crescendo Standard 2/2017

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Ausgabe 02/2017 April – Mai 2017

www.crescendo.de

schwerpunkt jung & ALT Wunderkinder und Künstlergreise – das Drama von Jugend und Reife in der Musik

dorothee oberlinger Die Star-Blockflötistin kann fast alles, und sie kann es grandios!

Andreas ­Ottensamer Der Klarinettisten-Clan: Wie man mit seinem eigenen Bruder Weltkarriere macht

B47837 Jahrgang 20 / 02_2017

Mit Beihefter Class: aktuell

soli deo gloria

vom 8. bis 21. Juni „Im Jahr der Reformation“ mit Isabelle Faust, Ragna Schirmer, Pablo Heras-Casado, Capella de la Torre, Katharina Bäuml u.a.


F E S T W O C H E N D E R A U TO S TA DT W O L F S B U R G I N 2 1 . A P R I L ― 2 1 . M A I 2 0 1 7

Stand: 23. Dezember 2016; Änderungen vorbehalten

FREIHEIT

KONZERTE

LESUNGEN & SCHAUSPIEL

Phronesis · Fabrizio Bosso Matt Bianco & New Cool Collective Andrea Motis & Robyn Bennett Jacky Terrasson & Stéphane Belmondo Vision String Quartet Novus String Quartet Mona & Rica Bard Nils Mönkemeyer · William Youn Quatuor Voce · Sharon Kam Trio Minetti Quartett

Sonja Beißwenger · Adam Benzwi Klaus Maria Brandauer · Margarita Broich Samuel Finzi · Sylvester Groth Corinna Harfouch · Philipp Hochmair Max Hopp · Burghart Klaußner Wolfram Koch · Maren Kroymann Dagmar Manzel · Claudia Michelsen Maria Schrader · Max Simonischek Peter Simonischek · Anna Thalbach Manfred Zapatka

WEITERE

TA N Z Ballet Preljocaj Nederlands Dans Theater I Vertigo Dance Company Israel Galván GöteborgsOperans Danskompani & Eastman

INFORMATIONEN:

0 8 0 0 2 8 8 6 7 8 2 3 8 O DER W W W. M OV I M E N TOS . D E

KULTURPARTNER:

# movimentos


p r o l o g

KÜNSTLERISCHER reifeGRAD

w i n fr i e d ha n u sch i k Herausgeber

Liebe crescendo-Leser, nach einem gemütlichen Abend mit schöner Musik ist einem derzeit oft nicht zumute. Da wütet ein skrupelloser Poltergeist durchs Weiße Haus, werden in Europa weiterhin Ängste geschürt und instrumentalisiert, Intoleranz kultiviert. Eine Frage, die dabei immer wieder eine Rolle spielt, ist die nach Reife: politischer Reife, moralischer Reife, auch emotionaler Reife. In unserem Schwerpunkt haben wir uns diesmal die Frage nach künstlerischer Reife gestellt und wie sie mit dem tatsächlichen Alter zusammenhängt. Auf der einen Seite begegnen wir einem überdrehten Wunderkind-Hype: Wie Aufziehpuppen werden uns junge Künstlerstars präsentiert, die für einige Wochen durch alle Medien und über alle Bühnen „geistern“, manchmal Beeindruckendes leisten, bevor sie so geräuschlos verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Auf der anderen Seite schätzen wir die „alten Hasen“, die reifen Mentoren und etablierten Koryphäen, die allein mit ihrem guten Namen jeden Konzertsaal füllen und sich aus unanfechtbarer Position wiederum der jungen Generation annehmen, lehrend, beratend, kritsierend. Aber was ist eigentlich mit den

Künstlern der „Mitte“? Wie erweckt oder erhält man Interesse, wenn der Jugend­ bonus verspielt ist, man aber noch nicht den Status eines Altmeisters erworben hat? Lesen Sie mehr darüber in unserem Themenschwerpunkt ab Seite 36. Mit Klarinetten-Star Andreas Ottensamer begegnen wir außerdem einer ganzen Familie talentierter Musiker, die genau deshalb so erfolgreich ist, weil es in ihrem Leben auch noch etwas anderes gibt als Musik (Seite 8). Lernen Sie anschließend die Blockflötistin Dorothee Oberlinger, ein Wunder des Multitaskings, näher kennen. Die gebürtige Aachenerin ist nicht nur Weltstar auf ihrem Instrument, sie ist auch Festivalleiterin, Dirigentin, Telemann-Botschafterin und Mutter (Seite 10). Und schließlich haben wir uns mit ­crescendo-Kolumnist und Star-Geiger Daniel Hope unterhalten, der sonst immer für uns mit spannenden Persönlichkeiten spricht. Gerade hat er Vivaldis berühmte Vier Jahreszeiten eingespielt – mutig, hat doch jeder eine prominente Referenzaufnahme davon im Ohr. Herzlichst,

F oto Tite l : K atja Ru g e / D ecca ; F e l i x B ro e d e

Ihr Winfried Hanuschik

Ihre Abo-CD? In der Premium-Ausgabe dieser Zeitschrift finden Sie an dieser Stelle die crescendo Abo-CD – eine exklusive Leistung unseres crescendo Premium-Abonnements. Darauf hören Sie die Musik zu den Artikeln, die im Heft rot gekennzeichnet sind. Eine Inspiration für Ihre Ohren! Mittlerweile ist bereits die 65. CD in dieser Premium-Edition erschienen. Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann testen Sie crescendo Premium! Die erste Ausgabe schicken wir Ihnen kostenlos. Dazu die crescendo Abo-CD. Ganz ohne Kaufverpflichtung. Bestellen Sie per Telefon: +49-(0)89-85 85 35 48, auf www.crescendo.de/abo. Info auf Seite 49.

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April – Mai 2017

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MAHLER SYMPHONIE NR. 9

„Für Mariss Jansons verstellt kein Klischee den Blick auf die Musik. Dafür hört man im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks so viele Stimmen wie sonst kaum irgendwo, die Transparenz geht bis auf den Grund.“ Abendzeitung, München

CD 900151

Mit einem großen Abgesang in Des-Dur beschließt Mahler seine visionäre Neunte Symphonie, die zwischen Resignation und Trost in Transzendenz verklingt. Dieses radikale Bekenntniswerk liegt jetzt als Aufnahme des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung seines Chefdirigenten Mariss Jansons vor.

Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de

8 andreas ­ottensamer Wie lebt es sich in einer ganzen Familie von ­K larinettisten? Mit Identifikation und Harmonie.

17 empfehlungen der redaktion Balsam für die Ohren! Das Frühjahr hält eine Fülle hörenswerter CD-Neuerscheinungen bereit

STandards

Künstler

hören & Sehen

08 a ndreas ottensamer Über das Musizieren mit seinem Bruder 10 dorothee oberlinger Die Blockflötistin ist ein Multitalent. 12 David Fray Klavierspielen bis an die Grenzen des Machbaren 14 daniel hope Kann man heute noch Vivaldis Vier Jahreszeiten neu erfinden?

17 DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 18 Attilas Auswahl Unser Chef-Rezensent entdeckt Newcomer und Legenden

03  Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor 06 Ouvertüre Ein Anruf bei ... Eike Grunert, ­Opernmanager 16 NEWS Pierre-Laurent Aimard, Heribert Germeshausen NACHRUF Nikolai Gedda 19 Impressum 26 R ätsel 50 Hope triffT … Dirk Dzimirsky, Maler Exklusiv nur in crescendo Premium Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulissen Blickfang Die Monster-Hand von Bregenz Ouvertüre Tabelle: Jung und alt Klassik in Zahlen

4 www.br-klassik.de

50 daniel hope Schockierend echt – unser ­Kolumnist und Geiger Daniel Hope trifft den ­hyperrealistischen Maler Dirk Dzimirsky.

Exklusiv nur in crescendo Premium Ein Kaffee mit … Erol Sander NEWCOMER: tobias feldmann Als Kind setzte er sich bewusst dem Druck von Wettbewerben aus roman trekel Gesangskarriere in der ehemaligen DDR François-Xavier Roth Wie man von der Arbeit mit mehreren Ensembles gleichzeitig profitiert

Exklusiv nur in crescendo Premium vinyl-schatz­truhe Das spektakuläre Comeback der LP U nerhörtes & Neu Entdecktes Quartett-Porträt deluxe trautonium Erst berühmt, dann vernachlässigt, dann vergessen – der Großvater des Synthesizers

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April – Mai 2017

F oto s: K atja Ru g e / D ecca ; K e v i n R i es e n e d e r ; M arco B o rgg r e v e

Pr o g ramm


F oto s: F e l i x B ro e d e; To u r i sm u s S a l zb u rg Gmb H

Die CD zum traditionellen TV-Osterkonzert der Wiener Symphoniker aus dem Goldenen Saal des Musikvereins Wiens

32 soli deo gloria Kraft in Gott finden! Das Braunschweiger Festival lässt die Reformation hochleben.

36 jung und alt Kinderstars, Künstlerreife und stilvoller Abgang. Wie altern Musiker? Und wie ihr Publikum?

41 reise & kultur Unser Themenspecial: Hier können Sie bildschöne Orte und Kultur gleichzeitig genießen.

erleben

SCHWERPUNKT

Lebensart

27 DIE WICHTIGSTEN TERMINE UND VERANSTALTUNGEN im frühjahr 32 soli deo gloria Das Festival feiert mit alten und neuen Klängen die Reformation 34 frauenkirche dresden 130 hochkarätige Veranstaltungen rund um Martin Luther

36 Ju ng und alt „Schon im Alter von …“ Erst Wunderkind, dann Mittelmaß. Von Chancen und Hürden des Alters 38 k ünstlerheim Ein erfüllter Lebensabend nach dem letzten Applaus? 40 seniorenresidenzen Wohin, um als Kunst­inte­ressierter auch im Alter bestmöglich zu leben?

41 reise & kultur Auf geht’s zu den schönsten Kulturreisezielen!

Exklusiv nur in crescendo Premium k it armstrong und alfred brendel Der Star und sein Mentor Lernen im Alter Als Erwachsener noch mit einem Instrument anfangen? m usikwett­ BEwerbe Freud und Leid von Musikwettbewerben für Kinder und Jugendliche Woher ­kommt eigentlich … … das Phänomen Wunderkind?

Exklusiv nur in crescendo Premium WEinkolumne John Axelrod über junge Wilde und alte Reife

Eine musikalische Reise durch Österreich mit Werken von Beethoven, Schönherr, R. Strauss, Ziehrer u.a. Ab sofort erhältlich als CD, Download & Stream.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 49

5 WEITERE INFORMATIONEN: WIENERSYMPHONIKER.AT


o u v e rt ü r e

Wir hatten keinen Etat, aber jede Menge Enthusiasmus! crescendo: Herr Grunert, Sie sind Jurist, aber vor 20 Jahren kamen fenster bei einem Mini-Festival, der Dresdner Theaternacht, gegeSie auf die Idee, Ihr eigenes Opernunternehmen zu gründen? ben. Wir bekamen die Kleine Szene der Semperoper für einen SamsJa, ich bin Rechtsanwalt, Partner in einer mittelständischen Kanzlei tagabend und einen halben Vorbereitungstag. Wir hatten keinen Etat in München. Zur Bühnenkunst kam ich im zarten Alter von 16 Jah- für Gagen, keinen Etat für Bühnenausstattung, keinen Etat für gar ren, als ich mit meinen Freunden im evangelischen Gemeindehaus nichts. Aber wir hatten engagierte Leute, einen tollen Regisseur, fanBad Tölz eine Theatergruppe gründete, in der ich auch selbst mit- tastische Sänger und Instrumentalisten. Wir haben uns eine Woche in der Münchner Musikhochschule zuspielte. Schon diese Theaterstücke hatten immer sehr viel mit Musik zu tun. sammengesetzt, mit dem Ziel, ein paar Wir haben Klassiker der Moderne mit Kernszenen aus Monteverdis Die KröMusik garniert und als Potpourri aufgenung der Poppea zu proben. Am Ende der Woche hatten wir das ganze Stück führt. Aus dieser Gruppe hat sich Ende durchinszeniert. Das war ein großer Erder 90er-Jahre ein Opernensemble entwickelt. Damals war ich halbfertiger Jufolg, reduziert auf das Wesentliche: die Story auf sieben Personen eingedampft, rist, war kein Sänger, kein Instrumentamit einem flexiblen Bühnenbild, das in list und bin erst mal ausgestiegen. Nach einen halben VW-Bus passte. einiger Zeit kamen die anderen GrupDas ist euer Charakterisikum gebliepenmitglieder zu mir und sagten: „Uns fehlt jemand, der uns organisiert, Geld ben? besorgt, uns eine Struktur gibt. Willst du Geblieben ist der Spirit, mit den vorhanunser Manager sein?“ denen Möglichkeiten etwas zu machen. Das hat gleich funktioniert? Nicht darauf zu warten, dass man einen Nein. Ich hatte ja noch gar keine ErfahSponsor oder eine große Institution im Rücken hat, die einem das feinsäuberrung in dem Bereich. Ich war gerade mit Dieser Moment, wenn nach zwei Jahren Arbeit meinem juristischen Staatsexamen an lich finanziert. Allerdings haben wir uns ein Gesamtkunstwerk geboren wird! Eike der Universität Passau fertig und habe extrem weiterentwickelt. Bei Poppea haGrunert ist Opernmanager aus Passion meine Promotion zu einem Urheberben wir ein kleines Video produziert, mit rechtsthema – also auch im Theaterbereich – vorbereitet. Ich über- dem ich Klinkenputzen gegangen bin. Nach zwei Jahren konnten legte mir, dass ich verschiedene Freunde, Bekannte und andere ver- wir sie dann in einer kleinen Tournee mit sieben Gastspielen in ganz Deutschland wiederaufführen. Da hat das Geld schon für ganz ausnetzen muss, um voranzukommen. Und dabei kam die Spezialisierung auf Barockoper? kömmliche Gagen gereicht, für Fahrtkosten – die Ausstattung war Von künstlerischer Seite aus kam das Ensemble aus Nikolaus Har- immer noch ziemlich spartanisch. Über die Jahre kamen sieben Prononcourts Meisterkursen für historische Aufführungspraxis, wo sich duktionen dazu. Je mehr Erfolg wir im Gastspielmarkt hatten, das die heute noch maßgeblichen Mitglieder kennengelernt haben. Also heißt auch die Produktionskosten auf mehreren Schultern verteilen sagten wir uns: Wir versuchen es einfach mal mit Barockoper. Mei- konnten, desto üppiger ist das Ganze geworden. Wir machen derne Überlegung war: Wo kann man das anbieten, wo es so was noch zeit etwa alle zwei Jahre eine Neuproduktion im Cuvilliés-Theater nicht gibt? In Dresden gab es 1999 eine Theatermesse, wo wir hin- München mit anschließender Gastspieltournee. Inzwischen haben gegangen sind und einige Ausschnitte aufgeführt haben. Und wir wir eine recht konstante Sängerbesetzung und brauchen kaum noch haben festgestellt, dass es auf dem Gastspielmarkt kaum Ensembles Castings. Für die Zukunft wünschen wir uns unter anderem, noch Monteverdis schwer zu besetzenden Ulisse zu realisieren, denn dann gibt, die professionell Barockopern anbieten. hätten wir zusammen mit Poppea und Orfeo seinen Opernzyklus Und dieses Konzept hat funktioniert? Es war ein langer und steiniger Weg. Ein Freund hat uns ein Zeit- komplett. Interview: Maria Goeth

N e wst i ck e r Anna Netrebko ist „Österreichische Kammersängerin“: Am 16. Februar wurde die 45-jährige Sopranistin in der Wiener Staatsoper mit dem Ehrentitel gewürdigt. +++ Archivschätze: Das Schweizer Label Divox öffnet mit Unterstützung von Solo Musica sein Archiv und bringt unter anderem das legendäre Japan-Konzert von Svjatoslav Richter zum 125-jährigen Jubiläum von Sergei Prokofjew heraus. Weitere audiophile Schätze sind ab sofort wieder erhältlich. +++ Musikstudium weiterhin heiß begehrt: Die Zahl der Musikstudierenden in Deutschland ist erneut gestiegen. Im Wintersemester 2015/16 waren rund 33.500 Studierende an einer Musikausbildungsstätte in Deutschland immatrikuliert, ein neuer Höchststand! +++ Info-Portal Kirchenmusik: Das Deutsche Musikinformationszentrum hat ein neues InternetPortal zum Thema Kirchenmusik angelegt, das viele Fragen zu Gesang, Instrumentalmusik und Tanz in den Religionen beantwortet: ­ ­themen.miz.org/kirchenmusik 6

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April – Mai 2017

F oto: M ar i a G o e th

Ein Anruf bei Eike Grunert, der vor 20 Jahren mit „Così facciamo“ sein eigenes Opernunternehmen gründete – ganz nebenbei. Im „richtigen“ Leben ist der gebürtige Bremer Rechtsanwalt.


Aktuelle

NEUHEITEN bei Sony Music

Jonas Kaufmann Das Lied von der Erde

Benjamin Appl Heimat

Mahlers Meisterwerk in

Der junge deutsche Bariton,

einer bemerkenswerten

„Gramophone Young Artist of

Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern aus dem

the Year“, singt Lieder zum Thema Heimat von Schubert,

Wiener Musikverein. Jonas

Brahms, Britten, Reger u.a.

Kaufmann singt beide

Ihn begleitet James Baillieu

Gesangspartien des Stücks.

am Piano.

Erhältlich ab 7.4.

Dorothee Oberlinger Rococo Mit ihrem Ensemble 1700 unternimmt die

Christian Gerhaher & Martin Walser Die schöne Megalone Brahms’ Liederzyklus

vielfach ausgezeichnete

mit Christian Gerhaher,

Flötistin eine spannende

begleitet von Gerold Huber.

musikalische Reise an den Berliner Hof zur Zeit Friedrich des II.

Martin Walser liest dazu seine eigene Bearbeitung von Tiecks Magelone-Text.

Khatia Buniatishvili Rachmaninoff Klavierkonzerte Nr. 2 & 3

David Orlowsky Trio Paris · Odessa

ECHO Klassik-Preisträgerin

von Paris nach Odessa mit

Khatia Buniatishvili spielt

einer abwechslungsreichen

mit der Tschechischen Philharmonie unter Paavo

Eine musikalische Reise

Mischung aus Klezmer, Jazz und Klassik.

Järvi die beiden Klavierkonzerte von Rachmaninoff.

Sonya Yoncheva Händel Yoncheva präsentiert

RIAS Kammerchor Capella de la Torre Da Pacem

Barock-Arien starker

Der RIAS Kammerchor und

Frauen aus Opern und Oratorien von Händel. „Sie nutzt die reiche Palette ihrer dunkelsamtigen ... Stimme, um Seelenbilder von berückender Schön-

das „Ensemble des Jahres“ (ECHO Klassik) spüren der Reformation nach. Mit Werken von Schütz, Monteverdi, Praetorius u.a.

heit zu malen“ FAZ

www.sonyclassical.de

www.facebook.com/sonyclassical


k ü n st l e r

Klarinetten-Clan ­ Sie tun es alle: Papa und die zwei Brüder. Bei Ottensamers aus Wien greift jeder zum geschmeidigen Rohrblattinstrument. Und das, obwohl oder gerade weil es in der Familie auch etwas anderes gibt als die Musik.

W

as man in die Wiege gelegt bekommt, ist Schicksal. Was man daraus macht, eine Frage von Talent und einer Portion Glück. Bei Andreas Ottensamer ist diese Mixtur vollendet aufgegangen. Mit seinen 27 Jahren ist der agile Klarinettist längst im Olymp der Klassikszene angekommen und hat es darüber hinaus geschafft, gleich in verschiedenen Bereichen parallel Karriere zu machen. Seit März 2011 ist er Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, außerdem tourt er als Solist durch die Welt und schätzt das Musizieren in hochkarätig besetzten Kammermusik-Ensembles. 8

F oto: K atja Ru g e / D ecca

v o n D o r o t h e a W a l ch s h ä u s l

Ein Tag Anfang Februar in Wien. Andreas Ottensamer ist hier aufgewachsen und kehrt regelmäßig in seine alte Heimat zurück. Der hochgewachsene junge Mann mit den dunklen Haaren, den glatten Gesichtszügen und dem athletischen Gestus kommt knapp, eilt durch die verwinkelten Gänge des Künstlertrakts des Wiener Konzerthauses und lässt sich schließlich auf ein Sofa in der Kantine fallen. Seinem Aussehen nach könnte er Profisportler sein, Model oder beides gleichzeitig. Am Vorabend hat er im Musikverein Mozarts Klarinettenkonzert interpretiert, heute stehen die Proben für die nächsten Konzerte an. www.crescendo.de

