Galerie John Dresden - Katalog #3

Page 1

ENTARTETE KUNST

GALERIE HOLGER JOHN


HANS GRUNDIG MAX LIEBERMANN KARL SCHMIDT-ROTTLUFF FRITZ LEDERER ARNO MOHR ERNST BARLACH MAX ERNST HANS KUHN EMIL POTTNER MAX UNOLD OTTO DIX EMIL NOLDE OTTO MUELLER MAX PECHSTEIN CHRISTIAN ROHLFS ELISABETH BERTRAM-EHMSEN HEINRICH EHMSEN EDVARD MUCH MAX BECKMANN GERHARD MARCKS MAX LIEBERMANN OSKAR KOKOSCHKA GEORGE GROSZ BRUNO GOLDSCHMIDT ERNST BISCHOFF-CULM AUGUST GAUL OTTO NAGEL HEINRICH ZILLE CURT QUERNER FRITZ CREMER WILHELM RUDOLPH OSKAR LASKE JOSEPH FRIEDRICH LIMMER RUDOLF KRÜGER ...


ENTARTETE KUNST _ 14. FEBRUAR 1. MÄRZ 2014 VERNISSAGE 13. FEBRUAR 2014

GALERIE HOLGER JOHN R Ä HNIT ZG A S S E 17 D - 01097 DR E S D EN INFO @ G A L ERIE- H O LG ER JO HN .CO M W W W.G A L ERIE- H O LG ER JO HN .CO M TÄG LICH 14 - 19 UHR


Emil Nolde Der Graf Radierung, signiert, numeriert, Schiefler-Mosel 206/I 300 x 225 mm, 1918


Dresden und die „Entartete Kunst“ Eine besondere Stellung in der Geschichte der Anfeindungen gegen die künstlerische Moderne des 20. Jahrhunderts nimmt die Ausstellung „Entartete Kunst“ ein, die am 23. September 1933 im Lichthof des Dresdner Rathauses eröffnet wurde. Hier kam nicht nur der Begriff „Entartete Kunst“ erstmals zur Anwendung. Die in Dresden gezeigten Werke bildeten nach einer Tournee durch mehrere deutsche Städte auch den Kern der großen Münchner Ausstellung gleichen Titels im Juli 1937. Diese war wiederum Initialzündung für die flächendeckende Beschlagnahmung moderner Kunst in den öffentlichen deutschen Museen.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 zog ihre Kreise schnell bis in die Kulturpolitik. Schon im April eröffnete in Mannheim die erste gegen die moderne Kunst gerichtete Ausstellung unter dem Titel „Kulturbolschewistische Bilder“. Karlsruhe, Nürnberg, Chemnitz, Stuttgart, München, Erlangen und Bielefeld folgten in kurzen Abständen mit ähnlichen Projekten. In Dresden war man auf Derartiges gut vorbereitet. Schon zu Beginn des Jahres 1924 hatten konservative Dresdner Stadtverordnete die progressiven Erwerbungen des damaligen Direktors im Dresdner Stadtmuseum Dr. Paul Ferdinand Schmidt zum

Käthe Kollwitz Die Eltern Lichtdruck, auf Karton montiert, Richter Dresden, Werkverz. 144 Die Eltern 390 : 520, 425 x 560 mm, signiert, dadiert, 1920


