crescendo Standard 5/2017

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AUSGABE 05/2017 SEPTEMBER – OKTOBER 2017

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KRYSTIAN ZIMERMAN Der geniale Querkopf hat nach 25 Jahren wieder eine CD aufgenommen

SPIELPLAN Wie entsteht das perfekte Programm?

Raphaela Gromes

Die junge Münchner Cellistin brennt für italienische Spätromantik B47837 Jahrgang 20 / 05_2017

Mit Beihefter CLASS: aktuell

KULTUR AM MEER

Kammermusik im Grand Hotel Heiligendamm Mit Matthias Kirschnereit, Felix Klieser, Liv Migdal, Martin Gedeck, Avi Avital u. a.


KlassiK Radio live in conceRt 2017

F i l m m u s i k 06.10.2017 – Nürnberg 21.10.2017 – Hamburg 26.10.2017 – Düsseldorf 29.10.2017 – München 05.11.2017 – Stuttgart

10.11.2017 – Hannover 14.11.2017 – Hamburg 18.11.2017 – Frankfurt 19.11.2017 – Berlin 08.12.2017 – Augsburg

Tickets unter:

www.klassikradio.de


P R O L O G

HEIKLES PLANSPIEL

WINFRIED HANUSCHIK Herausgeber

Liebe crescendo-Leser, die Sommerferien sind vorbei, und die neue Opern- und Konzertsaison nimmt Fahrt auf. Dicke Hochglanzbroschüren locken mit den musikalischen Dauerbrennern, Raritäten und Uraufführungen der nächsten Monate. So hübsch und anmutig dargeboten, übersieht man leicht, was hinter solchen Programmen steckt: jahrelange Vorausplanung, Durchforsten eines uferlos großen Repertoires, vertrackte Termin-Jonglage und zähe Verhandlungen mit Künstleragenturen und Musikern. Wir wollten von Vertretern unterschiedlicher Institutionen wissen, was für sie ein idealer Spielplan ist (S. 38). Wir fragten uns, welche Einwirkungen politische Repressalien auf den Spielplan haben und beschäftigen uns mit dem Repertoire zu Zeiten des National­sozialismus (S. 42). Außerdem wollen wir Ihnen die junge Münchner Cellistin Raphaela Gromes vorstellen, die sozusagen unter dem Flügel ihrer Eltern aufwuchs, für die Musik der Spätromantik brennt und zusammen mit Duopartner und Pianist Julian Riem gerade ein Album mit italienischen Meistern eingespielt hat (S. 12). Die lettische Starsopranistin Marina Rebeka verriet uns, wie sie Stück für Stück der Musik Gioachino Rossinis verfiel (S. 8), und Dirigent Antonio Pappano sprach über seine Schwäche für Sitcoms und seinen Karrierebeginn als Barpianist (S. 14). Und schließlich schlenderten wir mit Jakub Hrůša, dem Chefdirigenten der Bamberger Symphoniker, durch Frankens idyllisches „Klein-Venedig“ und erfuhren dabei, was Bamberg alles mit seiner tschechischen Heimat gemeinsam hat: von Hochbis Braukultur (S. 46). Pünktlich zur Wahl führen wir die Mitbestimmung ein: Erstmals dürfen Sie, liebe crescendo-Leser, den Schwerpunkt unserer Weihnachtsausgabe bestimmen! Besuchen Sie dazu die Website www.crescendo.de/umfrage oder schreiben Sie uns (nähere Infos auf S. 28). Einen schönen Spätsommer wünscht

Ihr Winfried Hanuschik

IHRE ABO-CD?

F OTO S TITE L : C H R I S TI N E SC H N E I D E R ; M A I K E H E L B I G ;

In der Premium-Ausgabe dieser Zeitschrift finden Sie an dieser Stelle die crescendo Abo-CD – eine exklusive Leistung unseres crescendo Premium-Abonnements. Darauf hören Sie die Musik zu den Artikeln, die im Heft rot gekennzeichnet sind. Eine Inspiration für Ihre Ohren! Mittlerweile ist bereits die 67. CD in dieser Premium-Edition erschienen. Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann testen Sie crescendo Premium! Die erste Ausgabe schicken wir Ihnen kostenlos. Dazu die crescendo Abo-CD. Ganz ohne Kaufverpflichtung. Bestellen Sie per Telefon: +49-(0)89-85 85 35 48, auf www.crescendo.de/abo. Info auf Seite 44.

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P R O G R A M M

MODERATION

THOMAS GOTTSCHALK

TV-AUSSTRAHLUNG

29.10.2017 | 22:00 UHR | ZDF

#ECHOKLASSIK2017

14 ANTONIO PAPPANO Am besten kann der ­Stardirigent bei Sitcoms und Broadwayklassikern aus den 40ern abschalten.

26 VÉRONIQUE GENS Ausdrucksstark erweckt die Französin auf ihrem neuen Album exaltierte Frauen zum Leben.

STANDARDS

KÜNSTLER

HÖREN & SEHEN

08 MARINA REBEKA Rossini hat die Sopranistin auf ihrem Weg verfolgt 10 KRYSTIAN ZIMERMAN Der Pianist ist ein authentischer Querkopf

17 D IE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION

03  PROLOG Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor 06  OUVERTÜRE Klassik in Zahlen 19 IMPRESSUM 28 R ÄTSEL & ­U MFRAGE 50 HOPE TRIFFT … Michael Bühler

12 RAPHAELA GROMES Die junge Cellistin steckt voll italienischem Feuer 14 ANTONIO PAPPANO Das Dirigentenwunder startete als Barpianist

Exklusiv nur in crescendo Premium BLICKFANG Mit den Pixeln tanzen   OUVERTÜRE Dr. Goeths Kuriosa Schräge Komponistentode Ein Anruf bei … Andreas Wiedermann Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulissen Playlist Camille Thomas

Exklusiv nur in crescendo Premium EIN TEE MIT … Chick Corea MARISS JANSONS Der große Dirigent hält die Gegenwart für überschätzt

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MELDUNGEN Philippe Jordan, Elisabeth Gutjahr, John Axelrod NACHRUFE Wilhelm Killmayer, Ernst Ottensamer

18 ATTILAS AUSWAHL Unser Chef-Rezensent präsentiert himmlische und teuflische Alben Exklusiv nur in crescendo Premium U NERHÖRTES & NEU ENTDECKTES Über das belgische Multitalent Robert Groslot

ALEXANDRE DESPLAT Unzählige Blockbuster haben seine Musik ALFRED BOLLIGER Er saß an den verrücktesten Orgeln der Welt

HERBERT BLOMSTEDT Von Kindesbeinen an hat ihn die Religion geprägt www.crescendo.de

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F OTO S : TE X A S A & M U N I V E R S IT Y- CO M M E RC E M A R K E TI N G CO M M U N I C ATI O N S P H OTOG R A P H Y; S H E I L A ROC K L I C E N S E D TO E M I C L A S S I C S ; F R A N C K J U E RY

29. OKTOBER 2017 ELBPHILHARMONIE

06 KLASSIK IN ZAHLEN Auch in der letzten Spielzeit war Mozarts Zauberflöte wieder die Oper mit der höchsten Zuschauerzahl.


34 KULTUR AM MEER Das geschichtsträchtige Kurhaus Heiligendamm vereint Ostseeflair und Konzertgenuss.

38 SPIELPLAN Wie entstehen eigentlich Programme an Opernhäusern, bei Konzertveranstaltern, Festivals oder freien Projekten?

46 BAMBERG Dirigent Jakub Hrůša führt durch seine neue Wahlheimat: das „Klein-Venedig“ Frankens und Epizentrum der ­Braukultur.

ERLEBEN

SCHWERPUNKT

LEBENSART

29 DIE WICHTIGSTEN TERMINE UND VERANSTALTUNGEN IM HERBST 34 KULTUR AM MEER Musik im Edel-Kurhaus Heiligendamm

F OTO S : F R A N K B LO E D H O R N ; B A M B E RG TO U R I S M U S & KO N G R ES S S E RV I C E

36 DAS KRANZBACH Alte Gemäuer, neue „Füllung“ – Vier-SterneAlpen-Oase Exklusiv nur in crescendo Premium OPER 4.0 AUF MALLORCA Mozarts Le nozze di Figaro neu gedacht

38 SPIELPLAN Von Freud und Leid der Programmgestaltung 40 KOMMENTAR Axel Brüggemann wünscht sich mehr Leichtigkeit bei der Programmplanung 42 SPIELPLAN IM NATIONAL SOZIALISMUS Musik zwischen Instrumentalisierung und Entertainment Exklusiv nur in crescendo Premium IDEALER ­ SPIELPLAN Persönlichkeiten aus ­ der Musikwelt über ihr perfektes Programm

OHER ­KOMMT W EIGENTLICH … … das Libretto zur Oper Hänsel und Gretel?

45 WEINKOLUMNE John Axelrod über Wein, der so nationalitätenübergreifend wie Rossini ist

AlphA 288

46 REISE: BAMBERG Bier, Pracht und Natur mit dem Chefdirigenten der Bamberger Symphoniker

BUSCH TRIO MIgUel da SIlva Die zweite Folge der ˇ Dvorák-Gesamteinspielung mit dem BUSCH TRIO. Als besonderer Gast an der Bratsche: MIGUel DA SIlvA, Gründer des Ysaÿe Quartets’.

EXKLUSIV FÜR ABONNENTEN Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 44

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Note 1 Music gmbh Carl-Benz-Str. 1 - 69115 Heidelberg Tel 06221 / 720226 - Fax 06221 / 720381 info@note1-music.com - www.note1-music.com


O U V E R T Ü R E

KLASSIK IN ZAHLEN

239.744

Zahl der Zuschauer, die in der Spielzeit 2015/16 in Deutschland Mozarts Zauberflöte gesehen haben. (Aus: „Wer spielte was? Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins. 2015/16“)

824

Anzahl von Klavieranschlägen pro Minute für den neuen Weltrekord.

(Im Juni aufgestellt vom portugiesisch-amerikanischen Pianisten Domingos-­Antonio Gomes.)

9,7

Zahl der Theatersitzplätze in Deutschland pro 1.000 Einwohner (Aus: Theaterstatistik 2014/15. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele.)

20

Anzahl der Kinder von Johann Sebastian Bach. Fünf Söhne und zwei Töchter stammten aus erster Ehe mit Maria Barbara Bach und sechs Söhne und sieben Töchter aus zweiter Ehe mit Anna Magdalena Bach.

NEWSTICKER Rekord-Musik: In den vergangenen Wochen konnten gleich zwei musikalische Guinnessbuch-Rekorde gebrochen werden: Der armenischjüdische Geiger Nikolay Madoyan ist mit 33 Stunden neuer Meister im Dauergeigen. Er spielte ein vielfältiges Repertoire. Die meisten Klavieranschläge pro Minute bewältigte Domingos-Antonio Gomes (siehe oben). Das Ergebnis klang hier allerdings eher nach Presslufthammer als nach Musik: Wiederholt wurde nur ein einziger Ton. +++ 900.000 Euro für zeitgenössische Musik: Der neue Fonds für zeitgenössische Musik hat erste Förderungen vergeben. Dabei wurden aus 459 Anträgen 86 Projekte ausgewählt und mit fast einer Million Euro unterstützt. +++ Trump gegen Trump: US-Präsident Donald Trump hat einen Rechtsstreit gegen den Ingenieur und Musiker Tom Scharfeld verloren, der die Trompeten-Lernsoftware „iTrump“ entwickelt hat. Nach langjährigem Streit konnte Scharfeld das Gericht davon überzeugen, dass „Trump“ im allgemeinen Sprachgebrauch als Abkürzung für „Trumpet“ gebraucht wird und damit kein eigenständiger Markenname ist. 6

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Aktuelle

NEUHEITEN bei Sony Music

Francesco Tristano Piano Circle Songs

Erhältlich ab 15.9.

Die einfache Schönheit der Melodie – Pianist, Komponist und Produzent Francesco Tristano veröffentlicht sein erstes Album bei Sony Classical mit eigenen Kompositionen für Klavier. Vier der Werke entstanden in Zusammenarbeit mit Chilly Gonzales, der ihn bei der Aufnahme dieser Werke auch begleitet.

Raphaela Gromes Serenata Italiana

Jonas Kaufmann | L’Opéra Jonas Kaufmann präsentiert mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper unter Bertrand de Billy großartige Arien aus Bizets Carmen, Gounods Roméo et Juliette, Massenets Werther und vielen mehr. Mit dem berühmten Perlenfischer-Duett und Sonya Yoncheva als Gast.

Die junge Münchner Cellistin Raphaela Gromes, von der sogar der große Cellist Yo-Yo Ma begeistert ist („mutige Neugier und Energie“), spielt auf ihrem neuen Album selten zu hörende spätromantische italienische Werke für Cello und Klavier, mitreißend und stimmungsvoll. Am Klavier: Julian Riem.

Leif Ove Andsnes | Sibelius Andsnes’ persönliche Hommage an den finnischen Komponisten und dessen bisher weitgehend unbekannte, aber faszinierende Klavierwerke. U.a. mit Sibelius’ eigener Bearbeitung des berühmten Valse triste sowie Auszügen aus den Zehn Stücken und den in der finnische Volksmusik verwurzelten Sechs Impromtus.

The Wave Quartet | Bach

Regula Mühlemann | Cleopatra Die für ihr Mozart-Debütalbum hochgelobte Sopranistin Regula Mühlemann hat aus über 80 Opern, die sich mit der ägyptischen Königin beschäftigen, von Vivaldi über Scarlatti bis Händel, die schönsten Arien ausgesucht und mit dem La Folia Barockorchester aufgenommen. „Hinreißender Gesang“ Fono Forum

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Die vier Marimba-Spieler des Wave Quartet haben gemeinsam mit dem L’Orfeo Barockorchester J. S. Bachs vier Cembalokonzerte in eigenen neuen Arrangements eingespielt. So erfrischend leicht und modern hat man diese populären Konzerte nie gehört.

www.facebook.com/sonyclassical


F OTO: B RO O K E S H A D E N

K Ü N S T L E R

Schon mit 13 wusste Marina Rebeka, dass für sie nur eine Gesangs­ karriere infrage kommt.

„ROSSINI IST MEIN SCHICKSAL!“ ­ Partien bei Verdi und Massenet katapultierten sie an die Spitze des internationalen ­Opernbetriebs. Rossini aber entdeckte Marina Rebeka in Raten. Inzwischen gilt sie als eine seiner ­renommiertesten Interpretinnen. Die lettische Sopranistin über ihre Leidenschaft für dramatische Koloraturen und starke Frauen. VON BARBARA SCHULZ

Frau Rebeka, wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass Sie etwas haben, was andere nicht haben? Marina Rebeka: Ich war 13 und mein Großvater hat gesagt: „Du bist groß genug – wir können Oper hören.“ Ich wusste gar nicht, was das ist. Er meinte, wir gehen da einfach mal hin, und dann wirst du schon sehen. Ich habe das erste Intervall gehört und zu meinem Opa gesagt: „Ich werde das singen!“ Natürlich war das so eine verrückte Mädchenidee. Es konnte ja gar nicht funktionieren: Ich war nicht in der Musikschule, hatte keine Ahnung von der Theorie, konnte etwas Klavier spielen und war im Chor. Aber ich war so begeistert. Es war Liebe auf den ersten Klang! Nach einem Studium in Italien feierten Sie später als Violetta in La Traviata in Erfurt Ihren Durchbruch und sind heute an allen Bühnen der Welt zu Hause. Gibt es eine Partie, vor der Sie Angst haben? Rossini! Das ist eine echte stimmliche Herausforderung! Und trotzdem immer wieder Rossini?! Ja, er ist mein Schicksalskomponist. Als ich zum ersten Mal sein Il 8

Viaggio a Reims mit Montserrat Caballé gehört habe, war meine erste Reaktion, dass ich das niemals machen würde – niemals! All diese Rezitative lernen, sich gründlich mit dem Stil auseinandersetzen, selbst die Variationen in den Da-capo-Arien schreiben … Solche Koloraturen zu schreiben ist ein ungemein komplexer Vorgang: Sie sollen die Möglichkeiten der eigenen Stimme abbilden, ihr technisch angepasst werden, sie müssen zeigen, wie man die Rolle emotional interpretiert, und natürlich müssen sie im Stil von Rossini sein – den man entsprechend gut kennen muss. Dieses Selbstschreiben macht zum Co-Komponisten. Kurz und gut: viel zu viel Arbeit, viel zu viel zu lernen – nein, ich wollte definitiv niemals Rossini-Sängerin werden. Keine Entscheidung fürs Leben! Was ist passiert? Als ich für das große Rossini Opera Festival engagiert wurde, ist es passiert: Da habe ich zum ersten Mal den dramatischen Rossini entdeckt. Bis dahin hatte ich, wie viele andere auch, gedacht: Ach, Rossini, das ist diese leichte Musik, Cenerentola, Il Barbiere und so fort. Bis ich zum ersten Mal Maometto II gehört habe – mein Gott! www.crescendo.de

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So dramatisch! So viele Koloraturen! Aber eben nicht nur fröhliche Koloraturen, sondern es lag so viel Dramatik, so viel Spannung darin. Das war etwas komplett anderes. Mit der Rolle der Anna Erisso in Maometto II wurde ich 2008 dann auch entdeckt. Es war unglaublich! Also Liebe auf den zweiten Klang? Oder auf den dritten oder vierten. Aber es ging so weiter: Danach habe ich für Salzburg vorgesungen. Und was sagt Muti? Okay, wir machen – Rossini! Wieder eine dramatische Oper von ihm: Moïse et Pharaon, ich war die Anaï. Und das war’s dann – es hatte mich erwischt: Diesen dramatischen Rossini, den mochte ich. Das war 2009, und es war mein ganz, ganz großes Debüt, auf das so viele Angebote folgten. Viele große Opern- und Theaterleute haben mich gehört – aus Antwerpen, aus Amsterdam, von der Metropolitan Opera … Wo Sie mit Guillaume Tell aufgetreten sind. Das muss man sich vorstellen: Die MANCHE OPERN Oper war seit 82 Jahren nicht an SAUGEN DICH EIN. der Met aufgeführt worden. Das Publikum war begeistert: Wow, DIE PERSÖNLICHKEIT, das ist Rossini! So dramatisch, so DIE HANDLUNG – stark in der Orchestrierung. Das war genau das, was ich wollte: DU VERGISST ALLES allen zeigen, dass Rossini auch so ANDERE sein kann! Deshalb also jetzt ein reines Rossini-Album? Ja, auch die Idee für diese Aufnahme geht auf mein Interesse für den dramatischen Rossini zurück. In diesem Album steckt all mein Wissen und meine Erfahrung, auch all meine Gefühle. Ich wünsche mir, dass die Leute es mögen, auch wenn sie viele Arien gar nicht kennen. Semiramide, Otello und Guillaume Tell – diese leichten Opern sind geläufig, weswegen die Leute das Album hoffentlich kaufen werden. Wie schön wäre es, wenn sie darüber all die andere fantastische Musik kennenlernen. Und hören, wie sehr Rossini viele andere beeinflusst hat – Bellini, Donizetti, Verdi … Hören Sie sich einmal das Inflammatus aus Rossinis Stabat Mater an – das ist Verdi! Und die erste Reaktion der Leute: Das ist doch nicht Rossini! Doch, das ist Rossini, aber eben der andere, den sie gar nicht kennen. Durch die ausgewählten Arien zeigen Sie auch Rossinis ­Frauenbild. Ja, bei Rossini ist es ganz häufig so, dass die Sopranrolle die Frau verkörpert, die sich entscheiden muss – zwischen Liebe oder Pflicht, Liebe oder Heimat, Liebe oder Vater … Und sie entscheidet sich immer gegen die Liebe. Die Liebe ist immer fatal, Rossinis Frauen leiden stets an ihr. Letztlich entscheidet also immer die Vernunft … Die Frauen sind niemals einfach zusammen mit den Männern, die sie lieben. In Moïse et Pharaon zum Beispiel wird ein immenser Druck auf die Protagonistin ausgeübt, und sie muss entscheiden. Sie beschließt, dass die Hebräer weggehen. Diese Arie ist der Drehpunkt der Oper. Sie liebt ihn, schickt ihn aber weg. Diese Frauen sind unglaublich stark. Und hart zu sich selbst. Finden Sie sich in diesen Frauen wieder? Ich würde mich immer für die Liebe entscheiden statt für Pflicht oder Vernunft. Aber ja, auch ich bin sehr kritisch, vor allem mir selbst gegenüber, sehr diszipliniert und pflichtbewusst. Ich bin im Sternzeichen Jungfrau geboren, also muss alles sehr ordentlich und sehr perfekt sein. Deswegen spreche ich zum Beispiel in der Öffentlichkeit auch kein Deutsch, obwohl man mich gut verstehen könnte. Aber „der“, „den“, „dem“ etc. – ich kann nicht kontrollieren, welcher Artikel der richtige ist. Man muss es fühlen oder wissen. Also die klassische Perfektionistin?

Ja, ganz sicher. Aber perfektionistisch zu sein bedeutet für mich, dass alles, was ich mache, von guter Qualität sein muss. Und zwar in erster Linie für mich. Ich muss einfach wissen, dass ich alles versucht habe. Die Leute können das mögen oder nicht, aber ich habe in jedem Fall mein Maximum gegeben. Spontan auf die Bühne gehen und singen? Ich kann das nicht. Es gibt Kollegen, die sollen etwas singen, und dann singen sie. Ich fühle mich immer wie ein Schüler, der schlecht vorbereitet ist und Angst hat, an die Tafel gerufen zu werden. Es ist mein Alptraum, dass ich auf der Bühne stehe und nicht mehr weiß, was ich machen soll, dass ich den Text vergesse. Eine echte Jungfrau eben. Bin ich aber gut vorbereitet, dann habe ich den Raum zu spielen, Raum für Psychologie, Emotionen. Nur wenn ich sicher bin, kann ich das. Und wie sieht es mit Drama aus? Ich bin auf alle Fälle keine Drama Queen! Das hasse ich. Auch ich bin nicht immer ausgeglichen und ruhig. Aber es ist schwierig, mich aus der Fassung zu bringen. Man kann mir nachsagen, dass ich schwierig bin. Doch liegt das nicht an meinem Charakter, sondern daran, dass ich immer versuche, mein Bestes zu geben. Haben Sie heute noch Lampenfieber? Nur manchmal. Interessant ist, dass ich es nicht unmittelbar bevor ich auf die Bühne komme habe, sondern ein oder zwei Tage vorher. Der Körper bereitet sich auf diesen Stress vor. Wenn die Situation da ist, wird es leichter. Das kann man nicht mit dem Kopf steuern. Wie geht es Ihnen unmittelbar bevor Sie auf die Bühne gehen? Ich denke daran, was ich alles machen muss – das ist unglaublich viel. Vor allem muss man sich immer vor Augen halten: Du kannst Caruso in deiner Garderobe sein. Aber wenn du auf die Bühne gehst, ist alles anders: die Akustik, das Gefühl, da gibt es Publikum, da gibt es Kollegen, ein Orchester. Und manchmal ist beim Einsingen alles perfekt, und du kommst auf die Bühne, und irgendetwas ist nicht perfekt. Aber du weißt nicht, was es ist. Das muss man akzeptieren. Es sind nicht alle Vorstellungen super. Das ist normal. Man kann das nicht vorbereiten. Und dann gibt es Opern wie Norma oder La Traviata: Du fängst an und sie saugt dich ein. Die Persönlichkeit, die Handlung – du vergisst alles andere. Du bist nur noch diese Person. Du musst da sein. An nichts anderes denken. In diesem Moment, an diesem Platz. Sie haben ein straffes Programm – auch gute Strategien, zur Ruhe zu kommen? ES IST MEIN Ich koche nicht so gerne. Wenn ich in der Küche bin, dann denke ­ALPTRAUM, DASS zu viel. Aber ich esse gern. ICH AUF DER BÜHNE ich Alle essen gerne. Und ich bin STEHE UND NICHT gern im Garten. Außerdem gehe ich gern spazieren, bin mit MEHR WEISS, WAS meiner Tochter zusammen und ICH MACHEN SOLL tanze leidenschaftlich! Ich habe eine Meisterklasse in Tanzen gemacht, auch Tango Argentino – das ist ein psychologischer Thriller. Der Mann lenkt und du musst fühlen, was er will und was er denkt. Da wird der Kopf frei. Sie singen täglich? Wenn es irgendwie geht, singe ich nicht. Manchmal suche ich einfach nur stille Plätze und die Natur. Keine Kunst. Zwischendurch muss man einfach mal aussteigen. ■ „Amor fatale. Rossini Arias“, Marina Rebeka, Münchner Rundfunk­ orchester, Marco Armiliato (BR-Klassik) Termine: 24.09. München, Prinzregententheater lten onnent er ha Als neuer Ab (siehe S. 44) Sie diese CD

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K Ü N S T L E R

QUERKOPF MIT ­STEINWAY-FLÜGEL ­ Den üblichen Regeln des Musikbetriebs will sich Pianist Krystian Zimerman partout nicht anpassen. Nur 50 Konzerte gibt er pro Jahr. Im Jetset-Tempo Auftritte rund um den Globus abzuhecheln ist seine Sache nicht. VO N C H R I S TA H A S S E L H O R S T

rystian Zimerman ist ein konsequenter Abweichler vom KlassikMainstream. So ist er stets mit eigenem Flügel unterwegs. Das ist seit 25 Jahren ein Steinway, „aber warum wollen Sie die Marke wissen? Ist das wichtig, ein Label?“, rebelliert er prompt gegen die Frage. Dass der gebürtige Pole 1975 als jüngster Teilnehmer mit 18 Jahren beim renommierten Chopin-Wettbewerb in Warschau den ersten Preis gewann, quittiert er heute mit Achselzucken, „Ach, das ist doch schon so lange her!“ Er musizierte mit Herbert von Karajan, Leonard Bernstein und langjährig mit den Berliner Philharmonikern und Sir Simon Rattle. Mit ihm verwirklichte er vor zwei Jahren einen lang gehegten Wunsch, die Einspielung von Lutosławskis Zweitem Klavierkonzert und der Zweiten Sinfonie, aufgenommen während eines Live-Konzertes in der Berliner Philharmonie. Doch es ist auch 25 Jahre her, dass Zimerman seine letzte Solo-Einspielung machte. Danach Pause, ein Vierteljahrhundert! Jetzt also, im Alter von 60, hat er endlich Franz Schuberts letzte zwei Sonaten aufgenommen: die mächtige Sonate Nr. 20 A-Dur D 959 und die Sonate Nr. 21 B-Dur D 960, die als Schuberts instrumentaler Schwanengesang gilt. Die zwei – so die Einschätzung der Nachwelt – reifsten Werke, komponiert in seinen letzten Lebens10

monaten zwischen Frühjahr und Herbst 1828. Musste der gefeierte Zimerman erst 60 werden, um sich an diese wichtigen Stücke, die als „harter Kern“ des Klavierrepertoires gelten, zu wagen? „Oh nein“, stellt er lebhaft klar, „ich nahm sie bereits 1990 auf. Aber ich fand sie einfach nicht genug, ich wollte nur eine weitere Aufnahme auf den Markt bringen, wenn sie meinen Ansprüchen genügt“. Der Perfektionist ist auch ein Verfechter des Live-Auftritts: „Ich bin generell kein Fan der Phonographie“ – er benutzt absichtlich diesen Begriff – „denn Musik live kann so powerful sein, das ist Emotion, in Zeit organisiert! Musik ist Zeit“, erklärt er. Im 19. Jahrhundert habe das Publikum den Künstler live gesehen, seine Glaubwürdigkeit erleben können, „dann kamen diese Geräte …“, schüttelt der Pianist den Kopf. Und warum konserviert der Mensch Musik? „Weil er es kann“, sagt Zimerman achselzuckend. Nun kann – und will – auch der Klaviervirtuose mal wieder. Schuberts zwei letzte Sonaten sind geradezu geheimnisumwittert, Experten und Kritiker interpretierten vielfältig in dieses Vermächtnis des allzu früh Verstorbenen. Sind die Stücke tatsächlich so düster, melancholisch, endzeitlich, wie es die Nachwelt oft vermutet – und müssen sie auch so gespielt werden? Die zweiten, langwww.crescendo.de

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F OTO: K A S S K A R A A N D DGG

Krystian Zimerman liebt Komplexität, von Musikaufnahmen hält er dagegen nicht viel.


