ausgabe 02 2013
Autonomes Fahren Revolution des Alltags: Die Vision vom selbstfahrenden Automobil wird endlich Realität.
Topografie des Komforts Regionale Komfortzonen: Erwartungen an den Komfort des Interieurs sind von Land zu Land unterschiedlich.
Fah rzeuge für Pfundskerle Ein einzigartiges Entwicklungstool: Der Obesity Suit der Ergonomieingenieure von Daimler.
Innovation Technologie Mobilität
Powered by Mercedes-Benz
TecHnicity <engl.> die, das; -ys (1, 2), -ies (3, 4); (Abk. T) 1. Eigenname als Zusammensetzung der Begriffe q Tech•no•log’ie (1) und q Ci•ty (2) 2. Magazin, das sich mit der Anwendung von (1) und speziell Mobilität im urbanen Umfeld und in weltweiten Metropolregionen befasst 3. <engl.> für q Tech•ni’zi•tät (3) 4. der technische Charakter einer q In•no•va•ti’on (4)
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Neue Autonom e Fah rfunktionen Schritt für Schritt wird autonomes Fahren Realität: Schon 2011 präsentierte Mercedes-Benz im Forschungsfahrzeug F 125! teilautonome Fahrfunktionen, wie den vollautomatischen Spurwechsel – doch der nächste Technologiesprung ist bereits erfolgt.
Schwerpunkt Autonomes Fahren
Die Erfindung des Automobils hat Menschen ermöglicht, ihre Umgebung, ja die Welt für sich zu erobern. Erstmals hat dies Bertha Benz mit ihrer mutigen Fahrt auf der Strecke von Mannheim nach Pforzheim 1888 in die Tat umgesetzt und damit Automobilgeschichte geschrieben. Und genau 125 Jahre später haben sich unsere Ingenieure wieder auf die historische Strecke von Bertha Benz gewagt, um die Zukunft des autonomen Fahrens auszuloten. Mit dem autonom fahrenden Forschungsfahrzeug „S 500 INTELLIGENT DRIVE“ haben sie es erstmals geschafft, sich mit erweiterter Serientechnologie nicht auf abgesperrten Teststrecken oder Autobahnen, sondern auf Landstraßen und im Stadtverkehr des 21. Jahrhunderts sicher zu bewegen. In dieser Ausgabe von TECHNICITY beschäftigen wir uns deshalb mit verschiedenen Aspekten des autonomen Fahrens. Eine von Mercedes-Benz durchgeführte Akzeptanzstudie im unternehmenseigenen Fahrsimulator zeigt, wie Probanden die Chancen für ein autonomes Fahren einschätzen, Experten geben uns einen Ausblick auf die durch das autonome Fahren zu erwartenden Veränderungen und erörtern, welche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind. Auch die Daimler und Benz Stiftung hat ein Forschungsprojekt zum autonomen Fahren aufgelegt, über das wir Sie hier und auf unserer Website www.technicity. daimler.com auf dem Laufenden halten werden. Unser anderes großes Thema „Maßstab Mensch“ bilden wir in dieser Ausgabe in zwei Geschichten ab. Der sogenannte „Obesity Suit“ simuliert Übergewicht und dient dazu, die Ergonomie am Arbeitsplatz beispielsweise für schwergewichtige „Trucker“ optimal zu entwickeln. Und im Artikel „Topografie des Komforts“ betrachten wir die Ansprüche, die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen an den Komfort in einem Fahrzeug stellen. Wir hoffen, dass wir in dieser Ausgabe von TECHNICITY für Sie wieder über interessante Themen aus unserer Forschung und Entwicklung berichten können. Und wie immer freuen wir uns über Ihr Feedback! Ihr Thomas Weber Vorstandsmitglied der Daimler AG, verantwortlich für Konzernforschung und Entwicklung Mercedes-Benz Cars 4
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INDEX Siegeszug der Assistenten 12 Revolution des Alltags: Die Vision vom selbstfahrenden Automobil wird endlich Realität.
Zukunftslabor für Autonomes Fahr en 26 In einer großen Akzeptanzstudie schickten Daimler-Forscher rund 100 Probanden in die Zukunft des autonomen Fahrens.
Autonom auf den Spur en von Berth a Benz 32 Mercedes-Benz zeigt, dass auch im Überland- und Stadtverkehr autonomes Fahren möglich ist.
Ein neues Kapitel in der Sicher heitstechnik 36 Rodolfo Schöneburg über passive Sicherheit und autonomes Fahren.
Topogr afie des Komforts 38 Regionale Komfortzonen: Erwartungen an den Komfort des Interieurs sind von Land zu Land unterschiedlich.
Fa hr zeuge für Pfundsker le 46 Ein einzigartiges Entwicklungstool: Der Obesity Suit der Ergonomieingenieure von Daimler.
Digital IMpressum UND KONTAKT 50 PROJEKTOR 51 5
Auf AutoPilot Was ferne Utopie war, rückt in greifbare Nähe: Autonome Fahrzeuge können den Fahrer in Zukunft auf Wunsch von allen Fahraufgaben entlasten – im Stau, im monotonen Pendelverkehr, bei langen Autobahnfahrten oder in Stresssituationen. Wesentliche Technologiebausteine für die kommende Revolution der Alltagsmobilität sind bei Mercedes-Benz im Serieneinsatz oder stehen kurz davor.
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Kontrolle per Knopfdruck Die Fähigkeit autonomer Fahrzeuge, sich ganz ohne menschliche Eingriffe fortzubewegen, bedeutet in Zukunft keineswegs den Verzicht auf Fahrspaß und individuelles Erleben. Auf Knopfdruck könnte der Fahrer jederzeit wieder die Kontrolle über das Fahrzeug erhalten und selbst fahren, wann immer es Spaß macht und nicht belastet.
Neue Freiheiten Der autonome Individualverkehr kann der Person hinter dem Steuer stark erweiterte Freiheiten bieten. Zumindest in den frühen Phasen der schrittweisen technischen Umsetzung werden autonome Systeme aber dennoch vom Menschen überwacht werden müssen.
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Der Si e gesz ug der A ss i st e n t e n
Die jahrzehntealte Vision vom autonomen Fahren wird in den kommenden Jahren endlich Realität und verspricht den Alltag Schritt für Schritt zu revolutionieren.
Text Steffan Heuer Fotografie David SPÄTH, Daimler Illustration Iassen Markov, DAIMLER
Schlüsselwörter Autonomes Fa hr en Fa hr er assistenzsysteme Umfelder k ennung Sicher heit Gesellsch aft
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A
uf der Autobahn A9 kurz vor dem Berliner Ring herrscht dichter Verkehr. Die silberne Limousine der S-Klasse blinkt und beschleunigt. Sie wechselt auf die linke Spur und überholt zügig zwei langsamere Fahrzeuge, ohne dass ihr Fahrer dem Manöver bei 120 km/h große Aufmerksamkeit schenken müsste. Eine halbe Stunde später gerät der Feierabendverkehr auf der Stadtautobahn ins Stocken. Der Wagen hält über mehrere Minuten im Stop-and-go-Verkehr souverän und konstant Abstand zum unberechenbaren, vorausfahrenden Fahrzeug, bis die im Navigationssystem einprogrammierte Ausfahrt Kaiserdamm erreicht ist. Von hier aus kennt die S-Klasse den Weg nach Hause, denn sie hat ihn schon viele Male zurückgelegt. Sie findet sich mühelos im dichten Verkehr der Millionenstadt zurecht, in dem Autos, Lkw, Busse, Radfahrer und Fußgänger alle mit ihrer eigenen Geschwindigkeit vorankommen wollen. Im verkehrsberuhigten Bereich hält das Fahrzeug das vorgeschriebene Schritttempo, denn es kann Verkehrsschilder lesen, und hat obendrein dank seiner Radarsensoren und Stereokameras immer ein wachsames Auge auf Fußgänger. Nach ein paar Minuten ist das Ziel erreicht und sogar ein Parkplatz in Sicht. Der Wagen hält und lässt seine Passagiere aussteigen. Ein Druck auf den elektronischen Schlüssel, und das Fahrzeug manövriert sich selbstständig in eine Lücke, deren Ausmaße auch routinierten Fahrern einiges abverlangen würden. Bis vor wenigen Jahren entwarfen Ingenieure und Informatiker solche nach Science-Fiction klingenden Szenarien, um einen visionären Ausblick auf die Mobilität des 21. Jahrhunderts zu geben. Jetzt hat die Realität sie eingeholt, denn alle der eingangs beschriebenen Manöver lassen sich mithilfe neuester Fahrerassistenzsysteme von Mercedes-Benz bereits durchführen oder werden im realen Umfeld erprobt. Wichtige technologische Entwicklungen machen die fahrerlose Mobilität greifbar Damit steht dem mobilen Alltag eine tief greifende Revolution bevor. Denn obwohl die Vision vom autonomen Fahren viele Jahrzehnte alt ist, macht erst die Verbindung von immer größerer Rechenleistung, Innovationen auf dem Gebiet der Sensorik und Umfelderkennung, gepaart mit der rasanten Digitalisierung und Vernetzung des Alltags, die fahrerlose Fortbewegung greifbar. So bieten sich neue Möglichkeiten, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, Mobilität effizienter und umweltschonender zu gestalten und ungeahnte Freiheiten für alle Verkehrsteilnehmer zu schaffen. Bis das Ziel des hoch- oder sogar voll autonomen Fahrens erreicht ist, müssen noch einige Entwicklungshürden genommen werden, um Hardware und Software schneller, intelligenter und preiswerter zu machen. Neben Mercedes-Benz arbeiten an diesem Ziel auch viele Forscher und Entwickler von Elektronikfirmen, Automobilzulieferern und Hochschulen. Gleichzeitig müssen sich Infrastruktur, Gesetzgebung und Gesellschaft auf diese neue Dimension des Autofahrens vorbereiten. „Autonomes Fahren wird stufenweise Realität werden“, erklärt Ralf Guido Herrtwich, Leiter Fahrassistenz- und Fahrwerksysteme in Konzernforschung und Vorentwicklung bei Daimler. „Zunächst wird man auf bestimmten Straßenklassen autonom fahren, angefangen mit der Autobahn, und vielleicht nur in bestimmten Witterungs- und Beleuchtungssituationen. Am Anfang wird man zudem das System überwachen müssen, anstatt zu einem Buch zu greifen und komplett abzuschalten.“ 13
Dementsprechend warnt der Forscher auch davor, zu schnell zu große Erwartungen an autonome Fahrzeuge zu stellen, die ohne jeglichen menschlichen Eingriff auskommen. „Bei niedrigen Geschwindigkeiten, im Stau oder beim Parken ist die fahrerlose Fortbewegung eine Frage von Jahren. Bei hohen Geschwindigkeiten und komplexen Situationen wird der Fahrer noch mindestens zehn Jahre am Geschehen beteiligt sein“, so Herrtwich. Präzise Reaktion in Millisekunden
Der Aktive Park-Assistent in der S-Klasse ermöglicht automatisches Ein- parken in Längs- und Querparklücken. Der Fahrer muss nur noch Gas geben oder bremsen. Aus Längsparklücken kann das Fahrzeug darüber hinaus vollautomatisch ausparken.
Die realitätsnahe Einschätzung hat mehrere Gründe. Bereits erhältliche Assistenzsysteme haben bewiesen, dass teilweise autonome Fahrzeuge die Unfallzahlen senken können, weil sie menschliche Irrtümer ausgleichen und innerhalb von Millisekunden präzise reagieren – in zahlreichen Fällen sogar präziser als die meisten Menschen. Der jüngsten Verkehrssicherheitsstudie der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sterben jährlich mehr als 1,2 Millionen Menschen im Straßenverkehr. Die Europäische Kommission (EU) will die Zahl der Verkehrstoten in den 27 EU-Mitgliedsländern von 35.000 im Jahr 2010 bis 2020 halbieren.
»Autonomes Fahren wird stufenweise Realität werden.« Ralf Guido Herrtwich
Der Bremsassistent BAS PLUS mit Kreuzungs-assistent in der S-Klasse kann helfen, Kollisionen mit dem Querverkehr an Kreuzungen zu verhindern. Das System warnt den Fahrer bei Gefahr und erhöht notfalls automatisch den Bremsdruck.
* Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,3–4,1 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert: 242–107 g/km, Effizienzklasse: F–A+ ** Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,3-5,5 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert: 242-146 g/km, Effizienzklasse: F–A Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen.
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Fahrerassistenzsystemen, wie sie teilweise sogar zur Serienausstattung bei Mercedes-Benz gehören, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Solche Technologien sind bereits heute in der Lage, Komfort und Sicherheit miteinander zu verschmelzen. Dazu gehört der Abstandsregeltempomat DISTRONIC PLUS, der den eigenen Wagen in gewünschtem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält. Zusätzlich hält der Lenk-Assistent, beispielsweise in der neuen Mercedes-Benz E-Klasse* und S-Klasse**, den Wagen in der Mitte der Spur; seine Hände muss der Fahrer jedoch stets am Lenkrad halten. Aktive Spurhalte-Assistenten können eingreifen, wenn der Fahrer unbeabsichtigt eine unterbrochene Linie überfährt und die Nebenspur belegt ist; das Überfahren einer durchgezogenen Linie konnte bereits die Vorgängergeneration des Lenk-Assistenten erkennen. Die Bremsunterstützung BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent kann nicht nur Auffahrunfälle vermeiden, sondern auch bei drohenden Zusammenstößen mit Querverkehr an einer Kreuzung eingreifen, notfalls bis zur Vollbremsung. Die neueste Version kann inzwischen vor dem Fahrzeug laufende Fußgänger erkennen, den Fahrer bei Kollisionsgefahr optisch und akustisch warnen oder notfalls auch dann eine selbstständige Bremsung einleiten. Möglich werden diese intelligenten Systeme durch einen Verbund aus Sensoren, die dem Fahrzeug einen Rundumblick über das Geschehen verleihen. Radarsensoren unterschiedlicher Reichweite können bis 200 Meter weit „sehen“. Ihr Input wird durch eine Stereokamera hinter
der Frontscheibe ergänzt. Dank zweier Kameraaugen kann sie im Bereich bis rund 50 Meter vor dem Fahrzeug dreidimensional sehen und von dort an – ähnlich menschlichen Augen in die Unendlichkeit – immer noch zweidimensional. Alle diese ständig eingehenden Daten werden von verschiedenen Systemen an Bord verarbeitet, etwa um die Bahn querender Fahrzeuge oder eines Fußgängers vorausschauend zu berechnen, Verkehrsschilder zu „lesen“ und entsprechende Warnungen zu geben oder Reaktionen zu veranlassen. So wird es etwa möglich, ein Fahrzeug beispielsweise mit dem bereits in der realen Umgebung erfolgreich erprobten Mercedes-Benz Autobahnpiloten auch bei hohen Geschwindigkeiten fahren oder sogar eigenständig und sicher überholen zu lassen. Im Idealfall können autonome Fahrzeuge mit dem nötigen Sensorpaket, detailliertem Kartenmaterial und ausreichender Rechenleistung an Bord auf fast jeder beliebigen Strecke unterwegs sein. Einer der Meilensteine war dabei die DARPA Grand Challenge, die der Forschungsund Entwicklungsarm des US-Verteidigungsministeriums 2004 und 2005 in der Wüste von Nevada veranstaltete. Erst beim zweiten Durchlauf schafften es einige der teuren und meist abenteuerlich nachgerüsteten Fahrzeuge, ohne fremde Hilfe die 240 Kilometer lange Strecke durch höchst unwegsames Gelände zu absolvieren.
