwestern im Singen und war für die Herstellung der Musikhandschriften verantwortlich. Sie schuf den Buchschmuck, schrieb Texte und Noten und stiftete den Codex Gisle ihrem Konvent, wo er für rund 500 Jahre ununterbrochen in Gebrauch war. Ungewöhnlich am Codex Gisle ist auch seine ungeheure Bildervielfalt: Mit 53 Bild-Initialen übertrifft er andere Graduale um mehr als das Doppelte. Die Zierbuchstaben sind prächtig ausgestattet und zeigen die wichtigsten Stationen aus dem Leben Jesu in teilweise ungewöhnlichen Szenen. Die satte Verwendung von Gold und die sensible Zeichen- und Malkunst der Gisela machen aus den Initialen wahre Miniaturen von außerordentlicher künstlerischer Qualität. Mit diesem Faksimile-Druck in der Hand unternimmt man eine echte Zeitreise. RED

„Codex Gisle“ Das Goldene Graduale der Gisela von Kerssenbrock (Quaternio Verlag Luzern)

Auch wenn es bald dem Ende zugeht: Wir sind noch immer im Jubiläumsjahr des Komponisten Richard Strauss (150. Geburtstag). Zu diesem Anlass sortierten Barbara Wunderlich, die Tochter des Sängers Fritz Wunderlich, und Gabriele Strauss, die Schwiegertochter von Richard Strauss᾽ Sohn, einmal das gesamte Archiv des bayerischen Komponisten, um es in ein Gesamtwerk bestehend aus Buch und DVD zu packen. Das Buch basiert natürlich auf den Lebensstationen und ist vor allem geschmückt mit vielen Bildern, vor allem privaten, die zum Teil erstmalig veröffentlicht wurden. Sozusagen gratis dazu gibt es einen Dokumentarfilm, den Barbara Wunderlich vor allem im Garmischer Richard-Strauss-Wohnhaus drehte, zu Wort kommen auch die Strauss-Interpretinnen Inge Borkh und Brigitte Fassbaender. „Der Patriarch – Richard Strauss und die Seinen“ hat 130 Seiten und ist bei Arthaus erschienen. RK

„Der Patriarch – Richard Strauss und die Seinen, Barbara Wunderlich, Gabriele Strauss (Arthaus). 42

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Die Christoph-Schlüren-Kolumne

Unerhörtes & Neu Entdecktes

Vergesst die damen nicht! Wie großartig sie auch waren, die Frauen wurden in der etablierten Musikwelt bis vor wenigen Jahrzehnten stets als Exoten gehandelt. Ist von den großen Pianisten die Rede, werden zuerst Rubinstein, Horowitz oder Richter genannt, und keineswegs Clara Haskil oder Lili Kraus. Und an der Geige sind Heifetz, Milstein, ­Oistrach, Menuhin oder Isaac Stern weit mehr Menschen ein Begriff als die polnische Jüdin Ida Haendel, die diesen in nichts nachsteht. Warum? Ob Ida Haendel, die überragende Geigenlegende des 20. Jahrhunderts, am 15. Dezember 86 Jahre alt wird – wie sie selbst bezeugt – oder 90 Jahre – wie andere meinen –, spielt keine Rolle. Bis vor wenigen Jahren trat sie noch vielerorten mit ungebrochener Meisterschaft auf (man denke nur an den hinreißenden Recital-Mitschnitt mit Valentina Lisitsa), und nach wie vor gibt sie Meisterkurse, zu denen junge Geiger aus aller Welt pilgern. Ida Haendel zählt – wie Michelangeli, Weissenberg, Brengola, Perahia oder Barenboim – zu den wenigen Solisten, mit denen sich Sergiu Celibidache musikalisch sozusagen blind verstand und regelmäßig auftrat. In Prag war es vor allem Karel Ančerl, der sie mit der Tschechischen Philharmonie begleitete, und in vorliegender Box sind herausragende Mitschnitte der Konzerte von Beethoven, Sibelius und Strawinsky sowie Lalos Symphonie espagnole und Ravels Tzigane Zeugnisse dieser hochkarätigen Zusammenarbeit, dazu kommen mit Václav Smetáček Konzerte von Glasunow und Wieniawski (Nr. 2). In allen übrigen Aufführungen sekundiert der Pianist Alfred Holeček die Maestra, und da finden sich neben vielen geigerischen Kleinodien in CD-Erstveröffentlichungen die Sonaten Nr. 7-9 von Beethoven und die 2. Sonate von Bartók. Das ist wirklich phänomenales Geigenspiel von zeitloser Klasse, das die große Tradition mit unserer Zeit nahtlos verbindet. Für viele heute berühmte Solisten ist Ida Haendel prägendes Vorbild mit ihrer unglaublichen Präsenz und subtil natürlichen, von rassiger Nüchternheit getragenen leidenschaftlichen Phrasierungskunst, und ihr Format ist in einem Atemzug mit so gegensätzlichen Giganten wie David Oistrach oder Jascha Heifetz zu nennen. Ein Fest für alle Freunde großen Musizierens und phänomenaler Virtuosität. Viel unbekannter als Ida Haendel ist heute die in Budapest geborene österreichische Pianistin Lili Kraus (1905–86), die bei Großmeistern wie Bartók, Eisenber-

ger, Steuermann und Schnabel studierte und bis zum Zweiten Weltkrieg mit dem jungen polnisch-jüdischen Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Szymon Goldberg, eines der berühmtesten Duos auf den Bühnen der Welt bildete. Nach der Flucht aus Deutschland wurden beide 1943 auf Java von den Japanern gefangen genommen und lebten zwei Jahre lang unter menschenunwürdigen Bedingungen. Beide erlebten jedoch nach Kriegsende einen zweiten Frühling. Lili Kraus wurde in den USA legendär und gilt Kennern seither als führende Autorität bei Mozart, Schubert und Bartók. Nun legt Warner eine 31 CDs umfassende Anthologie von Aufnahmen der Jahre 1933–58 vor, die neben Solorepertoire auch viel Kammermusik enthält, darunter zuvorderst sämtliche Aufnahmen mit Szymon Goldberg (Sonaten von Mozart und Beethoven) – ich muss gestehen, dass ich dieses Duo für unerreicht halte in der bewussten, charakteristischen und subtilen Darstellung und selbst dem legendären Busch-Serkin-Duo vorziehe. Mitte der Fünfzigerjahre hat Kraus den gesamten Mozart und Beethoven sowie Schubert mit Willi Boskovsky, Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, aufgenommen, doch welch ein Unterschied bestand im Niveau der beiden! So sind es vor allem Lili Kraus’ Soloaufnahmen, die in ihrer Würde, Anmut, Klarheit, Makellosigkeit und bestechenden Energie über alle Zeiten hinweg als Referenz bestehen, seien es nun die kompletten Mozart-Sonaten oder Haydn, Beethoven, Brahms, Chopin, herrlich charakteristischer Bartók und ganz besonders Schubert – mit solch unerschöpflichem Zauber, inniger Integrität und fragiler Stringenz, wie sonst nur Eduard Erdmann sie zu manifestieren vermochte. Ich wüsste heute niemanden, der so tief und unprätentiös in die Welt der Klassiker eingedrungen wäre. Ida Haendel: „Prague Recordings 1957–1965“ 5 CDs (Supraphon) Lili Kraus: „The Complete Parlophone Ducretet-Thomson, Discophiles Français Recordings“ 31 CDs (Warner Classics) 43


A k u s t i k

Die neue Lust am Hören Noch nie war das Angebot an Kopfhörern so groß wie zur Herbst/Winter-Saison 2014. Die crescendo-Redaktion hat aus hunderten von Modellen die besten der verschiedenen ­Hörertypen für Sie herausgefiltert.

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er geneigte Kopfhörer-Käufer muss sich zuerst diese Frage beantworten: mobil mit dem Smartphone oder stationär an der heimischen Anlage? Klassische HiFi-Kopfhörer sind meist groß, schwer und von der kleinen Ausgangsstufe eines Smartphones wegen ihrer hohen Impedanz von 300 bis 600 Ohm kaum anzutreiben. Und sie sind meist von offener Bauweise: Was man selbst hört, hört in fast gleicher Lautstärke die Umgebung mit. Auf Reisen macht man sich damit keine Freunde ... Mobile Hörer sind leichter, zusammenfaltbar, geschlossen (damit die Umgebung nichts hört) und von ihrer Impedanz so ausgelegt (30–60 Ohm), dass sie auch am Smartphone hohe Pegel bringen. Zudem haben Mobilhörer oft eine Headset-Funktion (mit Mikro), sodass man auch telefonieren kann.

Wer viel in Flugzeug und Bahn unterwegs ist, sollte über Modelle mit Geräuschunterdrückung (Noise Cancelling) nachdenken. Diese NC-Hörer reduzieren monotone Störgeräusche fast perfekt. Immer mehr in Mode kommen auch kabellose BluetoothModelle. Wir empfehlen diese Spezies aber nur bedingt: mit Kabel klingt᾽s besser ... Die kleinsten Kopfhörer sind die In-Ears, die man direkt in den Ohrkanal steckt. Jedem dieser In-Ear-Hörer liegt ein Satz verschieden großer Anpassungs-Stöpsel bei, weil leider erst der perfekt-feste Sitz bestmöglichen Klang garantiert. Nachteil: Sie werden wegen des physischen Drucks im Ohr schneller unangenehm. Die im Folgenden vorgestellten Hörer sind IFA-Neuheiten und bewährte Klassiker, die alle eines gemeinsam haben: Es sind die besten ihrer Art.

Focal Spirit One

Das Rundum-Glücklich-Paket In der Form- und Materialsprache nüchtern, aber sehr nobel und vom Klangcharakter her schnell, fein und überragend detailreich. Der Lautsprecher-Spezialist Focal hat mit dem Spirit One den wohl besten Hörer der 300-Euro-Klasse am Markt. www.music-line.biz, Preis: 300 Euro

Beats by Dr. Dre Solo 2

Der Megaseller Nachdem Apple nun bei Beats eingestiegen ist, wurde der ursprünglichen DJ-Klang besser. Immer noch sehr bass-orientiert, aber nun mit deutlich mehr Auflösung und Feinzeichnung. Ein toller Hörer in vielen poppigen Farben und mit gutem Sitz. www.beatsbydre.com, Preis: 150 Euro.

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Dezember 2014 – Januar 2015


Harman Kardon NC

Perfekt auf Reisen Sieht sehr nobel aus, ist top-verarbeitet und klingt enorm ausdrucksstark-ausgewogen. Vor allem aber hat der Schönling eine exzellente Geräuschunterdrückung an Bord. Für lange Reisen ein Hit. www.harman-deutschland.de, Preis: 280 Euro

HiFiman HE-400i

High End für zu Hause Die neue Version des HE-400 bietet den gewohnt satten Bass dieser Familie, aber mit noch mehr Luftigkeit, Impuls- und Detailfreude. Ein vergleichsweise günstiger Super-Hörer für die schönsten Stunden zu Hause. www.sieveking-sound.de Preis: 500 Euro.

Bose QC 20

Technik-Kunststück Ein In-Ear-Hörer mit überragend guter NoiseCancelling-Funktion, angenehmem Sitz und extrem ausgewogenem, ruhigem Klang. Ein Mobilhörer, der lange Stunden Hörfreude garantiert. www.bose.de, Preis: 299 Euro.

Philips Fidelio M1BT

Ganz ohne Kabel Stax SR-009

Das Maß der Dinge Der japanische Elektrostat ist der beste Kopfhörer der Welt. Mit unvergleichbarer Transparenz, Luftigkeit und Impulswiedergabe stellt er selbst teuerste Anlagen in den Schatten. Allerdings ist er mit 5000 Euro nicht ganz billig – zumal er ja auch noch den perfekt auf ihn eingestellten Röhren-Verstärker SRM 727 II (3000 Euro) als Spannungsquelle braucht. Er ist halt in allen Belangen das Maß der Kopfhörer-Dinge ... Mehr Infos unter: www.audiotra.de

In den Höhen klingt er vielleicht etwas bedeckt, dennoch ist er über den gesamten Bereich ausgewogen und enorm langzeit-tauglich. Vor allem aber kommt er ohne Kabel aus. Unter den BluetoothKopfhörern ist der Fidelio M1BT unser Favorit. www.philips.de, Preis: 250 Euro.

Sennheiser MOMENTUM In Ear

Klein, gut, günstig Die ganze Erfahrung des Branchenprimus Sennheiser auf engstem Raum. Toller, voluminöser Klang, gute StimmAuflösung. www.sennheiser.de, Preis: 99 Euro.

Die crescendo-Benotung reicht bis maximal 5 Punkte (Kopfhörer-Icons) und bezieht sich ausschließlich auf den Klang. Die weit verbreiteten Apple-In-Ear-Hörer hätten in dieser Bewertung übrigens 0 Punkte.

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r e s o n a n z

Rätsel des klassischen alltags Was verbirgt sich hinter diesem Text? Ich bin nichts Halbes und nichts Ganzes – das sagen zumindest die Kritiker. Denn ich verkleide mich gerne: Ich nehme mir die Eigenschaften und vor allem das Gewand von anderen und bleibe dabei doch immer ein bisschen ich selbst. Wahrscheinlich bin ich ein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Denn früher, da unterschied man zwischen mir und meinen Kollegen gar nicht. Es gab nur das eine: Musik. Die Musik, die gerade gespielt wurde. Heute ist man da viel komplizierter. Da gibt es mindestens zwei Fronten: auf der einen Seite die Pop-Musik und die Rock-Musik und dieses Rumgehopse, das man Hip-Hop nennt. Das mit den bösen Gangster-Rappern. Das finden aber viele Hörer gut, wahrscheinlich bin ich viel beliebter als die andere Seite. Denn da gibt es die Menschen, die ihre Kultur noch hochhalten. Hochkultur, jawoll! Mit Oper und Konzert und ganz vielen Instrumenten auf der Bühne. Orchester und so. Eigentlich finde ich mich

meistens ganz witzig – trotzdem sagen alle immer: das sind die Ernsten! Jaja, die ernste Musik, das sind wir ... Aber ich habe eine Schwäche, ich geb᾽s ja zu. Ich mag diese Trennerei gar nicht! Mir doch egal, ob populär oder ernst, cool oder uncool. Und deswegen mach ich mein Ding: Ich nehme mir von mehreren Seiten etwas! Etwas Populäres, etwas Klassisches. Sie glauben gar nicht, wie das klingt, wenn man das mischt! So bunt und so aufregend. Denn es klingt weder wie das eine noch wie das andere. Es ist etwas vollkommen Neues. Ich nehme was von denen und gebe was von mir. Man sagt: Ich bin voll „in“! Es gibt so einen Herren, der spielt Geige und trägt Haargummis, der ist so was wie mein König. Denn er macht allen anderen vor, wie man richtig mit mir umgeht. So richtig, dass Menschenmassen in die großen Hallen strömen, um mich anzuhören. Mich, einen Mix aus diesem und jenem. Na, wer bin ich?

rätsel lösen und Weihnachts-Überraschungs-Paket gewinnen! Was ist hier gesucht? Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Rindermarkt 6, 80331 München oder per E-Mail an redaktion@crescendo.de. Unter allen richtigen ­Einsendungen verlosen­wir ein von der crescendo-Redaktion handverlesenes Weihnachts-Überraschungspaket mit CDs und DVDs. Einsendeschluss: 12. Dezember 2014. Viel Glück! Die Gewinnerin unseres letzten Alltags-Rätsels ist Liane Rusczyk aus Hüttenbach. Die richtige Lösung war „Arie“.

Reaktionen Diesmal: Ein Leserbrief und zwei schöne Impressionen vom ECHO Klassik. Betreff: Interview mit Nikolaus Harnoncourt

Betreff: ECHO Klassik 2014

Betreff: Menahem Pressler & Paavo Järvi

Liebes crescendo-Team,

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Begeisterung halte ich die aktuelle Ausgabe in Händen, vor allem das Interview mit dem Dirigenten (Nikolaus) Harnoncourt. Ich habe anscheinend zu wenige Interviews mit ihm gelesen, er ist nicht nur ein großartiger Musiker, sondern auch ein Unterhalter. Dabei war ich skeptisch bezüglich der Zusammenarbeit mit einem wie Lang Lang. Passen die überhaupt zusammen? Aber so, wie Harnoncourt das erste Treffen beschreibt und auch die Zusammenarbeit, kann man sich vorstellen, dass so etwas funktioniert. Ob ich mir das Album kaufe, weiß ich noch nicht. Bis Weihnachten ist ja noch ein wenig hin.

beim Anblick des Bildes von Paavo Järvi auf Seite 35 (Anm. d. Red.: zusammen mit Menahem Pressler) ist mir aufgefallen, dass der Dirigent dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unglaublich ähnlich sieht! Nur so als kleine Randbemerkung.

Joachim Brühne, per E-Mail.

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Helga Stein, per Postkarte

Das schönste Jubelfoto vom roten Teppich erreichte uns vom fabergé-quintett. (von links nach rechts: Peter Schmidt, Udo Potratz vom Label Es-Dur, Rodrigo Reichel mit dem fabergé-ECHO, Karola Parry mit dem ECHO von David Geringas, Sven Forsberg & Gerhard Sibbing)

Antwort der Redaktion: Liebe Frau Stein, das ist uns in der Tat auch schon aufgefallen und auch deshalb haben wir vor etwa einem Jahr die Rubrik Pas de deux (Seite 13) ins Leben gerufen. Dort wurde Paavo Järvi auch schon mal mit Wladimir Putin verglichen.

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Erleben Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen im Überblick (ab Seite 48) 24 Stunden mit der Amsterdam Sinfonietta (Seite 58). Selbstversuch: Das Liege-Konzert (Seite 60)

26. Januar, Köln, Philharmonie

Finnisches Herzstück Violinkonzert, das einzige Instrumentalkonzert des finnischen Meisters. Gespielt von Anne-Sophie Mutter, bildet es das Herzstück eines Konzerts des Danish National Symphony Orchestra in der Kölner Philharmonie mit Werken des dänischen Komponisten Carl Nielsen. Nachdem Rafael Frühbeck de Burgos im Juni 2014 verstarb, übernimmt die Leitung auf Anne-Sophie Mutters Wunsch der rumänische Dirigient Cristian Macelaru. Köln, Philharmonie, 26. 1., www.wdk-koeln.de

Foto: Harald Hoffmann/ DG

Er habe „wundervolle Themen für ein Violinkonzert“ bekommen, teilte Jean Sibelius 1902 seiner Frau Aino mit. Diese war erleichtert, dass ihr Mann nach tiefer Depression wieder neuen Lebensmut schöpfte. Janna, wie er genannt wurde, stehe die ganze Zeit in Flammen, schrieb sie an einen Freund der Familie. „Er durchwacht ganze Nächte, spielt erstaunlich schön, kann sich nicht losreißen von den zauberhaften Melodien – er hat so viele Ideen, dass es kaum glaublich ist.“ Was aus all den Ideen hervorging, war Sibelius’

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Dezember 2014 / Januar 2015

Die wichtigsten Veranstaltungen auf einen Blick Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals 1. Dezember, Ludwigshafen, BASF-Feierabendhaus

spiritueller Reichtum

26.11. Graz (A) Opernhaus Xerxes/G. F. Händel 27.11. Frankfurt/Oder Kleist Forum Schwanensee/P. Tschaikowski; Russische Staatliche Ballettakademie (Ballett) 27.11. Berlin Deutsche Oper Der Nussknacker/P. I. Tschaikowsky mit dem Staatsballett Berlin 28.11. Leipzig Oper Rachmaninow/S. Rachmaninow (Ballett) 28.11. Düsseldorf Opernhaus Düsseldorf Aida/G. Verdi 29.11. Innsbruck (A) Tiroler Landestheater Charlie Chaplin/M. Stockhausen (Ballett, UA) 29.11. Bremen Theater am Goetheplatz María de Buenos Aires/Tango Oper in 12 Bildern von Astor Piazzolla; Ltg.Rolando Garza Rodriguez, Regie: Andreas Kriegenburg 29.11. Augsburg Theater Augsburg Romeo und Julia/S. Prokofjew (Ballett) 29.11. Chemnitz Saal im Opernhaus La Cenerentola/G. Rossini 29.11. Essen Aalto-Theater Idomeneo, Rè di Creta/W. A. Mozart 29.11. Osnabrück Theater Osnabrück Der Wildschütz/A. Lortzing (Operette) 29.11. Bautzen Theater Nussknacker/P. Tschaikowski 30.11. Berlin Komische Oper Don Giovanni/W. A. Mozart 30.11. Frankfurt Opernhaus La Sonnambula/V. Bellini