Anlass genommen, diesen seines Amtes entheben zu lassen. Werke von Kurt Schwitters, Otto Dix und den BRÜCKE-Künstlern verschwanden danach im Museumsdepot. Seit 1927 gab die Malerin Bettina Feistel-Rohmeder in Dresden den „Deutschen Kunstbericht“ mit wiederholten Hasstiraden gegen Künstler wie Otto Dix heraus. Vereine wie die „Deutsche Kunstgesellschaft“ und der „Kampfbund für Deutsche Kultur“ traten massiv gegen Expressionismus und politisch linksorientierte Kunst auf. Trotzdem kamen auch noch einmal andere Kräfte zum Zuge, als die Stadt 1926 für 150.000 Reichsmark Kunstwerke aus der damaligen Internationalen Kunstausstellung in Dresden erwarb – vor allem wohl mit dem Beweggrund und Ziel, die Stadt nach außen hin als erfolgreichen Ausstellungsort für die internationale Moderne darstellen zu können. Schon Ende der 1920er Jahre bürgerte sich im Dresdner Stadtmuseum der Begriff der „Schreckenskammer“ ein, wo man ausgewählten Gästen die Erwerbungen Schmidts vorführte. Im März 1933 fanden in Dresden nicht nur die ersten öffentlichen Verbrennungen von unerwünschten Büchern statt, fast zeitgleich wurde in der Staatlichen Gemäldegalerie und in der Skulpturensammlung die moderne Kunst entfernt, darunter eine Reihe städtischer Leihgaben. Verantwortlich dafür war der zum „Führer der NS-Gaufachgruppe der bildenden Künste“ aufgestiegene Maler Walter Gasch. Dieser Bestand und die Erwerbungen Paul Ferdinand Schmidts bildeten den Fundus, aus dem der Maler Willy Waldapfel und Richard Müller, seit März 1933 Rektor der Dresdner Kunstakademie, die Feme-Ausstellung zusammenstellten. Den Beschluss zur Veranstaltung einer Ausstellung der „Verfallskunst“ fasste der Stadtrat am 26. Juni 1933 auf Antrag des NSDAP-Fraktionsvorsitzenden Waldapfel. Eine einheitliche nationalsozialistische Kunstpolitik war zu dieser Zeit erst im Aufbau. Während der BRÜCKE-Maler Karl Schmidt-Rottluff im November 1933 in Berlin noch zu den Ehrengästen beim Festakt zur Gründung der Reichskammer der Bildenden Künste zählte, wurden seine Bilder in Dresden schon symbolisch hingerichtet. Motive für den Beginn der Hetzjagd auf die moderne

Kunst waren in Dresden also nicht etwa Zwang und Konformität, sondern Neid und Missgunst erfolgloser Künstler im Zusammenspiel mit dem Populismus willfähriger Kommunalpolitiker. Etikettiert waren die Ausstellungsstücke im Dresdner Rathaus mit den Ankaufspreisen. Man haschte dabei nach der Entrüstung des Bürgers und verwendete Preise der Inflationszeit, ohne auf die Zeit des Erwerbs aufmerksam zu machen. Nach dem Prinzip „Richtig und Falsch“ standen der Präsentation neueste Museumsankäufe gegenüber – biedere Landschaftsbilder, lachende Buben und Mädchen in Jungvolkuniformen und ein flaggetragender verwundeter SA-Mann von der Hand des Kurators Waldapfel. Folgerichtig verlor Dresden im Zuge der Beschlagnahmungen 1937 nicht nur die 94 Werke der Ausstellung, sondern auch über 300 weitere Stücke der städtischen Kunstsammlung, u.a. von Otto Dix, George Grosz, Hans Grundig, Lyonel Feininger, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Conrad Felixmüller, Emil Nolde, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und Kurt Schwitters. Der so entstandene Verlust ist heute noch spürbar. Während westdeutsche Museen die Nachkriegszeit zur Schließung der Sammlungslücken moderner Kunst nutzen konnten, war man hier bereits Ende der 1940er Jahre erneut dabei, den Blick auf die Kunst der nächsten repressiven Ideologie unterzuordnen. Zwar konnte sich die Stadt 2013 über den Rückerwerb von Otto Dix‘ Gemälde „Der Sonnenaufgang“ freuen, andere Werke der ehemaligen Dresdner Sammlung befinden sich heute jedoch in Museen wie der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, dem Museum of Modern Art in New York, dem St. Louis Art Museum oder der Staatsgalerie Stuttgart. Kirchners Gemälde „Straßenszene (vor dem Friseurladen)“ von 1926 wurde 2008 bei Christies in London für umgerechnet mehr als eine Million Euro versteigert. Der größte Teil der beschlagnahmten Dresdner Kunstwerke blieb bisher jedoch verschollen. Für alle Kunstinteressierten bietet sich der 13. Februar an, diesen Verlust von einem wesentlichen Teil des Dresdner kulturellem Gedächtnisses in das Gedenken an die Zerstörung der Stadt mit einzubeziehen. Johannes Schmidt, Februar 2014