Kunden in den BRIC-Staaten offen für autonome Fahrzeuge
57 %
der weltweit befragten Konsumenten vertrauen in die Technologien des autonomen Fahrens – insbesondere in den Schwellenländern. Brasilien
95 %
Indien
86 %
China
70 %
USA
60 %
Russland
57 %
Kanada
52 %
Frankreich
45 %
UK
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Deutschland
37 %
Japan
28 %
Quelle: Cisco Customer Experience Report for Automobile Industry, 2013
Ralf Guido Herrtwich, Leiter Fahrassistenz- und Fahrwerksysteme in Konzernforschung und Vorentwicklung bei Daimler
automatisierung Herr Herrtwich, Automobile werden zunehmend autonomes Fahren ermöglichen. Werden uns Maschinen entmündigen? Nein, der Mensch wird keinesfalls entmündigt. Denn die Systeme in allen Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz sind so gebaut, dass der Fahrer in dem Moment wieder die volle Oberhoheit hat, in dem er sie übernehmen möchte. Unsere Systeme setzen vollständig auf Unterstützung und Entlastung. Der Übergang von teil- zu hochautonomen Systemen ist nicht nur von den technischen Fähigkeiten der Systeme geprägt, sondern geht mit wachsendem Vertrauen des Fahrers in eine solche Automatisierung einher. Wenn man buchstäblich erfährt, dass ein solches System funktioniert, dann vertraut man ihm auch in mehr und mehr Situationen. vertrauen Ist das Gewinnen des Vertrauens in die Technik ein Prozess, der Wochen oder Monate dauert? Es geht viel schneller. Das haben wir bereits bei Testern unserer Prototypen festgestellt. Sie überwachen das Auto zu Beginn einer Fahrt sehr genau, aber nach einer Stunde haben sie so viel Vertrauen gefasst, dass sie sich umdrehen und mit jemandem auf der Rückbank unterhalten. Die Überzeugung, dass man mit teilautonomen Fahrzeugen etwas anfangen kann, wächst also schnell, selbst bei Leuten, die am Anfang etwas nervös sind.
kombination Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen autonomen Fahrzeugen und solchen, die noch vollständig von Menschenhand gesteuert werden? Wir werden über einen erheblichen Zeitraum, wenn nicht für immer, einen Mischbetrieb haben, allein aufgrund der stets vorhandenen Durchmischung mit neueren und älteren Fahrzeugen. In Bezug auf das autonome Fahren wirft diese Situation keinerlei Probleme auf. Denn unsere Fahrzeuge sind so ausgestattet, dass sie vollständig mithilfe ihrer umfangreichen Bordsysteme unterwegs sind und somit in den diversesten Verkehrssituationen problemlos mit eigener Intelligenz zurechtkommen – für das autonome Fahren gehen wir nicht von einem Konzept aus, wonach es einen Zentralrechner geben wird, der alle Fahrzeuge steuert. Denkbar wäre allerdings, dass sich autonome Fahrzeuge zeitweise bei einem solchen System einklinken und so beispielsweise das Kolonnenfahren auf der Autobahn funktioniert. 15
grenzen Welchen Effekt werden die teilweise überzogenen Erwartungen unter Verbrauchern haben? Einerseits ist es natürlich schön, mit pointierten Werbefilmen zu zeigen, was alles möglich sein könnte. Andererseits müsste man fairerweise im selben Atemzug zugeben, dass die ersten Systeme solch umfassende Visionen nicht einlösen werden. Sie werden aufgrund der technischen Grenzen in vielen Situationen noch den Fahrer brauchen, und wir sind auch rechtlich noch nicht so weit, dass der Gesetzgeber für alle schon heute realistischen Ausbaustufen des autonomen Fahrens grünes Licht gibt. Man muss immer aufpassen, dass man den Hype um derartige Innovationen nicht übertreibt, sonst führen die ersten Serienversionen zwangsläufig zu einer Ernüchterung. Schlimmer noch: Dann ist sogar das, was technisch möglich und wirklich beeindruckend ist, plötzlich unbefriedigend.
evolution Technologen sprechen bei Innovationen oft von „good enough“ – das etwas verwendet wird, wenn es gerade eben gut genug ist. Kann dieses Konzept auch für autonomes Fahren gelten, oder muss man hier ausnahmslos höchste Präzision und Verlässlichkeit fordern? „Good enough“ ist eben nicht gut genug; man muss sich schon etwas mehr anstrengen. Aber ebenso wenig muss ein solches System von Anfang an alle Situationen hundertprozentig beherrschen: Die teilautonome Stufe ist ein guter Zwischenweg; der Fahrer bleibt zunächst die wichtigste Kontrollinstanz. Zugleich lernen wir als Entwickler mit jeder Systemstufe dazu. So war es auch mit anderen Fahrerassistenzsystemen. Bevor wir etwa ein vollständig autonomes Notbremssystem konzipierten, haben wir Stufen vorgeschaltet, in denen der Bremsassistent nur dann aktiv wurde, wenn der Fahrer ein wenig anbremste. Sobald ein System zur Zufriedenheit des Kunden funktioniert, kann man einen Schritt weitergehen und den Fahrer zunehmend herausnehmen.
zeithorizont Wie lange wird es dauern, bis der Fahrer aus dem Geschehen herausgenommen werden kann? Das kommt auf die Verkehrssituation an. Bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten, im Stau oder beim Parken ist es eine Frage von Jahren. Bei hohen Geschwindigkeiten und komplexen Situationen wird der Fahrer noch mindestens zehn Jahre am Geschehen beteiligt sein, schätze ich.
entlastung Was ist für Sie eine ideale Situation, in der Sie persönlich autonomes Fahren am sinnvollsten finden? Zwei Situationen fallen mir spontan ein. Zum einen finde ich es immens nervenaufreibend, wenn ich mit dem Auto im Stau stehe und an Gaspedal, Lenkrad und Bremse immer das Gleiche tun muss, um über einen langen Zeitraum eine geringe Entfernung zurückzulegen. Und zum anderen fände ich es toll, wenn mir das autonome Fahren Routinestrecken erleichtert – beispielsweise die täglichen fünfzehn Kilometer von und zur Arbeit. In beiden Fällen würde ich mich über gewonnene Freiheitsgrade oder Entspannung sehr freuen.
Die ungekürzte Version dieses Interviews finden Sie online unter: technicity.daimler.com/herrtwich 16
„Diese zwei Wettbewerbe beflügelten eine gesamte Forschergemeinde, die sich mit Leidenschaft ans Werk machte. Das hat zu einem Quantensprung bei der Technologie geführt, bei Sensoren wie bei Anwendungen. Es ist erstaunlich, wie weit wir im vergangenen Jahrzehnt gekommen sind“, sagt William „Red“ Whittaker, Professor für Robotik an der Carnegie Mellon Universität (CMU) in Pittsburgh und mit seinem Team einer der DARPA-Sieger. Pioniere wie Whittaker wissen aber auch um die Hindernisse, die Forscher und Ingenieure noch aus dem Weg räumen müssen. Da ist zum einen die Frage, wann die notwendige Technik leistungsstark, kompakt und preiswert genug ist, um das nötige Potenzial für die Serienproduktion zu haben. Die in Experimentierfahrzeugen wie etwa Googles fahrerlosen Autos verwendeten Laserscanner nach dem Lidar-Prinzip sind zu teuer für den Serieneinsatz. Solche feinmechanischen Systeme, die auf dem Dach beständig rotieren, ermöglichen einen detaillierten 360-Grad-Blick der Umwelt. Aber sie kosten ein Mehrfaches der Autos, auf denen sie montiert werden. TechnologIscher Quantensprung „Viele der Hardware- und Softwarekomponenten sind noch zu teuer. Das kann sich der normale Verbraucher schlicht und einfach nicht leisten. Wenn ich so viel Geld hätte, würde ich mir einen tollen Sportwagen kaufen und selbst fahren“, scherzt Emilio Frazzoli, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), der sich mit autonom bewegenden Fahrzeugen zu Lande und in der Luft beschäftigt. Aus diesem Grund versuchen Daimler-Forscher wie Ralf Guido Herrtwich, ein intelligent geschnürtes Bündel aus Radarsensoren und Kameras zu bieten, das auch ohne teure Laser die nötigen Informationen sammelt, um sicher, effizient und komfortabel unterwegs zu sein. „Diese Technologie darf am Ende nicht mehr kosten als heutige Fahrerassistenzsysteme, also ein paar Tausend Euro“, betont Herrtwich. Dazu gehört auch eine stets aktuelle digitale Landkarte, die solche von herkömmlichen Navigationssystemen in der Detailgenauigkeit und nach Möglichkeit auch in der Aktualität deutlich übersteigt. Sonst weiß ein autonomes Fahrzeug nicht weiter, wenn es auf eine neue, nicht eingetragene Baustelle trifft oder eine
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verzeichnete Kurve von den Werten abweicht, die die Bordsensoren messen. Um solche neuen Echtzeitkarten anzulegen, können sich Fahrzeuge allerdings gegenseitig helfen, denn theoretisch kann jedes Auto die von ihm abgefahrene Strecke erfassen und in Datenbanken einspeisen.
»Es ist erstaunlich, wie weit wir im vergangenen Jahrzehnt gekommen sind.« William „Red“ Whittaker
Experten wie CMU-Professor Whittaker erwarten, dass autonome Fahrzeuge eine andere Sicht der Welt haben werden. Ihre Navigationshilfen haben wenig mit der Kombination aus herkömmlichen Karten und darauf projiziertem Bildmaterial gemein, das uns aus gegenwärtigen Assistenzsystemen vertraut ist. „Wir können bereits dreidimensionale Modelle unserer Umwelt anlegen, die qualitativ besser und detaillierter sind, als das menschliche Auge sie je wahrnehmen würde“, beschreibt Whittaker erste Prototypen. Solche superrealistischen Umgebungsmodelle werden teils an Bord und – dank mobilem Breitbandzugang ins Internet in künftigen Fahrzeugen – teils in der Cloud generiert.
Nicht nur die Fahrzeuge müssen sich weiterentwickeln, sondern auch die sie umgebende Infrastruktur. Konzerne wie Daimler forschen seit Langem an der sogenannten Car-to-X-Kommunikation, die es Fahrzeugen ermöglicht, sich untereinander und mit ihrer Umwelt auszutauschen, inklusive Straßenschildern und Verkehrskameras über der Fahrbahn. Der Ballungsraum Los Angeles etwa hat seit April als erste Stadt der Welt jede seiner 4.500 Ampelanlagen synchronisiert. Magnetische Sensoren in der Fahrbahn und Hunderte von Kameras speisen ihre Daten in einen Zentralrechner, der alle Ampeln dynamisch steuert, um den Verkehrsfluss von täglich sieben Millionen Pendlern zu beschleunigen. So kann das System zu Stoßzeiten nur Busspuren die grüne Welle geben, während andere Fahrzeuge warten müssen. „Gerade für das Fahren im Stadtgebiet, wo wir von Hunderttausenden anderer Fahrzeuge umgeben sind, besitzen wir eine Fülle an bereits vorhandenen Informationen sowie die Infrastruktur, um Kosten und Komplexität des autonomen Fahrens zu verringern“, gibt MITForscher Frazzoli zu bedenken. „Ein Auto kann seine Umgebung und andere Fahrzeuge als seine Augen und Ohren benutzen.“ Neben allem technischen Fortschritt, der sich rasant vollzieht, bedarf es noch einer weiteren Veränderung, die bereits begonnen hat. Gesellschaft und Gesetzgeber müssen umdenken, was das Wesen eines Fahrzeugs und des modernen Transportsystems insgesamt ausmacht. Denn was technisch durchaus möglich
Nahbereichsradare Fernbereichsradare kamera Stereokamera
Fahrzeug nicht maßstabgerecht im Verhältnis zu den Sensorkeulen. Die Sensorkeulenüberdeckung ist in der Realität sehr viel größer.
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wäre, ist meist rechtlich nicht erlaubt. Die Wiener Straßenverkehrskonvention aus dem Jahr 1968 legt fest, wer ein Auto lenken darf: „Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen [...] können.“ An einen wie auch immer gearteten Computer hinter dem Lenkrad dachte vor 45 Jahren noch niemand. Und so sind Fragen der Zulassung und Versicherung ebenso wie der Haftung bei Unfällen noch eine Grauzone.
William „Red“ Whittaker, Professor für Robotik an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh
Gesellschaft und gesetzgeber müssen umdenken Einige Gesetzgeber haben sich des Themas angenommen. Die US-Bundesstaaten Nevada, Kalifornien und Florida haben als Erste Gesetze erlassen, die Zulassung und Betrieb autonom fahrender Automobile regeln. Das gibt Unternehmen einen Anreiz, ihre Prototypen dort auszuprobieren und hat Vorbildcharakter für einen der größten Automobilmärkte der Welt. Sollten die USA eine landesweite Regelung für autonome Fahrzeuge finden, wären die EU und China nicht weit hinterher. Bis es so weit ist, wird sich autonomes Fahren weiterhin in eng umgrenzten Anwendungsbereichen abspielen, in denen der Mensch Hände und Augen nie wirklich vom Steuer lassen darf. „Wir bauen alle Systeme so, dass der Fahrer in dem Moment wieder die volle Oberhoheit hat, wenn er sie übernehmen möchte.“ (Weiter auf Seite 22)
Sensor- und KameraSysteme in der Mercedes-Benz S-Klasse Die Grundlage für die in ihrer Funktionalität stark erweiterten Fahrerassistenzsysteme in der Mercedes-Benz S-Klasse bildet ein vernetztes System zahlreicher Hightechsensoren und - kameras. Sie haben das nahe und ferne Fahrzeugumfeld im Blick und liefern die Daten für intelligente Algorithmen, die alle relevanten Informationen zusammenführen und so Verkehrssituationen, -zeichen und Straßenmarkierungen innerhalb von Millisekunden einordnen. Weitere umfangreiche Sensorik kann den Fahrzustand sowie die Reaktionen des Fahrers erfassen. Versorgt mit allen relevanten Echtzeitdaten, können unterschiedlichste Assistenzsysteme so jederzeit für eine situationsgerechte Unterstützung sorgen.
state of the art Herr Whittaker, wie ist der Stand der Technik bei autonomen Fahrzeugen? Das abstrakte Konzept des autonomen Fahrens ist allseits bekannt. Jetzt geht es daran, dieses Konzept umzusetzen. Die beiden DARPA Challenges, 2004 und 2005 in der Wüste und 2007 in einer nachgebildeten Stadt, waren Wendepunkte. Sie haben das Feld verwandelt. wettbewerb Was hat sich zwischen 2004 und 2007 grundsätzlich verändert? Wir hatten alle an das Potenzial des autonomen Fahrens geglaubt, hielten es jedoch für unerreichbar. Das hat sich in diesen Jahren geändert. Diese beiden Wettbewerbe inspirierten die ganze Forschergemeinde und waren für uns Motivation, für diese Sache zu arbeiten. Die Folge war ein riesiger, nichtlinearer Sprung in der Technik, sowohl bei Sensoren als auch bei Anwendungen. Es ist absolut erstaunlich, wie weit wir in den letzten zehn Jahren in Bezug auf Rechenleistung, Sensorkosten und Integration all dieser Fortschritte in kommerzielle Autos gekommen sind.
machbarkeit Die DARPA-Wettbewerbe, an denen Sie teilgenommen und die Sie gewonnen haben,waren Wettbewerbe, auf die sich Wissenschaftler lange vorbereitet haben. Jetzt haben wir neue Marktteilnehmer wie Google, die verkünden, dass Blinde bald autonom fahren werden. Ist das ein realistisches Ziel? Ich halte das für praktikabel und unvermeidlich und begründe dies auch gerne. Ich leitete das erste Symposium zu blindem Fahren, das noch vor der ersten DARPA Challenge stattfand. Es gibt mehrere Geschwindigkeitsrekorde für Blinde, die für einen Fahrer mit guter Sehkraft schwer zu schlagen sind, auch wenn wir dabei über kontrollierte Bedingungen sprechen. Und es gibt bereits fahrerlose Personenbeförderungsmittel an Flughäfen. Irgendwann werden Fahrzeuge für Behinderte solchen öffentlichen Verkehrsmitteln sehr ähnlich sein. Meiner Ansicht nach geht es bei dieser Frage auch um die Würde von Behinderten und älteren Menschen. entwicklunszyklen Ist das Erreichen dieses Ziels eine Frage, ob wir Kosten und Baugröße der Systeme schnell genug reduzieren können? Die Grundlagen der Erfassung, Modellierung, Routenplanung und des Fahrens sind bekannt. Ich weiß auch ein, zwei Dinge über 19
Dr e i F unk t i on e n auf
Sensoren, seit ich sie selbst baue. Sie sind nun in sehr kurzen Entwicklungszyklen und werden zunehmend billiger und leistungsfähiger. Insgesamt gibt es bestimmte Elemente, die noch nicht ausgereift sind, wie das Fahren bei schlechtem Wetter, komplexe Situationen an Kreuzungen, Gegenverkehr oder das Fahren im Grenzbereich bei hoher Geschwindigkeit, auf Eis oder mit eingeschränkter Traktion. Aber das sollte nicht von den unglaublichen Fähigkeiten ablenken, die ausgereift sind.
de m W e g z um au to no me n Fa h r e n
experiment Wann wird diese Technologie Teil des Alltags? Ich empfehle ein Experiment, um zu sehen, wie weit wir schon gekommen sind. Nehmen Sie ein neues Fahrzeug, das Sie daran hindert, blind rückwärts aus einer Einfahrt auf die befahrene Straße zu fahren. Treten Sie einfach auf das Gaspedal, ohne zu schauen, und Sie werden verblüfft sein. Fahren Sie dann einen Pick-up aus den 1950er-Jahren. Spüren Sie Bremsen und Lenkung – wie langsam und unpräzise die aus heutiger Sicht arbeiten –, dann merken Sie, wie schnell Sie Probleme bekommen können, obwohl Sie einfach nur fahren. Sie werden dann wirklich dankbar sein für all die Features in modernen Autos, die wir für selbstverständlich halten. Aber im Gegensatz zu dem, was viele denken, ist die Automobilindustrie nicht der erste Anwender solcher Technologien. Fortschritt geschieht in Bereichen, die von den meisten übersehen werden: Bergbau, Bau- und Landwirtschaft – Industrien, die große und schwere Nutzfahrzeuge für Aufgaben wie Erdbewegungen, Steinzertrümmerung und Straßenbau, also für Arbeiten mit höchster Präzision einsetzen.