Franz Schubert: „Piano Sonatas D 959 & D 960“, Krystian Zimerman (Deutsche Grammophon)

© Marco Borggreve

MAtthias Goerne HMM 902323

samen Sätze seien die traurigste Musik, die er kenne, so Zimerman im Booklet zum Album. Aber beide Scherzos seien voll Humor. Und im Interview ergänzt er: „Ich sah Schubert als kranken Mann, der seinen Tod voraussieht, wollte deshalb das Scherzo in der Sonate Nr. 20 auch nicht lustig spielen. Das war falsch“, habe er jedoch erkannt. Denn eigentlich sei Schubert durch mangelnde Hygiene gestorben, also nichts von trauerumwölkter Todesahnung: „Immerhin ging er kurz vorher noch von Wien nach Eisenstadt und besuchte Haydns Grab, zu Fuß! 70 Kilometer!“, rechnet Zimerman geradezu triumphierend vor. Eingespielt wurden die Sonaten in der japanischen Stadt Ka­shiwazaki. In der 2007 von einem Erdbeben erschütterten Stadt gab Zimerman ein Gratiskonzert. Als er hörte, dass der Konzertsaal wieder aufgebaut worden war, noch dazu von einem Schüler des weltweit gefragten Akustikers Yasuhisa Toyota (Elbphilharmonie Hamburg, Pierre-Boulez-Saal Berlin), wollte er dort Schubert aufnehmen. Alles klappte, bis auf das Wetter. „Es gab einen irren Schneesturm, wir waren eingeschneit, mussten uns aus dem Konzertsaal fast heraushacken“, erinnert er sich lachend; dank des grandiosen Einsatzes aller Mitarbeiter sei man aber bestens versorgt worden. „Eigentlich hätte ich unter diesen Umständen die Winterreise aufnehmen sollen.“ Schubert ist dem Weltklassemusiker Zimerman sehr nahe, auch wenn zwei Jahrhunderte zwischen DER VERANSTALTER den Künstlern liegen. Die Zeiten FRAGT: haben sich in manchem nicht geänWAS SPIELST DU? dert. „Schubert war gegen das Militär. Wenn er Militärmusik schrieb, ICH ANTWORTE: dann war das sarkastisch“, sagt er, WEISS ICH NICHT ! „das ist mir sehr sympathisch.“ Er habe sich nie in die vorgegebenen Wiener „Kästchen“ eingefügt. Das scheint auch für den im besten Sinne eigensinnigen Zimerman zu gelten. „Die Phonographie ist genauso ein Denkfehler wie die Gründung von Nationen“, sagt der Pole – „eigentlich bin ich Schlesier“ –, der seit über 20 Jahren im schweizerischen Basel lehrt und lebt, aber von sich sagt: „Ich bin in keinem Land zu Hause, ich bin Weltbürger und lebe auf drei Kontinenten gleichzeitig.“ Die Vereinigten Staaten stehen momentan nicht auf dem Tourneeplan. Nein, nicht wegen der Flügelaffäre, betont er. Im Jahr 2001, kurz nach den Anschlägen vom 11. September, hatte man seinen Flügel in den USA wegen Terrorverdacht zeitweise beschlagnahmt und untersucht. „Ich bekam von der Post einen riesigen Sack mit Tasten zurück“, bemerkt er mit buddhahafter Gelassenheit. „Es wurden in respektablen Medien falsche Informationen über mich verbreitet und bis heute nicht rechtlich geklärt. Somit sind für mich die Voraussetzungen für Konzertreisen in die USA derzeit nicht gegeben.“ Sein letztes Konzert in Amerika war 2009, wo er mit einer Bemerkung gegen die US-Stationierung in Polen für einen Eklat sorgte. „Ich bin kein AntiAmerikaner, ich mache nur meine Klappe auf“, betont er. „Mir ist Komplexität sehr wichtig. Die Welt ist eben nicht nur schwarzweiß! Und komplexe Dinge mit nur vier Wörtern erklären zu wollen – das ist eine Tragödie!“ Ein Nonkonformist ist Zimerman auch bei der Gestaltung des Programms für seine Konzerte. Oft gibt es nämlich keines. „Der Veranstalter fragt: Was spielst du? Ich antworte: Weiß ich nicht!“, lacht er. „Ich habe ein fantastisches Publikum! Die kommen einfach trotzdem, vertrauen mir. Das geht seit Jahren bis heute so – wunderbar!“ ■

Johann Sebastian BACH Bass-Kantaten Freiburger Barockorchester Gottfried von der Goltz In seinen Kantaten für Solostimme verband Johann Sebastian Bach auf meisterhafte Weise zwei Elemente, die unvereinbar erscheinen mögen – strenge Andacht im Rahmen der allwöchentlichen lutherischen Gottesdienste und vokale Virtuosität, die mittels geschickter Hervorhebung der Stimme zu besonderer Geltung gebracht wird. Hieraus resultiert ein Stil, in dem die Ausdruckskraft des geistlichen Textes zu einem Gipfel an Intensität gesteigert wird – speziell wenn eine Stimme wie die von Matthias Goerne sich dieser beiden berühmten Solokantaten für Bass annimmt und ihnen den Glanz kostbarer Perlen verleiht!

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harmoniamundi.com


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K Ü N S T L E R

Newcomer

MIT HINGABE ­ Sie wuchs als Baby quasi unter dem Flügel ihrer beiden Musikereltern auf. Heute bildet die junge Cellistin Raphaela Gromes zusammen mit Pianist Julian Riem ein flammendes Duo, das unter anderem für die italienische Spätromantik brennt. VON MARIA GOETH

crescendo: Frau Gromes, wie fing alles an mit Ihnen und der Musik? Raphaela Gromes: Unter dem Flügel! Ich komme ja aus einer Cellistenfamilie, aber meine Mutter spielt auch Klavier. Es gab bei uns ein „Flügelzimmer“, in dem meine Eltern unterrichtet und auch geprobt haben. Von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends waren sie in diesem Raum. Als Baby wurde ich in einem wunderschönen Körbchen unter den Flügel gelegt und habe dort geschlafen oder die Musik genossen. Heute bin ich sehr lärmempfindlich und kann nicht schlafen, wenn es laut ist, aber damals war ich angeblich am ruhigsten, wenn meine Eltern geprobt haben. Außerdem bin ich 12

immer auf die Konzertreisen meiner Eltern mitgefahren. Ich bin Einzelkind, da ging das. So war ich von klein auf viel unterwegs, auch auf Urlaubsreisen, denn meine Eltern sind große Kulturfans: Italien, Griechenland, Frankreich … War es klar, dass Sie das Cello-Erbe der Familie antreten würden? Im Gegenteil! Meine Eltern sagten: „Du kannst auf keinen Fall Cello lernen! Das wäre total langweilig! Dann haben wir drei Cellisten in der Familie.“ Da meine Mutter eben auch Klavier spielte, wollten sie, dass ich Geige lerne, dann hätten wir ein Klaviertrio. Aber als Kind will man auch immer das, was man www.crescendo.de

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kennt. Ich kannte all diese Cellostücke, konnte sie mitsingen. Ich zu ihm und sagte: „Es war so toll! Ich schreibe Ihnen ein Cellokonhatte meine Eltern immer auf der Bühne gesehen und wollte genau zert!“ Romberg entgegnete: „Ich spiele nur Romberg!“ Deshalb gibt diese Stücke, von denen ich Ohrwürmer hatte, später selber auf der es angeblich kein Cellokonzert von Beethoven, und ich würde es Bühne spielen. Man will spielen, was man liebt! Schließlich konnte nicht nur für mich, sondern für die ganze Cellowelt wünschen, ich meine Eltern überreden, doch Cello zu lernen. dass dieser wohl genialste Komponist das Werk geschrieben hätte. Und der Schlüsselmoment, an dem Sie wussten, Sie werden Seit fünf Jahren musizieren Sie nun mit Klavierpartner Julian wirklich Musikerin? Riem zusammen, der ebenfalls bei uns ist. Herr Riem, wie kam Mit zwölf Jahren habe ich das Rondo von Dvořák mit Orchester es zu der Partnerschaft? gespielt und mit 14 Jahren das Cellokonzert von Gulda mit Julian Riem: Ich war offizieller Begleiter des Richard Strauss Blasorchester. Das waren beides Schlüsselmomente, bei denen ich Wettbewerbs in München. Die meisten Teilnehmer kommen an, große Begeisterung beim Musizieren auf der Bühne empfunden sind ganz auf 180 und erzählen dann, was sie alles wollen: „Hier habe und wusste, dass ich das zum Beruf machen will. Mit 15 sollst du so spielen! Hier brauch ich viel Zeit! Hier ist eine Jahren bin ich dann Jungstudentin bei Peter Bruns geworden und schwierige Stelle, nimm da Rücksicht!“ und so fort. Raphaela kam, bin bis zum Abitur zum Cellounterricht nach Leipzig gependelt. hat überhaupt nichts gesagt, sondern einfach gespielt, und es hat Sie sind gebürtige Münchnerin, aber der Name „Gromes“ klingt sofort gepasst. Es war die kürzeste und einfachste Probe von allen. eher nicht deutsch … Raphaela gewann den Wettbewerb, und wir spielten das PreisträEr ist aber auch nicht spanisch oder italiegerkonzert zusammen, das live mitgenisch, wo man oft meine Heimat vermutet. schnitten und als unser erstes Album bei Der Name kommt aus Böhmen/Mähren. Farao classics veröffentlicht wurde. RAPHAELA GROMES AUF TOURNEE Meine Großeltern sind Sudetendeutsche, Dadurch ergaben sich wie von selbst viele also dort aufgewachsen und nach Deutschweitere Konzerte. 10.09. Wolfegg St. Ulrich land vertrieben worden. Angeblich habe ich Gab es nie Streit? 16.09. Ottobeuren Kaisersaal aber eine Ur-Ur-Großmutter mütterlicherJulian Riem: Künstlerisch nie. Höchstens 23.09. Donzdorf Roter Saal seits, die mit einem Italiener zusammen mal über Organisatorisches, aber auch da 01.10. Planegg Kupferhaus war. Vielleicht habe ich deshalb immer eine kamen wir schnell zu gemeinsamen 13.10. Wasserburg Rathaussaal große Sehnsucht nach Italien empfunden … Lösungen. Auf Ihrem neuen Album „Serenata Raphaela Gromes: Wir haben beide das Italiana“ mit Duo-Partner Julian Riem dreht sich denn auch Interesse, die Aussage des Komponisten zu verstehen und das alles um italienische Spätromantiker. Was war die Inspiration Werk so zu gestalten, dass diese Aussage vom Publikum verstandazu? den werden kann. Wir sehen uns als Vermittler zwischen Werk Vor zwei Jahren haben wir bei einem Projekt über italienische und Publikum. Sich der Komponistenintention anzunähern ist ein Kammermusik mitgewirkt, allerdings keine Cello-Klavier-Duos, langer Prozess. Da hat jeder andere Ansätze und Vorschläge, aber sondern größere Besetzungen. Da stand das Quintett von Giuseppe letztlich muss man die Antworten im Werk suchen, es entsteht eine Martucci auf dem Programm. Wir kannten diesen Komponisten Art hermeneutischer Zirkel, ein kreisender Erkenntnisprozess. nicht, aber er hat uns vom ersten Blattlesen regelrecht angesprunUnd selbst wenn wir uns geeinigt haben, kann im Konzert gen: Wir hatten noch Monate später Ohrwürmer und waren plötzlich eine neue Stimmung aufkommen und zu neuen Wegen absolut begeistert von seiner Tonsprache. Wir schauten gleich, was inspirieren. Dabei können wir beide darauf vertrauen, dass der Herr Martucci – südlich der Alpen als der „Brahms Italiens“ Partner mitgeht. So können magische Momente entstehen, die gefeiert – sonst noch geschrieben hat und stießen auf seine auch das Publikum spürt und die das Live-Erlebnis so besonders Cello-Sonate. Um diese Sonate herum haben wir dann ein Konzert- machen. programm mit Licht auf die italienischen Spätromantiker aufgeFrau Gromes, die Urlaubszeit ist gerade vorbei. Geht es auch baut, das nun auch auf dem Album zu hören ist. Die Spätromantik mal ohne Cello? ist definitiv unsere Herzensepoche. Es ist für mich tatsächlich wichtig, auch mal ein paar Tage ganz Gibt es sowas wie „das Italienische“ in der Musik? abzuschalten. Ich brauche viel Energie und Kreativität, um die Natürlich hat jeder Komponist seine individuelle Tonsprache, unglaublichen Werke einerseits entschlüsseln, andererseits auf der deshalb ist das schwer zu sagen. Aber Leone Sinigaglia zum Bühne rüberbringen zu können. Wenn ich gar keine Pause mache, Beispiel, dessen Romanze und Humoreske wir spielen, hat viel mit gehen diese Energie und Kreativität verloren. Für mich ist es piemontesischen Volksliedern gearbeitet, hat einen großen essenziell, gelegentlich die Seele baumeln zu lassen, „Mensch zu Sammelband herausgegeben. Alle Komponisten werden von ihrer sein“ außerhalb der Musik in dem Sinne, dass ich Natur und Kultur Muttersprache beeinflusst, vorallem wenn sie viel für Gesang – also genieße, zum Beispiel beim Schwimmen, Schnorcheln, Lesen und Opern oder Lied – schreiben. Denn dabei werden ja Worte und Wandern, und dadurch neue Energie und Inspiration bekomme. Melodie vereint. Die deutsche Sprache ist natürlich ganz anders als Ihr Wunschtraum? die italienische. So hört man auch in der Instrumentalmusik einen Das klingt jetzt vielleicht seltsam: Aber ich wünsche mir, öfter anderen Sprachduktus – irgendwie überschwänglicher und durch ohne Zweifel glücklich zu sein! Mich frei zu machen vom Perfektiihren Vokalreichtum melodiöser. onszwang und loslassen zu können. Sowohl im Privaten als auch in Schon einige Komponisten wie Dominik Giesriegl, Valentin der Musik, wo es ja letztlich darum geht, sich dem musikalischen Bachmann oder Mario Bürki haben für Sie geschrieben. Von Fluss hinzugeben, das Werk als Ganzes zu welchem lebenden oder toten Künstler würden Sie sich ein Werk begreifen und seine Zusammenhänge zu spüren. wünschen? Dieses Loslassen klappt nicht immer, aber es ist Beethoven! Bei ihm ist ja das große Drama, dass er nie ein wundervoll, wenn es auf der Bühne gelingt! ■ Cellokonzert geschrieben hat. Damals gab es den virtuosen „Serenata Italiana“, Raphaela Gromes, Julian Riem (Sony) Cellisten Bernhard Romberg. Nach einem Konzert kam Beethoven 13


KLASSIKSUPERMAN

Er spielte alles von Barpiano bis Kirchenorgel. Heute ist Antonio Pappano ein Star unter den Operndirigenten.

Schon als Kind konnte der Brite Antonio Pappano ganze Opern auswendig. Heute gehört er zu den gefeiertsten Operndirigenten der Welt und wird mancherorts bereits unter der Hand als Nachfolger Kirill Petrenkos an der Bayerischen Staatsoper gehandelt. VON TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL

Freunde nennen Sie Tony, die Kritiker ein „Allround-Genie“, „Classical Music’s Superman“. Wie sehen Sie sich? Antonio Pappano: Ich bin ein Sohn von Migranten. Die Arbeit stand in der Familie immer im Vordergrund. Sie war das Wichtigste im Leben. Manche sagen, ich sei ein Workaholic. Aber ich mache das, was ich liebe, und setze mich mit großer Leidenschaft dafür ein. Musik braucht sehr viel Energie, sehr viel Kopf und sehr viel Herz. Ich führe das Orchester der Royal Opera in London und ein Orchester in Rom, die Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Beides braucht viel Kraft, mental, physisch und seelisch. Ob ich deshalb ein Superman bin? Ihr Vater, ein begabter Tenor, kam mit fünf Pfund in der Tasche und einem Koffer aus der Nähe von Neapel nach Epping nördlich von London, wo Sie geboren wurden … Ja, das ist wahr. Das war in den 1950er-Jahren. Wie wäre das heute? Das können Sie sich bei den heutigen Nachrichten ja vorstellen. Ich bin der größte Fan meiner Eltern, sie haben damals so viel riskiert! Ich glaube, ich habe solchen Mut nicht. Aber die beiden hatten ihn. Sie wollten ein besseres Leben. Sie hatten insofern Hilfe, als es hier in England auch weitere Italiener und Angehörige gab. Sie waren ein Vorbild für mich, ein Team, das immer zusammenhielt. Ihre Eltern gingen dann in die USA, nach Bridgetown, 14

­ onnecticut, als Sie 13 waren. C Meine Eltern waren rastlos. Meine Mutter hatte einen Schicksalsschlag in England erlebt, war deprimiert und wollte weg. Ihre Eltern lebten bereits in den USA und deshalb zogen sie dorthin. Was haben Sie von den verschiedenen Ländern mitgenommen? Ich musste mich immer anpassen. Britisch an mir ist vielleicht ein gewisser Pragmatismus. Und italienisch natürlich das Temperament. Aber meine Energie habe ich wohl aus Amerika, dieses typische Migranten-Arbeits-Ethos. Ich fand als Jugendlicher eine Klavierprofessorin, die sehr wichtig für mich wurde. In der Schule arbeitete ich mit einem Madrigalchor. Mit meinem Vater, der sein Geld unter anderem als Gesangslehrer verdiente, waren wir ein Team. Ein regelrechtes „family business“. Ich begleitete ihn und seine Schüler. Die Schule ging bis zwei Uhr. Dann ging es nach Hause, ein kurzes Mittagessen, und wir gaben bis fast neun Uhr abends Unterricht. Das war sehr hart, aber es war lebendig. Damals hat meine innige Beziehung zu den Sängern begonnen. Von einem Magazin wurden Sie zum „Sängerflüsterer“ gekürt. Ja. Ich bin mit angehenden Sängern aufgewachsen. Ich kannte jede Opernpartitur, konnte fast jede Rolle nachsingen. Damals wusste ich nicht, wie wichtig das für mich werden würde. Heute weiß ich es, wenn ich jedes Wort von La Bohème kenne oder von Madama Butterfly. Es ist kompliziert, eine Kombination von verschiedenen www.crescendo.de

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F OTO: M U S ACC H I O & I A N N I E L LO L I C E N S E D TO E M I C L A S S I C S

K Ü N S T L E R


MAN DARF NICHT VERGESSEN, EIN KIND ZU SEIN! Dingen, die eng miteinander zusammenhängen: Stimme, Atem, die Stimmtechnik des Belcanto und das Wort. Man muss ebenfalls eine Leidenschaft für den Text haben. Jede Sprache hat ihren eigenen und inneren Rhythmus, Deutsch, Russisch, Italienisch. Es kommt auf den natürlichen Fluss einer Sprache an. Die Sprache bringt den Dirigenten näher an den Sänger. Der Sänger hat Wörter. Der Instrumentalist nur Töne. Über Herbert von Karajan haben mir Sänger erzählt, dass er sehr fasziniert war von schönen Stimmen, sie in Rollen besetzte ohne Rücksicht allerdings darauf, ob der Sänger technisch und mental dem Repertoire gewachsen war. Inwiefern kann oder muss ein Dirigent die Sänger schützen? Das ist ein schweres Sujet. Opernhäuser brauchen natürlich das große Repertoire, und man ist immer auf der Suche nach frischen neuen Stimmen. Man „benutzt“ diese Stimmen und wundert sich dann später, warum dieser Sänger nach einer gewissen Zeit so „abgesungen“ klingt. Die Sänger haben an erster Stelle die Verantwortung. Viele Sänger haben einen großen Ehrgeiz, wollen schnell berühmt werden. Und sie stehen auch unter großem Druck. Die Stimmbänder sind fragil und auch der Kopf, die Seele ist fragil. Das ist nicht einfach. Es gibt so viele Informationen und man weiß nicht, welche dieser Informationen soll man nehmen, welche soll man weglassen. Technisch und mental müssen Sänger ein stabiles Repertoire aufbauen. Das braucht Zeit. Und heutzutage gibt es sehr viel Ungeduld, alles muss schnell, schnell gehen. Das aber ist gegen die Natur der Stimmbänder, der Physis und der Seele. Sie selbst haben als Barpianist angefangen. Ich habe wirklich alles gemacht! Alles. Ich spielte in der Kirche Orgel mit meinem Vater. Begleitete verschiedene Chöre und Solisten. Dann in der Bar ... Was lernt man als Barpianist vom Publikum? Man bekommt ein Gefühl für Stimmung, für Atmosphäre, die richtige Atmosphäre, die falsche. Ich habe damals immer die Popmusik verfolgt, mich sozusagen upgedatet, um all die Show­ tunes zu beherrschen. Ich bin übrigens immer noch nostalgisch. Ich liebe die Musical- und Broadwayklassiker aus den 40ern. … und die alten Sitcoms … Ja. „’Allo ’Allo!“, „Benny Hill“, ich liebe sie! Wenn man mit der Oper zu tun hat, dann gibt es wenig Komödie. Es gibt eine Tragödie nach der anderen. Ich möchte einfach mehr lachen. Das Fernsehen hilft da sehr. Was ist musikalisch schwieriger, die Tragödie oder die Komödie? Sagen wir so: Die Komödie ist für einen Regisseur sehr schwer. Es ist wirklich schwer, Menschen zum Lachen zu bringen. Und auch musikalisch. Wenn es spritzig nach Champagner „klingen“ soll, dann muss alles sehr präzise und sehr brillant sein. Bei der Tragödie muss der Kontrast stimmen. Bei Shakespeare kann man das lernen. Wenn die Dinge zu dunkel werden, bringt er eine komische Szene mit hinein als Übergang für den nächsten tragischen Moment. Es darf auch bei der Tragödie nicht nur Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit geben, der Kontrast ist sehr wichtig. Den muss man immer in der Musik finden. Ein einzigartiges Kabinettstück musikalischen Humors ist Der Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns, das Sie jetzt mit seiner 3. Symphonie auf Ihrem neuen Album präsentieren. Das Klischee des Interpreten von klassischer Musik ist ja, dass alles ganz ernst ist. Das stimmt zwar einerseits, aber klassische Musik kann auch Freude bringen. Einerseits gibt es den Ernst Beethovens und seiner humanistischen Botschaft. Es gibt aber auch kindliche Musik, die gar nicht so einfach zu spielen ist. Man darf nicht

vergessen, ein Kind zu sein. Passiert das mit Martha Argerich, die Ihre Partnerin auf der Aufnahme ist? Das war für mich eine ganz große Herausforderung. Ich habe nie mit ihr Klavier gespielt. Und sie geht wie der Wind, sie ist unglaublich schnell. Ich musste ihr hinterherrennen. Und dennoch war alles so easy und so natürlich. Auch wenn ich nicht jeden Tag Klavier spiele und sie einer der größten Pianisten der Gegenwart ist. Das war eine fantastische Zeit für mich. Ich habe viel über Selbstvertrauen gelernt. Man darf sich nicht immer fragen: Werde ich das alles schaffen? Einfach nur: machen und shut up. Wir haben uns prima verstanden. Ich habe ja meine Debüts der Klavierkonzerte von Tschaikowsky, Schumann, Prokofjew Nr. 3 und Liszt mit ihr gemacht. Und das nie vergessen. Sie arbeiten in Italien, in England und in Deutschland. Vor dem Brexit hatte die konservative Regierung Simon Rattle, der jetzt das London Symphony Orchestra übernimmt, einen Konzertsaal versprochen. Jetzt heißt es, das Projekt sei unrentabel. Ich denke, er wird dennoch kommen. Die City of London muss das finanzieren. Ein Konzertsaal ist sehr wichtig, weil London keinen wirklich guten Saal für das große sinfonische Repertoire hat. Man braucht Zeit, diese Sachen zu realisieren. Das wird Jahre brauchen. Simon ist sehr stark, er schafft das. Wenn Sie den Musikbetrieb der unterschiedlichen Länder vergleichen … Das klassische Musikpublikum in Deutschland ist ein Wunder. Dieses kulturelle Interesse, diese Intensität des Hörens! Die Engländer lieben die Musik auch sowie das Theater, die Oper, die Musicals. In Italien ist es ein bisschen komplizierter. Ich habe dort ein sinfonisches Orchester, doch dort spielt die Oper eine größere Rolle. Dabei hat unser Orchester eine große Tradition. Wir müssen sehr kämpfen. Die Regierung sieht oft nicht die Bedeutung der Kultur für den Menschen. Wir haben keine Planungs­sicherheit, keine Stabilität. Das Publikum in Rom ist sehr konservativ, man muss alles sehr gut ausbalancieren. Dafür spielen wir in Italien jedes Programm dreimal. So etwas passiert in London sehr selten. Und im Hinblick auf die Oper? Italien hat den Stagione-Betrieb. Deutschland eher das Repertoiresystem. England ein Semistagione-Prinzip. Sie alle mit ihren Vor- und Nachteilen. Im deutschen Opernorchester gibt es zudem das Rotationsprinzip, man hat immer wieder andere Musiker vor sich. Das gibt es in England nicht. Es ist keine Kritik, es ist nur ein anderes System. Ich komme mit beiden Systemen zurecht. Medial sind Sie auf allen Kanälen präsent ... Sie sprechen die Kinoübertragungen der Opern an. Es ist toll, wenn viele Menschen die Oper jetzt für wenig Geld, von vielen Orten der Welt aus, erleben können. Bei einem Klang von sehr hoher Qualität. Das kann eine sehr berührende Erfahrung sein. Ein großer visueller Impact, der allerdings die Magie, das LiveGefühl im Zuschauerraum nicht ersetzen kann. Im Kino sieht das Publikum durch die Close-ups und Details aber auch, wie kompliziert der Beruf der Sänger ist. Letzte Frage an Superman: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie morgens aufstehen und wie, wenn Sie abends ins Bett gehen? Bei beidem wie ein 80-Jähriger! Sobald ich gefrühstückt habe, aber wie neu geboren! ■ Camille Saint-Saëns: „Carnival of the Animals“, Martha Argerich, Antonio Pappano (Warner)

