Dialog der Wissenschaften 2013: Sich Aufgaben stellen

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Einladung Call for Papers

Tagung 20.‐22. Juni 2013 in Magdeburg

Dialog der Wissenschaften 2013

Sich Aufgaben stellen

gemeinsam_taktvoll_verantwortlich

Ort:

Die Veranstaltung findet vom 20. Juni 2013 (Beginn: 14.00) bis zum 22. Juni 2013 (Programmende: 15.00) in Magdeburg statt.

Kosten: Der Unkostenbeitrag beträgt i.d.R. 65,‐ €, für Geringverdienende ermäßigte 45,‐ €, gut Verdienende bitten wir um 85,‐ €, um den ermäßigten Kostenbeitrag realisieren zu können. Organisatorisches: Nähere Information zu Tagungsort, Tagungslogistik, Hotels, Zahlungsmodalitäten etc. erhalten Sie ebenfalls spätestens bis zum 30.4.2013 unter www.die‐zwischenwelt.org Publikation: Eine geeignete Veröffentlichung des Veranstaltungsgeschehens ist geplant – die Publikation zu der letztjährigen Veranstaltung ist in Vorbereitung und soll bis zur Tagung in 2013 vorliegen Einlader und Veranstalter: Das Lehr‐ und Forschungsteam des Studiengangs Cultural Engineering, Otto‐von‐Guericke‐Universität Magdeburg


»Dialog« kommt von dem griechischen Wort dialogos. Logos heißt »das Wort« oder auch »Wortbedeutung,Wortsinn«. Und dia heißt »durch« — nicht »zwei«. Ein Dialog kann von einer beliebigen Anzahl von Leuten geführt werden, nicht nur von zweien. Sogar ein einzelner kann einen gewissen inneren Dialog mit sich selbst pflegen. Wesentlich ist, daß der Geist des Dialogs vorhanden ist. Die Vorstellung oder das Bild, das diese Ableitung nahelegt, ist das eines freien Sinnflusses, der unter uns, durch uns hindurch und zwischen uns fließt. Das macht einen Sinnstrom innerhalb der ganzen Gruppe möglich, aus dem vielleicht ein neues Verständnis entspringen kann. Diese Einsicht ist etwas Neues, das zu Beginn möglicherweise gar nicht vorhanden war. Sie ist etwas Kreatives. Und dieser untereinander geteilte Sinn ist der »Leim« oder »Zement«, der Menschen und Gesellschaften zusammenhält.

David Bohm 1996

Wir laden ein zu einer zweiten Runde der Begegnung – erneut jenseits disziplinärer Gehege. Die erste Runde war für alle, die im Juni 2012 dabei sein konnten, eine große Freude und hat dazu ermutigt, eine Begegnungsform erneut anzubieten, die Dialoge ermöglicht.

Zwar startet das Erforschen wissenschaftlicher Fragen oft da, wo man aus der Perspektive (s)einer Disziplin auf etwas aufmerksam wird. Der entstehenden Frage nachzugehen führt aber nicht selten dazu, dass man wahrnimmt und fühlt, dass neben der Frage und Aufgabe, die für einen selbst zur Entfaltung kommt, auch andere Fragestellungen und Aufgaben quasi in der Luft liegen. Im letzten Jahr haben die Gespräche und der Austausch gezeigt: Eine nur monodisziplinäre Herangehensweise an eine komplexe Forschungsfrage läuft nicht selten Gefahr, zu kurz zu greifen. Multidisziplinäre Zugänge dagegen könnten unerwartete Chancen eröffnen – vor allem dann, wenn es um gesellschaftlich relevante oder gar brisante Themen geht. Hieraus ergibt sich die Idee der Tagung ‚Dialog der Wissenschaften’ für das Jahr 2013: Im Dialog der Wissenschaften kann, soll und wird die Wichtigkeit und Kraft von Spezialwissen steigern, wenn und weil es gelingt, fachspezifisches Wissen in seiner Relation zum Wissen anderer Disziplinen wahrzunehmen und in der dialogischen Begegnung Neues entstehen zu lassen.

Wir möchten Sie also – für den Fall, dass Sie diese Erwartung teilen mögen und die entsprechende Er‐ fahrung machen möchten – in den Dialog mit einer wachsenden Gruppe von Menschen einladen, die in dieser Weise denken und arbeiten und die ihre Überlegungen und Zugänge zu komplexen gesellschaftlichen Fragestellungen dialogisch mit anderen entfalten möchten.