1.1
1.2
kartierung Das sind Szenarien, in denen Fahrzeuge eine sehr begrenzte Reichweite haben und das Terrain gut kennen. Benötigen wir nicht auch sehr detaillierte Echtzeitkarten, damit sich die Fahrzeuge der Zukunft im freien Verkehr zurechtfinden? Das ist ein Henne-und-Ei-Problem. Bevor Fahrzeuge autonom sind, arbeiten bereits alle anderen Fahrzeuge als Kartografen. Um solche Karten und Modelle zu erstellen, braucht man keine autonomen Fahrzeuge. Die Fähigkeiten von Fahrzeugen als kooperative Systeme zur Informationserfassung existieren bereits zur Detaillierung, Verfeinerung und Aktualisierung benötigter Informationen. Wieder ist es ein positiver Kreislauf, in dem neue Daten schnell integriert werden können, wenn zum Beispiel irgendwo auf einer Straße eine neue Baustelle entsteht und den lokalen Verkehr beeinflusst. interaktion Autonome Fahrzeuge müssen noch lange Zeit mit menschlichen Fahrern in anderen Autos interagieren. Das ist bereits Realität. Automobilunternehmen und andere führen diese Sicherheitsmerkmale ein, die uns Stück für Stück in bestimmten Situationen assistieren oder unser Fehlverhalten korrigieren. Diese Technologien sorgen im Grunde dafür, dass sich Fahrzeuge an die Verkehrsregeln halten, egal wer fährt. Denken Sie an das Fahren auf der Autobahn heutzutage. Man fährt ziemlich schnell, hat aber keinen Augenkontakt mit anderen Fahrern, gibt seine Absichten nicht bekannt und erklärt nicht, was man als Nächstes tun möchte. Alles hängt von der Beobachtung und Interpretation von Verhaltensweisen ab.
1.3
1.4
1.0 car-to-x Durch die blitzschnelle Informations- übertragung zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur können Sicherheit und Effizienz des Straßenverkehrs weiter erhöht werden. Echtzeitwarnungen vor Staus, Unfällen oder herannahenden Einsatzfahrzeugen sorgen dafür, dass viele kritische Situationen erst gar nicht entstehen. Seit 2013 ist die Zukunfts-
Die ungekürzte Version dieses Interviews finden Sie online unter:
technologie bereits in vielen Mercedes-Benz Modellen leicht
technicity.daimler.com/whittaker
nachrüstbar.
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2.2
2.0 autobahnpilot Der bereits erfolgreich unter Real
2.1
bedingungen erprobte Autobahnpilot von Mercedes-Benz übernimmt mithilfe einer 360-Grad-Sensorik aus Kamera, Radar und Ultraschall auf Wunsch alle Fahraufgaben auf der Autobahn. Dazu gehören Abstand- und Spurhalten, Überholen und die Anpassung an geltende Tempolimits. Fahrer und Insassen 2.3
können so auch über große Distanzen entspannt und komfortabel reisen.
2.4
3.3
3.4
3.2 3.0
3.1 parkpilot Mithilfe des
Parkpiloten kann das Fahrzeug bequem von außen aus engen Parklücken manövriert werden oder in Verbindung mit einem intelligent vernetzten Parkhaus völlig autonom zum Parken geschickt werden. Die Pick-up-Funktion lässt das Fahrzeug nach Ende der Parkzeit selbsttätig zur Position des Fahrers navigieren. 21
„Unsere Systeme zielen vollständig auf Unterstützung und Entlastung“, so Daimler-Forscher Herrtwich. Der Übergang von teil- zu hochautonomen Systemen ist seiner Meinung nach nicht nur von den technischen Fähigkeiten der Systeme geprägt, sondern geht einher mit wachsendem Vertrauen des Fahrers. „Wenn man buchstäblich erfährt, dass ein solches System funktioniert, dann vertraut man ihm auch in mehr und mehr Situationen.“ Genau das scheinen die meisten Menschen
»Die ‚Sharing Economy‘ und autonomes Fahren sind zwei Seiten derselben Medaille.« Emilio Frazzoli Die Distronic Plus mit Lenk-Assistent unterstützt den Fahrer dabei, den gewünschten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug selbst in leichten Kurven zu halten. Bei langsamer Fahrt kann sich der Stop-and-go-Pilot am vorderen Fahrzeug orientieren.
zu tun, sofern sie der Gruppe der „Digital Natives“ angehören – also all jenen, die umgeben von digitalen Geräten und Diensten aufgewachsen sind und sich in vielen Fällen bereitwillig und vollständig auf Technik verlassen. Sie erhoffen sich von autonomen Fahrzeugen, dass sie ihnen lästige Routineverrichtungen abnehmen, etwa den Weg von und zur Arbeit. Wer heute schon versucht ist, am Steuer zu telefonieren, am Smartphone etwas zu schreiben oder gar seine E-Mails zu lesen, ist meist von der Aussicht begeistert, das Fahren schon bald weitgehend dem Wagen zu überlassen. Für Konzeptfahrzeuge skizzieren Designer bereits Fahrersitze, die sich schwenken lassen, damit man sich statt dem Verkehrsgeschehen seinem Tablet-Rechner oder der Zeitung widmen kann. Ressourcen effizienter nutzen
Der Aktive Spurhalte-Assistent in der S-Klasse kann bei unbeabsichtigtem Überfahren einer unterbrochenen Linie eingreifen, wenn die Gefahr einer Kollision besteht. Das radarbasierte System erkennt belegte Nachbarspuren auch im Gegenverkehr.
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Darüber hinaus werden viele Senioren auf die nächste und übernächste Fahrzeuggeneration setzen, da deren Sensorik und Algorithmen ihre eigenen, nachlassenden Fähigkeiten wettmachen können. Das verspricht den Mobilitätsradius für Millionen von Menschen zu erhöhen, denen Alter, Krankheit oder Behinderung bisher enge Grenzen gezogen hatten. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Google für die Prototypen seiner autonomen Fahrzeuge mit einem Video wirbt, in dem ein blinder Mann seine lange verloren geglaubte Mobilität wiedererlangt. „Für Behinderte und Senioren ist autonomes Fahren eine Frage der Menschenwürde“, glaubt Robotik-Forscher Whittaker. „Dazu benötigen wir keineswegs Fahrzeuge, die unter allen Bedingungen selbstständig fahren.“ Ihm schweben vollautomatisierte People-Mover-Systeme für den öffentlichen Nahverkehr vor, die es bereits auf vielen Flughäfen gibt. Und manche Kommune erwägt ihren Einsatz in Innenstädten. Autonomes Fahren schafft auch in einem viel weiteren Sinne neue Freiheiten. Für MIT-Professor Frazzoli etwa geht es nicht um selbstgelenkte Fahrzeuge, die Insassen von Punkt A nach Punkt B fahren, sondern um die Chance, das Transportwesen neu zu erfinden und effizienter zu machen. „Heute sind unsere Autos
nur zu 5 bis 10 Prozent ausgelastet. Den Rest der Zeit stehen sie herum. Das ist kein nachhaltiges Modell“, sagt der Wissenschaftler. „Deswegen glaube ich, dass die ‚Sharing Economy‘ und autonomes Fahren zwei Seiten derselben Medaille sind.“ „Sharing Economy“ bezeichnet eine Kultur des Teilens von Dienstleistungen und Gegenständen. Anstatt auf komplett autonome Fahrzeuge zu warten, die alles können, so Frazzoli, sollte man CarsharingDienste mit Fahrzeugen ausstatten, die eine begrenzte Liste von Fähigkeiten besitzen: etwa den Weg zur nächsten Tank- oder Ladestation zu finden, einen wartenden Kunden an einer bestimmten Adresse abzuholen oder sich je nach Bedarf an einen anderen Standort zu bewegen. Solche Autos würden mehrere Probleme des autonomen Fahrens auf einmal lösen, argumentiert der Wissenschaftler: „Da sie ohne menschliche Passagiere unterwegs sind, können sie die jeweils einfachste Route nehmen, also sich zum Beispiel wie ein städtisches Nutzfahrzeug anfangs langsam am Fahrbahnrand bewegen, und sie würden mit vielleicht etwas ruckhaften Lenk- und Bremsmanövern keine Insassen stören. „So lassen sich die Anforderungen an autonome Fahrzeuge senken und gleichzeitig ihre Einsatzmöglichkeiten erweitern.“ Mit wachsender Erfahrung könnte die autonome CarsharingFlotte ihren Funktionsradius ausdehnen. Bleibt die Frage, wie sich Menschen hinterm Steuer mit den immer selbstständiger agierenden Fahrzeugen arrangieren werden. Experten sind sich einig, dass es auf absehbare Zeit einen Mischbetrieb geben wird: Ein Teil der Fahrzeuge wird von Menschen gelenkt, andere sind teil- oder schon hochautonom unterwegs. Fahrzeuge werden sich auf Knopfdruck ein- und ausparken oder eine oft befahrene Strecke lernen, um eigene Handlungen daraus abzuleiten. Städtische Infrastruktur wird sich zunehmend mit Verkehrsteilnehmern austauschen. Aber gleichzeitig werden ältere Fahrzeuge unterwegs sein, die über deutlich weniger Elektronik und Intelligenz verfügen. Für William Whittaker ist dieses Miteinander von Mensch und Maschine kein Problem. „Wenn wir auf der Autobahn fahren, haben wir auch bei hohem Tempo keinen direkten Kontakt mit anderen Fahrern. Man beobachtet und interpretiert das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Das funktioniert für alle möglichen Fahrsituationen, ohne dass man zwischen Mensch und Maschine unterscheiden muss. Nur eins ist sicher: Autonomes Fahren ist schon heute eine beschlossene Sache und wird sich stetig weiterentwickeln.“
HYPERLINK Video Diesen Beitrag sowie das ausführliche Video „Mercedes-Benz auf dem Weg zum autonomen Fahren“ finden Sie im Internet unter: www.mb-qr.com/0c1
Emilio Frazzoli, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
vision Herr Frazzoli, haben wir bald selbstfahrende Fahrzeuge? Das hängt davon ab, wie man autonomes Fahren definiert. Allgemein lässt sich sagen, dass es so etwas bereits gibt. Die Technologie entwickelt sich rasant weiter und ist in einigen Fällen ziemlich ausgereift. Andererseits denke ich, dass wir im Hinblick auf Vorschriften sowie politische und rechtliche Aspekte noch nicht bereit sind. Wie kann man zum Beispiel ein solches Fahr- zeug zulassen und versichern?
kosten Und wer wird diese Fahrzeuge nutzen können – ein paar ausgewählte Forscher und einige gut betuchte Leute? Wir müssen über die Bezahlbarkeit reden. Viele Leute, auch ich, arbeiten an der Technologie, die wir für autonomes Fahren benötigen. Doch viele der Hardware- und Softwarekomponenten sind immer noch zu teuer. Sie sind schlicht und einfach für den normalen Verbraucher unerschwinglich. Wenn ich so viel Geld für ein Fahrzeug hätte, würde ich einen tollen Sportwagen kaufen und ihn selbst fahren. sensoren Aber würden die Kosten für die notwendige Technologie nicht sehr schnell sinken? Dieser Trend zeichnet sich deutlich ab. Videosensoren werden immer billiger und besser, und sie bieten eine Vielzahl an Informationen. Laserscanner sind bequem, aber teuer, und ich weiß nicht, ob man sie wirklich braucht. Die Herausforderung besteht darin, die Sensoren im Fahrzeug zu redu- zieren, sie kleiner und billiger zu machen.
definition Sie haben über die Frage gesprochen, wie man autonomes Fahren definiert. Oft denken Leute, das bedeutet, den Fahrer zu ersetzen, aber ich denke nicht, dass es notwendig ist. Glauben wir denn wirklich, dass der Mensch so gut fährt, dass es unser Ziel sein muss, ihn in seiner Funktion hinter dem Lenkrad durch Technologie zu ersetzen? Ich glaube nicht, dass wir mensch- liche Fahrer als Musterbeispiel nehmen sollten. Autonome Fahrzeuge können völlig anders fahren, als dies ein Mensch tun würde, solange sie dies sicher und umweltfreundlich tun. Ich würde es für sinnvoller halten, autonome Fahrzeuge als Teilmenge aller möglichen Fahrsituationen zu betrachten, denn damit kann man mehr erreichen. 23
vorteile Warum ist autonomes Fahren sinnvoll? Wenn Sie die Debatte verfolgen, gliedern sich die genannten Vorteile in drei Kategorien: als Erstes die Sicherheit, da wir Risikofaktoren durch menschliche Fehler reduzieren oder ausschließen können, darüber hinaus bieten sich Mobilitätsoptionen für Behinderte und Ältere, zweitens die Möglichkeit des Kolonnenfahrens auf der Autobahn und die daraus folgenden Vorteile für Wirtschaftlichkeit und Bequemlichkeit – und drittens die Umwelteinflüsse, denn mit diesen Technologien können wir CO2-Emissionen um 20 bis 50 Prozent reduzieren. Aber etwas vergessen die meisten: Die genannten Argumente führen zu einer Verbesserung gegenüber dem aktuellen Status, ändern aber nicht grundsätzlich unseren Denkansatz.
Prometheus I Die Erstellung einer elektronischen Straßenkarte war Teil des 1986 gestarteten Forschungsprojekts Prometheus.
Sharing Wie sollte die Debatte stattdessen geführt werden? Es sollte darum gehen, Verkehr und Transport grundsätzlich neu zu überdenken. Wir nutzen unsere Fahrzeuge nur 5 bis 10 Prozent unserer Zeit, den Rest parken sie irgendwo als oft sehr teure Immobilie. Das ist kein nachhaltiges Modell. Deshalb denke ich, dass die Idee des Carsharing sich gut mit dem autonomen Fahren verträgt. Nehmen Sie die Carsharing-Services von heute. Sie halten viel, was sie versprechen, haben aber auch viel zu verbessern, wenn es um Qualität von Service und Verfügbar- keit geht. Stellen sie sich nun mal vor, diese Fahrzeuge könnten selbstständig parken, zur Tankstelle oder Ladestation fahren oder an einen Ort, an dem ein Kunde wartet oder Bedarf prognostiziert ist. Das ist viel einfacher als ein autonomes Allzweckfahrzeug, denn die Autos würden sich autonom nur entlang vordefinierter Routen bewegen. Weil sie keine Passagiere an Bord haben, könnten diese Fahrzeuge so fahren, dass reine Sicherheitsaspekte im Mittelpunkt stünden und der Komfort der Passagiere oder kurze Fahrzeiten nicht von Belang wären.