April – Mai 2017


Nicht nur Andreas Ottensamer, auch seine gesamte Familie ist später als Mannheimer Schule in die Musikgeschichte einging. ein musikalisches Phänomen. Während die Mutter Cecilia Ottensa- Gleich einem musikalischen Experimentierlabor kamen hier Dirimer als Celloprofessorin am Konservatorium in Wien unterrichtet, genten, Komponisten, Solisten und Orchestermusiker zusammen. sind sowohl der Vater als auch die beiden Söhne als Soloklarinettis- Oft füllten sie in Personalunion gleich mehrere Rollen gleichzeitig ten in großen Orchestern tätig, Ernst und Daniel Ottensamer bei aus und inspirierten sich gegenseitig zu bis dato ungehörten komden Wiener Philharmonikern und beim Orchester der Wiener positorischen Neuerungen. Es muss eine umtriebige Werkstatt­ Staatsoper, Andreas Ottensamer bei den Berliner Philharmonikern. atmosphäre geherrscht haben in diesen Jahren, in der nichts verboDreimal Klarinette, dreimal musikalische Top-Liga. Was klingt wie ten war und kaum etwas spannender als die neueste Schöpfung des eine statistische Unwahrscheinlichkeit, ist bei genauerem Blick gar Kollegen, die es zu interpretieren, zu kommentieren und zu übernicht so verwunderlich. „Ich denke, man distanziert sich bewusst trumpfen galt. An­dreas Ottensamer hat diese Zeit schon immer fasvon dem, was die eigenen Eltern machen, oder man identifiziert ziniert, nicht zuletzt deshalb, weil sie als Geburtsstunde der Klarisich sehr damit“, so Andreas Ottensamer. Bei ihm und seinem Bru- nette gesehen werden kann – so, wie wir sie heute kennen. „Das war der war offensichtlich Letzteres der Fall. Das lag womöglich auch eine ganz entscheidende, irrsinnig kreative und fruchtbare Zeit“, so daran, dass die Musik zwar selbstverständlicher Teil ihrer Kindheit Ottensamer. Die Werke der Mannheimer Schule seien dabei sehr war, aber nie alleiniger Lebensinvielfältig. Davon zeugen auch die halt. „Meine Kindheit war gefüllt Stücke auf „New Era“ wie das „Bei aller Vorsicht vergessen wir mit vielem, auch mit sehr viel Klarinettenkonzert in B-Dur von Sport“, sagt Ottensamer. GleichJohann Stamitz oder Franz Dan­gerne, dass Mozart eigentlich eine zeitig war die Musik für ihn zis Concertino für Klarinette, richtige Wildsau war“ immer präsent, doch nicht als Fagott und Orchester in B-Dur, etwas künstlich Aufgezwungedie Ottensamer mit zahlreichen nes, das er als Belastung von Manierismen verziert und mit außen empfunden hätte. Stattdessen waren die Kinder ständig der ihm eigenen Lebendigkeit und Wärme im Klang betörend in umgeben von Klängen und Harmonien, und sobald sie selbst die Szene setzt. Mal finden sich noch Anklänge an barocke Kompositiersten Töne auf einem Instrument beherrschten, machten sie mit onstechniken in den Schöpfungen der Mannheimer Schule, gleichihren Eltern zusammen Kammermusik. „Das war natürlich sehr zeitig reicht ihr Spektrum aber auch bis in die frühen Mozartopern motivierend und hat viel Spaß gemacht“, so Ottensamer. hinein. Zuerst spielte der Heranwachsende auf dem Cello und dem Überhaupt Mozart: In Mannheim hat der Salzburger KompoKlavier. Beides tat er gerne und mit Erfolg, doch mit zwölf reizte ihn nist zum ersten Mal die Klarinette gehört und ihr fortan einen dann das Instrument seines Vaters und Bruders. Eine folgenschwere Ehrenplatz in seinen Werken eingeräumt. Von der innigen Liebe, Wahl. „Mit der Klarinette ging sehr schnell sehr viel vorwärts“, die er mit ihrem besonderen Klang verband, erzählt nicht zuletzt erzählt Ottensamer, und so wurde sie alsbald zu seinem Hauptinst- sein Klarinettenkonzert. Seit seiner Entstehung ist es zu einem rument: „Die Tongebung, die singenden Linien, der frei schwin- Schlüsselwerk der Klarinettenliteratur geworden, bei dem das gende Ton … das alles ist sehr faszinierend. Und dann ist da diese schlanke, schwarze Instrument mit dem schwingenden Grundton mysteriöse Klangfarbe, bei der man manchmal im Orchester erst und der singenden Melodiestimme in seiner ganzen Farbigkeit präkaum weiß, welches Instrument nun gerade eigentlich spielt. Das ist sentiert wird. Mozart ist für Ottensamer ein lebenslanger Begleiter, immer wieder ein Gänsehautmoment für mich.“ und auch auf „New Era“ sind zwei Werke von ihm vertreten. Bei der Für Gänsehaut mal drei sorgt er seit 2005 zusammen mit sei- Annäherung an die Schöpfungen der Klassikgröße dürfe man sich nem Vater und seinem Bruder. Seit mittlerweile zwölf Jahren treten laut Ottensamer allerdings nicht von zu großen Skrupeln leiten lassie als Klarinettentrio The Clarinotts auf, eine familiäre und musika- sen. „Bei aller Vorsicht vergessen wir gerne, dass Mozart eigentlich lische Einheit, der bereits etliche Werke gewidmet wurden und eine richtige Wildsau war. Seine Musik ist Oper pur, sie quillt über deren Homogenität im Spiel außergewöhnlich ist. Für Ottensamer vor lachender Virtuosität und freier Sanglichkeit. Das ist unglaubmacht es einen riesigen Unterschied, ob er mit Familienmitgliedern lich lebendig und darf auch so gespielt werden.“ Erlebt man An­dreas spielt oder mit anderen Musikern. „Es gibt nichts Innigeres, nichts Ottensamer mit Mozarts Klarinettenkonzert, wird deutlich, was er Harmonischeres als das Musizieren in einer Familie. Das kann man meint. Federnd und leichtfüßig, hintersinnig und mit brillanter Virmit nichts vergleichen. Man kennt sich einfach wahnsinnig gut und tuosität lässt er das Stück strahlen, bevor er der Musik in der nächsversteht sich intuitiv“, so der Musiker. Oft ahne sein Bruder bereits ten Wendung innigen Schmelz und tiefe Melancholie entlockt. Es ist eine Millisekunde vorher, was er gleich tun werde. Da brauche es diese farbenreiche Klangpalette, die spielerische Leichtigkeit ohne keine Abstimmung und keine vielen Worte. Das sei einfach „sehr, jeden Druck und nicht zuletzt seine reife und hochsensible Intersehr schön“. pretationsgabe, mit der Andreas Ottensamer als Solist wie als KamAuf seinem jüngst erschienen Album mit dem Titel „New Era“ mer- und Orchestermusiker die Säle füllt, die Ohren öffnet und begibt sich Andreas Ottensamer zusammen mit der Kammerakade- Herzen bewegt. „Diese Gesamtheit macht großen Spaß, und ich mie Potsdam und zwei seiner Kollegen bei den Berliner Philharmo- hoffe, dass es so weitergeht“, sagt Ottensamer. Dann grinst er zufrienikern, dem Oboisten Albrecht Mayer und dem Flötisten Emma- den und schwingt sich vom Sofa. Die nächste Probe beginnt. ■ nuel Pahud, nun auf Zeitreise nach Mannheim Mitte des 18. JahrAndreas Ottensamer: „New Era“, Stamitz, Danzi, Mozart, Kammer­ hunderts. Damals regierte dort der Kurfürst Karl Theodor und legte akademie Potsdam, Emanuel Pahud, Albrecht Mayer (Decca) ein besonderes Augenmerk auf die Mannheimer Hofkapelle, ein Termine: 19., 20., 22.03. Bremen Die Glocke; 11.05. München Prinzregen­ exzellentes Orchester, das zum klingenden Symbol seiner Macht tentheater; 13.05. Ravensburg Konzerthaus; 16.05. Berlin Konzerthaus und Strahlkraft werden sollte. Ausgehend von diesem herausragend besetzten Ensemble entwickelte sich ein agiler Musikerkreis, der 9


k ü n st l e r

MultitaskingWunder ­ Es gibt Menschen, die haben Energie für zehn. Dorothee Oberlinger ist nicht nur eine der weltweit führenden Blockflötistinnen, sie leitet auch Festivals, kommuniziert, unterrichtet, dirigiert und kümmert sich um ihre Familie. v o n K a t h e r i n a K n e e s

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Pressesprecherin“, schmunzelt Dorothee Oberlinger. „In der Rezeptionsgeschichte ist ihm nicht immer Gutes widerfahren. Zu Lebzeiten war er der berühmteste deutsche Barockkomponist, und nach seinem Tod hat das sehr schnell abgenommen. Heute ist er zwar rehabilitiert und wird wieder relativ oft gespielt, aber trotz alledem schadet es ihm nicht, wenn man ihm noch mal ’ne Extraladung PR gibt.“ Dorothee Oberlinger hat selbst viele Werke aus Telemanns Feder eingespielt und sich intensiv mit ihm als vielseitig begabte Künstlerpersönlichkeit auseinandergesetzt. Wenn sie über den Komponisten spricht, klingt es manchmal so, als würde sie über einen Freund reden: „Ich glaube, wir hätten uns gut verstanden. Ich habe seine Autobiografien gelesen, in denen er über sich selbst schreibt, über seinen Werdegang als Autodidakt. Das gibt viel Aufschluss über die Person. Er beschreibt, wo er gespielt hat und welche Instrumente er gelernt hat, von der Tenorposaune über die verschiedenen Flöten. Blockflöte, Querflöte und auch Oboe, und er hat zum Teil in seinen Opern selbst gesungen. Telemann war ungeheuer vielfältig, aufgeschlossen und wissbegierig – aber eben Autodidakt. Als Komponist und auch als Instrumentalmusiker und Sänger.“ Dorothee Oberlinger würdigt Telemann, indem sie viele seiner Kompositionen spielt, zum Beispiel in seiner Geburtsstadt Magdeburg, bei ihrem Festival im hessischen Bad Arolsen oder in Hamburg. Dort tritt Oberlinger mit ihrem eigenen Ensemble 1700 auf, mit dem sie sich bei den Tagen Alter Musik in Herne im letzten Jahr in ein neues musikalisches Abenteuer gestürzt hat, als sie zum ersten Mal die Blockflöte beiseitelegte, um bei der Oper Lucio Cornelio Silla von Georg Friedrich Händel als Dirigentin am Pult zu stehen. Ganz ohne das geliebte Instrument ging es aber doch nicht: Zwischendurch wiegte sie mit warmen, weichen Flötentönen höchstpersönlich den grausamen Diktator auf der Bühne in den Schlaf. Auf die Frage, was von allen ihren vielseitigen Verpflichtungen, Aufgaben sie unter keinen Umständen aufgeben würde, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Selber spielen. Daran hängt mein Herz immer noch und für immer am meisten!“ ■ Dorothee Oberlinger, Ensemble 1700: „Rococo, Musique à Sanssouci“ (dhm) Termine: 13., 14.03. Graz (A), Minoritensaal; 18., 19.03. Rügen, Festspielfrüh­ ling; 26.03. Köln, Philharmonie; 05.04. Salzburg (A), Mozarteum; 15.04. Gotha, Margarethenkirche; 22.04. Zerbst, Rathaus; 23.04. Muldestausee OT Burgkemnitz, Barockkirche; 05.05.München, Herkulessaal; 20.05. Göttingen, Stadthalle www.crescendo.de

April – Mai 2017

F oto s: H e n n i n g Ro ss

Dem weiblichen Geschlecht wird ja gerne ein Geschick in Sachen Multitasking attestiert. ­Dorothee Oberlinger stellt diese Fähigkeit jeden Tag unter Beweis, sowohl an ihrem privaten Wohnort Köln als auch in Konzertsälen überall auf der Welt oder in Salzburg, wo sie am Mozarteum unterrichtet. Von der Probe geht’s ins Tonstudio, aufs Unterrichten folgt ein Festivalplanungsgespräch. Schnell noch das Design fürs neue Album mit dem Ehemann besprechen und Söhnchen David küssen, dann weiter zum Konzert … Immer mit dabei ist die Blockflöte, von der Dorothee Oberlinger mit ungebremster Begeisterung erzählt: „Ich hatte immer den Drang zu üben und etwas auszuprobieren. Ich hab mir selber Zungentechniken beigebracht und die Stücke ausgesucht. Man musste mich nie daran erinnern, dass ich üben muss. “ „Selber Stücke raussuchen“, das macht Dorothee Oberlinger immer noch gerne, darum spielt sie nicht nur als Solistin Konzerte, sondern hat 2008 die künstlerische Leitung der Arolser Barock-Festspiele übernommen, momentan winkt mit dem Amt der künstlerischen Leitung der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci noch eine weitere planerische Aufgabe. „Ich programmiere wahnsinnig gerne, denke mir genreübergreifende Konzepte aus oder entwickele Visionen, die ruhig auch mal ein bisschen verstören dürfen. Die Musik soll schließlich kein reines Wellnessprogramm sein, sondern kann auch mal nachdenklich machen.“ Seit 2004 vermittelt Dorothee Oberlinger als Professorin am Mozarteum Salzburg ihren Studenten ihre Begeisterung für die Flöte und ihre Vorstellung von inspirierten musikalischen Ideen. Mittlerweile ist sie dort auch Leiterin des Instituts für Alte Musik und erste stellvertretende Leiterin des Instituts für Neue Musik. Diesen musikalischen Spagat empfindet die Flötistin als sehr erfrischend. Denn auch auf der Konzertbühne lässt sich die Expertin für Alte Musik gerne auf Experimente mit neuen Klängen ein, mischt ohne Berührungsangst Orient und Okzident, Alte Musik und zeitgenössische Musik, Tradition und Moderne, Komposition und Improvisation. Dieses Jahr kann Dorothee Oberlinger ihr kommunikatives Talent als leidenschaftliche Netzwerkerin bei einer weiteren neuen Aufgabe besonders intensiv ausleben. Die internationale TelemannGesellschaft Magdeburg hat die Flötistin an der Seite von Reinhard Goebel zur Botschafterin des Telemannstädte-Netzwerks ernannt, um im Kontext von Georg Philipp Telemanns 250. Todestag möglichst viele seiner Kompositionen aufzuführen – und vor allem auch, um viel über ihn zu sprechen. „Ein bisschen bin ich nun Telemanns



k ü n st l e r

F oto: Pao lo Rov e rs i / War n e r C l ass i cs

Klavierspiel am Limit ­ Träumen, singen, sprechen – der französische Pianist David Fray stellt hohe Ansprüche an sein Klavierspiel. Auf seinem neuen Chopin-Album konfrontiert er sich mit seinen eigenen Grenzen. v o n M EI K E K A TRIN STEIN

crescendo: Herr Fray, 2006 sind Sie bei einem Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen kurzfristig für die erkrankte Pianistin Hélène G ­ rimaud eingesprungen. Mit diesem Konzert wurden Sie schlagartig international berühmt. Wie haben Sie Konzert und Vorbereitungen erlebt? David Fray: Das war sehr spannend, ich erinnere mich noch gut daran. Ich wurde nur wenige Tage vorher angefragt, quasi in letzter Minute. Eines der beiden geplanten Klavierkonzerte hatte ich noch nie zuvor gespielt und erarbeitete es mir in diesen wenigen Tagen. Ich lernte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen kennen, mit der ich bis heute gerne zusammenspiele. Außerdem war es das erste Konzert, das ich mit Orchester, aber ohne Dirigenten spielte. Eine sehr stressige, aber überaus aufregende Erfahrung. Auf Ihrem neuen Album widmen Sie sich der Musik Frédéric Chopins. Was ist das Besondere daran? Chopins Musik ist unglaublich reich an Klangfarben und „gesungenen“ Melodien, was eine große Herausforderung für mich war. Dazu kam noch, dass ich seit fast 15 Jahren keinen Chopin mehr gespielt hatte. Zu Beginn meiner Karriere dachte ich, ich könne 12

mein Leben lang musizieren, ohne je wieder ein Werk von Chopin zu spielen. Aber eines Tages hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich diese Musik wieder brauche, dass ich sie spielen muss. Es hat sich einfach richtig angefühlt. Um ein guter Chopin-Interpret zu sein, sollte man einerseits ein guter Bach-Interpret, andererseits ein geübter Opernsänger des Belcanto sein. Die Melodien bei Chopin sind ­eindeutig vom Belcanto beeinflusst, in Ausdruck, Verlauf und Rubato. Ich wollte diese beiden Elemente verbinden. In Chopins Musik sind die Dinge, die man nicht hört, am wichtigsten. Es ist unglaublich spannend, wenn die rechte und die linke Hand nicht exakt zusammenspielen, sondern manchmal ganz leicht auseinanderdriften. Was man dann spürt, fühlt sich für mich an wie ein Wunder: Es könnte zusammenpassen, ist im Bereich des Möglichen, aber es läuft ganz leicht auseinander. Wie weit können sich die beiden Hände voneinander entfernen? Es ist ein Klavierspiel am Limit. Wie die beiden vorherigen haben Sie Ihr aktuelles Album in der Kathedrale Notre-Dame du Liban in Paris aufgenommen. Bereichert die Akustik dort Ihre Interpretation? Der Klavierklang hat in dieser Kathedrale eine einzigartige www.crescendo.de

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Historische Kuranlagen & Wärme, und die Atmosphäre finde ich sehr inspirierend. Mein gesamtes Spiel dreht sich um Resonanz und Klang. Ich verwende sehr viel Pedal – nicht, um den Ton länger klingen zu lassen, sondern um ein kleines Echo zu schaffen. Dadurch bin ich auch nicht vollkommen abhängig von dem Raum, in dem ich spiele, sondern kann mit dem Instrument an sich schon einen kleinen Nachhall kreieren. Auch bei Werken von Bach verwende ich Pedal, aber immer nur kurz. In der Kathedrale Notre-Dame du Liban muss ich das nicht machen, da ist dieser kleine Nachhall von selbst mit dabei. Es heißt, dass Sie den Pianisten Wilhelm Kempff als Ihr Vorbild betrachten. Was inspiriert Sie an ihm? Ich bewundere seine Art, durch das Klavier zu singen. Sein Klavierspiel hat eine Stimme: Es spricht wirklich, es singt wirklich. In jedem Konzert, das ich gebe, versuche ich, die Töne singend zu spielen, sogar schnelle, kurze Noten. Die Farben, die Wilhelm Kempff mit seinem Klavierspiel zum Leben erweckt, sind fantastisch. Er ist ein „Träumer“. Ebenso wie Radu Lupu. Während er spielt, träumt er und lässt dabei gleichzeitig die Zuhörer an seinen Träumen teilhaben. Das ist meiner Meinung nach das Beste, was man als Pianist erreichen kann. Welche Musik hören Sie in Ihrer Freizeit? Meine Frau und ich hören vor allem gerne Gesang. Im letzten Monat war ich ein richtiger „Monomaniac“ und habe fast nur Interpretationen der Sopranistin Arleen Augér angehört. Sie war eine fantastische amerikanische Sängerin, und ihre Phrasierungen und ihr Legato sind einmalig. Sängerinnen und Sänger sind völlig eins mit ihrem Körper und ihrem Atem. Rein theoretisch kann ein Pianist, wenn er will, spielen, ohne zu atmen. Das ist zwar nicht gesund, aber für kurze Zeit zumindest möglich. Für einen Sänger ist das unmöglich. Meiner Meinung nach ist beim Klavierspiel das Singen ebenso wichtig wie das Sprechen. Man muss zu den Leuten sprechen, ihnen eine Geschichte erzählen. Da sind wir wieder beim Träumen. Mit meinem Klavierspiel möchte ich das Publikum träumen lassen und ihm eine Geschichte erzählen. Schon Robert Schumann wollte musi­kalisch Geschichten erzählen: Seine Märchenbilder op. 113, Märchenerzählungen op. 132 und Kinderszenen op. 15 machen das deutlich. Die Tendenz geht dahin, dass immer weniger junge Leute klassische Konzerte besuchen. Warum? Ich habe das Gefühl, dass dieses Problem von zwei Dingen herrührt. Erstens lernen viele Kinder klassische Musik in der Schule erst richtig im Alter zwischen elf und 15 Jahren kennen. Das ist das falsche Alter dafür. Kinder sollten klassische Musik schon in den ersten Schuljahren, etwa bis zu ihrem zehnten Lebensjahr, kennenlernen. In diesem Alter sind sie noch deutlich aufgeschlossener und flexibler. Das Zweite sind die Medien. Sie sind mit dafür verantwortlich, den Menschen klassische Musik näherzubringen. Das kulturelle Erbe, die Geschichte der Musik eines Landes, darf nicht in Vergessenheit geraten. Wenn es eine harte Trennung zwischen den Menschen und ihrer Geschichte gibt, geht die Musikkultur der vergangenen Jahrhunderte verloren. Ich hoffe, dass die Medien sich ihrer Verantwortung für die Vermittlung dieses kulturellen Erbes bewusst werden. Es geht nicht nur um Unterhaltung, sondern auch um die kulturelle Vergangenheit. Kultur, Musik und Literatur definieren ein Land. Die Macht der Medien wird immer stärker. Sie sollte für etwas Wertvolles eingesetzt werden. ■ David Fray: „Chopin“ (Erato) Termine: 09.03. Köln, Philharmonie; 10.03. Bielefeld, Rudolf-­Oetker-Halle; 11.03. Düsseldorf, Tonhalle; 28.04. Coesfeld; 14.05. München, Prinzregententheater; 13.07. Hohenems (A), Markus-Sittikus Saal

Goethe-Theater Bad Lauchstädt

GOETHES SÄCHSISCHES ARKADIEN Theatersommer 2017 23. April - 29. Oktober Goethe-Theater Bad Lauchstädt HÖHEPUNKTE 23. April

KONZERT Deutsche Streicherphilharmonie 24./25. Juni | Mozart COSÌ FAN TUTTE | Oper Halle 1. Juli | KLAVIERABEND Ragna Schirmer 8./9. Juli Lortzing DER WILDSCHÜTZ | Theater Magdeburg 29./30. Juli Cimarosa DIE HEIMLICHE HEYRATH CONCERT ROYAL Köln | Regie: Philipp Harnoncourt 27./28. August Mozart DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL L‘arte del mondo

Eintrittskarten www.goethe-theater.com Besucherzentrum: Tel. 034635 905472 besucher@goethe-theater.com

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Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH Parkstraße 18 | 06246 Goethestadt Bad Lauchstädt


k ü n st l e r

Ein Mann für jede ­Jahreszeit

Daniel Hope greift neben dem Geigenbogen auch gern zu Stift oder Radiomikrofon

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Daniel Hope spielt Geige in der Top-Liga. Daneben ist er ­passionierter Musikvermittler, neugieriger Beobachter anderer Künste und beliebter crescendo-Kolumnist.

F oto: ti b o r b ozi

v o n T e r e s a P i e s chac ó n Ra p ha e l

Herr Hope, Sie sind oft auch als Kolumnist für crescendo unterwegs. Was mögen Sie lieber: Fragen zu stellen oder auf Fragen zu antworten? Ich mag es, über Musik zu sprechen. Die größte journalistische Aufgabe ist derzeit meine Radiosendung jeden Sonntag auf WDR 3. Ich liebe es, Stücke zu präsentieren, Drehbücher für Musikkonzepte zu entwickeln, mit Musikern, aber auch mit Schauspielern zu arbeiten. Was fällt Ihnen als Sohn eines Schriftstellers leichter: zu schreiben oder zu spielen? Beim Schreiben kann man lange überlegen, immer wieder Korrekturen vornehmen, sich viel Zeit lassen. Beim Geigespielen muss alles stimmen, besonders, wenn man einen Auftritt hat. Dann geht es in jeder Sekunde quasi „um Leben oder Tod“. Es gibt aber durchaus Parallelen. Man muss sowohl beim Musizieren als auch beim Schreiben einen Rhythmus finden. Was halten Sie von denen, die über Sie schreiben? Ich bin immer interessiert an anderen Meinungen, solange sie fundiert sind. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Musik im Vordergrund steht, dann freue ich mich. Aber es gibt auch Artikel, die weder Hand noch Fuß haben. Als ich aufgewachsen bin und in den 70er- und 80er-Jahren die Rezensionen großer Kritiker gelesen habe, war das ungeheuer spannend. Es gab Verrisse wie auch Lob, aber vor allem haben diese Kritiken immer informiert: informiert über Musik. Gute Kritiker sind leider selten geworden ... Ist es in Zeiten von twitternden Präsidenten, Shitstorms im Internet und „politisch korrekter“ Hysterie heute schwieriger, ein Mensch der Öffentlichkeit zu sein? Man muss heute aufpassen, was man und wie man was sagt. Das merken Politiker genauso wie Musiker. Alles vervielfacht sich medial explosionsartig. Das hat aber auch den Effekt, dass Menschen, die gerne etwas auf Twitter schreiben, ihre Millionen Follower viel einfacher in eine Richtung drängen, gar manipulieren können. Die Plattform ist so mächtig geworden. Und wenn Sie gerade von twitternden Präsidenten sprechen … Trump hat sich gesagt: Ich brauche die Presse nicht mehr, ich spreche persönlich mit dem Volk, eben über Twitter. So etwas hat die Presse in den USA noch nie erlebt. Es ist ein Weckruf an alle Journalisten. Die waren ja immer so stolz darauf, die „vierte Gewalt“ zu sein. Ja. Die jetzige Situation ist extrem instabil. Fakten können oft nicht mehr überprüft werden, es gibt sogar eine neue Floskel für falsche Behauptungen: „alternative Fakten“. Natürlich können Journalisten Fehler machen, aber das ist trotzdem selten. Wenn keine Differenzierung mehr stattfindet, halte ich das für besonders gefährlich. Von Ihnen wissen wir sehr viel, dank Ihrer Bücher. Haben Sie nicht die Sorge, dass dies von Ihren Interpretationen ablenkt? Gute Frage. Für mich war es wichtig, etwa in meinem Buch „Familienstücke“, herauszufinden, wer ich wirklich bin. Es ist mir dadurch auch gelungen, unterzutauchen und zu verstehen, woher ich komme. Der Hörer muss natürlich allein entscheiden, wie er darüber denkt. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Ihre Mutter nicht den Job bei Yehudi Menuhin, sondern beim Erzbischof von Canterbury angenommen hätte, bei dem sie sich auch beworben hatte? Oh, ich hoffe, ich wäre dennoch Geiger geworden. Natürlich war