Die Argumente, die für die Einnahme einer solchen Haltung sprechen, bleiben die gleichen wie vor einem Jahr: Die cultural turns der letzten Jahre, die Öffnung der Natur‐ und Kulturwissenschaften füreinander und das hierbei zunehmende Verschwinden von Dichotomien, wie Idealismus und Materialismus, Alt und Neu, sowie eine verstärkt angestrebte Verzahnung von Theorie und Praxis, von Begriff und Anschauung, signalisieren: In der Wissensgesellschaft ist die Frage neu zu behandeln, was disziplinäre Grenzen nutzen, was sie aber auch behindern können, wenn man anstrebt, zu wissensbasierten Lösungen der gesellschaftlich virulenten Aufgaben zu kommen. Im Sinne einer Wissenschaftsforschung gilt es zu über‐ legen, wie sich methodische Forschungszugänge, wie z.B. die der Systemtheorie, der Kybernetik, der neuen Phänomenologie, der Akteur‐Netzwerk‐Theorie oder auch der Neurowissenschaft mit ihrem jeweils umfassenden Potenzial zur Erschließung, Gestaltung und reflexiven Durchdringung von Problemlagen miteinander vermitteln lassen.

Vermutlich ist es auf Dauer unzweckmäßig, solche Forschungsrichtungen konkurrierend zu sehen und sie gegeneinander in Position zu bringen. So markieren Begriffe wie ‚komprehensives Denken’ (Richard Buckminster Fuller), ‚soziotechnische Kollektive’ (Bruno Latour), ‚postheroisches Handeln’ (Dirk Baecker aber auch François Jullien), ‚vernetztes Denken’ (Frederic Vester), aber auch ‚Cultural Engineering’, ein wachsendes Interesse und eine zunehmende Bereitschaft dazu, die disziplinären ‚Gehege’ u.a. mit Blick auf die Wirksamkeit von dialogischem Austausch hinter sich zu lassen. Wenn fortgesetzt die gesellschaftliche ‚Werteschöpfung’ auf Kapitalsicherung reduziert zu werden droht, gilt es dabei auch, zentralen Qualitätsansprüchen wie sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit, menschlicher Achtsamkeit und ökologischer Nachhaltigkeit gezielt Aufmerksamkeit zu schenken. Solche Orientierungen als Elemente wirklicher Werteschöpfung sind nötig und so geht es auch darum, Gelegenheiten dafür zu schaffen, dass Menschen disziplinäres Spezialwissen in wechselseitiger Befruchtung auch zu qualitäts‐ orientierten und insofern neuen Wertschöpfungsprozessen zusammenfügen.


Dass das aussichtsreich ist, haben der Diskurs zum Wissensmanagement aber auch die Tagungserfahrung 2012 in Magdeburg zeigen können: Wissen ist eine Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt. So kann auch die Wissensteilung zwischen Disziplinen Wissensvermehrung bewirken. Davon strategisch Gebrauch zu machen, ist die Idee der kommenden Tagung, zu der wir Sie einladen möchten. Wir wollen dazu erneut einen dialogischen Raum zwischen den disziplinären Welten schaffen, der allen TagungsteilnehmerInnen Bewegungsmöglichkeiten bietet – jenseits der üblichen Eingebundenheiten, der Zwänge und diszipinären Engen, jenseits der fachlichen ‚Gehege’. Nochmals mit David Bohm formuliert:

Bei einem Dialog (...) versucht niemand zu gewinnen. Wenn einer gewinnt, gewinnen alle. Es steckt ein anderer Geist dahinter. In einem Dialog wird nicht versucht, Punkte zu machen oder den eigenen Standpunkt durchzusetzen. Vielmehr gewinnen alle, wenn sich herausstellt, daß irgendeiner der Teilnehmer einen Fehler gemacht hat. Es gibt nur Gewinner, während das andere Spiel Gewinnen‐Verlieren heißt – wenn ich gewinne, verlierst du. Aber ein Dialog hat eher etwas von gemeinschaftlichem Teilhaben, bei dem wir nicht gegeneinander spielen, sondern miteinander. In einem Dialog gewinnen alle.

Ein ‚Gewinn’ der letzten Tagung war, dass angeregt und unterstützt durch die dort vertretenen BeiträgerInnen gelernt werden konnte, dass eine Reihe gemeinsamer Kernaufgaben für die Wissens‐ entwicklung in verschiedensten Disziplinen formulierbar ist – als Aufgaben und Fragen, um die verschie‐ denste Forschungen gleichermaßen ‚drehen’:

Immer wieder geht es um Konstellation und ihre Repräsentation als ‚Form’: Wissenschaften beschäftigen sich damit, dass zwischen den Elementen in einer untersuchten Welt bestimmte Konstellationen entstehen und bestehen – Konstellationen, die den jeweils versammelten Elementen eine Verortung geben, oft so, dass diese den Elementen nicht nur äußerlich bleibt. Wie und welche formenden Konstellationen in einer Welt wahrzunehmen sind und wie die mit ihnen verbundene Formgebung in einem Medium – was nicht unbedingt nur das Medium der Sprache sein muss – zum Ausdruck gebracht werden kann, d.h. wie Formgebung zu repräsentieren versucht wird, beschäftigt viele Wissenschaften. Eine andere Frage ist die von Transformation und Dynamik: Im Leben der Menschen und in den mensch‐ lichen Welten vollziehen sich durchgängig Veränderungen/ Transformationen, denen die Menschen und die menschlichen Verhältnisse ausgesetzt sind und die sie zugleich selbst durch ihre Seins‐ und Lebensweise hervorrufen. Insofern sind Menschen und Verhältnisse gleichermaßen ‚Opfer’ und ‚Täter’ und damit Agen‐ ten, die in ihrem ‚Werden’ und dessen beständiger Transformation verschiedenen und aufdeckbaren Dy‐ namiken unterliegen. So fragen viele Wissenschaften, welche ‚Dynamiken’ Menschen und Verhältnisse ent‐ stehen lassen und welche Dynamiken sie in ihrem Tun entweder bestätigen oder – wenn sie sie beobachtet haben – zu variieren und zu korrigieren versuchen könnten.

Allenthalben sind InterAktion und deren Objektivation Gegenstand der Wissenschaften, dann nämlich, wenn sie interessiert, wie bestimmte Umgangsweisen/ Aktionen, sobald sie auf Sachverhalte und Phäno‐ mene bezogen werden, dazu führen, bestimmte Erfahrungen hervorzubringen. In diesen Momenten fragt sich, wie das ‚Erfahrungen machen’ dazu führt, dass gemachte Erfahrungen formuliert werden, so dass die ‚Objektivation’ einer Erfahrung als ein Wissensbestand entsteht, der in den Diskurs über einen Sachverhalt eingebracht werden kann und der sich ggf. sogar als ‚Bestandteil’ des Sachverhalts etabliert. Im Dialog verschiedener Wissenschaften kann sich zeigen, welche Objektivationsmöglichkeiten für Erfahrungen in verschiedenen Disziplinen ausgearbeitet vorliegen.

Form und Transformation, Konstellation und Dynamik, InterAktion und Objektivation treten in Welten gemeinsam auf und etablieren deren Komplexität. Diese Komplexität ist in ihrer affizierenden Kraft und damit in ihrer Wirkung dadurch bestimmt, dass die Wirkung sich durch eine Zusammensetzung verschiedenster Merkmale obiger Elemente ergibt. Insofern sind Komplexität und Affektion ein relevantes wissenschaftliches Thema. Das veranlasst dazu, die jeweilige Komplexion von Merkmalen in einem Gefüge in den Blick zu nehmen und dabei wirkungsbezogen zu betrachten, welche Relation sich jeweils bei den Verhältnissen ergibt, die einzelne Elemente und die mit ihnen verbundenen Merkmale je für sich mit einem Gegenüber eingehen. Wissenschaften suchen Wege, den konkreten Affektionen durch komplexe Welten und damit der Komplexität ihrer Wirkungsweise auf den Grund zu gehen, u.a. um zu vermeiden, dass Affektion und die dahinter stehende Komplexität nur ‚erlitten’ und nicht beeinflusst oder vielleicht sogar gesteuert werden kann.


Vor dem Hintergrund der umrissenen wissenschaftlichen Kernaufgaben und ‐fragen bietet Ihnen dieser ‚Call for Papers’ an, Ihren Vorschlag für einen Beitrag zu formulieren und einzubringen. Dieser kann/ sollte sich möglichst auf eine der nachstehenden Einheiten beziehen.

1. Sozial‐räumliches Gefüge und Settings: Die Elemente eines Gefüges in seinen Konstellationen stehen in spezifischer Weise zueinander und können mehr oder weniger menschliche und/oder soziale Entfaltung veranlassen und zwar auf der Basis der sich in einem Setting anbietenden und ergebenden Aktionen und den damit verbundenen Objektivationen und Affektionen. Hierzu sind Beiträge erwünscht – etwa zu der Frage, wie und welche Gelegenheiten konkrete Settings in verschiedensten Bereichen zu schaffen in der Lage sind, um Rahmungen für menschliches Tun u.a. zwischen Ordnung und Innovation anzubieten.