Anforderungen Sie würden immer noch durch regulären Stadtverkehr navigieren müssen. Absolut, aber die Anzahl der Routen, die sie kennen müssen, nimmt drastisch ab. Sie müssen nicht die schnellste Route fahren. Sie können die einfachste und verkehrsärmste Route nehmen. Sie könnten ein gelbes Blinklicht auf dem Dach haben, wie andere öffentliche Fahrzeuge, damit andere sehen, dass sie kommen. Noch einfacher wäre es, wenn man menschlich und autonom gelenkte Fahrzeuge trennen würde, vielleicht sogar auf eigenen Spuren. Sie könnten wie Servicefahrzeuge langsam am Rand fahren. Das wird von menschlichen Fahrern bereits heute akzeptiert. killer-app Sehen Sie eine „Killer-Anwendung“, die autonomem Fahren zum Durchbruch am Markt verhilft? Es ist nicht die „Ich möchte auf dem Weg zur Arbeit lesen“Idee. Vielmehr sehe ich hier das zuverlässige Carsharing, das die Art und Weise ändert, wie wir über persönliche Mobilität denken, das Wissen, dass man in Zukunft zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein Verkehrsmittel hat und sich wirklich darauf verlassen kann. Dann können wir vom Besitz-Modell zu einem Abonnement-Modell für Fahrzeuge übergehen. Die meisten heutigen Fahrzeuge sind für lange Strecken und hohe Geschwindigkeiten entwickelt. Tatsächlich nutzen wir sie meistens im Stadtverkehr. Die ungekürzte Version dieses Interviews finden Sie online unter: technicity.daimler.com/frazzoli 24
H i st or i e
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, um die Vision des autonomen Fahrens zu realisieren und Autofahrern so ein Maximum an Sicherheit und Komfort zu bieten, reichen bei Mercedes-Benz mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Den Anfang machte der Tempomat, um eine voreingestellte Geschwindigkeit zu halten. Er ging in den 1960er-Jahren in Fahrzeugen von Mercedes-Benz in Serie. Projekt Prometheus Nächster Meilenstein war das von DaimlerBenz initiierte Forschungsprojekt Prometheus (kurz für „Programme for European Traffic with Highest Efficiency and Unprecedented Safety“), das neue Perspektiven für den Verkehr der Zukunft aufzeigen sollte. Das Projekt war Teil der europäischen Forschungsinitiative „Eureka“ von 1986 bis 1994 und stellte eine bis dahin einzigartige Zusammenarbeit aller großen europäischen Automobilhersteller, Zulieferer und zahlreicher wissenschaftlicher Institute dar. Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit im Oktober 1994 vorgestellt. Prometheus widmete sich zentralen Fragen der Mobilität von morgen, etwa wie sich die Sicherheit trotz zunehmender Anzahl von Fahrzeugen erhöhen lässt und der Verkehrsfluss harmonisiert werden kann, ohne neue Straßen zu bauen und größere Umweltbelastungen zu verursachen. Forscher von Mercedes-Benz erkannten rasch, dass dazu neue Technologien – von der Mikroelektronik und Sensorik bis zu Telekommunikation und Informationsverarbeitung – möglichst umfassend in den Straßenverkehr zu inte-
Prometheus II Neue Elektronik im
6D-Vision Die innovative Bilderken-
Fahrzeug ermöglichte die frühe Erprobung von Ab-
nungstechnologie anaylsiert in Sekundenbruchtei-
Forschungsfahrzeug F 125! zeigte 2011 zahlreiche
standsregeltempomat und Zielführungsrechner.
len die Aufnahmen der Stereokameras an Bord.
vollautomatische Fahrmanöver auf Knopfdruck.
grieren sind. So stellte das Unternehmen in den 1980er- und 1990er-Jahren in enger Zusammenarbeit mit einem Team von Ernst Dickmanns, Professor an der Bundeswehruniversität in München und Pionier auf den Gebieten der maschinellen Bilderkennung und des autonomen Fahrens, mehrere autonome Testfahrzeuge vor. Dazu gehörten das „VaMP“ („Versuchsfahrzeug für autonome Mobilität und Rechnersehen“) auf Basis eines Mercedes-Benz 500 SEL, sowie VITA und VITA II. Die Testfahrzeuge sorgten für Schlagzeilen, als sie 1994 rund 1.000 Kilometer im Ballungsraum Paris zurücklegten und 1995 von München nach Kopenhagen und zurück fuhren. VITA, eine Abkürzung für „Vision Technology Application“, war ein Autopilot, der bremsen, Gas geben und lenken konnte. Das intelligente Testfahrzeug verfügte über kleine Videokameras hinter Front- und Heckscheibe, die dem Bordcomputer den Überblick über das Geschehen rund um das Fahrzeug gaben. So konnte der Rechner erstmals den Straßenverlauf erkennen und registrieren, ob sich VITA auf Kollisionskurs befand. Das Prometheus-Teilprojekt erbrachte den Beweis, dass eine automatische Kollisionsverhinderung technisch machbar war. Ein weiterer Meilenstein war das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP, dessen Konzept bereits 1959 als „Regeleinrichtung“ patentiert worden war und 1995 in der S-Klasse Premiere feierte. ESP erkennt fahrdynamisch kritische Situationen schon im Ansatz, bremst je nach Bedarf ein Rad oder mehrere Räder gezielt ab und passt das Motordrehmoment an, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Ein weiteres Prometheus-Ergebnis ist Autofahrern heute ebenfalls bestens vertraut: Der intelligente Tempomat, der stets den notwendigen Sicherheitsabstand einhält. Er hielt Mitte der 1990er-Jahre Einzug in die S-Klasse
und ist heute als DISTRONIC und DISTRONIC PLUS Serienstand bei Mercedes-Benz. Auch andere Innovationen wie der Spurwechselassistent, die automatische PRE-SAFE® Bremse oder eine elektronische Einparkhilfe gehen auf das Forschungsprogramm zurück. An der Umsetzung der vor rund 30 Jahren formulierten Visionen wird bis heute gearbeitet – auf dem Weg zum erklärten Ziel des unfallfreien Fahrens. Auch an der Kommunikation der Fahrzeuge mit ihrer Umgebung und untereinander, kurz „Car-to-X-Kommunikation“, arbeiten Mercedes-Benz Experten seit etwa dem Jahr 2000. Wenn Fahrzeuge miteinander kommunizieren, können sie sich gegenseitig beispielsweise vor Hindernissen auf der Fahrbahn oder einer Glatteiskurve warnen. Daraus entwickelte sich das Projekt simTD für „Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland“, das seit 2007 im Rhein-Main-Gebiet rund um Frankfurt erprobt wird. An diesem Projekt sind Unternehmen der Automobil- und Telekommunikationsbranche, die Regierung des Bundeslands Hessen sowie namhafte Universitäten und Forschungsinstitute beteiligt. Die Ministerien für Wirtschaft und Technologie, Bildung und Forschung sowie Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fördern simTD. Schon 2009 stellte Mercedes-Benz den ATTENTION ASSIST vor, der Unaufmerksamkeit und Müdigkeit beim Fahrer anhand der Veränderungen beim Lenkverhalten sowie einer Vielzahl weiterer Parameter erkennen kann. Heute kann das System nicht nur im Geschwindigkeitsbereich von 60 bis 200 km/h wachsam bleiben, sondern lässt sich auf einzelne Fahrer einstellen. Der Beobachtung von Fahrern wird beim autonomen Fahren künftig eine noch größere Rolle zukommen, da einige Stufen der Automatisierung darauf angewiesen sind, die Aufmerksamkeit des Fahrers zu kontrollieren. Viele jüngere Sicherheitsmerkmale wurden im Experimental-Sicherheitsfahrzeug ESF 2009
der Öffentlichkeit präsentiert, gefolgt vom Forschungsfahrzeug F125! zwei Jahre später, das über zahlreiche Funktionen für teilautonomes Fahren, wie etwa auf Knopfdruck vollautomatische Spurwechsel, verfügte.
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Teilautonomes Fahren Das
Intelligenter Fahren Die gesamte Palette intelligenter Assistenzsysteme von Mercedes-Benz ist seit 2012 unter dem Begriff „Intelligent Drive“ zusammengefasst. Die Basis ist die innovative 6D-Vision-Technologie, die Aufnahmen von Stereokameras an Bord verarbeitet und auswertet. Die Sensoren des Autos erfassen dabei im Bruchteil einer Sekunde, was um sie herum geschieht. Stereokameras und Radarsensoren erkennen bewegte Objekte wie Fahrzeuge oder Fußgänger, messen deren Position und Bewegungsrichtung samt Geschwindigkeit und berechnen, wie sich diese im Straßenverkehr verhalten werden. Die im Auto verwendeten Assistenzsysteme reagieren in kritischen Situationen dann schnell und angemessen. Erste Serienanwendungen von „Intelligent Drive“ sind der Abstandsregeltempomat DISTRONIC PLUS mit Lenk-Assistent als Stopand-go-Pilot in der neuen Mercedes-Benz S-Klasse und E-Klasse sowie die Bremsunterstützung BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent. Dank Rundumblick wird so das teilautonome Fahren in dichtem Verkehr möglich. Einen konkreteren Ausblick auf die Zukunft des autonomen Fahrens gewährte Mercedes-Benz zu Beginn des Jahres 2013 mit einer E-Klasse, die zu Erprobungszwecken mit dem neuen „Autobahnpiloten“ für einen vollkommen autarken Überholvorgang ausgestattet wurde. Dabei sucht das System allein eine ausreichend große Lücke auf der linken Fahrspur, zieht hinüber, überholt langsamere Fahrzeuge und schert vor ihnen selbsttätig wieder auf die rechte Spur. 25
Z u k unf t s l a bor f ür au tonomes fa hr e n
Autonomes Fahren wird den Alltag von morgen verändern. Daimler-Forscher beschäftigen sich auch mit den Wünschen und Erwartungen der Kunden an das neue System. In einer groß angelegten Akzeptanzstudie schickten sie Autofahrerinnen und Autofahrer auf eine Reise in die Zukunft.
Text Frank Brandt Fotografie Stefan Hohloch, Daimler
Schlüsselwörter Autonomes Fahr en Akzeptanzstudie Kundenforschung Fahrsimul ator Infor mation Acceler ation
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Fahrsimulator: Die perfekte Illusion des Autofahrens Der Fahrsimulator spielt bei der Entwicklung moderner Fahrsicherheits- und Assistenzsysteme eine immer größere Rolle. Die Anlage im Mercedes-Benz Entwicklungszentrum in Sindelfingen, die weltweit zu den modernsten und leistungsfähigsten Fahrsimulatoren der Automobilindustrie gehört, besteht aus einer auf sechs beweglichen Stützen installierten Kabine, die dank ihres schnellen und leistungsfähigen Antriebs alle Bewegungen und Fahrmanöver eines Autos wirklichkeitsgetreu simulieren kann. Im Inneren der Kabine befindet sich ein kompletter Mercedes-Benz, in dem der Testfahrer Platz nimmt. Eine 360-Grad-Projektion stellt den Straßenverkehr realitätsgetreu dar und lässt auch Fußgänger und Gegenverkehr in der virtuellen Welt erscheinen. Perfekt wird die Illusion des Autofahrens, weil etwa am Lenkrad situationsgerecht die Rückstellkräfte der Lenkung zu spüren sind oder bei schneller Kurvenfahrt das Quietschen der Reifen hörbar ist. Auch Gefahren des Straßenverkehrs wie Glatteis oder Seitenwind lassen sich samt der entsprechenden Reaktionen des Autos simulieren. Bei der Testfahrt durch die virtuelle Wirklichkeit berechnet der Computer über 1.000 Mal pro Sekunde das Fahrverhalten des Wagens und erteilt der Elektrik die entsprechenden Befehle. Sie bewegt die Anlage mit einer Geschwindigkeit von maximal zehn Metern pro Sekunde (36 km/h) um bis zu zwölf Meter in Querrichtung, sodass beispielsweise auch dynamische Doppelspurwechsel gefahren werden können. Mit dieser „Real-Life“-Simulation bewährt sich die Anlage nicht nur als Forschungslabor, sondern auch als multifunktionaler Prüfstand, auf dem Systeme und Komponenten künftiger Fahrzeuge bereits in frühen Entwicklungsphasen erprobt und optimiert werden. Nach Eingabe umfangreicher Fahrzeugdaten berechnet ein Fahrdynamikprogramm die Reaktionen des jeweiligen Fahrzeugtyps in Echtzeit. So lassen sich Regel-, Sicherheits- und Assistenzsysteme gefahrlos bis in den fahrphysikalischen Grenzbereich testen.
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D
ie Zukunft, das unbekannte Wesen: Seit ewigen Zeiten beschäftigen sich Menschen mit dem Phänomen der Nachwelt und philosophieren über die Frage, was ihnen die Zukunft bringen wird und ob man sie vorhersehen kann. Antworten darauf gibt es indes nur selten. Zukunft, das ist stets etwas Schicksalhaftes – ungewiss und voller Rätsel. Für ein Automobilunternehmen wie Daimler hat die Zukunft jedoch eine strategische Bedeutung, denn wer aufhört vorauszudenken, riskiert überholt zu werden. „Forschung ist Zukunftsvorsorge“, so denkt man in Stuttgart seit der Gründung des Forschungsressorts vor genau 45 Jahren. Bis heute zählt es zu den Hauptaufgaben der Ingenieure und Wissenschaftler, Soziologen und Psychologen, die Welt von morgen zu antizipieren und Technologien zu entwickeln, die unsere Mobilität positiv verändern werden. Das bedeutet, weit nach vorn zu blicken und ungeachtet kurzlebiger Trends, Stimmungen oder Modeerscheinungen jene Entwicklungen und Erwartungen zu erkennen, die wirklich bedeutsam sind. So lässt sich Zukunft gestalten. Einer dieser Megatrends ist das autonome Fahren. Schon in einigen Jahren wird es möglich sein, Autos mit einem intelligenten elektronischen Copiloten auszurüsten, der zeitweise die Rolle des Fahrers übernimmt und den Wagen automatisch über die Autobahnen führt. Doch es wäre kurzsichtig und entspräche nicht dem Grundsatz nachhaltiger Zukunftsplanung, sich bei einem so wichtigen Thema nur auf Fragen der Technik zu konzentrieren. Denn was nützt das intelligenteste Fahrerassistenzsystem, wenn es die Kunden nicht interessiert? Wenn sie andere Präferenzen und andere Erwartungen an ihr zukünftiges Auto haben? Um diese wichtigen Fragen zu klären, stellt Daimler den Menschen in den Mittelpunkt des Forschungsprojekts zum autonomen Fahren. Frühjahr 2013: Das Stuttgarter Automobilunternehmen lädt rund 100 Autofahrerinnen und Autofahrer ein, an einer der bisher größten Studien des Customer Research Centers (CRC) teilzunehmen. Ihre Meinung soll den Forschern Erkenntisse über die Akzeptanz der neuartigen Technologie liefern und Hinweise zur Konzeption künftiger Assistenzsysteme für die Mercedes-Benz Modelle geben. Die Teilnehmer an der Untersuchung sind Menschen verschiedener Altersklassen, Kunden verschiedener Automarken, Führerscheinneulinge und Routiniers, die schon heute regelmäßig Fahrerassistenzsysteme nutzen. So bildeten die Forscher ein durchaus repräsentatives Kollektiv an Testteilnehmern, mit denen sie im Fahrsimulator des Mercedes-Benz Entwicklungszentrums zu einer ausgiebigen Reise in die Zukunft starteten. Nur: Wie sollen Autofahrer ein System bewerten, dass es erst in einigen Jahren geben wird? Wie sollen sie heute sagen, was sie übermorgen denken werden? Intensiv beschäftigte sich das Forscherteam bei der Konzeption der Akzeptanzuntersuchung mit diesen Fragen, denn sie bildeten den Schlüssel des Erfolgs. „Uns war klar, dass wir wirklich aussagekräftige Meinungen nur dann hören werden, wenn wir ein Szenario schaffen, das die Welt von morgen abbildet und das es unseren Probanden ermöglicht, gedanklich gut ein halbes Jahrzehnt vorauszueilen“, erklärt Daimler-Forscherin Marianne Reeb eine der Hauptaufgaben bei der Planung der Studie. Mit anderen Worten: Das Phänomen Zukunft musste erlebbar gemacht werden. Die Methode, mit der Wissenschaftler diese spannende Aufgabe lösten, heißt „Information Acceleration“. Sie wurde von Professor Glen L. Urban am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt und in den vergangenen Jahren schon
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Information Acceleration: Beschleunigung in die Zukunft Wie erkennt man heute, was die Menschen morgen denken werden? Wie findet man heraus, welche Erwartungen Kunden in Zukunft haben werden und welche Produkte sie bevorzugen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich in den 1990er-Jahren ein Forscherteam der „Sloan School of Management“ am angesehenen Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA). Die Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Glen L. Urban hatten das immer stärkere Interesse der Industrieunternehmen an treffsicheren Vorhersagen über zukünftige Kundenreaktionen erkannt. Zwar führen die Konzerne regelmäßig Befragungen durch und laden ausgewählte Kunden zu Produkt- oder Prototypenpräsentationen ein, doch solche Erhebungen haben ein gravierendes Manko: Sie können nur Meinungen aus der Gegenwart widerspiegeln – Meinungen, die sich im Laufe der oft mehrjährigen Produktentwicklung rasch wieder ändern können. Was fehlt, ist ein weiter Blick voraus, der auch die Lebensweisen, Einstellungen und Stimmungen der Menschen in der Zukunft berücksichtigt. So entwickelte Professor Urban eine Methode, die er „Information Acceleration“ nennt. Ihr Prinzip ist einfach: Wenn man den Kunden schon heute die Informationen zur Verfügung stellt, die sie in der Zukunft erhalten werden, können sie ein neues Modell oder eine neue Technologie realistischer beurteilen als mit den herkömmlichen Verfahren der Marktforschung. Mit anderen Worten: Es geht darum, die Informationen der Kunden zu beschleunigen und sie gedanklich in die Zukunft zu bringen. Mit dem umfassenden Wissen über das neue Produkt und den Nachrichten aus der Welt von übermorgen schafft Professor Urban eine solide Basis, um Verbraucher nach ihrer Meinung zu fragen. Sie berichten damit quasi aus der Zukunft, bewerten Neuentwicklungen in einem anderen Kontext und in einem anderen Umfeld als heute.