das ja ein derart kurioser Zufall, dass ich in die Kreise um Yehudi Menuhin kam. Aber ich bin unendlich dankbar dafür. Andernfalls wäre mein Weg sicherlich etwas anders verlaufen. Als Primas der anglikanischen Kirche, der britische Häupter krönt? Das hätte nicht gepasst. Ich bin nämlich als Katholik getauft und als Protestant konfirmiert worden, größtenteils aber auch jüdischen Glaubens. Religionen interessieren mich sehr, ich will wissen, was sie den Menschen bedeuten, von der Renaissance an bis heute. Zudem ist Spiritualität sehr wichtig für einen Musiker. Sie lieben Hollywoodfilme. Würden Sie gerne in einem auftreten? Wenn das Drehbuch gut ist, dann fände ich das sehr reizvoll. Ich wurde mal von Volker Schlöndorff kontaktiert, der damals einen Vivaldi-Film machen wollte. Er hat mir sogar ein Drehbuch geschickt, aber dann ist leider nichts daraus geworden. Ich habe allerdings großen Respekt vor Schauspielern, ich würde erst einmal ein Jahr Schauspielunterricht nehmen. Auf Ihrem neuen Album interpretieren Sie Die Vier Jahreszeiten, die gefühlt eine Milliarde Mal gespielt wurden. Wie schafft man es, das Werk in neuem Licht zu präsentieren? Wenn ein Künstler glaubt, er muss unbedingt etwas „Neues“ schaffen, dann wird das schnell zum Desaster. Ich habe Vivaldis Vier Jahreszeiten zum ersten Mal mit etwa drei Jahren erlebt, bei Yehudi Menuhins Festival in Gstaad. Der Eindruck war sehr stark und hat mich nie verlassen. Ich habe sie oft gespielt, zum ersten Mal mit 13 Jahren. Meine Interpretation hat sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert, von den Anfängen mit dem großen romantischen Klang und viel Vibrato bei langsamen Tempi bis hin zur Arbeit mit Christopher Hogwood oder Kristian Bezuidenhout und ihren entschlackten Versionen. Im Laufe der Jahre hat sich auch die Ornamentik, der Umgang mit den Ritornelli und dem Generalbass komplett geändert. Morgen oder in einem Jahr kann meine Interpretation wieder anders sein. Doch es geht auf Ihrem neuen Album „For Seasons“ nicht nur um Ihre Interpretation. Nein. Seit 25 Jahren versuche ich herausfinden, wie die Jahreszeiten auf die Literatur, die Philosophie, die Malerei und besonders die Musik eingewirkt haben, und habe in manchen Werken von Rameau, Molter oder Bach interessante Querverbindungen gefunden. Andere Kompositionen nehmen direkt auf den Kalender Bezug, wie etwa Aphex Twins Avril 14th, Tschaikowskys Juni aus seinen Jahreszeiten und Kurt Weills September Song. Spring 1 aus Max Richters Recomposed und Am leuchtenden Sommermorgen aus Schumanns Dichterliebe gehören zu meinen Lieblingsstücken. Damit das Projekt rund wurde, bat ich bildende Künstler, ebenfalls über das Thema zu reflektieren, weil ich glaube, dass Musik im Zusammenhang mit bildender Kunst ganz anders wahrgenommen wird. Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses Projekt endlich realisieren konnte. ■ Daniel Hope: „For Seasons“, Vivaldi, Bach u. a. (Deutsche Grammophon) Termine: 10., 12.03. Zürich (CH), Schauspielhaus; 16.03. Berlin, ­Konzerthaus; 06.04. Berlin, Konzerthaus; 07.04. Berlin, Komische Oper; 09.04. Düsseldorf, Museum Kunstpalast; 04.05. Berlin, Philharmonie; ­ 10.05. Zürich, ZKO-Haus 15


n ews

Philippe Jarousskys Traum von Orpheus

Pierre-Laurent Aimard

Münchner Prinzregententheater statt. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung erstmals 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern für 130 Projekte weltweit.

Heribert ­ ermeshausen G

Das neue Album philippejaroussky.de

Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis 2017 geht an den französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard. Die Auszeichnung für ein Leben im Dienste der Musik ist mit 250.000 Euro dotiert. Der 1957 in Lyon geborene Aimard ist sowohl Interpret als auch Weggefährte zahlreicher Größen der Neuen Musik wie Pierre Boulez, Olivier Messiaen, Karlheinz Stockhausen oder György Kurtág. György Ligeti nannte ihn gar „den besten Pianisten“, der seine Musik besser kenne als er selbst. Die Preisverleihung findet am 2. Juni im

Heribert Germeshausen wird neuer Intendant der Oper Dortmund. Derzeit ist der 45-Jährige Operndirektor des Theaters und Orchesters Heidelberg sowie künstlerischer Leiter des Barockfestivals „Winter in Schwetzingen“. In Dortmund folgt er auf Jens-Daniel Herzog, der seinerseits Staatsintendant des Nürnberger Staatstheaters wird.

— gestorben —

Als sein Tod bekannt wurde, war er bereits einen Monat vergangen. Es passte zu diesem diskreten Mann, den viele den Jahrhunderttenor nannten. „Ich sehe aus wie ein ordentlicher Bankbeamter aus Stockholm“, lachte Nikolai Gedda im Gespräch in seinem Haus am Genfer See. „Ich wollte niemals den Star spielen.“ Brauchte er auch nicht. Sein silbrig heller Tenor, der mühelos, mit unbeschwerter Eleganz in höchsten Sphären schwebte ließ ihn strahlen. Wenn nötig in sieben Sprachen, denn Gedda sprach fließend Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Tschechisch. Und natürlich Schwedisch. Sie waren das Erbe einer bewegten Kindheit in Leipzig und Stockholm, wo er als uneheliches Kind zunächst ins Waisenhaus und dann in die Obhut einer Tante und eines russischen Stiefvaters kam. Seine leiblichen Eltern meldeten sich erst, als er berühmt war. Geddas Repertoire reichte von Bach über Mozart, Schubert, italienischen Bel-

Mythos Orfeo 16.3. Wien · 18.3. Dortmund

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canto und französisches Opernfach bis hin zur Wiener Operette. Singen war wie eine Therapie, räumte er ein. Mit jeder Rolle gelang ihm immer mehr, sich von seiner großen Schüchternheit zu befreien. „Leidenschaft, das können alle“, schrieb Arnold Schönberg. „Aber Innigkeit, die keusche höhere Form der Gefühle, scheint den meisten Menschen versagt zu sein.“ Nikolai Gedda nicht. In über 80 Opernproduktionen lebt er weiter. von Teresa Pieschacón Raphael

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F oto s: War n e r C l ass i cs A rch i v e; Ph i l i p p Otte n dö rf e r

Nikolai Gedda


hören & sehen Die besten CDs, DVDs & Vinylplatten des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Attila Csampais Auswahl (Seite 18)

Helsinki Philharmonic Orchestra

Brahms lebt! Komponisten eifern gerne ihren Vorbildern nach, geben den Ideen ihrer Kollegen eine neue Form oder lassen sich ganz einfach von ihnen inspirieren. Das trifft auch auf Johannes Brahms zu, er steht im Mittelpunkt dieser CD – allerdings nun selbst als Muse für seine Nachfolger. „Musik mit Brahms“ ist ein treffender Untertitel für das sinfonische Werk Weites Land von Detlev Glanert und könnte als Motto für die ganze Aufnahme mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra unter Olari Elts gelten. Sie überneh-

Orchester

men auch den Klavierpart bei den Vier Präludien, Ernsten Gesängen und der Klarinettensonate Nr. 1 – arrangiert von Glanert bzw. Luciano Berio. Wenn man es nicht besser wüsste, wie wollte man dabei je wieder auf die Vielfarbigkeit eines Orchesterklangs verzichten? Es ist Brahms und ist es doch nicht. Vergangenheit vereint mit Gegenwart – was für beruhigende Zukunftsaussichten! uh

F oto: M arco B o rgg r e v e

Brahms, Berio und Glanert: „Four Serious Songs, Clarinet Sonata No. 1, Weites Land“, ­Michael Nagy, Kari Kriikku, Helsinki Philhar­ monic Orchestra, Olari Elts (Ondine)

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h ö r e n & s e h e n

Die Empfehlungen von Attila Csampai

Newcomer und Legenden ... bestimmen Attila Csampais Frühjahrsauswahl.

J. S. Bach: Partiten Nr.1 & 3, Italienisches Konzert Rafał Blechacz (DG)

wurden, mit hochmotivierten Mitspielern wie dem casalQuartet aus Zürich, dem jungen Pianisten Martin Klatt und den SWRSymphonikern aus Stuttgart, deren Soloklarinettist Manz seit 2010 ist: Dass der 30-Jährige schon jetzt zu den Exzellenzen seines Instruments zählt, belegen nicht nur die beiden Konzerte, deren Opernnähe er mit wunderbarer kantabler Zärtlichkeit und emotionaler Flexibilität aufblühen lässt, sondern auch die teilweise hochvirtuosen Kammermusikwerke, die die Beweglichkeit, die Anmut, aber auch den Ausdrucksreichtum der Klarinette neu definieren und deren zeitlose Schönheit und Humanitas auch heute noch bezaubern. Vor allem das jugendlich unbekümmerte, fast übermütige Klarinettenquintett entpuppt sich als stilbildendes Meisterwerk. So glückt Manz ein anrührendes Plädoyer für einen noch immer unterschätzten Komponisten.

In knapp 300 Jahren ist Bachs Musik um keinen Tag gealtert. Das Geheimnis ihrer Zeitlosigkeit liegt wohl in ihrem metaphysischen Kern, ihrer durch strengste Ordnung erzeugten Freiheit: Jede neue Generation muss ihren eigenen Zugang finden zu diesem Wunderwerk musikalischer Logik und versuchen, eine neue Klangwirklichkeit zu kreieren: Dem 31-jährigen polnischen Pianisten Rafał Blechacz gelingt dies in seinem ersten BachAlbum auf faszinierende Weise. Er unterzieht da eine ganz persönliche Auswahl bekannter Stücke wie das Italienische Konzert oder die Partiten Nr. 1 und 3, aber auch weniger Bekanntes wie die Vier Duette einer radikalen Frischzellenkur, wie man es seit Glenn Goulds Zeiten nicht mehr gehört hat: Selten klang Bach so aktuell, Schubert: Klaviertrios Nr.1 & 2 Irnberger, Geringas, Korstick (Gramola) so modern, so erfrischend lebendig und punktgenau. Dabei nutzt Blechacz das ganze Arsenal von Anschlagsnuancen seines SteinTrack 6 auf der crescendo Abo-CD: Andante con moto aus dem ­Klaviertrio Nr. 2 op. 100 D 929 way, um weitgehend ohne Pedal die komplexen Strukturen Bachs in Charaktere, in pulsierende, glasklare Klangrede zu verwandeln Wenn zwei so resolute Solokünstler wie der und so den menschlich-emotionalen Kern jedes einzelnen Stücks Geiger Thomas Albertus Irnberger und der zum Leuchten zu bringen. Zudem spürt man seine tiefe HerzensPianist Michael Korstick sich zum ersten Mal affinität zu Bachs Musik, die sich auch in einer geradezu emphati- zu einem Trio formieren und dazu den erfahrenen Top-Cellisten schen Spielfreude und drängenden Tempi äußert. Es ist ein Bach David Geringas gewinnen können, dann darf man mit Recht ohne Perücke und Heiligenschein – aber irgendwie neu erfunden. Besonderes erwarten, zumal die drei ihr Triodebüt mit zwei Gipfelwerken des Genres bestreiten, den beiden Klaviertrios Franz Schuberts. In diesen späten Arbeiten verdichtet Schubert auf Weber: Complete works for Clarinet Sebastian Manz, casalQuartet, Martin Klett, komplexe Weise seine Erfahrungen mit dem Streichquartett und SWR Stuttgart Radio Symphony Orchestra, der Klaviersonate, und zugleich sind es Zeugnisse eines gestärk­Antonio Méndez (Berlin Classics) ten Selbstbewusstseins kurz nach Beethovens Tod. So verbindet Neben Mozart war Carl Maria von Weber alle drei bereits von den ersten Takten des „lyrischen“ B-Dur Trios einer der größten Förderer der damals noch eine energische Entschlossenheit, die den überquellenden inneren jungen Klarinette: Während jener in seinem Reichtum beider Werke mit Nachdruck zum Leuchten bringt, letzten Lebensjahr noch zwei großartige Werke hinwarf, hinter- und kein „Wenn und Aber“ duldet. Man kann nur staunen, zu welließ der 30 Jahre jüngere Weber neben zwei Konzerten auch drei cher telepathischen Homogenität drei so unterschiedliche Profile gewichtige Kammermusikwerke, die jetzt von dem jungen deut- auf Anhieb fähig sind, wenn sie intellektuell harmonieren, und schen Klarinettisten Sebastian Manz erstmals in toto eingespielt dennoch spürt man in jedem Moment die starke Individualität 18

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Impressum Verlag

jedes einzelnen Akteurs. Ihr starker Diskurs kombiniert Präzision im Detail mit orchestraler Power. Und sie scheuen nicht den Abgrund: So kommt es im berühmten Andante des Es-Dur Trios zu Momenten von gespenstischer Schönheit. Mahler: Symphonies nos. 1, 5, 9 Moscow Philharmonic Orchestra, Kirill Kondra­ shin; Tatarstan National Symphony Orchestra, ­Alexander Sladkovsky (Melodiya)

Der 1981 in Amsterdam verstorbene russische Dirigent Kirill Kondrashin zählt zu den bedeutendsten Mahler-Pionieren der Sowjetunion. Bereits in den 1960er-Jahren, als Mahler auch hierzulande noch umstritten war, setzte er sich vehement für den „dekadenten Westler“ ein und nahm fast alle seine Sinfonien auf Schallplatten auf: Drei frühe Stereo-Dokumente der Sinfonien I, V und IX mit den Moskauer Philharmonikern hat Melodiya jetzt in einer 7-CD-Edition wiederveröffentlicht und dem historischen Dreierpack aktuelle Aufnahmen derselben Werke mit dem kaum bekannten Tatarstan Symphony Orchestra unter Alexander Sladkovsky hinzugefügt, sodass der Käufer hier direkte Hörvergleiche vornehmen kann, die aber die überragende Mahler-Kompetenz Kondrashins nur unterstreichen: Alle drei von ihm geleiteten Aufnahmen setzen neue Maßstäbe an Klarheit, Prägnanz und einer auf den ideellen Kern der Werke gerichteten rigorosen Wahrhaftigkeit, die alles subjektive Pathos, alle Wehleidigkeit und allen Glamour konsequent ausblendet und so die Modernität Mahlers und das utopische Potenzial seiner Musik herausschält. Die erstaunlich kultiviert spielenden Tatarstan-Sinfoniker aus Kasan halten mit breiten Tempi und üppigem Wohllaut dagegen, reihen sich also achtbar ein in den heute üblichen Mahler-Mainstream. Gegen Kondrashins Furor aber verblassen sie. Leonard Bernstein – The Composer Aufnahmen: 1950–2007 (Sony)

Als Komponist stand Leonard Bernstein immer im Schatten des großartigen, charismatischen Dirigenten. Als Pultstar, Pianist, Musikvermittler und Mediengenie zog er mehr Aufmerksamkeit auf sich denn als einer der wichtigsten amerikanischen Tonsetzer im 20. Jahrhundert: Da er vehement an der Tonalität festhielt, war er der europäischen Avantgarde ohnehin suspekt. Gut anderthalb Jahre vor seinem 100. Geburtstag würdigt Sony jetzt endlich auch den Komponisten Bernstein und hat praktisch sein ganzes für Columbia eingespieltes Oeuvre auf 25 teilweise neu gemasterte CDs überspielt und in eine großformatige Kassette gepackt. Schwerpunkte der aufwendigen Edition bilden zum einen die zwischen 1960 und 1974 entstandene legendäre LP-Serie „Bernstein conducts Bernstein“ mit seinen drei Sinfonien und den großen Vokalwerken Mass, Dybbuk und Chichester Psalms, zum anderen (fast) alle seine Bühnenwerke, darunter beide frühen Produktionen des Erfolgsmusicals West Side Story und der Operette Candide. Auf drei CDs gibt es weitere Kompilationen seiner schönsten Songs sowie ein Album mit Kammermusik und mit speziellen JazzAdaptionen von Dave Brubeck und anderen. Im Booklet bezeichnet Bernsteins Tochter Jamie die Werke ihres Vaters als „his own fingerprints“ und als „Umarmung“. Und tatsächlich vermittelt die Edition ein authentisches Gesamtbild seiner einzigartigen, von überquellender Kreativität, Leidenschaft und Menschenliebe geprägten Persönlichkeit.

Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-74 15 09-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Art director Stefan Steitz

Redaktion Dr. Maria Goeth (MG)

REDAKTION „ERLEBEN“ Ruth Renée Reif

schlussREdaktion Maike Zürcher

Kolumnisten John Axelrod, Axel Brüggemann, Attila Csampai (AC), Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)

Mitarbeiter dieser Ausgabe Elisabeth Bär (EB), Roland H. Dippel (RD), Ute Elena Hamm (UH), Julia Hartel (JH), Sina Kleinedler (SK), Katherina Knees (KK), Benedikt Kobel, Corina Kolbe (CK), Jens Laurson (JL), Angelika Rahm (AR), Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Antoinette Schmelter-Kaiser (ASK), Meike Katrin Stein (MKS), Dorothea Walchshäusl (DW), Walter Weidringer

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: Gabriele Drexler | drexler@crescendo.de Touristik & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de

Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 09.09.2016

Druck Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Vertrieb Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstr. 77, 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

Erscheinungsweise crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Abonnement Das crescendo Premium-Abo umfasst sieben Ausgaben inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende Premium-CDs und kostet 55 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 01.01.2017). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 4,90 Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-85 85-35 48, Fax: -36 24 52, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 68.721 (lt. IVW-Meldung 1V/2016) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

(Teil-)Beilagen/Beihefter: CLASS: aktuell Deutsche Mozart-Gesellschaft

Das nächste crescendo erscheint am 13. april.

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h ö r e n & s e h e n

Solo Florian Glemser

Alexander Krichel

Schillernd und fragil Die Klangwelt Maurice Ravels ist ebenso vielfältig wie fragil. Welch breites Spektrum sie in sich trägt und wie unterschiedlich dieses interpretiert werden kann, offenbart das neue Album des deutschen Pianisten Alexander Krichel. Le Tombeau de Couperin setzt er dabei mit ungewohnt direktem Anschlag, transparent bis trocken im Ton und überaus kontrastreich in Szene. Da stehen die draufgängerisch ruppigen Passagen, die neckisch tänzelnden Episoden und die träumerisch schwelgenden Melodielinien gleichwertig nebeneinander, und alles Ver-

klärte, Mystifizierende wird verwehrt. Ganz anders die Miroirs, die Krichel als innige und sinnlich schwebende Klangbilder interpretiert. Am Ende des Albums erklingt mit Gaspard de la Nuit eine geheimnisvolle Erzählung, die den vielfältigen Streifzug durch das Werk Ravels virtuos und packend ausklingen lässt. Ein spannungsvolles und facettenreiches Album. dw

Maurice Ravel: „Miroirs“, Alexander Krichel (Sony)

Komponierte Poesie Der Kapellmeister Johannes Kreisler ist literarische Figur und Alter Ego E. T. A. Hoffmanns zugleich. Doch auch Robert Schumann sah sich selbst in dieser komplexen Persönlichkeit. In den Kreisleriana op. 16 fasste er sie in Töne. Auf seiner Debüt-CD nimmt sich Pianist Florian Glemser dieses Werks hingebungsvoll an und kombiniert es mit zwei passenden Zyklen: den Waldszenen op. 82 und den Gesängen der Frühe op. 133, Letztere inspiriert von Hölderlins „Hyperion“. Glemsers Interpretation liegt eine spürbar tiefe Leidenschaft für Literatur zugrunde. Er trägt musikalische Phrasen vor wie Gedichtzeilen, lässt Bilder entstehen, die auch Worte nicht bunter malen könnten. Und doch macht das Anhören bei gleichzeitigem Lesen der Texte besonders viel Freude – Literatur und Musik durchdringen einander. Das ideale Album für alle, die nicht wissen, welche der beiden Künste sie nun mehr lieben sollen. Jh

F oto: S o n y C l ass i ca l / Uw e A r e n s

Schumann: „Wald­szenen, Kreisleriana, Gesänge der Frühe“, Florian Glemser (Ars Produktion) Track 4 auf der crescendo Abo-CD: Abschied aus den Waldszenen Denis Kozhukhin

Musik unterm Brennglas

Annhelena Schlüter

Klassenbester Bach Jede Aufnahme von Bachs Wohltemperiertem Klavier ist auf ihre Weise ein Ereignis: So erhebend, so erbauend ist diese Musik; eine Musik, die die Kraft hat, uns unabhängig von unserer Weltanschauung an das zu gemahnen, was jenseits des Menschlichen liegt. Annhelena Schlüter reiht sich ein in die Riege der Interpreten, die uns „das Alte Testament“ der Musik (Hans von Bülow) nahebringen. Sie macht das auf ihre Weise. Völlig anders – braver – als die kein Zurück mehr kennende, mit ihrer Intensität erdrückend dunkle Wolken malende Dina Ugorskaja. Bei Annhelena Schlüter gibt die Musik immer Hoffnung: Die Welt ist noch in Ordnung. Im Herzen grundsolide, in manchem Detail floral, oft entzückend, gibt sich diese Interpretation weniger pianistisch (das heißt selbstverliebt) als die von Daniel Barenboim, aber auch ohne die mathematisch-sinnliche Nüchternheit einer Gegensätze zusammenschmelzenden Zhu Xiao-Mei. Ein bisschen ist das wie ein Poesiealbumeintrag der Klassenbesten. Mit kleinen Blümchen als i-Pünktchen zwar, aber ohne jemals das Ich in den Vordergrund zu drängen. Was in Erinnerung bleibt, ist nicht die Interpretation an sich, sondern einfach die Schönheit Bachs. Das ist vermutlich auch so gewollt und auf jeden Fall erreicht. JL

Johann Sebastian Bach: „Das Wohltemperierte Klavier I“, Annhelena Schlüter (Hänssler Classic) 20

Die Charakterstücke gehören zum Persönlichsten, was Johannes Brahms je komponiert hat, und offenbaren den Komponisten als getriebene und hochsensible Persönlichkeit. Auf seinem neuen Album widmet sich der russische Pianist Denis Kozhukhin eben diesen musikalischen Zeugnissen, konkret den Balladen op. 10 und den Fantasien op. 116. Zwischen der Entstehung dieser beiden zentralen Klavierwerke liegen 32 Jahre. So ist sowohl der junge, leidenschaftlich auftrumpfende Brahms zu erleben als auch der strukturell freiere, aber auch einsame ältere Komponist. Kozhukhin durchdringt die Stücke mit berührender Menschlichkeit und tiefer Musikalität im Ausdruck und fasziniert mit einer sehr persönlichen und unmittelbaren Interpretation. Behände in seiner Technik und hochsensibel in seiner Anschlagskultur, legt er die Brahmsschen Schöpfungen gleichsam unters Brennglas und verdichtet sie zu purer Emotion. dw

Johannes Brahms: „Ballades & Fantasies“, Denis Kozhu­ khin (Pentatone) Track 8 auf der crescendo Abo-CD: Andante aus den Balladen op. 10 www.crescendo.de