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Juan Diego Flórez

Foto: Decca / Josef Gallauer

Premieren

„Ein armes Kind mit einem Musikinstrument ist nicht mehr arm.“ Der peruanische Tenor Juan Diego Flórez, der mit seiner hinreißenden Stimme das Publikum in aller Welt begeistert, ist überzeugt, dass man materielle Armut mit dem spirituellen Reichtum der Musik bekämpfen könne. 2011 rief er das Projekt „Sinfonía por el Perú“ ins Leben, um in den ärmsten Vierteln der peruanischen Städte Zentren für Chor- und Orchesterunterricht zu eröffnen. Das BASF-Kulturmanagement unterstützt das Projekt sowie das Stipendiatenprogramm der Filarmonica della Scala mit einem Benefizkonzert. Flórez singt Arien von Rossini. Seine leuchtenden Spitzentöne, das lückenlose Legato und die Schönheit der Tonbildung küren ihn zum Belcanto-Tenor par excellence. „Es ist eine besondere Gabe, dass mir dieses hohe Repertoire so leicht fällt“, sagt er. Und so darf sich das Publikum auch auf seine Cabaletta aus Donizettis Fille du régiment mit den neun hohen Cs freuen. Mit der Darbietung dieser Arie bewegte er 2007 die Besucher der Mailänder Scala sogar dazu, sich über das Da-capo-Verbot hinwegzusetzen. Sie jubelten ihm so begeistert zu, dass er die Arie wiederholen musste. Auf der Bühne in Ludwigshafen stehen mit ihm die Sopranistin Magdalena Gallo und der Tenor Dempsey Rivera aus seiner Meisterklasse sowie das von Claudio Abbado und Musikern der Scala gegründete Orchester Filarmonica della Scala unter Fabio Luisi. Ludwigshafen, BASF-Feierabendhaus, 1.12., www.basf.de/kultur

30.11. Saarbrücken Staatstheater Der fliegende Holländer/R.Wagner 3.12. Freiburg Theater “Nachts sind das Tiere“: Theaterperformance mit Texten von Juli Zeh (Theater) 4.12. Dessau AnhaltischesTheater, Grosses Haus Das Spitzentuch der Königin/ nach J. Strauß (Operette) 5.12. Wiesbaden Grosses Haus Der Barbier von Sevilla/G. Rossini 6.12. Innsbruck (A) Tiroler Landestheater Der Mann von La Mancha/M. Leigh, J. Darion & D. Wasserman (Musical) 6.12. Köln Oper am Dom Die Zauberflöte/W.A. Mozart 6.12. Duisburg Theater Duisburg Werther/J. Massenet 7.12. Annaberg-Buchholz Winterstein Theater Der Weihnachtsabend Andreas Hofer/A. Lortzing 7.12. Salzburg (A) Landestheater Im Weissen Rössl/R. Benatzky 7.12. Hamburg Staatsoper Napoli oder Der Fischer und seine Braut/A. Bournonville (Ballett) 7.12. Köln Oper am Dom La Damnation de Faust/H. Berlioz 11.12. München Reithalle Schlagobers/R. Strauss (Ballett EA) 11.12. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Giselle/A. Adam (Ballett) 13.12. München Staatsoper Paquita/M. Petipa (Ballett) 13.12. Karlsruhe Staatstheater Fantasio/J. Offenbach 13.12. Krefeld Theater Stiffelio/G. Verdi 19.12. Dresden Semperoper Königskinder/E. Humperdinck

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31. Januar

München, Nachtmusik der Moderne Kunst und Musik gehen in der Reihe „Nachtmusik der Moderne“ des Münchener Kammerorchesters eine symbiotische Verbindung ein. Unter dem Dach der 25 Meter hohen Rotunde, dem Herzstück der Münchner Pinakothek der Moderne, gestalten die Musiker mit ihrem Leiter Alexander Liebreich Porträts moderner und zeitgenössischer Komponisten. Die Nacht im Januar ist George Enescu gewidmet. Er ist einer der bedeutendsten Musiker Rumäniens. Doch im Musikleben nimmt er immer noch eine Außenseiterposition ein. Kaum eine seiner acht Sinfonien oder etwas aus der Fülle seiner Kammer- und Klaviermusiken taucht in den Konzertprogrammen auf. Zu Beginn der Nacht führt Liebreich im Gespräch mit einem Gast oder dem Komponisten selbst in die Konzerte ein. München, Pinakothek der Moderne, Rotunde, 31.1, www.m-k-o.de

Fotos: RBI Konzerte GmbH; Tiroler Festspiele Erl; Wilfried Hösl; Marek Vogel; ALEK; Ladislav Zajac; DaCapo Lehmann; B. Litjes; Martin U.K. Lengemann; Sam PR; Marco Borggreve; Matthias Mramor; Les Conte-Sujets

10. und 11. Januar

Ulrichshusen, Überraschung! Schloss Ulrichshusen in der Mecklenburgischen Seenplatte ist das romantische Zentrum der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Das 1993 wieder errichtete Renaissanceschloss inmitten eines herrlichen seenreichen Parks hat eine lange Geschichte mit zahlreichen Zerstörungen hinter sich. In der Vorweihnachtszeit finden im Rittersaal sowie im ehemaligen Pferdestall des Gutshauses Stolpe Adventskonzerte statt. Und am zweiten Januarwochenende laden der Geiger Daniel Hope und der Pianist Sebastian Knauer zu zwei Neujahrskonzerten ein – mit einem Überraschungsprogramm: Daniel Hope hat mehrere Werke im Gepäck, das Publikum darf wählen. Sie eröffnen damit das Festspieljahr 2015. Schloss Ulrichshusen, 10. und 11.1., www.festspiele-mv.de

17. Dezember bis 19. Januar

Auf Tour: Ballett-Klassiker Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts kam es durch die schicksalhafte Begegnung von Marius Petipa und Lew Iwanow mit Pjotr Iljitsch Tschaikowsky zu einem Höhepunkt der Choreographie. Kurz vor seinem Tod erhielt Tschaikowsky von Petipa, dem Tänzer und Choreographen des Mariinski-Theaters in St. Petersburg, Anweisungen für den Nussknacker: „64 Takte stimmungsvolle Musik … Funkelnde Musik von 8 Takten … Lärmende Musik. 24 Takte …“ usw. Tschaikowsky setzte den nüchternen Auftrag um in zauberhafte Melodien. Und Petipa entwarf zu der brillanten Partitur eine ebenso berückende fantasievolle Choreographie. Auch das Ballett Schwanensee nahmen Petipa und Iwanow sich 1895 noch einmal vor. Die Compagnie Bolschoi Staatsballett Belarus in Minsk, die für die Bewahrung der russischen Kultur und Tradition steht, zeigt die beiden Ballette in der klassischen Choreographie, unterstützt von Juri Trojans und Alexandra Tichomirowas Inszenierung in der Ästhetik der goldenen Epoche der Tanzkunst. Tournee, versch. Orte, 17.12. bis 11.1. (Nussknacker) und 11.12. bis 19.1. (Schwanensee), www.bolschoibelarus.com

11. Dezember

Göttingen, witzig und experimentierfreudig Sie sind witzig, experimentierfreudig und mischen mit ihrem Spiel die Alte-Musik-Szene gehörig auf. Das sechsköpfige französische Ensemble Les Contre-Sujets wurde 2010 von dem Flötisten Samuel Rotsztejn ins Leben gerufen, um eine Brücke zwischen den Künsten und den Epochen zu schlagen. Mit Werken von Georg Friedrich Händel, François Couperin, William Byrd, Jean-Bap-

19.12. Dresden Semperoper Königskinder/E. Humperdinck 19.12. Hof Theater-Hof Pariser Leben/J. Offenbach 20.12. Mainz Staatstheater Plafona Now/S. Eyal, G. Behar (Ballett) 20.12. Wien (A) Staatsoper Rigoletto/G. Verdi 20.12. Frankfurt Bockenheimer Depot L‘Incoronazione di Poppea/C. Monteverdi 20.12. Kaiserslautern Pfalztheater Boléro/S. Giannetti, M. Ravel (Ballett, UA) 20.12. Kassel Opernhaus Iphigénie en Tauride/C.W. Gluck 21.12. Berlin Komische Oper Arizona Lady/E. Kálmán (Operette) 27.12. Neustrelitz Landestheater Les pêcheurs de perles/G. Bizet 31.12. Frankfurt Oper Die Csárdásfürstin/E. Kálmán 31.12. Köln Oper am Dom Die lustige Witwe/F. Léhar 4.1. Essen Aalto-Theater Luisa Miller/G. Verdi 10.1. Frankfurt Opernhaus Owen Wingrave/B. Britten 16.1. Mainz Staatstheater Perelá/P. Dusapin (Dt. EA) 17.1. Kaiserslautern Pfalztheater Rigoletto/G. Verdi 18.1. Wiesbaden Grosses Haus Norma/V. Bellini 22.1. Magdeburg Opernhaus La Bohème/G. Puccini 23.1. Schwerin Grosses Haus Der Wildschütz/A. Lortzing 24.1. Dresden Semperoper Pelléas et Mélisande/C. Debussy 24.1. Karlsruhe Staatstheater La Bohéme/G. Puccini 24.1. Dresden Semperoper Pelléas et Mélisande/C. Debussy 24.1. Braunschweig Staatstheater My Fair Lady/F. Loewe (Musical) 25.1. Saarbrücken Staatstheater Das Kind und die Zauberdinge/M. Ravel 25.1. Kiel Theater Kiel, Opernhaus Eugen Onegin/P. Tschaikowski 26.1. München Staatsoper Lucia di Lammermoor/G. Donizetti 30.1. Bremen Theater am Goetheplatz Le Nozze di Figaro/W. A. Mozart 30.1. Dessau Anhaltisches-Theater Das Rheingold/R. Wagner 30.1. Dresden Staatsoperette Catch me if you can/M. Shaiman 30.1. Pforzheim Theater Le sacre du printemps/J. Sutherland, I. Strawinsky (Ballett) 31.1. Weimar Nationaltheater Die Räuber/G. Verdi 31.1. Chemnitz Saal im Opernhaus Otello/G. Verdi 14.2. Magedburg Opernhaus Crazy for you/G. Gershwin (Musical)

Konzerte 26.11. München AllerheiligenHofkirche in der Residenz Winterklänge der Bayerischen Philharmonie 27.11. München Prinzregententheater Münchner Kammerorchester, Ltg.: Clemens Schuldt; Steven Isserlis: H. W. Henze, C. Saint-Saëns, M.-A. Turnage, M. Ravel, W. A. Mozart 27.11. Berlin Konzerthaus Berliner Bach Akademie: Requiem/W. A. Mozart, J. S. Bach 28.11. Kassel Opernhaus Kassel Swingin‘ Chistmas/ The Pack, Patrik Ringborg (Jazz) 29.11. München Max-JosephSaal der Residenz Quartett-Zyklus; Rodin-Quartett: J. Haydn 29.11. Neubrandenburg Konzertkirche Neubrandenburger Philharmonie/Ltg. Jörg Pitschmann: Adventskonzert 29.11. Krefeld Theater Krefeld Operngala: Arien von W. A. Mozart, G. Rossini, G. Verdi, R. Wagner 29.11. München Jazzclub Unterfahrt Steve Coleman, Five Elements (Jazz) 29.11. Feuchtwangen Michaeliskirche KunstKlang/Konzertlesung „Der Großinquisitor“ mit Alina Pogostkina und Ulrich Reinthaller 30.11. Lucerne (CH) Konzertsaal Marc-André Hamelin: J. Haydn, C. Debussy, M.-A. Hamelin, F. Liszt 30.11. Mönchengladbach Theater Mönchengladbach Operngala: Arien von W. A. Mozart, G. Rossini, G. Verdi, R. Wagner 30.11. Bielefeld Theater 3. Symphoniekonzert/Ltg: Alexander Kalajdzic; Julius Berger, Stefan Hussong: L. v. Beethoven, S. A. Gubaidulina; 30.11. München Jazzclub Unterfahrt Jam Session, Ltg: Mariette Radtke (Jazz) 1.12. Erfurt Theater Neujahrskonzert: L.v. Beethoven, Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 1.12. Ludwigshafen BASF-Feierabendhaus Benefizkonzert: Filarmonica della Scala, Ltg. Fabio Luisi; Juan Diego Flórez; Magdalena Gallo; Dempsey Rivera: G. Verdi, G. Rossini u.a. 2.12. Berlin Schlossplatztheater Das klingende Haus, Erik Kross, Ulf Nolte 2.12. Hannover Amtsgericht La folle battaglia: G. Vivaldi, G. Gershwin 2.12. München Prinzregententheater Valer Sabadus/C. W. Gluck, A. Sacchini 2.12. Düsseldorf Tonhalle Tourneebeginn Denis Matsuev Klavierabende; weitere fünf Termine bis 11.12.2014 3.12. Berlin Kammermusiksaal Münchner Rundfunkorchester;

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21. Dezember, Tiroler Festspiele Erl

Foto: Peter Kitzbichler

Anfang und Ende aller Musik

Festspielhaus in Erl

„Bach ist Alpha und Omega unseres musikalischen Denkens und Ausgangspunkt einer ganzen Festspielsaison“, betont Gustav Kuhn, Dirigent sowie Gründer und Leiter der Tiroler Festspiele Erl. Er spielt damit auf Max Regers Äußerung an, der an der Wende zum 20. Jahrhundert meinte, Bach bedeute für ihn Anfang und Ende aller Musik. Kurz vor Beginn der Wintersaison präsentieren die Festspiele alle sechs Teile von Bachs Weihnachtsoratorium in einer Matinee am vierten Adventssonntag. „Das Weihnachtsoratorium ist ein Geschenk an unsere Besucher, aber auch an uns selbst“, so Kuhn, der die Aufführung am Pult des Orchesters und der Chorakademie der Festspiele leitet. Es soll als stimmungsvoller Vorbote der Winterfestspiele dienen. Von 26. Dezember bis 6. Januar gibt es dann fünf Sinfoniekonzerte, einen Liederabend und ein Konzert der Musicbanda Franui um den Trompeter und Komponisten Andreas Schett, das Robert Schumann gewidmet ist. Und mit Mozarts Così fan tutte, Beethovens Fidelio, Matthias Drievkos Oper Die Nachtigall und die Rose nach dem Märchen von Oscar Wilde über den unglücklich verliebten Studenten und Kurt Weills Die Sieben Todsünden stehen auch vier neue Operninszenierungen auf dem Festspielkalender. Erl, Festspielhaus, 21.12., www.tiroler-festspiele.at

tiste Lully und Karlheinz Stockhausen geben sie in Heidelberg den Startschuss zum Internationalen Nachwuchswettbewerb Göttinger Reihe Historischer Musik. Vier Konzerte stehen auf dem Programm. Der Wettbewerb steht unter dem Motto „Heldinnen?!“. Jury und Publikum entscheiden, wer als Sieger bei den Händel-Festspielen auftreten darf. Göttingen, Aula der Universität, 11.12., www.haendel-festspiele.de

28. Dezember

Düsseldorf, Zum broadway Anlässlich eines Aufenthalts in New York sah Giacomo Puccini das Stück Das Mädchen aus dem goldenen Westen von David Belasco. Inspiriert von dem Eindruck komponierte er seine gleichnamige Oper. Sie wurde 1910 an der Metropolitan Opera ein sensationeller Erfolg. Es war das erste Mal, dass ein europäischer Komponist eine Uraufführung in Amerika erlebte. „Von Italien bis zum Broadway“ lautet das Motto eines Konzerts der Bochumer Symphoniker unter Arkady Berin. Solisten des Abends sind die Sopranistin Nataliya Kovalova aus dem Ensemble der Deutschen Oper am Rhein und der italienische Tenor Alessandro Safina. Düsseldorf, Tonhalle, Mendelssohn-Saal, 28.12., www.tonhalle.de

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11. Dezember

Berlin, im Dunkeln Seit 2010 experimentiert Sabrina Hölzer mit Musik im lichtlosen Raum. Into the Dark hieß ihre erste Produktion, in der sie die auf Pritschen liegenden Besucher völliger Dunkelheit aussetzte, während die Musiker des Solistenensembles Kaleidoskop um sie herumgehend musizierten. In Kooperation mit den Berliner Festspielen entwickeln Sabrina Hölzer und ihr Ensemble Kaleidoskop den experimentellen Ansatz weiter. Ihr neues Projekt Now I Lay Me Down soll die Hörer, von visuellen Reizen entlastet, Teil eines musikalischen Körpers werden lassen. Berlin, Haus der Berliner Festspiele, 11.12., www.berlinerfestspiele.de

6. Dezember

Hamburg, Bach-Erinnerung Lange stand Carl Philipp Emanuel Bach im Schatten seines berühmten Vaters. Erst in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckte man wieder, was seine Zeitgenossen bereits erkannt hatten: „So reich an Empfindungen, so unerschöpflich in

Charlie Siem 4.12. Soest Stadthalle Soest Weihnachtstourneebeginn von Salut Salon (bis 20.12. an diversen Orten in D.) 5.12. Dresden Liveclub Tante Ju The Hamburg Blues Band: Maggie Bell, Miller Anderson (Jazz) 5.12. Bremen Theater am Goetheplatz La Traviata/G. Verdi 6.12. München Philharmonie am Gasteig Tribute to Billie Holiday/Cassandra Wilson (Jazz) 6.12. Hamburg Laeiszhalle Hamburger Camerata 6.12. Regensburg Stadttheater/Kammerspiele Lucia di Lammermoor/G. Donizetti 6.12. München Philharmonie am Gasteig Cassandra Wilson (Jazz) 6.12. Hamburg Laeiszhalle Festliches Weihnachtskonzert/Hamburger Camerata: C. P. E. Bach, J. S. Bach und F. Mendelssohn Bartholdy 6.12. Ludwigsburg Forum am Schlosspark Hommage an Strauss: Tanja BeckerBender; Christophorus Symphonie Orchester/Ltg. Patrick Strub 7.12. Berlin Philharmonie Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg: David Zinman; Alina Pogostkina: J. Sibelius 7.12. Bonn Beethovenhalle Peter und der Wolf, Sergej Prokofieff 7.12. Braunschweig Staatstheather Der Prophet/G. Meyerbeer 7.12. Hagen Auditorium im Kunstquartier Vier Jahreszeiten/A. Vivaldi 7.12. Karlsruhe Staatstheater Die Meistersinger von Nürnberg R. Wagner 7.12. Kassel Opernhaus Vokalensemble Carlforsska gymnasiet Västeras/Konzert zum Luciafest 7.12. Pforzheim Congress centrum Badische Philharmonie Pforzheim; Gerhard Oppitz: J. Brahms, F. Liszt, R. Strauss 7.12. Heidelberg Zwinger “Ami goes home“: Lieder zum Abzug Nina Wurman 7.-8.12. Weimar Staatskapelle Sinfoniekonzert/Ltg. Antonello Manacorda; Catherine Manoukian: J. Brahms, F. Schubert 8.12. Frankfurt Alte Oper Mikhail Pletnev: L. v. Beethoven, J. S. Bach 10.12. Frankfurt Alte Oper Bach: Weihnachtsoratorium/Windsbacher Knabenchor; Akademie für Alte Musik Berlin; Ltg. Martin Lehmann 10.12. Wien (A)

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Dezember 2014 – Januar 2015


Fotos: RBI Konzerte GmbH; Tiroler Festspiele Erl; Wilfried Hösl; Marek Vogel; ALEK; Ladislav Zajac; DaCapo Lehmann; B. Litjes; Martin U.K. Lengemann; Sam PR; Marco Borggreve; Matthias Mramor; Les Conte-Sujets