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JAZZ

Lizz Wright

Südstaatenmix

F OTO: J ES S E K IT T

Oft sind Coveralben wenig kreativ – ganz anders ist das bei Lizz Wrights „Grace“. Das Album beinhaltet neun Songs, die Wright von Größen wie Bob Dylan, Rose Cousins oder Nina Simone adaptiert hat, plus ein neues, mit Maia Sharp zusammen komponiertes Lied. Die Motive Gnade und Menschlichkeit ziehen sich wie Leitmotive durch die Werke. Mit ihrer unverwechselbaren Altstimme vereint Wright die heterogenen Musiktraditionen des US-amerikanischen Südens in ihren Songs: von Gospel über Country zu Soul, garniert mit einer swingenden Portion Jazz. „Grace“ präsentiert sich damit als ein vielschichtiges und gefühlvolles Album. Es überzeugt mit reichem Klangspektrum und großer stilistischer Vielfalt. PD

Lizz Wright: „Grace“ (Concord)

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H Ö R E N & S E H E N

Die Empfehlungen von Attila Csampai

VON ENGELSGESANG BIS HORRORTRIP … erstreckt sich Attila Csampais September-Auswahl. Energieschüben herausholt, ohne dabei die objektive Ebene des Materiell-Faktischen, also des strukturellen Kontexts, zu verlassen, Thomas Albertus Irnberger, Royal Philharmonic das verleiht diesen Heiligtümern eine völlig neue innere Logik ­Orchestra, James Judd, David Geringas, und Sogkraft: Selten klangen Beethovens Sinfonien so stringent, Michael Korstick (Gramola) so druckvoll fließend und so spannungsgeladen, wobei Blomstedt Trotz seines Bekanntheitsgrades umgibt Beet- sein Ego ganz zurücknimmt und Beethovens ganz speziellen hovens Violinkonzert noch immer eine Aura Kompositionsprozess, also die große Gedankenlinie in den Mitdes Geheimnisvollen, die vor allem von den fünf einleitenden telpunkt rückt: Und so fügen sich hier auch die prominenten Paukenschlägen ausgeht: Sie künden ganz leise etwas Besonderes Schlüsselwerke wie die Eroica oder die Fünfte ganz nahtlos ein in an, das dann durch die ständigen Höhenflüge der Solovioline einen organischen Entwicklungsprozess, der auf alles übertrieeine übernatürliche, fast himmlische Schönheit gewinnt. Thomas bene Pathos, auf allen Titanismus, aber eben auch jeglichen Effekt Albertus Irnberger, der das Konzert jetzt in einer exzellenten verzichtet und aus wissender Überlegenheit sich eine letzte Spur Neueinspielung vorgelegt hat, vertritt die hochinteressante These, von emotionaler Distanz bewahrt: So schärft Blomstedt den Blick dass es sich bei dem am 23. Dezember 1806 uraufgeführten Werk auf das Wesentliche, auf das, was Beethovens eigentliche Größe tatsächlich um eine Art Weihnachtskonzert handeln könnte, das ausmacht. Ein Zyklus mit Referenzqualität. auf einem schlesischen Weihnachtslied basiert und das dem Solisten die Rolle des Engels zuweist, der den Menschen die frohe „CHOPIN-RECITAL 3“ Janina Fialkowska (Atma Classique) Botschaft verkündet. Die eigentliche Überraschung ist aber, dass er diese neue, christlich-humanistische Sicht auch in seiner Artur Rubinstein, der Janina Fialkowska 1974 Interpretation konsequent umsetzt und seinen Part als großen, zum ersten Mal hörte, nannte sie spontan überirdisch schönen Menschheitsappell begreift, bei dem sich „eine geborene Chopin-Interpretin“. MittlerNoblesse, Intensität, Empfindsamkeit und Klarheit die Waage weile hat die 1951 geborene Kanadierin halten, und sich so auf eine fast altmodische Art charismatische die ganze Welt mit ihrem hochintelligenten Kräfte entfalten. Damit trotzt Irnberger mutig aller heute übli- Chopin- und Liszt-Spiel erobert. Das hochkomplexe Spätwerk chen virtuosen Egomanie, setzt sich aber auch klar ab von aller Chopins bildet mit der experimentellen Polonaise-Fantaisie, dem „historisch orientierten“ Sprödigkeit. Auf einer zweiten SACD vierten Scherzo und der vierten Ballade das thematische Grundgibt es noch das Tripelkonzert, als dramatische Konversation mit gerüst ihres dritten „Chopin-Recitals“, und sie werden durch illustren Mitspielern. kleinere Formen wie Nocturnes, Walzer und Preludes zu einer poetischen Traumreise verbunden, ja durch Fialkowskas charisBEETHOVEN: „THE COMPLETE SYMPHONIES“ matische Erzählkraft sogar zu einem Seelen-Seismogramm ChoGewandhausorchester, Herbert Blomstedt pins verdichtet. Bravour, Pathos und Parfüm sind ihr dabei völlig (Accentus Music) fremd, sie zielt rigoros auf die menschlichen Wahrheiten hinter Mit 90 Jahren ist Herbert Blomstedt der Nestor allem Glanz, auf die Inseln tiefer Melancholie und die kleinen der internationalen Dirigentenszene: Sein oder großen Ausbrüche von Verzweiflung, die sie dann mit neuer Beethoven-Zyklus mit dem Leipziger bestürzender Geradlinigkeit herausmodelliert. Am meisten aber Gewandhausorchester, das er nach 1998 ent- beeindruckt die schlichte, natürliche, geradezu nackte Poesie scheidend formte und neu ausrichtete, aber klingt wie ein Mani- ihres Tons, der auf wundersame Weise Wärme mit Klarheit, fest jugendlicher Frische und Spannkraft. Was er da aus diesen Gefühl mit Intellekt, Atem mit schnörkelloser Kontur verbindet: noch immer munter brodelnden Vulkanen an dramatischen Ein Album, das einen nicht mehr loslässt. BEETHOVEN: „VIOLINKONZERT, ­TRIPELKONZERT, ROMANZEN“

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IMPRESSUM VERLAG Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-74 15 09-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

HERAUSGEBER Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

VERLAGSLEITUNG

DVOŘÁK: „DIE GEISTERBRAUT“ Simona Šaturová, Pavol Breslik, Adam Plachetka, ORF Vienna Radio Symphony Orchestra, Cornelius Meister (Capriccio) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: Pěkná noc, jasná, v tu dobu

Antonin Dvořáks Kantate Die Geisterbraut von 1885 ist außerhalb Tschechiens kaum bekannt. Sie basiert auf einer Ballade des Lyrikers Karel J. Erben, dessen Schauermärchen Dvořák auch zu seinen späten sinfonischen Dichtungen inspirierten. Ein lange vermisster Liebhaber kehrt als Zombie zu seiner Braut zurück und entführt sie auf einen nächtlichen Horrortrip, bei dem sie fast in einem Grab landet. Die hochdramatische Handlung kommentieren ein Chor und ein baritonaler Erzähler, während das bizarre Brautpaar in vier Liebesduetten und zwei großen Arien für lyrische Kontrapunkte sorgt. Die enorme Suggestivität der neuen Aufnahme des ORF Symphonieorchesters unter Cornelius Meister verdankt sich aber nicht nur der großen idiomatischen Sicherheit des 37-jährigen Dirigenten und seiner „kakanisch“ geprägten Wiener Musiker, sondern auch dem punktgenauen, lebendigen Einsatz der bestens eingestellten Wiener Singakademie, die neben den exzellenten tschechischen Vokalsolisten als vierter dramatischer Akteur die Handlung vorantreibt. Simona Šaturová gestaltet mit feinem, lyrischem Timbre die zärtliche Naivität des Mädchens, während Pavol Breslik seine Dämonie hinter verführerischem Schmelz verbirgt. In diesem Konzertmitschnitt stimmt einfach alles, und man fragt sich, warum ein solches Juwel so selten gespielt wird. RACHMANINOV: „KLAVIERKONZERT NR. 2, PAGANINI-RHAPSODIE“ Anna Vinnitskaya, NDR Elbphilharmonie ­Orchestra, Krzysztof Urbański (Alpha)

Bei Evergreens wie dem zweiten Rachmaninow-Konzert scheint es fast unmöglich, substanziell Neues aus dem abgespielten Notentext herauszuholen. Die 34-jährige Russin Anna Vinnitskaya unterzieht das strapazierte Opus dennoch einer faszinierenden Verjüngungskur, unterstützt von dem jungen polnischen Dirigenten Krzysztof Urbański und dem erstaunlich „russisch“ klingenden NDR Elbphilharmonie Orchester. Dabei unternimmt sie nicht den Versuch, die tief romantische Seele des c-Moll-Konzerts – und ebensowenig den überschäumenden Spielwitz der Paganini-Rhapsodie – etwa einzudämmen oder brachial aufzudonnern, sondern die tief russische, noble Empfindsamkeit Rachmaninows mit geradezu magischer Klangsinnlichkeit wieder aufblühen zu lassen: Anna Vinnitskaya hat es nicht nötig, mit virtuosen Mätzchen zu glänzen, ihre mühelose technische Perfektion verschwindet fast hinter der großen melodischen Linie, die den Solopart organisch in den großen Klangstrom des Orchesters einbindet und wellenartig die Stimmungen und Farben wechselt. Ähnlich feinsinnig, nobel-intelligent und ­ punktgenau-präzis meistert sie dann auch die kecken PaganiniVariationen.

Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

ART DIRECTOR Stefan Steitz

LEITUNG REDAKTION Dr. Maria Goeth (MG)

REDAKTION „ERLEBEN“ Ruth Renée Reif

SCHLUSSREDAKTION Maike Zürcher

KOLUMNISTEN John Axelrod, Axel Brüggemann, Attila Csampai (AC), Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)

MITARBEITER DIESER AUSGABE Philipp Dingeldey (PD), Roland H. Dippel (DIP), Ralf Dombrowski (RD), Antonia Emde (AE), Alexander Fischerauer (AF), Jasmin Goll (JG), Malve Gradinger (GRA), Ute Elena Hamm (UH), Christa Hasselhorst (CH), Sina Kleinedler (SK), Katherina Knees (KK), Corina Kolbe (CK), Guido Krawinkel (GK), Jens Laurson (JL), Anna Mareis (AM), Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Michaela Schabel (SCHA), Antoinette Schmelter-Kaiser (ASK), Barbara Schulz (BS), Uta Swora (US), Mario Vogt (MV), Dorothea Walchshäusl (DW)

VERLAGSREPRÄSENTANTEN Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: Gabriele Drexler | drexler@crescendo.de Touristik & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

AUFTRAGSMANAGEMENT Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de

GÜLTIGE ANZEIGENPREISLISTE Nr. 20 vom 09.09.2016

DRUCK Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

VERTRIEB Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstr. 77, 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

ERSCHEINUNGSWEISE crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

ABONNEMENT Das crescendo Premium-Abo umfasst sieben Ausgaben inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende Premium-CDs und kostet EUR 55,- pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 01.01.2017). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 4,90 Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-85 85-35 48, Fax: -36 24 52, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 76.295 (lt. IVW-Meldung 1I/2017) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

(TEIL-)BEILAGEN/BEIHEFTER: Deutsche Mozartgesellschaft CLASS: aktuell

DAS NÄCHSTE CRESCENDO ERSCHEINT AM 13. OKTOBER.

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H Ö R E N & S E H E N

SOLO

Matthias Kirschnereit

In den Klaviersonaten des jungen Brahms trifft jugendliches Feuer auf höchste technische und musikalische Perfektion. Matthias Kirschnereit zeigt sich den Herausforderungen der f-Moll Sonate op. 5 mehr als gewachsen: Die Klang­ palette reicht von feinfühlig bis energiegeladen, führt über jugendliche Schwärmerei bis hin zu einsamer Melancholie. Im lyrischen Andante espressivo überzeugt er mit besonders weichen Klangnuancen, während er in den Ecksätzen souverän durch den komplexen Formbau zu führen weiß. Die Fähigkeit zur Ausgestaltung großer Spannungsbögen zeigt sich auch im stürmischen Scherzo der sogenannten FAE-Sonate für Violine und Klavier, wobei Geigerin Lena Neudauer mehr durch gepflegte Klangschönheit als durch rhythmische Akzente überzeugt. Neben dem angenehm fülligen Klaviersound nimmt sich die Violine etwas dünn aus. Für die Interpretation des Klavierquintetts op. 34 bildet das AmaryllisQuartett mit dem Pianisten eine inspirierende Symbiose. Gemeinsam bieten sie ein fulminantes Klangfeuerwerk, das bis zum Schluss mit Spannung unterhält. AF

F OTO: B A S TI A N F I SC H E R

Spannung bis zum Schluss

Johannes Brahms: „Frei aber einsam“, Matthias Kirschnereit (Berlin Classics)

Track 4 auf der crescendo Abo-CD: Andante, un poco adagio. Aus: Klavierquintett f-Moll op. 34

ALTE ­M USIK

KAMMERMUSIK

Ann Hallenberg

MythenEnsembleOrchestral

Venezianische Zeitreise

Mahler im Taschenformat

Ann Hallenberg ist eine Meisterin der Programmzusammenstellung. Mit ihrer neuen Doppel-CD nimmt sie uns rund zwei Stunden mit auf eine Zeitreise ins Venedig des 18. Jahrhunderts, genauer: zum Karneval im Jahr 1729. Schon damals war der venezianische Karneval ein Touristenmagnet und die Festlichkeiten ohne Musik undenkbar. Mehrere Opernhäuser konkurrierten um die Gunst des Publikums. Es wurden die neuesten Opern von den renommiertesten Komponisten aufgeführt, die berühmtesten Sänger traten auf, kurz: Das Beste vom Besten wurde präsentiert. Alle Arien auf diesen zwei Alben wurden tatsächlich damals aufgeführt, und so ist die Qualität des Programms geradezu garantiert. Übrigens auch der Neuigkeitswert, denn nahezu alle Arien liegen überhaupt zum ersten Mal als Aufnahme vor – und diese ist mit der Mezzosopranis­ tin Ann Hallenberg und dem Ensemble il pomo d’oro gelungen und unbedingt hörenswert! UH

Von allen Mahler-Sinfonien kommt die Vierte der Kammermusik am nächsten. In einer auf wenige Instrumente reduzierten Fassung von Erwin Stein wurde das Werk 1921 zuerst im Wiener Kreis von Arnold Schönberg aufgeführt. Für die Einspielung mit dem MythenEnsembleOrchestral und der Sopranistin Rachel Harnisch verwendet die Schweizer Dirigentin Graziella Contratto Klaus Simons 2007 entstandene Version, an der auch Horn und Fagott beteiligt sind. Die beim Label Claves erschienene Aufnahme ist absolut hörenswert. In den ersten beiden Sätzen des Stücks arbeiten Contratto und die 14 Musiker die ironisch-grotesken Züge von Mahlers Humoreske besonders plastisch heraus. Von großer Eindringlichkeit sind das lyrische Adagio und der Schlusssatz, in dem Rachel Harnisch mit ihrem warmen, wunderbar dunkel getönten Sopran das Himmlische Leben besingt. Viel Gefühl schwingt auch in Arthur Schnabels spätromantischen Klavierliedern mit, die Contratto selbst für Kammerensemble bearbeitet hat. CK

Giacomelli, Orlandini, Vinci u. a.: „Carnevale 1729“, Ann Hallenberg, il pomo d’oro, Stefano Montanari (Pentatone) Track 6 auf der crescendo Abo-CD: Mi par sentir la bella. Aus: Gianguir von Geminiano Giacomelli 20

Gustav Mahler: „Symphony No. 4. Chamber Version by Klaus Simon“, Rachel Harnisch, MythenEnsembleOrchestral (Claves)

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42.Fränkische Musiktage Alzenau 2017

Festival der Jungen · 20.10.–26.11.

Christoph Sietzen

Die Attraktion Pressestimmen feiern den jungen Multiperkussionisten Christoph Sietzen schon seit Beginn seiner Karriere als Jahrhunderttalent und Ausnahmemusiker. Wer seine erste Solo-CD hört, die 2017 bei Genuin Classics erschienen ist, kann sich davon überzeugen, dass die Medien nicht zu viel versprochen haben. Das Album „Attraction“ macht seinem Namen alle Ehre. Jedes einzelne Werk wird mit so viel technischer Brillanz, Feinheit im musikalischen Ausdruck, Liebe zum Detail, Virtuosität und vor allem einer solch immensen Spielfreude präsentiert, dass der Hörer oft aus dem Staunen nicht herauskommt. Sietzen beeindruckt sowohl durch atemberaubende Geschwindigkeit als auch durch bewusste Zurückhaltung, sodass der Hörer sich einerseits von den Rhythmen mitreißen, andererseits aber auch zu den Melodien meditieren und sich von den KlänNEUE gen tragen lassen kann. Eine Attraktion im besten WELTEN Sinn des Wortes. US

Séjourné, Xenakis, Pärt u. a.: „Attraction“, Christoph Sietzen (Genuin) Netherlands Radio Choir

Schönberg 4.0 Adorno sagt, dass Schönbergs atonale Musik als schwer zugänglich gilt, da sie unbequeme soziale Dissonanzen spiegelt. Ähnliches trifft auf die Werke des ungarischen Komponisten Györgi Kurtág zu. Kurtág ist ein brillanter Künstler, dessen Musik unglaublich komprimiert, auf ihre Essenz konzentriert ist. Nun hat der Dirigent Reinbert de Leeuw mit dem Netherlands Radio Choir dessen Werke für Ensemble und Chor eingespielt. Die versammelten kurzen, enorm verdichteten Stücke beinhalten Abstraktionen von Gefühlen und sozialen Widersprüchen. Die Musik ist voller dramatischer Impulse, zwischen ästhetischer Anteilnahme am subjektiven Leid und monströser Unerbittlichkeit in einer gebrochenen Welt. Angereichert werden die Werke mit experimentellen Gesängen, die absurd bis beklemmend wirken. Die Verse sind inspiriert von den Werken Hölderlins, Dostojewskis, Achmatowas und Kafkas. Freunde der Neuen Musik werden von de Leeuws nuancierter und einfühlsamer Interpretation von Kurtágs Werk begeistert sein. PD

CHOR

György Kurtág: „Complete Works for Ensemble and Choir“, Rein­ bert de Leeuw, Asko|Schönberg Ensemble, Netherlands Radio Choir (ECM) María Savastano

Mythische ­Frauenfiguren 40 Jahre lang stand Giovanni Alberto Ristori (1692–1753) im Dienste des sächsisch-polnischen Hofes und hatte das Glück, dass die Gattin des Kronprinzen, die bayerische Prinzessin Maria Antonia, nicht nur eine begabte Dichterin, sondern auch eine ebenso begabte Sängerin war und seine anspruchsvollen Arien zu singen verstand. Inspiriert von drei Frauenschicksalen aus der römisch-griechischen Mythologie schuf sie den Text zu den Kantaten Lavinia a Turno, Didone abbandonata und Nice a Tirsi, die alle um 1748 vermutlich in Schloss Pillnitz in Dresden uraufgeführt wurden. Mit silbrig-glasklarem Sopran verleiht die argentinische Sopranistin María Savastano den Affekten ihrer Figuren Ausdruck: als verlassene Dido, die sich in die Flammen stürzt, als träumende halluzinierende Nice, die den abwesenden Geliebten besingt, und als klagende Lavinia, die nicht den geliebten Mann heiraten darf. Ristoris Oboenkonzert in Es-Dur rundet das schöne Programm ab. Ein Kompliment auch an den Autor des Booklet-Texts. TPR

GESANG

Giovanni Alberto Ristori: „Cantatas for Soprano, Oboe Concerto“, María Savastano, Ensemble Diderot, Johannes Pramsohler, Jon Olaberria (Audax) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: Contra di te sdegnati. Aus: Didone abbandonata. 21

ASYA FATEYEVA

CHLOE MUN

BORIS KUSNEZOW

CRISTINA GÓMEZ GODOY

TANJA TETZLAFF

Transit – „...vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es...“

Konzerthighlights Music Campus – Vocal Art RheinMain ■ Fr 20.10. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Eröffnungskonzert – Vortrag von Prof. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann, Werke von Schubert, Monteverdi und Müller-Hornbach (UA) Kaamel Salah Eldin, Violoncello | Music Campus RheinMain ■ Sa 28.10. – 20.00, St. Laurentius Alzenau-Michelbach Geistliche Chormusik des 19. bis 21. Jahrhunderts Werke von Brahms, Mendelssohn Bartholdy und Poulenc Deutscher Jugendkammerchor | Florian Benfer, Leitung ■ Sa 04.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Music Campus RheinMain – Streichoktett Werke von Enescu, Gade und Mendelssohn Bartholdy Julia Schröder, Violine | Music Campus RheinMain ■ So 05.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Music Campus RheinMain – Forellenquintett Werke von Onslow, Hindemith und Schubert Tanja Tetzlaff, Violoncello | Music Campus RheinMain ■ So 12.11. – 15.30, Wallfahrtskirche Kälberau Concerto 2017 – Bach meets Jazz A. Fateyeva, Saxophon | M. Klimasara, Marimbaphon | C. Gómez Godoy, Oboe | Süddeutscher Kammerchor | Gerhard Jenemann, Leitung ■ So 19.11. – 15.30, Wallfahrtskirche Alzenau-Kälberau Schubert: Messe As-Dur sowie Werke von Zach und Hiller I˙lkin Alpay, Sopran | Silvia Hauer, Alt | Trystan Llˆyr Griffiths, Tenor Bernhard Hansky, Bass | Music Campus RheinMain-OriginalklangOrchester | Süddeutscher Kammerchor | Gerhard Jenemann, Leitung

Rising Stars ■ So 22.10. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Klavierrecital – Werke von Schumann und Beethoven Chloe Mun, Klavier (1. Preis Busoni-Wettbewerb 2015) ■ Sa 11.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Violinrecital – Werke von Mozart, Beethoven und Brahms Ji-Young Lim, Violine | Boris Kusnezow, Klavier ■ Sa 19.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Jazz – Julia Kadel Trio ■ So 26.11. – 15.30, Wallfahrtskirche Alzenau-Kälberau Symphoniekonzert – Werke von Raff, Haydn und Mendelssohn Bartholdy Johanna Stier, Oboe | Marie Boichard, Fagott | Anne Luisa Kramb, Violine | Laura Moinian, Violoncello | Junge Philharmonie Frankfurt RheinMain | Gerhard Jenemann, Leitung Informationen: chorforum@t-online.de · www.fraenkische-musiktage.de Vorverkauf: www.adticket.de · info@alzenau.de · ✆ 060 23/502-112