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h ö r e n & s e h e n

Historisch fundierte Frischekur

Oper

Eine Katharsis verspricht Befreiung, nach Aristoteles findet man seelische Reinigung in der dramatischen Kraft der antiken Tragödie. Auf dem Album „Catharsis“ erfrischt der katalanische Countertenor Xavier Sabata die Ohren mit silbrigem Timbre und spinnt mit Arien und Rezitativen aus essenziellen Werken wie Pietro Torris Griselda, Georg Friedrich Händels Admeto, Antonio Vivaldis Il Farnace oder Giuseppe Maria Orlandinis Adelaide ein komplexes und atmosphärisches Bild der Oper seria zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Unter der Leitung von George Petrou lässt das griechische Barockensemble Armonia Atenea mit glühenden Darmsaiten alle Farben der klanglichen Palette historisch informierter Aufführungspraxis aufleuchten. Wenn die Katharsis den Höhe- und Wendepunkt einer Tragödie bedeutet, haben die Musiker mit ihrem neuen Album die Intensität dieses Moments exzellent eingefangen und zollen darüber hinaus der künstlerischen Ausdruckskraft des Theaters musikalisch Respekt. kk

F oto: M i cha l N ovak

Xavier Sabata

Xavier Sabata: „Catharsis“, Armonia Atenea, George Petrou (Aparte) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: Cara sposa aus: Griselda von Conti Filarmonica della Scala

Mini-Dramen Ouvertüren sind aus der Mode gekommen. Man hört sie nur noch bei Opernaufführungen, auf Konzertprogrammen sind sie verschwunden. Jetzt hat Riccardo Chailly zu seinem Amtsantritt als neuer Scala-Direktor 14 Vor- und Zwischenspiele von zehn italienischen Meistern in einem Album versammelt und damit ein Genre wiederaufleben lassen, das immerhin die große Sinfonie hervorbrachte: Der Reigen spannt sich von Rossinis La Pietra del Paragone bis zu Giordanos Siberia und erinnert an zumeist vergessene Werke, die alle an der Mailänder Scala uraufgeführt wurden. Die Musiker der Filarmonica della Scala folgen ihrem neuen Chef mit Herzenseinsatz und großer Disziplin und unterstreichen ihre sinfonischen Qualitäten. Und der entreißt hier mit Intensität und Feuer so manches Juwel dem Dornröschenschlaf des Vergessens: ein suggestiver Flashback auf Mailands große Operntradition im Zeitraffer und womöglich ein Vorgeschmack auf Chaillys eigene Pläne. ac

Orchester

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Von der Erde ins Paradies Viel ist darüber spekuliert worden, ob Mahler seine in überirdischer Stille endende Neunte Sinfonie in Vorahnung des eigenen Todes schrieb. Der schwerkranke Komponist gestand jedenfalls dem Dirigenten Bruno Walter: „Ich bin lebensdurstiger als je.“ Vitale Energie prägt auch die Sicht des Mahler-Experten Mariss Jansons auf dieses Spätwerk, dessen erster Satz gleichwohl schon im Zeichen des Abschieds steht. Der Mitschnitt einer großartigen Aufführung mit dem BR-Symphonieorchester ist gerade im Eigenlabel erschienen. Auch wenn Mahlers bereits auf die Moderne vorausdeutende Sinfonie voller Brüche und Kontraste ist, erscheint sie bei Jansons wie aus einem Guss. Nach dem monumentalen Andante comodo tritt die groteske Rhythmik der beiden Mittelsätze plastisch hervor. Im finalen Adagio strebt die Musik ihrer Auflösung entgegen. Jansons lässt sie nach einem letzten Aufbäumen sublim in den Himmel aufsteigen, bis die letzte Note verebbt ist. ck

„Overtures, Preludes & Intermezzi“, Filarmonica ­della Scala, Riccardo Chailly (Decca)

Gustav Mahler: „Symphonie Nr. 9“, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons (BR Klassik) Michael Gielen

Romantik für den Rundfunk Das künstlerische Vermächtnis des von großen Plattenfirmen sträflich vernachlässigten Michael Gielen findet sich in den Rundfunkarchiven. Diese Edition macht als Hommage zu seinem 90. Geburtstag am 20. Juli 2017 endlich vieles zugänglich, nachdem er seine aktive Laufbahn aus gesundheitlichen Gründen 2014 beenden musste. Vol. 4 vereint Einspielungen der SWR Radio-Sinfonieorchesters Freiburg, Baden-Baden, Saarbrücken und Stuttgart von 1958 bis 2014. Ein weiteres Mal fasziniert, wie der Uraufführungsdirigent von Zimmermanns Die Soldaten und legendär spröde Frankfurter Opernchef die musikalische Romantik ergründet. Zwei wichtige CD-Erstveröffentli-

chungen aus der Liederhalle Stuttgart bestätigen den hohen Rang Michael Gielens, der diese Auswahl selbstkritisch mitgestaltete: Robert Schumanns Szenen aus Goethes Faust (1990) und Hector Berlioz’ Requiem. Grande Messe des Morts op. 5 mit dem Tenor David Rendall (1979). rd

Michael Gielen: „Edition Vol. 4, 1968–2014“, Berlioz, Dvořák, Liszt, Mendelssohn, Rachmaninow, Schumann u. a. (SWRmusic) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: Allegro animato e grazioso aus der Sinfonie Nr. 1 von Schumann 21


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Vox Luminis

Hast du Töne, Martin Luther?! Das belgische Vokalensemble Vox Luminis widmet Martin Luther und der Zeit rund um die Reformation ein Doppelalbum, das sich als ausgereiftes Konzeptalbum mit inhaltlicher Tiefenschärfe entpuppt und in jeder Hinsicht überzeugt. Während die Sänger auf der ersten CD mit Motetten gesanglich einen Faden quer durch das Kirchenjahr spinnen und die Schnittstelle von Renaissance und Barock beleuchten, präsentieren sie mit dem zweiten Album die ganze Bandbreite liturgischer Kompositionen. Ob Messe, Passion oder Magnificat: Lionel Meunier lässt als künstlerischer Leiter die klaren Stimmen des Ensembles schwerelos aufblühen. In Zeiten, in denen es die physische CD als Audioformat schwer hat, sei zusätzlich erwähnt, dass das Luther-Album auch haptisch eine Freude ist. Im eleganten Hardcovergewand, mit farbigen Abbildungen und umfassenden Texten auf dickem Papier hochwertig gestaltet, wird das Album auch über die Musik hinaus zu einer vollendeten Hommage an die liturgische Musik im Geiste Luthers. kk

Kammermusik

Villiers Quartet

Matthias Goerne

Englische ­Überraschung

Erhabene ­Einsamkeit

In den 1950er-Jahren galt Peter Racine Fricker (1920–90) mit seinen frühen Sinfonien neben Benjamin Britten als der vielversprechendste englische Komponist seiner Generation. Der Schüler des eminenten ungarischen Emigranten Mátyás Seiber wandelte kühn auf post-Bartókschen, kontrapunktisch dissonanten, hochexpressiven Pfaden. Doch mit seiner Auswanderung in die USA verloren die Engländer jegliches Interesse an seiner Musik. Er wird erst heute wieder entdeckt, so hier vom vorzüglichen Villiers Quartet, das seine sämtlichen Werke für Streichquartett aufnahm. Ein frühes Adagio und Scherzo (1943) ist eigenständig und bezaubernd, das einsätzige 1. Quartett hoch verdichtet und komplex (1949), das dreisätzige 2. Quartett (1953) ein Meisterwerk, und mich hat am meisten das ­3. Quartett von 1976 verblüfft – mit seiner so reifen wie befreiten Tonsprache, seinem untrüglichen Formgefühl auch bei hoher harmonischer Komplexität: große Musik allein um ihrer selbst willen, ohne jedes Programm.

„Ein feste Burg ist unser Gott“, Vox Luminis, Lionel Meunier, Bart Jacobs (Ricercar)

cs

Peter Racine Fricker: „The String Quartets“, Villiers Quartet (Naxos)

Einsamkeit, Sehnsucht. Wir alle kennen sie, wissen, wie sie sich anfühlt. Doch nur der große Poet und der Komponist können ihr einen erhabenen Ausdruck verleihen. Wie Robert Schumann, der in jungen Jahren nicht wusste, ob er nun Dichter bleiben oder Musiker werden wollte. „Ach, ich kann nicht anders“, wird er irgendwann sagen, „ich möchte mich totsingen wie eine Nachtigall.“ Totsingen wird Matthias Goerne sich gewiss nicht mit dieser Auswahl an Liedern, die um 1840 und aus einer späteren, weniger bekannten Schaffens­ periode von Schumann zwischen 1849 und 1852 stammen. Während Markus Hinterhäuser etwa im Lied Ins Freie oder bei Es stürmet am Abendhimmel als Pianist auf seine Kosten kommt und gerne mal „zu laut“ ist, wirkt Matthias Goernes Gesang trotz subtiler Nuancen und zartestem Pianissimo im Nachtlied doch weitgehend monochrom. Wunderschön, aber ohne Geheimnis. Sein Bedürfnis nach stimmlicher Ausdehnung, um inniges Gefühl zu vermitteln, ist ihm nicht vorzuwerfen. Denn dieses Bedürfnis haben alle Sänger. Es könnte sich auf Dauer nur erschöpfen, wenn – wie hier – fast alle Lieder einen ähnlichen Charakter haben. tpr

Robert Schumann: „Einsamkeit“, Matthias Goerne, Markus Hinter­ häuser (Harmonia Mundi) Track 5 auf der crescendo AboCD: Meine Rose

Solo Piotr Anderszewski

Freiheit und Poesie

Peter Schöne mit Moritz Eggert

Gesang

Pathos, Verehrung, ­Innehalten

Viel spannender als die sporadisch in Konzerten auftauchenden Klavierwerke des Philosophen Friedrich Nietzsche sind die Vertonungen seiner Gedichte. Das schillernde Spektrum dieser Auswahl reicht von Richard Trunk über Nikolai Medtner (den „russischen Brahms“), Paul Hindemith, Ernst Pepping bis Arnold Schönberg. Der Bariton Peter Schöne und Moritz Eggert, der Spieler unter den Gegenwartskomponisten, stellen zwei Gruppen von Wolfgang Rihm und Peter Ruzicka ins Zentrum ihrer Auswahl. Die lyrisch prägnante Stimme mit tenoralem Fokus und sagenhaft deutlicher Diktion nimmt den Hörern alle Schwellenängste vor diesen komplexen Kleinoden. Moritz Eggert filtert Verständlichkeit aus den vorsichtigen Klanggebilden seiner Zeitgenossen. Insgesamt ist das wohl eine der spannendsten Lied-Anthologien der letzten Jahre: Emphase und Kritik, Verherrlichung und Distanz, Deutlichkeit und Raunen. rd

Peter Schöne & Moritz Eggert: „Der Klang des Denkers. Vertonungen von Gedichten Friedrich Nietzsches“ (radiobremen) 22

Unglaublich, welchen Freiraum Piotr Anderszewski sich hier nimmt. Zu Recht, er lanciert, was Mozart und Schumann verbindet, und entdeckt für uns, was er zwischen den Zeilen fühlt. Zart, behutsam, schwebend in Zeit und Raum, einem inspiriert akzentuierten Mozart folgt ein fantasierend motivierter Schumann. An diese Schönheit koppelt Anderszewski auf der beiliegenden DVD die Schönheit eines berührend poetischen, ja politischen Statements. Unter dem Titel „Warschau ist mein Name“ zeigt er seine Heimatstadt in wundervollen Farben und trostlosem Grau, betont die Verwundbarkeit und den Geist des sich widersetzenden Aufrechtbleibens. Die Lebensspanne seiner Großmutter (1910–1995) reichte aus, Warschau Teil Russlands werden zu lassen, zweimal von den Deutschen besetzt zu werden, um erneut von den Sowjets eingenommen erst seit 1989 wieder die Hauptstadt Polens zu sein. Wie aktuell und herzöffnend klassische Musik sein kann – grandios. sell

Mozart und Schumann: „Fantaisies“, Piotr Anderszewski (Warner Classics) www.crescendo.de

April – Mai 2017


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Kammermusik

Kirill Troussov und Alexandra Troussova

Gefühl pur

Verklärt, aus weiter Ferne, gehaucht, gesungen kommen die ersten Töne der Melancholie von César Franck, die Kirill Troussovs wundervoller Bogenstrich andachtsvoll, einfach makellos klingen lässt. Franck, einst Wunderkind ohne Erfolg, schuf seine prägenden Werke spät. Dennoch, sein Andante quietoso op. 6, das er mit 21 schrieb ist, ist hier schlicht betörend, ja schubertianisch schön – Alexandra Troussova offenbart die Vielfarbigkeit ihres virtuosen Klavierspiels. Die Geschwister harmonieren so ausgezeichnet, dass ihr filigranes Zusammenspiel den Raum öffnet, jeden Ton zu atmen. Ihr Foto auf der Rückseite des Covers könnte an Liebesverhältnisse in Wagners Walküre erinnern. Das Spiel der beiden kulminiert im finalen Allegretto poco mosso von Francks berühmter Violinsonate ebenso wie in der vom Jazz geprägten Violinsonate von Ravel in reiner Ekstase. Der Titel hält, was er verspricht – hier hört man mit Bravour Gefühle pur. sell

César Franck und Maurice Ravel: „Emotions“, Kirill Troussov, Alexandra Troussova (mdg)

VIER HÄNDE, EIN HERZ

Barockperlen aus Bologna Seit mehr als 350 Jahren ist die Accademia Filarmonica di Bologna weit über die Stadt hinaus als Talentschmiede für Musiker und Komponisten bekannt. Kein Geringerer als der junge Wolfgang Amadeus Mozart studierte dort 1770 Kontrapunkt bei Padre Martini. Ein bei deutsche harmonia mundi erschienenes Album des Kammerorchesters Basel unter Leitung von Julia Schröder präsentiert wegweisende Bologneser Komponisten aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Farbenreich und voller Elan spielt das Orchester unter anderem Werke von Giovanni Paolo Colonna und Giacomo Antonio Perti, den Begründern der „Schule von Bologna“. Die beiden Kapellmeister der Basilika San Petronio schrieben eigentlich vor allem Messen und Oratorien, aus denen die hier vorgestellten Instrumentalstücke stammen. Giuseppe Torelli erfand dagegen das Solokonzert für Violine, das Antonio Vivaldi später in Venedig zur großen Blüte brachte. Eine Wiederentdeckung seltener musikalischer Perlen! ck

ANDREAS STAIER ALEXANDER MELNIKOV HAMMERKLAVIER © Julien Mignot - Josep Molina

Kammerorchester Basel

CD HMM 902227

Peri, Torelli, Colonna: „Bologna 1666“, Kammerorchester Basel, Julia Schröder (dhm) Hans Sommer

Märchenoper für Wagnerianer Mit einer romantischen Märchenoper aus dem Schatten Richard Wagners hervorzutreten, war nicht vielen vergönnt – außer Humperdinck mag einem noch Pfitzner einfallen. Hans Sommer (1837–1922), im Hauptberuf Mathematiker und Zeitgenosse von Brahms, Bruch und Goetz, hat ein beträchtliches Opernschaffen melodramatisch-episodischen Zuschnitts hinterlassen, das mit Myriaden herrlicher Momente und wahrlich märchenhaftem Zauber aufwartet, sehr dankbar für Stimmen und Orchester, an Wagner geschult, aber weit intimer. Der vieraktige Rübezahl aus Gera unter Laurent Wagner schafft es als erste Sommer-Oper auf CD, und alle Wagnerianer, die nicht einzig auf den Meister fixiert sind, sollten unbedingt zugreifen. Auf gutem Niveau musiziert, wird es 158 Minuten lang nie langweilig. Indem Sommers Pathos bei aller feinziselierten Charakterisierungskunst nie überzogen wirkt, ernten wir hier große Erzählkunst statt des vielbeschworenen „großen Kinos“ für die Ohren. cs

Oper

Franz Schubert

Klavierwerke zu vier Händen „In Oberösterreich finde ich allenthalben meine Compositionen, besonders in den Klöstern Florian und Kremsmünster, wo ich mit Beihilfe eines braven Clavierspielers meine vierhändigen Variationen und Märsche mit günstigem Erfolge producirte.“ Das schreibt Schubert im Jahre 1825 und beschwört damit jenes im 19. Jahrhundert so populäre Genre herauf, das die Musikverleger ihn immer wieder zu schreiben baten. Aber der Wiener Komponist ging weit über die traditionelle Gefälligkeit der deutschen Tänze und anderer Variationen hinaus, wie es die aufwühlende Fantasie in f-Moll, eines der tragischen Meisterwerke seiner letzten Jahre, deutlich zeigt.

Hans Sommer: „Rübezahl“, Philharmonisches Orchester Alten­ burg-Gera, Laurent Wagner (Pan Classics) 23

harmoniamundi.com


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Irakisches Jugendorchester

Buch

Musizieren unter Lebensgefahr

Dmitri Schostakowitsch

F oto: B a R bara F ro mma n n

Geschichtswispern

„Britischer Maestro für Orches­ tergründung im Irak gesucht“, stand im Oktober 2008 im Glasgow Herald zu lesen. Die 17-jährige Pianistin aus Bagdad, Zuhal Sultan, hatte die Anzeige aufgegeben. Der britische Dirigent Paul MacAlindin meldete sich, ohne zu ahnen, auf welches waghalsige Abenteuer er sich da eingelassen hatte. Sein Buch schildert den mühsamen Aufbau eines kurdisch-arabischen Jugendorchesters im Irak, einem Land, in dem viele die Melodie des Muezzins als einzige Musik gelten lassen und in dem schon auf Musiker geschossen wurde, die sich mit ihrem Instrumentenkoffer zeigten – ganz zu schweigen von musizierenden Frauen. Bemerkenswert: MacAlindin tappt nicht in die Sozialkitsch-Falle, auch, weil viele seiner Schützlinge aus wohlhabenden Familien stammen. Und er idealisiert nichts: Frauenfeindlichkeit und Rassismus einzelner Mitglieder kommen ebenso zur Sprache wie MacAlindins tiefer Zweifel, ob seine jahrelange Mühe Früchte tragen wird. Sehr lesenswert! tpr

„Kunst ist das Flüstern der Geschichte, das durch den Lärm der Zeit zu hören ist.“ Sie gehört weder dem Volk noch der Partei, wie sie einst weder dem Adel noch den Mäzenen gehörte. Doch wie kann man frei sein, wenn man Abend für Abend mit gepacktem Koffer am Fahrstuhl steht und darauf wartet, vom Regime abgeholt zu werden? In Julian Barnes’ „Der Lärm der Zeit“ lauscht der Leser einem inneren Monolog von Dmitri Schostakowitsch. Zuweilen etwas wirr und neurotisch, zuweilen etwas pathetisch meißelt Barnes doch eindrucksvoll die Zerrissenheit des Komponisten zwischen den Repressalien des stalinistischen Regimes, seinem freien, künstlerischen Schaffensdrang und der Verbundenheit zu seinem Heimatland heraus. Nachdem Stalin 1936 erbost eine Aufführung von Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk verlässt, ist der Komponist fortlaufenden Schikanen ausgesetzt. Wie kann Kunst sich in einer Diktatur entfalten? Wie kann Kreativität mit Unterdrückung fertigwerden? Was sich wie die fiktiven Gedanken einer Romanfigur liest, hangelt sich an gut recherchierten Fakten entlang. Am Ende meint man, Schostakowitsch durch und durch zu verstehen. mg

Paul MacAlindin: „Bis der letzte Ton verklingt. Die Geschichte des irakischen Jugendorchesters“ (Heyne Verlag)

Julian Barnes: „Der Lärm der Zeit“ (Kiepenheuer & Witsch)

Hanna Shybayeva

Hautnahe Präsenz Die Vinyl-Renaissance ermutigt viele Studios zu echten Analogaufnahmen.Das renommierte Bauer-Tonstudio in Ludwigsburg produziert schon seit geraumer Zeit Jazz-Sessions im Direktschnitt unter LiveBedingungen. Jetzt hat die weißrussische Pianistin Hanna Shybayeva dort das erste Klassik­ album aufgenommen und eine bunte Auswahl kürzerer Stücke von Couperin bis Kapustin auf einem wunderbar sonoren Steinway D aus dem Jahr 1927 eingespielt. So hautnah, wie das handverlesene Studiopublikum die prägnant und fast pedallos agierende Pianistin erleben konnte, genießt auch der Hörer der audiophilen LP das wohnzimmer­ artige Flair und die haptische Präsenz der warm timbrierten Aufnahme, die auf magische Weise den wirklichen Klang eines solchen großen Flügels abbildet. Eine solche „menschliche“ Nähe und Anmutung schafft keine Digitalaufnahme. Und Shybayeva meistert die Herausforderung souverän und entpuppt sich am Ende als echte Virtuosin. AC

„Works by Hanna Shybayeva“, mit Werken von Couperin, Scarlatti, Chopin, Debussy, Gershwin, Kapustin (Neuklang) 24

Finnlands Dirigenten

Weltelite aus dem Norden Vesa Siréns fast 1.000-seitiges Buch „Finnlands Dirigenten“ ist eine so informative wie unterhaltsame Geschichte des Dirigierens in dem kleinen Land, das heute dank seines phänomenalen Erziehungssystems einen Großteil der musikalischen Weltelite stellt. Von Pionieren wie Kajanus und Schnéevoigt ausgehend werden eingehend die Giganten wie Berglund und Segerstam und die Lehrer wie Funtek oder Panula erörtert, bis zu führenden Dirigenten unserer Zeit wie Oramo oder Storgårds. Juha Kangas’ weltweit einzigartige Stellung ist zu kurz abgehandelt. Hauptkapital des Buchs sind die authentischen Zeugnisse der Dirigenten selbst und vieler Musiker, auch Komponisten. Sirén weiß sehr anschaulich zu charakterisieren und verlebendigen, und mit Ausnahme seiner subjektiven Urteile gelingt ihm eine objektiv fesselnde Gesamtdarstellung, aus der die Kapitel über den wilden Georg Schnéevoigt und den großartigen Paavo Berglund herausragen. cs

Vesa Sirén: „Finnlands Dirigenten“ (scoventa) Bamberger Symphoniker

Himmelhoch ­jauchzend

Orchester

Sein Lied von der Erde komponierte Gustav Mahler nur drei Jahre vor seinem Tod und bezeichnete es als sein persönlichstes Werk. An die Interpretation dieser emotional aufgeladenen Komposition haben sich nun die Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Jonathan Nott gewagt und zeigen gemeinsam mit den Solisten Roberto Saccà (Tenor) und Stephen Gadd (Bariton), welch klangliche Schönheit im Detail jedes einzelnen Satzes steckt. Vom Trinklied vom Jammer der Erde bis hin zum Abschied überzeugt das Ensemble durch singende Melodien und eine feine Artikulation. Steht im zweiten Teil (Der Einsame im Herbst) der gefühlvolle, romantisch anmutende Ausdruck im Vordergrund, so bereitet im fünften Teil (Der Trunkene im Frühling) auch die keck komponierte Fröhlichkeit dem Orchester keinerlei Schwierigkeiten. Und was wäre Mahlers Lied von der Erde ohne brillante Solisten? Saccà und Gadd erzählen singend die Geschichten, die das Lied von der Erde so einzigartig machen: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. mks

Gustav Mahler: „Das Lied von der ­Erde“, Roberto Saccà, Stephen Gadd, Bamberger Symphoniker, Jonathan Nott (Tudor) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: Das Trinklied vom Jammer der Erde