Mehr! Classic präsentiert

Volksoper Don Giovanni/W. A. Mozart 10.12. München Hubert-Burda-Saal im Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz Orchester Jakobsplatz München/Ltg. Daniel Grossmann; Raphael Wallfisch; Moshe Fishel: M. Ettinger, F. Schubert, M. Kopytman, E. Bloch, N. Sheriff 10.12. Köln artclub Kommunikation 9: Jazzimpro mit Gerhard Gschlössl, Sebastian Gramss, Michael Vatcher und Jens Düppe 11.12. Neubrandenburg Konzertkirche Neubrandenburger Philharmonie/ Ltg. Jörg Pitschmann: P.Tschaikowski, W. A. Mozart 12.12. München Künstlerhaus 2. Portraitkonzert Opernstudio der Bayerischen Staatsoper 12.12. ReGensburg Theater Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester: Der Feuervogel/I. Strawinsky 13.12. Potsdam Nikolaisaal Kammerakademie Potsdam, Ltg: Antonello Manacorda; Igor Levit, Nathan Plante: B. Barók, D. Schostakowitsch, M. Ravel 14.12. Hamburg Laeiszhalle Hamburger Philharmoniker, Ltg: Pinchas Steinberg; Boris Berezovsky: P. I. Tschaikowsky & D. Schostakowitsch 14.12. Frankfurt Alte Oper Frankfurter Opern- und Museumsorchester/Ltg. Sebastian Weigle; Artemis Quartett: A. Dvorák, L. van Beethoven, D. Schnyder (UA) 14.12. Hamburg Laeiszhalle London Philharmonic Orchestra, Ltg: Vladimir Jurowski; Sol Gabetta: D. Schostakowitsch, P. I. Tschaikowsky 15.12. Köln Philharmonie Gürzenich-Orchester Köln, Ltg: Gilbert Varga; Jean-Yves Thibaudet: S. Mackey, G. Gershwin & J. Brahms 15.12. München Herkulessaal der Residenz Mit Pauken und Trompeten/Blechbläserensemble Ludwig Güttler 15.12. Erfurt Theater Vierhändig am Klavier: Tomas und Samuel Bächli, J. Brahms, I. Strawinsky, F. Schubert 15.12. Bielefeld Theater 4. Kammerkonzert/Werke von C. P. Bach, Mitglieder der Bielefelder Philharmoniker 16.12. Bad Reichenhall Konzertrotunde im Königlichen Kurgarten Kurt Wolf: C. Debussy, H. Posegga & F. Poulenc 17.12. Berlin Maison de France Adam Golka 17.12. Hamburg Laeiszhalle Tingvall Trio, Martin Tinvall, Omar Rod-

riguez Calvo, Jürgen Spiegel (Jazz) 18.12. Halberstadt Kammerbühne Liederabend - Wagner und Wagnerianer H. Duparc, R. Wagner, M. Mussorgski 18.12. Hamburg Laeiszhalle Igor Levit: L. v. Beethoven, J. S. Bach, F. Busoni, 18.12. Hamburg Handelskammer Lunchkonzert mit C.M.v.Weber, H. Villa-Lobos 20. - 22.12. München Cuvilliéstheater Christmas on Broadway/Ltg. Andreas Kowalewitz; Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz 20.12. Bad Reichenhall Königliches Kurhaus Bad Reichenhaller Philharmonie, Ltg: Christoph Adt; Natalie Flesser, Manuel C. Adt: Philharmonischer Advent 20.12. Hamburg Hauptkirche St. Petri “Jauchzet, frohlocket“: Hamburger Bachchor St. Petri: C. P. E. Bach, J. S. Bach 21.12. Münster Konzertsaal Friedenskapelle Fidolino Kinderkonzert: Eisklänge und Schneegeläute 21.12. Erfurt Theater Expedition Wagner: Philharmonisches Orchester Erfurt/Ltg. Joana Mallwitz 21.12. Hamburg Laeiszhalle Top Dog Brass Band/ Henning Plankl, Jan Kaiser, Marc Hartmann, Matthias Peuker: Swing, Glöckchen (Jazz) 21.12. Kloster Benediktbeuren Barocksaal Altbayerischer Advent (mit BRModerator Wolfgang Binder) 22.12. Saarbrücken Congresshalle Weihnachtsoratorium/J.S. Bach 25.12. Fürth Stadttheater Sunset Boulevard/A. Lloyd Webber (Musical) 27.12. Augusburg Theater Lohengrin/R. Wagner 28.12. Düsseldorf Tonhalle Alessandro Safina mit den Bochumer Symphonikern 30.12. Bad Reichenhall Konzertrotunde im Königlichen Kurgarten Sylvia Dankesreiter, Christian Atzenhofer, L. van Beethoven & J. Brahms 31.12. München Herkulessaal der Residenz Beethovens Neunte - Freude schöner Götterfunken/Ltg. Thomas Gropper; Arcis-Vocalisten&Birnauer Kantorei - 100 Sängerinnen & Sänger; Seraphin-Ensemble: W. A. Mozart & L. v. Beethoven 31.12. Nordhausen Theater Die Banditen/J. Offenbach 31.12. Neubrandenburg Konzertkirche Neubrandenburger Philharmonie/ Ltg. Stefan Malzwe; G.F. Händel, M.A. Charpentier, G. P. Telemann, F. Liszt, G. Enescu 31.12. Hall/Tirol (A)

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GROSSES ERÖFFNUNGSKONZERT

London Symphony orcheStra Gianandrea noseda

roman Zaslavsky

LEITUNG

KLavIER

IM NEUEN MEhR! ThEaTER aM GROSSMaRKT

07. März 2015 | 20:00 UHr Roman Zaslavsky spielt Schumann & Liszt moderiert von Dietrich Mattausch

Gegensätze Geniale

K lavi e Rab e n D

LaEISZhaLLE haMbURG

PhILhaRMONIE bERLIN

15. Jan 2015 | 20:00 UHr

17. Jan 2015 | 19:00 UHr

MEISTERSINGERhaLLE NüRNbERG

aLTE OPER FRaNKFURT a. MaIN

23. Jan 2015 | 20:00 UHr

25. Jan 2015 | 20:00 UHr

GaSTEIG MüNChEN

LIEdERhaLLE STUTTGaRT

01. FEB 2015 | 19:00 UHr

11. aPr 2015 | 20:00 UHr

Tickets & Infos: www.mehr-classic.de www.eintrittskarten.de oder 01805-2001* *0,14 €/Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/Min.


e r l e b e n

neuen Modulationen, so harmonisch voll ist keiner wie dieser.“ Anlässlich der 300. Wiederkehr seines Geburtstages widmet sich die Hamburger Camerata in einem Weihnachtskonzert seinen Werken. Mit auf dem Programm stehen Kantaten des Vaters sowie die Streichersymphonie Nr. 10 von Mendelssohn Bartholdy, der dem Werk Johann Sebastian Bachs vor allem durch die Wiederaufführung der Matthäuspassion tief verbunden war. Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal, 6.12., www.hamburgercamerata.com

26., 29. Januar, 1., 5., 8., 11. Februar, München, Staatsoper

Lucia-Wahnsinn!

2014/2015

Mit einem walzerseligen Melodienzauber laden die K&K Philharmoniker und das Österreichische K&K Ballett zur Wiener Johann Strauß Konzert-Gala. 1825 gründete Johann Strauß in Wien seine Tanzkapelle. Er wurde zum Vater einer Walzerdynastie. Das Gala-Programm versammelt Glanzstücke aus dem Œuvre dieser ungemein produktiven Dynastie. Nicht fehlen dürfen dabei natürlich die Ouvertüre zur Operette Der Zigeunerbaron, der Walzer An der schönen blauen Donau und der Radetzkymarsch.

Foto: W. Hösl

Auf tournee, Walzerselig

Kirill Petrenko

Wintertournee, verschiedene Spielorte, 2014/2015, www.dacapo.at

18. Dezember

Leipzig, Gewandhausorchester „Ungeheuer gestisch, erzählerisch eloquent, charmant, dabei wunderbar beseelt“, beschrieb ein Kritiker Martin Helmchens Mozart-Interpretation. Nie habe man den Eindruck, der Pianist würde den Stücken eine bestimmte Sichtweise überstülpen. Stattdessen begebe er sich in das Zentrum eines Werkes, um von diesem Punkt aus nach Möglichkeiten der Gestaltung zu suchen. Mit Mozarts eher melancholisch gestimmtem Klavierkonzert KV491 ist Helmchen nun erneut als Mozart-Interpret zu erleben. Am Pult des Gewandhausorchesters steht Herbert Blomstedt, der von 1998 bis 2005 das Orchester leitete und heute dessen Ehrendirigent ist. Leipzig, Gewandhaus zu Leipzig, 18.12., www.gewandhaus.de

15. Januar

Hamburg, Roman Zaslavsky „Geniale Gegensätze“ wählte der Pianist Roman Zaslavsky als Motto für sein Projekt der Gegenüberstellung von Komponisten. Moderiert vom Schauspieler Dietrich Mattausch, präsentiert er Klavierstücke von Robert Schumann und Franz Liszt. Beide Komponisten hätten die musikalische Weiterentwicklung geprägt und verkörperten ihre gegensätzlichen Strömungen, betont Zaslavsky. Der persönliche Kontakt, die kritischen gegenseitigen Äußerungen und der dadurch entstandene gravierende Einfluss aufeinander sind die tragenden Elemente von Zaslavskys Gegenüberstellung. Der russisch-israelische Pianist gilt als Meister der Klaviertechnik und sensibler Gestalter von Nuancen. Sein feinfühliges und tiefgründiges Spiel beeindrucke durch eine feine Balance von Virtuosität und Klangsinn und das Auskosten der Extreme. Hamburg, Laeiszhalle, Kleiner Saal, 15.1., www.zasl.de

19. bis 21. Dezember

Schwäbisch Gmünd, Weihnachtsoratorium „Bach beherrscht die Ausdrucksmöglichkeiten in einer schier unglaublichen Weise. Dazu gehört einerseits die Kontrapunktik und andererseits die Fähigkeit, harmonisch unkonventionell zu denken. Es ist so kühn, so dissonant, so ausdrucksstark, wie es das vorher und nachher kaum gab“, schwärmt Helmuth Rilling über das Werk von Johann Sebastian Bach. Der Gründer des Bach-Collegium Stuttgart, der als erster Dirigent das komplette Vokalwerk Bachs einspielte, leitet die Internationale Chorakademie Lübeck sowie das Bach Ensemble Helmuth Rilling

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„Für mich ist das eine der schönsten Wahnsinnsszenen“, sagt Diana Damrau über Lucia di Lammermoor. Die Partie der tragisch Liebenden, die in der Hochzeitsnacht ihren ungeliebten Gatten ersticht und dem Wahnsinn verfällt, wurde zu ihrer Paraderolle. Es ist eine Partie, die mit ihren Liebesarien, Duetten und vor allem der Wahnsinnsarie Ardon gl’incesi die Kunst völliger Stimmbeherrschung verlangt. Donizetti, der der italienischen Oper im 19. Jahrhundert eine Belcanto-Epoche höchsten Glanzes bescherte, erklomm damit einen Höhepunkt des romantischen Belcanto-Repertoires. Nach seiner Uraufführung ergriff ein Lucia-Rausch den europäischen Kontinent. Die Rolle ist wie geschaffen für Diana Damrau, die derzeit als die Beste ihres Fachs gilt. Mit ihrer wundervollen Stimme, ihrer atemberaubenden Technik und ihrer ausdrucksvollen Darstellung reißt sie das Publikum zu Beifallsstürmen hin. An der Bayerischen Staatsoper steht sie mit Pavol Breslik als Edgardo und Fabio Maria Capitanucci als Enrico unter der musikalischen Leitung von Kirill Petrenko auf der Bühne. Die Inszenierung übernimmt die polnische Regisseurin Barbara Wysocka, die damit ihr Debüt an der Bayerischen Staatsoper gibt. München, Bayerische Staatsoper, 26. und 29.1. sowie 1., 5., 8. und 11.2., www.staatsoper.de bei der Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium. Als Solisten wirken die Sopranistin Carine Maree Tinney, die Altistin Lidia Vinyes Curtis, der Tenor Dominik Wortig und der Bassist Thomas Stimmel mit. Esslingen, Leonberg, Schwäbisch Gmünd, 19. bis 21.12., www.chorakademie-luebeck.de

22. bis 25. Januar

Heidelberg, Streichquartettfest Er habe schon immer seine eigene private Welt schaffen wollen, bekennt der britische Komponist Simon Holt. Mit der Musik ging dieser Wunsch in Erfüllung. Vier Tage lang bietet das Fest in Konzerten, Vorträgen und Workshops den Besuchern eine intensive Auseinandersetzung mit der Gattung Streichquartett. Man spannt nicht aus, sondern wird eingespannt. Drei Streichquartette sind zu erleben, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Während das JACK Quartet mit Aufführungen von Werken zeitgenössischer Komponisten international Beachtung findet, hat sich das Modigliani Quartett mit einer Einspielung der großen Quartette seiner Landsleute Debussy, Ravel und Saint-Saëns einen Namen gemacht. Heimatbezüge stellt das Pavel Haas Quartett mit Smetana her. Heidelberg, Alte Pädagogische Hochschule, 22.-25.1., www.streichquartettfest.de

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Sinfoniekonzert/A. Dvorák, P. Tschaikowsky 1./12./15./16.1. Neubrandenburg Klosterkirche Neujahrskonzert/Neubrandenburger Philharmonie/Ltg. Stefan Malzew; Elsa Claveria: mit Werken von A. Dvorák, E. Chausson, G. Enescu, P. Tschaikowski und andere

26.11. Live Royal Opera house Donizetti: L’elisir d’amore 13.12. Live Metropolitan Opera Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg 13.12. Live Royal Opera House Wheeler: Alices Abenteuer im Wunderland (Ballett) 17.1. Live Metropolitan Opera Lehár: Die lustige Witwe 29.1. Live Royal Opera house Giordano: Andrea Chénier 31.1. Live Metropolitan Opera Offenbach: Les Contes d‘Hoffmann

Festivals - 29.11. Berlin Haus der Kulturen der Welt Festiwalla 2014: No Justice- No peace! Widerstand dem Krieg. Jugendtheaterfestival - 30.11. Luxembourg (L) Philharmonie „Switch the light on“ rainy days 2014 - 30.11. Luzern (CH) Lucerne Festival am Piano - 31.12. München Tollwood Winterfestival - 6.1. Erl (A) Tiroler Festspiele Erl Wintersaison -25.1. Köln Die Heiligen Drei Könige 28.11. - 25.1. Bad Elster & Bad Brambach Winterkulturfestival in Bad Elster & Bad Brambach 2. - 7.12. Salzburg (A) Dialoge 19.12. - 10. 1. Bad Kissingen Kissinger Winterzauber 21.12. Braunschweig Soli Deo Gloria-Braunschweig 21. - 27. 12. Baden-Baden Mariinsky-Ballett St. Petersburg, 22. 1. - 1.2. Salzburg (A) Mozartwoche 2015 10. - 24.1. Valetta (MT) Valletta Int. Baroque Festiva 24. - 25.1. Göttingen 12. Göttinger Fernwehfestival Über weitere 200 Festival-Infos und termine im Festspiel-Guide 2014/15! Diese große Vorschau ist im 15. Jahrgang erschienen – als PrintMagazin sowie online auf www.festspielguide.de und als Festspiel-Guide-App!

DAS MÄDCHEN MIT DEM PERLENOHRGEHÄNGE 18. JANUAR um 17 Uhr

REMBRANDT

22. FEBRUAR um 17 Uhr

VINCENT VAN GOGH 19. APRIL um 17 Uhr

DIE IMPRESSIONISTEN 31. MAI um 17 Uhr EINE REISE ZU DEN GRÖSSTEN KUNSTWERKEN UND DURCH DIE BERÜHMTESTEN AUSSTELLUNGEN DER WELT

Mehr Infos und Tickets unter www.UCI-KINOWELT.de oder über die UCI App.

ForumUsh_Creszendo_07_Nov_Dez_2014_90x61_Layout 1 23.07.14 11:20 Seite Johannes Vermeer, Girl with a pearl earring c.1665, Royal Picture Gallery Mauritshuis

KULTUR IN UNTERSCHLEISSHEIM

S P I E L Z E I T 2 014 / 2 01 5

Klassik im Kino

Große Kunst auf großer Kinoleinwand

Freitag, 12. Dezember, 20 Uhr

DAS SCHOKOLADENKONZERT CHRISTINE ROMMEL

FORUM UNTERSCHLEISSHEIM

Fotos: RBI Konzerte GmbH; Tiroler Festspiele Erl; Wilfried Hösl; Marek Vogel; ALEK; Ladislav Zajac; DaCapo Lehmann; B. Litjes; Martin U.K. Lengemann; Sam PR; Marco Borggreve; Matthias Mramor; Les Conte-Sujets

Barocker Stadtsaal Silvester still feiern/Ltg. Guillermo Pérez; Tasto Solo; Viva Biancaluna Biffi: G. Binchois, G. Dufay, J. Ciconia 6.1. Frankfurt Opernhaus Liederabend/Eliza van den Heever; Vlad Iftinca: G. F. Händel, R. Schumann, J. Brahms u.a. 8.1. Dessau Anhaltisches-Theater Anhaltische Philharmonie, Ltg: Antony Hermus; Anne Queffélec: Starke Frauen; A. Thomas, W. A. Mozart, N. Rimski-Korsakow 8.1. Berlin Philharmonie Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg: Sir Roger Norrington; Annemarie Moorcroft: F. Schubert, B. Britten & R. Vaughan Williams 9.1. Dresden Semperoper Sächsische Staatskapelle Dresden, Ltg: Daniele Gatti; Arcadi Volodos: P. I. Tschaikowsky & D. Schostakowitsch 11.1. Hamburg Laeiszhalle Hamburger Philharmoniker, Ltg: Bertrand de Billy; Pinchas Zukerman: L. van Beethoven 12.1. Köln Philharmonie Gürzenich-Orchester Köln, Ltg: James Gaffigan; Kirril Gerstein: R. Schumann, R. Strauss & C. M. von Weber 14.1. Flensburg Deutsches Haus Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester: J. Haydn, G. Enescu, C. Franck, M. Ravel 16.1. Frankfurt Alte Oper hr-Sinfonieorchester, Ltg. Julian Kuerti; Yuan Li: M. Ravel, T. Dun & N. RimskijKorsakow 16.1. Wasserburg am Inn GroSSer Rathaussaal Wasserburger Rathauskonzerte 17.1. Stuttgart Neues Schloss Verdi-Nacht, von „La Traviata“ bis ­„Aida“/Dorothee Koch; Emilio Ruggerio; Adam Kim; Stellario Fagone 17.1. Neubeuern Festsaal Schloss Neubeuern Jerusalem Quartet: J. Haydn, L. Janácek, B. Smetana 18.1. Landsberg am Lech Historisches Rathaus Liederabend/Maximilian Schmitt; Gerold Huber: L. v. Beethoven, R. Schumann, R. Strauss 23.1. Heilbronn Theater Don Pasquale/G. Donizetti 23.1. Rosenheim Kultur+Kongress Zentrum Soyoung Yoon und das tschechische Nationalsymphonieorchester/Ltg. Heiko Mathias Förster: W. A. Mozart, J. Brahms, A. Dvorák 23.1. Hof Theater Schwanensee/P. Tschaikowski (Ballett) 24.1. Essen Aalto-Theater Die Entführung aus dem Serail/ W. A. Mozart 24.1. München Schloss Nymphenburg/Hubertussaal Wiener Operetten Gala/Ltg. Andreas Kowalewitz; Laura Faig; Richard Resch; Torsten Frisch 30.1. Halberstadt Theater

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Sonntag, 21. Dezember, 19 Uhr WEIHNACHTSKONZERT MÜNCHNER KAMMERPHILHARMONIE Freitag, 2. Januar 2015, 19 Uhr ZAR UND ZIMMERMANN Komische Oper Bürgerhaus Unterschleißheim Rathausplatz 1 [direkt an der S1 Haltestelle Unterschleißheim] Karten: 089/310 09 200 oder 089/54 81 81 81 tickets.forum@ush.bayern.de www.forum-unterschleissheim.de www.muenchenticket.de

T H E R O YA L B A L L E T

Wheeldons zauberhafte Ballettproduktion live auf der großen Kinoleinwand Nur am 16. Dezember um 20.15 Uhr aus dem Royal Opera House London Mehr Infos und Tickets unter www.UCI-KINOWELT.de oder die UCI App.

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e r l e b e n

Margarita Oganesjan, Rebekka Hartmann und Markus Maier

Tai Murray

Winterzauber in Bad Kissingen

Künstlermix im königlichen Kurort Wie ein bunter Geschenkeberg: der Kissinger Winterzauber lockt im Dezember und Januar mit vielfältigen musikalischen Überraschungen. Von Julia Hartel Das unterfränkische Bad Kissingen ist Deutschlands bekanntestes das der 2013 mit dem ECHO Klassik geehrte Tubist Andreas MarHeilbad – der erste Kurgast, so wissen es die Chronisten der Stadt, tin Hofmeir gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester bereiste es schon im Jahr 1520. Doch auch zwei international eta- des Landestheaters Coburg im Max-Littmann-Saal des Regentenblierte Festivalreihen sind inzwischen eng mit ihrem Namen ver- baus gestalten wird. Hofmeir, der als erster Tubist überhaupt die bunden: zum einen der seit drei Jahrzehnten stattfindende „Kis- ECHO-Auszeichnung „Instrumentalist des Jahres“ erhielt, kann singer Sommer“, zum anderen der „Kissinger Winterzauber“, der als leibhaftiger Vertreter des Crossover-Gedankens angesehen aktuell – von Mitte Dezember bis Mitte Januar und auch bereits werden: Einerseits Mitglied der derzeit überaus erfolgreichen Popzum 16. Mal – wieder eine große Zahl musikbegeisterter Besucher Band „LaBrassBanda“, ist der 35-Jährige andererseits auch als Professor am Salzburger Mozarteum tätig und gibt weltweit Meisterin die stimmungsvolle Saalestadt lockt. „Verzaubern lassen“ können sich hier Klassik-Fans ebenso kurse. Beim Kissinger Winterzauber ist er mit Werken der skanwie Pop- und Jazzbegeisterte; die Veranstalter setzen bei der Pro- dinavischen Komponisten Hugo Alfvén und Jean Sibelius sowie grammgestaltung nämlich nicht nur auf qualitativ hochwertigste mit dem eigens von Jörg Duda für ihn komponierten Tubakonzert Unterhaltung, sondern auch auf eine möglichst große stilistische Nr. 1 op. 67,1 zu erleben. Weitab vom musikalischen Mainstream bewegen sich auch Bandbreite der Beiträge. Konzerte von Klassik-Stars neben innovativen Crossover-Konzepten, beliebte Pop-Bands neben Newco- die vier Cellisten Lukas Dreyer, Matthias Trück, Tim Ströble und mern – indem der Kissinger Winterzauber bewusst mit der Zeit Hartwig Christ, die gemeinsam das Ensemble „quattrocelli“ bilgeht und auch Spannendes aus den Bereichen der Unterhaltungs- den und bereits auf mehrere erfolgreiche Tourneen bis in die USA und nach Asien zurückblicken können. Das musik bietet, ergibt sich an den verschiedenen Kissinger Winterzauber Repertoire, aus dem sich ihre unterhaltsaattraktiven Spielorten ein kreatives, abwechs19. Dezember 2014 – 10. Januar 2015 men Programme zusammensetzen, umfasst lungsreiches Veranstaltungsmosaik, das sich Informationen und Kartenservice: klassische Werke sowie Jazz und Latin; im auch im bunt durchmischten Publikum widerTel.: +49 (0) 971 80 48-444 Bad Kissinger Kurtheater präsentieren sie spiegelt. Fax: +49 (0) 971 80 48-445 am 27.12. unter dem Motto „the quattrocelli Einen großen Namen präsentiert die kissingen-ticket@badkissingen.de scenes“ berühmte Film-Soundtracks: Aus der Reihe schon beim Eröffnungskonzert am 20.12., www.kissingerwinterzauber.de 54

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60. Bl./54 Fotos/farbig/€ 22,–/ISBN 978-3-0347-8015-5

Ob Beethoven oder Britten, Mahler oder Messiaen – was bedeutete ihnen die Natur? Der Wochenkalender für alle, die Musik lieben.