Forum Kultur

lzenau


H Ö R E N & S E H E N

F OTO: M I C H I Y U K I O H B A

SOLO

Kuniko

Voll Klangsinn

Es gibt wohl kaum einen Komponisten, dessen Werke so häufig auf Instrumenten aufgeführt wurden, für die sie ursprünglich nicht geschrieben worden waren, wie Bach. Er selbst war der erste Bearbeiter seiner Werke, transkribierte etwa zwei Violinkonzerte fürs Cembalo. In der heutigen Zeit geht man noch einen Schritt weiter und spielt Bachs Musik auch mal mit einem Saxofon-Ensemble wie das Alliage Quintett, auf dem Moog-Synthesizer wie Wendy Carlos oder – wie die Japanerin Kuniko auf ihrem neuen Album – auf der Marimba. Kuniko gehört zu den führenden Perkussionistinnen unserer Zeit und hat für ihr Album Bearbeitungen der Cello-Suiten und der Solo-Sonaten für Violine zusammengestellt. Wer nun befürchtet, dass hier vor allem schnelle Sätze effektvoll runtergeklöppelt werden, liegt absolut falsch. Kuniko interpretiert Bachs Werke mit hohem Klangsinn und tiefem Verständnis für die polyfonen Strukturen. Das ganze wurde auch noch exzellent aufgenommen. Hörenswert! MV

J. S. Bach: „Solo Works for Marimba“, Kuniko (Linn Records) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: Präludium Nr. 1 C-Dur. Aus: Das wohltemperierte Klavier

CHOR

Yaara Tal

Portland State Chamber Choir

Anmutige Jugendwerke

Moderne Religiosität

Der Lette Ēriks Ešenvalds gehört zu den besten Komponisten zeitgenössischer religiöser Musik. Seine Choräle, oft für 8 bis 16 Stimmen angelegt, sind überwältigend und kraftvoll. Immer wieder oszilliert Ešenvalds zwischen „Chaos“ und religiöser Katharsis. Der Dirigent Ethan Sperry hat nun mit dem Portland State Chamber Choir Ešenvalds Werke der vergangenen zehn Jahre auf dem Album „The Doors of Heaven“ eingespielt. Darauf werden mythische Indianergesänge mit der Geschichte von Maria Magdalena vereint, wobei Letztere mit dem vierteiligen Werk Passion and Resurrection das halbe Album einnimmt. Sperrys Interpretation ist ergreifend und abwechslungsreich. Fast glaubt man, den Soundtrack eines Blockbusters zu hören, so plastisch, dramatisch und bombastisch wirken die Stücke. Gleichzeitig gelingt der Hybrid, religiöse Musik einer wirkmächtigen Modernisierung zu unterziehen. PD

Ēriks Ešenvalds: „The Doors of Heaven“, Ethan Sperry, Port­ land State Chamber Choir (Naxos) The Clarinotts

Klarinette pur

KAMMERMUSIK

Ein Klarinettentrio ist eine seltene, aber auch eine besonders hörenswerte Spezies. Dabei kommen die verschiedenen und besonderen Klangqualitäten des Instruments zur Geltung. Hinter The Clarinotts verbergen sich drei erfolgreiche Klarinettisten. Es ist ein FamilienEnsemble aus Vater und zwei Söhnen: Ernst, Andreas und Daniel Ottensamer. Sie spielen Bearbeitungen von Mozart (Divertimento Don Giovanni) und Johann Strauss (Federmaus-Trio), aber auch jüngere Originalwerke für diese Besetzung – ein Potpourri, das Laune macht. Die Aufnahme der Ottensamers ist in allen Punkten präzis – und „pur“. Man hört Luft und Atem, das Klappern der Klappen an den Instrumenten. Das macht die Musik nahbar und das Ensemble sympathisch, man ist quasi per du. Tragischerweise ist dies die letzte Aufnahme des Trios in dieser Formation. Ernst Ottensamer ist im Juli überraschend verstorben. UH

Mozart, Rossini, Doppler u. a.: „The Clarinotts“, Andreas, Da­ niel & Ernst Ottensamer (DG) Track 11 auf der crescendo Abo-CD: Trio für drei Klarinetten von Joseph Friedrich Hummel 22

Wenn Kinder von Genies sich im selben Metier betätigen wie ihre Eltern, wird ihre Leistung oft nicht ausreichend gewürdigt. Ein solcher Fall ist der Komponist Franz Xaver Mozart (1791–1844), der jüngste Sohn von Wolfgang Amadeus. Seine Musik ist mittlerweile – völlig zu Unrecht – nahezu in Vergessenheit geraten. Ein Glück, dass es da Interpreten gibt wie Yaara Tal (die weibliche Hälfte des Klavierduos Tal & Groethuysen), die sich gerne jenseits der ausgetretenen Repertoirepfade bewegen. Sie kombiniert F. X. Mozarts Polonaises mélancoliques mit den frühen Polonaisen von Chopin, was absolut sinnvoll ist, denn in ihrer bisweilen an Schubert erinnernden Melodik weisen die Mozart-Polonaisen bereits auf den romantischen Stil hin, stehen jedoch noch mit einem Bein in der Klassik. Diese Jugendwerke sind schöne und anmutige Stücke, die von Yaara Tal mit hoher klanglicher Sensibilität und packendem tänzerischen Schwung dargeboten werden. MV

F. X. Mozart, Chopin: „Polonaise“, Yaara Tal (Sony)

Trio Alba

Schuberts „Eigenthümlichstes“ Er wollte es niemandem widmen, „außer jenen, die Gefallen daran finden“, wie Schubert 1827 seinem Verleger Probst schreibt, der damals schon ahnt, dass ihm die Publikation des Trio D 929 keinen Profit bringen wird. 1827 ist das Jahr der Winterreise. Schubert verzweifelt an seiner Krankheit, an der er ein Jahr später sterben wird. Und dennoch gelingt ihm dieses tiefe und gewaltige Werk. Fast eine Stunde dauert es, annähernd so lang wie die „Große“ C-Dur-Sinfonie, der Schumann die vielzitierte „himmlische Länge“ attestierte. Das Trio Alba schwelgt nicht dahin und lässt sich dennoch Zeit, die Melodien liebevoll auszuspielen, die Affekte tief auszuloten, etwa im zweiten Satz, dem Andante con moto, dem „Seufzer, der sich bis zur Herzensangst steigern möchte“, wie es Schumann mit wunderbaren Worten umschrieb. Souverän weichen die Musiker jeder Gefühlsduselei aus, jedem abgedroschenen Auftrumpfen, verlieren nie die Selbstbeherrschung und wirken deshalb so eindringlich. Bravo! TPR

Franz Schubert: „Piano Trio D 929, Nocturne“, Trio Alba (MDG) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: Adagio Es-Dur D 897 „Notturno“

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September – Ok tober 2017


KONZERT

GESANG Simon Trpčeski

John Williams

Vienna Vocal Consort

Geniestreiche

Grazile Hörbilder ­ohne Film

Kerniger Sound

Der 1979 in Skopje geborene Simon Trpčeski ist der bekannteste Klassikkünstler Mazedoniens: Seine Karriere aber machte er in Großbritannien, wo er 2001 in der Londoner Wigmore Hall ein sensationelles Debüt gab. Mit dem russischen Dirigenten Vasily Petrenko kooperiert er schon seit Jahren sehr erfolgreich: Nach den Konzerten Tschaikowskys und Rachmaninows haben die beiden jetzt auch das Erste und Dritte Klavierkonzert Sergej Prokofjews mit dem Liverpool Philharmonic aufgenommen und sie glänzen erneut mit einer ungemein frischen, rasanten und quicklebendigen Deutung, die neben aller virtuosen Brillanz auch die Empfindsamkeit, den ätherischen Klangzauber und den subversiven Humor des jungen Prokofjew souverän und leichtfüßig ausformuliert. Wer in diesen beiden Geniestreichen des 19- bzw. 32-jährigen Prokofjew nur den stählernen Martellato-Donner der sowjetischen Tradition im Ohr hat, wird hier beschwingt und mit entfesseltem Spielwitz eines Besseren belehrt: So „befreit“ dargeboten wirken diese 100 Jahre alten Schlüsselwerke der klassischen Moderne heute frischer und zeitgemäßer als je zuvor und trotzen, gerade in ihrem Bekenntnis zur Tonalität, jedem Alterungsprozess. AC

„Prokofiev: Piano Concertos 1&3“ Si­ mon Trpčeski, Royal Liverpool Phil­ harmonic, Vasily Petrenko (Onyx)

„Was immer Oper am Ende des 19. Jahrhunderts bedeutet hat, der Film war es zum Ausklang des 20. Jahrhunderts“, so John Williams, der heute 85-jährige Komponist. Seine Musik hat die Filmgeschichte geprägt. Er verlieh Blockbustern von Star Wars bis Harry Potter seine Klänge. Entliehen hat er mitunter bei Holst, Tschaikowsky und Korngold. Nach zahlreichen Oscars und Grammys erfährt er nun eine Ehrung anderer Art: Der italienische Pianist Simone Pedroni, selbst Preisträger vieler Auszeichnungen, hat nicht wenige der pompösen Orchesterstücke mit Hingabe transkribiert und mit Enthusiasmus in der Basilika seiner Heimatstadt Novara im Piemont aufgenommen. Denn Pedroni ist absoluter Fan der Musik von John Williams. Schon als Jugendlicher begeisterte er sich so für dessen Sound, dass er die Rückkehr der Jedi-Ritter gleich dreimal hintereinander sah. Herausgekommen sind grazile Hörbilder ohne Film. SELL

FILM

John Williams: „Themes and Transcriptions for Pia­ no“, Simone Pedroni (Varèse Sarabande)

Die Mär vom finsteren Mittelalter spukt immer noch hier und da durch die Geistesgeschichte, dabei werden die epochalen Entwicklungen dieser Zeit oft vernachlässigt: die gotischen Kathedralen etwa oder auf musikalischem Gebiet die Weiterentwicklung der Mehrstimmigkeit. Die Folgen dieser musikalischen Emanzipation sind auf dieser CD zu hören: Das fünfköpfige Vienna Vocal Consort hat die Messe de Nostre Dame von Guillaume Machaut aufgenommen und ihr Werke nachfolgender Komponistengenerationen bis hin zum Frühbarock gegenübergestellt. Der Sound ist kernig, die Interpretation von dem stetigen Anspruch geprägt, stilistische Entwicklungslinien offenzulegen. Dies wird hier genauso offensichtlich wie die musikalische Sprengkraft mancher heutzutage nur allzu leicht als archaisch abgetaner Floskeln. Eine hochinteressante und aufschlussreiche Einspielung, nicht nur für Mittelalter-Nerds! GK

Gallus, Palestrina, Desprez u. a.: „Nostre Dame“, Vien­ na Vocal Consort „Nostre Dame“ (Klanglogo) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: Ave maris stella von Guillaume Dufay

Bestbesetzung Mehr als 80 Engelmusikanten mit ihren legendären elf weißen Punkten auf grünen Flügeln gehören zum weltberühmten Grünhainichener Orchester. Kult seit 1923. Zum Sammeln und Verschenken. Damit das Konzerterlebnis nie zu Ende geht. Erhältlich über autorisierte Fachhändler auf dem Online-Marktplatz von Wendt & Kühn unter

W W W.W E N D T- K U E H N . D E Wendt & Kühn KG Chemnitzer Str. 40 · 09579 Grünhainichen Telefon (037294) 86 286


H Ö R E N & S E H E N

Matthias Well

Trauern international

KAMMERMUSIK

F OTO: DO M I N I K O D E N K I RC H E N

Die Trauermusik aus verschiedenen Kulturen führt Matthias Well unter dem originellen Titel „Funeralissimo“ zusammen, ein beeindruckendes Konzept, wofür er mit dem „Fanny Mendelssohn Förderpreis 2017“ ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit Violoncellistin Maria Well und dem Akkordeonisten Zdravko Živkovič gelingt ein facettenreiches, vielschichtiges Album mit internationalen Trauerharmonien von 17 verschiedenen Komponisten, teilweise von Matthias Well bearbeitet oder eigens für das Album komponiert. Heimatnah wird mit einem sehr gefühlvollen Allerseelen Jodler begonnen. Es folgen rasante Zigeunerweisen, klassische Kompositionen, irische, schottische Volkslieder, exotisch aufgemischt mit indischer Spiritualität, indonesischen Rhythmen und einem westafrikanischen Totentanz. Am Ende steht Piazzollas sehnsuchtsvolles Oblivion. Das ist in der Tat „Funeralissimo“, eine gefühlvolle, exzellent interpretierte Kaleidoskop­ansicht dessen, was alles beim Abschied möglich sein kann. SCHA

Bach, Piazzolla, Seress u. a.: „Funeralissimo“, Matthias Well, Maria Well, Zdravko Živkovič (Genuin) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: Bonnie at morn (schottisches Volkslied) Royal Swedish Ballet

Sommernacht in Schweden

Tänzer in großer Gruppe, die durch rhythmisches Schaufeln und Schwingen der Arme Heu in sprühenden Bögen und Fontänen aufwirbeln lassen – das ist so eine bildmächtige Gymnopaedie, wie man sie von dem erfolgreichen schwedischen Tanzschöpfer Alexander Ekman kennt. Sein Midsummer Night’s Dream (2015) für das Königlich Schwedische Ballett entspinnt sich, weitab von Shakespeare, in zeitgenössisch freier Fantasie um den schwedischen Brauch der Mittsommernacht. Und in Mikael Karlssons mysteriös nächtlichem Klangraum von rhythmisch drängenden Streichern, Schlagwerk, verlorenen Pianoklängen und dem Gesang einer blonden Sirene driftet die getanzte Erinnerung an althergebrachte Maibaumreigen und ausgelassenes Tafeln an langen Tischen hinüber in das Eigenleben des Schlafes. Dorthin, wo die Alogik des Traumes volkstümliches Tanzen zu surrealen Körper-Plastiken und postmoderner Neoklassik wandelt. GRA

„Midsummer Night’s Dream“, Royal Swedish Ballet, Alexander Ekman, Mikael Karlsson (BelAir)

TANZ

Mourad Merzouki

Lichtertanz Videoprojektionen als den Tanz schmückendes, im besten Fall künstlerisch ergänzendes Mittel sind heute ganz selbstverständlich. Noch näher am Puls des digitalen Zeitalters ist „Pixel“ (2014), eine Zusammenarbeit der Kompanien von Mourad Merzouki und dem medientechnisch versierten Choreografen-Duo Adrien Mondot/Claire Bardainne. Deren Lichtpunktformationen verändern sich im illusionistischen Kontakt mit den Tänzern: Gerasterte Lichtteppiche öffnen sich unter Fußberührung zu schwarzen Löchern. Flirrend flockige Schwaden folgen wie magisch kreisenden Armen. Eine Tänzerin verfängt sich wie eine Meerjungfrau in einem großmaschigen Lichtnetz. Durchgehend in dieser virtuellen Partnerschaft bewegen sich zehn Tänzer auf Armand Amars klangsattem, antreibendem Soundtrack durch 13 Szenen: schwebeleicht alle Grenzen zwischen zeitgenössischem Tanz, Streetdance, Rollerskating und Akrobatik auflösend. Hervorragend auch die Bildregie, erhellend der Bonusteil. GRA

„Pixel“, Mourad Merzouki, Adrien M & Claire B Company, ­Compagnie Käfig, Armand Amar (Naxos) 24

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September – Ok tober 2017


JAZZ

kulturmarkenjahrbuch

Don Ellis Orchestra

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Musikalische Arithmetik Unter den Ikonen der Big-Band-Ära war Don Ellis der innovativste und experimentellste: Der Meister der unregelmäßigen Metren und komplexen Rhythmen und ein Top-Trompeter, der das VierteltonVentil erfand. Mit seinem 22-köpfigen, mit Streichern und anderen Instrumenten verstärktem Don Ellis Orchestra drang er in völlig neue Bereiche vor, strebte eine Synthese an aus Jazz, Klassik, Neuer Musik, ost- und außereuropäischen Traditionen. Eines seiner spektakulärsten Alben, das er 1973 unter dem Titel „Soaring“ für MPS produzierte, gibt es jetzt wieder auf Vinyl und CD, und man fragt sich, warum eine solche total abgedrehte, vor neuen Klangvisionen, subversivem Humor und infernalischer Spielfreude geradezu überquellende Musik heute kaum mehr bekannt ist: Sie zeigt, welch unglaubliche kreative Power in diesem viel zu früh verstorbenen Berserker eines weltoffenen Jazz steckte und wie er die besten Musiker seiner Zeit dazu brachte, die unmöglichsten Taktmuster wie etwa 3-3-2-2-2-1-2-2-2 zum Swingen und Grooven zu bringen: eine faszinierende, wahrlich elektrisierende Lehrstunde in musikalischer Chronometrie. AC

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Don Ellis Orchestra: „Soaring“ (MPS)

Leif Ove Andsnes

Finnische Juwelen SOLO

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Nach „The Beethoven Journey“ begibt sich der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes erneut auf die Spuren eines großen Komponisten und präsentiert Musik, die bisher kaum bekannt ist: die Klavierwerke von Jean Sibelius. Der finnische Komponist wird in erster Linie mit Tondichtungen oder seinem Violinkonzert in Verbindung gebracht. Dass Sibelius, der selbst kein Pianist war, auch rund 150 Klavierwerke schrieb, ist kaum bekannt. Sie verschwanden im Schatten der Orchestermusik und im riesigen Repertoire der Pianisten. Nach Glenn Gould ist es nun Leif Ove Andsnes, der die Stücke wieder auf die Bühne und zu neuem Ansehen bringen möchte. Sibelius sagte einmal, dass das Klavier ihn eigentlich nicht interessiere, denn: „Es kann nicht singen!“ Mit seinen Werken widerlegt er diese Behauptung. In Andsnes feinfühligem Spiel zeigen sich alle lyrischen Qualitäten des Instruments – und das in der für Sibelius typischen mystischen Klangsprache. Diese Musik muss gehört werden! SK

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Premiumpartner:

„Sibelius“, Leif Ove Andsnes (Sony) 25

Offizieller Druckpartner:


H Ö R E N & S E H E N

Thomas Mann

Ana-Marija Markovina

Die Amouren des Thomas Mann

Tönender Damast

Menschen aus seinem Umfeld verwandelte Thomas Mann häufig in literarischen Figuren. Zwar ist unbekannt, wer das reale Vorbild der blonden Inge aus Tonio Kröger war, doch wer und wie sie gewesen sein könnte, beschreibt Heinz Sommer in seiner Hörspielbearbeitung der 1903 erschienenen Novelle. Dr. Ingeborg Lüdersen erinnert sich anlässlich des Besuchs einer Lesung von Thomas Mann, die als Originalaufnahme kapitelweise eingespielt wird, an ihre gemeinsame Jugend in Lübeck, Manns literarische Anfänge sowie seine ersten Amouren. In ihrem Rückblick wird „Tommi“ allmählich menschlicher und sein persönlicher Konflikt klarer: Einerseits wollte er wie Tonio Kröger zum Lübecker Bürgertum gehören, sich andererseits als Künstler von ihm abheben. Geschickt verschränkt Sommer, der überdies einzelne Szenen atmosphärisch dicht nachspielen und -sprechen lässt, drei unterschiedliche Erzählebenen. Ideal besetzt sind dabei Senta Berger, die die betagte Inge mit samtweicher Stimme spricht, und Axel Milberg in der Rolle ihres Bewunderers. Verbindendes Element ist die eigens eingespielte Musik mit Werken von Kreisler über Lumbye bis zu Schostakowitsch. ASK

Ein Leben zwischen Genie und Bürgerlichkeit: Anton Urspruch (1850– 1907) studierte in Frankfurt bei Joachim Raff und war ein Protegé von Franz Liszt. Der Pianist, Dirigent und Komponist gehörte auch durch seine Heirat mit der Tochter des Musikverlegers Crantz zur Elite der virtuosen Salon- und Konzertkultur des reifen 19. Jahrhunderts. Die Pianistin Ana-Marija Markovina schwebt und schwelgt im klanglichen Raffinement von Urspruchs melodischen Reizen: Sie haucht in den Cinq Marceaux über die Tastatur und zeigt damit Urspruchs heimliche Neigung für Chopin. Die Fünf Fantasie­stücke weisen den Komponisten als Klangromantiker aus, der sich in Schönheitstrunkenheit nach der Veredelung des musikalischen Gedankens verzehrt. Ana-Marija Markovina zeigt das mit einem eindrucksvollen Gestaltungswillen. Und in Urspruchs Miniaturen der Deutschen Tänze legt sie die betörend süße Sehnsucht nach der verlorenen Einfachheit. Ein empathisches Credo für den fast Vergessenen. DIP

HÖRBUCH

Thomas Mann: „Tonio Kröger“, Senta Berger, Axel Milberg, Ueli Jäggi, Sabin Tambera u. a. (Der Hörverlag)

Alexei Lubimov

Kraft, Saft und Gefühl

Der janusköpfige Alexei Lubimov ist einerseits ein moderner „Vollblutkonzertflügelpianist“, der mit geschmeidig-kraftvollen Interpretationen vom Repertoire des 20. Jahrhunderts aufwartet („Messe Noire“, ECM), andererseits auch ein „Fortepianopionier“, der schon vor drei Jahrzehnten einen bahnbrechenden Mozart-Sonaten-Zyklus einspielte (Erato). Und jetzt wieder etwas anderes: Carl Philipp Emanuel Bach – auf dem Tangentenklavier, einem Mischling zwischen Clavichord, Cembalo und Hammerkla-

Carl Philipp Emanuel Bach: „Tangere“, Alexei Lubimov (ECM)

Anton Urspruch: „Works for Piano solo“, Ana-Marija Marko­ vina (Hänssler Classic) Track 10 auf der crescendo Abo-CD: Romance. Aus: Cinq morceaux pour le piano, op. 19

vier. Die Musik des einst so einflussreichen C.P.E. – Maßstab für Haydn, Mozart, Beethoven, dann lange vergessen – erwacht langsam wieder zum Leben. Jüngste Gesamteinspielungen der Tastenmusik legten den Grundstein dazu. Aufnahmen wie diese aber geben das Feuer dazu. Gleich die einleitende späte Fantasie in fis-Moll fördert das reiche Klanguniversum des Instruments zu Tage. Lubimov produziert dabei kein zartes, galantes Spiel, sondern bietet Kraft, Saft und Einfühlungsvermögen. JL

SOLO

Véronique Gens

Visionen, Halluzinationen Komponisten der französischen Romantik hatten offenbar eine Schwäche für exaltierte Frauen. Die Sopranistin Véronique Gens widmet sich auf ihrem neuen Album weiblichen Gestalten mit mystischen Jenseitsvisionen. Die Jungfrau Maria träumt vom Aufstieg ins Paradies. Auch Geneviève will sich für Gott opfern, während Gismonda im Kloster erst noch gegen irdische Wollust ankämpfen muss. Begleitet von dem Münchner Rundfunkorchester unter Hervé Niquet interpretiert Gens mit ausdrucksstarkem Timbre Partien aus teils selten aufgeführten Opern, Oratorien und Kantaten von Jules Massenet, Alfred Bruneau, Henry Février, Fromental Halévy, César Franck und anderen. Die Sopranistin singt in einer für die französische Romantik typischen Stimmlage, mit der die Operndiva Cornélie Falcon berühmt wurde. Die CD entstand in Zusammenarbeit mit dem Palazzetto Bru Zane in Venedig, einem Zentrum für französische Musik des 19. Jahrhunderts, das vergessenes Repertoire aus der Versenkung holen will. CK

w w w . cwr ew swc .ec nr de os c. de en d o—. d eJuni – Juli – August — September – Ok 2017 tober 2017

F OT O: S A NDRIN

26

E E X P I L LY

Bruneau, Franck, Bizet u. a.: „Visions“, Véronique Gens, Münchner Rundfunkorchester, Hervé Niquet (Alpha) Track 8 auf der crescendo Abo-CD: Ah! … quel songe af­ freux! Aus: Stradella von Louis Niedermeyer


Man Ray

Surrealistischer ­Bildvirtuose

BUCH

„Ist es nicht eine ewige Nachahmungsmanie, die den Menschen daran hindert, Gott zu sein?“ Der 1890 in Philadelphia geborene Man Ray war Fotograf, Maler, Regisseur und Objektkünstler zugleich. Er experimentierte, arrangierte, collagierte und entwickelte mittels Mehrfach- und Überbelichtung völlig eigene Techniken. Das Ergebnis waren unverkennbare, verrückte, erotische, aber immer von eigentümlicher Ästhetik geprägte Schwarz-Weiß-Bilder, die ihn im Paris der 1920er- und 30er-Jahre zum Liebling der Dadaisten und Surrealisten und zu einem Vorreiter der modernen kreativen Fotografie machten. Seine zuweilen verstörenden Bildwelten haben bis heute nicht an Kraft verloren. Der Taschen Verlag hat nun eine umfangreiche, erschwingliche Monografie mit einer Auswahl von Man Rays Werken herausgebracht – inklusive Textporträt von Surrealismus-Kollege André Breton und Essays auf Deutsch, Englisch und Französisch. Betrachtenswert! MG

Manfred Heiting (Hrsg.): „Man Ray. 1890–1976“ (Taschen)

SOLO

Musikalische Kuriositäten

Kunstkuriosa de luxe!

