Erledigt auf Boracay – Goldrausch auf den Philippinen
„Vor zwei Jahren wurde Dexter auf Boracay umgebracht“, erzählt Ramirez aufgebracht in der Friend´s Bar in Kalibo. Dexter Condez, charismatischer Führer der indigenen Ati, wurde am 22. Februar 2013 im Alter von nur 26 Jahren ermordet. Sein Stamm der Ati siedelte seit Urzeiten auf Boracay, wurde mit Beginn des großen Touristenbooms Mitte der 1970er Jahre immer weiter von Investoren verdrängt. Der Goldrausch am White Beach begann, damit der Untergang der Ureinwohner und die Ausbeutung vieler Filipinos. Heute drängen sich überwiegend Koreaner, Russen, Araber, Japaner, Taiwanesen und Chinesen auf der Insel. Der Eintritt in den Zoo kostet 200 Pesos, zu entrichten an dem Fährterminal in Caticlan auf Panay. Am Fähranleger warten Kolonnen von Tricycles, der Verkehr auf der Ringstraße erinnert an Manila. Baustellen, Beton, Landraub. Wanderarbeiter aus entlegenen Provinzen drängen sich im Jeepney neben kleinen Kindern, die für ein paar Pesos Weihnachtslieder trällern oder Müllsäcke mit Leergut schleppen. Vertraute Schilder von Starbucks und McDonald´s tauchen auf. Die Filippinas in den Hotels verdienen meist umgerechnet rund 160 Euro monatlich, davon kostet die Sammelunterkunft bereits 40 Euro. Das „Boarding House“ – so vornehm klingt das hier – besteht aus einem engen Raum mit zwei Doppelbetten. Verpflegung kostet ebenfalls extra, bei Krankheit gibt es keinen Lohn, die Kündigung kann täglich erfolgen. Zwei Wochen am Stück arbeiten, zwei Tage frei, so sieht der
Schichtplan aus. Viele der Mädchen kommen aus entlegenen Provinzen und müssen die Heimreise zur Familie selber zahlen. Nach Feierabend wandert Tresher meist alleine am Strand entlang. Einzige Ablenkung bietet ihr neues Smartphone, das sie ständig in der Hand hält. „Fisch ist hier unglaublich teuer“, erzählt sie. „Jeder Fang geht sofort in die Touristenrestaurants, da wird jeder Preis bezahlt. 500 Pesos ist gar nichts auf Boracay“. Red arbeitete damals im „Beachcomber“, kellnert heute in der Exit Bar am White Beach. Vor 20 Jahren war die Diskothek eine Legende, galt als Szenetreff für Backpacker und Hedonisten, gleich neben den Schampuskneipen von Goa, Bali und Kho Phangan. Da war seinerzeit der Italiener, der Filipinos als Schläger für sein Mafiareich auf der Insel rekrutierte. Der Deutsche, der nachts mit Bauchschuss von Boracay geschafft wurde. Die Lufthansa-Stewardess, die mit ihren Ersparnissen ganz groß ins Paradies einsteigen wollte und abserviert wurde. Geplatzte Träume im Goldrausch. „I don´t like Arabs“, flüstert Mary Jane aus Negros. Sie bietet ihre Dienste nach Einbruch der Dunkelheit unter den Palmen von White Beach an – Massage mit „Happy Ending“. Chemie ist allgegenwärtig – das Crack der Philippinen heißt Shabu. In der Disco „Cocomangos“ arbeitet Venus als Freiberuflerin. Ihre zwei Töchter hat sie in der Elementary School auf Boracay eingeschult, hier verdient sie ihren Lebensunterhalt und das Schulgeld. Ein Lächeln kommt ihr selten über die Lippen. Ein Jungbrunnen für alte Männer mit Geld, eine Einnahmequelle für junge Filipinas in Not. Ungeziefer regnet vom Himmel. Am Bulabog Beach treffen sich die hippen Kitesurfer, gekleidet in teure Markenklamotten. Quiksilver, Billabong, Reef. Oft auch Piratenware aus Bangkok oder Bulgarien, wer weiß das schon so genau. Die meisten interessieren sich nicht weiter für das Land, haben ihre Sportreise pauschal bei einem Veranstalter gebucht: Traumstrand, Party, Kiten - keine weiteren Fragen. Die Security-Leute am Strand sind allgegenwärtig, es gilt die Goldesel vor den einheimischen Habenichtsen zu schützen. Der Sunset-Cruise erinnert später an den Schiffsverkehr am D-Day in der Normandie. Dann endlich der Sonnenuntergang, das berühmte Licht am White Beach. Für einen kurzen Moment ist es wie früher und gnädige Dunkelheit senkt sich über das Elend.
Copyright Ralf Falbe 02/2015