Till Brönner

Singer Pur

Interpretation so populärer Stücke wie Mission Impossible, Psycho, Pirates of the Caribbean, oder Star Wars wird sich hier in Kombination mit szenischen und visuellen Elementen eine eigene Geschichte entspinnen. Auch auf ein Werk des weltberühmten Filmkomponisten Lalo Schifrin, das dieser dem Ensemble eigens auf den Leib geschrieben hat, dürfen sich die Besucher freuen. Die überraschende Kombination von Violine, Klavier und Baritonsaxophon macht den Reiz des Konzerts von Margarita Oganesjan, Rebekka Hartmann und Markus Maier aus, das am 28.12. im Rossini-Saal des Arkadenbaus stattfinden wird. Unter dem Titel „Easy Listening – Tough Playing“ werden die drei Musiker die klanglichen Möglichkeiten ihrer besonderen Besetzung ausloten, beispielsweise in ihrer Version der Rhapsody in Blue von George Gershwin. Mit Till Brönner findet sich ein weiterer Star-Bläser im Konzertkalender des Kissinger Winterzaubers, auch er ein außergewöhnlicher ECHO-Preisträger und hochgeachteter Virtuose – allerdings auf der Trompete. Gleich mehrfach und in verschiedenen Kategorien mit dem ECHO geehrt, ist er der breiteren Öffentlichkeit auch aus dem Fernsehen bekannt: So wirkte er zweimal als Jurymitglied und Mentor in der Castingshow „X Factor“ mit. Zum Kissinger Winterzauber, wo er am 2.1. im Max-Littmann-Saal zu Gast sein wird, bringt er auch noch vier Kollegen mit: Als „Till Brönner Quintett“ werden die Musiker ihr Publikum in das groovige Jam-Feeling des 60er- und 70er-Jahre-Jazz mitnehmen. Noch viele weitere Highlights im Veranstaltungsprogramm ließen sich hervorheben – eines davon wird sicherlich der Auftritt des Damenensembles „Eklipse“ am 7.1. im Kurtheater darstellen: In scheinbar konventioneller Streichquartettbesetzung und doch vollkommen unkonventionell im Auftreten, wecken die vier Virtuosinnen die Neugier auf ihre faszinierenden Neuinterpretationen von Welthits wie Where The Wild Roses Grow und Titanium. Und schließlich sei noch das Abschlusskonzert genannt, bei dem am 10.1. im Max-Littmann-Saal das Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag unter der Leitung von Gerd Schaller Werke von Smetana, Tschaikowsky und Dvořák zur Aufführung bringen wird. n

30 JAHRE

Fotos: Kissinger Winterzauber; Julia Wesely; Markus Amon; Christine Schneider; Andreas Bitesnich

Musiker & die Natur

ARCHE

MUSIK KALENDER 2015 Musiker & die Natur

www.arche-kalender-verlag.com

ARCHE KALENDER T H E R O YA L O P E R A

Die Neuproduktion mit Jonas Kaufmann live auf der großen Kinoleinwand Nur am 29. Januar um 20.15 Uhr aus dem Royal Opera House London Mehr Infos und Tickets unter www.UCI-KINOWELT.de oder die UCI App.

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Igor Levit Mozarts Kantate Davide penitente in der szenischen Umsetzung von Bartabas.

Mozart, Schubert, Carter und ein Pferdeballett Die Salzburger Mozartwoche 2015 beleuchtet alle Facetten Mozarts, um das Zeitlose und Zeitgemäße seiner Musik zu begreifen und zu erleben. Von Angelik a R ahm

Pferde in der Felsenreitschule – das klingt eigentlich selbstver- erkennbar liebevoll und ideenreich das Festival rund um Mozarts ständlich und ist doch ein spektakuläres Projekt der Mozartwo- Geburtstag. Beide schwärmen von der kaum zu kategorisierenche 2015: Der französische „Pferde-Choreograph“ Bartabas über- den Kunst Bartabas’: „Pferde und Menschen, Musik, Bewegung, nimmt mit seinem Team der Académie équestre de Versailles die Licht und Kostüme verbindet er zu poetischen Gesamtkunstwerszenische Umsetzung von Mozarts Kantate Davide penitente und ken.“ Und weil für die Musik die Gesangssolisten Christiane Karg, erinnert damit an die ursprüngliche Funktion dieses über 300 Marianne Crebassa und Stanislas de Barbeyrac, der Salzburger Jahre alten Spielorts – als fürsterzbischöfliche Sommerreitschule. Bachchor sowie Les Musiciens de Louvre sorgen, versprechen die „Es wird eine Mischung aus abstrakter Dressur und einem Ein- drei Vorstellungen (22., 25., 30.01.), zu Höhepunkten einer spannenden Mozartwoche 2015 zu werden. gehen auf die Musik werden. Und ich werde Mozartwoche 2015 Deren Orchester-, Kammer- und Solisbeim Dirigieren dazwischen stehen“, verrät 22. Januar bis 1. Februar 2015 tenkonzerte, Diskussionen, Künstlergespräche der Künstlerische Leiter der Mozartwoche Informationen und Kartenservice: und Filmvorführungen ergänzen sich zu einem Marc Minkowski, selbst ein passionierter ReiTel.: +43-(0)662-87 31 54 beziehungsreichen Bogen, der sich von Mozart ter. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer und Fax: +43-(0)662-87 44 54 über Franz Schubert zum 2012 verstorbenen Künstlerischen Leiter der Stiftung Mozarteum tickets@mozarteum.at Amerikaner Elliott Carter spannt und Gemeinwww.mozarteum.at Salzburg, Matthias Schulz, programmierte er 56

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Dezember 2014 – Januar 2015


Fotos: Agathe Poupeney / PhotoScene; Werner Kmetitsch; Marco Borggreve (2); Steven Haberland; Florence Grandidier

Von links oben nach rechts unten: Thomas Hengelbrock, Kristian Bezuidenhout, Nikolaus Harnoncourt, Christine Karg und Andrés Orozco-Estrada.

samkeiten wie Alleinstellungsmerkmale aufzeigt. Etwa wenn in einem von drei Konzerten der Wiener Philharmoniker die sinfonischen Erstlingswerke der drei Komponisten erklingen (28.01.), geleitet von Andrés Orozco-Estrada. Seit seinem von der Presse als „Wunder von Wien“ gefeierten Einspringen bei den Wiener Festwochen 2004 konnte der 37-Jährige Kolumbianer eine beeindruckende internationale Karriere starten und wird mittlerweile auch als Rattle-Nachfolger für Berlin gehandelt. Bei den beiden anderen philharmonischen Konzerten stehen Th ­ omas Hengelbrock (31.01.) bzw. Nikolaus Harnoncourt (24.01.) am Pult und reihen sich so in den Reigen der acht am Zyklus aller Schubert-Sinfonien beteiligten Dirigenten ein. Harnoncourt erweist dabei nicht nur Mozart und Schubert seine Reverenz, sondern auch dem im Juli dieses Jahres verstorbenen Kollegen Lorin Maazel, indem er dessen Konzert übernimmt und seinem Gedenken widmet. Neben Schuberts sinfonischem Schaffen setzen seine Kammermusik und mit Alfonso und Estrella sogar eine seiner selten gespielten Opern einen Schwerpunkt der Mozartwoche. Das erst lange nach Schuberts Tod von keinem geringeren als Franz Liszt 1854 in Weimar aus der Taufe gehobenen Werk erklingt in konzertanter Aufführung (23.01.) Ein Umstand, der die notorisch beklagten dramaturgischen Schwächen des Stücks in den Hintergrund rückt. Das fördere die Konzentration auf die Musik, gibt sich Dirigent Antonello Manacorda überzeugt. Ihn begeistert die „melodische Erfindungsgabe“ Schuberts und die Aussicht auf die Arbeit mit dem Mozarteumorchester Salzburg und einer erlesenen S­ ängerriege – Mojca Erdmann (Estrella), Toby Spence (Alfonso), Markus Werba,

Michael Nagy und Alastair Miles. Dass bei allem Opernenthusiasmus Schuberts reiches Liedschaffen (und das sehr viel weniger umfangreiche von Mozart) nicht zu kurz kommt, dafür sorgt an zwei Abenden die großartige Liedgestalterin C ­ hristiane Karg, zusammen mit Malcolm Martineau am F ­ lügel (28.01.) bzw. Florian Birsak am historischen Hammerflügel in Mozarts Wohnhaus (31.01.) „Der Punkt, wo sich Mozart mit Carter trifft, ist ihre unglaublich lebendige und menschliche Musik“, findet Pianist Pierre-­ Laurent Aimard. Den Beweis dafür tritt er in einem Kammerkonzert mit Musikern des Chamber Orchestra of Europe an, das u. a. Mozarts wunderbares Es-Dur-Quintett KV 452 für Klavier und Bläser mit Carters Quintett in derselben Besetzung kombiniert (29.01.). Wenig später setzt er Mozarts zwei letzten Klavierkonzerten KV 537 und KV 595 die beiden letzten Kompositionen Carters, Instances für Kammerorchester und das Klaviertrio Epigrams, entgegen (01.02.). Ganz auf Mozarts Schaffen konzentriert, teilen sich Kristian Bezuidenhout und Fazil Say den Zyklus der Klaviersonaten, während sich das Hagen Quartett den zehn großen Streichquartetten in chronologischer Reihenfolge widmet. Wie schon in den letzten beiden Jahren gehört das Finale dem Mozart Kinderorchester, zu dem sich für Schuberts populäre Deutsche Messe der Kinderchor des Wiener Kultur- und Sozialprojekts Superar gesellen wird (01.02.). Doch bereits zu Mozarts 259. Geburtstag darf der Nachwuchs auf das Podium: Das kubanische Jugendorchester des von der Stiftung Mozarteum Salzburg unterstützen Lyceum Mozartiano de La Habana gibt am 27. Januar mit zwei Konzerten sein Europa-Debüt. n 57


Fotos: Katharina Knees; Carode Jonge

e r l e b e n

Die Amsterdam Sinfonietta bei der Aufnahme, Solistin Janine Jansen nach dem Konzert: „Nur der Dirigent fehlt.“

Eine Tüte Süssigkeiten für die Aufnahme Zwei Tage durften wir die Musiker des Kammerorchesters Amsterdam Sinfonietta begleiten. Neben Schokolade gab es auch außergewöhnliche Musik. Von K atherina Knees Freitag, 17 Uhr, vor der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden. Die Musiker trudeln ein – junge, bunt gekleidete Leute mit Zöpfen und braun gebrannten, nackten Füßen in Birkenstocksandalen, mit Kleidersäcken über den Armen und Instrumentenkästen auf dem Rücken. Musiker der Amsterdam Sinfonietta. Dazu ein Herr, dessen Namen man sich buchstabieren lassen muss: Orchestermanager Stijn Verstraete, sehr sympathisch mit einem verschmitzten Funkeln in den blauen Augen. Was fehlt, ist der Dirigent. Das ist so gewollt, und es ist auch irgendwie das Erfolgsrezept der Amsterdam Sinfonietta. Bei der Einspielprobe müssen keine Stühle gerückt werden, denn die Musiker des niederländischen Kammerorchesters spielen im Stehen. Bergs Klaviersonate op. 1 in h-Moll in einem Arrangement für Streicher und Beethovens Streichquartett op. 95 in der Version von Gustav Mahler sind auf dem Programm. Als Solistin erscheint Janine Jansen. Sie spielt Vivaldis Vier Jahreszeiten, am Cembalo sitzt dabei ihr Bruder David. Am Ende der Einspielprobe überreicht die Künstlerische Leiterin und Erste Geigerin Candida Thompson der gerührten Solistin ein Geschenk des Orchesters. Und dann ist es auch schon Zeit für den Auftritt. Insgesamt 23 Bögen wirbeln an diesem Abend virtuos über 92 gestimmte Saiten, die Balance ist dabei ausgezeichnet. Janine Jansen interpretiert das oft gehörte Werk von Antonio Vivaldi als Solistin des Abends mit fliegenden Haaren und einer faszinierenden Intensität, David Jansen verströmt am Cembalo mit angenehm sparsamen Gesten aufmerksamen musikalischen Erzählwillen. Das Publikum ist entzückt und die Musiker sind am Ende völlig verschwitzt, denn auf der Bühne war es schrecklich warm. „Das war der heißeste Win58

ter von Vivaldi, den ich je gespielt habe“, sagt Janine Jansen lachend. Nach dem Konzert steigen die Musiker ohne weitere Umwege in den großen schwarzen Doppeldeckerbus, denn es steht nun noch eine Nachtfahrt von Emden nach Amsterdam auf dem Programm. Im Vergleich mit wilden Jugendorchestererinnerungen geht es auf der Busfahrt sehr gemäßigt zu. Hier und da wird zwar zischend eine Bierdose geöffnet, doch die meisten Musiker lehnen sich einfach gemütlich zurück und schließen ein bisschen die Augen. Eine Frauenrunde unterhält sich angeregt über die Geburten ihrer Kinder. Der ungarische Cellist Örs Köszeghy beißt in eine Banane. Er hat später in Amsterdam noch eine 30-minütige Radtour vor sich – um 2 Uhr nachts, mit dem Cello auf dem Rücken. „Musikeralltag“ sagt er. Samstag, 13 Uhr, Leiden. Am Samstagmittag treffen sich alle im Stadsgehoorzaal am Aalmarkt von Leiden. Der Kontrabassist Servaas Jessen sitzt als Erster auf der Bühne und spielt sich warm. Er ist ganz frisch im Orchester und freut sich auf die erste Aufnahme mit seinen neuen Kollegen. Aufgeregt ist er auch, denn das Spielen unter Aufnahmebedingungen empfindet er als eine große Herausforderung. Erst vor Kurzem hat Servaas Jessen die 5. Sinfonie von Prokofiev mit dem Holländischen Rundfunkorchester aufgenommen. „Und ich habe es echt gehasst!“, sagt er grinsend. „Aber da war es anders, da hatten wir nur eine Probe und haben dann direkt aufgenommen. Das war dann ein echter Krampf und hatte nicht viel mit Musik machen zu tun.“ Doch mit der Amsterdam Sinfonietta ist es anders. Alban Bergs Sonate op. 1 und Erich Wolfgang Korngolds Lento Religioso haben die Musiker bereits in einigen Konzerten aufgeführt, bevor www.crescendo.de

Dezember 2014 – Januar 2015


es nun für die Ewigkeit festgehalten wird. Im Orchester herrscht ein unübersehbarer Frauenüberschuss, es spielen nur sieben Männer mit. „Ich weiß jetzt schon eine Menge über Kinder“, sagt der junge Bassist und lacht. „Es sind so viele Mütter im Orchester, ich habe schon eine ziemlich gute Vorstellung davon bekommen, was ich mal für ein Vater sein will.“ Auch hinter dem zweiten Kontrabass steht eine junge Frau. Ying Lai Green hat viel Charme und einen wunderbaren warmen Sound. Sie ist 34, hat in London studiert und ist frisch verheiratet. Es ist ihre zweite Saison mit der Amsterdam Sinfonietta. Für sie lebt das Musikerdasein allerdings von der Abwechslung. Sie genieße es, in einem kleinen Kammerorchester am Kontrabass so eine exponierte Rolle zu haben, doch genauso groß ist ihre Leidenschaft für das Brausen eines großen Sinfonieorchesters. Der Saal füllt sich, die Konzentration steigt, die Aufnahme wird gestartet. Bergs umarrangierte Klaviersonate beginnt mit einem fragilen Einsatz der Ersten Geigerin Candida Thompson. Die Musiker müssen Gefühl für die Aufnahmesituation entwickeln. Die australische Geigerin Karen Segal spielt bereits seit 24 Jahren in der Amsterdam Sinfonietta. Sie liebt es, dass in ihrem Orchester eigentlich nie Routine aufkommt, hatte sie vorher erzählt. „Es ist immer frisch, durch die unkonventionelle demokratische Arbeitsweise und das außergewöhnliche Repertoire.“ Nach einer Stunde gibt es dann eine erste Pause, die Musiker schütteln ihre Arme aus, lassen die Schultern kreisen und versammeln sich zum gemeinsamen Durchhören im Studioraum des Tonmeisters. Jared Sacks ist der Direktor, Produzent und Tonmeister des Labels „Channel Classics“ und sieht aus wie der italienische Schauspieler Roberto Benigni. Zehn Aufnahmen hat er bereits mit der Amsterdam Sinfonietta gemacht. In der Pause reicht er mir dicke Kopfhörer und lässt mich die bereits fertige Mischung der allerneusten CD anhören. Argentinische Musik stand da auf dem Programm. Piazzolla, Golijov und Ginastera – rhythmische, bittersüße, sehnsuchtsvolle Klänge. Was für ein Kontrast zur BergSonate des heutigen Aufnahmetages. Die Amsterdam Sinfonietta hat offensichtlich viele Gesichter und ein weites Repertoire. Neben Jared Sacks sitzt während der Aufnahme Willem de Bordes zwischen den Kopfhörern und Kabeln. Gemeinsam mit der Geigerin Candida Thompson entwickelt Willem de Bordes die Programme für die Amsterdam Sinfonietta. „Wir versuchen immer ungewöhnliche Stücke einzubeziehen und wirklich künstlerisch anspruchsvolle Programme zu entwickeln“, erzählt er mir. „Das Ensemble liebt Herausforderungen. Und der Berg ist ein fantastisches Stück für Streichorchester. Es ist wie eine kleine Verklärte Nacht.“ Orchestermanager Stijn Verstraete hat für die Musiker inzwischen zwei gigantische Tüten mit bunten Süßigkeiten besorgt: Nervennahrung mit Kirmesflair. Lakritzkauend erzählt der Bratschist Florent Bremond, dass er die Aufnahmesituation sehr mag. „Man kann noch einmal ganz neu in die Musik eintauchen“, sagt er. „Und man lernt die Stücke noch einmal völlig neu kennen. Es ist, wie wenn man mit einem Freund in den Urlaub fährt.“ n

die CD der Amsterdam Sinfonietta Astor Piazzolla ist ein Urgestein argentinischer Tangokompositionskunst, Alberto Ginastera gilt als der bedeutendste argentinische Komponist des 20. Jahrhunderts. Candida Thompson geigt an der Solovioline förmlich um ihr Leben. Das Album versprüht eine wunderbare sinnliche Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen kann!