Was zur Hölle macht Bruckners Brillenglas in Beet­ hovens Sarg? Kann man wegen Trunkenheit am Taktstock zwangspensioniert werden? Warum sollte man nicht in einer Achterbahn musizieren? Und wer war eigentlich Elise? In einem dicken Schmöker (1.168 Seiten) haben Kulturredakteur Rainer Schmitz und „Sammler vergessener Noten“ Benno Ure verblüffende, irritierende, urkomische und wunderbar abseitige Fakten, Spekulationen und Mythen aus der Welt der Musik zusammengetragen. Das Buch ist in Form eines Lexikons mit zahlreichen Querverweisen gehalten – vom Ton „A“, der Robert Schumann in seinen Wahnvorstellungen malträtierte, bis zu „Zyklon B“, das tragischerweise in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten zur Massenvernichtung eingesetzt wurde, das heute jedoch zur Konservierung von Büchern und Noten eingesetzt wird – auch der damals verfolgten Komponisten. Die Autoren haben die Fakten jahrelang leidenschaftlich zusammengetragen und hervorragend recherchiert – ein Leseschmaus für alle Musik-begeisterten! MG

Rainer Schmitz, Benno Ure: „Tasten, Töne und Tumulte. Alles, was Sie über Musik nicht wissen“ (Siedler)

FILM

VINYL

Dmitri Hvorostovsky

Les Contes d’Hoffmann

Jean Rondeau

Mit voller Wucht

Aufgefrischt

Manchmal sind Werk und Künstler wie füreinander geschaffen. Wenn man den Klang der russischen Seele kennenlernen möchte, kann man sich getrost dem Bariton Dmitri Hvorostovsky anvertrauen, der auf dem Album „Russia Cast Adrift“ eine Atmosphäre von außergewöhnlicher Schönheit und Intensität kreiert. Die Aufnahme präsentiert die erste Orchesterfassung von zwölf Liedern des russischen Komponisten Georgy Sviridov, mit dem den Sänger in den letzten Lebensjahren des Komponisten eine besondere Künstlerfreundschaft verbunden hat. Mit hörbarer Begeisterung hat sich Dmitri Hvorostovsky 2016 gemeinsam mit dem St. Petersburg State Symphony Orches­ tra und dem Ensemble Style of Five unter der Leitung von Constantine Orbelian erneut Sviridovs Liederzyklus gewidmet und kann in der hinreißend stimmigen Aufnahme des vielfarbigen Arrangements aus der Feder von Evgeny Stetsyuk alle Schattierungen seiner großen Stimme zur Geltung bringen. KK

John Schlesingers Inszenierung von Offenbachs Les Contes d’Hoffmann aus dem Jahr 1980 gilt als Publikumsliebling, weshalb sie 1981 schon einmal aufgezeichnet wurde. Nun hat Daniel Donner den Klassiker wiedereinstudiert, was von Sony auf DVD gebannt wurde: Nach gut 35  Jahren ist nicht nur das Bild schärfer geworden und unschöner Sängerschweiß durch HD-Make-up verschwunden, auch die neue Besetzung tut der Inszenierung gut. Verglichen mit der damaligen Olympia scheint Sofia Fomina vollständig verwachsen mit ihrer Puppenhülle. Unaufhörlich klimpert sie mit den Augendeckeln und bewegt Kopf und Fächer mechanisch zur Musik. Thomas Hampson verlässt für die Partien der Bösewichte den lyrischen Ton und wagt sich farbenreich ins Charakterfach vor. Schlesinger, eigentlich Filmregisseur, kreierte mit der detailverliebten Ausstattung eine fantastische, surreale Welt, die Hoffmann-Darsteller Vittorio Grigolo mit pathetischen Operngesten jedoch hin und wieder bricht. JG

Georgy Sviridov: „Russia Cast Adrift“, Dmitri Hvoros­ tovsky (Delos)

Jacques Offenbach: „Les Contes d’Hoffmann“, Orchestra of the ­Royal Opera House, Evelino Pidò (Sony Classical)

Vater und Sohn – ­ unter Strom In Frankreichs Barockszene sorgt Jean Rondeau für frischen Wind: Nach seinem Bach-Soloalbum hat der 26-jährige Cembalist jetzt eine LP mit dem Titel „Dynastie“ herausgebracht, das das bekannte erste d-Moll-Konzert Johann Sebastian Bachs mit dem kaum bekannten f-Moll-Konzert seines Sohnes Johann Chris­tian koppelt – einem Manifest des „Sturm und Drang“. Rondeau spielt auf einem modernen, dunkel-voluminös tönenden Cembalo und wird von nur fünf Mitspielern unterstützt, was dem Ganzen einen intimen, kammermusikalisch-haptischen Charakter verleiht und dank körpernaher Mikrofonierung in ungewöhnlich dunkel-sinnlicher Farbenpracht erklingt, sodass beide ­Konzerte profunde Basskraft und rustikale Bodenständigkeit verströmen. Durch seine freie, entfesselte Agogik verdichtet er den improvisatorischen Gestus seines Soloparts und verleiht so den historischen Strukturen eine völlig neue, geradezu wilde und motorisch-drängende Aktualität: Hier werden musikalische Götter vom Kopf auf die Füße gestellt. AC

Bach: „Dynastie“, Jean Rondeau (Erato), auch als CD erhältlich 27


R Ä T S E L & U M F R A G E

GEW I N NSPI EL

F OTO: W I K I P E D I A /G E M E I N F R E I

Was verbirgt sich hinter diesem Text?

Auch im Hitchcock-Klassiker Spellbound (hier eine Szene mit Gregory Peck und Ingrid Bergman) darf ich „mitspielen“

Ich bin ein musikalischer Pionier. Mein Erfinder, ein verrückter russischer Physikprofessor, hat schon immer gerne herumgetüftelt. Instrumente mit Licht, Farbe und Geruch gebaut und natürlich mich. Anfangs waren alle begeistert. Ich war die Zukunft, der Fortschritt der Musik. Reiste als Botschafter des Sozialismus durch Europa und Amerika und löste auf der ganzen Welt Wellen der Begeisterung aus. Optisch spektakulär, mit einem unnatürlichen, sphärenhaften Ton. Mein Klang erinnert an eine gänsehauterregende Geisterstimme oder eine fragile Frauenstimme, die Musikern, Komponisten und meinem Publikum unter die Haut geht. Aber dann wurde alles anders. Die Wirtschaft brach zusammen, der Zweite Weltkrieg tobte, mein Erfinder verschwand fast 30 Jahre in einem sowjetischen Lager, und Nazi-Deutschland verschmähte mich als „jüdisches Instrument“. Der anfängliche Enthusiasmus verflog, man verlor das Interesse, und ich geriet in Vergessenheit. Meine Renaissance kam erst viele Jahre später, und meine Antennen wurden wieder berührungslos gestreichelt. Mich zu spielen verlangt nach wie vor hohe Virtuosität, ein feines Gehör und äußerste Präzision. Obwohl man mich bei John Cage, den Beach Boys, Sting, Zaz und Philipp Poisel hören konnte, ich Auftritte bei American Horror Story, The Big Bang Theory und den Simpsons hatte, konnte ich mich nie wirklich durchsetzen. Meine unheimlich klingende Melodiestimme „aus der Luft“ wird mir aber immer eine Aura des Außerweltlichen geben. ■

RÄTSEL LÖSEN UND MICHAEL GIELEN GEWINNEN! Was ist hier gesucht? Wenn ­S ie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Rindermarkt 6, 80331 ­M ünchen oder per E-Mail an ­ gewinnspiel@crescendo.de. Unter den richtigen ­Einsendungen verlosen­wir die CD-Box „Michael ­Gielen – Mahler, Complete Symphonies“ (SWR music). ­Einsendeschluss ist der 25.09.2017. Die Gewinnerin unseres letzten Alltagsrätsels ist Lena ­Demant, Flensburg. Die Lösung war „Luciano Pavarotti“.

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WÄ HLEN SIE DAS THEM A U NSER ER W EIH NACHTS ­ AUSGA BE! Liebe crescendo-Leser, in jeder Ausgabe bieten wir Ihnen einen Themenschwerpunkt mit spannenden Artikeln unserer Autoren und geladener Experten. In diesem Heft ist es das Thema „Spielplan“, in vergangenen Heften waren es zum Beispiel „Musik und Humor“, „Musik und G ­ ender“ oder „Skandale“. Jetzt entscheiden Sie! Den Schwerpunkt unserer Weihnachtsausgabe können Sie aus unten stehenden Vorschlägen wählen oder uns eigene Vorschläge machen. Teilnehmen können Sie auf drei Wegen: STIMMEN 1. unter www.crescendo.de/Umfrage SIE AB UND 2. per E-Mail an redaktion@crescendo.de GEWINNEN 3. per Post an crescendo-­Redaktion, SIE Rindermarkt 6, 80331 M ­ ünchen Unter allen Einsendungen verlosen wir ­einen tolino vision 3 HD sowie dreimal das Buch „Nikolaus Harnoncourt: ‚… es ging immer um Musik‘“. Eine Rückschau in Gesprächen (Residenz Verlag) Einsendeschluss ist der 25.09.2017 Welches Thema wünschen Sie sich für die crescendo-Weihnachtsausgabe 2017? • Musik in Afrika • Archive und Bibliotheken • Musik und Bildende Kunst • Familienbande: Angehörige der Stars • Fans und Freaks • Filmmusik • Kammermusik • Komponisten • Musik in Krisengebieten • Musik im Islam • Musik im Judentum • Musik für Kinder und Jugendliche • Laienmusik • Online-Klassikwelt • Operette • Politische Musik • Musik und Technik • Rhythmus • Stimme • Tanz • Musik und Wissenschaft • ODER EIN ANDERES THEMA? Schreiben Sie uns! Danke fürs Mitmachen und viel Glück bei der V   erlosung! Ihre crescendo-Redaktion

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September – Ok tober 2017


ERLEBEN Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen im September und Oktober im Überblick (ab Seite 30). Kultur am Meer, Konzerte im Grand Hotel Heiligendamm (Seite 34) | Das Kranzbach (Seite 36)

6. November, Hamburg

SEELENDRAMA kauft, erkennt in einer älteren Kundin das einstige Mädchen. Die Frau beschuldigt den Mann, damals aus Rache gehandelt zu haben. Ihr ganzes Leben sei danach aus dem Gleis geraten. Der Mann versucht, sich mit den Umständen des Krieges zu rechtfertigen. Aber die Frau akzeptiert keine Rechtfertigung. Am Ende fordert sie den Mann auf, mit ihr ins nächstgelegene Hotel zu gehen, um miteinander zu schlafen. Und wir befinden uns in Herzog Blaubarts Burg. Gregory Vajda leitet die beiden von Dmitri Tcherniakov durchgehend inszenierten Dramen. Es singen Angela Denoke, Sergei Leiferkus, Claudia Mahnke und Bálint Szabó. Hamburg, Staatsoper, 6. (Prem.), 9., 15., 19., 23., 26. und 30.11. www.staatsoper-hamburg.de

F OTO: M O N I K A R IT TE R S H AU S

Péter Eötvös hat eine psychoanalytische Deutung zu Béla Bartóks Seelendrama Herzog Blaubarts Burg komponiert. Seine Oper Senza sangue nach der Novelle von Alessandro Baricco führt gezielt zum Einakter seines Landsmanns hin und ist auch musikalisch mit diesem verkoppelt. Die Vorgeschichte ereignet sich in Kriegszeiten. Ein 19-jähriger Junge dringt als Angehöriger einer Partisanengruppe in ein Haus ein. Die ganze Familie wird ermordet. Da entdeckt der Junge im Keller ein zwölfjähriges Mädchen, das sich versteckt hatte. Sie blickt ihm erschrocken in die Augen, und er verschont sie. Der kurze Blickkontakt verfolgt die beiden ihr Leben lang, bis sie einander nach vielen Jahren wiederbegegnen. Da setzt Eötvös’ Oper ein. Ein alter Mann, der Lotterielose ver-

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E R L E B E N

September / Oktober 2017

DIE WICHTIGSTEN VERANSTALTUNGEN AUF EINEN BLICK Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals 6. bis 15. Oktober, Bad Köstritz, Weißenfels u. a.

08.09. MEININGEN STAATSTHEATER Tosca / G. Puccini 08.09. LUZERN (CH) ­T HEATER Le Grand Macabre / G. Ligeti 09.09. KASSEL STAATSTHEATER Andrea Chénier / U. Giordano 09.09. LÜBECK THEATER Carmina / C. Monteverdi 10.09. BREMEN THEATER Lady Macbeth von Mzensk / D. Schostakowitsch 10.09. BRAUNSCHWEIG ­STAATSTHEATER, Tosca/ G. Puccini 10.09. FRANKFURT OPER Il Trovatore / G. Verdi 10.09. WIEN (AT) VOLKSOPER Gypsy / J. Styne 14.09. BASEL (CH) THEATER Lucio Silla / W. A. Mozart 15.09. HALLE OPER Fidelio / L. v. Beethoven 15.09. PFORZHEIM THEATER Die Zauberflöte / W. A. Mozart 16.09. DESSAU ANHALTISCHES ­T HEATER DESSAU Otello / G. Verdi 16.09. FRANKFURT OPER Rinaldo / G. F. Händel 16.09. GIESSEN STADTTHEATER Don Giovanni / W. A. Mozart 16.09. HAMBURG STAATSOPER ­Parsifal / R. Wagner 16.09. KAISERSLAUTERN ­PFALZTHEATER Lucia di Lammermoor / G. Donizetti 16.09. KOBLENZ THEATER KOBLENZ La Bohème / G. Puccini 16.09. LINZ (AT) LANDESTHEATER La Rosinda / F. Cavalli 16.09. LÜNEBURG THEATER LÜNEBURG Die Hochzeit des Figaro / W. A. Mozart 16.09. WIESBADEN HESSISCHES STAATSTHEATER Schönerland / Søren Nils Eichberg 17.09. WIEN (AT) THEATER AN DER WIEN Die Zauberflöte / W. A. Mozart 21.09. BONN THEATER Sunset Boulevard / A. L. Webber 22.09. HOF THEATER Der Fliegende Holländer / R. Wagner 23.09. KAISERSLAUTERN ­PFALZTHEATER Anatevka / J. Bock

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HEILIGE BRÜCKEN

Hille Perl

F OTO: F O P P E

PREMIEREN

„Die Umstände, in denen wir jetzt leben, sind durchaus vergleichbar mit dem 17. Jahrhundert … wohin man auch sieht, tobt Krieg“, stellt die Gambistin Hille Perl fest. Als Artist in Residence des Heinrich Schütz Musikfests gestaltet sie mit der Sopranistin Dorothee Mields, dem Altus David Erler, dem Tenor Georg Poplutz, dem Bassisten Peter Kooij und weiteren Instrumentalisten das Eröffnungskonzert sowie zwei Festkonzerte. 37 Veranstaltungen in Bad Köstritz, Weißenfels, Dresden, Gera und Zeitz setzen sich mit den Worten, die Luthers Thesen einleiteten, auseinander: „Aus Liebe zur Wahrheit“. Im Abschlusskonzert schlägt Perl mit jüdischen, christlichen und islamischen Psalmvertonungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert „Sacred Bridges“. Sie betont damit die gemeinsamen Wurzeln von Juden, Christen und Muslimen und lässt die Psalmen als Quelle der Spiritualität und Menschen zueinanderführenden Weg erleben. Mit ihr musizieren die Gambisten Hannah Kilian, Adela Czaplewska, Sarah Small und Matthias Bergmann, das Ensemble Sarband unter Vladimir Ivanoff und der Leipziger Synagogenchor unter Ludwig Böhme. Metin Erkuş und Cem Kağıtcı geben Einblick in das Zeremoniell der Tanzenden Derwische Mevlevi, das von dem Mystiker Rumi ins Leben gerufen wurde und aus dem sich die türkische Kunstmusik entwickelte. Bad Köstritz, Weißenfels u. a., verschiedene Spielorte, www.heinrich-schuetz-musikfest.de

23.09. REGENSBURG ­ THEATER Der Fliegende Holländer / R. Wagner 23.09. SALZBURG (AT) SALZBURGER LANDESTHEATER Hoffmanns Erzählungen / J. Offenbach 24.09. AACHEN THEATER L’incoronazione di Poppea / Monteverdi 24.09. DORTMUND THEATER ­Arabella / R. Strauss 24.09. GIESSEN STADTTHEATER Peter und der Wolf / S. Prokofjew 24.09. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS ­ZÜRICH, Jewgeni Onegin / P. Tschaikowsky 25.09. KÖLN OPER Die Spanische Stunde / M. Ravel 25.09. KÖLN OPER Das Kind und der Zauberspuk / M. Ravel 28.09. BASEL (CH) THEATER Die Blume von Hawaii / P. Abraham 28.09. LÜNEBURG THEATER Hänsel und Gretel / E. Humperdinck 29.09. GERA BÜHNEN DER STADT Menschen im Hotel / V. Baum 29.09. HANNOVER STAATSOPER West Side Story / L. Bernstein 29.09. MEININGEN STAATSTHEATER Le Grand Macabre / G. Ligeti 30.09. CHEMNITZ THEATER Der Rosenkavalier / R. Strauss 30.09. DARMSTADT ­STAATSTHEATER Footloose / T. Snow 30.09. LEIPZIG OPER Don Carlo / G. Verdi 30.09. LINZ (AT) LANDESTHEATER Die Frau ohne Schatten / R. Strauss 30.09. OSNABRÜCK THEATER ­Rigoletto / G. Verdi 30.09. COBURG LANDESTHEATER Tosca / G. Puccini 30.09. GRAZ (AT) OPER Il Trovatore / G. Verdi 01.10. AUSGBURG THEATER Der Freischütz / C. M. v. Weber 03.10. DUISBURG OPER AM RHEIN Gullivers Reisen / G. Resch 04.10. DRESDEN SEMPEROPER Salome / R. Strauss 07.10. MÜNSTER THEATER Don Carlo / G. Verdi 08.10. BERLIN DEUTSCHE OPER L’invisible / A. Reimann

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September – Ok tober 2017


F OTO S : B E E TH OV E N F ES T; J E N S SC H L I C HTI N G ; M A N U E L A G I U S TO; S TE FA N W I L D H I RT; K A I RO S F I L M ; M A RCO B O RGG R E V E; L EU P H A N A U N I V E R S ITÄT; C A RO L I N E B IT TE N CO U RT; M U S I C A V I VA ; K L A A S SC H I P P E R S ; TH E ATE R- B O N N ; S A N D R A TH E N ; H E R M A N N - SC H E RC H E N - A RC H I V

8. September bis 1. Oktober BONN BEETHOVENFEST

„Mein Engel, mein Alles, mein Ich“, schrieb ­Beethoven in einem leidenschaftlichen Liebesbrief. Um wen es sich bei der Adressatin handelt, ist trotz intensiver Nachforschungen ein Rätsel. Die Komponistin Karin Haußmann und die Sopranistin Irene Kurka lassen sich von dem Brief zu einem Programm über die Liebe inspirieren. Sie verarbeiten Zeilen aus dem Brief, Liebeslieder Beethovens und Texte zeitgenössischer Autoren. Zentrales Werk des Beethovenfestes, das ihm auch sein Motto gibt, ist der Liederzyklus An eine ferne Geliebte, den Beethoven 1816 komponierte. „Offenbar war dieser Zyklus populär genug, um ständig benutzt, zitiert und weiterverarbeitet zu werden, und daran halten wir uns“, erläutert Intendantin Nike Wagner. Er erklingt gesungen, transkribiert für Klaviersolo, in Orchesterfassung und als Zitat. Bonn, verschiedene Spielorte, www.beethovenfest.de

22. bis 24. September sowie 6. bis 8. und 13. bis 15. Oktober

BAYREUTH, HIRSCHBERG, MÜNCHEN SCHNUPPERKURS KLAVIER Wenn du Klavier unterrichten willst, könnte man in Abwandlung von Saint-Exupéry sagen, dann lehre die Sehnsucht nach der weiten, endlosen Freude an Musik. Auf dieser Weisheit beruhen die didaktischen Konzepte, die Jens Schlichting aufgrund eigener Erfahrungen entwirft. „Endlich Klavier spielen“ lautet das Motto seiner Kurse für Erwachsene. Der Unterricht erfolgt in Gruppen. Denn Schlichting ist überzeugt, es potenziere den Lerneffekt, mit Gleichgesinnten zusammenzutreffen, die die Begeisterung teilen und einander inspirieren. Es sei wichtig, betont Schlichting, „dass man sich, schon bevor man etwas kann, vorstellen kann, dass man es kann“. In diesem Sinne verspricht er die schönste Form des Lernens: „Lernen, ohne zu merken, dass man gerade lernt.“ Bayreuth, Hirschberg, München, verschiedene Kursorte, www.klavier-kurs.de

28. September bis 1. Oktober BERLIN KONTAKTE ’17

Als großes Experimentallabor präsentiert sich die Biennale für Elektroakustische Musik und Klangkunst. Historischer Bezugspunkt ist das Experimentalstudio, das der Dirigent Hermann Scherchen 1954 im schweizerischen Gravesano einrichtete (Bild links von 1964). In einem Matineekonzert kommen all jene zu Gehör, die damals in dem Studio arbeiteten: Vladimir Ussachevski, der Pionier der amerikanischen Tonbandmusik, führte Experimente durch. Luc Ferrari komponierte Tautologos I und François-Bernard Mâche Soleil rugueux. ­Iannis Xenakis erstellte in monatelanger Montagearbeit sein Analogique B, das Scherchen mit einer Klangwand aus 20 Lautsprechersystemen zur Uraufführung brachte. Scherchen stand der elektroakustischen Musik skeptisch gegenüber. Er beklagte „die mittelalterliche Schwerfälligkeit“ ihrer Arbeitsmethoden. Dennoch setzte er sich für sie ein. Von Xenakis ließ er sich zur Entwicklung des Kugellautsprechers inspirieren, den er mit Ultraviolettstrahlen anleuchtete. Die Reflexionen filmte er und synchronisierte die Bewegungsmuster mit Xenakis’ Musik. Zum Einsatz kommt die rotierende Lautsprecherkugel im Konzert „Licht-Allegorien“ des Ensembles ascolta sowie dem Konzert „Widerspiel“ mit den Neuen Vocalsolisten Stuttgart. Materialien von Scherchen zeigt Johanna Diehls Installation „Das imaginäre Studio“. Berlin, Akademie der Künste, www.adk.de/kontakte17

Freundschaft und Liebe

30.9.–7.10.2017 herbstliche-musiktage.de, Telefon 07125 156 571

BRUCKNER4 PLUS Dienstag, 3. Oktober 2017, 20.00 Uhr München, Prinzregententheater Symphonieorchester der Bayerischen Philharmonie Mark Mast Dirigent

www.bayerische-philharmonie.de Karten: 59 / 49 / 39 / 32 / 24 €, ermäßigt 50 % für Schüler und Studenten | Bayerische Philharmonie Telefon +49 89 120 220 320 | info@bayerische-philharmonie.de | www.muenchenticket.de

MOZART−REQUIEM Samstag, 21. Oktober 2017, 20.00 Uhr München, Herkulessaal der Residenz Solisten, Chor und Symphonieorchester der Bayerischen Philharmonie Mark Mast Dirigent Lawrence Golan Gastdirigent, Violine

www.bayerische-philharmonie.de Karten: 59 / 49 / 39 / 32 / 24 €, ermäßigt 50 % für Schüler und Studenten | Bayerische Philharmonie Telefon +49 89 120 220 320 | info@bayerische-philharmonie.de | www.muenchenticket.de

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E R L E B E N

SOL GABETTA 28.9. Bamberg, Konzerthalle 30.9. Frankfurt, Alte Oper 1.10. Bonn, Beethovenhalle

RAPHAELA GROMES 10.9. Wolfegg, St. Ulrich 16.9. Ottobeuren, Kaisersaal 23.9. Donzdorf, Roter Saal 1.10. Planegg, Kupferhaus 13.10. Wasserburg, Rathaussaal 24.9. Wien, Theater an der Wien

RACHEL HARNISCH 8.10. Berlin, Deutsche Oper

MARISS JANSONS 12., 13.10. München, Herkulessaal

SIMONE KERMES 15.9. Bernau, Musikfestival 17.9. Helmstedt, Festival 19.9. Dresden, Musikfestspiele

MATTHIAS KIRSCHNEREIT 28.9. Leer, Kreismusikschule 29.9. Bremen, Sendesaal 12.10. Hamburg, Brahms-Gesellschaft 13.10. Kühlungsborn, Kunsthalle 19., 20.9. Paderborn, Audienzsaal 23.9. Augsburg, Zeughaus 29.9. Chemnitz, Villa Esche 30.9. Kreischa, Vereinshaus 8.10. Berlin, Reichstagskuppel 8.10. Altensteig, Bürgerhaus 30.9. Wien (AT), Wiener Konzerthaus 12.10. Baden (AT), Casino Baden

SOPHIE PACINI

LEIF OVE ANDSNES

CHRISTINA PLUHAR

30.9., 1.10. Dresden, Philharmonie 4., 5., 6.10. Wien (AT), Musikverein

DIANA DAMRAU 15.9. Essen, Philharmonie

MORITZ EGGERT 9.9. Luzern (CH), KKL Foyer 19.9. Itzehoe, Theater Studio 21.9. Braunschweig, Roter Saal 24.9. Freising, Europ. Künstlerhaus

VILDE FRANG 25.9. Köln, Philharmonie

15., 16.10. Braunschweig, Stadthalle 12.9. Köln, Philharmonie 14.9. Graz (AT), Stefaniensaal 14.10. Linz (AT), Landestheater

JOHANNES PRAMSOHLER 17.9. Frankfurt, Karmeliterkloster

MARINA REBEKA 24.9. München, Prinzregententheater

CHRISTOPH SIETZEN 16.9. Linz (AT), Brucknerhaus 22.9. Feldkirch (AT), Montforthaus 23.9. Bregenz (AT), Festspielhaus

MATTHIAS WELL 14.10. Dachau, Schloss

»Käthe, Alwine, Gudrun« - Opernale 2017 -weibliche Erben der ReformationIn einem Transitraum begegnen sich Katharina von Bora, Alwine Wuthenow und Gudrun Ensslin. Ein Aufeinandertreffen dreier Frauenschicksale mit Abgründen, Höhepunkten und kathartischer Wirkung – natürlich mit viel Musik und Gesang. Vom 09.09. - 07.10.2017 wird das Stück von Henriette Sehmsdorf in verschiedenen Kirchen Mecklenburg-Vorpommerns uraufgeführt. Weitere Informationen unter www.opernale.de. 32