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Autonomes Fahren und Gesellschaft: Das Projekt Villa Ladenburg Wenn die Automobile der Zukunft autonom fahren,
mehrmals erfolgreich angewendet. Das Grundprinzip lautet „informieren und konditionieren“: Mithilfe verschiedener Medien wie Broschüren, Internet, Filme, Blogs oder TV-Beiträge sollen Kunden durch Informationen in die Welt von morgen versetzt werden, sodass sie das Objekt der jeweiligen Marktuntersuchung wirklichkeitsgetreu beurteilen können – quasi mit den Augen eines Kunden der Zukunft. Die Chancen zukünftiger Automodelle, Smartphones und Computer, aber auch neue Finanzdienstleistungen oder Online-Dienste haben Forscher mithilfe der MIT-Methode bereits analysiert und konnten mit ihren Erkenntnissen wertvolle Hinweise für die Produktentwicklung geben. Marianne Reeb: „Es ist ein probates Verfahren, um schon heute vorhersagen zu können, was die Menschen in einigen Jahren denken werden.“ Nachrichten aus dem Jahr 2020
wird sich dadurch nicht nur das individuelle Fahrverhalten ändern, sondern beispielsweise auch Arbeits- und Lebensgewohnheiten und rechtliche Vorschriften. Doch wie lässt sich dafür allgemeine Akzeptanz schaffen? Welche sozialen, psychologischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte begleiten das autonome Fahren? Unter anderem mit diesen Fragestellungen wid-
„Die Welt hat sich verändert.“ Mit diesen Worten beginnt ein dreiminütiger Film, den die Teilnehmer zu Beginn der Daimler-Akzeptanzstudie sahen. Er versetzte sie in die Zeit um das Jahr 2020 und zeigte einen Alltag, in dem vieles automatisiert abläuft und noch engmaschiger vernetzt ist als heute. Alles wird einfacher, stressfreier und komfortabler, so die Kernbotschaft des Visionsfilms – auch das Autofahren.
met sich das interdisziplinäre Forschungsprojekt
„Villa Ladenburg“ seit Herbst 2012 den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des autonomen Fahrens. Das Projekt – mit einem Kernteam von vier Forschern und weiteren zwanzig Experten unterschiedlicher Fachbereiche – wird mit insgesamt zwei Millionen Euro von der Daimler und Benz Stiftung gefördert, die bereits seit 1986 Forschungsak-
Das autonome Fahrsystem bedeute Reisen »wie im Flugzeug«, stellte einer der Probanden nach dem Ende der Testfahrt fest.
tivitäten verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen unterstützt. Das Expertenteam des Projekts
„Villa La-
denburg“ ist breit aufgestellt: Neben zahlreichen deutschen Universitäten sind auch Mitarbeiter der US-amerikanischen Stanford University und der California State University beteiligt. Der Abschlussbericht des Projekts, mit den Einschätzungen der Forscher zur gesellschaftlichen Zukunft des autonomen Fahrens, soll Ende 2014 vorgelegt werden und dann auch öffentlich zugänglich sein. www.daimler-benz-stiftung.de
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Durch dieses „Future Conditioning“ zeichneten die Forscher ein Bild der Zukunft, das die Probanden dann durch eigene Recherchen weiter konkretisieren konnten. Per Mausklick lieferte ihnen ein Computer weitere Nachrichten aus der Zukunft: Zeitungsberichte über Ereignisse in Politik und Wirtschaft, wie sie 2020 möglich sein könnten, Experten-Interviews, Internetseiten von Behörden und Organisationen sowie Blogs mit Erfahrungsberichten imaginärer Zeitgenossen. Im Mittelpunkt des Informationsangebots stand freilich das Thema „Autofahren in der Zukunft“, das vor allem durch Berichte über autonom fahrende Autos geprägt wurde. „Insgesamt hatten wir weit über ein Dutzend Infopunkte zusammengestellt, die von den Testteilnehmern angeklickt werden konnten. Dabei wurde das autonome Fahren durchaus auch kritisch beleuchtet, etwa durch Unfallberichte oder Vergleichstests verschiedener Fahrerassistenzsysteme“, sagt Projektleiterin Christin Sütterlin vom Customer Research Center. Mit diesem Informationsangebot waren die Probanden umfassend auf die Zukunft vorbereitet und erlebten anschließend die entscheidende Phase der Akzeptanzuntersuchung, in der sie ihr Wissen über das Autofahren in der Zukunft durch eigene, praktische Erfahrungen erweiterten: Im Fahrsimulator stand ein Mercedes-Benz bereit, wie er um das Jahr 2020 Realität sein könnte – eine Limousine, die von allein über die Autobahn fährt. „Die Testteilnehmer konnten selbst entscheiden, ob sie die neue Technologie nutzen wollten
oder nicht“, berichtet Bernhard Morys, Leiter des Versuchsbetriebs im Fahrsimulator. „Wer autonom fahren wollte, konnte das System auf der rechten Fahrspur aktivieren und wurde anschließend mit 130 km/h über die Autobahn chauffiert. Wer schneller fahren wollte, musste selbst das Lenkrad übernehmen und konnte auf der linken Fahrspur bis auf 160 km/h beschleunigen.“ Keine Frage, dass die Mehrzahl der Autofahrerinnen und Autofahrer schon nach kurzer Zeit auf Automatikbetrieb umschalteten und nicht selbst fahren wollten. Das überraschte das Forscherteam nicht. Der Wunsch, das Lenkrad für gewisse Zeit loszulassen und etwas anderes zu tun, entspricht einem Trend, den die Fachleute schon seit einiger Zeit beobachten. „Wir erkennen, dass sich junge Menschen im Auto lieber auf andere Dinge konzentrieren würden als auf das Autofahren. Das gilt vor allem bei langen, monotonen Fahrten, im Stau oder auf Strecken, die man täglich fährt“, erklärt Daimler-Forscherin Marianne Reeb. Signifikanter Meinungswandel Doch womit beschäftigen sich Autofahrer, während ihr Wagen sie über die Autobahn chauffiert? Um das zu klären, war der Testwagen im Fahrsimulator mit einem Online-System ausgerüstet, das per Touchscreen Musik, E-Mails, Videos, Nachrichten oder Internetdienste ins Auto holte – insgesamt ein umfangreiches Infotainmentprogramm, das heute während der Fahrt nicht zur Verfügung steht, weil es Autofahrer zu stark vom Verkehrsgeschehen ablenken würde. „Das Feedback war überwiegend positiv. Über die Hälfte der Testteilnehmer gaben an, während der Fahrt das neue Informations- und Unterhaltsangebot mit gutem und sicherem Gefühl nutzen zu können“, berichtet Christin Sütterlin und lässt damit bereits durchblicken, wo für die Kunden die Vorteile des autonomen Fahrens liegen. Immer wieder hatten die Forscher den Probanden im Laufe der Untersuchung Fragen gestellt und sich nach ihrer Meinung über die neue Technologie erkundigt. Das brachte einen aufschlussreichen Stimmungswandel zutage, der den Erfolg der MIT-Methode der „Information Acceleration“ bestätigt. War die Mehrzahl der Testteilnehmer zu Beginn der Studie eher skeptisch und beurteilte das System zum Beispiel als „teure Spielerei“, die dem Autofahrer wahrscheinlich nur wenig Verantwortung abnehme, so änderte sich diese Einstellung nach dem virtuellen Ausflug in die Zukunft deutlich. „Mit zunehmender Information und echter Erfahrung mit dem System verbesserte sich die Akzeptanz für das autonome Fahren signifikant“, fasst Christin Sütterlin das Ergebnis zusammen. Konkret: Rund 50 Prozent der Testteilnehmer bezeichneten sich am Ende der Studie als Fans des autonomen Fahrens und zeigten eine hohe Kaufbereitschaft für dieses System. Weitere 31 Prozent waren stark interessiert und würden eine solche Technik gerne als Serienausstattung nutzen. Zusammengerechnet lag die Akzeptanz für das autonome Fahren also bei über 80 Prozent. „Dieses Ergebnis hat uns überrascht“, sagt Kundenforscherin Sütterlin. „Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und eine wichtige Technologie für das Auto der Zukunft entwickeln.“ Der wichtigste Grund, der für das autonome Fahren spricht, ist nach Meinung der Probanden die hohe Entlastung. Fast 70 Prozent der Testteilnehmer betonten diesen Vorteil. Die neue Technik böte wirkliche Unterstützung in nervigen Situationen wie Stau oder Routinefahrten und ermögliche eine sinnvolle Nutzung der Zeit im Auto,
erklärten sie ebenfalls mehrheitlich. Wörtlich gab einer der Teilnehmer zu Protokoll, mit diesem System reise er „wie im Flugzeug“ und hätte es als „viel zu stressig“ empfunden, als er am Ende der Fahrt wieder selbst lenken musste. Auch der Sicherheitsgewinn wurde erkannt und von weit über 50 Prozent der Fahrer positiv bewertet, weil es ihrer Meinung nach weniger Unfälle durch menschliches Versagen geben werde. Und schließlich brachten zahlreiche Versuchsteilnehmer auch Stichwörter wie Ökologie und Wirtschaftlichkeit in die Diskussion ein. Sie empfanden das autonome Fahren als besonders verbrauchsgünstig und umweltschonend.
Das Fahrzeug nach dem Ausschalten des autonomen Systems wieder selbst zu lenken, empfand ein Proband in seinen eigenen Worten als »viel zu stressig«. Doch es gab durchaus auch kritische Stimmen. Manche Testteilnehmer verspürten während der autonomen Autobahnfahrt ein erhöhtes Kontrollbedürfnis und hatten Sorge, ob der Wagen alles richtig macht. Einige sahen das Risiko, durch eine Nebentätigkeit abgelenkt zu werden und deshalb nicht rechtzeitig eingreifen zu können, wenn das System den Fahrer auffordert, wieder selbst die Regie über das Auto zu übernehmen. Hier sei eine abgestufte Vorwarnstrategie erforderlich, meinte fast jeder vierte Testfahrer und bestätigte damit eine Aufgabe, der sich die Daimler-Ingenieure bereits widmen. Rund drei Stunden dauerte die virtuelle Reise der Versuchsteilnehmer in die automobile Zukunft, drei Stunden, in denen sich ihr Interesse, ihre Begeisterung und ihre Akzeptanz für das zukünftige System kontinuierlich von Testphase zu Testphase verbesserten. Doch das genügte den Forschern noch nicht. Aus Erfahrung wissen sie, dass die Euphorie oft deutlich nachlässt, wenn Probanden wieder in ihren Alltag zurückgekehrt sind und einige Zeit über ihre Erlebnisse nachgedacht haben. Um dies zu berücksichtigen, meldeten sich die Kundenforscher nach zwei Wochen wieder bei den Teilnehmern der Akzeptanzstudie und erkundigten sich nochmals nach ihrer Meinung über das autonome Fahren. „Das Ergebnis zeigt zwar einen leichten Rückgang der Akzeptanz, doch die Einstellung war weiterhin überwiegend positiv und das Interesse an einem solchen Fahrerassistenzsystem lag auch bei der Nachbefragung noch immer deutlich über den Werten, die wir zu Beginn der Studie festgestellt hatten“, berichtet Kundenforscherin Christin Sütterlin und ergänzt: „Damit steht fest, dass das autonome Fahren keine ‚Strohfeuer‘Innovation ist.“
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Video Diesen Beitrag sowie ein Video über den hochmodernen Fahrsimulator von Mercedes-Benz in Sindelfingen finden Sie im Internet unter: www.mb-qr.com/0ej
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au tonom au f den Spu r en von Bert h a Benz
Als erster Automobilhersteller der Welt hat Mercedes-Benz mit dem Forschungsfahrzeug S 500 INTELLIGENT DRIVE gezeigt, dass auch im Überland- und Stadtverkehr autonomes Fahren möglich ist. Die Route folgte den Spuren der Pionierin Bertha Benz, die auf dieser Strecke vor genau 125 Jahren die erste automobile Fernfahrt gewagt hatte. TEXt und fOTOGRAFIE Daimler
Autonom automobil Im dichten Verkehr des 21. Jahrhunderts musste die selbst-
Schlüsselwörter
ständig fahrende S-Klasse hochkomplexe Situationen autonom bewältigen – mit Ampeln, Kreisver-
Autonomes Fa hr en Forschungsfa hr zeug S 500 Intelligent Dr i v e Pionier leistung Berth a-Benz-Fa hrt
I
m August 1888 startete Bertha Benz zu ihrer berühmten ersten automobilen Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim. Damit stellte die Frau von Carl Benz die Alltagstauglichkeit des Benz Patent-Motorwagens unter Beweis und bereitete so den Weg für den weltweiten Erfolg des Automobils. Genau 125 Jahre später, im August 2013, gelang Mercedes-Benz auf der gleichen Route eine nicht weniger spektakuläre Pionierleistung: Das Forschungsfahrzeug S 500 INTELLIGENT DRIVE – entwickelt auf Basis der Mercedes-Benz S-Klasse – fuhr
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kehren, Fußgängern, Radfahrern und Straßenbahnen. Dieser wegweisende Erfolg wurde nicht durch den Einsatz extrem teurer Spezialtechnologie, sondern mithilfe seriennaher Technik realisiert.
selbstständig auf den rund 100 Kilometern zwischen Mannheim und Pforzheim – und das bei hoher Verkehrsdichte und in komplexen Verkehrssituationen. „Mit dieser S-Klasse zeigen wir, wo wir mit ‚Intelligent Drive‘ hinwollen und welch großes Potenzial in der bereits heute verfügbaren Technik steckt“, so Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler und Leiter Mercedes-Benz Cars. Denn das Forschungsfahrzeug S 500 INTELLIGENT DRIVE wurde für das Projekt mit seriennaher Sensorik ausgestattet. Basierend auf einer
Weiterentwicklung der bereits heute in der S-Klasse eingesetzten Sensortechniken, haben die Entwickler dem Technologieträger beigebracht zu wissen, wo er ist, was er sieht und wie er selbstständig reagieren soll: Ganz allein findet das Auto mit seinem hochautomatisierten „Strecken-Pilot“ den Weg durch dichten Verkehr. „Mit den erfolgreichen Versuchsfahrten haben wir den Beweis erbracht, dass hochautomatisiertes Fahren auch jenseits von abgesperrten Strecken oder vergleichsweise übersichtlichen Situationen möglich ist“, sagt
Rechenleistung Aus der Kombination der Daten der Umfelderkennung mit der Vorausberechnung der Route – auf Basis von Navigations- und Topografiedaten – berechnen die Bordsysteme alle autonomen Fahrmanöver. Experten sprechen von einem „Fahrschlauch“, durch den sich das Fahrzeug bewegt.
Thomas Weber, im Vorstand von Daimler verantwortlich für Konzernforschung und Leiter Mercedes-Benz Cars Entwicklung. „Wir haben – das war für uns das Ziel des Projekts – wesentliche Erkenntnisse gewonnen, in welche Richtung wir unsere heutigen Systeme weiterentwickeln müssen, um auch abseits der Autobahn autonom fahren zu können. Wir waren fast selbst erstaunt, wie weit wir mit unserer heutigen Sensortechnik schon kommen, aber wir wissen jetzt auch, wie viel Zeit und Mühe es kostet, dem Fahrzeug das richtige Verhalten in einer Vielzahl von Verkehrssi-
tuationen beizubringen – denn jede Fahrt auf der Strecke war anders.“ Die Erfahrungen fließen in die Planung künftiger Fahrzeuge ein, die mit diesen innovativen, weiterentwickelten Funktionen ausgestattet werden sollen. Weber betont: „Wir sind mit der S-Klasse die Ersten, die im Stau autonom fahren können. Wir wollen auch die Ersten mit weiteren autonomen Fahrfunktionen in Serie sein. Gehen Sie davon aus, dass wir das noch innerhalb dieser Dekade schaffen.“ Teilautomatisiertes Fahren können Mercedes-Benz Fahrer bereits heute in den
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neuen Modellen der E-Klasse und S-Klasse genießen: Die neue DISTRONIC PLUS mit Lenk-Assistent und Stop-and-go-Pilot lenkt das Fahrzeug weitgehend automatisch durch den Stau. Damit bildet dieses System den Kern von „Mercedes-Benz Intelligent Drive“, der intelligenten Vernetzung aller Sicherheits- und Komfortsysteme auf dem Weg zum unfallfreien bis hin zum autonomen Fahren. Mit den jetzt erfolgreich durchgeführten autonomen Versuchsfahrten auf der BerthaBenz-Route konnten die Daimler-Forscher wichtige Erfahrungen sammeln, welche
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300 Gigabyte pro Stunde
Das
Forschungsfahrzeug S 500 INTELLIGENT DRIVE zeichnet alle ermittelten Sensordaten auf. Dabei entstehen allein aus den Bildern der Stereokamera pro Stunde 300 Gigabyte an Daten. Auf dieser Basis können alle Entscheidungen des Fahrzeugs von den Daimler-Forschern nachvollzogen werden.