30. MÄRZ - 12. APRIL

OSTERFESTIVAL IN AIX-EN-PROVENCE

DER BESONDERE MUSIKALISCHE TERMIN IN HERZEN DER PROVENCE MARTHA ARGERICH • GIDON KREMER • SCOTTISH CHAMBER ORCHESTRA ROBIN TICCIATI • MENAHEM PRESSLER • ENGLISH BAROQUE SOLOISTS SIR JOHN ELIOT GARDINER • QUATUOR MODIGLIANI GABRIELI CONSORT • PAUL MCCREESH • ORCHESTRE NATIONAL DU CAPITOLE DE TOULOUSE • TUGAN SOKHIEV • MAXIM VENGEROV GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER • JONATHAN NOTT VLADIMIR ASHKENAZY • MARIA JOÃO PIRES • PHILIPPE JAROUSSKY ANDREAS OTTENSAMER • QUATUOR ÉBÈNE KHATIA BUNIATISHVILI • KRYSTIAN ZIMERMAN • GIANANDREA NOSEDA RENAUD CAPUÇON • KATIA ET MARIELLE LABÈQUE INFORMATION & VORVERKAUF

„The Argentinian Album“ Amsterdam Sinfonietta, Candida Thompson (Channel Classics)

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+33 44 42 91 69 69 vivacitas.fr - Martha Argerich © Caroline Doutre

C R É D I T M U T U E L- C I C- G R U P P E G R Ü N D U N G S PA R T N E R


e r l e b e n

Nur Liegen ist schöner Die Pianisten Sandra und Jeroen van Veen entwickelten das Konzept des ligconcert, bei dem das Publikum den Klängen von Einaudi, Satie oder Pärt auf mitgebrachten Matratzen liegend zuhört. Unsere Autorin legte sich in der Philharmonie Haarlem dazu. Von sina kleinedler

Foto: Frits van den Assem

Stellen Sie sich vor, Sie liegen in Musik hier in Holland“, bemerkt einem Konzertsaal, eine weiche Matte Jeroen. Auch aus New York und Berschützt Sie vor der Kälte des eleganlin gibt es schon Anfragen. ten dunkelbraunen Parketts. Wenn Für viele junge Menschen sind Sie die Augen öffnen und an die die Liegekonzerte eine tolle GelegenDecke blicken, sehen Sie prunkvolle heit, in die Philharmonie zu gehen. Kronleuchter, umrahmt von kleinen Die van Veens erhoffen sich in diesem Stuckverzierungen, und Scheinwerfer, Rahmen mit ihrem Programm aus die die Szenerie in ein warmes gelbbedeutenden Werken der Minimal orangenes Licht tauchen. Ihre Fersen Music eine Brücke zur klassischen berühren den Boden, und Sie spüMusik zu bauen. Andersherum war ren die leichten Vibrationen der beies zunächst schwierig, das etwas konden Flügel, die geöffnet in der Mitte servativere Publikum davon zu überdes riesigen Saals stehen. Die Klänge zeugen, sich im Konzertsaal nicht wie des unglaublich wunderbaren Stücks gewohnt auf einen der nummerierten, Gymnopédie Nr. 1 des französischen gepolsterten Stühle zu setzen. Komponisten Erik Satie füllen den Die Leute, die am Abend die Raum, schweben über Sie hinweg und Haarlemer Philharmonie besuchen, direkt in Sie hinein. sehen aus als würden sie an den Ein solches Konzerterlebnis bieStrand, in den Campingurlaub oder ten Sandra Mol und Jeroen van Veen zum Mädelsabend gehen: Unzählige ihrem Publikum schon seit einigen Plastiktüten mit Isomatten, Kissen Liegen und Hören: Das Setting des Ligconcerts. Jahren. Gemeinsam haben sie sich und Decken baumeln an den Armen auf den musikalischen Minimalismus der Konzertbesucher, Freundinnen, spezialisiert – wie etwa die Werke von Satie, der seine Kompositio- Ehepaare, frisch Verliebte, Singles. Alle bereiten sich auf das Konnen selbst als „Möbelmusik“ bezeichnete, eine Musik, die so natürlich zert vor, aber nicht mit Sekt und fachsimpelnden Gesprächen, sonim Raum stehen sollte wie Sofa und Sessel. Das holländische Pianis- dern mit dem Aufblasen von Luftmatratzen. Ein Herr hat es sich tenpaar lernte sich bereits 1987 während des Studiums am Utrech- bereits in einem der von der Philharmonie aufgestellten Liegestühle ter Konservatorium kennen – beim gemeinsamen Improvisieren bequem gemacht und schießt ein Selfie. Prompt bittet ihn eine am Klavier. Zunächst spielten sie nur privat zusammen, bald darauf andere Dame doch auch noch ein Foto von ihr zu machen, sie legt als „pianoduo Sandra & Jeroen van Veen“ auch in ersten öffentlichen sich auf ihr Kuschelkissen und schließt breit grinsend die Augen. Es Konzerten. Damals saß ihr Publikum noch brav in den Stuhlreihen. wirkt wie eine große Übernachtungsparty, wären da nicht die KronDie außergewöhnliche Idee zu den ligconcerten stammt von leuchter an der Decke und die zwei unter ihrem Licht glänzenden Jeroen van Veen. Seine Mutter, ebenfalls Pianistin, unterrichtete Steinway-Konzertflügel. Als die van Veens erscheinen, ganz in Weiß regelmäßig zuhause. Als Kind legte er sich unter den Flügel und gekleidet, wird das Licht gedimmt und ein Soundscape, eine von hörte einfach zu. „Da unten klingt alles ganz anders! Viel dumpfer – Jeroen komponierte Klanglandschaft, eingespielt. Dann beginnt das und natürlich spürt man die Schwingungen im ganzen Körper, das erste Stück: Für Alina von Arvo Pärt. Die beiden Künstler spielen war ein tolles Gefühl“, erinnert er sich. Dieses Erlebnis wollte der ohne große Gestik, ganz konzentriert und klar. Sie sind sehr offenPianist und Komponist mit seinem Publikum teilen und die Musik sichtlich ein eingespieltes Team. Ein paar Konzertbesucher trauen so einmal auf ganz andere Art und Weise erfahrbar machen. Tat- sich erst nach und nach im Liegen weiterzuhören, andere fühlen sächlich gab es auch im Konzert schon Zuhörer, die sich direkt unter sich scheinbar schon so wohl wie im eigenen Wohnzimmer. Über einen der beiden Flügel legen wollten. Da jedoch nicht das gesamte den ersten Balkon ragen bald zwei Fußpaare. Von Stück zu Stück Publikum unter die beiden Resonanzkörper passt, spielen Sandra wechselt das Licht und verändert mit intensiven Farben die ganze und Jeroen van Veen nicht auf der Bühne, sondern mitten im Saal, Atmosphäre. dort, wo sich sonst die Stühle aneinanderreihen. Man muss kein Yogi sein, um bald ganz in seiner Matte zu verEin ligconcert bedeutet also viel Aufwand für ein Konzerthaus. sinken. Auch das Umblättern der Noten stört nicht, auf den PulAlle Stuhlreihen müssen ausgebaut, zwischengelagert und schließten stehen iPads, geblättert wird per Fußpedal. lich wieder eingebaut werden. Trotzdem ist es den Organisatoren Nur einmal stehen die Zuhörer wieder auf – nach die Mühe wert: Das Klavierduo lockt so viele junge Konzertbesudem Schlussakkord, um dem Duo angemessen zu cher an wie sonst kaum eine Veranstaltung. Sogar im Amsterdamer applaudieren. Concertgebouw wurden ihretwegen schon alle Sitze aus dem Saal Arvo Pärt „Für Anna Maria“ Jeroen van Veen (Brilliant Classics) verbannt – „und das ist so etwas wie der Tempel der klassischen 60

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gesellschaft Schwerpunkt Musik & Heilung: Vera Brandes über die medizinische Wirkung von Musik (Seite 62) Axel Brüggemann über die kranke Erwartungshaltung des Publikums (Seite 70)

Lär m Klassik in Zahlen

Schalldruckpegel von Orchestermusikern Schlagzeuger………………………………………………………………………… 93 dB Blechbläser……………………………………………………………………………… 93 dB Geige, Bratsche…………………………………………………………………… 89 dB Cello, Bass ……………………………………………………………………………… 87 dB

109 dB Stimmlage Bass…………………………………………………………………… 87 dB Stimmlage Alt…………………………………………………………………

Zum Vergleich Rasenmäher…………………………………………………………………………… 70 dB Porsche 911 GT3 (500PS)*……………………………………………… 86 dB *bei Tempo 160 km/h im Innenraum

Foto: ebraxas/Fotolia.com

Presslufthammer………………………………………………………………… 80 dB

Quellen: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA).

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Musik, das Heilmittel Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt und statt mit einem Rezept in der Hand kommen Sie mit einem Kopfhörer auf dem Kopf aus der Praxis und mit einer genauen Verordnung, wie Ihr musikalisches Heilmittel anzuwenden ist. Mit dieser Vision startete vor über zehn Jahren ein Team von Wissenschaftlern an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das Forschungsprogramm für Musikmedizin. Dank der Ergebnisse einer Reihe von Studien könnte aus der Vision jetzt Wirklichkeit werden. Vera Brandes berichtet, wie es dazu kam.

1787 veröffentlichte Ernst Florens Friedrich Chladni, der wie Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1756 geboren wurde, seine ersten wegweisenden Erkenntnisse darüber, dass auf mit Sand bestreuten dünnen Platten Linien und Muster entstehen, wenn man diese in Schwingungen versetzt, in dem man mit einem Bogen über die Plattenkante streicht, als sei sie die Saite eines Instruments. Die so entstehenden Gebilde werden nach ihm als Chladnische Klangfiguren bezeichnet. Später erkannte Chladni, dass die Schall- und Klanglehre nicht im Rahmen einer Lehre von Luft, sondern in einer Lehre von den periodischen Schwingungen elastischer Körper abzuhandeln sei. Bis in die Gegenwart werden seine Erkenntnisse beim Geigenbau, bei der Hochfrequenztechnik und der Konzertsaalarchitektur verwendet. Mit Hilfe der Physik kann die Wirkung der Musik auf den Menschen nicht nur untersucht werden, sie ermöglicht dank Chladnis Ideen und den von seinen Entdeckungen inspirierten Wissenschaftlern auch, das Phänomen der formgebenden und strukturschaffenden Kraft, die Klang und Schall auf Materie ausübt, sichtbar zu machen. Zur Formulierung unserer Gedanken bedienen wir uns der Sprache. Sprache umfasst aber nur einen relativ engen Bereich des hörbaren Frequenzspektrums; sie ist quasi ein Sonderfall der Musik. Musik verdichtet und verkürzt. Musik hat gegenüber Sprache den Vorteil, in viel weniger Zeit, auf vielen Ebenen gleichzeitig – und dabei von hochspezifischen Emotionen inspiriert – hochdifferenzierte Inhalte bzw. Vorstellungen oder Abstraktionen von Inhalten zu transportieren. Ein Klang kann so unter Umständen mehr vermitteln, als mit tausend Worten beschrieben werden kann. Musik kann aber auch mit unserer Zeitempfindung spielen, sie dehnen, einen Augeblick unendlich erscheinen lassen und uns verdeutlichen, wie elastisch Zeit in Wirklichkeit ist. Zudem strukturiert Musik Zeit und verändert unser Empfinden der Wirklichkeit und lässt niemanden unberührt, auch dann, wenn sich ihr Einfluss unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Hörers vollzieht. Manche Menschen spüren, dass Musik unserem Bewusstsein sogar das Gefühl einer Kommunikation mit Ebenen der Realität vermitteln kann, die man nur ahnen und erfühlen, aber 62

in der Musik wahrnehmen kann, ohne durch die Schranken des Verstandes begrenzt zu sein. Dies sind keine neuen Sichtweisen, schon Platon formulierte: „Die musikalische Ausbildung ist ein einflussreicheres Instrument als alles andere, weil Rhythmus und Harmonie ihren Weg zu den inneren Ohren der Seele finden, die sie machtvoll in Besitz nehmen, denen sie Anmut verleihen und die Seele dessen, der in richtiger Weise ausgebildet ist, anmutig werden lassen.“ Seit in der modernen medizinischen Forschung immer deutlicher wird, dass der seelische Anteil an der Entstehung von körperlichen Störungen und Krankheiten viel größer ist, als ursprünglich angenommen, wird auch zunehmend offensichtlich, dass die Wirkungen von Musik auf die Psyche zur Verbesserung der Befindlichkeit von Patienten einen entscheidenen Beitrag leisten können. Schon 1924 taucht in der medizinischen Forschungsliteratur der Begriff „Melotherapie“ erstmals auf; seitdem wurden über 17.000 Studien zu Wirkungsaspekten von Musik allein in englischsprachigen medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass sich weltweit bereits mehr als 100.000 Forscher aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen mit dem Thema befasst haben, wobei die Methoden, mit denen die Wirkung von Musik untersucht wurden und werden, sehr vielfältig sind. Der Austausch der Forschungsergebnisse wird unter Wissenschaftlern lebhaft betrieben. Überall auf der Welt veranstalten die verschiedenen Fachgesellschaften Konferenzen, die mitunter mehr als 1000 Teilnehmer anziehen. Auch Musiker hat die neue Wissenschaft der Musikwirkungsforschung fasziniert. Schon in den 1960er-Jahren stellte Herbert von Karajan erste Untersuchungen zur Verfügung, deren Ergebnisse 1988 in Music Perception erstmals veröffentlicht wurden. Während er dirigierte, wurden Puls, Atmung und EKG gemessen, je nach Partitur traten verschieden starke Schwankungen auf, am stärksten waren sie beim Partiturlesen. Karajan, so wird in Salzburg kolportiert, wollte vor allem herausfinden, was genau dazu geführte hatte, dass eine Reihe bekannter Dirigenten auf der Bühne den Dirigententod starben. Berliner Karajanfreunde beschafften die Mittel und 1968 konnte www.crescendo.de

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Meinen Kollegen fällt eine Stabilisierung des emotionalen Gleichgewichtes auf und ein zunehmendes Selbstvertrauen. Die Audiokur hat mich sehr unterstützt, nach vielen Monaten der Abwesenheit wieder im Berufsalltag zu bestehen. Final bemerkte ich eine grundsätzlich ruhigere, gelassenere Vorgangsweise an mir. wesentliche Verbesserung der nervlichen Belastbarkeit Meine Wahrnehmung veränderte sich zum Positiven. Habe wieder zu sehr intensivem Schlaf gefunden. habe wirklich entspannen können. Jetzt habe ich nur noch gelegentlich Einschlafschwierigkeiten - nur noch, wenn ich eine besonders stressreiche Woche in der Arbeit hatte, oder ein besonders belastendes Ereignis stattgefunden hat. Früher hatte ich die Einschlafschwierigkeiten täglich. Die Musik macht mich so fröhlich. Ich bin viel positiver und optimistischer geworden. Es ist schön zu leben. Ich bin in der Arbeit jetzt nicht mehr so stressanfällig. Ich bin entspannter. Ich habe jetzt viel mehr Lebensmut. Die Musik ist so entspannend. Ich habe gelernt mich bewusster zu entspannen. Seit der Audiotherapie fühle ich mich emotional beständiger, fröhlicher und ausgeglichener. Wenn auf mich Probleme zukommen, gehe ich damit jetzt viel gelassener um, kann mich besser davon distanzieren. Seitdem ich mit der Musiktherapie begonnen habe bin ich viel Kommunikationsfreudiger. Ich kann jetzt besser auf Menschen zugehen. Ich habe endlich gelernt mir meine Auszeiten fix einzuplanen und Arbeit und Freizeit zu trennen. Früher habe ich auch an den Wochenenden gearbeitet. Jetzt kommt für mich die Lebensqualität zuerst, dann erst die Arbeit. In der Früh fühle ich mich jetzt viel besser ausgeschlafen, spüre morgens ein Wohlgefühl. Wenn ich das Musikprogramm am Morgen noch im Bett liegend höre, fühle mich frischer und wohler. Ich habe das Gefühl dieses Wohlgefühl überträgt sich auch auf meine Mitmenschen. Früher ist es mir schwer gefallen Dinge anzugehen und aktiv zu sein. Es war mir egal, wenn das Haus nicht aufgeräumt war. Mein Ordnungsempfinden war gestört. Ich habe jetzt alles besser unter Kontrolle, habe mehr Energie aufzuräumen. Jetzt freue ich mich darüber, dass alles sauber und ordentlich ist. Ich bin jetzt viel ruhiger, gelassener und ausgeglichener. Ich habe das Gefühl meine Stressresistenz ist besser geworden. Ich hatte gelernt immer alles Unangenehme zu ertragen. Das hat sich seit der Audiothera63 pie sehr verändert. Ich erlaube mir jetzt auch öfter einmal NEIN zu sagen. Mein Schlaf hat sich deutlich


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„Die Anwendung hat sich vor allem in der Behandlung von Depression, Erschöpfungs- und Angstzuständen, bei Schlafstörungen und chronischen Rückenschmerzen bewährt.“

Halberg, schon 1959 bei einem Verin Berlin die „Herbert von Karajansuch mit Labormäusen gezeigt. Die Stiftung“ zur Förderung der wissenÜberreizung des Nervensystems mit schaftlichen Erforschung bewussten Krach führte er mit zwölf Stunden musikalischen Empfindens gegründet Abstand durch, einmal um Mitterwerden. Von Prof. Harrer wurde 1969 nacht und das andere Mal um zwölf am Psychologischen Institut der UniUhr mittags – mit dem Ergebnis, versität Salzburg ein Forschungsinsdass in einem Fall 74 Prozent der titut der Karajan-Stiftung für experiVersuchstiere frühzeitig starben und mentelle Musikpsychologie eingerichVera Brandes im anderen Fall 75 Prozent überlebtet, das Symposien im Anschluss an ten. die Osterfestspiele veranstaltet. Ein halbes Jahrhundert später wies Eric Kandel, der 2000 den Seit Ende der 50er Jahre wird untersucht, wie das Gehirn Musik verarbeitet. Der Wiener Neurophysiologe Prof. Dr. Hellmuth Nobelpreis für Medizin erhielt, nach, dass Mäuse mithilfe eines Petsche konnte mithilfe des EEG nachweisen, dass bei der Beschäf- akustischen Signals so trainiert werden können, dass sie auch unter tigung mit Musik die elektrische Kooperation zwischen verschie- großem Stress ein stabiles Verhalten zeigten. Damit war deutlich, denen Hirnregionen bedeutend zunimmt, und zwar viel mehr als dass Art, Beschaffenheit und Zeitpunkt der akustischen Informabei anderen geistigen Leistungen wie etwa Lesen, Kopfrechnen oder tion ihre Wirkung bestimmen. Für unser Team an der Paracelsus Medizinischen PrivatuniSimultanübersetzen. Seit Anfang der 90er-Jahre kamen moderne Methoden der Hirnforschung zur Anwendung, z.B. die funktionelle versität Salzburg lag der Schwerpunkt darin, die geeigneten akusMagnetresonanztomographie, die gezeigt hat, dass die Aktivierung tischen „Medikamente“ zu entwickeln und ihre Wirkung bei einer der Gehirnareale vor allem vom assoziativen Kontext abhängig ist, großen Zahl von Probanden zu testen. Dabei konnten wir auf die den die Musik auslöst. Da auch die Psychomotorik beeinflusst wird, Ergebnisse von Grundlagenstudien zurückgreifen, die bereits in kann man von einem psychophysischen Doppeleffekt sprechen. Vor den Jahren davor erarbeitet worden waren. Angeregt durch die Stuallem Musizieren löst eine großflächige Aktivierung von Gehir- dien zum Mozart-Effekt war mit Beginn der 2000er Jahre dank der narealen aus. Mithilfe der bildgebenden Verfahren (Neuroima- österreichischen Universitätsreformen am bis dahin als Konservatoging) konnte ein Netzwerk von Verbindungen von linker und rech- rium fungierenden Mozarteum in Salzburg unter einem neuen Rekter Gehirnhälfte dargestellt werden. Ferner zeigten sich funktionale tor eine neue Ära der Musikwirkungsforschung eingeläutet worden. und anatomische Unterschiede zwischen Musikern und Nichtmusi- Mit Forschungsmethoden, die für das Monitoring der russischen kern, zum Beispiel ein größeres linksseitiges Planum temporale bei Mir-Kosmonauten entwickelt worden waren und DatenanalyseMenschen mit absolutem Gehör, eine deutlich größere Rindenre- verfahren des Instituts für Stressforschung an der Charité Berlin präsentation der Fingermotorik bei Geigern und eine Volumenver- konnte nachgewiesen werden, unter welchen Bedingungen sich der größerung des Corpus callosum (Balken), der Verbindung zwischen menschliche Organismus mit den biologisch relevanten akustischen Signalen aus der Musik synchronisiert. Für das optimale Funktioden Hirnhälften bei Musikern. nieren unseres Körpers und unseres Gehirns ist ein ausDie bemerkenswerteste Beobachtung dabei war geglichenes vegetatives Nervensystem von entscheijedoch die, dass die intensive Vorstellung von Musik dender Bedeutung. Mit der richtigen Anwendung bei einem passiven Hörer die selben Gehirnareale der hierfür speziell entwickelten Musikaufnahin fast gleichem Ausmaß aktiviert, wie die tatmen kann der Ausgleich zwischen der Aktisächliche Ausübung bei einem aktiven Musivitität des Parasympathikus und des Sympaker. Das erklärte nicht nur, warum mentales thikus gelingen. Durch ihre antagonistische Training grundsätzlich funktioniert, sonermöglichen diese beiden Anteile dern wies auch den Weg zu einem neuen Kl ang Th er a pi e Wirkung des vegetativen Nervensystems eine feine Verständnis in der therapeutischen AnwenSteuerung der Organe. Die Wirksamkeit der dung von Musik. auf der Grundlage dieser Erkenntnisse entDabei sind für die Musikmedizin die wickelten neuen Methoden wurde in einer Auswirkungen auf die vegetativen Funktionen Reihe von Studien nachgewiesen. Die Anwenwie Herzschlag, Puls, Blutdruck, Atmung und dung hat sich vor allem in der Behandlung von Hauttemperatur beim Hören von Musik von groDepressionen, Erschöpfungs- und Angstzuständen, ßer Bedeutung. Untersuchungen vegetativer Reaktiobei Schlafstörungen und chronischen Rückenschmernen auf Musik lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Herophilos stellte schon 296 v. Chr. Zusammenhänge zwischen zen bewährt. Sie wird aber auch zur Stressprophylaxe und zur Leisder wahrgenommenen Musik und dem Pulsschlag fest. Vegetative tungssteigerung von Spitzensportlern verwendet. Inzwischen ist die Veränderungen (Puls- und Herzrate, Atmungsfrequenz, Durch- neue Methode patentiert und wurde dank Förderungen u.a. durch blutungsgrad, Psychogalvanischer Hautreflex, Lidschlag, Muskel- die Stadt Wien zu einem Verfahren verfeinert, das Ärzten und spannung, etc.) wurden im Zusammenhang mit der emotionalen Betroffenen zur Verfügung steht. Dabei hört der Behandelte eigens und körperlichen Wirkung von Musik intensiv untersucht. Dass hierfür neu komponierte und eingespielte Musikwerke auf einem Musik nicht nur positive Wirkungen haben kann, ist bekannt. Sie eigens für die therapeutische Anwendung entwickelten Player. Da wird sogar als Folterinstrument eingesetzt. Schon der chinesische es bei dem Verfahren besonders auf die Qualität der MusikwiePolizeiminister Ming-Ti soll im 3. Jahrhundert v. Chr. angeordnet dergabe ankommt, die mit herkömmlichen Geräten nicht erreicht haben, einen verurteilten Verbrecher mit Flötenspielen, Trommeln wird, werden die therapeutischen Musikprogramme ausschließlich auf speziellen Musikplayern angeboten. und Lärm so lange zu quälen, bis er tot zu Boden sank. n Dass zuviel Krach keinem Menschen gut tun kann, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Wie sehr aber die AuswirDie Autorin Vera Brandes ist seit 2004 Leiterin des Forschungskung von Lärm vom Zeitpunkt der akustischen (Über-)Stimula- programms für Musikmedizin an der Paracelsus Medizinische Privattion abhängig ist, hatte der Bergünder der Chronobiologie, Franz universität in Salzburg. Informationen auch unter www.sanoson.at 64

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Die Schwester Sie ist die Quotenfrau im Kanon klassischer Musik und die Urmutter aller Anhänger klösterlicher Heilkunst: Hildegard von Bingen. Sie als Musikerin zu fassen, gelingt aber nur, wenn wir unsere durch das 19. Jahrhundert geprägte Sichtweise auf Komponist und Werk beiseite legen. Eine Annäherung.