Brigitta Muntendorf

ANA-MARIJA MARKOVINA

KÜNSTLER 21., 22.9. München, Herkulessaal

REALITÄTS- VIRTUALITÄTSKONTINUUM

ANN HALLENBERG

DANIEL OTTENSAMER

GABOR BOLDOCZKI

11. bis 15. Oktober, Ludwigshafen

F OTO: M A N U TH EO B A L D

8.10. BERLIN STAATSOPER Rivale / L. Ronchetti 08.10. FRANKFURT OPER Peter Grimes / B. Britten 08.10. NÜRNBERG STAATSTHEATER Die Trojaner / H. Berlioz 11.10. HALLE OPER Spiel im Sand / L. Zhang 13.10. SCHWERIN ­MECKLENBURGISCHES ­STAATSTHEATER Otello / G. Verdi 14.10. BREMEN THEATER Candide / L. Bernstein 14.10. BERN (CH) KONZERTTHEATER Don Giovanni / W. A. Mozart 14.10. ESSEN AALTO-MUSIKTHEATER Die verkaufte Braut / B. Smetana 14.10. LEIPZIG OPER Die große Sünderin / E. Künneke 14.10. MANNHEIM NATIONAL­ THEATER Norma / V. Bellini 14.10. WIEN (AT) VOLKSOPER Die Räuber / G. Verdi 15.10. BERLIN KOMISCHE OPER ­Pelléas et Mélisande / C. Debussy 15.10. KARLSRUHE STAATSTHEATER Götterdämmerung / R. Wagner 15.10. KIEL THEATER Wilhelm Tell / G. Rossini 16.10. WIEN (AT) STAATSOPER Armide / C.W. Gluck 19.10. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZTHEATER Die lustige Witwe / F. Léhar 26.10. MÜNCHEN BAYERISCHE STAATSOPER Die Hochzeit des Figaro / W. A. Mozart

„Zehn Musiker. Zehn schwarze Boxen. Eine Schauspielerin. Auch in einer Box. Abgeschottet.“ So sieht die Bühnenlandschaft von Brigitta Muntendorfs Social Media Opera iScreen, YouScream! aus. Die Komponistin greift das „Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum“ des kanadischen Ingenieurs Paul Milgram auf, das eine kontinuierliche Skala aller möglichen Übergänge von der Virtualität bis zur Realität umfasst. Innerhalb dieser Skala untersucht Muntendorf Modelle der Kommunikation und stellt Fragen nach Individuum und Gemeinschaft: Wie kommunizieren die zehn Musiker und die Schauspielerin miteinander? Vermittelt werden soll eine Ahnung davon, „wie wir als voneinander isolierte Individuen mit unseren digitalen Abbildern und Stellvertretern Gemeinschaften bauen“. Wie stillen Menschen in ihren Boxen ihr Bedürfnis nach Nähe, Liebe und Anerkennung? ­Zu erleben ist iScreen, YouScream! im Porträt-Festival zum Auftakt des BASF-Kulturprogramms. Über 60 Veranstaltungen aus unterschiedlichen Bereichen umfasst das Programm 2017/2018. Hélène Grimaud verbindet Klaviermusik und die Naturaufnahmen von Mat Hennek zu einer multimedialen Fotoinstallation. Und der Klarinettist Matthias Schorn bringt mit dem Armida Quartett ein von Kit Armstrong ergänztes Mozart-Fragment zur Uraufführung. Ludwigshafen, verschiedene Spielorte, www.basf.de/kultur

1. bis 15. Oktober

MÜNCHEN 9. INTERNATIONALES ORGELFESTIVAL Mit romantischer französischer Orgelmusik beginnt in der Stadt an der Isar der Orgelherbst. Die Orgel erfuhr im 19. Jahrhundert in Paris ­eine besondere Pflege. César Franck und Charles-Marie Widor verschafften der französischen Orgelkunst Weltgeltung. Ben van Oosten spielt an der Rieger-Orgel der Jesuitenkirche St. Michael Werke der beiden und anderer französischer Komponisten. Das Publikum kann seinen Klängen nicht nur lauschen, sondern ihm auch beim Spielen zuschauen. Was auf der Orgelempore geschieht, wird auf eine große Leinwand im Kirchenschiff übertragen. Peter Kofler, der künstlerische Leiter des Festivals, ist mit Bach, Liszt und Julius ­Reubke zu hören. Im Schlusskonzert stellt sich der neue Titularorganist von Notre-Dame de Paris Vincent Dubois vor. München, St. Michael, www.muenchner-orgelherbst.de www.crescendo.de

September – Ok tober 2017


BONN PENTHESILEA Historische Werte will Peter Konwitschny mit ­seinen Inszenierungen vermitteln. Dirigent Dirk Kaftan (Bild) strebt an, dass sich Beethovens Vision von ­„ Alle Menschen werden Brüder“ in seinen Programmen widerspiegelt. ­Gemeinsam bringen sie die dunkle Liebestragödie der Amazonenkönigin Penthesilea des Schweizer Komponisten Othmar Schoeck auf die Bühne. Konwitschny inszeniert das nach Kleist gestaltete Werk in einer Arena. Das Publikum kann unmittelbar Anteil nehmen am ­gnadenlos blutigen Lebenskampf der Heroen. Dirk Kaftan stellt sich mit Schoecks e­ kstatischer Tonsprache dem Bonner Publikum als neuer Generalmusikdirektor des Beethovenorchesters und der Oper vor. Penthesilea verkörpert D ­ shamilja Kaiser. Die Partie des Achilles übernimmt Christian M ­ iedl. Bonn, Oper, 15. (Premiere), 20. und 29.10. sowie 12. und 19.11. www.theater-bonn.de

BASF-KULTURPROGRAMM 2017/2018 Höhepunkte

Martha Argerich & Sergei Babayan 30. Sep 17 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU Hélène Grimaud & Mat Hennek 23. Okt 17 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU Julia Fischer Quartett 30. Jan 18 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU Annette Dasch 02./03. Feb 18 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU

14. und 18. Oktober, Essen, Wien

Xavier de Maistre · Lucero Tena 28. Feb 18 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU

HÖFISCHE INTRIGEN

Denis Matsuev · Kammerorchester Wien – Berlin 20. Apr 18 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU Valer Sabadus · Céline Scheen · L’Arpeggiata Christina Pluhar 27. Apr 18 · 20.00 Uhr · BASF-Feierabendhaus, LU Informationen und Tickets erhalten Sie unter Tel. 0621 60-99911, an allen eventim-VVK-Stellen, unter www.basf.de/kultur oder auf www.facebook.de/BASF.Kultur.

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Countertenor Lawrence Zazzo

10.07.17 15:29

F OTO: E R I C R I C H M O N D

F OTO S : B E E TH OV E N F ES T; J E N S SC H L I C HTI N G ; M A N U E L A G I U S TO; S TE FA N W I L D H I RT; K A I RO S F I L M ; M A RCO B O RGG R E V E; L EU P H A N A U N I V E R S ITÄT; C A RO L I N E B IT TE N CO U RT; M U S I C A V I VA ; K L A A S SC H I P P E R S ; TH E ATE R- B O N N ; S A N D R A TH E N ; H E R M A N N - SC H E RC H E N - A RC H I V

15. Oktober

Der Cembalist Ottavio Dantone besitzt eine Leidenschaft für sinnlich volltönende Barockmusik. Seine Interpretationen warten mit Frische und überraschenden Momenten auf. In der Auseinandersetzung mit einem Werk taucht er tief in die musikhistorische Forschung ein. Seit 1996 leitet er die Accademia ­Bizantina in Ravenna. Das Ensemble widmet sich der Wiederentdeckung und Aufführung von Barockopern auf Originalklanginstrumenten. Auf ihrer Gastspielreise bringen sie Giulio Cesare in ­Egitto konzertant zur Aufführung. Händel stellte seine Oper nach dem Libretto von Nicola Francesco Haym über ­höfische Intrigen und Liebeskonflikte um den römischen Imperator und die ägyptische Königin Kleopatra 1724 am Haymarket Theatre in London vor. Sie wurde zu ­einer seiner erfolgreichsten. In den parallel laufenden und einander überkreuzenden Handlungssträngen agieren nicht nur die Sänger. Auch die Instrumente sind in die Dramaturgie eingebunden. Dantone versteht es meisterhaft, dieses Wechselspiel zwischen Sängern und Instrumentalisten ebenso ausdrucksstark zu gestalten wie zwischen Sängern, Soloinstrumentalisten und Orchester. Die Partie Giulio ­Cesares übernimmt der Countertenor Lawrence Zazzo. Kleopatra singt die Sopranistin Emőke Baráth. Philharmonie Essen und Theater an der Wien, www.philharmonie-essen.de und www.theater-wien.at

2017/18 THE ROYAL OPERA

THE ROYAL BALLET

DIE ZAUBERFLÖTE ALICE IM WOLFGANG AMADEUS MOZART WUNDERLAND MITTWOCH, 20.09.2017 CHRISTOPHER WHEELDON

THE ROYAL OPERA

LA BOHÈME GIACOMO PUCCINI

DIENSTAG, 03.10.2017

MONTAG, 23.10.2017 THE ROYAL BALLET

DER NUSSKNACKER PETER WRIGHT NACH LEW IWANOW

DIENSTAG, 05.12.2017 THE ROYAL OPERA

RIGOLETTO GIUSEPPE VERDI

DIENSTAG, 16.01.2018

Die neue Royal Opera House-Saison live auf der großen Kinoleinwand Die ersten Termine der Saison 2017/18 Alle Termine, Infos und Tickets unter uci-events.de

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E R L E B E N

Matthias Kirschnereit

MUSIK-HOCHGENUSS MIT OSTSEEBRISE Schon Rainer Maria Rilke und Felix Mendelssohn Bartholdy schnupperten zur Entspannung und Inspiration frische Ostseeluft in Heiligendamm. Seit 200 Jahren überrascht sein elegantes Kurhotel mit Kammermusik-Leckerbissen von renommierten Solisten. VON ANTONIA EMDE

Dass der Genuss von Kunst und Natur sich gut ergänzen, erkannte man in Heiligendamm schon früh: Nur wenige Jahre nach der Gründung des ersten deutschen Seebades durch den damaligen Großherzog von Mecklenburg bekam der kleine Ort an der Ostsee ein eigenes Kurhaus. Im Jahr 1817 wurde das elegante Gebäude eingeweiht, und so nahm vor genau 200 Jahren eine Tradition ihren Anfang, die bis heute in Heiligendamm fortlebt: Neben gesunden Bädern in der Ostsee – die schon damals gegen „sehr viele Schwachheiten und Kränklichkeiten des Körpers“ helfen sollten – und Spaziergängen durch die umliegenden Wälder konnten die Gäste abends im Kurhaus stilvoll speisen, Konzerte besuchen oder an Tanzabenden und Gesellschaften teilnehmen. 34

Dass diese Kombination nicht zuletzt bei den Künstlerinnen und Künstlern selbst gut ankam, zeigen die prominenten Besucher von Heiligendamm: Neben Rainer Maria Rilke verbrachte zuvor auch schon der junge Felix Mendelssohn Bartholdy einen Sommer im benachbarten Bad Doberan und komponierte dort eines seiner Frühwerke. Eben diese Tradition greift das Grand Hotel Heiligendamm mit seiner Veranstaltungsreihe „Kultur am Meer“ auf und organisiert seit einigen Jahren ein abwechslungsreiches Kulturprogramm mit Veranstaltungen aus unterschiedlichen Kunstsparten. Das Kurhaus bietet für diese Veranstaltungen eine stilvolle Kulisse: Es ist einer von mehreren klassizistischen Bauten, die der www.crescendo.de

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F OTO S : M A I K E H E L B I G ; H A R A L D H O F F M A N N / DG ; - M O N I K A L AW R E N Z ; G R A N D H OTE L H E I L I G E N DA M M

Liv Migdal

Avi Avital

Grand Hotel Heiligendamm

Architekt Carl Theodor Severin in den ersten Jahrzehnten des 19. stattfindet, wird in diesem Herbst von dem Pianisten Matthias Jahrhunderts in und um Heiligendamm errichtete. Mit seiner Kirschnereit mitgestaltet. Susan Franke: „Matthias Kirschnereit strahlend weißen Säulenfassade und den tiefblau gefärbten Reli- ist seit vielen Jahren ein Wegbegleiter und Freund des Hotels, er efs trägt es nicht umsonst den Beinamen „Tempel am Meer“. hat zahlreiche Konzerte hier in Heiligendamm und Bad Doberan Gerade für Konzerte in kleiner Besetzung bieten der historische gegeben. Zusammen haben wir 2013 zum 220. Geburtstag des Ballsaal und der Musiksalon ideale Bedingungen – kein Wunder Seebads das Programm ,Tanzende See‘ mit Werken und Briefen also, dass die Kammermusik einen Schwerpunkt des Veranstal- von Felix Mendelssohn und seiner Schwester Fanny konzipiert. tungsprogramms bildet. Wir sind daher sehr glücklich über Matthias Kirschnereits Zusage Auch in der kommenden Saison werden renommierte Künst- für das Kammermusikwochenende!“ Am 1. Oktober findet in lerinnen und Künstler in Heiligendamm erwartet: In der Reihe der Heiligendamm zudem ein Jubiläumsball statt: Anlässlich des „Freitagskonzerte am Heiligen Damm“ werden unter anderem Liv 200-jährigen Bestehens des Kurhauses entführt das Grand Hotel Migdal (Violine) und Jie Zhang (Klavier) im Kurhaus auftreten seine Gäste in die frühen Jahre des ersten deutschen Seebades – ebenso wie Andrej Bielow (Violine), der im Trio mit Felix Klieser historisches Schauspiel und Tanzmusik inklusive. (Horn) und Matthias Kirschnereit (Klavier) zu hören sein wird. Einen würdigen Abschluss findet das Jubiläumsjahr 2017 Einen weiteren Konzertabend gestaltet im Herbst das Klavierduo schließlich mit dem traditionellen Neujahrskonzert in HeiligenHans-Peter und Volker Stenzl. Fortgeführt wird neben den „Frei- damm: Am 6. Januar begleiten Martina Gedeck, Avi Avital (Mantagskonzerten“ auch die Konzertreihe „Carte blanche für die hmt“: doline) und Dávid Adorján (Violoncello), „Artists in Residence“ In diesem Rahmen besuchen junge Künstlerinnen und Künstler am Grand Hotel, das Publikum ins neue Jahr. In einem Wortvon der Hochschule für Musik und Theater Rostock das Grand Musik-Programm kombinieren sie Texte von Else Lasker-Schüler Hotel. „Für mich ist diese Kooperation ein Brückenschlag in die mit Werken von Ravel, Widmann, Honegger und anderen KomRegion und darüber hinaus in die Welt, denn die Absolventen ponisten. Die zweite Konzerthälfte gestaltet Avital dagegen beginnen nach ihrem Studium ihre Laufbahn als Musiker oder gemeinsam mit dem Pianisten und Komponisten Ohad Ben-Ari Schauspieler und gastieren in der ganzen rein musikalisch. Das Neujahrskonzert ist KULTUR AM MEER Welt. Das sind die besten Botschafter für das zugleich der Startschuss für den nächsten Informationen und Kartenservice: Land und das Hotel“, erklärt Susan Franke, runden „Geburtstag“ in Heiligendamm: Tel.: +49-(0)38203-74 00 Kulturdirektorin im Grand Hotel. 2018 jährt sich die Gründung des Seebades Fax: +49-(0)38203-740-74 74 Das Chamber Music Fest am Meer, das zum 225. Mal. n info@grandhotel-heiligendamm.de www.grandhotel-heiligendamm.de/kultur seit 2015 zweimal jährlich in Heiligendamm 35


E R L E B E N

Mitten in der Natur gelegen: Das Kranzbach

TIEFENENTSPANNUNG UND BERGPANORAMA Schon über 100 Jahre hat das legendäre Alpen-Wellnesshotel Das Kranzbach auf dem Buckel. Doch so ehrwürdig seine Außenfassaden, gerade hat es ein schickes neues Innendesign verpasst bekommen – plus japanischen Heißwasserpool. VON ANTOINETTE SCHMELTER-K AISER Oberhalb von Garmisch-Partenkirchen wellen sich sanfte Buckel- Star-Designerin Ilse Crawford zuletzt 2015 im Übergang zwischen wiesen, auf denen Kühe und Pferde weiden. Ab dem Dörfchen Haupthaus und Gartenflügel geschaffen hatte, sind sämtliche MöKlais führt eine kurvige Mautstraße durch dichten Nadelwald. belstücke, Teppiche, Vorhänge, Leuchten und Accessoires in den Am Ende einer Abzweigung erhebt sich hinter einer weiten Grün- Salons ausgetauscht worden. Als Eingang für ankommende Gäste fläche mit hoch aufschießendem Springbrunnen ein schlossartiges fungiert nun das Hauptportal im Mary Portman House, das SteinGebäude mit gezackten Treppengiebeln, das wie Miniaturausga- metze in aufwendiger Handarbeit abgebürstet haben. Gleich gegenben zwei Torhäuser flankieren. Rundherum ragt die Gipfelkette über der Treppe stimmen zwei rostbraune Ohrensessel vor einem von Karwendel bis hin zur Zugspitze empor. Auf den ersten Blick weißen Retro-Regal und drei große Hängelampen darüber auf heiwirkt Das Kranzbach unverändert, das vor genau zehn Jahren als melige Wohnzimmeratmosphäre ein. Wie ein roter Faden zieht dieVier-Sterne-Superior-Hotel & Wellness-Refugium in einem stillen se sich durch alle öffentlichen Räume im Erdgeschoss – angefangen Hochtal auf 1.030 Metern eröffnet wurde. bei der verlagerten Rezeption mit einem maßgeschreinerten Tresen Hinter der altehrwürdigen Fassade des Landsitzes, den sich aus hellem Holz über den separaten Bereich für Gesellschaftsspiele die britische Adelige Mary Isabel Portman bis 1915 bauen ließ, wie Schach oder Backgammon bis zu den drei Räumen rund um die wurde es im Mai in großem Stil umgestaltet. 250 Handwerker ar- halbrunde, glänzend blau geflieste Bar. beiteten drei Wochen unter Leitung von Direktor Klaus King fast Passend zum aktuellen Hygge-Trend gruppieren sich vor ofTag und Nacht, um von den Eichenböden über neue Treppen und fenen Kaminen überall unterschiedliche Stühle, Sessel und Sofas Zwischenwände bis zu verschiedenfarbigen Anstriwie Inseln rund um kleine Tische. Möbelstoffe, die DAS KRANZBACH chen und aufwendigen Vertäfelungen alle Veräneigens für Das Kranzbach produziert wurden und 82493 Kranzbach/Klais derungen termingerecht fertigzustellen. Nach dem zum Teil aus Kaschmir gefertigt sind, setzen von Tel. +49-(0)08823-92 80 00 www.daskranzbach.de Vorbild der Kräutergartenlobby, die die britische hellen Creme- und Grautönen über sanftes Lila, 36

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F OTO S : DA S K R A N ZB AC H

Der neue, japanisch inspirierte Onsen-Pool.

Internationales Orgelfestival

Altrosa und Senfgelb bis hin zu Dunkelgrün und Schwarz Farbak1. bis 15. Oktober 2017 zente. Langhaarige Schaffelle und gleichmäßig verteilte LichtquelBen van Oosten, Blockflötenensemble len intensivieren genauso wie bereitliegende Bücher das Zuhause„Flautando Köln“, Jean-Christophe Geiser, Gefühl. Collegium Monacense, Barockorchester Im Übergangsbereich zum modernen Gartentrakt entstan„La Banda“, Frank Höndgen, Hille Perl, den außerdem im ehemaligen Eingangsbereich 40 Sitzplätze in der Vincent Dubois und Peter Kofler gemütlich-gediegenen Kaminstube – entweder auf schwarzen Thonetklassikern, die Sonderanfertigungen sind, oder hellgrau www.muenchner-orgelherbst.de melierten Eck-Polsterbänken. Aufgrund dieses Neuzugangs ist die www.facebook.com/muenchner.orgelherbst Anordnung der Tische, vor denen zum Teil zierliche Stühle aus japanischem Zedernholz stehen, im Hauptrestaurant nun luftiger Jesuitenkirche St. Michael und lockerer. Vertikale Holz-Lamellen an den Wänden dämpfen Neuhauser Straße 6 | 80331 München die Geräusche. Zahlreiche Zimmerpflanzen und kleine Gewächshäuser ziehen den Blick auf sich und leiten ihn über die waldgrünen Bezüge der Polsterbänke nach draußen, wo hinter bodentiefen Pano­ ramafenstern hohe Nadelbäume am Rand einer 130.000 WerbungCrescendo_2017_V02.indd 1 Quadratmeter großen hoteleigenen Bergwiese wachsen. In diese eingebettet liegt eine weitere Innovation, in die Das Kranzbach im Frühsommer eine Million Euro von insgesamt 4,5 Millionen investiert hat: ein 50 Quadratmeter großes Becken aus Nero Assoluto genanntem schwarzen Granit. Nach dem Vorbild eines japanischen Onsen ist es mit 40 °C warmem Quellwasser gefüllt und wirkt aufgrund der hohen Temperatur so tiefenentspannend, dass Badende nach 10 bis 15 Minuten eine längere Erholungsphase brauchen. Je nach Wetter können sie diese auf bequemen (Schaukel-)Liegen unter freiem Himmel mit Blick auf die Zugspitze oder in den Ruheräumen des Badehauses vor flackernden Kaminfeuern genießen. „Manche Gäste verbringen den ganzen Tag ausschließlich damit, beim Ausruhen in die Landschaft zu schauen“, weiß Klaus King, der als Gastgeber regelmäßig das Gespräch sucht. „Andere nutzen nach dem großen Frühstücksbuffet unser Angebot an Aktivitäten von Yoga über geführte Wanderungen bis zu Ausflügen mit Leih-Mountainbikes. Oder sie lassen sich nach dem Motto ‚Nichts müssen, alles können‘ im Vitalspa verwöhnen.“ Spätestens zum Abendessen, bei dem er alle Gäste persönlich begrüßt, sind sie aber wieder zurück. Denn zu dieser Mahlzeit serviert das Küchenteam täglich wechselnde, mehrgängige Menüs mit regionalen Besonderheiten wie Werdenfelser Rind, frischem Fisch aus der Leutasch oder Wild, das in der Umgebung gejagt wurde. Als i-Tüpfelchen kredenzt ein Chocolatier Kostproben seines Könnens. Mehr Gäste als früher gehen mit dieser süßen Wegzehrung nicht direkt in ihre Zimmer. Seit dem Umbau frequentieren sie die Salons im Mary ­Portman House – auch tagsüber – noch lieber und ausgiebiger als zuvor. n

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SPIELPLAN

F OTO: F R A N K B LO E D H O R N

Barock-Häppchen an Mozart-Tatar mit Uraufführungs-Béchamel. Einen gelungenen ­Spielplan zu erstellen ist wie ein komplexes Menü zu kochen. Wir haben Vertreter ­verschiedener Intitutionen gefragt, was für Sie ein idealer Spielplan ist. Einige Antworten finden Sie auf dieser Seite, viele mehr in unserer Premium-Ausgabe.

EIN SPIELPLAN MUSS WIE M ­ AULTASCHEN SEIN ! VIKTOR SCHONER ist Künstlerischer Betriebsdirektor an der Bayerischen Staatsoper und wird ab 2018 Intendant der Staatsoper Stuttgart.

Dass ein rein kulinarisches Verständnis des von Beginn an der Repräsentation verpflichteten Genres „Oper“ zu dessen Ende führt, können wir derzeit leidvoll sehen, wenn wir die Entwicklungen von einst legendären Operninstitutionen etwa in New York oder in Italien verfolgen: Nur wenn wir ständig und diszipliniert darauf achten, die Werke bei aller Freude an der historisch verbürgten Qualität aus einer heutigen Per­spektive zu erleben, gibt es für das heutige Publikum und die heutige Öffentlichkeit und für die heutigen Künstler einen Grund, sich überhaupt mit ihm zu beschäftigen. Und doch: Weist die Erarbeitung und Gestaltung des Spielplans durch ein künstlerisches Leitungsteam nicht doch Paral38

lelen auf zur Arbeit eines Restaurantchefs, wenn er sein Menü zusammenstellt? Abwechslungsreich soll es sein und doch einen roten Faden haben. Lokal koloriert und doch auf internationalem Standard. Jedes einzelne Element muss perfekt sein und doch Platz lassen für den nächsten Gang. Als Festival­macher könnte man sich konzentrieren auf ein Land oder eine – gern auch exotische – Küche. Als Haus, das für alle da ist, muss das Angebot breit gefächert sein, ohne beliebig zu wirken. Und die Mitarbeiter vom Chefkoch zum Kellner sollen sich auch unbedingt identifizieren mit dem Ganzen. Viele Gänge sind en vogue und doch muss das Budget stimmen, für den Erfinder wie für den Gast. Nach Jahren als Künstlerischer Betriebsdirektor in Paris, das neben den exquisiten Läden auch grenzwertige Küche im Bistro um die Ecke pflegt, und in München, wo das angenehm Offenwww.crescendo.de

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sichtliche nicht nur in der Küche den Ton angibt, freue ich mich nun auf kulinarische Jahre à la Schwabenland – die „Herrgottsbescheißerle“, anderswo genannt Maultaschen, sind Klischee und Wahrheit zugleich: Erfunden wurden sie von Mönchen, um das exklusive Fleisch vor den strengen Augen des gütigen Herrgotts

zu verstecken. Ist das nicht die schönste Inspiration für künstlerische Arbeit und damit auch für einen der ersten Gänge bei der Spielplangestaltung: etwas geheimnisvoll, eigentlich voller Sünde, mit lokalem Bezug und gleichzeitiger internationaler Ausstrahlung, nahrhaft mit Subs­tanz, verführerisch – einfach gut.