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April – Mai 2017


h ö r e n & s e h e n

Orchestre et Chœur Les Arts Florissants

NDR Elbphilharmonie Orchester

Rarität voll großer ­Emotionen

Vom Hall getragen

Eine echte Rarität in exquisiter Besetzung bot das Pariser Théâtre des Champs-Elisées im Herbst 2015: Theodora, Händels vorletztes Oratorium. 1750 in London (konzertant) uraufgeführt, verschwand es danach rasch in der Versenkung. Zu Unrecht, das zeigt dieser Mitschnitt. Die Geschichte der von den Römern verfolgten frühen Christin Theodora, die mit ihrem Geliebten den Märtyrertod stirbt, thematisiert Glaube, Liebe, Edelmut, Loyalität und Opferbereitschaft. Katherine Watson und Philippe Jaroussky finden dafür anrührende Töne. Stephen Langridge holt das Werk ins Heute, in einen modernen Unrechtsstaat, seine Inszenierung findet zu klaren, eindrücklichen Bildern, lotet Seelenzustände aus, gerät zum hochaktuellen Plädoyer für religiöse Toleranz. Dabei lässt sie Raum für das enorme dramatische wie emotionale Potenzial der Musik. Und das lässt sich Dirigent William Christie natürlich nicht entgehen! ar

Alte Musik

Georg Friedrich Händel: „Theo­ dora“, Katherine Watson, Philip­ pe Jaroussky, Orchestre et Chœur Les Arts Florissants, William Christie (Erato)

Orchester

In rasantem Tempo nimmt das NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Krzysztof Urbański die Herausforderung, die ein so bekanntes Werk – die 9. Sinfonie von Antonín Dvořák – an die Interpreten stellt, unerschrocken an. Alles, was dem Klangkörper an Dynamik möglich zu sein scheint, wird in der Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ ausgereizt und vermischt sich in der pompösen Raumakustik der Hamburger Laeisz­halle zu einem Feuerwerk an orchestralen Farben. Auch das anschließende Werk, das ebenfalls von Dvořák stammende und etwas unbekanntere Orchesterstück „Heldenlied“ op. 111, überzeugt durch eine malerische Spielweise und ausdrucksvolles Musizieren, das durch den großen Hall an Fülle und Klang gewinnt. Aufgenommen wurden die beiden Werke im Dezember 2015 und Juni 2016, anschließend wurden die Bänder editiert. Dies wird leider am dritten Satz der Sinfonie deutlich, da bei der Wiederholung des ersten Parts die ersten vier Takte fehlen und wohl versehentlich herausgeschnitten wurden. mks

Antonin Dvořák: „Symphony No. 9, From the New World; A Hero’s Song op. 111“, NDR Elbphilharmonie Orchestra, Krzysztof Urbański (Alpha) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: Scherzo. Molto vivace aus der Sinfonie Nr. 9

Pauline Sachse und Lauma Skride

Überirdischer ­Todesgesang

Kammermusik

Im griechischen Mythos stimmen Schwäne vor ihrem Tod ein letztes, trauriges und überirdisch schönes Lied an, weshalb man das letzte Werk eines Musikers oder Dichters auch als „Schwanengesang“ bezeichnet. So auch Schuberts letzte Lieder, die er 1828 komponierte. Ja, Schubert wusste „Worte in Klänge zu gießen“, wie es im Booklet heißt. Nein aber zu der Behauptung, dass beim Verzicht auf den Text in der ViolaVersion der Inhalt sich umso nachdrücklicher vermittle. Im Gegenteil: Bei einem Lied wie Der Doppelgänger (und nicht nur da) kommt es auf jedes Wort, auf jedes Komma, auf jeden Punkt an. Klavier und Singstimme sind aufeinander angewiesen, ergänzen, bestätigen einander, widersprechen sich aber auch. Das macht die große Kunst Schuberts aus. Andernfalls würde man die Ironie Heines, die Verzweiflung seines Protagonisten, nicht verstehen. Elegisch und technisch stupend musiziert: Schostakowitschs Viola-Sonate von 1975. tpr

Franz Schubert: „Schwanen­ gesang“, Dmitri Shostakovich: „Viola Sonata“, Pauline Sachse, Lauma Skride (Avi) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: Ständchen aus dem Schwanengesang


r ä ts e l

Gewinnspiel Was verbirgt sich hinter diesem Text? Die crescendo-Redaktion entdeckte in geheimen Archiven folgende musikwissenschaftliche Analyse eines Ihnen sicher nicht unbekannten Werks. Bis heute konnte sein Komponist nicht zweifelsfrei identifiziert werden, die Quellenlage deutet jedoch auf eine Entstehung im deutschsprachigen Raum des frühen 19. Jahrhunderts hin. Erst aus dem späten 19. Jahrhundert sind verschiedene fragmentarische Abdrucke überliefert. So fanden auch mehrere voneinander abweichende Textfassungen Verbreitung. Allen gemeinsam ist die Bukolik der Dichtung, die mit ihrer Tiermetaphorik (Federvieh am Wasser) zunächst ein friedliches Natur­idyll heraufbeschwört, bevor die Mühsal des Überlebenskampfes und Möglichkeit des Scheiterns anklingen, die der Komponist eindrücklich und drastisch im finalen Quintsprung akzentuiert. Mit dem Manuskript gingen auch die Hinweise zur OriginalInstrumentierung verloren. Vieles deutet darauf hin, dass variable Besetzungen möglich sind. Für die Aufführungspraxis sind heute unzählige Fassungen tradiert und arrangiert, insbesondere für

Kinderchor, Sologesang und kleinere Ensembles. Seine Popularität verdankt das Werk sicher zum einen der packenden Fasslichkeit und illustrativen Kraft seiner Melodien, zum anderen der Zeitlosigkeit seiner assoziationsreichen Bildersprache. Bereits in den ersten beiden Takten des zehntaktigen Werks wird im Duktus beherzten Aufbrechens in aufsteigenden Sekunden schon fast der gesamte Tonraum der Komposition durchmessen, indem eine Achtelbewegung zunächst kontinuierlich höher drängt. Im weiteren Verlauf ertönt ein Motiv aus dem eindringlich vierfach repetierten Spitzenton und seiner auf einer Halben ruhenden Untersekunde. Zweimal wiederholt, steigert es sich in seiner Intensität. Dieses Motiv markiert Höhe- und Wendepunkt des Werks. Leicht variiert rückt der Komponist es um eine Terz hinab – eine vorübergehende Eintrübung, bevor die Melodie sich in einem letzten „Aufschrei“ erneut emporschwingt, um dann radikal in die Tiefe zu stürzen. Auch das strahlende Schluss-C-Dur vermag die Dramatik dieses Sprungs nicht ganz abzumildern. ■

rätsel lösen UND TON koopman gewinnen! Was ist hier gesucht? Wenn ­S ie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Rindermarkt 6, 80331 München oder per E-Mail an ­redaktion@crescendo.de. Unter den richtigen ­Einsendungen verlosen­wir die Edition „Ton Koopman: Bach, Orgel- und Cembalowerke, Kammermusik, Motetten (Archiv Produktion)“. Einsendeschluss: 20. April 2017. Der Gewinner unseres letzten Alltags-Rätsels ist Helmut Hilberer aus Hamburg. Die Lösung war „Cathy Berberian“.

Der Cartoon Von Benedikt Kobel*

Jung und alt auf einen Blick: der junge Vladimir Horowitz mit dem greisen Vladimir Horowitz vierhändig am Klavier. *Benedikt Kobel ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und zeichnet regelmäßig auf seinem Blog www.staatsoperblog.at. Ausgewählte Zeichnungen finden Sie auch in seinem Buch „Jagdglück“ (Amalthea Verlag).

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April – Mai 2017


Erleben Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen im April und Mai im Überblick (ab Seite 28). Festival Soli Deo Gloria (Seite 32) | Frauenkirche Dresden feiert das Reformationsjubiläum (Seite 34)

11. bis 17. April, Hannover

Oster-Tanz-Tage chen den Tabubruch in aller Öffentlichkeit ermöglicht. Zu den Oster-Tanz-Tagen ist das großartige Ballett mit Musik von Händel, Vivaldi und Mark Polscher wieder zu sehen. Zudem präsentieren internationale Tanzkompanien unter dem Motto „Urbanität im Wandel“ ihre Produktionen. So zeigt etwa Constanza Macras ihre Choreografie „Megalopolis“. Hannover, Staatsoper, www.staatstheater-hannover.de

F oto: G e rt W e i g e lt

Der Stoff lasse ihn einfach nicht mehr los, bekennt Ballettdirektor Jörg Mannes. Mehrfach bereits choreografierte er den Briefroman „Gefährliche Liebschaften“, mit dem Choderlos de Laclos die doppelbödige Moral seiner Zeit entlarvte und vielleicht gerade deshalb heftige moralische Entrüstung hervorrief. Mannes ist fasziniert vom intriganten Spiel der höfischen Gesellschaft, die Regeln raffiniert unterläuft und durch ein komplexes System von Zei-

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e r l e b e n

März / April / Mai 2017

Die wichtigsten Veranstaltungen auf einen Blick Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals

18.03. Magdeburg Theater Die Andere / S. Corbett 18.03. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Orfeo ed Euridice / C. W. Gluck 18.03. Halle Oper Die drei Musketiere / G. Stiles 18.03. Wien (A) Theater an der Wien Agrippina / G. F. Händel 19.03. Baden-Baden Festspielhaus Tristan und Isolde / R. Wagner 19.03. Berlin Deutsche Oper, Tischlerei Ein Stück vom Himmel / N. N. Hierro 19.03. Essen Aalto-Musiktheater Elektra / R. Strauss 19.03. Leipzig Oper La Cenerentola / G. Rossini 19.03. Linz (A) Landestheater Pelléas et Mélisande / C. Debussy 19.03. Stuttgart Staatstheater Hoffmanns Erzählungen / J. Offenbach 20.03. Baden-Baden Festspielhaus Il mondo della luna / J. Haydn 20.03. Berlin Komische Oper Der Vampyr / H. Marschner 24.03. Erfurt Theater Gutenberg / V. D. Kirchner 24.03. Ulm Theater Lohengrin / R. Wagner 27.03. Frankfurt Oper Messiah / G. F. Händel 27.03. Karlsruhe Badisches Staatstheater Tristan und Isolde / R. Wagner 01.04. Berlin Komische Oper Heute Nacht oder nie / K. Tietje 02.04. Basel (CH) Theater Romeo und Julia / B. Blacher 02.04. Bremen Theater Maria Stuarda / G. Donizetti 02.04. GieSSen Stadttheater Gegen die Wand / L. Vollmer 03.04. Frankfurt Oper Radamisto / G. F. Händel 03.04. Nürnberg Staatstheater Les indes galantes / J.-P. Rameau 03.04. Zürich (CH) Opernhaus Macbeth / G. Verdi 03.04. Salzburg Landestheater Il turco in Italia / G. Rossini 05.04. München Cuvilliés-Theater Albert Herring / B. Britten 08.04. Lübeck Theater

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15. und 16. April, Wien

Osterkonzert der ­Wiener Symphoniker

Die Wiener Symphoniker im Großen Saal des Konzerthauses

F oto: S te fa n O l á h

Premieren

Mit ihrem traditionellen Osterkonzert „Frühling in Wien“ treiben die Wiener Symphoniker den Winter aus. Im blumengeschmückten Großen Saal des Wiener Konzerthauses bezaubern sie ihr Pub­likum mit träumerischen Melodien und jazzigen Rhythmen aus dem Goldenen Westen. Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Philippe Jordan erklingen Werke amerikanischer Komponisten. Die Ouvertüre zur Operette Candide von Leonard Bernstein eröffnet den Reigen. Gershwins Klavierkonzert in F-Dur, das den beliebten Charleston und andere Modetänze der Goldenen Zwanzigerjahre in den Konzertsaal holt, spielt Jean-Yves Thibaudet, ein beeindruckender Pianist, der in vielen musikalischen Bereichen erfolgreich ist. Kritiker sagten Gershwin nach, er erfinde die Melodien seiner Zeit mit all ihren frechen Hemmungslosigkeiten, ihrem fiebrigen Vorwärtsdrängen, aber auch mit der tiefen Melancholie, der wir so oft ausgeliefert sind. In seiner sinfonischen Dichtung ­An American in Paris erzählt er auf musikalisch packende Weise von seiner Reise nach Paris. Er schlendert über die Boulevards, hört das Hupen der Taxis, die Musik aus den Cafés, aber es überkommt ihn auch Heimweh. Mit sinfonischen Tänzen aus Bernsteins Musical West Side Story geht der Abend in Wien schwungvoll zu Ende. Wien, Wiener Konzerthaus, www.wienersymphoniker.at

I Capuleti e i Montecchi / V. Bellini 09.04. Berlin Staatsoper im Schiller Theater, Werkstatt Mario und der Zauberer / S. Oliver 09.04. Dortmund Opernhaus Peter Grimes / B. Britten 09.04. Freiburg Theater Kaspar Hauser / H. Thomalla 09.04. Köln Oper Tree of Codes / L. Lim 09.04. Linz (A) Landestheater Into the Woods - Ab in den Wald / S. Sondheim 10.04. Aachen Theater Die Entführung aus dem Serail / W. A. Mozart 14.04. Berlin Neuköllner Oper Iris Butterfly / P. Mascagni 14.04. Bern (CH) Konzert Theater Pagliacci - Die Clowns / L. Leoncavallo 15.04. Chemnitz Theater Mozart-Briefe / W. A. Mozart, H. I. F. Biber, S. Claußner (Ballett-UA) 15.04. Darmstadt Staatstheater La Calisto / F. Cavalli 15.04. Düsseldorf Opernhaus Der goldene Hahn / N. Rimski-Korsakow 16.04. Augsburg Theater Lady Macbeth von Mzensk / D. Schostakowitsch 16.04. Cottbus Staatstheater Don Carlo / G. Verdi 16.04. Hannover Staatsoper Der Traumgörge / A. Zemlinsky 16.04. Mannheim Nationaltheater Der Golem / B. Lang 16.04. Mainz Staatstheater Der fliegende Holländer / R. Wagner 17.04. Bonn Theater Madama Butterfly / G. Puccini 17.04. Weimar Nationaltheater My fair lady / F. Loewe 18.04. Wien (A) Theater an der Wien Capriccio / R. Strauss 21.04. Darmstadt Staatstheater Angst - Fünf Pforten einer Reise in das Innere der Angst / C. Jost 22.04. Braunschweig Staatstheater Orlando / P. Aderhold 22.04. Hof Theater Einstein - Das Musical / S. Kanyar und M. Scheel 23.04. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Amor vien dal destino / A. Steffani 23.04. Duisburg Theater Die Schneekönigin / M. F. Lange 24.04. Frankfurt Oper Das schlaue Füchslein / L. Janáček 24.04. Hof Theater Die menschliche Stimme / F. Poulenc www.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto s: G . B u ech e r ; J e n s Gyarmat y; T h e ate r K i e l ; M a n fr e d Ess e r ; S i m o n Pau ly; e s p lu s ; P e tr J e d i n á k ; Vojtěch H av l í k ; M ats B äck e r ; s i ko; K ar i n Sch eu e r ; G e rt W e i g e lt; Va l e n ti n B ara n ov sk y / S tat e Acad e m i c M ar i i n sk y Th e atr e; A n to n Z av ya lov; M ati l d e Fass o; H e n n i n g Sch e ff e n

Entdecken, worauf es ankommt

14. bis 23. April

Bayreuther Osterfestival Lange hatte Johannes Brahms gezögert, bevor er sich auf das „große Abenteuer“ einer Sinfonie einließ. Erst im Alter von 43 Jahren vollendete er auf Rügen seine erste Sinfonie. Die Internationale Junge Orchesterakademie unter Dorian Keilhack wählt das Werk für das Bayreuther Osterfestival. In der barocken Pracht der Ordenskirche St. Georgen unter den Wappentafeln der Ritter vom Roten Adlerorden spielt es zudem die Ouvertüre zum Fliegenden Holländer und Lieder aus Des Knaben Wunderhorn von Gustav Mahler. Das Orchester wird jedes Jahr aufs Neue aus talentierten jungen Musikern der ganzen Welt zusammengestellt. Dabei erhalten auch Musiker aus entwicklungsschwachen Ländern die Möglichkeit der Teilnahme. Über zwei Wochenenden zu Ostern veranstaltet die Akademie das Festival. Eröffnet wird es am Karfreitag in der Bayreuther Stadtkirche mit Georg Philipp Telemanns Matthäus-Passion. Zum weiteren Programm gehören zwei Klaviermatineen im Rokokosaal der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne. Die beiden Pianistinnen Shizuko Yamamoto und Aleksandra Mikulska spielen am historischen Liszt-Flügel. Ins Leben gerufen wurde die Akademie unter Mitwirkung des Regisseurs August Everding und des Dirigenten Charles Mackerras. Bayreuth, verschiedene Spielorte, www.osterfestival.de

Exklusive Musikreisen mit der ZEIT Erleben Sie glamouröse Klassik-Events und Perlen der Festival-Landschaft. Auf exklusiven Reisen nehmen Sie an ausgewählten Veranstaltungen teil und treffen die Intendanten oder Künstler hautnah. Unsere Musikexperten begleiten Sie und stehen Ihnen mit ihrem Fachwissen zur Seite. Bestellen Sie jetzt kostenlos Ihr persönliches Exemplar! 040/32 80-455 zeitreisen@zeit.de www.zeitreisen.zeit.de/katalog

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25. Juni

München Orchester anders erleben SYMPHONY 80 Musik ist nicht bloß, was man hört. Diese Einsicht treibt den Künstlerkomponisten Ari Benjamin Meyers seit Langem um. Er ist überzeugt, dass Musik Sehnsüchte wecke, ungelebtes Leben aufscheinen lasse und tief berühre. In seinen jüngsten Performances setzte er sich mit OrMünchen Caprice 1 21385_ZR_EXT_crescendo_ANZ_12914794_X4_OC300 chestern und deren sozialen und räumlichen BeVon einer „société de plaisirs“ wollte Ludwig ziehungen auseinander. Er beklagt, dass wir uns in „recording artists“ XIV. umgeben sein. Die rauschenden Feste bei verwandelt hätten. Früher habe man ein Musikstück spielen müssen, um Hof sollten die Adeligen den Verlust ihrer es hören zu können. Zurück zum Performativen, fordert er. Das Projekt Macht vergessen lassen. Das Ensemble Sonoriz„SYMPHONY 80“, das er in Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchezonte bringt die Suite des berühmten Gamster des Bayerischen Rundfunks durchführt, ist auf die Begegnung der bisten ­Marin Marais zur Aufführung, der am Hof Besucher mit den einzelnen Orchestermusikern gerichtet. Das Orchedes Sonnenkönigs wirkte. Den Abschluss ihrer ster erhält in der Performance nicht als geschlossene Gruppe einen Platz Jubiläumssaison zum fünfjährigen Bestehen des Ensembles feiern Jessica zugewiesen. Vielmehr werden alle Räumlichkeiten des Lenbachhauses als Kuhn, Arno Jochem de La Rosée und Michael Freimuth unter dem Motto orchestraler Ausstellungsort bespielt. Die Besucher wandern durch die „Caprice“ mit einem Programm vom Barock bis in die Gegenwart. GeMusik, den Raum und das Bild des Orchesters. spielt wird auf historischen Instrumenten wie dem Barockcello, der Viola München, Lenbachhaus, www.lenbachhaus.de da Gamba und der Theorbe. Wozu sich heutige Komponisten von den al-

30. April

21. April bis 21. Mai

Wolfsburg Movimentos Festwochen „Freiheit“ lautet das Thema, zu dem fünf internationale Tanzkompanien in der Autostadt ihre Choreografien vorstellen. Eine gemeinsame Arbeit zeigen die GöteborgsOperans Danskompani und die Company Eastman des Choreografen und Tänzers Sidi Larbi Cherkaoui. Dieser setzt in seiner Arbeit „Noetic“ die Beobachtung um, dass Menschen jedem Bereich ihres Daseins, auch ihren Mitmenschen und sich selbst, Strukturen verleihen, während sie zugleich das Verlangen haben, Neues zu entdecken. In einem von Antony Gormley geschaffenen Bühnenraum aus Stahlbändern führen die Tänzer mechanische, wie automatisierte Bewegungen aus. Um die Erschaffung von Ikonen als Modelle für soziale Rollen geht es in Icon. Cherkaouis Choreografie zeigt, wie Menschen Ikonen schaffen, ihnen Macht verleihen, sie stürzen und wiederum durch neue ersetzen. Das Ensemble agiert auf rituelle Weise in 3,5 Tonnen Lehm. Wolfsburg, verschiedene Spielorte, www.movimentos.de

ten Instrumenten inspirieren lassen, zeigt das Stück Blinde Berührung für Laute und Viola da Gamba von Thomas Bocklenberg, dessen Uraufführung das Ensemble vornimmt. München, Alte Hofkapelle der Residenz, www.sonorizzonte.de

27. Mai

Darmstadt South Pole „Es gibt für mich nichts Stärkeres in der Musik als einen singenden Menschen auf der Bühne“, sagt Miroslav Srnka. Im Februar 2016 wurde seine Oper South Pole in München uraufgeführt. Am 27. Mai geschieht, wovon Komponisten häufig vergeblich träumen: Sein Werk über den Antarktiswettlauf zwischen dem Briten Robert Scott und dem Norweger Roald Amundsen wird nachgespielt. Unter der Regie von Karsten Wiegand kommt es in Darmstadt erneut auf die Bühne. Darmstadt, Staatstheater, 27.5. (Premiere) sowie 10., 18. und 21.6., www.staatstheaterdarmstadt.de

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10.02


e r l e b e n

3. bis 11. April, München, Ballett Festwoche

F oto: S v e tl a n a P o sto e n ko / M G

Die verzweifelte Tat des Kronprinzen

Das Bayerische Staatsballett begrüßt das Ballett des Stanislawskiund Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheaters aus Moskau mit Kenneth MacMillans Mayerling. Inspiriert zu diesem Ballett hatte den Choreografen des Royal Ballet der Roman „The Eagles Die. Franz Joseph, Elisabeth, and their Austria“ des aus Wien stammenden amerikanischen Schriftstellers George Richard Marek. Er weckte in MacMillan das Interesse an den Habsburgern und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Die tragische Geschichte des Kronprinzen Rudolph, der sich und der jungen Mary Vetsera im Jagdschloss Mayerling das Leben nahm, wurde bereits in zahlreichen Romanen und Filmen romantisiert. Aber MacMillan wollte die sozialen, politischen und persönlichen Gründe zeigen, die den Kronprinzen zu der verzweifelten Tat bewogen hatten. Er beauftragte den britischen Schriftsteller Gillian Freeman mit einem Libretto. Die Musik stellte der Komponist John Lanchbery aus Werken Franz Liszts zusammen, eines Zeitgenossen des Kronprinzen. Darüber hinaus steht auch die erste Premiere der Saison, Spartacus von Juri Grigorowitsch, auf dem Festprogramm. In der Eröffnungspremiere zeigen Solisten und das Ensemble des Bayerischen Staatsballetts Christopher Wheeldons Alice in Wonderland mit der Musik von Joby Talbot in Bob Crowleys Bühnen-Fantasiewelten. Als Explosion von Farbe, Bühnenmagie und choreografischem Einfallsreichtum wurde das Ballett gefeiert. München, Nationaltheater, www.staatsoper.de