Um einen Zugang zu Hildegard von Bingens Werk zu finden, muss man sich zumindest auf die metaphorische Idee einer Harmonie zwischen Gott und der Welt als Seelenharmonie einlassen. Schärft man hierfür seinen Blick, erkennt man, dass zu Hildegard von Bingens Zeiten Musik viel eher ein Vehikel zur Transzendenz war, in deren Fokus die Spiegelung einer allumfassenden Kosmogonie und ein Schwerpunkt auf der sensiblen, nach innen gerichteten Sinneswahrnehmung lag – dem Hören. Ihr musikalisches Werk stellt also keinesfalls die romantische Absicht individueller, schöpferischer Eigenleistung dar. Hildegard von Bingen wurde im Jahr 1098 auf Burg Sponheim bei Bermersheim als jüngstes von zehn Kindern geboren. Als zehntes Kind stand ihr die klösterliche Laufbahn bevor. Im Benediktinerkloster zu Disibodenberg wurde die junge Hildegard von der Reklusin Jutta von Sponheim und dem Mönch Volmar erzogen und unterrichtet. Nach Juttas Tod wurde Hildegard zur Leiterin der inzwischen enorm angewachsenen Frauenklause gewählt, und Volmar stand ihr als helfende Hand bei der systematischen Niederschrift ihrer Visionen bei. Es gelang ihr, nach Überwindung zahlreicher Widerstände, als erste Frau überhaupt ein vom Konvent unabhängiges Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen zu gründen. Später folgte sogar die Gründung eines Tochterklosters auf der gegenüberliegenden Rheinseite bei Eibingen. Als Hildegard von Bingen im Jahre 1179 verstirbt, hinterlässt sie siebenundsiebzig gesammelte Gesänge, den Ordo Virtutum, ein liturgisches Singspiel, drei ausladende Visionswerke und mehrere umfangreiche medizinische Schriften über das innere Wesen verschiedener Kreaturen und Pflanzen sowie über die Ursachen und die Heilung von Krankheiten. Im Gegensatz zu den anonym überlieferten Gesängen ihrer Zeitgenossen zeichnen sich Hildegard von Bingens Gesänge vor allem durch ihren vergleichsweise großen Tonumfang und einer damit verbundenen Erweiterung des harmonischen Materials aus. Hildegard von Bingen hatte erkannt, dass Musik, neben Wachzustand und Schlaf, ein geheimer Schlüssel zu einem dritten Bewusstseinszustand, nämlich dem der Trance sein kann. Die starke Verankerung im Glauben und die Offenheit für das Metaphysische ermöglichten Hildegards Zeitgenossen und im besonderen Maße ihr selbst, Musik als eine autosuggestive Entspannungstechnik zu nutzen, die es ihr erlaubte, den Organismus des menschlichen Körpers bei Heilungsprozessen positiv zu beeinflussen. Der streng getaktete Alltag der Nonnen war in einen festen liturgischen Ablauf aus Gesängen und Gebeten gebettet. Dies

hatte zur Folge, dass das Ausüben und Rezipieren von Musik auf der Grundlage eines sehr naturverbundenen Biorhythmus basierte – vergleichbar mit den heutigen Achtsamkeitsübungen in der Psychotherapie oder der buddhistischen Meditationspraxis. Heute weiß man, dass im Tiefschlaf oder auch im Zustand tiefer Entspannung das menschliche Gehirn im sogenannten Alpha-Zustand schwingt – beide Gehirnhälften arbeiten dabei gleichberechtigt. Zahlreiche Studien haben Hildegard von Bingens Theorie, dass Musik den Organismus heile und beruhige, bereits belegt, denn tatsächlich erreicht der menschliche Körper jene Alphawelle am leichtesten, wenn sich seine Funktionsrhythmen dem Fluss ruhiger Musik anpassen. Im Mittelalter des 12. Jahrhunderts war man in den Kreisen Gelehrter der Ansicht, dass nicht nur der menschliche Körper, sondern sogar der gesamte Kosmos von einer klingenden Ordnung durchdrungen ist. Das gesamte Weltall mit all seinen Gestirnen sei nach einem wohlgestalteten Plan bestimmter Proportionen geschaffen und erklinge auf seinen Bahnen in ebenso wohlgestalteter Harmonie. Schon in der griechischen Antike spricht Platon davon, dass die Seele des Menschen nach einer göttlichen Anordnung von Zahlen erschaffen sei und sich in der Musik ihre Sehnsucht nach einer ursprünglichen göttlichen Ordnung offenbare. Mit der Weiterentwicklung dieser Idee transzendierte Hildegard von Bingen nun die Musik zum Ausdruck des Göttlichen – zum heiligen Funken in uns. Man stellt also staunend fest, dass das hier beschriebene Weltbild, auf heutige Erkenntnisse übertragen, analog mit der Entdeckung der irrationalen Kreiszahl Pi, der Entdeckung des Goldenen Schnittes in der Natur, der Architektur sowie in der Obertonreihe der Akustik oder als Prinzip der Proportion im Instrumentenbau einhergeht. Im Gegensatz zur visuellen Wahrnehmung spielt sich das Hören in einer vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt ab und ist aufgrund der Flüchtigkeit des Schalls abhängig von einer starken Fähigkeit zur Konzentration und Imagination. Da unser Gehör aber vor allem auch Sprache aufnimmt, ist es den anderen kommunikativen Sinnen deutlich überlegen. Im Phänomen der Musik begegnet uns somit ein Zahlenspiel par excellence. Musik als eine durch den Menschen gestaltete Ordnung naturgegebener Klänge – die Umschreibung ersehnter Transzendenz. Schon Gottfried Wilhelm Leibniz bezeichnete die Musik als die verborgene Rechenkunst des Gemüts, die sich seines Zählens nicht bewusst sei, und so ist es nicht verwunderlich, dass über Jahrhunderte hinweg das Philosophieren über Musik dem praktischen Musizieren gegenüber Vorrang hatte. Thomas Schöberl n 65


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Mehr Haltung! In München bringt ein Physiotherapeut Musiker aller Instrumentengattungen buchstäblich ins Wanken und verbessert damit ihr Spiel grundlegend. Schmerzen sind wie weggeblasen, Musikprofessoren sind begeistert. Innerhalb von Augenblicken verändert sich alles. Also stellten wir unter anderem die Frage: Wie machen Sie das, Karl-Josef Maria Funke?

Fotos: zeegaro

von Rainer Aschemeier

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Links: Flötistin Serena Aimo wird von Physiotherapeut Funke zurechtgerückt, Pianistin Ottavia Maceratini lernt ihre Körperhaltung (oben).

crescendo: Herr Funke, Sie sind Physiotherapeut, was erst einmal nicht zwingend mit Musik zu tun hat. Wie sind Sie darauf gekommen, dass die Körperhaltung von Musikern Einfluss auf den Klang ihres Spiels hat? Karl-Josef Maria Funke: Im Jahr 2001 war es eine Beobachtung bei einer musizierenden Freundin, die mich auf das Thema gebracht hat. Es war sehr eindrucksvoll zu sehen, dass sie physiotherapeutisch betrachtet eine sehr kontrollierte Haltung hatte. In der Folge habe ich immer wieder Musiker behandelt, die aus unterschiedlichen Gründen Schmerzen hatten. Dabei habe ich beobachtet, dass die Schmerzen in der normalen Spielhaltung zwar auftraten, wenn

Dabei denkt man als Laie doch, wenn jemand auf einem wackeligen Brett steht, hat er alles andere als gutes Musizieren im Sinn. Das ist ja das Spannende! Neurophysiologisch ist das aber gut zu verstehen, denn Gleichgewichts- und Haltungskontrolle werden unabhängig von Gesang bzw. Instrumentalspiel reguliert. Das ist wie beim Autofahren: Ich kann problemlos dabei reden und mich orientieren. Ähnlich ist es in der Gleichgewichtssituation bei Musikern: Da läuft die Gleichgewichtsregulation unabhängig vom Spielen ab. Es ist sogar so, dass die koordinative Anforderung, das Balancieren und das Musizieren miteinander in Einklang zu bringen, den Klang verbessert. Die Wachheit ist erhöht und es laufen mehrere rhythmische Prozesse ab. So ist eine Koordination von Herz- und Atemfrequenz wahrscheinlich. Es wäre interessant zu untersuchen, inwieweit auch hormonelle Prozesse beeinflusst werden, wie etwa die Ausschüttung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure. Aber das ist bislang noch kaum erforscht. Auf der Bühne wird man sich kaum an Solisten auf dem Gleichgewichtsbrett gewöhnen wollen. Ist die verbesserte Körperhaltung erlernbar, damit sie auch ohne Hilfsmittel wieder abrufbar ist? Ja, aber das lässt sich nicht so schnell machen. Wie muss ich mich strecken? Was machen die Schultern? Kopf- und Augenkontrolle sind wichtig. Auch die Bein- und Fußstellung sind von enormer Bedeutung. Viele Musizierende haben Senk- und Spreizfüße, stehen sozusagen im nicht kontrakten Plattfuß. Und das kann man hören! Es fehlt die Spannung im Körper. Unter dem Gleichgewichtsreiz wird Körperspannung reflektorisch aufgebaut, das geht wie von selbst. Spannend ist es, wenn die Professoren zu den Studierenden plötzlich sagen: Jetzt spielst oder singst Du, wie Du es sollst! Das passiert innerhalb von Augenblicken! Wenn die Musizierenden dann wieder normal stehen oder sitzen, leite ich sie an, wie sie die Körperspannung, die sie in der Balance automatisch hatten, bewusst erzeugen. Von den Füßen über das Becken über die Wirbelsäule zum Kopf und zu den Schulterblättern gebe ich Instruktionen, um Spannung aufzubauen, die hörbar den Klang verbessert. Indem ich die Spielbedingungen moduliere, verändert sich musikalisch der Klang. Und das ist einfach begeisternd! Ich bin selbst kein Musiker und habe gerade deshalb große Freude an dieser Arbeit. n

Es ist sogar so, dass die koordinative Anforderung, das Balancieren und das Musizieren miteinander in ­Einklang zu bringen, den Klang verbessert. aber unter Gleichgewichtsbedingungen gespielt wurde, waren die Schmerzen wie weggeblasen. Fortan habe ich Musiker in Konzerten beobachtet und fragte mich, ob wohl auch ein Zusammenhang zwischen Körperhaltung und Klang besteht. Seit 2010 habe ich kontinuierlich dazu mit Musikstudenten gearbeitet. Jeder Musiker ist anders: Einer spielt Geige, der nächste Flöte, ein anderer Klavier. Wie funktioniert also Ihr Konzept, sodass alle davon profitieren? Das Grundkonzept besteht darin, dass ich Musiker in eine Gleichgewichtssituation führe, in der sie dann spielen müssen. Das geht mit einem Gleichgewichtsbrett – dem sogenannten Balance Board –, mit einem Gewicht auf dem Kopf – das nenne ich Balance Helmet – oder mit einem Balancestuhl – dem miShu, entwickelt von Gabriele Wander. Dieser Gleichgewichtsreiz erhöht die Anforderungen an die Haltungskontrolle, an die Stabilität. Diejenigen Teile des Körpers, die für die Musik wichtig sind – also Arme, Hände, Finger, und bei Sängern die sogenannte Voicebox – werden alle besser gehalten. Ich erhöhe die Stabilität vor allem des Rumpfes, und damit verbessere ich die Bedingungen, wie jemand ein Instrument spielt. Sie gehen noch einen Schritt weiter, und behaupten, dass diese Balancesituation auch zu einer höheren Aufmerksamkeit führt.

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Salz liegt in der Luft: Anders als bei künstlichen „Salzgrotten“ im WellnessHotel ist der Heilstollen in Berchtesgaden tatsächlich eine Höhle im Berg.

Genesung im Berg Im bayerischen Berchtesgaden lud ein Veranstalter zur Klangzaubernacht im Heilstollen. Das klang spannend, mystisch und gesund. Also reisten wir hin und schliefen im außergewöhnlichsten Konzertsaal der Welt. Wie wirkt Musik? Bei der Recherche für den Schwerpunkt dieser Ausgabe stießen wir auf eine „Klangzaubernacht im Heilstollen“. Also machten wir uns auf den Weg nach Berchtesgaden, dem kleinen Ort am Fuße des Watzmanns, zwischen Salzburg und Bad Reichenhall. Über 300.000 Gäste pro Jahr besuchen das dortige Salzbergwerk. Es ist eine der größten Attraktionen der Region. Doch als wir abends ankommen, ist es schon dunkel, die großen Parkplätze sind leer und die Busgruppen wieder zuhause. Nur aus einem Gebäude dringt noch Licht: Eine Gruppe von gut 20 Gästen hat sich eingefunden. Eine sanfte Spannung liegt in der Luft. Jan von Werthern ist auch da. Er hat den Salzheilstollen vor einigen Jahren zusammen mit einem Partner gepachtet und erklärt das Wirkprinzip: Vor 250 Millionen Jahren war an dieser Stelle ein Meer. Kaum zu glauben, hier, mitten in den oberbayerischen Bergen. Und als dieses Meer austrocknete, blieben dicke Salzschichten übrig. Durch gewaltige Verschiebungen wölbte sich die Erdkruste tausende Meter in die Höhe. Das Ergebnis nennen wir Alpen. So kam auch die Salzschicht wieder an die Oberfläche. Bergleute trie68

ben dann große „Sinkwerke“ in den Berg und füllten sie mit Wasser. Das Salz löst sich wieder und wird als „Sole“ ins benachbarte Bad Reichenhall gepumpt. In der dortigen Saline kocht man die Sole wieder ein, bis das Salz übrig bleibt. Das fertig verpackte Endprodukt kennen Sie aus dem Supermarktregal: „Bad Reichenhaller Markensalz“. Doch zurück zum Stollen: Medizinisch wirkt Salz entzündungshemmend und krampflösend. Darum verordnen Ärzte seit Jahrhunderten bei allen Arten von Atemwegsbeschwerden die Inhalation salzhaltiger Luft. Künstliche „Salzgrotten“ gibt es inzwischen in vielen Wellness-Tempeln, aber besonders wirkungsvoll ist der Aufenthalt im echten Heilstollen. Denn hier kommen keine Pollen hin – eine Wohltat für Allergiker – und auch andere Umweltbelastungen wie die elektromagnetische Strahlung bleiben draußen. Das Abenteuer kann beginnen: Wir nehmen Platz auf einer kleinen Grubenbahn und gleiten in den Berg. Mit ausgestreckten Händen könnte man die Wände berühren. Es ist ein wenig klamm, bei 13° Celsius und etwa 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Gut, dass wir www.crescendo.de

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uns in dicke Jacken gepackt haben. Nach ein paar Minuten endet die Fahrt. Wir sind jetzt fast 750 m tief im Berg, 130 m unter der Oberfläche. Wir ziehen bequeme Hausschuhe an und schalten die Handys aus – Empfang hat man hier eh keinen - und betreten den Heil-stollen: eine über 800 qm große, etwa 6 m hohe unterirdische Höhle mit Holzdielenboden und angenehm warmer Beleuchtung. In der Mitte ein kleiner Soleteich mit einem plätschernden Brunnen. Drumherum im Raum verteilt stehen etwa 70 bequeme Liegen mit säuberlich zusammengelegten Decken und Schlafsäcken. Die Teilnehmerzahl der Klangzaubernacht ist auf 40 begrenzt, so dass jedem genügend Privatsphäre bleibt. Erstaunlicherweise fühlt es sich hier gar nicht beklemmend oder unheimlich an, sondern richtig heimelig und geborgen. Definitiv einer der außergewöhnlichsten Konzertsäle der Welt. Alle haben es sich gemütlich gemacht mit Wärmflaschen und Tee, es kehrt Ruhe ein. Inzwischen ist es wohl schon 21.30 Uhr. Wir genießen die Stille. Chris Amrhein, Paul Freh und Angela Bittel singen Lieder von Liebe und Mutter Natur. Texte, die an Lagerfeuer und Kirchentag erinnern, changierend zwischen Melancholie und „Hurra, das Leben ist schön“. Nach einer Weile ermüdet mein kritischer Geist. Ich schließe die Augen und lasse mich treiben. Die Stimmen sind so nah, als stünden die Sänger neben mir. Ich öffne die Augen: Nein, die sitzen nach wie vor am Soleteich, eine beeindruckende Akustik. Wie sich wohl klassische Musik hier anhören würde? Da holt mich ein besonderer Klang, wie von Naturflöten aus meinen Gedanken: Der Gesang klingt jetzt mehrstimmig wie ein

Chor. Ich öffne wieder die Augen. Am Teich ist alles beim Alten, kein Orchester, kein Chor. Aha, das ist also dieser Obertongesang. Faszinierend. Ich drifte wieder ab, folge dem Klang und den Tönen. Bin ich noch wach? Anscheinend, sonst könnte ich mir darüber ja keine Gedanken machen. Ist das dieser Alpha-Zustand? Egal, fühlt sich gut an. Ich schwebe so vor mich hin. Ab und zu erzählt Paul Freh mit seiner tiefen Märchenonkel-Stimme ganz alte und sehr weise Geschichten. Das passt gut, es inspiriert. Irgendwann beginnt ein Trommeln – eine große Trommel, starke Schläge – der Boden bebt, ich auch. Der gleichmäßige Rhythmus nimmt mich mit. Ich warte auf den nächsten Schlag, Meeresbrandung setzt ein, erst leise, das Rauschen wird lauter, dann überschlägt sich die Welle, wirft mich um und strömt über mich hinweg. Zeit und Raum verschwimmen. Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen. Jemand schnarcht. Bin ich das? Nein, zum Glück nicht. Flirrende Klänge holen mich sanft aus meinem Traum, so stelle ich mir Engelsgesang vor, ich öffne die Augen: Es sind die Kristallklangschalen, die mit einer Art Schlegel gespielt werden. Das klingt wie singende Weingläser, aber viel lauter, klarer, brillanter. Das Morgenkonzert beginnt, langsam landen wir wieder in unserer Höhle, im Bauch von Mutter Natur. Die Fahrt zurück ans Tageslicht hat etwas Unwirkliches, wir fühlen uns alle ein bisschen wie neugeboren. Nach dem gemeinsamen Frühstück tauschen wir uns mit den anderen aus: Für alle war diese Nacht ein ganz besonderes Erlebnis. Auf der Heimfahrt legen wir die CD mit den Herzensliedern von Chris Amrhein ein und singen mit: „Ich hab den Weg der Liebe gewählt …“ Winfried Hanuschik n

„Unsere Konzerte sind Vitamintabletten für Ihren Schwingungshaushalt“

Foto: Salzheilstollen; Paul Freh

Am Morgen nach dem Konzert sprachen cherplatz zu sparen, wie bei MP3-Dateien, wir mit den Künstlern, die seit nunmehr oder kommen im modernen Leben einfach acht Jahren im Heilstollen musizieren: nicht mehr vor. Sie sind sozusagen „ausChris Amrhein und Paul Freh: gestorben“. Wir glauben, dass uns diese Herr Amrhein, Sie sind ein Pionier Schwingungen fehlen, vielleicht vergleichdes „Obertongesangs“ und gründebar mit einem Vitaminmangel. Um im Bild ten vor über 10 Jahren sogar ein entzu bleiben: Unsere Konzerte sind Vitaminsprechendes Festival. Was ist das? tabletten für Ihren Schwingungshaushalt. Wenn Sie bei einem Saiteninstrument eiWie machen Sie das? nen Grundton zum Klingen bringen, beginPaul Freh: Erst einmal versuchen wir, die nen die Saiten mitzuschwingen, die auf ein Störeinflüsse zu reduzieren. Dafür ist der Vielfaches der Frequenz des Grundtons Heilstollen perfekt. Die Luft ist sehr rein, gestimmt sind. Man hört also in Wirklichhier dringen keine Geräusche von aukeit nicht nur einen einzelnen Ton, sonßen ein und auch der Elektro-Smog bleibt Die Heil-Musiker Chris Amrhein und Paul Freh dern den Grundton und die zugehörigen draußen. Wenn alle sich eingerichtet haObertöne. Die Zusammensetzung der Obertöne macht den charakben, herrscht absolute Stille. Alleine das beschreiben die Besucher als teristischen Klang bzw. die Klangfarbe der meisten Musikinstrumente unglaublich erholsam. Die Salzmoleküle in der Raumluft und den umaus. Interessanterweise ist das auch bei der menschlichen Stimme so. gebenden Salzschichten sind in sehr ähnlicher Zusammensetzung auch In seiner Stimme schwingt der ganze Mensch mit. Beim Obertonsinim menschlichen Körper vorhanden. Diese Moleküle atmen wir ein, gen dämpft der Sänger die Lautstärke des Grundtons und bildet mit wir kommen in Resonanz. Besucher beschreiben das als Gefühl tiefer der Mundhöhle einen Resonanzraum, so dass die Obertöne besser Entspannung, als Geborgenheit oder Vertrautheit. Was ungewöhnlich hörbar werden. Auf diese Weise kann man mehrstimmig singen und ist an einem Ort, an dem die meisten nie zuvor waren. sich sogar selbst begleiten. Das verstärken wir nun mit unserer Musik. Wir beginnen mit freuDas ist sicher eine virtuose Herausforderung. Warum madigen Liedern, die von Herzen kommen und zu Herzen gehen, und chen Sie das? werden dann immer sanfter, zum „Runterkommen“. Diesen Zustand Chris Amrhein: Es ist doch auffällig, dass viele musikalische Begriffe zwischen Wachsein und Schlafen nennen Hirnforscher Alpha-Zuauch zur Beschreibung von Gemütszuständen verwendet werden, stand. In diesem Zustand sind wir besonders sensibel und aufnahmewie „harmonisch“ oder „Stimmung“. Töne und Frequenzen wirken bereit für die sanften Impulse. Mit unserer Musik wollen wir die Zuoft tiefer und unmittelbarer auf den Zuhörer als Worte. Töne sind hörer an diesen Punkt bringen und dort verweilen, um die Töne, HarSchwingungen der Luft, aber auch jeder Gegenstand, jedes Lebewemonien, Schwingungen zu liefern, die uns fehlen, nach denen unser sen, jede Zelle, ja sogar jedes einzelne Molekül befindet sich ständig in Inneres dürstet. Wir wollen innere Harmonie wieder herstellen, den Schwingung und tritt in Resonanz, wird also wiederum zum Schwingen ganzen Organismus in positive Schwingung und Resonanz bringen. angeregt. Wir glauben, dass viele Beschwerden, ob psychisch oder Konzerte von Chris Amrhein und Paul Freh: www.chrisamrhein.de; www.paulfreh.com auch körperlich entstehen, wenn diese Schwingungen gestört werSalzheilstollen: www.salzheilstollen.com; Nächste Klangzaubernacht: Sa, 27.12.2014, 21 Uhr den. Viele Schwingungen werden technisch ausgefiltert, z.B. um Spei-

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G e s e l l s c h a f t

Der Axel-Brüggemann-Kommentar

Gute Besserung, Publikum! Die Klassik-Stars sind krank? Nein! Es ist unsere Erwartung, die kränkelt. Dagegen gibt es zwar keine Pille, wohl aber ein Rezept.