ÜBERLEBEN IN DER PROVINZ RALPH BOLLMANN ist Journalist und Publizist. Für sein Buch „Walküre in Detmold“ besuchte er in einem Zeitraum von zwölf Jahren alle Opernhäuser Deutschlands mit eigenem Ensemble.

Langsam begann ich, das Kalkül der Intendanten zu durchschauen. Karlsruhe zum Beispiel hat ein großes Ensemble und ein opulentes Programm, schließlich will die badische Hauptstadt hinter den Schwaben in Stuttgart nicht zurückstehen. Füllen lassen sich die vielen Vorstellungen nur, wenn die Operninteressierten entsprechend oft ins Theater gehen. Das bedeutet eine hohe Schlagzahl an Premieren und damit viele Raritäten auf dem Spielplan. Für den Operntouristen ist das gut. Das sehr viel kleinere Theater im sächsischen Freiberg verfolgte jahrelang eine andere Strategie: Man holte vergessene deutsche Spielopern aus dem frühen 19. Jahrhundert ins Programm – Rolands Knappen von Albert Lortzing zum Beispiel oder Stücke von unbekannten Komponisten wie Victor Ernst Nessler und Conradin Kreutzer. Das war ein genialer Kniff. Die Stücke sind hinreichend exotisch für überregionale Aufmerksamkeit, überschaubar für ein

kleines Orchester und eingängig fürs Stammpublikum. Im Ganzen ähnelt sich das Strickmuster, gerade an Kleinstadtbühnen, die oft nur zwei oder drei große Opern pro Saison neu herausbringen. Die Säule des Repertoires sind die immer gleichen Stücke, neben Zauberflöte und Traviata vielleicht noch Puccinis Bohème und Bizets Carmen. Dazwischen werden weniger bekannte Stücke populärer Komponisten gemischt oder bekannte Stoffe in modernem Gewand, wobei es das Zeitgenössische noch schwerer hat als die Raritäten von einst. Ich habe aber auch Intendanten erlebt, die für den populären Samstagabend stets Aufführungen mit der Gattin in der Hauptrolle ansetzten. Oder Konzertdirigenten, die keine Lust mehr auf Operndienste hatten, sperriges Repertoire auf den Montag vor Weihnachten legten – und damit einkalkulierten, dass die Vorstellung mangels Nachfrage ausfallen würde. Mehr zu Ralph Bollmanns Opernreise auf www.crescendo.de/spielplan

RESISTENT GEGEN AKTUELLES

F OTO S : F R A N K N AG E L ; P R I VAT; TH E ATE R D E T M O L D; C H R I S TI A N H A RT L M E I E R ; TH E WA LT

MORITZ EGGERT ist Komponist und crescendo-Kolumnist. Mit seinem Artikel „Opernhäuser – die schwarze Liste der ewig Gestrigen“ hatte er auf der crescendo-­Website und der crescendo-Facebook-Seite für hitzige Diskussionen gesorgt.

Auch in der kommenden Spielzeit werden die Premieren von Opern, die nicht älter als 50 Jahre sind, eindeutig in der Minderheit sein gegenüber Premieren von Stücken aus den letzten zwei bis drei Jahrhunderten. Hierzu kann man stehen, wie man will: Man kann entweder die erfolgreiche Hartnäckigkeit und Resistenz des heutigen Opernbetriebs gegenüber der Musik unserer Zeit bewundern und sich darüber freuen, dass man vor allem Musik hören darf, die mindestens 150 Jahre alt ist – wenn auch meist in mehr oder weniger erfolgreich auf modern getrimmten Inszenierungen lebender Regisseure. Oder man kann sich – wie ich – darüber ärgern, dass diese talentierten Regisseure nicht an Wiederaufführungen der

zahlreichen ebenso guten und vor allem lebendigen Stücke mitwirken, die leider heutzutage nach ihrer Uraufführung fast immer in der Versenkung verschwinden, übrigens egal, wie erfolgreich sie waren. Denn statt einer Zweitaufführung einer guten heutigen Oper führt man lieber zum 5.000sten Mal ein altes Stück auf. Ich hätte gerne für dieses Heft eine Analyse des Opernspielplans 2017/18 erstellt, leider gibt es noch keine Gesamtübersicht über alle Premieren die mir eine profunde Sicht auf die Aufführungsverhältnisse Alt versus Neu in diesem Jahr erlaubt hätten, was ich hiermit zu entschuldigen bitte. Ein dementsprechender Artikel wird demnächst bei crescendo erscheinen. Moritz Eggerts Artikel zur vergangenen Spielzeit ­finden Sie auf www.crescendo.de/spielplan

FESTIVALS SIND EIN G ­ ESAMTERLEBNIS KULTUR HERMANN LEWEN ist Gründer und Leiter des Mosel Musikfestivals.

Ein Festivalprogramm braucht „andere“ Konzerte beziehungsweise Konzertformate als das, „was man so kennt“. Hier geht es um ein Gesamterlebnis Kultur! Es gilt, einen Mix zu kreieren, aus Klassik, Traditionellem, Weltmusik und Neuer Musik! Dies alles in

außergewöhnlichen, architektonischen, geschichtsträchtigen und erlebnisorientierten Konzertorten und Gebäuden. Eine Verbindung zwischen einem musikalischen Erlebnis, einem möglichst begleitenden kulinarischen Angebot und vor allem Zeit und Raum für die Begegnung zwischen den Konzertbesuchern und Künstlern, vor und nach den Konzerten zu schaffen. 39


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Der Axel-Brüggemann-Kommentar

MEHR SPIEL, WENIGER PLAN! Oft sollen Worte einem Spielplan Sinn geben. Auf PressekonferenWie man seinen Spielplan anlegt und erklärt, ist zur Gretchenzen erklären Intendanten, Dramaturgen und Konzertplaner den frage des Opern- und Konzertbetriebs geworden. Dabei geht es oft Bogen von Aida zu Zarewitsch. Am besten mit einem breit gefass- darum, sich als Intendant mit Visionen zu behaupten: Manche nutten Spielzeitmotto wie „Flucht“, „Suche“, „Ankommen“ oder „Hei- zen dafür ein möglichst zeitgeistiges Motto, andere den Gala-Abend, mat“. Dann wird erklärt, dass Aida ihre nationale und innere Hei- wieder andere stellen bewusst unbekannte Opern oder Urauffühmat sucht, ebenso wie Peter Grimes, dass Siegmund auf der Flucht rungen auf den Spielplan. Einige Häuser operieren bodenständiist und Otello auch, dass es sowohl in Mahlers Achter als auch in ger und versuchen möglichst unterschiedliche Publikumsschichten Beethovens Neunter irgendwie ums „Ankommen“ geht. Mit ande- zwischen Fledermaus und Meistersinger anzusprechen. All das sagt ren Worten: Motti sind in der Regel beliebig. In Wahrheit folgt der in Wahrheit aber nur wenig über die Qualität eines Hauses aus. Spielplan ganz anderen Dingen: der Auslastung, dem eigenen Image Am Ende ist es weitgehend egal, wie ein Theater sein Programm oder den Möglichkeiten des jeweiligen verkauft, wie es versucht, Ordnung in den Ensembles. eigenen Spielplan zu bringen, wie es sich Nikolaus Bachler von der Münchdurch die einzelnen Opern, die Besetzunner Oper ist ein Experte in Sachen Mottogen oder die Konzerte positioniert. All WIE MAN SEINEN SPIELPLAN Theater. Seine neue Saison bewirbt er das sind nur Überschriften. Eine Spiel­ANLEGT UND ERKLÄRT, in der Jahresbroschüre mit den Worzeit steht und fällt aber mit dem Kleingeten: „Zeig mir Deine Wunde“. Das passt druckten, das allabendlich auf die Bühne IST ZUR GRETCHENFRAGE DES natürlich zu ziemlich jeder Oper, da es gebracht wird. Was bei aller MarktschreiOPERN- UND KONZERTBETRIEBS erei oft vergessen wird, ist, dass Theaimmer um irgendeine äußere oder seelische Wunde geht. Das Münchner Motto ter und Konzert in der Regel nicht allein GEWORDEN ist aber hauptsächlich Anspielung auf das durch das dramaturgische Korsett, wie es Saisonhighlight, die Opernfestspiel-Prein den Jahresbroschüren zu lesen ist, defimiere von Parsifal mit Jonas Kaufmann, niert wird, sondern durch etwas, das mit Christian Gerhaher, René Pape und Kirill Petrenko. Dieser Auffüh- dem eigentlichen Spielplan nur bedingt zu tun hat: den Geist, der rung wird das gesamte Jahresprogramm untergeordnet. an einem Haus herrscht, die Kunst, eine transparente Form zu finBachler ist fraglos einer der sichersten Programmplaner, der den, sich alten Stoffen aus dem Jetzt zu nähern, einen Ensembleneben dem Motto auch die Star-Erwartungen seines Publikums und geist zu formen, eine Handschrift, die das Publikum versteht und der Feuilletons bedient. Er weiß, dass Münchens Parsifal der Kon- sinnlich erfahren kann. Die Kunst also, Opern und Konzerte nicht kurrenzveranstaltung in Hamburg mit Kent Nagano am Pult und als Legitimation von intellektuellen Egos zu verstehen, sondern als Achim Freyers Regie schon vor Saisonbeginn den Small-Talk-Rang Möglichkeit, den Intellekt sinnlich erfahrbar werden zu lassen. Am ablaufen wird. Das Besondere ist seit jeher ein wesentlicher Bestand- Anfang sollte nicht das „Was“, sondern das „Wie“ stehen, nicht der teil der Spielplanmacherei: Für Hamburg ist es dieses Jahr die sze- Komponist oder sein Werk, sondern das grundlegende Verständnis, nische Umsetzung von Verdis Messa da Requiem durch Calixto wie man mit Werk und Wirkung umgeht. Bieito, in Leipzig Katharina Wagners Inszenierung des Tannhäuser, Auch von diesem Konzept ist in den aktuellen Jahresbroschüin Dresden wird Christian Thielemann den Ring dirigieren, an der ren zu lesen. Aber es grenzt schon an Frechheit, wenn der Intendant Deutschen Oper in Berlin nimmt sich Olivier Py Le Prophète vor, der Staatsoper Hamburg, Georges Delnon, seinem Jahresprogramm und an der Staatsoper in Berlin ist allein die Wiedereröffnung des ein Zitat von Gerard Mortier voranstellt. Kaum ein anderer Intenalten Hauses Highlight an sich. All diese Aufführungen garantieren dant steht so intensiv für das konzeptionelle Innenleben einer Oper – abgesehen vom Rest des Spielplans – zunächst einmal nationale, wie Mortier. Das hat er sowohl in Brüssel als auch später in Salzwenn nicht gar internationale Aufmerksamkeit. burg und bei der Ruhrtriennale gezeigt. Jede Aufführung war für 40

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Spielzeitmotto oder große Gala-Aufführung? Viel wesentlicher bei der Programmplanung ist ein sinnlicher Geist, der das Publikum berührt.


ihn eine dauernde Auseinandersetzung mit dem Stoff, den Künst- spiele für diese Herangehensweise gibt es besonders in der Verganlern, dem Publikum. Oper und Konzert waren für Mortier – egal, genheit. ob Barock mit Wernicke, Romantik mit Marthaler oder Operette Wir haben bereits über Gerard Mortier geredet: Er hat es in mit Neuenfels – zunächst einmal Abenteuerreisen. Möglichkeiten Salzburg geschafft, das Unerwartbare zum Programm zu erheben, einer emotionalen Vergegenwärtigung der Kunst im Jetzt. Von all das Skandalöse immer wieder neu – und durchaus substanzvoll – dem ist weder im aktuellen Programm von Delnon etwas zu sehen, zu definieren, die Oper an die Grenze zu führen, dorthin, wo das noch hat er sich in der Vergangenheit als einer jener Intendanten Publikum staunt, sich aufregt, emotionalisiert wird – dafür wurde positioniert, dem die Schuhe von Gerard Mortier auch nur annä- er zunächst angefeindet und am Ende geliebt. Wie schwer es ist, diehernd passen würden. sen Grat zu erreichen, hat die erste Salzburg-Spielzeit von Markus Aber Denlon ist mit seiner dramaturgischen Spielplan-Ver- Hinterhäuser gezeigt. Er ist einer der wenigen Programmplaner, kaufe nicht allein. Es ist ein Trend, besonders an kleineren Stadt­ die jenseits der eigentlichen Programme einen Geist auf die Beine theatern, dass hier noch immer ein moralisches „Von-oben-herab“- stellen können. Das hat er bereits bei den Wiener Festwochen und Verständnis des Theaters herrscht. Künstals Verantwortlicher für das Musikproler verstehen sich als Welterklärer und ihr gramm der Salzburger Festspiele gezeigt. Theater noch immer – wie in den 60erDennoch war auch seine erste Salzburg-­ Jahren – als „moralische Anstalt“. Ein Saison ein Spagat zwischen PublikumserSTATT DES GLAUBENS Vorzeigebeispiel dafür ist das Theater Brewartungen, eigenem Stil und erwartbaren AN DIE SINNLICHKEIT men. Das neue Spielzeitheft kommt in der Konzept-Provokationen. Bei HinterhäuOBSIEGT DER Anmutung von Toilettenpapier daher, die ser spürt man, wohin die innere Reise der einzelnen Aufführungen werden durchFestspiele gehen könnte – und es bleibt GLAUBE AN DIE EIGENE exerziert, und das Ensemble muss sich in spannend zu sehen, wo sie ankommen WELTVERBESSERUNGSlitfaßsäulenhaften Schwarz-Weiß-Fotograwird. fien abbilden lassen. Ich habe in der letzEine andere, ebenfalls von innen THEORIE ten Spielzeit allerhand Repertoire-Aufgedachte Programmplanung hat einst die führungen des Hauses besucht und war Oper in Stuttgart ausgemacht: Unter dem schockiert: Selten saßen in einer Operndamals agilen Klaus Zehelein herrschte aufführung mehr als 100 Zuschauer – das Haus ist immerhin für die Philosophie, dass jeder, der am Theater gearbeitet hat, in den 800 Besucher ausgelegt. Auslastungszahlen werden seit Langem Produktions- und Interpretationsprozess einbezogen wurde – geschönt, indem die Ränge geschlossen und damit die Besucher- Regisseure, Interpreten, Dramaturgen, aber auch Bühnenarbeiter quote hochgeschraubt wird. Außenwirkung und Innensicht des und Garderobiere. Sie alle wussten, worum es ging, sie alle konnTheaters sind schon lange nicht mehr kongruent. ten die Ideen und Konzepte dem oft aufgebrachten Publikum verWenn man nun das Vorwort von Intendant Michael Börger- mitteln. In dieser Zeit war es nicht wirklich entscheidend, was auf ding liest, spürt man, dass es ihm weniger darum geht, sein Publi- dem Spielplan stand, sondern alles, was gezeigt wurde, wurde dieser kum zu erreichen als darum, das eigene Kunstverständnis zu dozie- Hauskultur untergeordnet. ren. Börgerding zitiert seinen Dramaturgen-Kollegen, den Autor Versuche, eine derartige Kultur zu etablieren, gibt es auch Jonas Lüscher (eine Vetternwirtschaft, die ebenfalls symptomatisch heute noch. Jossi Wieler hat in den letzten Jahren kontinuierlich für viele Häuser ist). Dabei geht es um die verquaste Frage: „Warum die alte Stuttgarter Philosophie modernisiert und aufleben lassen alles, was ist, gut ist, und warum wir es dennoch verbessern kön- – dafür wurde sein Haus zum Opernhaus des Jahres gewählt. Und nen.“ Mit einem verqueren Streifzug durch das Silicon Valley landet auch im Konzertwesen ist es durchaus möglich, diesen Geist zu etaBremens Intendant schließlich bei Leibniz’ „Wir leben in der bes- blieren. Während die Elbphilharmonie weitgehend auf den beliebiten aller möglichen Welten“, um dann über Voltaire und Bernstein gen Klassikzirkus und einige Crossover-Programme setzt und ledigund bei den Bremer Stadtmusikanten und irgendwelchen „intellek- lich die Architektur ihres Hauses vermarktet, ist gerade in kleineren tuellen Vordenkern der Linken“ zu landen. Am Ende stellt er mit Orchestern oft der Versuch zu erkennen, eine Bindung zwischen tagesaktuellem Bogen fest: Während die Deutschen sich entkapita- Musikern und Publikum herzustellen. Ich habe mich neulich mit lisieren, entkolonialisieren, entgentrifizieren und entprivatisieren, dem Dirigenten Dirk Kaftan unterhalten, der in der kommenden gefiele es den Flüchtlingen bei uns doch ganz gut – kann also alles Saison das Beethoven Orchester in Bonn übernimmt. Klar, auch er nicht so schlimm sein. wird die großen Klassiker interpretieren. Gleichzeitig will er versuVorworte wie diese zeigen, dass Theater – egal, wie sie ihre chen, die Stadt mit dem Orchester zusammenzuführen, sucht neue Spielpläne aufstellen – oft nur noch Projektionsflächen ihrer Prota- Spielorte, neue Partner, will Uraufführungen als „Normalität“ etabgonisten sind, Bühnen für das eigene Intellektuellen-Ego, Orte des lieren, Gesprächskonzerte veranstalten. Er will die klassische Konkleindenkenden Diskurses, dem das Publikum irgendwie zu blöde zertform bedienen, sie aber gleichzeitig hinterfragen. Auch das ist und die Kunst irgendwie zu kitschig erscheint. Statt des Glaubens zunächst einmal nur ein Gedankenkonzept, und es wird spannend an die Sinnlichkeit obsiegt der Glaube an die eigene Weltverbesse- zu sehen, ob die Idee sich am Ende sinnlich vermitteln lässt. rungstheorie. Denn das ist letztlich das Ausschlaggebende bei jeder ProEs ist selten geworden, dass Theater oder Orchester es schaffen, grammplanung: Ideen, Visionen, Überzeugungen und die andausich eine Philosophie zu geben, die über dem eigentlichen Spielplan ernden Befragungen der Musik als Mittel sinnlicher Erkenntnis. steht, eine Geisteshaltung, die den Spielplan von sich aus definiert, Das kann mit einem „ABC-Programm“ aus Aida, Bohème und Careine Herangehensweise an die Frage, wie man der Oper und dem men ebenso funktionieren wie mit konzeptionellen und ausgefalKonzert in unserer Zeit begegnet, was sie zu erzählen haben, welche lenen Programmplanungen. Nicht die Titel der Werke, die auf der Paradigmen sich in unserer Wirklichkeit geändert haben und wie Bühne stehen, sind entscheidend, nicht das aufgestülpte Motto, wir darauf reagieren können, welche Rolle die theatrale Inszenie- nicht die eine große Gala-Aufführung. Viel wichtiger ist das Selbstrung in einer durch und durch inszenierten Welt noch spielt. Bei- verständnis, das ein Theater oder ein Orchester ausstrahlt. ■ 41


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PROPAGANDA, ­WILLKÜR UND DAS „­ SCHWARZWALDMÄDEL“ Im Nationalsozialismus war Spielplangestaltung nicht nur ein Balanceakt ­ zwischen künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen – das Ergebnis musste auch ­ ideologischen Anschauungen gerecht werden. VON JASMIN GOLL

Die Operette Lauf ins Glück

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er verliebte Wauwau, Liebe in der Lerchengasse oder Lauf ins Glück. Was nach seichtem Vorabendprogramm klingt, füllte dem Nürnberger Stadttheater einst die Kassen. Heute findet man diese Operetten auf keinem Spielplan mehr. Als Neukompositionen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die regelmäßig und mit Erfolg aufgeführt wurden, verlieren sie ihre Harmlosigkeit und scheinen ideologisch belastet. Was auf den deutschen Bühnen in den 1930er- und 40er-Jahren gespielt wurde, war eben nicht nur Wagner. Am Nürnberger Stadttheater zum Beispiel war es eben vor allem die Operette, die die Bürger regelmäßig ins Theater zog und eine andere Funktion als die Oper erfüllte: das Bedürfnis nach Amüsement zu stillen und dadurch die Säle zu füllen. Eigentlich waren die Spielregeln genau abgesteckt: Die Spielplanpolitik folgte – wie auch Personalpolitik und Bühnenästhetik – in den 1930er- und 40er-Jahren den ideologischen Anschauungen der Nationalsozialisten. In den „Richtlinien für eine lebendige deutsche Spielplangestaltung“, die das dramaturgische Büro des Kampfbundes für Deutsche Kultur 1933 aufstellte, wurde gefordert, dass die dargebotenen Werke „in ihrer geistigen Haltung, in ihren Menschen und deren Schicksalen deutschem Empfinden, deutschen Anschauungen, deutschem Wollen und Sehnen, deutschem Lebensernst und deutschem Humor entsprechen“. Was das bedeu42

ten sollte, wurde erst konkreter, als die Spielpläne in der Spielzeit 1934/35 erstmals überwacht wurden. Die Theaterabteilung des Propagandaministeriums mit dem Reichsdramaturgen Rainer Schlösser an der Spitze hatte nun ein Auge darauf, was auf den deutschen Bühnen gezeigt wurde. Für die „deutsche“ Spielplangestaltung bedeutete das, wie Schlösser festlegte: Werke jüdischer Musiker und Librettisten waren von den Bühnen zu verbannen und maximal 20 Prozent eines Spielplans durften aus Werken ausländischer Komponisten bestehen. Zur Orientierung verschickte er auch einen beispielhaften Spielplan an alle Opernhäuser, der ausschließlich Werke deutscher und österreichischer Komponisten vorsah. So die Marschrichtung. Jedoch war die Vorgehensweise nur vordergründig systematisch und konsequent. Einige Einzelfälle und Ausnahmeregelungen lassen dieses Bild brüchig werden. Insbesondere in den Operettenspielplan ließ sich nicht ohne Weiteres eingreifen. Schlösser musste zugeben, dass die beliebtesten Operetten von jüdischen Komponisten oder Librettisten stammten. Sie kurzerhand aus dem Spielplan zu nehmen, hätte die Umsätze der Theater ruiniert. Man verdrehte also Tatsachen und nahm es hie und da nicht so genau. Obwohl zum Beispiel Johann Strauss (Sohn) gemäß Rassengesetzen Vierteljude war, wurde er durch Urkundenfälschung im Handumdrehen zum Arier und weiterhin auf die Spielpläne gesetzt. Gefiel einem NSDAP-Funktionär ein www.crescendo.de

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F OTO S : A RC H I V S TA AT S TH E ATE R N Ü R N B E RG (2); S TA DTA RC H I V N Ü R N B E RG

Wochen-­Spielplan von Januar 1935

Das Land des Lächelns von Franz Lehár. Lehárs Werke gefielen Hitler so sehr, dass er ihn auf die Gottbegnadeten-Liste setzte