24.04. Stuttgart Staatstheater Reigen / P. Boesmans 27.04. Erfurt Theater Macbeth / G. Verdi 28.04. Wien (A) Staatsoper Turandot / G. Puccini 29.04. Berlin Deutsche Oper Morgen und Abend / G. F. Haas 29.04. Dessau Anhaltisches Theater Der wunderbare Mandarin / Herzog Blaubarts Burg / B. Bartok 29.04. Dresden Staatsoperette Die lustige Witwe / F. Lehár 30.04. Halle Oper Così fan tutte / W. A. Mozart 30.04. Leipzig Oper Götterdämmerung / R. Wagner 01.05. Dresden Semperoper Mathis der Maler / P. Hindemith 05.05. Ulm Theater Werther / J. Massenet 07.05. Magdeburg Theater Die lustigen Weiber von Windsor / O. Nicolai 07.05. Berlin Deutsche Oper Norma / V. Bellini (konzertant) 07.05. Kiel Theater Orpheus und Eurydike / C. W. Gluck 07.05. Zürich (CH) Opernhaus Orlando Paladino / J. Haydn 07.05. Würzburg Mainfranken Theater Der Steppenwolf / Viktor Åslund 08.05. Zürich (CH) Opernhaus Pelléas et Mélisande / C. Debussy 16.05. München Nationaltheater Die Meistersinger von Nürnberg / R. Wagner 20.05. Bremen Theater Werther / J. Massenet 21.05. Berlin Deutsche Oper

Jewels / G. Fauré, I. Strawinsky und P. I. Tschaikowsk (Ballett) 21.05. Lübeck Theater Attila / G. Verdi 21.05. Salzburg Landestheater Stormy Interlude / M. Brand 22.05. Altenburg Landestheater Der Freischütz / C. M. v. Weber 22.05. Berlin Komische Oper Geschichten aus dem Wiener Wald / HK Gruber 22.05. Bern (CH) Konzert Theater Hanjo / T. Hosokawa 22.05. Dortmund Opernhaus Ronja Räubertochter / J. Arnecke 23.05. Kassel Staatstheater Die tote Stadt / E. W. Korngold 26.05. Linz (A) Landestheater Terra Nova oder das weiße Leben / M. Eggert 27.05. Augsburg Theater Der Liebestrank / G. Donizetti 27.05. Dessau Anhaltisches Theater Lakmé / L. Délibes (konzertant) 27.05. Halle Oper Sosarme, re di media / G. F. Händel 28.05. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Juliette / B. Martinů 28.05. Braunschweig Staatstheater Hexenjagd (The Crucible) / R. Ward 28.05. Flensburg Stadttheater Der Revisor / W. Egk 29.05. Bonn Theater Holofernes / E. N. v. Reznicek 29.05. Erfurt Theater Die Meistersinger von Nürnberg / R. Wagner 29.05. Nürnberg Staatstheater Rigoletto / G. Verdi

26. Mai bis 23. Juli

St. Petersburg Zauber der WeiSSen Nächte Es ist ein Naturschauspiel. Wenn zur Sommersonnenwende die Sonne nur knapp unter dem Horizont verschwindet und die prunkvolle Stadt an der Newa in ein silbrig-weißes Licht taucht, verliert alles seinen Schatten. Eine Magie liegt über St. Petersburg. Die ganze Stadt feiert. Über der Newa werden Feuerwerke entzündet. Auf dem riesigen Platz vor dem Winterpalais gastieren internationale Stars der Popmusik. Die Eremitage mit ihren drei Millionen Exponaten bietet Ende Juni sieben Tage lang Sonderführungen. Im Mariinsky-Theater findet das Musikfestival „Stars of the White Nights“ statt. Gezeigt werden berühmte Opern- und Ballettaufführungen. St. Petersburg, Mariinsky-Theater, www.mariinsky.ru

16. bis 26. März LfA Förderbank Bayern präsentiert

CARMINA BURANA MEETS WELTMUSIK Donnerstag, 29. Juni 2017, 20.00 Uhr München, Philharmonie im Gasteig 8. Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie VIOLONS BARBARES | THE 3 VIOLONS OF THE WORLD Solisten, Chöre, Ensembles und Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie Mark Mast Dirigent und Gesamtleitung www.bayerische-philharmonie.de Karten: 69 / 59 / 49 / 39 / 32 / 24  €, ermäßigt 50 % Telefon +49 89 120 220 320 | info@bayerische-philharmonie.de | www.muenchenticket.de

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Berlin Maerzmusik „Wie kann ein Festival der Tatsache gerecht werden, dass es ein öffentlicher, gemeinschaftlicher und dadurch politischer Raum ist?“, fragt Berno Odo Polzer, Intendant des Festivals für Zeitfragen. Eingeladen hat er für die zehn komponierten Abende unter anderem das Ensemble Ictus. Die Musiker stellen zwei Werke vor, die von den dunklen Seiten unserer Zeit erzählen, der Isolation und Machtlosigkeit. In Charlemagne Palestines Stück hört man die verzweifelte Stimme eines Mannes, der auf seinem Motorrad von einer Insel zu entkommen sucht. Eva Reiters The Lichtenberg Figures versteht sich als „klingendes Psychogramm“ unserer Gesellschaft, wild und rau. Berlin, verschiedene Spielorte, www.maerzmusik.de www.crescendo.de

April – Mai 2017


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Messe München, 19. bis 21. Mai

crescendo auf der Messe „die 66“

Selbstbestimmt wohnen und Kultur genießen Eva Lind

Max Müller

Von 19. bis 21. Mai 2017 findet wieder „Die 66“, Deutschlands größte 50plusMesse, in München statt. Fast 50.000 Besucher begeisterte sie im vergangenen Jahr, und dieses Jahr wird sie noch schöner, noch größer: Es locken 16 Themenbereiche von Reise über Kultur bis Mode, von Fitness über Finanzen bis Wohnen. 500 ausgewählte Aussteller werden in zwei großen Hallen der Messe München erwartet. Mittendrin, als Herzstück des Themenbereichs Kunst & Kultur: die Hör- und Leselounge von crescendo und der SZ Edition. Hier treffen Sie am 19.5. um 15.30 Uhr Opernsängerin Eva Lind. Die österreichische Star-Sopranistin ist nicht nur mit Paraderollen wie der Konstanze aus Mozarts Entführung aus dem Serail auf allen großen Bühnen der Welt zu Hause, sie wurde auch durch ihre Fernsehauftritte einem breiten Publikum bekannt: So moderierte sie Sendungen wie „Stars von morgen“ oder „Straße der Lieder“ und kommentierte den „Dresdner Opernball“. Ein weiterer prominenter Gast ist Strahlemann und TV-Liebling Max Müller, den meisten bekannt als Polizeiobermeister Michi Mohr aus den „Rosenheim-Cops“. Aber wussten Sie, dass Max Müller ein Gesangsstudium abgeschlossen hat und regelmäßig als Bariton bei Liederabenden auftritt? Vielleicht werden Sie ihn am 20.5. ja auf der Messe singen hören … Natürlich treffen Sie in der Hör- und Leselounge auch auf die Redaktion von ­crescendo mit unserem Chef-Kritiker Attila Csampai, der Sie auf eine Hör-Reise durch seine privaten Klassik-Schätze mitnimmt. Die Hör- und Leselounge ist auch der perfekte Platz zum Entspannen, Lesen, Lauschen und Genießen. Lassen Sie sich von den „Kulturinseln“ inspirieren, auf denen sich unsere ausgewählten Partner vorstellen. Darüberhinaus bietet „Die 66“ auch eine Show-Bühne, Tanzfläche, Sportbühne, zwei Fahrradparcours und sogar einen eigenen Laufsteg. An den drei Tagen wartet ein dichtes Programm aus Vorträgen, Expertengesprächen, Workshops und Shows auf Sie. Exklusiv für crescendo Leser: Unter www.crescendo.de/die66 können Sie einen Gutschein für eine kostenlose Tageskarte herunterladen! Thematisch passende Unternehmen und Institutionen können sich mit ­einer „Kulturinsel“ präsentieren. Sprechen Sie uns an: Petra Lettenmeier, lettenmeier@crescendo.de, Tel: 089/74 15 09-20

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Wohnstift Rathsberg e.V. Rathsberger Straße 63 91054 Erlangen Tel.: 09131-825-0 Fax.: 09131-825-277 info@wohnstift-rathsberg.de www.wohnstift-rathsberg.de


Katharina Bäuml

Isabelle Faust

F oto s: Th o rst e n E i chh o rst; F e l i x B ro e d e; F ra n k E i d e l

e r l e b e n

Ragna Schirmer

Musik, die einem die Seele erfüllt Das Braunschweiger Festival Soli Deo Gloria feiert die Reformation. Dabei dürfen natürlich Werke von Bach und Mendelssohn nicht fehlen, aber auch neue Klänge verlocken. Von Ruth Renée Reif

„Ky-ri-e … Ky-ri-e … Ky-ri-e e-le-i-son!“ Mit einer eindringlichen Folge von Bittformeln lässt Johann Sebastian Bach seine h-MollMesse beginnen. Viele Jahre hat er in verschiedenen Teilwerken Vorarbeiten für sie geleistet, ehe er in seinen letzten beiden Lebensjahren all die Bruchstücke zusammenfügte und das erhabene Werk vollendete. Er selbst hat ihre Aufführung wohl nie erlebt. Das Prager Barockensemble Collegium 1704 und das Vokalensemble Collegium Vocale 1704 unter ihrem Gründer und Leiter Václav Luks eröffnen mit der Messe im Kaiserdom Königslutter das Festival Soli Deo Gloria. Am Vorabend der Eröffnung gestaltet der Schauspieler Samuel Koch gemeinsam mit dem Organisten Bernhardt BrandHofmeister einen Abend mit Wort und Musik in der Kirche ­St. Nicolai in Nordsteimke. Günther Graf von der Schulenburg, der das Festival ins Leben rief, hat als Künstlerischer Direktor ein Programm zusammenge32

stellt, das zum 500. Jubiläum des Lutherschen Thesenanschlags die Reformation würdigt. Bachs Musik, die seit jeher die geistliche Ausrichtung des Festivals repräsentiert, erklingt erneut in der mittelalterlichen Martinikirche von Braunschweig. Der Kammerchor Stuttgart und die Solisten Sarah Wegener und Peter Harvey widmen sich mit dem Barockorchester Stuttgart unter Frieder Bernius den Reformationskantaten Bachs Gott der Herr ist Sonn und Schild sowie Ein feste Burg ist unser Gott und seiner nur aus Kyrie und Gloria bestehenden g-Moll-Messe. Ein Vorläufer Bachs und einer der herausragenden Komponisten zwischen Renaissance und Barock war Heinrich Schütz. Er stand in der Kirchenmusiktradition der Höfe und Kantoreien, wie Luther sie im 16. Jahrhundert gründete. Als gläubiger Musiker setzte er alle Mittel seiner Kunst ein, um die geistlichen Texte inspirierend zu vermitteln. „Bewegt“ und „beeindruckt“ wie von www.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto: c A n dr e as Gr e i n e r- Na p p

Luthers Kantate Ein feste Burg einfließen den Worten eines Predigers sollten die ließ und so dem Reformator ein musiHörer von der Musik werden. 1617 wurde kalisches Denkmal setzte. Pablo HerasSchütz Hofkapellmeister in Dresden. Auch Casado leitet das Freiburger BarockorchesMichael Praetorius, der Leiter der Wolfenter bei ihrer Aufführung. Solistin in Menbütteler Hofkapelle, befand sich in jenem delssohns herrlichem Violinkonzert e-Moll Jahr in den Diensten des Dresdner Hofes. ist Isabelle Faust. Sie hat sich mit dem KonFür die 100-Jahrfeier der Reformation am Günther Graf von der Schulenburg zert und all seinen Pianissimi und Piani Hof komponierten die beiden eine Messe. In der Hauptkirche in Wolfenbüttel, einem bedeutenden Gottes- eingehend befasst, um die vielen Nuancen und „wunderschönen haus des frühen Protestantismus, in dem Praetorius auch begraben Details“ herauszuarbeiten. Das im 16. Jahrhundert erbaute Welfenschloss Gifhorn billiegt, bringen die beiden Ensembles Musica Fiata und La Capella Ducale unter Roland Wilson diese Reformationsmesse zur Auf- det den Rahmen für die „Telemannische Hauspostille“ von Thomas führung. Wilson, der zunächst Trompete studierte, setzte sich aus- Fritzsch. Der Gambist nahm die von dem Komponisten und Vergiebig wissenschaftlich mit den Quellen historischer Aufführungs- leger Georg Philipp Telemann 1727 für den häuslichen Gebrauch praxis auseinander. Er wandte sich den Originalinstrumenten zu, veröffentlichten Arien als Grundlage für neun Hausandachten. Mit die er mittlerweile selbst nachbaut. Mit seinen Ensembles entwi- dem Bassbariton und Telemann-Preisträger Klaus Mertens, dem ckelt er eine sprechende Spielweise, die auch dichte Strukturen Lautenisten Stefan Maas und dem Gewandhausorganisten Michael Schönheit stellt er sie vor. Im Bergwerk Rammelsberg, das auf eine transparent erscheinen lässt. Menschen würden über die Vieldeutigkeit der Musik kla- 1.000-jährige Geschichte zurückblicken kann und zu den Weltkulgen, während die Worte doch ein jeder verstehe. „Mir geht es turerbestätten gehört, präsentiert die Pianistin Ragna Schirmer mit aber gerade umgekehrt“, schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy. dem Schlagzeuger Matthias Daneck ihr Projekt „Re-Formation“. Große Werke Bachs und Händels bringt sie in Die Worte erschienen ihm „so missverständsoli deo gloria Beziehung zu neuen Formen und Bearbeitunlich im Vergleich zu einer rechten Musik, die 8. bis 21. Juni gen der Choral- und Fugenrezeption. Mit Texeinem die Seele erfüllt mit tausend besseren Informationen und Kartenservice: ten von und über Luther, die Christian SengeDingen, als Worten“. Zur 300-Jahrfeier der Tel.: +49-(0)30 - 67 80 111 karten@solideogloria.de wald vorträgt, findet das Festival einen inspiReformation komponierte Mendelssohn seine www.solideogloria.de rierenden Ausklang. Fünfte Sinfonie Reformation, in die er auch ■


F oto: S ti ft u n g F rau e n k i rch e D r esd e n / O l i v e r K i l l i g (2)

e r l e b e n

Martin-Luther-Denkmal vor der Frauenkirche Dresden

Eine Kirche voll Musik – und was für welcher! Zum Reformationsjubiläum lockt die Dresdner Frauenkirche mit mehr als 130 ­hochkarätigen Veranstaltungen – von Konzerten mit Valer Sabadus oder Dame Emma Kirkby über ­Uraufführungen bis zu von Luthers eigener Musik inspirierten Werken. Von Julia Hartel

„Die Musik ist die beste Gottesgabe“, konstatierte Martin Luther in seinen „Tischreden“. So liegt es denn auch nahe, gerade Gotteshäuser so oft wie möglich mit Musik zu füllen – nicht nur zum Sonntagsgottesdienst. Seit der Weihe 2005 laden in der Frauenkirche Dresden alljährlich – und eben auch ganzjährig sowie mehrmals pro Woche – vielfältige Musikprogramme Interessierte aller Altersklassen zu Begegnungen mit bekannten und unbekannten musikalischen Meisterwerken in den barocken Hauptraum ein. Aus Anlass des diesjährigen Reformationsjubiläums stehen die über 130 für das Jahr 2017 geplanten Angebote unter dem Motto „re|formation – Neue Perspektiven“. Sie bestehen aus etwa 60 Konzerten, 40 Orgelabenden, 20 geistlichen Sonn- und Festtagsmusiken, zwölf Familien- bzw. Jugendangeboten sowie je zwei Mitsingveranstaltungen und Adventsliedersingen. 34

Viele renommierte Künstlerinnen und Künstler bzw. Ensembles konnten für das Musikprogramm 2017 gewonnen werden. So wird beispielsweise am 1. April Countertenor Valer Sabadus zusammen mit der Cappella Gabetta Werke von Giovanni Battista Pergolesi, Antonio Vivaldi und Nicola Antonio Porpora zur Aufführung bringen. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Große Stimmen“; zu dieser gehören auch Konzerte von Andreas Scholl mit Dorothee Oberlinger und dem Ensemble 1700 (1. Juli), Nuria Rial und La Stagione Frankfurt (16. September) oder Dame Emma Kirkby und Bell’Arte Salzburg (6. Dezember). Ebenso hohen Kunstgenuss versprechen die Instrumentalkonzerte: „Bach und Söhne“ als wiederkehrender Aspekt in den Frauenkirchenkonzerten steht im Mittelpunkt des Abends mit Martin Stadtfeld (Klavier) und dem Mannheimer Mozartorcheswww.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto: M i rjam K n i ckr i e m ; K l au s G i gg a

Daniel Hope

Katja Riemann

Frauenkirche

ter am 22. April. Musikalischen Schätzen aus der Feder Antonio rung zu erleben sein: Am 24. Juni wird die Kantate Nun freut euch, Vivaldis – „verloren & wiederentdeckt“ – gehört das Konzert mit lieben Christen g’mein für Gesangssolisten, Kammerchor, großen dem Violinisten Daniel Hope und dem Barockorchester l’arte Chor, Kinderchor, Orgel und Orchester vorgetragen, die die Stifdel mondo (11. November). Und der Bogen zur Moderne wird tung Frauenkirche Dresden – unterstützt von der Gesellschaft zur gespannt, wenn am 7. Oktober Pianist Sebastian Knauer zusam- Förderung der Frauenkirche Dresden e. V. – anlässlich des Jubilämen mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin das Concerto ums bei dem Dresdner Komponisten Jörg Herchet in Auftrag gegefür Klavier, Vibrafon und Streichorchester mit dem Titel ÜBER- ben hat. Um mit dem Ziel kultureller Nachhaltigkeit auch junge BACH zu Gehör bringt, das der deutsch-iranische Komponist Arash Safaian aus musikalischen Themen des Thomaskantors Menschen anzusprechen, die in ihrem bisherigen Leben vielleicht noch keinen Zugang zu klassischer und geistlicher Musik geschaffen hat. Die Verbindung von Altem und Neuem kann auch als eine gefunden haben, legt die Frauenkirche stets Wert darauf, mehrere der zentralen Errungenschaften Luthers betrachtet werden. Dem- Angebote speziell auf diese Zielgruppe abzustimmen. Neben den entsprechend wird sich dieser Gedanke natürlich zusätzlich in den „Musikalischen Klassenzimmern“ steht hierzu etwa am 13. März Formaten widerspiegeln, die dem Thema „500 Jahre Reformation“ ein „Gesprächskonzert für junge Leute“ mit Frauenkirchenkangewidmet sind: „Die Impulskraft des Reformators aufgreifend, tor Matthias Grünert und dem ensemble frauenkirche auf dem werden neue künstlerische Bezüge hergestellt und Weiterentwick- Programm, das Schülerinnen und Schülern die Musik von C. P. E. lungen gewagt“, erläutert Dr. Ralf Ruhnau, Leiter des Konzertma- sowie Johann Christian Bach näherbringen soll. Durch die Vernagements und Programmplaner der Stiftung Frauenkirche Dres- anstaltung führt KiKa-Moderator Juri Tetzlaff. Am 15. Dezember den. So umfasst diese Reihe unter anderem zwei Konzerte des Cal- kann ein „Werkstattkonzert“ besucht werden, bei dem sich Ludwig mus Ensembles mit Liedern Luthers in Werken von Praetorius und Güttler, seine Virtuosi Saxoniae und das Sächsische VocalensemSchütz (12. und 13. Oktober) und ein von Ludwig Güttler eigens ble Bachs Weihnachtsoratorium widmen werden. Doch auch „nicht mehr jugendliche“ Zuhörer sind zum Diazusammengestelltes Programm mit Dresdner Repertoire zum log mit den ausführenden Künstlern einReformationsfest (30. Oktober). Eine KomMusik in der Frauenkirche geladen, etwa bei den regelmäßigen Konbination von Musik mit Texten zur ReforDresden 2017 zerteinführungen oder den begleitenden mation wird am 14. Oktober präsentiert, Informationen und Kartenservice: Kunstgesprächen. Bei dieser Fülle von wenn die Kammerakademie Potsdam und Tel.: +49-(0)0351 - 656 06 701 verschiedenartigen Programmpunkten Schauspielerin Katja Riemann als SprecheFax: +49-(0)0351 - 656 06 108 ist garantiert für jeden Geschmack etwas rin gemeinsam einen Abend zum Thema ticket@frauenkirche-dresden.de dabei! gestalten. Außerdem wird eine Urauffühn www.frauenkirche-dresden.de 35


j u n g   &   a l t

Mit dem „Kürbis van Beethoven“ unserer Künstlerin Anna-­ Sophie Jürgens haben wir den Alterungsprozess des Komponisten-Giganten auf zwei Wochen gerafft. Die komplette Serie finden Sie in unserer Premium-Ausgabe.

Wunderkind und Künstlergreis Sie werden ausgestellt wie Schlangenfrauen im Zirkus, die ­Wundermädchen und Wunderknaben. Lässt der „Kindheits-Hype“ nach, wird es schnell eng in der Künstlerluft über dem Mittelmaß. Endlich reif, angesehen und erfahren, verpassen viele den perfekten Moment, um zu gehen. v o n T e r e s a P i e s chac ó n Ra p ha e l

M

an muss jung sein, um große Dinge zu tun“, meinte Goethe im hohen Alter. „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder“, wusste der jung verstorbene Kollege Schiller. Doch des Dichters weise Sprüche braucht es heute nicht. „Einst Prügel schon als Säugling“, hieß es 2014 in der „Welt“ recht flott, „später Freiheit bar jeder Autorität – und nun Förderung um jeden Preis.“ Bloß nichts verpassen, scheint die Devise unseres Zeitalters der Optimierung. Zeitfenster werden aufgestellt, die Eltern in Torschlusspanik versetzt. Bis zum vierten Lebensjahr sollte die Motorik ausgereift sein und eine zweite Sprache dazukommen. Eine Musikerkarriere startet am besten zwischen dem dritten und dem zehnten Lebensjahr. Jung, schön und genial. Das hat Sexappeal. Nicht für Mitsuko Uchida. Eine seltsame Vorliebe sei es, wenn hochbegabte Kinder so bestaunt werden wie Schlangenfrauen oder Tellerwerfer im Zirkus. „Fragen Sie das Publikum doch einmal, ob es vor Gericht von einem Siebenjährigen vertreten oder von einem sehr begabten Achtjährigen operiert werden will.“ Weder Uchida noch andere konnten als Kind mit einer „Instantkarriere“ dienen. Und sind nicht traurig darüber. „Wunderkindkrankheit“ beschrieb Jascha Heifetz, selbst ein Wunderkind, die Zusammenbrüche der jungen Kollegen, die den Sprung zum bewussten Künstler nicht schafften und verzweifelten, weil sich die Verzauberung des Publikums neuen Wundern zuwendete. „Bei uns geht es nicht um Fähigkei-

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ten“, sagt der Geiger Christian Tetzlaff, „sondern ums Erzählen von Inhalten … Bei einem Kind kann man noch gar nicht wissen, ob es nur gut imitieren kann oder ob es wirklich darauf brennt, Musik zu erzählen.“ Das brauche Zeit. Beharrliche Aufbauarbeit aber zahle sich aus. Aus der Sicht des Musikers. Nicht aber der Manager, die gerne Karrieren im Prestissimo planen. Heute Konservatorium, morgen die Met. „Leider werden die meisten Talente zu früh entdeckt und zu Tode vermarktet“, beklagt Jan Vogler. Ingolf Turban stellt fest: „Es ist erschütternd, was da mit Kindheiten angestellt wird, wie Begabung zur Schau gestellt und missbraucht wird. Kommt das Kind dann in die Pubertät, kracht es oft ins Vakuum. Für die Scherben interessiert sich dann niemand mehr.“ Und auch der – noch junge – Geiger Renaud Capuçon warnt: „Die Gefahren für einen jungen Musiker sind heute sehr groß, es gibt die sozialen Netzwerke, die ihnen das Gefühl vermitteln, sehr rasch sehr bekannt zu sein, entsprechend der Anzahl ihrer ,Freunde‘ auf Facebook oder Twitter oder Instagram. Die Gefahren liegen auch im Anreiz dessen, was glänzt.“ Frei nach Georg Christoph Lichtenberg: „Der Mensch ist verloren, der sich früh für ein Genie hält.“ Andererseits: Was wäre Jugend ohne Begeisterung? Ohne die Zuversicht, es auf alle Bühnen der Welt zu schaffen? Wohl wie das Alter ohne Erfahrung. Der Musikbetrieb nährt jede Hoffnung. Kein Konzerthaus ohne Bühne für „Junge Wilde“, kein Opernhaus mehr ohne Opernstudio, keine Stiftung, Bank oder Konzern, die www.crescendo.de

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Auch unser Haydn-Pilz hat nach 14 Tagen schon merklich Glätte verloren, aber Charakter gewonnen.