Herausforderungen auf dem Weg zum hochund vollautomatisierten Fahren noch zu bewältigen sind und was zum Beispiel noch getan werden muss, damit sich ein Auto auch in hochkomplexen Situationen sicher bewegen kann. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, aber mit den entsprechenden Ausnahmegenehmigungen versehen, startete die Erprobung des „Strecken-Piloten“ auf der BerthaBenz-Route Anfang 2012 mit insgesamt drei Technologieträgern auf Basis der E-Klasse und S-Klasse, die mit allen erhältlichen aktiven und passiven Sicherheitssystemen ausgestattet sind. Seriennahe Sensortechnologie In diesen Versuchsträgern wurden nur solche Sensortechnologien verwendet, die ähnlich schon heute in Mercedes-Benz Serienfahrzeugen zur Anwendung kommen. Denn diese Technologien sind bereits alltagstauglich und bezahlbar und machen damit einen möglichen Transfer in spätere Serienmodelle leichter. Weiterentwickelt wurden allerdings Anzahl und Anordnung der Sensoren, um eine umfassende Abdeckung der Fahrzeugumgebung in alle Richtungen zu erreichen und zusätzliche Informationen über das Fahrzeugumfeld zu erhalten. Beispiele für die technischen Anpassungen im Vergleich zur Serienversion einer S-Klasse von Mercedes-Benz sind die Vergrößerung der Basisbreite (des Augenabstands) der Stereokamera, um Objekte in größerer Entfernung zusätzlich zum Radar auch mittels Kamera zu erkennen, und eine Farbkamera zur Beobachtung von Ampeln. Auf Basis dieser Sensordaten, der Bestimmung der eigenen Position des Fahrzeugs und anhand von Informationen aus einer digitalen Karte erfolgen in den autonom
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fahrenden Autos die Analyse des befahrbaren Freiraums und die Planung des eigenen Fahrwegs. Die dafür benötigten Algorithmen wurden von der Mercedes-Benz Forschungsgruppe in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Für die Fahrt auf der Bertha-Benz-Route hat Mercedes-Benz in Zusammenarbeit mit dem KIT und HERE, einem Geschäftsbereich von Nokia, der auf die Herstellung von digitalen Karten und ortsbezogenen Diensten spezialisiert ist, eine digitale 3-D-Karte der Strecke erstellt, die speziell auf die Anforderungen eines autonomen Fahrzeugs angepasst ist. In dieser besonders genauen Karte sind neben Straßenverlauf, Anzahl und Richtung der Fahrspuren sowie Verkehrsschildern auch Positionen von Ampeln erfasst. Derartige digitale Karten bilden eine wichtige Voraussetzung für das autonome Fahren. Überwacht wurde die autonom fahrende S-Klasse im Rahmen der Erprobung von speziell geschulten Sicherheitsfahrern, die im Fall einer Fehlentscheidung des Systems sofort eingreifen und die Fahrzeugführung übernehmen konnten. Da der reale Verkehr nicht vorhersehbar ist und damit keine Fahrsituation einer früheren glich, wurde jede notwendige Übernahme durch den Fahrer dokumentiert. Diese Informationen wurden dann vom Entwicklungsteam ausgewertet und damit der Manöverkatalog des Fahrzeugs entsprechend erweitert. Auf diese Weise kam der Technologieträger im Zuge seiner fortschreitenden Entwicklung mit immer mehr Verkehrssituationen zurecht. Die Versuchsfahrten liefern wichtige Erkenntnisse für die weitere Technologie- und Produktentwicklung. Für Daimler liegt der Erfolg der autonomen Fahrten vor allem darin, herausgefunden zu haben, welchen Themen
sich das Entwicklungsteam in Zukunft verstärkt widmen muss. „Wir wissen jetzt, in welchen Bereichen wir den programmierten Manöverkatalog des Fahrzeugs noch verbessern und verfeinern können, zum Beispiel beim autonomen Durchfahren von Kreisverkehren“, berichtet Ralf Guido Herrtwich, Leiter Fahrerassistenz- und Fahrwerksysteme in der Konzernforschung und Vorentwicklung bei Daimler und in dieser Funktion Initiator des autonomen Fahrprojekts. Eine weitere Herausforderung ist die richtige Lokalisierung des Fahrzeugs auf der Straße, etwa um festzulegen, wo genau ein Fahrzeug an einer Einmündung anhalten soll, um den Querverkehr im Blick zu haben. Besonders anspruchsvoll ist für autonome Fahrzeuge die Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern. Sich mit einem entgegenkommenden Fahrzeug darauf zu einigen, welches als Erstes eine Engstelle passieren soll, erfordert ein Höchstmaß an Situationsanalyse. „Wo ein menschlicher Fahrer beherzt in die Lücke vorstoßen würde, verhält sich unser autonomes Fahrzeug eher zurückhaltend“, so Herrtwich. „Das führt dann schon manchmal zu komischen Situationen, etwa wenn das Fahrzeug an einem Fußgängerüberweg anhält, uns die Passanten aber signalisieren zu fahren – und unser Auto stoisch weiter wartet, weil wir bei der Programmierung nicht mit so viel Höflichkeit gerechnet haben.“
HYPERLINK Video Das ausführliche Video zur autonomen Testfahrt auf den Spuren von Bertha Benz finden Sie im Internet unter: www.mb-qr.com/0ds
Historische Route Für den Weg In die Zukunft
Weinheim
Pioniere Im August 1888 startete
Bertha Benz mit dem Patent-Motorwagen ihres Ehemanns Carl Benz zur ersten automobilen Fernfahrt der Geschichte und bereitete so den Weg für den weltweiten Erfolg des Automobils. Die rund 100 Kilometer lange Route in südlicher
Mannheim
Richtung von Mannheim nach Pforzheim diente genau 125 Jahre später den Entwicklern von Mercedes-Benz als reale Teststrecke für eine weitere Pionierleistung in Sachen Mobilität: den Beweis der Alltagstauglichkeit autonomer Fahrsysteme in den hochkomplexen Situationen des
Heidelberg
Überland- und Stadtverkehrs. S 500 Intelligent Drive (2013) Bertha Benz (1888)
Rhein
Wiesloch
Bruchsal
Karlsruhe Ettlingen Rastatt
Pforzheim
»Ei n n eu es K a pi t el i n der Sich er h ei tst ech n i k .«
Impulse Wie wird das autonome Rodolfo Schöneburg, Leiter Sicherheit, Betriebsfestigkeit und Korrosionsschutz bei Mercedes-Benz Cars, über passive Sicherheit und autonomes Fahren.
Text Rüdiger ABELE Fotografie Kurt HENSELER
Evolution Herr Schöneburg, Automobile werden in den kommenden Jahren mit diversen Zwischenstufen zunehmend autonomes Fahren ermöglichen. Beginnt damit ein neues Zeitalter der Sicherheitstechnik? Es beginnt kein neues Zeitalter, aber gewiss ein neues Kapitel in der Sicherheitstechnik. Wir betrachten das autonome Fahren in Hinsicht sowohl auf die aktive wie auch die passive Sicherheit als Teil einer Evolution der verschiedenen Systeme – die Entwicklung geht immer weiter. Ein Beispiel: Bereits vor rund zehn Jahren hat Mercedes-Benz PRE-SAFE® eingeführt und damit eine Technik, die aktive und passive Sicherheit miteinander vernetzt. PRE-SAFE® nutzt Sensoren der aktiven Sicherheit, etwa vom Elektronischen Stabiliäts-Programm ESP® und vom Bremsassistenten, um Systeme der passiven Sicherheit anzusteuern. Dadurch sind Insassen schon in der Vorphase eines Unfalls besser geschützt. Das System nutzt also Merkmale der aktiven Sicherheit, um in Grenzsituationen die passive Sicherheit zu verbessern. PRE-SAFE® gibt es heute intensiv weiterentwickelt in fast jedem Mercedes-Benz Serienfahrzeug. 36
Fahren Anstöße für neue oder verbesserte Sicherheitssysteme geben? Die Sicherheitsentwicklung baut immer auf dem aktuellsten Stand der Technik auf. Die Sensoren der Systeme des autonomen Fahrens werden wir beispielsweise nutzen, um den Insassenschutz weiter zu optimieren, etwa über eine verbesserte Auslösung der Rückhaltesysteme, wie Airbags oder pyrotechnische Gurtstraffer. Und es werden ganz neue Systeme entstehen. Wir entwickeln unsere PRE-SAFE® Strategie weiter mit Systemen, die wir erstmals im Experimental-Sicherheits-Fahrzeug ESF 2009 gezeigt haben. Ein Ergebnis ist PRE-SAFE® Impuls der neuen S-Klasse: Der Sicherheitsgurt bewegt Fahrer und Beifahrer in einer frühen Crashphase noch vor dem Anstieg der aufprallbedingten Insassenverzögerung entgegen der Aufprallrichtung. Wir entkoppeln die Insassen quasi von der unfallbedingten Fahrzeugverzögerung. Dadurch können das Verletzungsrisiko und die Verletzungsschwere bei Frontalcrashs erheblich reduziert werden. Dieses System ist vom Ansatz her auf jeden Unfalltyp übertragbar und könnte dazu führen, dass man in einem nächsten Schritt die Sidebags vereinfacht, gar keine mehr benötigt oder ganz andere Systeme hat. Darüber lassen sich dann vielleicht sogar Gewicht und Kosten reduzieren.
Wandel Gibt es Sicherheitsmerkmale heutiger Autos, die dann überflüssig werden? Kein heutiges Sicherheitsmerkmal aktueller Autos wird auf absehbare Zeit überflüssig sein. Denn im Straßenverkehr wird es ja nicht auf einen Schlag ausschließlich autonom fahrende Automobile geben. Wir werden mit einer sehr langen Übergangszeit leben müssen, in der sich autonom fahrende Fahrzeuge zusammen mit konventionellen Fahrzeugen in einem gemeinsamen Verkehrsraum bewegen. Vermutlich wird es sogar immer konventionelle Fahrzeuge
geben, beispielsweise Motorräder oder Oldtimer. Auch gibt es Situationen, in denen der Fahrer eines autonom fahrenden Autos selbst fahren möchte und deshalb Systeme deaktiviert. Durch autonomes Fahren wird man Sicherheitsmerkmale also nicht reduzieren, aber ich denke, es werden Sicherheitsfunktionen entstehen, die den Schutz für die Insassen weiter verbessern werden.
Szenarien Können Sie schon heute Unfallsituationen identifizieren, in denen das autonome Fahren Vorteile bringt? Das autonome Fahren wird zunächst auf gut ausgebauten Straßen möglich sein, etwa auf Autobahnen. Dort wird es die Zahl der Unfälle voraussichtlich auch reduzieren. Denn der reine Längsverkehr ganz ohne Kreuzungen ist insgesamt aus der Sicht der technischen Systeme eine im Wortsinn gut berechenbare Situation, in der die Technik dann auch unfallvermeidend wirkt. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis auch unübersichtliche Situationen autonom gemeistert werden, etwa in der Stadt oder auf Kreuzungen. Dabei muss stets das Unfallszenario genau betrachtet werden. Nehmen Sie das Beispiel, dass ein Auto autonom auf einer Vorfahrtsstraße fährt; wenn nun ein konventionelles Auto plötzlich aus einer Einmündung auf die Vorfahrtsstraße biegt, lässt sich ein Unfall kaum vermeiden; im umgekehrten Fall vermutlich schon, da verhindern die Systeme fürs autonome Fahren ein Losfahren in die Vorfahrtsstraße hinein. Relation Warum gelten Autobahnen schon heute als sichere Straßen? Vor allem aus zwei Gründen: zum einen, weil alle Autos in eine Richtung fahren, zum anderen, weil sie mit mehr oder weniger gleicher Geschwindigkeit unterwegs sind und deshalb ihre Relativgeschwindigkeit gering ist. Je höher der Geschwindigkeitsunterschied, desto größer ist auch die Unfallschwere. Wenn auf der Landstraße zwei sich entgegenkommende Fahrzeuge
viele Unfälle durch sein vorausschauendes Fahren und richtiges Reagieren in kritischen Situationen. Geschieht dennoch ein Unfall, liegt etwa bei 85 Prozent aller Unfälle ein Fehlverhalten des Menschen vor – und in diesen Situationen kann die Technik sie verhindern oder die Schwere reduzieren. Anders gesagt: Die Maschine muss in der Fehlervermeidung erst einmal so gut werden wie der Mensch. Daran werden die Wissenschaftler und Ingenieure noch eine Weile arbeiten.
mit jeweils 100 km/h unterwegs sind, haben sie eine Relativgeschwindigkeit von 200 km/h. Da genügen ein kleiner Stein und ein Verziehen des Lenkrads, um einen Unfall mit sehr hoher Schwere zu erzeugen.
Informationen Auf welche Systeme können Sie in autonom fahrenden Automobilen zusätzlich zurückgreifen? Zum Beispiel die Radarsysteme der Umfelderkennung sind für uns hervorragend geeignet, um damit auch Sicherheitssysteme zu steuern. Ein nächster Schritt wird Car-to-X sein – der Informationsaustausch des Fahrzeugs mit seiner Umwelt und anderen Fahrzeugen. Das könnte uns bei einem drohenden Unfall etwa die Information zum Kollisionsgegner liefern: Welche Fahrzeugart ist es? Wie schwer ist es? Mithilfe dieser Angaben lassen sich die Sicherheitssysteme dann für einen optimalen Insassenschutz voreinstellen. Wir sprechen hier von Fahrzeugklassifizierung.
SEnsoren Wie hat sich die Sensorik über die Jahre entwickelt? Die Sensorik ist für uns ein „Enabler“, wie wir es nennen – sie macht Dinge möglich. Sensoren fühlen, sehen und kommunizieren. In der Entwicklungsgeschichte haben wir zunächst mit fühlenden Sensoren gearbeitet, die etwa Beschleunigung, Kräfte und Drehraten messen, um die Sicherheitssysteme passend einzustellen. Im nächsten Schritt kamen die „sehenden“ Radar- und Kamerasensoren, die das Umfeld erkennen; sie verbessern die Systeme, weil diese schon sehr viel früher reagieren können, um beispielsweise eine Bremsung einzuleiten oder reversibel die Gurte zu straffen. Die Kommunikation über Car-to-X als nächster Schritt wird dann weitere deutliche Verbesserungen ermöglichen.
Sinne Wo liegen weitere Stärken der
curriculum vitae Rodolfo Schöneburg, geboren 1959 in Ciudad Bolivar, Venezuela Diplom an der TU Berlin in den Bereichen Flugtechnik und Betriebswirtschaft Promotion an der TU Berlin zum Thema computergestützte Crashsimulationen seit 1999 Leiter Sicherheit, Betriebsfestigkeit und Korrosionsschutz bei Mercedes-Benz Cars ausgezeichnet mit dem Paul-Pietsch-Preis für das innovative präventive Insassenschutzsystem PRE-SAFE® und dem „Pathfinder Award“ der US-amerikanischen Sicherheitsvereinigung Automotive Safety Council
Reaktion Arbeitet die Technik besser und zuverlässiger als der Mensch? Pauschal kann man das nicht sagen. Grundsätzlich verhindert der Mensch sehr TECHNICITY.DAIMLER.COM
Technik und des Menschen? Grundsätzlich gilt, dass das Fahrzeug mithilfe der Systeme und Sensoren in vielen Situationen schneller und präziser reagiert als der Mensch und auch nicht müde wird. Rund um die Uhr steht die volle Leistung zur Verfügung – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit, denn manche Sensoren benötigen etwa gute Sichtverhältnisse, wie auch der Mensch. Aber in einem Aspekt ist der Mensch deutlich besser: Er hat auch beim Autofahren einen „siebten Sinn“ für drohende Situationen, welche die Technik nicht erkennen kann. Ein Beispiel: Man fährt auf der Autobahn auf der linken Spur, in der rechten Spur ist dichter Kolonnenverkehr mit einem Personenwagen zwischen Lastwagen. Mithilfe des „siebten Sinnes“ und der Fahrerfahrung beurteilt man, wie der Fahrer des Personenwagens agiert und ob es Anzeichen dafür gibt, dass er eventuell die Fahrspur wechseln wird, um zu überholen. Schaut er in den Rückspiegel? Bewegt er das Fahrzeug schon in Richtung linke Fahrspur? Mithilfe des „siebten Sinnes“ schauen wir mitunter nach ganz feinen Zeichen, die eine Sensorik auf absehbare Zeit nicht erkennen wird – sie beobachtet die eigene Fahrspur. Der Mensch hingegen bewertet die Gesamtsituation. Wobei ich denke, dass die Technik auch in dieser Hinsicht immer besser werden wird – und vielleicht eines Tages sogar einen „siebten Sinn“ hat. 37
Vier von f端nf chinesischen Besitzern einer E-Klasse Oder S-Klasse bevorzugen den Platz im Fond.
in Europa ist es nicht 端blich, von einem Chauffeur gefahren zu werden, sondern selbst am Steuer zu sitzen.