Stück, das ausgerechnet ein „jüdisches“ Werk war, ging nicht selten Krieges noch annähernd aufrechterhalten werden konnten, machdie individuelle Vorliebe vor. Léon Jessels Schwarzwaldmädel war ten sich die Auswirkungen zunehmend bemerkbar. 1943/44 konnte solch ein Fall. 6.000 Mal war die Operette zwischen 1917 und 1933 man nur noch acht Operetten – dennoch bei insgesamt 152 Aufauf den deutschen Bühnen zu sehen gewesen, und 1935 sollte auf führungen – und 25 Opern (178 Aufführungen) zeigen. Schließlich einmal Schluss damit sein, weil Jessel Jude war – nicht so in Nürn- flossen noch mehr Gelder in die Rüstungsindustrie. berg. Adolf Hitler und Julius Streicher, Herausgeber der antisemiDie Umgestaltung der Opernspielpläne verlief reibungsloser – tischen Hetzschrift „Der Stürmer“, mochten das Stück so sehr, dass auch weil diejenigen Intendanten, die nach 1933 ihre Posten nicht eine Sondergenehmigung für Nürnberg eingeholt wurde. Strei- aufgrund „politischer Unzuverlässigkeit“ verloren hatten, häufig cher wünsche, dass „im Interesse einer interessanten Spielplange- den Ansprüchen der neuen Machthaber gerecht wurden. So auch staltung in der Operette die Arierfrage nicht nachgeprüft werden beim Intendanten Johannes Maurach, der von 1922 bis 1939 das solle, da sonst ein das Publikum interessierender Spielplan nicht Nürnberger Haus leitete. Eine Spielplanstatistik dieser Jahre zeigt, recht möglich sei“, so hieß es in einem Begründungsschreiben an wie die Musiktheaterwerke hierin in nationale Schubladen gesteckt die Reichsdramaturgie. Aber wenn einer darf, wollen die anderen wurden: „deutsche Oper“, „italienische Oper“, „andere ausländische auch … Doch die Anfragen anderer Theater, das Werk aufführen Opern“ und – ganz ohne nationale Unterscheidung – „Operetten“. zu dürfen, wurden abgewehrt. Nürnberg verfügte über das allei- Zu den deutschen Opern rechnete man nicht nur Wagner, Weber, nige Aufführungsrecht, bis das Stück auch dort 1937 gänzlich von Lortzing und Flotow, sondern auch ins Deutsche übersetzte Werke den Spielplänen verschwand. von Mozart oder Rossini. Als „ausländisch“ galt alles andere. Hier Ein weiteres Kriterium waren die Handlung und die Musik­ war Bizets Carmen die meistgespielte Oper. Werke sowjetischer ästhetik. Beispielsweise waren prominente oder historische Per- Komponisten wurden gestrichen. Maurachs Spielpläne waren eher sönlichkeiten auf der Theaterbühne nicht wenig wagemutig. In der Saison 1935/36 erwünscht. Franz Lehárs Operette Friespielte man zum Beispiel 15 „deutsche INFORMATION derike wurde in Nürnberg verboten, da Opern“, darunter drei Werke von WagDas Forschungsinstitut für Musiktheater der – so Hitlers eigene Begründung – Goethe ner, rein zahlenmäßig angeführt von den Universität ­B ayreuth (fimt) forscht derzeit in darin auftrat. Die entstehenden Lücken Meistersingern von Nürnberg, sechs „italiKooperation mit dem Staats­theater Nürnauf den Spielplänen wurden mit Überenische Opern“, davon drei Verdi-Opern berg und dem Dokumentationszentrum arbeitungen von bestehenden Stücken und zwei „ausländische Opern“, nämlich Reichsparteitagsgelände zu „Inszenierung oder Neukompositionen gefüllt, was dem Bizets Carmen und Gounods Margarethe, von Macht und Unterhaltung – Propaganda Genre einen neuen Anstrich verpasste. eher bekannt als Faust. Uraufführungen und Musiktheater in Nürnberg 1920–1950“. Weniger erotisch, weniger verjazzt, weniwaren in der Opernsparte in Nürnberg Am 14. Juni 2018 wird eine Ausstellung im ger aufrührerisch, dafür volkstümlicher rar gesät, wobei diese dann auch mehr Dokumen­tationszentrum eröffnet. und anständiger sollten sie sein. Aufmerksamkeit erlangten als OperetWeitere Infos unter Die Operettensparte in Nürnberg tenuraufführungen. Blickt man einmal www.musikpropaganda.uni-bayreuth.de war in der Anzahl der Aufführungen mit auf die großen Opernhäuser des Landes, ­sowie www.fimt.uni-bayreuth.de der Oper gleich auf. Die Opernsparte bot so ergibt sich ein ähnliches Bild: An der allerdings mehr Vielfalt. Schließlich war Bayerischen Staatsoper waren beispielsdem Theater der Auftrag gegeben, das Publikum mit einer großen weise Wagner, Verdi, Puccini, Strauss und Mozart nach wie vor 1933 Bandbreite an deutscher Kunst vertraut zu machen. Das Pensum die meistgespielten Komponisten. scheint aus heutiger Sicht unvorstellbar: In der Saison 1933/34 stanEinen konsequenten Bruch gab es 1933 also nicht. Einen den 20 Operetten mit insgesamt 166 Aufführungen und 32 Opern „nazifizierten“ Spielplan gab es in dem Sinne nicht, da man zum Teil mit 172 Aufführungen auf dem Spielplan. Zum Teil wurden am Tag nicht eben mit Vorherigem brach, stattdessen aber immer wieder zwei Stücke gegeben. Obwohl diese Zahlen selbst zu Beginn des mit den eigenen ideologischen Zielen. ■ 43


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(BR-Klassik)


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John Axelrods Weinkolumne

SUPERNATIONAL

ZE I C H N U N G : S TE FA N S TE IT Z

Weine wie Komponisten werden gerne nach Regionen klassifiziert. Das ist Schwachsinn, findet unser Kolumnist und hat die Kosmopoliten unter den Rebensäften und Tonkünstlern für uns aufgespürt. Die Sommersonne hört auf zu glühen, der Region voneinander abgegrenzt werden. den klassischen Stil Mozarts angelehnt, wesHerbst ist da, und die Weintrauben wollen Bordeaux wird heute von Kalifornien bis halb er oft „der italienische Mozart“ oder gepflückt werden! Mit dem Wechsel der Chile angebaut. Viele Künstler sind nicht auf „Il Tedeschino“, also „der kleine Deutsche“ Jahreszeiten von Sommer zu Herbst wech- das Repertoire ihres Landes begrenzt: Rus- genannt wurde. Rossini war ein Italiener, seln auch die Spielpläne. Zwischen dem Pro- sen können genauso gut Bach spielen wie der in Bologna aufwuchs, in deutschem Stil gramm eines Orchesters oder Opernhauses Amerikaner Brahms. Wir sollten das ganze komponierte und inoffizieller Lebensmittelund den Weinen, die ein Winzer auswählt, Repertoire kennen – nicht nur das, was sich kritiker in Frankreich wurde. In seinen frügibt es Parallelen: Damit Publikum und aufgrund unserer Herkunft in unserer DNA hen komischen Opern wie dem Barbier von Musiker davon profitieren können, muss befindet! Leider sind Orchester immer wie- Sevilla kann man den Lambrusco sprudeln man als Programmplaner die Werke und der versucht, ihre Programmplanung nach hören. In seinen Tragödien wie La Donna die Charakteristika der Komponisten ver- solchen Kriterien, darüber hinaus noch del Lago klingt die Intensität des Sangiovese, stehen, genau so, wie man als Winzer die nach Geschlecht oder und in Guillaume Tell Charakteristika der Trauben und der aus Jugendwahn zusammenist die innere Größe des ihnen resultierenden Weine verstehen sollte. zustellen, weil sich das Cabernet zu hören. WIR SOLLTEN DAS In Europa wird Wein in erster Linie nach außen gut verpacken Rossini war ein GANZE REPERTOIRE aufgrund seiner geografischen Lage klassifi- und verkaufen lässt. ProKomponist ohne Grenziert – genauso wie Komponisten. Kultugrammplanung sollte zen, ein Supermann, der KENNEN, NICHT relle Identität wird oft mit dem Namen aber auf Qualität und in Bezug auf Wein am NUR DAS, WAS SICH besten mit einem sogeeines Komponisten in Verbindung nicht auf Nationalität, gebracht. So ist musikalische Bildung Alter oder Geschlecht nannten „SupertoskaIN UNSERER DNA in Deutschland nicht ohne die drei groberuhen! In unserer ner“ verglichen werden BEFINDET! ßen „B“ – Bach, Beethoven und Brahms globalisierten, gleichkann: Darin mischen – denkbar. Ravel wird im Rahmen einer berechtigten Gesellsich auf unvergleichli„Französischen Musiknacht“ gegeschaft sind Orchesche Art Trauben aus Itaben – mit französischen Dirigenten. ter genauso eine Mischung von lien, nämlich Sangiovese, mit solchen aus Tschaikowsky und Rachmaninow Nationalitäten wie Weine eine Frankreich, nämlich Cabernet Sauvigbilden den Kern eines russischen Mischung von Trauben. Die Region non und Cabernet Franc. Die Preise dafür Programms mit russischen Solisten. ist unwichtig. Qualität ist das ein- können astronomisch sein. Aber wenn Sie Als Amerikaner werde ich ebenfalls zige Kriterium! Der ultimative Test auch nur den preisgünstigsten der Superkategorisiert und viel häufiger dazu ist, wie es klingt, beziehungsweise toskaner probieren, den Antinori Tignaeingeladen, Bernstein und Gershwie es schmeckt! nello, dessen Geschmack auf Ihrer Zunge win zu dirigieren als andere KomIch habe einen Wein und tanzt wie Rosinas Arie Una voce poco fa, ponisten. einen Komponisten gefunden, werden Sie durch Wein wie durch Melodie Aber genauso wenig, wie die beide nicht kategorisiert wer- einfach nur beglückt sein! ■ Künstler auf ihre Nationalität reduden können: Der für seine Opern ziert, sollten Weine nur nach ihrer berühmte Rossini schrieb stark an John Axelrod ist Generalmusikdirektor und Geschäftsführer des Real Orquesta Sinfónica de Sevilla und erster Gastdirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er Bücher und sorgt sich um das Wohl des crescendo-Lesergaumens. Seit Kurzem hat er einen neuen englischsprachigen Blog zum Thema Wein und Musik begonnen: www.IamBacchus.com. Den Wein „Antinori Tignanello“ können Sie im Wein-Versandhandel bestellen oder direkt unter: www.antinori.it. 45


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1) Im Kaiserdom 2) Die Bamberger Symphoniker 3) „Klein-Venedig“ 4) Abendlicher Blick über Bamberg 5) Bamberger Reiter 6) Im Herzen der Braukultur 7) Kaisersaal der Neuen Residenz 8) Um Bamberg: Schloss Weißenstein in Pommersfelden 9) Lorscher Arzneibuch

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F OTO S : B A M B E RG TO U R I S M U S & KO N G R ES S S E RV I C E

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„DAS IST EINFACH WUNDERSCHÖN!“

Bamberg Bier, Kunst und Idylle! In den Probenpausen lauscht Jakub Hrůša, Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, auch gerne mal dem Entenschnattern an der Regnitz. Uns führt er durch das urige „Klein-Venedig“ Frankens. VON DOROTHEA WALCHSHÄUSL

F OTO: PAV E L H EJ N Z

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er den großen Reiz der kleinen Stadt gerade im einzigartigen Miteinander aus familiärer Bamberg erleben möchte, beginnt Überschaubarkeit und Kunst und Kultur von Weltrang. seinen Spaziergang am besten im Sind die Bamberger Symphoniker auf Tournee, präpochenden Herzen der Altstadt und sentieren sie mal in Asien, mal in Amerika, mal in verweilt auf der Brücke zum Alten Rathaus. Unter Europa Musik auf Spitzenniveau. Sind sie zu Hause, einem rauscht die Regnitz, Kanufahrer ziehen ihre fahren sie mit dem Fahrrad zur Arbeit und lauschen Jakub Hrůša, Bahnen, am Berg thront der Dom und in verwinkelin den Probenpausen am Ufer der Regnitz dem Chefdirigent der ten Gässchen treffen sich Studenten und Einheimi- Bamberger Symphoniker Schnattern der Enten. sche zum Kaffee, während am Grünen Markt lautZwischen Jakub Hrůša und den Symphonikern stark frisches Gemüse aus der Region angepriesen wird. Geht man war es eine Liebe auf den ersten Ton. „Es hat von Beginn an funktiein paar Meter weiter entlang des Flusses, öffnet sich die bunte oniert“, sagt Hrůša, und die Orchestermitglieder seien sehr reflekKulisse alter Fischerhäuser, die sich im Wasser spiegeln. „Klein- tiert, sehr ernsthaft und diszipliniert, wenn es um das Erreichen des Venedig“ heißt das Ambiente im Volksmund, ein Geschenk für bestmöglichen Ergebnisses ginge. Spricht Hrůša über den besondejeden Hobbymaler. ren Klang dieses außergewöhnlichen Ensembles, gerät er schnell ins „Das ist einfach wunderschön, oder?“, sagt Jakub Hrůša an Schwärmen. „Weich, warm und reich, voller Farben in den Geigen einem Tag Ende April, bleibt andächtig stehen und breitet die Arme und von einer großen Einheit in den Bläsern“ sei der Zusammenaus. Seit Herbst 2016 ist der Tscheche der neue Chefdirigent der klang der Symphoniker. „Das Orchester spielt hochsensibel und Bamberger Symphoniker und längst hat er in dem fränkischen Idyll intelligent, ist stolz auf seine lange Tradition und gleichzeitig sehr eine zweite Heimat gefunden. Ob es das genussvolle Savoir-vivre ist, offen, auch immer wieder etwas Neues auszuprobieren“, so Hrůša. die Brauereitradition oder die hohe Wertschätzung der kulturellen Seit ihrer Gründung 1946 sind die Symphoniker in Bamberg Tradition – „es gibt hier viele Ähnlichkeiten, was die Kultur und die beheimatet und tragen wesentlich dazu bei, dass die kleine Stadt Lebensart anbelangt“, so Hrůša. unweit der fränkischen Schweiz mit ihren malerischen StraßenzüVom Trubel der Altstadt sind es nur ein paar Minuten bis zur gen und lauschigen Plätzen zugleich ein pulsierendes Zentrum der Heimat der Symphoniker. Direkt am Fluss gelegen prangt mit run- klassischen Hochkultur ist. Bamberg, das auf sieben Hügeln erbaut dem gläsernen Vorbau die Konzerthalle, in deren akustisch gelun- wurde und deshalb auch manchmal als „fränkisches Rom“ bezeichnet genen Joseph-Keilberth-Saal regelmäßig erstklassige Konzerte statt- wird, geizt dabei wahrlich nicht mit seinen Reizen und zieht Kulturfinden. Während international anerkannte A-Orchester zumeist in fans, Freunde schmackhaft bodenständiger Küche und Naturliebhaweitläufigen Großstädten zu Hause sind, liegt der Reiz in Bamberg ber gleichermaßen in seinen Bann. Nicht ohne Grund wurde die im 47


L E B E N S A R T

Krieg kaum zerstörte Altstadt 1993 in die UNESCO-Welterbe-Liste „Leidenschaft“ lautet und packende Werke aus vier Jahrhunderten aufgenommen: Eindrucksvolle Gebäude erzählen von barocker und auf dem Programm stehen. Seine eigene Passion hat der sensible mittelalterlicher Baukunst, unzählige Sehenswürdigkeiten liegen Künstler mit dem konzentrierten Blick schon früh für sich entdeckt, nur wenige Minuten fußläufig voneinander entfernt. und das Dirigieren vergleicht er mit einem geheimnisvollen Tanz, Jakub Hrůša hat die fränkische Kleinstadt nach und nach zwi- einer bestimmten Choreografie. „Als Dirigent arbeitet man mit der schen den Probenphasen für sich entdeckt Energie der Musik. Es geht um Sprache, um und auf zahlreichen Spaziergängen in sein Gestik, um Gedanken und Gefühle, und im Herz geschlossen. Nun läuft der 36-jährige besten Falle bleibt immer noch etwas sehr Dirigent mit schnellen Schritten durch die Spielerisches bei aller Perfektion.“ Dieses Spiel Fußgängerzone. In einem Gummibärchenmit den Kräften hat sich für ihn immer „absoLaden kauft er ein paar süße Mitbringsel für lut richtig“ angefühlt. „Es war ein geradliniger seine Familie, dann geht es weiter ins RestauWeg, der bis heute andauert“, stellt Hrůša fest rant Eckerts, das gleich einem Boot vor Anker – geführt hat er ihn nun in jenes zauberhafte direkt im Wasser zu liegen scheint. Hrůša Kleinod in Oberfranken. Hier findet er Ruhe, nippt am Latte macchiato, bestellt einen EisKonzentration und Schönheit, und von hier becher mit Früchten und blickt nachdenklich aus trägt er mit seinem Orchester die Kunst auf das rauschende Wasser der Regnitz. Dann hinaus in die Welt. sagt er: „Als Dirigent hat man eine große „Ich fühle mich hier sehr zu Hause“, sagt Macht, um die Musik zu gestalten, man kann Hrůša, nimmt einen letzten Schluck Kaffee aber auch viel zerstören. Daraus resultiert eine und taucht wieder hinein in das quirlige Leben immense Verantwortung.“ Hrůša ist sich dieder Altstadt. Vorbei am alteingesessenen Gastser bewusst und agiert am Dirigentenpult als haus Schlenkerla, aus dem es nach Rauchbier E. T. A.-Hoffmann-Skulptur am feinsinniger und fokussierter Gestalter, der und Bratwürsten duftet, vorüber an gemütligleichnamigen Platz weniger Chef der Orchestermitglieder, denn chen Straßencafés und urigen Kneipen, zurück Musikerkollege und freundschaftlicher Partner ist. „Ich glaube, es an den Fluss, auf dem die Schwäne der imposanten Konzerthalle geht im Leben darum, so aktiv wie möglich zu leben, intensiv zu entgegentreiben. „Das ist wunderschön, oder?“, fragt Hrůša und fühlen, sich zu spüren, Beziehungen zu leben, sich zu berühren und grinst. „Einfach wunderschön.“ aktiv zu gestalten“, sagt Hrůša und lächelt. Da verwundert es kaum, Dann folgt er den Schwänen und macht sich auf den Weg zur dass das Motto der Saison 2017/18 der Bamberger Symphoniker Arbeit. ■

Tipps, Infos & Adressen

Musik & Kunst

Essen & Trinken

Übernachten

Musikalisches Aushängeschild der fränkischen Kleinstadt sind die Bamberger Symphoniker, die in der Konzerthalle direkt an der Regnitz gelegen bei bester Akustik ein reiches Konzert­ programm präsentieren. Weitere lohnenswerte Kulturstätten sind unter anderem das E. T. A.Hoffmann-Theater sowie eine Vielzahl von Museen, die interessante Einblicke in die Stadt­ geschichte und spannende künstlerische Perspektivenwechsel garantieren.

Bamberg ist eine Hochburg der Brauereikultur, und so finden sich zahlreiche gemütliche Wirtshausstuben, in denen verschiedenste Biersorten sowie Leckerbissen der bodenständig fränkischen Küche genossen werden können. Ein Klassiker ist das Schlenkerla, lohnenswert ist auch ein Besuch im Hofbräu. Leckere Flammkuchen und einen einzigartigen Blick auf den Fluss gibt es im Restaurant Eckerts direkt über der Regnitz gelegen; nach einem Konzert empfiehlt sich eine Einkehr im Restaurant Franceso am Michaelsberg, in dem auch Jakub Hrůša regelmäßig zu Gast ist.

Eine Vielzahl von Hotels, Frühstückspensionen und Ferienwohnungen bietet in Bamberg etwas für jeden Geschmack. Ideal für einen Kultururlaub eignet sich das nur fünf Minuten von der Konzerthalle entfernte Welcome Residenzschloss Hotel an, von dem aus ein idyllischer Fußweg am Fluss entlang in die Altstadt führt. Zimmer mit Aussicht im Herzen der Altstadt gibt es im Hotel Nepomuk; zahlreiche weitere Unterkünfte findet man über die Touristeninformation Bamberg.

Weitere Informationen unter: www.bamberger-symphoniker.de www.theater.bamberg.de www.museum.bamberg.de

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www.welcome-hotels.com www.hotel-nepomuk.de

www.schlenkerla.de, www.das-eckerts.de www.hofbraeu-bamberg.de www.francesco-bamberg.de www.crescendo.de

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Reiseinformationen rund um einen Besuch in Bamberg.


HOTELTIPP

Termine

FÜR GLOBETROTTER Ab ins Baltikum! Vilnius

Parkhotel Zum Engel Vier-Sterne-Oase zwischen Österreich und Italien

F OTO: PA R K H OTE L Z U M E N G E L

Im Opernhaus der Hauptstadt Litauens, einer Perle des Barock und bekannt für ihr rebellisches Künstlerviertel, ist am 20.9. und 17.11. Čiurlionis, ein Ballett über den gleichnamigen Malerkomponisten und größten Künstler des Landes, zu sehen. Im westlich von Vilnius gelegenen Kaunas findet vom 5. bis 8.10. ein internationales Tanzfestival statt. Infos unter www.opera.lt, www.ciurlionis.lt, www.aura.lt

Tartu Im schief stehenden Kunstmuseum von Tartu, der geistigen Hauptstadt Estlands, ist ab 29.9. Museum Choreography zu sehen. Gezeigt wird das Museum als Ort, den Menschen mit ihrer Gegenwart, ihrem kulturellen Hintergrund und ihrem Verhalten schaffen. Zu den mitwirkenden Choreografen zählen die estnischen Performance-Künstlerinnen kadrinoormets und Maarja Tõnisson sowie Maria Hassabi und William Forsythe. Infos unter www.tartmus.ee

Riga Im Opernhaus der Hauptstadt Lettlands mit ihrem europaweit größten Ensemble an Jugendstilbauten hat am 28.9. Zigmars Liepiņš’ Oper Die Rose von Turaida Premiere. Sie erzählt die tragische Legende des Mädchens Maija Roze, deren symbolisches Grab am Fuß der mittelalterlichen Burg Turaida in Sigulda bis heute das Ziel verliebter Paare ist. Am 5.10. beginnt ein landesweites Kammermusikfestival, u. a. mit Baiba und Lauma Skride in ihrer Geburtsstadt, und im November ein vom Komponisten Pēteris Vasks initiiertes Festival für zeitgenössische Musik. Infos unter www.opera.lv, www.kamermuzika.lv, www.arenafest.lv

Sterzing kennen viele Menschen nur als Mautstelle der Brennerautobahn. Setzen Sie die Scheuklappen ab und erkunden Sie den besonderen Alpenzauber der mittelalterlichen Fuggerstadt. Danach kann im Parkhotel Engel residiert werden: Besitzerin Fini Schafer verwandelte den einstigen Bauernhof in ein individuell geführtes Vier-Sterne-Hotel in idyllisch grüner Oase. Mit zwölf neuen, luxuriösen Fugger-Suiten und dem hochwertigen, liebevoll gestalteten Wellnessbereich ist das Engel in Sterzing das erste Haus am Platz. Information und Reservierung unter www.zum-engel.it, Tel: +39-0472-76 51 32

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FIGARO


H O P E

T R I F F T

Die Daniel-Hope-Kolumne

AGILITÄT UND NUGGI-KONZERT

Daniel Hope: Grüezi, Michael! Die Schweiz hat Deutschland in einer aktuellen Umfrage als weltbestes Land abgelöst. Es gibt 1.142 Museen, 13 Profiorchester und 27 Berufstheater. Gibt es einen KulturBoom unter den Eidgenossen? Michael Bühler: Ich weiß nicht, ob man von einem Boom sprechen kann, aber in der Stadt und dem Kanton Zürich hat man bereits vor einigen Jahren erkannt, dass hohe Lebensqualität auch von einem attraktiven Freizeit- und Kulturangebot abhängt. Und die Rechnung, dass auch die Regierung hinter einem starken Kultur­ angebot steht, geht tatsächlich auf. Seit Beginn der Saison 2008/09 bist du Direktor des Zürcher Kammerorchesters (ZKO). Das Orchester erlebt einen unglaublichen Aufschwung, dabei kämpfen viele Kammerorchester um ihre Existenz. Wie siehst du die Zukunft für Kammerorchester? Ich bin überzeugt, dass Kammerorchester gegenüber großen Sinfonieorchestern entscheidende Vorteile besitzen, die ich seit meinem Amtsantritt umzusetzen versuchte, um im Strudel der starken Konkurrenz und des rasanten Wandels in der Klassikindustrie zu überleben. Damit meine ich zum Beispiel die Möglichkeit, aufgrund der geringen Betriebsgröße rasch und flexibel auf Veränderungen im Markt, also die Erwartungen des Publikums, reagieren zu können. Beim Erfolg des ZKO steht primär die künstlerische Entwicklung der letzten Jahre im Zentrum. Es hat sich aber auch gezeigt, dass der Wandel eines anonymen Klangkörpers zu einem sympathischen, 50

Daniel Hope mit Michael Bühler, Direktor des Zürcher Kammerorchesters

nahbaren Ensemble den Brückenschlag zum Publikum erleichterte und damit eine entspannte Konzertatmosphäre entstand, in welcher sich Publikum und Künstler gleichsam wohl fühlen, was bei klassischen Konzerten leider nach wie vor nicht selbstverständlich ist. Das ZKO ist seit Jahren federführend in seinen Konzerten für Kinder, genannt „Nuggi-, Krabbel- und Purzelkonzerte“. Wie bist du auf diese Idee gekommen ? Wie viele Intendanten setzte ich mich intensiv mit der Frage auseinander, wie wir ein breiteres und jüngeres Publikum gewinnen könnten. Als dann einige junge Eltern zu mir kamen und mit Bedauern mitteilten, dass sie nicht mehr zu unseren Konzerten kommen können, da sie gerade Nachwuchs bekommen hätten, wusste ich, dass wir reagieren müssen. Aus zwei im Nu ausverkauften Pilot-Nuggi-Konzerten für junge Familien mit Babys zwischen null und eins, nahm das Angebot jährlich zu, sodass wir heute fast 40 Konzerte für Familien mit Kindern bis sieben Jahre anbieten, die alle

meist bis auf den letzten Platz ausverkauft sind. Früher glaubte man, dass Menschen mit zunehmendem Alter irgendwann wie von Geisterhand gesteuert auf die Idee kommen, zu einem klassischen Konzert zu gehen. Heute weiß man, dass man viel eher zu seinen musikalischen Wurzeln zurückkehrt. Es ist also elementar, dass wir junge Leute zu klassischer Musik führen – und zwar so früh wie möglich –, um zumindest die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sie mit zunehmendem Alter zurückkommen. Zürich durchlebt eine interessante Zeit. Die Tonhalle wird renoviert, ein neuer Saal wird bald eröffnet. Wie sehen die Herausforderungen für die Stadt in den nächsten Jahren aus? Leider fehlten der Stadt Zürich gute Alternativen zum weltberühmten TonhalleSaal, sodass in kurzer Zeit ein Provisorium in einem anderen Stadtviertel gebaut werden musste. Die große Herausforderung besteht nun darin, das bestehende Publikum von diesem Ortswechsel zu überzeugen. Das ZKO hat sich entschieden, einen Teil seiner Konzerte dennoch im Herzen der Stadt zu geben, und hat mit der zentralsten Pfauenbühne des Schauspielhauses eine sehr attraktive Alternative gefunden, die uns sowohl von der Lage, den akustischen Gegebenheiten als auch von der Tatsache, dass sich Orchester und Publikum hier sogar noch direkter begegnen können, überzeugt hat. Ich bin glücklich und dankbar, dass uns die Direktion des Schauspielhauses in dieser Notsituation vorübergehend ein musikalisches Zuhause angeboten hat. n www.crescendo.de

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F OTO: TH O M A S E N T ZE ROTH

Flexibilität, Wohlfühlatmosphäre und Konzerte für die Allerkleinsten. Michael Bühler, Direktor des Zürcher Kammerorchesters, verrät das Erfolgsrezept seines Klangkörpers.



A N N A N E T R E B KO & Y U S I F E Y VA Z O V

Die schönste Sache auf Erden ist zu lieben und geliebt zu werden DAS NEUE ALBUM „ROMANZA“ AB 01.09.

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MEHR INFOS UNTER: W W W. A N N A N E T R E B K O . C O M

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