Doch selbst, wenn man es auf die große Bühne geschafft hat, nicht einen Preis, ein Stipendium ausschreibt. Ein Wettbewerb jagt den nächsten, ob in Brüssel, München oder Cardiff, von „Jugend bleibt die Sorge: Wie schafft man es, jahrzehntelang im Gespräch musiziert“ über den ARD-Wettbewerb bis hin zum Young Singers zu bleiben, wie Anne-Sophie Mutter, die jetzt ihr 40. Jubiläum feiProject der Salzburger Festspiele. Agenten, Journalisten befördern ert? Oder Cecilia Bartoli, deren Koloraturen nicht mehr das sind, das Geschäft. Sie alle wollen die Sensation: den neuen Horowitz, was sie waren, deren Name dennoch in aller Munde ist. „Um eine Karriere nachhaltig zu gestalten, ist es Caruso und Co. wichtig, sich immer wieder neu zu Bitter also, wenn man mit Anfang erfinden“, sagt Karin Heinrich, lang30 trotz Auszeichnungen, unzähliger „Fragen Sie das ­Publikum jährige Managerin und Beraterin von Probespiele und verschickter Demotapes DOCH ­EINMAL, ob es von ­ Roger Cicero. Dazu gehöre eine klare an Agenten und Plattenfirmen vom letzHaltung und Mut, „denn die Branche einem begabten ten Wettbewerbsgeld lebt. „Ich habe nie denkt gerne in Schubladen und lebt über Alternativen nachgedacht“, sagt ­Achtjährigen operiert ganz gut davon, erfolgreiche Projekte so eine junge Musikerin, die ihren Namen ­werden will“ lange wie möglich zu kopieren.“ Weiternicht nennen möchte. „Mit 15 war klar, entwicklung sei das Zauberwort. Mögdass ich Musik studieren werde. Natürlichst also doch nicht alt werden?! lich bleiben Leute auf der Strecke, mir Allgemein gilt für Stars ebenso wie für die anderen: In der passiert das aber nicht, dachte ich.“ Vielleicht nicht gut oder attraktiv genug? Keine Lobby, kein Geld hinter sich? Die gnadenlose Kon- Kunst des Rücktritts beweisen nur wenige die Kunstfertigkeit des kurrenz? Schließlich steht dem eklatanten Nachwuchsmangel an Rennfahrers Nico Rosberg, der sich mit 31 Jahren, auf dem Höheden Musikhochschulen der 1960er heute ein Überangebot gegen- punkt einer Karriere, zurückzog. Mittelalterliche Potentaten wurüber. „Tausend schöne, täuschende Genien umschweben unsere den geköpft, erschlagen, vergiftet, Politiker abgewählt. Und der Jugend. Nach und nach entschwindet das Gedränge, und die Aus- Künstler? Die meisten ergreift die Panik. Schließlich hat man alles sicht wird freier. Das nennen wir dann Erkenntnis“, könnte man mit eingesetzt, die Bühne wurde zur zweiten Natur. Es droht der Idendem Aphoristiker und Pädagogen Johann Jakob Mohr meinen, der titätsverlust. Viele hangeln sich von Abschiedstournee zu dies im 19. Jahrhundert schrieb. „Letztlich entscheidet das Schick- Abschiedstournee, schlüpfen in die Rolle des „elder statesman“ in sal, die Vorsehung oder der liebe Gott über eine Karriere“, sagt Gus- Meisterkursen, ändern auch mal das Fach, wie der Tenor Plácido tav Kuhn, Leiter der Tiroler Festspiele und des Wettbewerbs Neue Domingo, der heute mit Bariton-Partien auftritt. Sänger werden zu Rezitatoren, Cellisten zu Dirigenten. José Carreras räumt in selteStimmen der Bertelsmann-Stiftung. Aus Japan, dem Land der Wunderkinder (!), kommt das ner Ehrlichkeit ein: „Langsam, langsam“ versuche er das zu beenSprichwort: Ein 10-jähriges Wunderkind wird zu einem 15-jähri- den, „was ich 1970 angefangen habe.“ Langsam. Damit „es kein gen Talent, bevor es 20-jährig dem Mittelmaß angehört. In Japan allzu großer Schock für mich“ wird. Doch irgendwann muss jeder gehen. Es sei denn, man stirbt mag dies einem Gesichtsverlust gleichkommen, aber in Deutschland? Was spricht gegen das Glück in der Mitte? Die meisten Musi- im Bühnenkostüm wie Molière oder macht es wie Yehudi Menuker hier sind keine Superstars, aber auch keine hungernden Künst- hin. Als die Aura des Wunderkindes dahin war, schuf er sich eine ler. In Deutschland fließt – wie in keinem anderen Land – Musik so neue: die des Heiligen, des Künstlers der Versöhnung. Oder Günselbstverständlich wie Wasser und Strom, bis in den entlegensten ter Wand, der nach Jahrzehnten als Lokalmatador in Köln mit 70 Ort. Keine Kleinstadt ohne Konzertreihe, Konzerthaus, Orchester eine erstaunliche internationale CD-Karriere hinlegte. Nicht er oder Musik(hoch)-schule. Der Bedarf an Pädagogen und Interpre- habe eine Karriere verpasst, sondern der Musikbetrieb habe ihn ten ist groß und wird vielfach mit Künstlern aus Osteuropa verpasst, kommentierte er seinen späten Ruhm. Noch besser ergeht gedeckt. Zugegeben: Es ist nicht glamourös, wenn eine junge Frau es Komponisten: Heinrich Schütz schrieb 86-jährig sein berühmeinst für die nächste Callas gehalten wurde und nun an einer Dorf- tes Magnifikat, Johann Sebastian Bach wenige Jahre vor seinem musikschule ihr Einkommen mit Gesangsstunden bestreitet; wenn Tod die h-Moll-Messe und die Kunst der Fuge, Karlheinz Stockhauein junger Mann sich eine große Solistenkarriere versprach und sen am Tag vor seinem Tod ein Auftragswerk. „Forever young“ könnte man meinen. Je nach Interpretation. nun ein Dasein als „Tuttischwein“ im Orchester fristet. ■ 37


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Das K ­ ünstlerheim des ­„schlimmen Mädchens aus gutem Hause“

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as Problem des Alters ist, dass alle tot sind, mit denen man sein Leben verbracht hat. Man hat niemanden mehr zum Reden. Bei uns aber schon.“ Prof. Lotte TobischLabotýn weiß, wovon sie spricht. In einigen Wochen feiert sie ihren 91. Geburtstag – aber wer sie in ihrer Wohnung am Wiener Opernring trifft und als vor Esprit sprühende Gesprächspartnerin erlebt, der kann diese Zahl nur für ein absurdes Gerücht halten. „Bei uns“: Das ist nicht ihr privates Zuhause, sondern das Heim, für das sie arbeitet. Kaum zu glauben, dass sie als Präsidentin des Vereins „Künstler helfen Künstlern“ sich schon seit 1996 um das Schicksal von Zunftkolleginnen und -kollegen kümmert, die zum Teil noch einige Jährchen jünger sind als sie selbst. Zumal es kein bloßes Ehrenamt für sie ist: Mehrmals pro Woche sieht sie persönlich nach dem Rechten im 25 Kilometer entfernten Baden bei Wien. In dem Thermal­badeort mit kaiserlicher Vergangenheit hat Beethoven an der 9. Sinfonie gearbeitet, dort spielt der erste Akt der Fledermaus, dort hat die Operette bis heute eine Hochburg – und dort unterhält der Verein auch sein „Hilde Wagener Künstlerheim“. Darin verbringen heute bis zu 30 Menschen in Zimmern oder Apartments ihren Lebensabend, die auf der Bühne, auf dem Podium oder im Atelier Beruf und Berufung hatten vereinen können. „Unser kleines Haus hat einen Vorteil, der nicht nur für Künstler gilt: die Wahlverwandtschaft der Bewohner. Wir bilden eine Art Familie. Und jeder weiß, wovon die Red’ ist“, erklärt sie. Bei Hofmannsthal heißt das bekanntlich, man habe „doch einen Ton miteinander“ – einen gemeinsamen Grundklang. Das sei wesentlich für ein Wohlfühlen im Alter, findet Lotte Tobisch: „Menschlich finde ich nur Heime mit höchstens 40 Bewohnern, überschaubare Gemeinschaften aus Leuten, die miteinander können, die ähnliche Interessen haben. Niemand sollte in einem anonymen 38

Moloch seine letzten Tage fristen müssen. Vielleicht spielt die Angst vor solchen Auswirkungen eine Rolle dabei, dass viele Menschen den Gang ins Heim scheuen. „Dank sozialer Fürsorge bleiben die Leute so lang wie möglich zu Hause, Sie sehen das auch bei mir. Ich hab das Glück, dass alles noch funktioniert, vor allem mein Kopf. Aber fast alle, die sich vorher geziert haben, sagen dann, wenn sie eine Zeitlang bei uns in Baden wohnen: Hätte ich gewusst, wie wohl ich mich hier fühle, wäre ich schon vor fünf Jahren gekommen!“ Anders als etwa in der berühmten Casa Verdi, wo viele Sänger und Musiker leben, die sich früher aus dem Beruf verabschieden (müssen), absolvieren die Senioren in Baden aber kaum mehr Auftritte vor den anderen – „aus Altersgründen“, wie Tobisch klarstellt: „Bei uns kommen Gäste als Unterhaltungsprogramm, spezielle Interessen befriedigen wir eher in kleinerer, privater Runde. Aber eine Kreativtrainerin bastelt und malt mit den Bewohnern, eine Handvoll immerhin interessiert das.“ Besondere Geld- oder Platzfragen stellen sich bei alldem nicht: „Wir sind sehr günstig, sogar billiger als andere Altersheime. Bei uns wohnen auch Menschen mit Mindestpension, da springt der Verein ein, auch für 200 Euro Taschengeld.“ Leerstände sind gewöhnlich nur kurz, es bildet sich auch keine Warteliste: „Es geht sich immer irgendwie aus“, heißt das auf gut Österreichisch. Auch übers Sterben, die natürlichste Sache der Welt, spricht Lotte Tobisch ganz unbefangen – und muss es auch. „Die Fluktuation ist hoch: Die meisten kommen erst mit Ende 80. Früher sind sie mit 75 eingezogen und sind knapp 90 geworden, jetzt kommen sie mit 88 und werden 95.“ Sieben Menschen sind während ihrer Amtszeit über 100 geworden; 2016 sind erstmals fünf gestorben. „Der Tod ist traurig, es ist schade, wenn ein Mensch weg ist, den alle gern hatten – aber in dem Alter ist das kein Grund zum Weinen. Danach setzen wir uns meist zum Kaffee zusammen – und ich schau darauf, www.crescendo.de

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F oto: M i cha e l F r itth u m

Lotte Tobisch: Inbegriff der ­Salondame, Ikone des Opernballs und der Modewelt, ­Vertraute T ­ heodor Adornos und vieles mehr. Der Bühne hat sie längst L ­ ebewohl gesagt – und tut noch jenseits der 90 alles, um Künstlern einen ­erfüllten ­Lebensabend unter ­ihresgleichen zu ermöglichen. V o n W a l t e r W e i d r i n g e r


dass es ein bisschen heiter wird, Meine wunderschöne Mutter ist „die Jahre allein bekommt man auch dass man sich an den Erinnerunmir mit schlechtem Beispiel vormit Botox nicht mehr weg“ gen an den Menschen erfreut.“ angegangen: Sie hat ab 50 unter Wie alles begann? Als gegen ihrem Alter gelitten. Das passiert Ende des Zweiten Weltkriegs der mir nicht, war immer mein VorGroßteil der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens und Mäh- satz. Sicher zwickt es da und dort, aber das ist mir egal. Es hat rens vor den alliierten Truppen floh oder von den Tschechen ver- sogar Vorteile: Irgendwann kann man alles sagen, was man will.“ trieben wurde, kamen auch die Angehörigen der deutschen Thea- Hinterm Berg halten mit ihrer Meinung etwa über Politiker, über ter in Olmütz oder Brünn als vielfach mittellose Flüchtlinge nach ihre Leidenschaft für Gummibärchen oder darüber, dass sie einen Wien. Um diesen helfen zu können, organisierte die Schauspiele- k.u.k.-Orden des Herrn Großpapa als Anhänger um den Hals trägt rin Hilde Wagener zunächst bunte Abende mit Burgtheatergrö- („Monarchisten wären entsetzt!“), das tut sie nicht. Letztes Jahr ßen, deren Erlöse den Bedürftigen zugute kamen, und gründete wurde sie, die sich für den Opernball stets vom Wiener Modezaren schließlich 1949 den Verein „Künstler helfen Künstlern“. Ein Offi- Fred Adlmüller hat einkleiden lassen, zu ihrem Amüsement im zierserholungsheim in Baden wurde gekauft und adaptiert – das Rahmen der Vienna Awards for Fashion and Lifestyle zur Modeheutige „Hilde Wagener Künstlerheim“. Schon diese Anfänge hat Ikone gewählt. „Wo ich arbeiten lasse, hat man mich gefragt. Ich die junge Schauspielerin Lotte Tobisch miterlebt – und geholfen. kaufe viel bei unserem Flohmarkt in Baden, war meine Antwort. Als „schlimmes Mädchen aus gutem Hause“ war sie aus einem gol- Das haben sie dann prompt nicht zu schreiben gewagt!“ denen Käfig geflohen, ging eine damals skandalträchtige BezieUnd dann kommt es auch noch aufs Loslassen an. „Ich habe hung mit dem 37 Jahre älteren Schriftsteller und Dramaturgen viele blöde Sachen gemacht, aber eines war gescheit: der Bitte nicht Erhard Buschbeck ein, wurde Schülerin des Burgtheaterstars nachzugeben, doch den Opernball noch länger zu organisieren. Raoul Aslan und erlangte nach ihrer Bühnenkarriere vor allem als Ich hatte es 15 Jahre lang getan, mein 70. Geburtstag kam und Organisatorin des Wiener Opernballs breite Popularität. Parallel zugleich wurden 1.000 Jahre Österreich gefeiert – das war mein dazu engagierte sie sich als Vorstandsmitglied von „Künstler hel- Moment zu gehen. Ich habe so viele Menschen erlebt, die diesen fen Künstlern“ – und beerbte schließlich 1996 ihre Opernball-Vor- Punkt verpasst und dann darunter gelitten haben – das wissen wir gängerin Christl Schönfeldt auch als Präsidentin des Vereins. doch von vielen Kollegen, die nicht aufhören können. Mit dem eigenen Alter geht Lotte Tobisch locker um. „Es Wenn ich heute höre, ich sei die ‚Ikone des Opernballs‘, kommt viel auf die Einstellung an. Schwierig macht man es sich, dann lache ich und sage: Das verdanke ich nur meinem wenn man um jeden Preis jung bleiben will. Ein jüdisches Sprichrechtzeitigen Abgang! Drei Jahre später hätte es garanwort sagt, von den Jahren allein wird man auch älter. Das stimmt, tiert geheißen: Was, die Alte ist immer noch da?“ ■ die bekommt man auch mit Botox nicht mehr weg. Nimmt man Lotte Tobisch: „Alter ist nichts für Phantasielose“ (Amalthea) aber das Unausweichliche zur Kenntnis, ist es halb so schlimm.

TERTIANUM PREMIUM RESIDENCES

Ein Zuhause ist mehr als nur Wohnen. W W W.T E R T I A N U M . D E

Die Tertianum Premium Residences bieten Premium-Wohnen für ein selbstbestimmtes Leben. Innerstädtisch gelegen und umgeben von den besten Adressen der Stadt. Exzellenter Service und First Class-Pflege ergänzen die großzügigen Wohnungen in Berlin, München und Konstanz. Und bilden damit den Rahmen für ein komfortables Leben im urbanen Umfeld.


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Königliches Altern F oto: N i l s H as e n au

Weltstars im hauseigenen Konzertsaal, Spa-Tempel, Sterneküche oder erlesenes Programmkino: Einige Seniorenresidenzen haben ein Angebot, das ­ renommierte Veranstaltungshäuser und Luxushotels erblassen lässt.

Tertianum Premium Residences

Wohnstift Rathsberg Erlangen

Gerade ist die Tertianum Premium Residence in Berlin zum „Haus des Jahres 2017“ gewählt worden und erhielt für ihr exzellentes Kulturprogramm im Jahr 2016 einen Award der Edition Neureuter. Tatsächlich begeistert die elegante Residenz vis-à-vis des berühmten KaDeWe in der Bundeshauptstadt mit einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm aus Lesungen, klassischen Konzerten, Stummfilmkonzerten und Vorträgen. Zwei weitere Dependancen des Tertianum für ein anspruchsvolles Leben im Alter finden sich in München und Konstanz und stehen dem Berliner Haus in nichts nach. Veranstaltungen bieten eine ideale Möglichkeit der Begegnung von Bewohnern und Besuchern. Genuss wird im Tertianum groß geschrieben. Das kulinarische Konzept der Bewohnerrestaurants wurde in Kooperation mit Sternekoch Tim Raue entwickelt. Mit der Brasserie Colette haben die Tertianum Premium Residences darüber hinaus einen erstklassigen Lunch- und Dinner-Spot geschaffen. Trainiert werden kann in hauseigenen Fitness- und Gymnastikräumen mit sportmedizinischen Trainingsgeräten oder im Schwimmbad mit Gegenstromanlage. Alle Häuser verfügen über eine Kneippanlage und über eine Sauna oder ein Softdampfbad. „Gesundheit, Aktivität, Kulinarik, Genuss, Kultur, Reisen, Gemeinschaft und Engegament“ sind die Themenfelder, denen sich das „Zuhause der Möglichkeiten“ verschrieben hat.

Seinen 50. Geburtstag feiert das Wohnstift Rathsberg Erlangen dieses Jahr, und genauso alt wird sein beeindruckendes Kulturprogramm – eines der besten Angebote Deutschlands in einem Seniorenstift! Hier gaben sich bereits Stars wie Christa Ludwig, Brigitte Fassbender, die Musiker des Alban Berg Quartetts oder Chris Barber die Ehre. Wöchentlich locken hochkarätige Konzertangebote. Der 400 Zuschauer fassende Konzertsaal war von Anfang an wichtiger Bestandteil des Baukonzepts und der Philosophie des Stifts. Das Haus war das erste, das die Vision eines selbstbestimmten Wohnens nach den spezifischen Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner verfolgte. Neben dem Standort in Erlangen gibt es das Wohnstift am Tiergarten in Nürnberg. Damit nicht genug: Viermal pro Jahr hat das Wohnstift auch Ausstellungen im Portfolio, seien es Fotoarbeiten oder Gemälde. Jeden zweiten und vierten Mittwoch Nachmittag verwandelt sich der Konzertsaal in ein hauseigenes Kino und lässt Cineasten-Herzen höherschlagen: und zwar kostenlos! Und schließlich wären da noch verschiedene Vortragsreihen sowie diverse aktive Gruppen wie Singkreise, Instrumentalgruppen, Bildungsfahrten oder Sprachkurse. Kreative Kraft hinter dem vielfältigen Programm ist der Musiker und Kulturmanager Jürgen Bachmann – 2011 „Kulturmanager des Jahres“ im gesamten deutschsprachigen Raum!

Tertianum Premium Residences Passauer Straße 5 – 7, 10789 Berlin | www.tertianum.de

Wohnstift Rathsberg Erlangen Rathsberger Straße 63, 91054 Erlangen | www.wohnstift-rathsberg.de

Wohnstift Mozart

Elbschloss Residenz

Residenz am Dom

„Das ganz Besondere an uns ist die unglaublich positive Atmosphäre!“, schwärmen Bewohner und Mitarbeiter des Wohnstift Mozart. Neben einem opulenten Kulturprogramm lockt auch das Vitalisarium, eine Wellness- und Therapie­ oase mit Hallenbad, Spa-Bereich und vielem mehr.

Wohnen an einem der schönsten Plätze Hamburgs! Die Elbschloss Residenz reizt durch ihren Standort umgeben von Parks mitten im Grünen an der Elbe, mit erstklassiger Küche (viergängige Mittagsmenüs!) und dem individuellen Service eines Fünf-Sterne Hotels.

Nur einen Steinwurf vom Kölner Dom entfernt befindet sich die Residenz am Dom mitten im pulsierenden, historisch und kulturell inspirierenden Zentrum der nordrhein-westfälischen Metropole. „Vitalität“ lautet das Leitwort für ein geschmackvolles, umfangreiches Angebot.

Wohnstift Mozart | Salzstraße 1, 83404 Ainring-Mitterfelden | www.wohnstift-mozart.de

Elbschloss Residenz | Elbschlossstr. 11, 22609 Hamburg | www.elbschloss-residenz.de

Residenz am Dom | An den Dominikanern 6-8, 50668 Köln | www.residenz-am-dom.de

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Reise & Kultur Ein crescendo Themenspecial // Frühjahr & Sommer 2017 Worms vor 500 Jahren – Welcher „Ketzer“ stellte sich hier dem Reichstag? | Salzburg – Kennen Sie die kleinste Bühne der Stadt? | Wein – Wo liegt das größte ­Anbaugebiet Deutschlands?