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Top o grafie des Ko m fo rt s
Die Erwartungen an die Komfortzonen des Automobil-Interieurs sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die Innenraum-Experten bei Daimler nehmen darum verschiedene Weltregionen mit ihrer Kultur und ihren spezifischen Wünschen in den Blick. Text Andreas KunkeL FOTOGRAFIE Daimler
Schlüsselwörter Interieur-Design Mobilitätskultur Komfort Neue Fondkonzepte Wohlfühlen
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B
ei der „Liebe auf den ersten Blick“ zählen die ersten Sekunden, bei Menschen ebenso wie bei Premiumfahrzeugen. Schon die Erscheinung steigert die Herzfrequenz. Und beim näheren Hinsehen wecken immer mehr Details unser Interesse. Spätestens jetzt entscheidet sich, ob sich eine tiefere Beziehung aufbaut. „Mit dem Exterieur steht und fällt die Frage, ob ich mich in ein Auto verliebe“, erklärt Mercedes-Benz Chefdesigner Gorden Wagener. Doch ob sich dieser erste Eindruck zu einer echten und langen Beziehung weiterentwickelt, liegt vor allem am Interieur. Und hier gibt ein ganzes Bündel von Eigenschaften den Ausschlag: Das Aussehen der Materialien und die Haptik, das intuitive Verstehen der Bedienung, das Wohlfühlen, die Präzision, mit der alle Details ausgeführt sind, die Stimmigkeit des Designs und die Reichhaltigkeit der zur Verfügung stehenden Features oder die Solidität sind nur einige Beispiele. „Bei der Wahrnehmung des Interieurs sind dauerhaft alle menschlichen Sinne beteiligt“, betont Götz Renner, Leiter des Customer Research Centers (CRC) von Mercedes-Benz: „Der Geruchssinn bestimmt, ob ich von etwas angezogen werde – die Ohren, ob ich mich willkommen fühle – und der Tastsinn sagt, ‚diese Oberfläche will ich immer wieder anfassen‘.“
verbundenen exklusiven Anspruchs lässt sich aber letztlich nur erleben, wenn möglichst jeder Sinn angesprochen wird, um das generell angenehme Gefühl im Wageninneren wahrzunehmen und auszukosten. Allein die Anmutung und das Fühlen von ausgesuchten Materialien aus Leder, Holz oder Stoffen und deren Verarbeitung hinterlassen bei den Insassen einen prägend-positiven Eindruck. Die wohl edelsten Belege dafür sind die neue Langversion der E-Klasse**, wie sie jüngst auf der Fachmesse Auto China vorgestellt wurde, und die neueste Generation der S -Klasse. Bei der E-Klasse unterstreichen außergewöhnliche Materialien und raffiniert unterteilte Flächen mit präzisen Fugen und scharfen Radien den hochwertigen Gesamteindruck des großzügigen Innenraums. Das zweiteilige Zierteil, das sich über die ganze Breite der Instrumententafel erstreckt, kann in den Holzoptiken Wood und Ash Tree Black gewählt werden. Auch in der S-Klasse betont ein perfekt abgestimmtes Material- und Farbkonzept den noblen Innenraum. Holz findet insbesondere bei der Instrumententafel und der Mittelkonsole eine großzügige Verwendung. Ein besonderes Element der Hochwertigkeit sind zudem metallisierte Schalteroberflächen mit Perleffekt-Lacken in drei Farbtönen, passend zur Innenraumfarbe.
Das Fahrzeug wird zum „Third Place“
Konzentriert arbeiten und ungestört entspannen
Das Innenraum-Design eines Mercedes-Benz ist deshalb seit jeher stilprägend für Generationen von Autos. Eine weitere Benchmark bei Funktionalität, Wohlgefühl und Design wird somit beispielsweise das Interieur der neuen S-Klasse* setzen. Mit ihrer klaren Architektur ist sie schon jetzt Sinnbild für eine klassische, souveräne und zugleich hochmoderne Limousine. Die edle Anmutung des Innenraums wird durch den fließenden, sinnlich eleganten Stil noch verstärkt. Und die horizontal angeordneten Elemente und Linien schaffen ein Ambiente, das sich durch optische Weite und formale Ruhe auszeichnet. Die Interieur- und Raumkonzepte von Mercedes-Benz orientieren sich aber nicht nur an einer angenehmen Fahrt in exklusiver Atmosphäre – unabhängig davon, ob der Besitzer selbst fährt oder sich fahren lässt. Die Ingenieure und Designer stellen die Fahrzeuge auch auf die Nutzung als „Third Place“ ein: „Ihr erster Lebensort ist das Zuhause, Ihr zweiter ist Ihr professionelles Umfeld, zum Beispiel Ihr Arbeitsplatz, und als Drittes kommt das Auto dazu“, erklärt Renner. Gerade für Mercedes-Benz Kunden wird der „Lebensraum Auto“ ein entscheidender Faktor. Denn sie haben mitunter ein besonders anspruchsvolles Arbeitsumfeld mit vielen Besprechungen und Verhandlungen. Und sie verbringen aufgrund der Urbanisierung mehr und mehr Zeit im Auto, weil die Verkehrsdichte hoch ist. „Wer viel Zeit im Premiumfahrzeug verbringt, der hat einen sehr hohen Anspruch auf eine ‚Quality of Time‘“, sagt Renner. „Bei Mercedes-Benz ist neben der Sicherheit deshalb auch der Komfort ein Kernwert.“ Ein umfassend sinnliches Erleben des Interieurs eines Mercedes-Benz und des damit
Auch bei der Klimatisierung setzen die Ingenieure Zeichen: Neben einer Vielzahl unauffälliger Komfortelemente sind Leistungsfähigkeit, Luftqualität, Regelgüte, Geräuschniveau und Effizienz weltweit beispielgebend. Eine verbesserte Filterung der Außenluft kann im Bedarfsfall ebenso genutzt werden wie spezielle Module zur Erhöhung des Wärmekomforts, etwa bei der Komfortsitzheizung oder den beheizten Armauflagen. Und die Klimatisierungsautomatik THERMOTRONIC bietet zwei zusätzliche Zonen zur Erhöhung des Klimakomforts im Fond. Ein besonderer Ausdruck des „WohlfühlServices“ in einem Mercedes-Benz der neuen S-Klasse sind zudem die Sitzbelüftung und die ENERGIZING Massagefunktion nach dem Hot-Stone-Prinzip. Sie ermöglichen eine angenehme und wirkungsvolle Behandlung des Rückens mit Wärme und verschiedenen Massagetechniken. Darüber hinaus
Der Weg zum stilgerechten Interieur Bei der Entwicklung des Interieurs geht Mercedes-Benz seit Jahren einen speziellen Weg. Dabei geht es nicht mehr darum, ein funktionales Interieur nachträglich aufzuwerten. Um die höchstmögliche Wertanmutung zu schaffen, wird vielmehr das sogenannte „Appreciation Model“ genutzt. Hier verwirklichen die Designer zunächst ihre Idealvorstellungen und erarbeiten dann den Weg, wie diese Ideen in die Serie gehen können. Dadurch entsteht ein stimmigeres und hochwertigeres Resultat, das in Design und Charakter branchenprägend ist.
* Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,3–5,5 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert: 242–146 g/km, Effizienzklasse: F–A ** Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,3–4,1 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert: 242–107 g/km, Effizienzklasse: F–A+ Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen.
In China gehört es zur Tradition, Geschäftspartner im Fond mitzunehmen, um dort mit Ihnen zu verhandeln.
Europäische Besitzer einer E-Klasse oder S-Klasse sind im Schnitt rund 20 Jahre älter als die Chinesischen Besitzer.
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Meilensteine im Interieur der S-Klasse
1950er-JahrE Die „Ponton“-Karosserieform brachte deutlich mehr Raumkomfort. Heizung mit Gebläse waren serienmäßig und erstmals für Fahrer und Beifahrer getrennt regulierbar.
1990er-JahrE Erstmals geräusch- und wärmedämmende Isolierverglasung sowie Klimatisierungsautomatik mit CO/ NOX-sensiblen Sensoren und Aktivkohlefilter ab Baureihe 140.
Während Europäer eher ein strafferes Leder auf den Sitzen bevorzugen, ...
2000er-Jahre Mehrzonen-Klimatisierungsautomatik mit sonnenstandabhängiger, sitzplatzindividueller Regelung und Komfortsitze mit Belüftung und dynamischer Multikonturlehne ab Baureihe 220.
AB 2005 Neues Bedienkonzept mit COMAND Controller auf dem Mitteltunnel, fahrdynamische Multikontursitze mit Massagefunktion sowie SPLITVIEW-Monitor ab Baureihe 221, Cupholder mit Temperierfunktion zum Kühlen und Wärmen von Getränken.
werden Programme zur Mobilisation der Bauch- und Rückenmuskulatur angeboten. Dem Fond haben die Sitzentwickler dabei ein zusätzliches Augenmerk geschenkt. Fünf verschiedene Fondsitz-Varianten inklusive eines Executive-Sitzes mit bis zu 43,5 Grad Lehnenneigung stehen zur Wahl und erlauben konzentriertes Arbeiten oder ungestörtes Entspannen an Bord. Neben dem Fühlen ist es aber vor allem das Sehen, das auf f ür Mercedes-Benz typische Weise den Eindruck des Interieurs bestimmt. Vor allem das Anzeige- und Bedienkonzept und die elegante Informationszentrale mit zwei hochauflösenden TFT-Farbdisplays und mit einer Bildschirmdiagonale von 30,7 cm (12,3 Zoll), wie sie in das Interieur der neuen S-Klasse eingearbeitet sind, avancieren zum zentralen „Hingucker“ nicht nur für Technikinteressierte: So übernimmt der linke Bildschirm die Funktion des bisherigen Kombiinstruments und bietet alle für den Fahrer relevanten Informationen. Der rechte Bildschirm dient zur komfortablen Steuerung von Infotainment- und Komfortfunktionen. Die großen Bildschirme ermöglichen dabei neue Freiheitsgrade hinsichtlich Darstellungsmöglichkeiten und Animation von Anzeigen, um den Eindruck der Umgebung zu erweitern. Dabei sind Ausstattungsmerkmale, Anbringung und das hinterlegte Ambiente-Licht des Displays so raffiniert eingesetzt, dass die gesamte Bildschirmeinheit im Innenraum zu schweben scheint. Souveränität, Eleganz und Behaglichkeit werden zudem durch innovative Lichtsysteme in Form einer umlaufenden Lichtleiste sowie formschöne Lichtelemente mit stilvollen Details im Dachhimmel weiter unterstützt. Höchster Komfort auch im Fond
... ist in den USA der Wunsch vorherrschend, in das Leder etwas einzusinken.
Damit auch die Fondpassagiere höchsten Komfort genießen, stehen Konzeption und Exklusivität etwa der Türbeläge und aller Bedienelemente dem Frontpart in nichts nach. Zusätzlich können über eine spezielle Business-Mittelkonsole Privatsphäre und Nutzkomfort wie Integration von Telefonhörer, weitere Staufächer oder Ablagetisch miteinander kombiniert werden. Qualitätsvolles Hören bietet Mercedes-Benz durch spezielle Soundsysteme im Fahrzeug. Sie gewährleisten, dass der Musikgenuss auf allen Sitzen dem akustischen Erleben in einem Konzertsaal in nichts nachsteht. Als erste Limousine ist die neue S-Klasse darüber hinaus mit einem einzigartigen Frontbass-System ausgestattet. Der Clou: Als Resonanzraum für die Basslautsprecher wird das Volumen des Quer- und Längsträgers der Rohbaukarosse genutzt. Die vierte Dimension der Sinnlichkeit schließlich, das Riechen besonderer und edler Düfte, gehört ebenfalls zu den Interieur-Innovationen bei Mercedes-Benz. Speziell für die neue S-Klasse hat Star-Parfümeur Marc vom Ende spezielle Raumdüfte entwickelt. „Wenn ich einen Körperduft auftrage, ist das ein Ausdruck meiner Persönlichkeit und der Stimmung, in der ich gerade bin“, sagt der Künstler, der in den Niederlanden eine Parfümerieschule leitet. Ganz ähnlich sei der Anspruch an den Raumduft in der S-Klasse: Auch hier soll der Charakter des Menschen, der das Fahrzeug fährt, wiedergegeben und zugleich die Atmosphäre des Fahrzeugs transportiert werden. „Grundsätzlich war mir wichtig, dass die Düfte bestimmte Persönlichkeiten und Charaktere widerspiegeln“, sagt vom Ende. „Ich wollte keine beliebigen Düfte, die nirgends anecken, sondern markante Düfte als Ausdruck der besonderen Persönlichkeit – passend zum Anspruch von Mercedes-Benz.“ Zu den Besonderheiten der Interieure von Mercedes-Benz gehört aber nicht nur das sinnliche Erleben, sondern schlichtweg auch die großzügige Raumaufteilung und die weitere, starke Aufwertung des Fondbereichs. „Während in Europa und Nordamerika der Besitzer eines Mercedes-Benz häufig selbst hinter dem Steuer sitzt, werden in Asien Fahrzeuge der E-Klasse und S-Klasse TECHNICITY.DAIMLER.COM
insbesondere auch als Chauffeurfahrzeuge genutzt“, betont Bernd Eckstein, verantwortlicher Produktmanager Components, Telematics und Modules bei Daimler. Gerade hier sei es Tradition, Geschäftspartner mitzunehmen, um mit ihnen zu verhandeln. Zudem sind die asiatischen Mercedes-Benz Besitzer sehr familienorientiert und nutzen den Fond, um mit Eltern, Kindern oder Freunden komfortabel unterwegs zu sein. „Unseren Kunden ganz besonders im asiatischen Raum wollen wir deshalb einen exklusiven Bereich im hinteren Teil des Fahrzeugs bieten – für sie gewährleisten wir, dass Mercedes-Benz Kunden auch im Fond in der ‚ersten Reihe‘ sitzen.“ Die Liste der Kriterien, die Komfort und Sicherheit im hinteren Wagenbereich unterstützen, ist lang: Dazu gehören unter anderem die Sitze, die Fondklimatisierung, die Bedienung, das Design und die InfotainmentAngebote. Die E-Klasse als Langversion beispielsweise wartet mit 14 Zentimetern mehr Beinfreiheit auf. Außerdem bietet sie ein geschärftes Design mit kultiviert-souveräner Gesamtanmutung sowie ein deutliches Plus an Komfort und Ausstattung und unterstreicht damit das wohnliche und repräsentative Ambiente des hinteren Interieurs. Ausdruck für die wachsende Bedeutung des Fonds ist aber beispielsweise auch, dass bei der Entwicklung der S-Klasse erstmals in ihrer Geschichte die Limousine mit langem Radstand im Mittelpunkt stand – die Version mit normalem Radstand wurde aus ihr abgeleitet. Logische Folge ist eine Vielzahl von Neuerungen, die speziell den Komfort und die Sicherheit im Fond betreffen. Aber die Entwicklung des Interieurs ist mit den aktuellen technischen Möglichkeiten und exklusiven Designs längst noch nicht abgeschlossen. In seinen Forschungsfahrzeugen zeigt Mercedes-Benz, was möglich ist, und testet die Alltagstauglichkeit und die Anmutung weiterer Interieur-Innovationen. Im Mercedes-Benz F 700 beispielsweise ist die rechte Fondtür hinten angeschlagen. Dies erleichtert den Einstieg in den völlig neuartigen REVERSE-Sitz. Dieser ist das Herzstück eines neuen Sitzkonzepts, das die bislang festgefügte Platzordnung in einer Limousine aufhebt und stattdessen individuelle Sitz- und Ruhepositionen erlaubt – sowohl in Fahrt- wie in Gegenrichtung. Das Forschungsfahrzeug F 800 Style hat nicht nur Schwenkschiebetüren im hinteren Bereich, die einen außergewöhnlich hohen Einstiegskomfort gewährleisten. Es ist auch richtungsweisend durch sein futuristisches Bedien- und Anzeigekonzept: Das CamTouch-Pad HMI ist eine Bedieneinheit, die aus einem Touchpad in der Mittelkonsole und einer Kamera besteht, die Videobilder von der Hand des Benutzers am Touchpad aufnimmt. Im Livebild wird die Hand transparent im zentralen Display über der Mittelkonsole dargestellt: Der Benutzer sieht die Konturen seiner Finger über das Bild gleiten, ohne dass dabei etwas verdeckt wird. Die Menüfunktionen können durch leichten Druck auf das Touchpad gesteuert werden. Dank dieser einfachen und intuitiven Bedienung wird der Fahrer weniger vom Verkehrsgeschehen abgelenkt. Welche Entwicklung aber die Technik, der Komfort und das Design nehmen werden, hängt von den Ideen der Kreativen bei Mercedes-Benz ebenso ab wie von den Vorstellungen der Kunden und der Weiterentwicklung des Lebensraums Auto. Trotzdem wird auch das Interieur und der damit verbundene Anspruch an Sicherheit, Komfort und Wertanmutung eines immer bleiben: exklusiv und typisch Mercedes-Benz.
Bernd Eckstein ist verantwortlicher Produktmanager Components, Telematics und Modules bei Daimler. Marcus Neumann ist Produktmanager für alle Module im Interieur bei Daimler.