2. Selbstgesponnene Bedeutungsgewebe und Kulturenbildungsprozesse: Innerhalb der Gefüge, die kon‐ krete Settings ausmachen, entstehen aus den in einem Setting eröffneten InterAktionen spezifische Dynamiken, die sich affizierend auf die Entfaltungsprozesse von sozialen Beziehungen und von Menschen auswirken und die den Prozessen der FormAnnahme und der Transformation auf spezifische Weise Sinn anbieten und darin Sinn stiften können. Dabei besteht die Frage, inwieweit das mögliche Angebot von Halt und Unterstützung, das daraus erwächst, neben der Orientierung, die es bietet, auch eine Freiheit des Sich‐ Selbst‐Orientierens entstehen lässt oder gar anbieten kann und will.

3. Wissensarchitekturen und Weltverständnisse: Die Objektivationen der Erfahrungen, die Menschen machen, ergeben sich als Folge der Gelegenheiten, die verfügbare Settings bieten und die den Sinnange‐ boten einer beheimatenden Kultur und der darin sich vollziehenden Kulturenbildung entsprechen. Zugleich sind in Settings und in Prozessen der Kulturenbildung bereits existierende Wissensarchitekturen als konsti‐ tutive Bausteine wirksam. Sie bestimmen mit, welche ‚Gedankenkreise’ für Menschen entstehen können und ermöglicht werden. Hier sind Beiträge zu verschiedensten, auch fachlichen Wissensarchitekturen gefragt, die Aufschlüsse anbieten dazu, welcher Interessensaufbau und welche Weltverständnisse Wissens‐ architekturen nahelegen und/ oder prägen.

4. Person und Professionalität: Settings, Kulturen und Wissensarchitekturen veranlassen Transformationen mit mehr oder weniger Entfaltungsoptionen auf der Basis von sich bietenden und ergebenden Inter‐ Aktionen, Objektivationen und Affektionen. Daraus ergibt sich u.a., was Menschen jeweils für ihre Biographie halten, was ihrem Selbstverstehen nach ihre Identität ausmachen kann und soll, was sie als eine von ihnen ausgebildete Kompetenz einschätzen und welche Rollen sie sich in welchen Kontexten zumuten und zutrauen oder auch nicht. Professionalitätsverständnisse nutzen obige Dimensionen von Personalität. Insofern geht es hier um Beiträge, die sich damit beschäftigen, was im Kontext einer Disziplin oder eines Handlungsfeldes unter Professionalität verstanden und diskutiert wird und wie dabei implizit oder explizit auf Biographie, Identität, Kompetenz und Rolle Bezug genommen wird.

Wenn Sie Interesse an einem der Themenkomplexe haben, freuen wir uns über Ihren Vorschlag für einen Veranstaltungsbeitrag, den Sie bitte – als Einzelperson oder Kleingruppe – im Umfang von maximal 3.500 Zeichen skizzieren, ergänzt um einige kennzeichnende Angaben zu Ihrer Person/ Ihrer Gruppe. Bitte schicken Sie beides ab sofort, spätestens aber bis zum 10.02.2013 an das Team zur Veranstaltung und zwar an folgende Adressen: sandra.geschke@ovgu.de, Eric.Fischer@ovgu.de, renate.girmes@ovgu.de.

Ihr Beitrag sollte eine Sicht auf relevante Dinge präsentieren, bestehende Sichten erweitern, ergänzen und auch zur Disposition stellen. Er sollte anderen ermöglichen, eine interessante und relevante Perspektive kennen zu lernen, die sich eignen könnte, anstehende Probleme und Aufgaben intelligent anzugehen. Rele‐ vante Bezugspunkte dafür sind neben dem Vorstehenden zentrale gesellschaftliche Aufgaben wie u.a. Ge‐ sundheit, Bildung, Energie, sozialer Ausgleich, friedliches Zusammenleben, kommunikativer Austausch etc. Über die Art der Annahme Ihres Beitrags und über die Struktur des Gesamtprogramms informieren wir Sie bis spätestens zum 30.4.2013.

Lassen Sie sich einladen, über relevante gesellschaftliche Aufgaben frei und neugierig ins Gespräch zu kommen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich mit uns in eine nicht disziplinäre ‚Zwischenwelt’ als einer dialogischen Denkwelt begeben – einer Welt zwischen den etablierten Wissens‐ und Arbeitsgebieten, die Spielraum und Freiraum dafür gibt, sich um aktuelle, strittige und grundsätzliche thematische Feuer zu versammeln. Zur Teilnahme eingeladen sind in Theorie und Praxis Forschende aus allen Wissenschafts‐ bereichen, die eine transdisziplinär wissensbasierte Bearbeitung und Lösung von anstehenden, gesellschaft‐ lichen Aufgaben gemeinsam, taktvoll und verantwortlich in Angriff zu nehmen für erprobenswert, sinnvoll und erfolgversprechend halten.


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