Kultursommer im Kufsteinerland Alpencharme, Natur und viel Kultur am Kaisergebirge in Tirol

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Der Kultursommer am grünen Inn Das Kufsteinerland beeindruckt mit malerischen Landschaften, großartigen Musikveranstaltungen und einer ambitionierten Nachwuchsförderung

Die Festung Kufstein mit der Festungsarena

„E

s ist eine Himmelskraft“, erklärt Gustav Kuhn die unerschöpfliche Quelle seiner Energie. Vor 20 Jahren rief der Dirigent, Regisseur und Bühnenbildner die Tiroler Festspiele Erl ins Leben. Dank seiner Ideen und seines Einsatzes entwickelte sich Erl zu einem der gefragtesten Festspielorte. Der „Spirit of Erl“ zieht Jahr für Jahr Musiker und Musikliebhaber in das beschauliche Dorf zu Füßen der steil aufragenden Felshänge des Kranzhorns. Die „robuste Spielfreude“, die Theater ausmache, sucht Kuhn in Erl zu erreichen. 2003 setzte er erstmalig Richard Wagners Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen komplett auf das Programm. Von Größenwahn war damals die Tiroler Festspiele Erl Sommer Oper / Konzert / Kammermusik 6. bis 30. Juli 2017 Klaviertage der Tiroler Festspiele Erl 6. bis 9. April 2017 Tickets +43-(0)5373-81 000 20 tickets@tiroler-festspiele.at www.tiroler-festspiele.at

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Rede. Aber der Erfolg ließ die Kritiker verstummen. Im Jubiläumsjahr unter dem Motto „Zukunftsweisende Retrospektive“ steht Wagners Tetralogie erneut auf dem Festspiel-Kalender. Die von Kuhn musikalisch geleitete Aufführung erfolgt, wie Wagner es vorsah, an vier aufeinanderfolgenden Tagen und in dem von Kuhn konzipierten mittlereile legendären „Erler Inszenierungsaufbau“ mit dem Orchester auf der Bühne und den Sängern davor. Als weitere Produktion aus der Erfolgsgeschichte kommt Wagners Märchenoper Lohengrin wieder ins Passionsspielhaus. Auf die Bühne des 2012 fertiggestellten spektakulären Festspielhauses kehrt Mozarts Zauberflöte zurück. Als „das richtige Stück für Erl“ bezeichnet Kuhn OperettenSommer Kufstein Johann Strauss: Der Zigeunerbaron 28. Juli bis 13. August 2017 Tickets +43-(0)512-561 561 office@operettensommer.com www.operettensommer.com

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April – Mai 2017


F oto : T i r o l e r F e s t s p i e l e E r l / A PA F oto s e rv i c e / X i o m a r a B e n d e r ; va n m e y p h oto g r a p h y; Ac a d e m i a Vo c a l i s ; F e r i e n l a n d K u f s t e i n

F oto s : K u f s t e i n e r l a n d ( 2 )

sie und verweist darauf, dass auch ihre Uraufführung „vor den Toren“ Festspielhaus Erl des normalen Opernbetriebs stattgefunden habe. Sie stehe „für all die vielen einzigartigen und punktuell gesetzten Kultur­ highlights der Festspielgeschichte“ und als Zeichen „für ein friedliches und tolerantes Nebeneinander auf allen Ebenen“. Ein Universum in schwarz und weiSS Der umtriebige Festspielleiter engagiert für seine Programme häufig junge Künstlerinnen und Künstler zu ­Beginn ihrer Karriere. Die meisten von ihnen genießen Ac a d e m i a Vo c a l i s Internationale Meisterkurse für Gesang und Konzerte 10. Juli bis 27. August 2017 Auskünfte & Kartenreservierungen: +43-(0)5332-75660-0 gabi@gma-pr.com www.academia-vocalis.com

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bereits seit Jahren Kuhns Förderung im Rahmen der Accademia di Montegral. In einem ehemaligen Kloster – dem Convento dell’Angelo – nahe der toskanischen Stadt Lucca ermöglicht Kuhn als Spiritus Rector jungen Musikern und Sängern eine ganzheitliche Förderung ihrer künstlerischen Entwicklung. Die jungen Talente bilden Seite an Seite mit etablierten Künstlern das Festspielorchester sowie den Chor, ­w irken als Solisten mit und arbeiten als Regisseure und Dirigenten. Zu erleben sind sie auch in der Neuinsze­ nierung der Saison, Rossinis Belcanto-Oper Semiramide, sowie dem umfangreichen Konzertteil der Festspiele. To u r i s m u sv e r b a n d Kufsteinerland A-6330 Kufstein Unterer Stadtplatz 11-13 +43 5372 / 62207 info@kufstein.com www.kufstein.com

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Weit mehr als schöne Stimmen „Meine Mutter hat gesagt …“ Junge Talente der Meisterklasse von Kammersängerin Christa Ludwig bekommen diesen Satz häufig zu hören. 50 Jahre lang stand die Mezzosopranistin auf den Bühnen der Welt. Was sie zur Entfaltung ihres Talents brauchte, lernte sie bei ihrer Mutter, der Gesangspädagogin Eugenie Besalla-­ Ludwig. Sie habe ihr beigebracht, wie man die Musik zum Ausdruck bringe. Denn auf den Ausdruck komme es an. Diese und viele andere Weisheiten gibt Christa Ludwig in ihrer Meisterklasse an der Academia Vocalis weiter. Die ambitionierte Kultureinrichtung hat sich der Nachwuchsförderung verschrieben. Zum 29. Mal veranstaltet sie in Wörgl Internationale Meisterkurse für Gesang. Gelehrt werden Gesangstechnik, Interpretation und Darstellung in den Genres Oper, Lied, Oratorium und Musical. Referenten von Weltrang kommen nach Wörgl, um ihren Erfahrungsschatz mit jungen Talenten zu teilen. Zum ersten Mal dabei ist Kammersängerin Ileana Cotrubas, die wie ihre Kollegin Christa Ludwig zu den herausragenden Opernsängerinnen gehörte. Den Abschluss jeder Meisterklasse bildet ein Konzert, in dem die jungen Talente das Gelernte praktisch erproben und zeigen können. Im Kufsteinerland am wild zerklüfteten Kaisergebirge bilden Natur und Kultur eine einzigartige harmonische Einheit. Kulturelle Darbietungen vor malerischen Berglandschaften und den Weiten des Inntales schenken innere Beglückung und Bereicherung. Kufstein, die viel besungene „Perle Tirols“, wird überragt von einer wuchtigen Festung. Diese bietet eine eindrucksvolle Kulisse für den OperettenSommer, der hier vor zehn Jahren zum Leben erwachte. Cymbal-Klänge, schwermütige Melodien, Arien, Couplets und schwungvolle Tanzrhythmen sorgen für einen anregenden Abend, bis der junge Ungar Sándor Barinkay zu Reichtum gelangt und das hübsche Zigeunermädchen Sáffi heimführen kann. Natürlich ist dieses dann gar keine Zigeunerin, sondern die Tochter eines türkischen Paschas. Stars der Wiener Volksoper und Nachwuchskünstler widmen sich mit Schwung und Charme Johann Strauss’ Operette Der Zigeunerbaron. F oto : lo l i n

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Ebenfalls aus der Accademia di Montegral kommen die Pianisti Dell Angelo. Mit ihnen lädt Kuhn bereits im Frühjahr zu Klaviertagen ins Festspielhaus nach Erl. Im Eröffnungskonzert des erstmals stattfindenden viertägigen Festivals führt er beeindruckend vor, was ein Klavier vermag: „Ein Universum in Schwarz und Weiß“ durchmessen die Pianisten Mélodie Zhao und Davide Cabassi gemeinsam mit anderen Musikern und Sängern. Die Pianisti Dell Angelo selbst stellen sich in einem Porträtkonzert vor. Für einen romantischen Abschluss sorgt eine Rarität der Klavierliteratur: Carlo Grante spielt das Erste Klavierkonzert von Salomon Jadassohn, für den die Melodie die Seele jeder Komposition war.

i m p r e s s u m Reise & Kultur ist ein Themenspecial von crescendo – Deutschlands großem Magazin für klassische Musik & Lebensart Verlag: Port Media GmbH, Rindermarkt 6, D-80331 München, www.crescendo.de, Tel. +49-(0)89 74 15 09-0 Herausgeber: Winfried Hanuschik (v. i. S. d. P.) | Redaktion: Petra Lettenmeier | Autor: Corina Kolbe | Artdirector: Stefan Steitz Anzeigen: Petra Lettenmeier, Heinz Mannsdorff, www.crescendo.de/media, anzeigen@portmedia.de, Tel. +49-(0)89 74 15 09-20 Verbreitung: Reise & Kultur erscheint in der ­Gesamtauflage von crescendo, in Teilauflagen von Italien-Magazin, Frankreich-Magazin und DIE ZEIT und ist bundesweit in ausgewählten Reisebüros erhältlich. Verbreitete Auflage 132.000 Expl. | crescendo Themenspecials unterliegen der Auflagenkontrolle durch die IVW Druck: Westermann, D-38104 Braunschweig

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April – Mai 2017


Salzburg feiert 2017 ist für die Stadt an der Salzach ein Jahr der Jubiläen.

Shakespeares Sommernachtstraum am Marionettentheater

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ie Puppen brauchen den Boden nur, wie die El- sowie die kühn in den Fels geschlagenen, aus den ehemafen, um ihn zu streifen“, beschreibt Heinrich von ligen Stallungen entstandenen Festspielhäuser. Hier feiert Kleist die Zauberwelt der Marionetten. Welche Salzburg ein weiteres Jubiläum. Vor 50 Jahren rief HerWendigkeit und Vielfalt an Ausdruck das einfache Sys- bert von Karajan die Osterfestspiele ins Leben. Im Grotem aus Fäden und Gelenken hervorzubringen vermag, ßen Festspielhaus entsteht eine „Re-Kreation“ seiner muzeigt das Salzburger Marionettentheater. Seine Spielpraxis siktheatralischen Walküre aus dem Jahr 1967. Karajans wurde 2016 als die „höchst entwickelte Form des Puppen- Inszenierung wird von Vera Nemirova wieder erschaffen. und Figurentheaters“ in das Immaterielle Kulturerbe der Am Pult steht Christian Thielemann. „Salzburg erlaubt mir, mich in einer UNESCO aufgenommen. der besten Kunstwelten zu tummeln“, Es ist das feine Spiel der Hände, das die schwärmt Cecilia Bartoli. Seit 2012 hat die Bewegungen der Puppen bis in die kleinsten großartige Sängerdarstellerin die künstleriNuancen lenkt. Viele bedeutende Künstler sche Leitung der Pfingstfestspiele inne. und Regisseure haben dieses Spiel begleitet. „Wonne und Wehmut“ verspricht sie für Zum Repertoire gehören Die Zauberflöte, Der die neue Saison. Aufs Programm setzt sie Barbier von Sevilla sowie Der Nussknacker in Händels Ariodante. Es habe sie gereizt, erstden fantasievollen Dekorationen des 2015 mals in Salzburg eine Hosenrolle zu verkörverstorbenen Bühnenbildners Günther pern. Was Mäzenatentum in der VerganSchneider-Siemssen. Neu hinzugekommen genheit bewirkte, präsentiert die Festspielist das Rodgers and Hammerstein Musical Mirabellgarten Aus­stellung „Art Royal – MeisterzeichnunThe Sound of Music. Das Gütesiegel „Weltkulturerbe“ trägt bereits seit­­ gen aus dem Louvre“ im Salzburg Museum. Gezeigt 20 Jahren die Altstadt von Salzburg. Als „Bilderbuch für werden 80 Blätter aus der von Ludwig XIV. aufgekauften große Leute“ bezeichnete ein Dichter die architektonische Sammlung des Kölner Kaufmanns Everhard Jabach. Vertreten sind Dürer, Holbein der Jüngere, Rubens, Schatztruhe, die alle Stilepochen vereint. Weltberühmt ­ sind die Bürgerhäuser der Getreidegasse, der Residenz- ­Michelangelo, Carracci, Raffael sowie Künstler vom Hof platz, das Herz der barocken „Fürstenstadt“ mit dem Dom des Sonnenkönigs. K u lt u r i n Sa l z b u r g Salzburger Marionettentheater www.marionetten.at Osterfestspiele Salzburg www.osterfestspiele-salzburg.at Pfingstfestspiele Salzburg www.salzburgerfestspiele.at Salzburg Museum, www.salzburgmuseum.at

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R e i s e   &   K u l t u r

F oto : Ko b l e n z-To u r i s t i k / www. lu ft h e l d e n . d e

Romantic Cities feiern f(F)este

Festung Ehrenbreitstein mit Blick auf Koblenz und das Deutsche Eck

Koblenz Zum 200. Mal jährt sich 2017 die Grundsteinlegung der Festungsstadt Koblenz. Dem Ruf der Loreley folgend, macht der Dreiklang aus Festung Ehrenbreitstein, Seilbahn und Romanticum einen Besuch der Stadt an Rhein und Mosel unvergesslich. Die „Festung Koblenz und Ehrenbreitstein“ ist mit 14 Kilometern Länge einer der größten Festungskomplexe in Europa.

Speyer Der Reichstag 1529 stellte Speyer in den Mittelpunkt deutscher Geschichte. 6 Landesfürsten und 14 Reichsstädte „protestierten“ gegen die Verhängung der Reichsacht über Martin Luther, und von da an wurden Evangelische auch Protestanten genannt. Mit einem attraktiven Veranstaltungsprogramm feiern die Speyerer das Reformationsjubiläum 2017. Zeitgleich feiert das Bistum Speyer das 200-jährige Jubiläum seiner Neugründung (Dom UNESCO-Welterbe).

Worms Am 14. Mai wird offiziell der „Lutherweg 1521“ eröffnet. Die etwa 400 Kilometer lange Strecke zeichnet die Reise Martin Luthers zum Wormser Reichstag und zurück auf die Wartburg nach. Damit startet die Luther- und Nibelungenstadt Worms bereits mit den Vorbereitungen auf das große Jubiläum 2021.

Mainz Mainz, die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, repräsentiert als einziges deutsches Mitglied im renommierten „Great Wine Capitals Global Network“ mit Rheinhessen das

7 0 Ja h r e R h e i n l a n d - Pfa l z „vorZeiten – Archäologische Schätze an Rhein und Mosel“ www.vorzeiten-ausstellung.de Burgfest Reichsburg Trifels www.reichsburg-trifels.de Schlossfeste www.schloss-villa-ludwigshoehe.de www.schloss-stolzenfels.de

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größte Weinanbaugebiet Deutschlands. Vom 28. – 30.07. finden die „Mainzer Sommerlichter“ statt. Einzigartig ist die Kombination aus einem Höhenfeuerwerk, bunter Lasershow sowie einem spannenden Musik- und Rahmenprogramm.

Trier Die „Antikencard“ ist für den Besucher das ideale Hilfsmittel zur Erkundung der neun Welterbestätten. Wer es musikalischer liebt, dem sei das Mosel Musikfestival (08.07. bis 03.10.) als ältestes Festival für klassische Musik in Rheinland-Pfalz empfohlen. 2018 wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden, und zu diesem Anlass wird eine große Landesausstellung vorbereitet.

Neustadt/WeinstraSSe Die historische Altstadt von Neustadt an der Weinstraße hat den größten Fachwerkhausbestand der Pfalz und liegt am Eingang zum UNESCO-Biosphärenreservat „Naturpark Pfälzerwald“. Das „Deutsche Weinlesefest“ und das „w.i.n.e.FESTival“ im historischen Spiegelpalast sollten Sie nicht versäumen!

Idar-Oberstein Die Edelsteinminen des Steinkaulenberges sind die einzigen in Europa, die für Besucher zugänglich sind. Vom Abbau bis zum Feinschliff können alle Stationen der Manufaktur durchlaufen werden. Im „Deutschen Edelsteinmuseum“ bestaunen Sie das faszinierende Endprodukt. Nur ca. eine Autostunde von Idar-Oberstein entfernt: „Geierlay“, die längste Hängeseilbrücke Deutschlands.

I n f o r m at i o n Städte zwischen Rhein & Mosel (Romantic Cities) c/o Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH Telefon: +49-(0)261-91 52 00 E-Mail: info@romantic-cities.com www.romantic-cities.com

www.crescendo.de

April – Mai 2017


Nibelungen-Festspiele „GLUT“ auf der Westseite des Wormser Doms

Zum ersten Mal seit 2013 wird wieder vor der Westseite gespielt (Foto: Inszenierung 2011)

pire empfindlich zu schwächen. Kleins Nibelungenzirkus muss umringt von Feinden auftreten. Wenn die Tarnung fällt, fällt auch ihr Leben. „GLUT“ von Albert Ostermaier beruht auf einer historischen Begebenheit und ist eine geschickte Verwebung des Nibelungenstoffes mit einem fast unbekannten Kapitel deutscher Geschichte. Die Zugfahrt ist ein Orient-Express der verrücktesten Art: voller Anarchie, Witz, politischen Intrigen und doppelten Böden. Denn so wie Hauptmann Klein und seine falschen Helden in einer grotesken Travestie auf geheimer Mission mit offenem Ausgang durch den Orient ziehen, sind die echten Nibelungen auf dem Weg von Burgund zum Hof König Etzels, wo im Nibelungenlied am Ende nicht nur die gemeinsame Tafel auf sie wartet, sondern auch ihr Untergang steht. F oto : R u d o l f U h r i g

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m dritten Jahr der Intendanz von Nico Hofmann wird es 2017 bei den Nibelungen-Festspielen Worms wieder eine Uraufführung auf der imposanten Freiluftbühne vor dem Wormser Dom geben. Gespielt wird das neue Stück „GLUT. Siegfried von Arabien“ des renommierten Autors Albert Ostermaier. Nach „Gemetzel“ und „GOLD“ vervollständigt Ostermaier damit seine Trilogie für die Festspiele. Nach dem großen Erfolg von 2016, mit überwältigend positiver Resonanz von Publikum und Medien an dem radikalen Stückansatz und der jungen Regie, konnte der profilierte Regisseur Nuran David Calis erneut für die Festspiele gewonnen werden. Im kommenden Jahr wird er auf der Westseite des Wormser Doms inszenieren, auf der erstmals seit 2013 wieder gespielt wird. Zum Inhalt: Ein Zug, mitten im Orient auf dem Weg durch die Wüste, hin zu den persischen Ölfeldern der Briten. In einem Extra-Waggon der Wanderzirkus „Notung“: Artisten, Feuerschlucker, Sänger, Musiker, Hellseher, Herzensbrecher, eingehüllt in Kaftane. Sie spielen die Geschichte der Nibelungen und reisen als deren Helden, Siegfried, König Gunther, Hagen oder Brünhild. Eine Gauklertruppe, denkt man zuerst, aber verborgen unter Koffern voller Kostüme, ist der ganze Zug voller Waffen und Sprengstoff. Denn diese Nibelungenhelden sind getarnte deutsche Offiziere, Agenten im Jahr 1915, mitten im Ersten Weltkrieg. Unter Führung des Hauptmanns Klein haben sie den Auftrag, die britischen Ölquellen in Persien in die Luft zu sprengen, Perserstämme zum Aufstand zu bewegen und das Em-

Nuran David Calis führt erneut Regie Die Regie vor dem Wormser Dom übernimmt in diesem Sommer wieder Nuran David Calis. Der profilierte Regisseur erntete 2016 viel Lob für seine Inszenierung bei den Wormser Nibelungen-Festspielen. „Ich freue mich über das Vertrauen – insbesondere das Vertrauen von Nico Hofmann in mein Team und mich. Wir werden die Arbeit fortsetzen und versuchen, an die erfolgreiche Arbeit im Sommer anzuknüpfen. Das neue Stück ‚GLUT‘ von Albert Ostermaier ist eine Auseinandersetzung mit den Umwälzungen unserer europäischen Geschichte, in die die Nibelungensage verwoben wird“, so Calis.

SERVICE „GLUT“ wird vom 4. bis 20. August 2017 an 16 Abenden (Montag, 14. August spielfrei) aufgeführt. Tickets können über die Hotline 01805 – 33 71 71 (0,14 Euro/Minute aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 Euro/Minute, erreichbar Montag bis Freitag 8 bis 20 Uhr, Samstag 9 bis 20 Uhr) oder über die Internetseite www.nibelungenfestspiele.de bestellt werden. Ebenso bieten alle bekannten TicketRegional-Vorverkaufsstellen die Karten an. Die Ticketpreise liegen je nach Kategorie zwischen 29 und 99 Euro.

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Abb.: Portmedia Verlag; Strezhnev Pavel / fotolia.com

Die CD erscheint am 24. März


H o p e

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Die Daniel-Hope-Kolumne

Hyperreal

Daniel Hope: Dirk, du bist einer der weltweit renommiertesten Künstler des Hyperrealismus. Als ich zum ersten Mal ein Bild von dir sah, war ich überzeugt, ein Foto anzuschauen. Wie viel Freiraum gibt es fürs Improvisieren? Dirk Dzimirsky: Fotos sind für mich Mittel zum Zweck. Fotos sind nicht mit unserer Wahrnehmung identisch, und ich bin nur an gewissen Informationen, die mir ein Foto bietet, interessiert. Ich ändere also sehr viel, um zu dem Resultat zu kommen, was mir vorschwebt. Ich sehe meine Arbeiten eher als zweidimensionale Skulpturen an, nicht als fotorealistische Abbildungen. Dass sie reproduziert dann quasi wieder zum Foto werden, liegt in der Natur der Sache. Glaubst du, dass der Hyperrealismus im Gegensatz zu anderen Kunstrichtungen unterschätzt wird? In der Kunstgeschichte wurde die Malerei über die Jahrhunderte hin immer realistischer. Aber bevor sie zu einem krönenden, quasi hyperrealistischen Höhepunkt kommen konnte, kam die Fotografie auf. Es bestand kein Bedarf mehr an realistischer Malerei. Kunst sollte nun freier Ausdruck sein und nicht mehr Kunsthandwerk. Obwohl heutzutage viele Künstler ihre Gemälde auf Fotos basieren lassen, wird eine allzu realistische Darstellung zum reinen Handwerk degradiert und abgelehnt. Ich bin stolz, dass du bereit warst, bei meinem „For Seasons“-Album mitzumachen. Da haben insgesamt elf Maler Bilder zur 50

Dirk Dzimirskys Bilder wirken wie intensivierte Fotografien

Musik kreiert oder ausgesucht. Wie empfindest du die Beziehung zwischen Musik und darstellender Kunst? Kunst ist wie Musik. Das Betrachten eines (guten) Kunstwerks nimmt dich mit auf eine emotionale Reise wie ein Musikstück. Während ich an einem Bild arbeite und Musik höre, habe ich häufig das Bedürfnis, die Emotionen, die ein Lied gerade auslöst, irgendwie im Bild zu verarbeiten. Ob das gelingt, weiß ich nicht. Man ist durch die Musik mit einer gewissen Energie aufgeladen, die sich im Bild widerspiegelt. Du kennst Max Richters „Recomposed“. Max geht neue Wege in der Musik. Tust du dasselbe in der Kunst? Ja, durchaus. Wobei ich mit Sicherheit kein radikaler Erneuerer bin. Als ich damit anfing, Gesichter hyperrealistisch zu zeichnen, war das nicht wirklich in Kunstgalerien

und Ausstellungen zu sehen. Viele standen dem ablehnend gegenüber. Heute gehören solche Arbeiten zum Portfolio der meisten Kunstgalerien. Du gibst Kurse in aller Welt. Für mich kommt aber jede Hilfe zu spät, ich kann einfach nicht zeichnen! Ist es einfach, das zu lernen? Technisch gesehen ist alles erlernbar. Um etwas daraus zu machen, sei es in der Kunst oder in der Musik, was andere Menschen berührt und nicht nur eine handwerkliche Leistung darstellt, gehört das, was wir Talent nennen. Das instinktive Einbauen von Abweichungen und „Fehlern“, die Gefühle darstellen. Das entspricht der Persönlichkeit des Künstlers/Musikers, die nicht erlernbar ist. Für Vivaldis Vier Jahreszeiten haben wir vier Bilder von dir. Wenn ich sie zum jeweiligen Musikstück anschaue, höre ich ganz neue Impulse. Wie ist es umgekehrt? Je nachdem, welche Musik ich gerade beim Betrachten höre, nehme ich ein Bild unterschiedlich war. Es können Aspekte eines Bildes intensiver gesehen werden, die man vorher oder bei einer anderen Musik gar nicht beachtet hatte. Mit dem britischen Maler Norman Perryman habe ich ein „Kinetic-painting“-Projekt kreiert, bei dem er live auf der Bühne zu einer Musikaufführung malt. Hättest du Lust, etwas Ähnliches zu machen? Auf jeden Fall! Ich muss mir nur noch ein Konzept ausdenken, bei dem das Publikum nicht vier Wochen lang zusehen muss, wie ich ein Bild fertigstelle. n www.crescendo.de

Februar – März 2017

I l lu strati o n : D i rk Dzi m i rsk y

Wenn Dirk Dzimirsky malt, sieht sich der Betrachter am Ende einer Art intensiviertem Foto gegenüber. Unser Kolumnist Daniel Hope im Gespräch über eine faszinierende Kunst.


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