GRUNDLAGEN Was ist wichtiger, das Exterieur oder das Interieur eines Fahrzeugs? Eckstein Beides ist grundlegend. Der erste Kontakt zu einem Fahrzeug läuft natürlich über das Exterieur. Wenn es dann aber um das Grundsätzliche geht, also um die Frage „Ist das das Fahrzeug, das zu mir passt?“, wird das Interieur entscheidend. Neumann Psychologen würden sagen: Mit dem Exterieur will ich etwas ausdrücken, und im Interieur kommt meine intrinsische Motivation zum Tragen, also die Frage, wie ich mich mir selbst gegenüber ausdrücken will. Deshalb ist im Innenraum auch der Faktor Wohlfühlen entscheidend. ANSPRUCH Was ist die besondere
HYPERLINK Bildgalerie Diesen Beitrag sowie eine Bildgalerie mit den Interieurs der neuen Mercedes-Benz S-Klasse und E-Klasse finden Sie im Internet unter: www.mb-qr.com/0c5
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»Interieur-Wünsche sind je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich.«
Herausforderung bei der Weiterentwicklung des Interieurs? Eckstein Es geht um das Zusammenwirken unterschiedlicher Kriterien. Ein Beispiel: Wie spielen die Farben und Materialien zusammen, wenn ich das Fahrzeug betrachte oder es berühre? Ebenso elementar ist natürlich die
Bedienung des Fahrzeugs. Auch hier muss das Angebot stimmen: Es darf nicht überfordern und muss trotzdem jeden Komfort bieten. Und natürlich muss sich die Technik harmonisch in das Interieur einfügen. Zum einen geht es also darum, einen Ausdruck zu schaffen für die Werte des Fahrzeugs und durch Optik, Haptik und Bedienungskomfort zu belegen, wie exklusiv wir auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Für die Besitzer eines Mercedes-Benz müssen wir zudem Möglichkeiten bieten, sich ein individuelles Interieur zusammenzustellen, das ihren persönlichen Vorstellungen entspricht. Neumann Wobei wir wie immer den Balanceakt schaffen müssen zwischen dem hohen Anspruch, den unsere Kunden zu Recht an uns haben, und den Entwicklungs- und Herstellungskosten. Funktionalität und Ausstattungsmaterial müssen zueinander passen. Und Design, Material und Technik müssen sich in den Gesamteindruck einpassen, also den Stil von Fahrzeug und Besitzer unterstreichen.
KULTUR Welche Rolle spielt der kulturelle Hintergrund der Kunden? Neumann Die Interieur-Wünsche sind je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich. Auf diese verschiedenartigen kulturellen Vorstellungen und Erwartungen gehen wir in besonderer Weise ein. Ein Fahrzeug beispielsweise der E-Klasse oder S-Klasse wird in Deutschland häufig anders genutzt als in China. Während in China mehr als die Hälfte der Besitzer einen Platz im Fond bevorzugt und sich fahren lässt, möchte der Kunde in Europa in der Regel selbst am Steuer sitzen. Zudem ist das Durchschnittsalter der Besitzer in China rund 20 Jahre jünger als in Europa. Entsprechend unterschiedlich sind oft die Erwartungen. Noch zwei Beispiele: In Asien oder Nordamerika werden oftmals verlängerte Fahrzeuge gewünscht, weil sie den Status ihrer Besitzer zusätzlich unterstreichen. Und während Europäer eher ein strafferes
Leder auf den Sitzen bevorzugen, ist in den USA der Wunsch vorherrschend, in das Leder etwas einzusinken.
Im Interview Bernd Eckstein (links), Jahrgang 1968 verantwortlicher Produktmanager Components, Telematics und Modules bei Daimler Marcus Neumann (rechts), Jahrgang 1973 Produktmanager für alle Module im Interieur bei Daimler
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INTERAKTION Wie wird das Interieur eines Mercedes-Benz in zehn oder zwanzig Jahren aussehen? Eckstein Die Möglichkeiten, mit dem Fahrzeug zu interagieren, werden sich vervielfältigen, weil die Bedien- und Anzeigeelemente, zusammengefasst als „Human Machine Interface“ bezeichnet, leistungsfähiger werden. Wir werden künftig also beispielsweise nicht mehr zwingend über eine klassische Trennung von Kombiinstrument und beispielsweise Radiodisplay oder Navigationssystem reden, weil die Grenzen der Bedien- und Anzeigesysteme verwischen. Zudem erweitert der technische Fortschritt wie beispielsweise der Mobilfunk und das mobile Internet die Einsatzmöglichkeiten eines Fahrzeugs. Das Fahrzeug wird mehr und mehr auch zum Third Place. Neben der Mobilität muss der Wagen also die Ansprüche an das Arbeiten im Fahrzeug oder auch das Nutzen des Fahrzeugs für Ruhezeiten erfüllen. Diese Entwicklung haben wir erkannt und unterstützen diese zusätzlichen Wünsche unserer Kunden bei der Gestaltung des Interieurs. Dazu gehört vor allem, dass Mercedes-Benz bei der Gestaltung des Fonds neue Akzente setzt.
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Fahr z eu ge f ü r Pfu ndsk er le Der Obesity Suit ist ein einzigartiges Entwicklungstool der Daimler-Ingenieure, mit dem sich Nutzfahrzeuge in kleinen und großen Details auf eine stark korpulente Kundschaft ausrichten lassen.
Text Rüdiger Abele
Fotografie Stefan HOHLOCH
Schlüsselwörter Kundenforschung Ergonomie Gesundheit InsassenSimul ation
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ine nüchterne Zahl markiert eine Grenze mit großer Bedeutung: Im Body-Mass-Index (BMI), der Kenngröße für die Bewertung des Körpergewichts eines Menschen in Bezug zu seiner Körpergröße, spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO ab einem BMI in Höhe von 30 bei Erwachsenen von Fettleibigkeit, in der Fachsprache als Adipositas bezeichnet. Bei einem BMI von 25 bis 29,9 handelt es sich im Sinne der Definition um Übergewicht, ein Wert zwischen 18,5 und 25 beschreibt Normalgewicht. Laut WHO kann Fettleibigkeit gravierende Gesundheitsfolgen haben. Sie belastet unter anderem Knochen und Gelenke, fördert Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann zu Stoffwechselstörungen und Diabetes führen. Doch Fettleibigkeit ist nicht ausschließlich ein Gesundheitsthema. Es trägt auch wirtschaftliche Aspekte in sich. Keine Frage: Beides miteinander zu verknüpfen ist eine prekäre Angelegenheit. Doch beispielsweise ein Fuhrunternehmen muss sie stets verknüpft betrachten: 86 Prozent
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der geschätzten 3,2 Millionen Lkw-Fahrer in den USA sind übergewichtig oder fettleibig, wie eine Studie des „Journal of the American Dietetic Society“ im Jahr 2007 feststellte. Die Fettleibigkeit führt zu Krankheitsausfällen und scheint auch Unfälle zu begünstigen, wie Untersuchungen festgestellt haben. In Europa sieht es etwas besser aus, doch zu viele Pfunde sind auch dort ein Thema der Trucker. Wobei diese das mitunter gar nicht als brisantes Thema ansehen. Denn zu viele Pfunde scheinen für manchen fast zum Berufsethos zu gehören: „Ein richtiger Trucker hat einen Bauch“, so ein oft zitierter Tenor. Gesundheitliche Probleme werden ignoriert oder in Kauf genommen. Fakt ist: Der Beruf des Lastwagenfahrers begünstigt Übergewicht und Fettleibigkeit. Lange Sitzzeiten, ungünstige Essgewohnheiten und -möglichkeiten, kaum Chancen auf körperlichen Ausgleich sowie ein Tagesablauf, der von wirtschaftlichem Druck beeinflusst ist – entscheidende Faktoren für eine kaum vermeidbare Spirale stetiger Gewichtszunahme.
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Neue Sichtweise Binnen Minuten verwandelt der Obesity Suit den Ergonomieingenieur und lässt ihn die Lebenssituation korpulenter Menschen besser verstehen. Die Pfunde sind nicht allein aufgelastet, sondern gezielt am Körper verteilt und ergänzen sich zu einer realistisch geschlossenen Körperkontur.
Innovatives Entwicklungstool Inmitten der diversen Motivlagen setzt der „Obesity Suit“ von Daimler an. Der „Korpulenzanzug“ ist ein wissenschaftliches Ingenieurwerkzeug zur Sensibilisierung, um sich besser in übergewichtige und fettleibige Kunden hineinversetzen zu können. „Mit seiner Hilfe lassen sich Fahrzeugdetails so konstruieren, dass diese Kundengruppe besser zurechtkommt“, erklärt Richard Sauerbier, Ingenieur im Bereich Interieur und Ergonomie von Daimler in Sindelfingen, „etwa über einen einfacheren Einstieg, Handgriffe an der richtigen Stelle oder griffgünstig platzierte Bedienelemente.“ Der Obesity Suit wurde ursprünglich vor allem für die Daimler-Tochter Freightliner in Nordamerika entwickelt, die ein Werkzeug für die verbesserte Konstruktion von Nutzfahrzeugen wünschte, weil rund 60 Prozent der Fahrer von FreightlinerLastwagen in den USA fettleibig sind. „Vereinfacht gesagt können die Ingenieure und Entscheider mithilfe des Obesity Suit temporär selbst zu einem korpulenten Menschen werden“, sagt Sauerbier, „um zumindest ansatzweise die Schwierigkeiten der Zielgruppe nachzuvollziehen, was etwa Platzbedarf, Balancegefühl, Beweglichkeitseinschränkungen oder physiologische Anstrengung angeht.“ Der Selbstversuch ist
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verblüffend. Gerade noch ein gertenschlanker Mann von 60 Kilogramm, erhält der Reporter mit dem Obesity Suit auf einen Schlag 25 Kilogramm hinzu. Sicher, wirklich fettleibige Menschen tragen absolut gesehen ein erheblich höheres Gewicht mit sich herum, doch es zählt das relative, das empfundene Mehrgewicht – und für ein beeindruckendes Erlebnis reicht es allemal: Nicht nur die Kilogramm lasten auf dem Körper – auch dessen Proportionen und damit die Beweglichkeit haben sich erheblich verändert. Schuhe zubinden? Geht nicht mehr, ein Kollege erledigt es. Mal eben einen Getränkekasten anheben? Das frühere Bewegungsmuster versagt, umdenken ist notwendig. Einsteigen ins Fahrerhaus der Zugmaschine? Das klappt, doch ist man dankbar für jeden gut platzierten Griff, während man sein Mehr an Masse mit erheblichem Muskeleinsatz die Stufen hochwuchtet und schließlich hinter dem Lenkrad in den Sitz drückt und erst einmal verschnaufen muss. Gefühlt war das Schwerstarbeit. Das Herz pocht schneller und die Schweißdrüsen arbeiten kräftig. Ingenieure und Entscheider können so auf eine vergleichsweise einfache Art und Weise am eigenen Leib spüren, welche Einschränkungen ein sehr korpulenter Mensch hat. „Da machte es im Kopf oft ‚klick‘“, sagt der Ergonomieforscher Sauerbier, „und dem Träger des Obesity Suit wird bewusst: Meine gewohnten Strategien funktionieren nicht
mehr, ich muss umdenken. Genau das ist unser Wunscheffekt: alte Denkmuster verlassen und sensibilisieren für die Sichtweise einer stark korpulenten Person.“ Ziel ist es, ein Fahrzeug zu konstruieren, das mindestens in wichtigen Details darauf eingeht. Die Entwicklung des Obesity Suit war aufwendig, wie Sauerbier berichtet. Denn die Ergonomieingenieure stellten rasch fest, dass es nicht allein damit getan ist, dem Probanden einfach Pfunde aufzulasten – diese müssen auch richtig verteilt sein und zudem eng und ohne Verrutschen am Körper sitzen, um ein insgesamt realitätsnahes Gewichtsgefühl zu erzeugen und auch die Beweglichkeit authentisch einzuschränken. Es ging darum, sie in einem halbwegs bequem anzuziehenden und hinreichend komfortablen Kleidungsstück für den Zweck perfekt passend zu verteilen. Fertig zu kaufen ist so etwas nicht, also wurde selbst entwickelt. Das Ergebnis ist ein zweiteiliger Anzug, bei dem Maskenbildner des Unternehmens Bavaria Film, München, beratend und gestaltend zur Seite standen. Die Latzhose enthält den einen Teil der Pfunde inklusive Bauch, die Jacke den anderen – zusammen erzeugen sie die gewünschte Gewichtsverteilung und ergänzen sich zu einer realistisch geschlossenen Körperkontur. Zwei Varianten des Anzugs gibt es: Eine Ausführung mit 25 Kilogramm Gewicht bildet einen korpulenten Mann nach, eine weitere mit
truckerAlltag Das Einsteigen in den Truck mit dem Obesity Suit offenbart beispielsweise, ob der Stufenabstand angepasst oder zusätzliche Haltegriffe positioniert werden sollten. Ähnlich am Arbeitsplatz Lenkrad: Sind Sitz und Bedienelemente ausreichend verstellbar, alle Schalter perfekt erreichbar?
17 Kilogramm eine stark beleibte Frau – mit etwas anders platzierten Pfunden für ein möglichst authentisch simuliertes Körpergefühl. Beiden Varianten bieten spezifisch ausgebildete Dehnbereiche, und über Zusatzelemente lässt sich manche Bewegungseinschränkung gezielt abschwächen oder verstärken. Im Inneren des Anzugs sorgen eigens dafür entwickelte Silikonschaummatten für das physiologisch korrekt über den Körper verteilte Gewicht. Auf ihnen liegt als Konturschicht noch eine Fasermatte, bevor der Oberstoff den Anzug komplettiert. Die menschlichen Grundmaße für beide Anzüge hatten die Entwickler parat, denn sie sind in der sogenannten Ramsis-Familie von Daimler enthalten: sechs Männer, drei Frauen und drei Kinder, vorhanden ausschließlich im Computer. Die Bezeichnung Ramsis ist ein Akronym aus den Wörtern „rechnergestütztes anthropometrisch-mathematisches System zur Insassen-Simulation“ – die Familie bildet für die computergestützte Fahrzeugentwicklung gewissermaßen über ihre Unterschiedlichkeit die Weltbevölkerung ab. Seit Ende 2011 ist der Anzug bei Freightliner im Einsatz. Eine der ersten Maßnahmen: Das gesamte Management der Nutzfahrzeugmarke probierte sämtliche eigenen Fahrzeuge mithilfe des Obesity Suit aus – und war anschließend für die Schwierigkeiten des Großteils ihrer Kunden sensibilisiert.
Wobei der Anzug den Ingenieuren nicht allein Hinweise auf die Probleme von Fettleibigen gibt, sondern generell beispielsweise auf die Situation von Menschen mit starker Bewegungseinschränkung hinweist. So ist es nur eine logische Folge, dass der Anzug, in der Fachsprache der Konstrukteure ein „Design and Evaluation Tool“, nicht nur längst auch von den Kollegen in Europa für die Fahrzeugentwicklung genutzt wird, sondern auch für Vans und Personenwagen zum Einsatz kommt. Er ist ein einzigartiges Tool – ausschließlich bei Daimler verwendet. Gewohnheiten hinterfragen Der Aufwand hat sich gelohnt. „Mit dem Obesity Suit kann der Entwickler und das Management alle Bewegungen und Tätigkeiten beispielsweise eines fettleibigen Lastwagenfahrers nachfühlen“, sagt Sauerbier, „zum Beispiel, wie er ein- und aussteigt, wie gut er den Trailer an- und abhängen kann und ob er zu einem Radwechsel in der Lage ist.“ Ihm selbst wurde beim Ausprobieren des Anzugs zudem bald klar, warum so viele korpulente Menschen gern sitzen: Weil sie jede Bewegung schlichtweg sehr anstrengt und sie deshalb auf vermeintlich unnötige Aktionen verzichten. Wobei die Konstruktion angenehmer Fahrzeugdetails für Personen mit Bewe-
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gungseinschränkung über Fettleibigkeit nur die eine Seite ist. Auf der anderen steht, wie man sie und insbesondere die Lkw-Fahrer zu einem anderen Lebenswandel bewegen kann, ohne dass sie den Beruf wechseln müssen. In den USA gibt es mehrere Initiativen, die Truckern den Weg beispielsweise zu besserer Ernährung und ausgleichender Bewegung weisen. Und Daimler hat den TopFitTruck entwickelt, der in der jüngsten Variante einige Ertüchtigungsmöglichkeiten bietet und die Arbeitsumgebung Lastwagen insgesamt auf ein erheblich höheres Gesamtniveau hebt. Was alles kein Selbstzweck ist: In manchem Fall hat eine Umstellung von Gewohnheiten dafür gesorgt, dass der Trucker seinen Arbeitsplatz behielt. Gesünder war er noch dazu. „Und ein weiterer Effekt des Korpulenzanzugs ist nicht zu unterschätzen“, sagt Sauerbier: „Viele Verbesserungen, die wir in den Fahrzeugen für die korpulente Zielgruppe erreichen, kommen auch den Normalgewichtigen zugute.“
HYPERLINK Bildgalerie Diesen Beitrag und zusätzliche Bilder des Obesity Suit von Daimler finden Sie im Internet unter: www.mb-qr.com/0c7
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