Kranke verdienen Mitgefühl, Trost und Hilfe. All das ist im Klassik-Betrieb keine Selbstverständlichkeit. Bei jeder Absage eines Künstlers schicken Veranstalter, Publikum und Presse nicht nur Genesungswünsche, oft schwingt Enttäuschung mit. Und gute Ratschläge lassen nicht lange auf sich warten: die Klassik-Stars würden angeblich verheizt! Viele müssten einfach öfter Nein sagen. Und überhaupt: der Markt sei schuld an der Krankinitis im internationalen Klassik-Bizz. Dummerweise sind wir alle dieser blöde Markt. Und mit Verlaub, ich kann diese Häme und Besserwisserei so langsam nicht mehr hören! Von altklugen Diven wie Brigitte Fassbaender, Edda Moser oder Christa Ludwig, die dauernd erklären, dass früher alles besser war, dass es keine Stimmschule mehr gäbe, dass die Oberfläche siegen würde und Künstler gar keine Zeit mehr für die Kunst hätten. So, als ob Maria Callas, Glenn Gould oder Carlos Kleiber nie abgesagt hätten. Ganz besonders aber gehen mir die anonymen Kommentatoren in den Klassik-Foren auf den Senkel, die uns mit ihrer Anti-Haltung „vollspamen“ und glauben, besonders mutig zu sein, wenn sie ihr Pseudonym unter Texte setzen, in denen sie wüten, dass „der Villazón doch eh am Ende ist – und das hat er auch verdient. Mochte ihn nie!“, oder dass „der Kaufmann, diese Lusche“ sowieso nicht singen kann, oder dass „der Alagna nicht krank war, sondern einen Knall hat. Gut so, dass er am Ende ist“. 70

Mit Verlaub, aber DAS ist wirklich krank! Können wir bitte mal innehalten? Dass der Klassikstar als Mensch nicht immer funktioniert, ist normal. Der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer fehlt krankheitsbedingt 14 Tage im Jahr. Und Musiker sind schon bei einer kleinen Grippe arbeitsunfähig. Dass im Vergleich so wenige Konzerte ausfallen, zeigt, wie gesund sie in Wirklichkeit sind. Interessant ist, dass der allgemeine deutsche Krankenstand mit der Arbeitslosenquote korreliert. Je weniger Arbeitslose, desto eher melden sich die Arbeitnehmer krank. Mit anderen Worten: Bei Angst um den Jobverlust kommen wir auch mit Grippe ins Büro, je sicherer wir uns fühlen, desto eher nehmen wir uns einen Tag frei. Stress, Konkurrenz und die dauernde Beobachtung gehören zum Alltag des Klassik-Betriebs. Oft werden Musiker mit Spitzensportlern verglichen, aber ein Leichtathlet trainiert mit Ruhephasen und Regenerationen jahrelang auf die 10 Sekunden seines 100-Meter-Laufs bei Olympia hin. Ein Pianist, ein Dirigent oder ein Sänger muss 50, 70 oder 100 Abende im Jahr alles geben: beim Kammerkonzert in Kleinkleckersdorf ebenso wie bei der Premiere an der MET. Und es ist erst einmal logisch, dass viele Künstler – so wie Arbeitnehmer – versuchen, anzutreten. Koste es, was es wolle. Wenn Roberto Alagna, wie neulich bei einer Don-Carlo-Aufführung in Wien, mitten in der Vorführung aussteigt und das Final-

Duett als Solo gegeben wird, oder wenn Rolando Villazón wie vor einem Jahr im Konzerthaus Berlin einen Mozart-Abend nach zwei Arien abbricht, kriechen die Besserwisser aus ihren Löchern und schreien: unklug, ungesund – unmusikalisch! Oft geben wir viel Geld für Eintrittskarten aus, und es ist verständlich, dass wir bei einer Absage enttäuscht sind. Aber bitte, sparen wir uns den Spott, der selbst über Künstlern ausgegossen wird, die unter realen körperlichen Krankheiten leiden, etwa Hélène Grimaud, deren Hüfte immer wieder Probleme macht, oder Hilary Hahn, die gerade eine Muskelverletzung auskuriert, über die nicht mehr ganz jungen Dirigenten Ricardo Muti und James Levine, die einfach nicht immer dann fit sind, wenn ein Konzert auf dem Programm steht. Und hören wir bitte damit auf, die Krankheit der Klassik auszurufen. Natürlich ist es richtig, dass Musikern heute viel abverlangt wird. Sie müssen Interviews geben, werden wie Zirkuspferde durch die Arenen getrieben, ihre Terminkalender werden oft vier oder fünf Jahre im Voraus organisiert. Und ja, manchmal können sie einfach nicht Nein sagen, verstehen am Höhepunkt ihrer Karrieren nicht, dass sie in zwei Jahren vielleicht mal eine Ruhepause bräuchten. Dabei geht es nicht einmal immer um das Geld und das große Abkassieren. Musiker sind Künstler, die für ihre Kunst leben, die um die Erwartungen ihres Publikums wissen. Sie sind Gladiatoren

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unserer Zeit, die ihr Leben und ihre Exis- Wien) wortreich zu legitimieren. Selbst in tenz für unseren Genuss aufs Spiel setzen. der Ruhephase kann sie es nicht lassen, mit Oder sie sind – wenn sie nicht in der Cham- ihren Fans zu kommunizieren und ihre Seepionsleague spielen – schlicht und einfach lenlage zu offenbaren. Inzwischen schickt existenziell abhängig vom eigenen Funkti- sie Gedichte wie dieses in die Welt: „Ich gehe meinen Weg, meiner inneren Stimme onieren. Es ist bewundernswert, dass Leute wie folgend. Wenn ich sie überhöre, wird sie Kit Armstrong oder Rafał Blechacz nicht zur dröhnenden Sirene.“ Es ist bedrückend, über 50 Konzerte im Jahr geben, dass sie diese Unausgeglichenheit zu verfolgen, zu sich Auszeiten für das Komponieren oder sehen, wie der Betrieb, die eigenen Anfordeandere Hobbys gönnen. Dass Christian rungen, der Eros der Öffentlichkeit und das Thielemann, der mit Rückenschmerzen Versagen des Körpers das rastlose Denken kämpft, weiß, was er sich zumuten kann und ohne Kern bestimmen. Natürlich gibt es auch Künstler, die was er annimmt und absagt – meist sind es die zeitaufwändigen PR-Termine. Wie freiwillig Raubbau an ihrem Körper betreischwer genau das ist, erfahren Sängerinnen ben und die Enttäuschung des Publikums wie Anna Netrebko, die aus ihrer Krise 2012 in Kauf nehmen. Der russische Dirigent (ein Jahr, in dem auch Jonas Kaufmann und Valery Gergiev musste neulich ein Konzert Natalie Dessay pausieren mussten) gelernt der Münchner Philharmoniker in Shanghaben, die sich inzwischen auf das Sin- hai absagen, da er parallel zur Tour mit dem Mariinsky-Orchesgen konzentrieren, ter in Japan konzerauf die behutsame Künstler sind Gladiatoren tierte. Wegen eines Ausweitung ihrer unserer Zeit, die ihr Leben Taifuns saß er fest. Klangzone: MacIm Oktober wollte beth, Vier letzte Lie- und ihre Existenz für unseren Gergiev 26 Konder und Elsa. Die Genuss aufs Spiel setzen. zerte geben – 25 hat ihre Familie in den er absolviert. Das Mittelpunkt stellen und sich inzwischen ein eigenes Tempo in ist nicht nur schlecht für ihn, sondern auch der Öffentlichkeitsarbeit genehmigen. Aber für seine Orchester und seine Zuhörer. Aber was machen wir nun? Ich glaube, auch das ist uns nicht recht: Selbst weitgehend unbedeutende Online-Portale wie dass der wirkliche Keim der Krankheit des „Klassik4Kids“ zicken herum und berich- Betriebs unser Umgang mit der Klassik ist. ten ihren jungen Lesern, wie divenhaft die Wir lassen sie nur noch in der hohen Luft Netrebko sei, da sie keine Zeit für ein Inter- spielen. Intendanten, Fernsehmacher und ein Großteil des Publikums betreibt Starkult. view habe. Ich persönlich habe den Eindruck, Das große Geld und die großen Gefühle, so dass der Garant der Gesundheit für Künstler denken wir, können nur die wenigen Künstin erster Linie ihre Zufriedenheit ist: Klaus ler garantieren, die gerade gehypt werden – Florian Vogt, der mit Frau und Kindern und von ihnen erwarten wir Aufopferung nach Bayreuth reist, zwischen den Proben und Selbstzerstörung. Und die schenken sie im Schwimmbad sitzt, der mit einer alten uns – ohne Rücksicht auf ihren Körper und Propellermaschine zu den Konzerten fliegt ihre Familien. Wenn sie dann am Boden lieund sich Abwechslung mit dem Studium gen, folgt die Häme. Gegen diese Krankheit von Luftwegen und Wetterberichten ver- gibt es keine Pille, wohl aber ein Rezept. Fakt ist, dass die Musik an der Basis schafft, ist so ein Typ. Einer, dem es gelingt, den Ausnahmezustand auf der Bühne fami- durchaus gesund ist: Selten gab es so viele, liär und privat zu erden. So ein Künstler so gut ausgebildete, so leidenschaftliche wird seltener krank. Aber das kann nun ein- Musiker wie heute. Und es würde schon helfen, wenn wir die Klassik endlich wiemal nicht jeder. Ivo Pogorelich ist eher unberechen- der als Kunst der Entdeckung begreifen, bar, und eine Sängerin wie Elisabeth Kul- als Ort der Vielfalt, als Abenteuer der man hadert permanent in der Öffentlichkeit unterschiedlichen Möglichkeiten. Erst mit dem eigenen Anspruch an den Körper wenn wir bei einem Einspringer erkennen, und seinen gesundheitlichen Möglichkei- dass wir bei der Geburt eines neuen Stars ten. Sie ist fraglos eine der besten Mezzo- dabei sein können, wenn wir neugieriger Sopranistinnen unserer Zeit. Aber wenn auf den Nachwuchs werden als auf das man etwa ihre Facebook-Posts verfolgt, Event, würden wir die wenigen Superstars blickt man tief in eine zerrissene Seele: Erst entlasten. Es muss darum gehen, Musik kämpft Kulman bis zur Erschöpfung für die wieder in ihrer Breite zu erleben und die Rechte von Musikern, dann postet sie vor Anstrengungen auf viele Schultern zu verjedem Konzert eine Grußbotschaft für ihre teilen. Mit dieser Neugier würde es uns Gemeinde aus der Garderobe, irgendwann auch nicht schwerfallen, Künstlern, die kam der Zusammenbruch, und sie versucht, krank werden, einfach nur gute Besserung ihre Absagen (neulich bei Chowantschina in zu wünschen! n 71

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SCHUBERTIADE SCHWARZENBERG 2 Karten für das Orchesterkonzert mit Valer Sabadus und dem Ensemble recreationBAROCK im Rahmen der Schubertiade Hohenems am 16. Juli 2015. Inklusive einer Übernachtung im Hotel Gasthaus Landhaus Schiffle für 2 Personen im Doppelzimmer inkl. Frühstück. www.schubertiade.at

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BERLINER PHILHARMONIKER Drei 12-Monats-Tickets für die Digital Concert Hall, den virtuellen Konzertsaal der Berliner Philharmoniker im Internet. www.digital-concert-hall.com Je drei Exemplare der Matthäus-Passion und der Johannes-Passion von J. S. Bach mit Simon Rattle und Peter Sellars als audiovisueller Mitschnitt. www.berliner-philharmoniker-recordings.com

VINYL Der Pianist Jeroen van Veen auf sechs Doppel-LPs: Ludovico Einaudi: Piano Music. Simeon Ten Holt: Canto Ostinato XL. Yiruma: Piano Music – River Flows in You.

Foto: Peter Kitzbichler

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Foto: Julia Wesely

2 Karten für die Mozartoper „Così fan tutte“ am 2. Januar 2015 im Festspielhaus Erl mit dem Orchester und der Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl unter der ­musikalischen Leitung von Gustav Kuhn. Inklusive einer Übernachtung im Hotel Stadt Kufstein für 2 Personen im Doppelzimmer inkl. Frühstück. www.tiroler-festspiele.at

ARCHE KALENDER

CDs

Je fünf der besonderen vier ­Wochenkalender „Musik“, „Küche“, „Literatur“ und „Kinder“. www.arche-kalender-verlag.com

Siegfried und Violetta oder List, Last, Lust und Lunge. Opernfragement in 3 Akten von R. Wagner u. G. Verdi. www.genuin.de Der Musikalische Adventskalender 2014. www.haenssler-classic.de Große Oper für kleine Hörer. Auf 12 CDs die berühmtesten Werke der Opernliteratur für Kinder ab vier Jahren. www.naxos.de

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l e b e n s a r t

Berlin

... aus der Sicht eines Musikers Christoph Hagel brachte vor zwanzig Jahren die klassische Musik in die Clubs der Hauptstadt und feierte mit seinem Projekt Flying Bach einen Welterfolg. Sein kulturelles Berlin ist kosmopolitisch, findet aber mehr jenseits von Philharmonie und Oper statt.

B

erlin im Westen, Freitag Abend, am Empfang des RBBFernsehgebäudes nahe Messe: Unser Stadt-Experte probt noch im Keller des gut bewachten Plattenbaus. Am Empfang stehen zwei freundliche Sicherheitsordner, sie wollen weder Ausweis, noch wissen, ob man befugt ist. Ganz im Gegenteil: Sie erklären den Weg nach unten, in die Katakomben. Die Sicherheitsleute in Berlin sind die freundlichsten der Welt. Man denkt: Wenn man die Kanzlerin besuchen geht, sagt der Wachmann, „die is globig oben im Büro, aber nehmse ma lieba mein Schlüssel mit, sonst kommse ja gar nich rin.“ Christoph Hagel sitzt im grell erleuchteten Keller auf einem Stuhl mit fahrbarem Pult vor dem Bauch. Vor ihm Mitglieder des RBB-Fernsehballetts, dazu zwei Choreographen. Sie proben für seine Inszenierung von Bachs Weihnachtsoratorium im Berliner Dom. Hagel ist bei solchen Projekten der berühmte Tausendsassa, auf seiner Visitenkarte steht Produzent, Regisseur und Dirigent. Ab und zu sitzt er auch mal bei einem Sponsor und treibt das nötige Geld zusammen. Seit er mit dem Projekt Flying Bach einen Welterfolg landete und die Show von Doha bis Dortmund alle relevanten Hallen füllt, kennt man seinen Namen noch besser. Auch optisch bedient er das Klischee des Kreativchefs: Er trägt hellblaue AdidasTurnhosen im Stil eines Berliner Straßenrappers, dazu roten Kapu74

zenpulli. Er sagt: Wir gehen gleich raus, nen Salat essen, am besten um die Ecke, denn Berlin ist überall Berlin, egal ob im Wedding oder wie hier in Charlottenburg. Überall in dieser Stadt regiert das organisierte Chaos – nicht nur im Rathaus. Natürlich ist Berlin auch Deutschlands Kulturhauptstadt Nummer eins. Nach 25 Jahren Mauerfall ist die City ein riesiger Versammlungsraum, eine Art Mannschaftsheim des Kreativgehirns. Jeden Tag finden 1000 Aufführungen statt, Preise werden verliehen, Präsidenten begrüßt, Filme gedreht, Fördergelder verspielt und epische Abende gefeiert – die meisten enden erst am frühen Morgen. Berlin ist die Startbahn Europas, wer Inspiration sucht und seiner Karriere einen Schub geben möchte, zieht entweder ganz in die deutsche Hauptstadt oder kommt für eine Weile zu Besuch. Und mittendrin: Die etablierten Musiker, Daniel Barenboim fällt einem ein, Orgelbub Cameron Carpenter und die Berliner Philharmoniker natürlich, dazu die ganzen Schauspieler, Internet-Nerds, Modedesigner, Künstler und Studenten, die teilweise gar nicht wissen, für was sie sich eingeschrieben haben. Es gibt Leute, die sagen, die Studenten würden in den Vorlesungen eh weniger lernen als im täglichen Berliner Wahnsinn, und man denkt: Das kann gut sein. Jeder hat hier seinen Platz, sein Viertel und ganz schnell auch seine Stammkneipe. Einen City-Guide über ein einziges Berlin zu

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Musiker, Regisseur, Produzent und Berlin-Kenner Christoph Hagel

Berlin aus der Sicht eines crescendo-Redakteurs: Gedächtniskirche, Schriftzüge, Friedensengel, Bestellzettel im Lokal „Transit“, Philharmonie und Fernsehturm am Alexanderplatz.

schreiben ist wie alle Mozart-Opern gleichzeitig zu rezensieren. Die Stadt muss man in Kanäle teilen, wer für ein Wochenende zu Besuch kommt, kann nur Häppchentourismus betreiben – oder, wie Christoph Hagel auch dem konservativen Kulturpublikum empfiehlt: sich doch einfach mal wieder richtig ins Nachtleben stürzen. Peng! Wer solche Sätze in crescendo sagt, ist mutig. Doch ein Blick in Hagels Lebenslauf erklärt das. Der studierte Pianist, 1959 in der schwäbischen Pampa von Biberach geboren, brachte vor knapp 20 Jahren die klassische Musik in die Berliner Clubs, bei einigen gilt er sogar als der Erfinder des modernen Cross-Over. Seine Idee, im Jahr 1997 den Don Giovanni im Berliner Techno-Schuppen E-Werk aufzuführen, war für damalige Verhältnisse revolutionär. Erst durch solche Aktionen entstanden Formate wie die heute populäre YellowLounge im Berliner Vorzeigeclub Berghain. Und Klassik im Club Formate gibt es inzwischen in jeder deutschen Kleinstadt. Mit Flying Bach füllte er erst die Neue Nationalgalerie mit jungen Leuten, später das Wiener Burgtheater. Der Ursprung der Truppe stammt übrigens aus Berlin, es sind ehemalige Breakdancer. Selbst die Berliner Philharmoniker sind von ihrem Auftritt her inzwischen kreativer geworden. Im Foyer hängen Bilder, die man vor 30 Jahren nur im New Yorker Museum of Modern Art gefunden hätte. Wer sie nicht kennt: Auf einem Werk von Martin

Liebscher („Philharmonie“) sieht man ein und denselben Menschen sowohl als Gast als auch als Musiker und Dirigent in verschiedensten Posen in der Philharmonie, das Ganze auf einem Ausdruck auf 125 x 457,5 Zentimetern. Ein anderes Bild von Victoria von Kapherr zeigt die Philharmoniker zusammen mit Dirigent Sir Simon Rattle als riesige Werkstatt. Erfunden hatte das Gemälde der Kreativdirektor einer Berliner Werbeagentur. Auch die Postkarten mit einem Zähne putzenden Mozart und einem sich rasierenden Beethoven („Beethoven privat“) zeigen die Richtung der Berliner. Die Botschaft: Wir wissen, in welcher Stadt wir zuhause sind. Hagel findet die Philharmonie ebenfalls gut, auch wenn ihm hier vielleicht dieses Gegensätzliche fehlt. Nein: Er meint es wirklich ernst, mit seinem Tipp, die Nacht zu genießen. Nach dem Essen wird er sich vielleicht eine Stunde hinlegen („kann ich den Älteren nur empfehlen“) und dann in den Club des Admiralspalast gehen, „weil da eine Freundin singt“. Grandios sei dieses Theater. Es erinnert an den New Yorker Broadway, es gibt dort Operetten, Musicals und die gute alte Revue. In jeder anderen deutschen Stadt wäre das Ding nach drei Tagen pleite, in Berlin gehört es zum Inventar – für die 18- bis 80-Jährigen. Danach wird es härter. Hagel muss noch in den Club Kater Blau, der früher Kater Holzig hieß und noch früher Bar25. Das 75


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lektuellen schickt man in die Paris Bar, Ding ist kein Club, sondern ein aus Holz, Schauspieler und Wichtige ins Borchardt alten Sofas und witzigen Lampen zusam(„Ganz ehrlich: ich gehe da gerne hin.“), mengebastelter Erlebnispark für das Partyum Geschäftsdeals zu machen, bitte alle volk. Wer hier nachts um drei an der Bar ins Grill Royal, die Gemütlichen ins steht, weiß nicht, ob er sich in der Reali„Lokal“ in die Linienstraße nach Mitte, tät befindet oder in einer Inszenierung! wo man dann Herbert Grönemeyer nicht Im Moment gibt es einen Trend, dass sich mit seinem Agenten, sondern mit seiner Besucher ausziehen, sagt Hagel. „Ich hab Tochter trifft und die Jüngeren zum Asidas allerdings noch nicht gesehen, muss aten ins Transit. Da kreuzt man seine ich zugeben.“ Tapas auf einem Bestellzettel an und freut Auch den Besuch im Berghain empsich über noch immer niedrige Preise. fiehlt er inständig: Denn das Berghain ist Aber die wahre Berliner Ess-Kulauf der einen Seite ein Nachtclub mit hartur findet auch heute noch in den Curter Tür und noch härteren Partys, auf der rywurstbuden statt. Curry 36 und Konanderen Seite seit Jahren schon ein Kulnopke sind die bekanntesten, die soll man turtempel. Das Gebäude ist ein ehemaliges sich notieren und aufsuchen. Heizkraftwerk im Osten der Stadt, Bezirk Es gibt jetzt Espresso beim ItalieFriedrichshain (Der Name Berghain leiner, Hagel muss sich ja wach halten, für tet sich übrigens von den beiden Bezirken die lange Nacht. Habe ich genug Tipps Kreuzberg und Friedrichshain ab). Neben gegeben für die Leser, fragt er und sagt: den ganz normalen Clubabenden fanden Eine Institution: die Currywurst von Konnopke Ganz ehrlich: Ich würde die Leute ja am im Berghain immer kulturelle Veranstaltungen statt. Das Berliner Staatsballett kreierte die Reihe „Shut up liebsten ins Friedrich-Ebert-Gymnasium schicken. Da gibt es im and dance“ und trat damit im Berghain auf, später führte die Yellow- Moment Shakespeare-Aufführungen in englischer Sprache – granLounge das junge Party-Publikum an die klassische Musik heran. dios und vor allem authentisch. Die Lehrerin würde sich bestimmt Hagel meint dazu nur: „Ich sage jetzt mal ganz frech: Ohne meinen freuen, wenn man für das Werbung macht. Ganz ehrlich: wenn es gut ist, schicken wir die Leute auch ins Schloss Sanssouci auf die Techno-Giovanni damals gäbe es das alles nicht.“ Doch bei so viel Club muss der Gast doch auch was essen! Soll Parkbank. Da gibt es zwar noch kein Konzert, aber wer weiß: vielleicht inszeniert Tausendsassa Christoph Hagel das nächste Ballett der Berlin-Besucher denn wirklich nur ausgehen, Herr Hagel? Er sei nicht so der Restaurant-Experte, sagt er. Klar, es seien auf allen Berliner Parkbänken. Es wäre in dieser Stadt kein großes Robert Kittel n die üblichen Tipps, die ein Local so gibt: Alle Künstler und Intel- Wunder.

Tipps, Infos & Adressen

Wichtige Reiseinformationen rund um einen Besuch in Berlin.

Übernachten

FEIERN & Kultur Christoph Hagels Inszenierung von Bachs Weihnachtsoratorium mit dem Berliner Fernsehballett im Berliner Dom (siehe ­Foto) ­findet vom 3. Dezember bis 3. Januar 2015 statt. Termine und Karten gibt᾽s unter unter: www.weihnachtsoratorium-im-dom.de oder unter 01806 39 53 00. Admiralspalast: Friedrichstraße 101, www.admiralspalast.de Berghain: Rüdersdorfer Straße 70, www.berghain.de Kater Blau: Holzmarktstraße 25, www.katerblau.de

ESSEN

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Paris Bar: Kantstraße 152, www.parisbar.net Borchardt: Französische Straße 47, www.borchardt-restaurant.de Grill Royal: Friedrichstraße 105, www.grillroyal.com Lokal: Linienstraße 160, lokal-berlin.blogspot.com Transit: 1 x in der Rosenthaler Straße 68 & 1 x in der ­Sonntagstraße 28. www.transit-restaurants.com Curry 36: 1 x Mehringdamm 36 (Kreuzberg) und 1 x Hardenbergplatz 9 (am Zoo). www.curry36.de Konnopke: Schönhauser Allee 42 (Prenzlauer Berg). www.konnopke-imbiss.de. www.crescendo.de

Fotos: PR; Bob Coat

Für unseren Besuch in der Hauptstadt durften wir das brandneue Hotel Sofitel Berlin Ku᾽damm testen. Das sehr stylische 5-Sterne-Haus liegt in einer Seitenstraße der wichtigsten Berliner Einkaufsmeile, nur zwei Minuten von der Gedächtniskirche entfernt. Die Zimmer sind einerseits schlicht, andererseits mit schönen Kunstwerken ausgestattet, die Qualität von Badezimmer als auch Minibar, Room Service und Aussicht auf Berlin sind sehr gut. Zu empfehlen ist auch ein Besuch im hauseigenen Restaurant Le Faubourg, vor allem der Sommelier (Deutschlands jüngster) aus Österreich versteht sein Handwerk! Infos und Buchung direkt bei Sofitel www.sofitel.com

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für globetrotter Die internationalen Höhepunkte im Herbst Stockholm 08.12. Gemeinsam mit den klügsten Köpfen der Welt und der schwedischen Königsfamilie können Sie am 08.12. im Konzerthaus Stockholm das Nobelpreis-Konzert erleben. Dieses Jahr tritt die Königliche Stockholmer Philharmonie unter Andris Nelsons auf. Die Bühne teilt er sich mit der Sopranistin Kristine Opolais und dem Trompeter Håkan Hardenberger.

Termine

Wien 01.01. Wer möchte nicht einmal

beim legendären Wiener Neujahrskonzert live dabei sein? Das Event mit den Wiener Philharmonikern wird jedes Jahr weltweit in über 90 Länder übertragen. Seit Jahrzehnten präsentieren die Wie-

ner Philharmoniker ihrem Publikum zum Jahreswechsel ein heiteres und zugleich besinnliches Programm aus dem reichen Repertoire der Strauß-Dynastie und deren Zeitgenossen. Dieses Jahr führt der große Zubin Mehta den Taktstock.

Amsterdam 12.12.14 – 01.01.15 2012 fand

die Uraufführung einer ganz besonderen Cinderella-Produktion mit dem holländischen Nationalballett in Amsterdam statt. Christopher Wheeldon, der Choreograph dieser Produktion, hat dafür den „Oscar des Tanzes“, den „Benois de la Danse“-Preis erhalten. Gemeinsam mit einem Team internationaler Künstler inszeniert er dieses wunderbare Ballett-Märchen zur Musik von Sergej Prokofiev neu und versieht es mit einer gehörigen Portion Magie.

Hoteltipp

Foto: Sattlerhof

Sattlerhof / Steiermark

Welschriesling, Morillon und Sauvignon Blanc: Auf der ganzen Welt schätzen Kenner die Weißweine vom Sattlerhof. Wir waren dort: Vom Flughafen Graz ist es nur eine halbe Stunde nach Gamlitz, einem beschaulichen Örtchen an der sonnenverwöhnten Südsteirischen Weinstraße. Nach Slowenien sind es nur noch ein paar Kilometer. Willi Sattler, der Winzer, empfängt uns herzlich: Beim Spaziergang durch seine Weingärten erläutert er leidenschaftlich seine Philosophie und führt uns stolz durch seinen Weinkeller. Er hat Ambitionen, will den großen Wein: Kompromisslose Qualität statt Quantität. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören und seine Tropfen zu verkosten. In dieser idyllischen Lage kann man auch wohnen: Klein und fein mit gerade mal 30 Betten auf 4-Sterne-Niveau: Familiär in wunderschönen Zimmern mit Blick auf die Weinberge. Und das für gute 100 Euro pro Person – inkl. Frühstück und mehrgängigem Menü. Sensationell! Infos und Kontakt: www.sattlerhof.at, Tel +43 (0)3453/2556 77


l e b e n s a r t

Wein für weisse Weihnachten

JOHN AXELRODS WEINKOLUMNE

Welchen Wein würde der Weihnachtsmann zu Weihnachten trinken? Keine leicht zu beantwortende Frage. Mit dem Beginn der Weihnachts- und Feiertagszeit neigen wir dazu, unsere Esstische mit Champagner und feinen Weinen zu beladen, die gut zu Gans, Ente, Schinken oder anderem Essen passen. Ein Mahl, nach dem wir uns erst mal ein paar Stunden nicht mehr bewegen können. Die meisten Weine, die dazu passen, kommen aus dem Mittelmeerraum oder aus kühlerem Klima. Deutschland, die Champagne, Burgund und der Nordwesten Spaniens sind kühl, Bordeaux und Piemont und die Toskana sind warm, Teile von Südfrankreich, Süd-Italien und Spanien sind warm bis heiß. Zwischen den Jahreszeiten bleibt die Gefahr von Frost im Frühling oder Herbst. In keinem dieser Gebiete muss man wirklich Angst vor Winterschäden haben. Aber wie sieht es mit dem Nordpol aus? Armer Weihnachtsmann! Er muss arbeiten statt nach einem üppigen Weihnachtsmahl auf dem Sofa herumzulungern und Weihnachtssendungen zu schauen. Das Schlimmste: Er kann sich nicht mal die besten Weine aus Spanien, Deutschland oder Frankreich importieren, denn: sie würden einfach erfrieren. Am Nordpol ist es genauso kalt wie in der Halle des Bergkönigs. Und doch gibt es eine rote Traube, die Kälte vertragen kann und sich sehr gut mit Peer Gynt verträgt. Noch dazu eine, die der

Weihnachtsmann einfach in seinem Garten ziehen könnte. Glücklicherweise können wir alle diesen Wein in den Feiertagen genießen! Wir kennen die Geschichte von Peer Gynt alle, aufgeschrieben in Ibsens Schauspiel aus dem Jahr 1867, 1876 in Musik gesetzt von Edvard Grieg und später bekannt geworden in den bekannten Orchestersuiten. Die Musik porträtiert nicht nur die tragische Geschichte der Protagonisten rund um

Armer Weihnachtsmann! Er muss arbeiten statt nach einem üppigen Weihnachtsmahl auf dem Sofa herumzulungern. Peer, sondern fängt auch die Landschaft der rauen Fjorde und Wälder von Norwegen ein. Diese Musik lässt einen frösteln und zittern – nicht nur vor Angst. Doch so wie ein kalter Wind die Knochen frieren lässt, so kann ein Feuer das Eis schmelzen und ein guter Wein Herz und Seele wärmen. Mein Tipp: der Marquette. Aber wo kann der Weihnachtsmann diesen Wein finden? Alles was er tun muss, ist, Peer Gynts Melodie zu folgen, bis in eine skandinavische Siedlung – genannt: Minnesota. Die Marquette-Traube und andere KaltWetter-Rebsorten wie La Crescent oder Brianna wurden von der Universität von Min-

nesota zu Weinen entwickelt, die man lokal züchten kann. Diese Reben sind in der Lage, in kürzeren Wachstumsperioden zu wachsen und können Temperaturen unter null Grad aushalten – da müssen sich der Weihnachtsmann und seine Frau keine Gedanken um ihr Weihnachtsessen machen. Der beste dieser Kalt-Wetter-Weine ist wahrscheinlich der Coyote Moon Vineyards Marquette, ein ausgezeichneter Wein, der unter 20 Euro kostet. Wer könnte dieser Beschreibung schon widerstehen? „Stellen Sie sich das Aroma von schokoladenüberzogenem Karamell vor, mit Vanille und Gewürzen verfeinert, das Sie zu ihrem Weinglas lockt.“ Ich habe den Wein probiert. Er ist bemerkenswert, erinnert an einen Dessertwein oder einen Port, kombiniert mit Schokolade und Zimt. Der funktioniert zu allem: zum Appetit-Häppchen, zur Vorspeise und den vielen Desserts, die man beim Weihnachtsessen erwartet. Wie die Morgenstimmung aus Peer Gynt, deren Vogelgesänge die Eiszapfen schmelzen lassen. Wie Solveigs Lied, das uns zu Tränen rührt. Wie in der Halle des Bergkönigs, wo die Fagotte wummern und sich die Pizzicati zu einem Zusammentreffen der Trolle hochschaukeln. Dieser Wein ist so vielfältig, er hält Ihre Zunge als Geisel! I'm dreaming of a white Christmas. Der Weihnachtsmann träumt von einem guten Glas Wein nach getaner Arbeit. n

John Axelrod ist Erster Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er Bücher („Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“) und philosophiert über sein Lieblingshobby: guten Wein. John Axelrods neue CD „Brahms Beloved II“ mit dem Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“ ist gerade erschienen. 78

Foto: Stefano Bottesi

Unser Kolumnist und Weinexperte hat sich gefragt, welchen Wein wohl der Weihnachtsmann am liebsten trinkt und hat natürlich einen Wein gefunden: einen, der sogar am Nordpol wachsen könnte!

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Dezember 2014 – Januar 2015


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Die WieDerentDeckung Der echoflöte Sören Ingwersen über die Suche nach einem ganz besonderen Instrument

Um die »Fiauti d’Echo«, die Bach den Instrumentalisten im Vierten Brandenburgischen Konzert vorschreibt und die er auch im Titel des Konzerts herausstellt, zerbrechen sich Alte-Musik-Spezialisten seit über einem halben Jahrhundert den Kopf. Hat Bach damit eine Spielweise oder ein Instrument gemeint? Und wenn letzteres, welches? Thurston Dart, Pionier der Alten-Musik-Bewegung, identi-

fizierte 1960 das Echo mit einem Flageolett, einer oktavierenden Schnabelflöte – und viele folgten ihm. Andere meinten, Bach habe die beiden Flötenstimmen mit unterschiedlich, in g und f gestimmten Altblockflöten besetzen wollen. Nicht selten verfiel man auf die Idee, die Flöten für den Echo-Effekt im Nebenraum oder auf der Empore spielen zu lassen.

Welchen ungewöhnlichen Weg concerto köln für seine neuaufnahme der »Brandenburgischen konzerte« gegangen ist, lesen Sie in der rubrik hören & Sehen auf www.prego-magazin.de


Die mobile Bibliothek – tolino shine

Unser Weihnachtsgeschenk für Sie. W ir wissen aus Umfragen, dass crescendo-Leser generell Bücher schätzen. Damit Sie in Zukunft Ihre Bücher jederzeit bei sich haben können, schenken* wir Ihnen einen E-Reader. Wir haben uns einige Lesegeräte im handlichen Taschenformat angesehen und uns für den tolino entschieden. Mit diesem Gerät bieten seit 2013 Hugendubel, Weltbild, Thalia und Club Bertelsmann gemeinsam mit der Deutschen Telekom einen leichten und handlichen E-Reader an. Sein größtes Plus ist, dass er eine freie Nutzung des EPUB-Formats zulässt. Man ist also nicht an ein spezielles digitales Format gebunden (mit Konkurrenzprodukten kann man zum Teil nur bei bestimmten Anbietern einkaufen), sondern kann auch in vielen Büchereien Bücher ausleihen oder im Internet kostenlos elektronische Bücher herunterladen. Mit dem tolino kann man an über 12.000 WLAN-Hotspots der Telekom in Deutschland mit einer drahtlosen Übertragung kostenlos direkt ins Internet gehen. So können Sie auch jederzeit in Zügen, Flughäfen oder Cafés Bü­cher laden. Der tolino bietet Ihnen Platz für etwa 2.000 elek­ tronische Bücher und mit einer microSD-Speicherkarte können Sie Ihre Bibliothek sogar noch erwei­tern. Wir schenken Ihnen einen tolino shine, wenn Sie sich jetzt für ein Abo mit 24 Monaten Laufzeit entscheiden. Als erstes Buch für Ihre elektronische Bibliothek erhalten Sie zusätzlich ein ganz besonderes crescendo-Schmankerl: Die 100 Lieblingsalben der crescendo-Redaktion der letzten 50 Jahre. Damit gewinnen Sie direkten Einblick in die Herzen der c­ rescendo-Macher. Wir wünschen Ihnen viele schöne Stunden mit Ihrem tolino und freuen uns über die Kooperation mit Hugendubel.

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Abb.: Portmedia Verlag; Strezhnev Pavel / fotolia.com

(Carpe Diem)


H o p e

t r i f f t

Geiger & crescendo-Kolumnist DANIEL HOPE

Mauerfall mit Merkel & co. Eigentlich interviewt unser Kolumnist an dieser Stelle andere Künstler, doch weil er bei den Feierlichkeiten zu 25 Jahre Mauerfall im Berliner Konzerthaus mit Max Richter vor der politischen Elite spielen durfte, entschieden wir uns diesmal wieder, ihn selbst zu befragen.

Daniel Hope, zusammen mit Max Richter auf der Bühne, Mauerfall-Illustration und die Gäste Michail Gorbatschow, Klaus Wowereit und Martin Schulz.

Herr Hope, wir müssen Sie kurz zu den Feierlichkeiten zu 25 Jahre Mauerfall in Berlin interviewen. Sehr gerne. Sie durften vor Bundeskanzlerin und Bundespräsident musizieren, auch Michail Gorbatschow war im Publikum… Aber auch Henry Kissinger, Hans-Dietrich Genscher und Wolf Biermann! Wie kamen Sie zu dieser Ehre? Der Intendant des Berliner Konzerthauses, Dr. Sebastian Nordmann, rief mich an und fragte, ob ich am 9. November schon was vor habe. Da ich Zeit hatte, habe ich natürlich sofort zugesagt. So ein Konzert sagt man aber auch nicht ab, da nimmt man sich doch auf jeden Fall Zeit, oder? Naja, ich versuche nie abzusagen, wenn ich jemandem anders schon mein Wort gegeben habe. In 25 Jahren kann ich meine Absagen an einer Hand abzählen. Jetzt in Berlin war es natürlich eine Ehre und der Termin war für mich auch ein ganz beson82

derer, denn am 9. November des vergangenen Jahres hatte ich vor dem Brandenburger Tor gespielt, nur eben zu 75 Jahre Reichspogromnacht. Der Tag hatte also auch eine große Bedeutung für meine Berliner Vorfahren. Sie wurden nach dem Konzert auch auf der Bühne interviewt. Ist man vor Menschen wie Gorbatschow nervöser als sonst? Also, ich kann mich ganz genau an diesen Moment erinnern, als ich von der Moderatorin des Konzerts, Anna Thalbach, zum Mauerfall befragt wurde. Ich habe kurz ins Publikum geschaut und dann direkt diese riesigen Augen von Hans-Dietrich Genscher entdeckt. Da wird einem wirklich bewusst, welche geschichtliche Bedeutung das Ganze hat. Da ist man automatisch ein bisschen nervös, klar. Auffällig war, dass Sie viel Beifall bekamen, als Sie sagten, Sie würden es als Engländer begrüßen, wenn die Briten in Europa bleiben würden. Haben Sie damit gerechnet?

Nicht in dieser Form. Aber es ist ein gutes Zeichen in diesen Tagen. Mir selbst ist auch noch sehr in Erinnerung, wie frenetisch Gorbatschow nach seiner Rede gefeiert wurde. Die Gäste haben eine Minute lang geklatscht. Da hat man schon Gänsehaut bekommen. Haben Sie als Kosmopolit das Gefühl, dass Deutschland „cooler“ geworden ist, bei solchen Feierlichkeiten? Oder würde so etwas in England oder USA ähnlich ablaufen? Cool ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Aber es wurde ja sehr vieles in letzter Zeit in Deutschland gefeiert und die Atmosphäre ist spätestens seit der FußballWM 2006 lockerer geworden, finde ich. Da ist durchaus etwas dran. Was ist das nächste große Event in Ihrem Leben? In diesem Monat läuft noch meine große „Escape to Paradise“ Tournee durch Deutschland. Aber das wichtigste überhaupt: Mein Sohn feiert demnächst ersten Geburtstag. Das ist schwer zu toppen. n www.crescendo.de

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