Otto Dix Frau Otto Mueller Lithographie, Vorzugsdruck, signiert, datiert, numeriert, 1923


Ernst Barlach Frau Sorge Lithographie, signiert, numeriert, L. 80, 263 x 356 mm, 1924


Ernst Barlach Der Buchleser (Lesender Mann im Wind) Bronze, signiert, GuĂ&#x;stempel H. Noack, Berlin, Laur 600, HĂśhe 452 mm, 1936


Ernst Barlach Lehrender Christus mit vorgestreckten H채nden Kohle, signiert, datiert, 510 x 260 mm, 1922


Wie gelangte der Begriff des „Entarteten“ in die Kunst? Die Begriffsgeschichte geht auf das Werk „Entartung“ von Max Nordau zurück, welches 1892 erschien und zwei Bände umfasste. Nordau war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Arzt und Mitbegründer der zionistischen Weltorganisation. Er übernahm in seinem Buch den von dem Arzt und Kriminologen Cesare Lombroso geprägten Begriff der Degeneration und wendete ihn auf künstlerische Werke wie die von Wagner, Ibsen, Nietzsche und Tolstoi an, sowie im Zusammenhang mit Phänomenen wie dem Symbolismus, Spiritualismus und Mystizismus. 1928 veröffentlichte der von der Moderne enttäuschte

Edvard Munch Liebespaar im Weltraum dreifarbiger Holzschnitt, 1898

Kunsttheoretiker Paul Schultze-Naumburg das Buch „Kunst und Rasse“, worin er Nordaus Begriff übernahm. Damit schuf er die Grundlage für eine Anwendung auf vor allem expressionistische Kunstwerke. Er versuchte darzulegen, dass die Künstler der Moderne an „Entartung“ litten. Mehr Erfolg als seine Argumentation hatte dabei die simple Gegenüberstellung medizinischer Fotos von Behinderten und Geisteskranken mit Reproduktionen von Kunstwerken. Diese wurde in der 1937 erschienenen Broschüre zur Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ zitiert.


Otto Mueller Waldlandschaft mit kleinen Figuren (1) Lithographie, signiert, numeriert, Karsch 73, 433 x 326 mm, um 1919


Otto Mueller Knabe zwischen Blattpflanzen Original-Holzschnitt auf Japan, Karsch 2/II/A, 280 x 375 mm, 1912

Otto Mueller M채dchen zwischen Blattpflanzen Original-Holzschnitt auf Japan, Karsch 3/II/A, 280 x 375 mm, 1912


K채the Kollwitz Aufruhr 1899 Radierung, Aquatinta in Braun, Druck von O. Felsing , Berlin, Verlag Emil Richter Dresden, 1920


K채the Kollwitz Weberzug, Weberaufstand 1897/98 Radierung, Druck von O. Felsing , Berlin, Verlag Emil Richter Dresden, 1921


Heinrich Ehmsen Exekution Lithographie, signiert, um 1920


Heinrich Ehmsen Revolution Kaltnadelradierung auf cremefarbenen Velin, signiert, datiert 1919, 3. Abzug 1964


Heinrich Zille Gratulation f端r Max Liebermann Bleistiftzeichnung, rote Stempelsignatur, undatiert


Heinrich Zille Schwangeres M채dchen Kreidezeichnung, farbig laviert, rote Stempelsignatur, undatiert


Hans Grundig M채dchen mit Puppe Holzschnitt, signiert, datiert, 1930


Edwin Scharff Spiel zum Tanz Lithographie, 1928


Gerhard Marcks Sitzender Baß Bronze, monogrammiert, numeriert, Gußstempel Schmäke, Düsseldorf Guß Nr. 2/10, Höhe 220 mm, 1970


Gerhard Marcks Sitzende Alte Bronze, monogrammiert, numeriert, Gußstempel Barth, Rinteln Guß Nr. 6/10, Höhe 200 mm, 1973


Otto Dix Lachendes M채dchen Farblithographie, Probedruck, signiert, datiert, bezeichnet, 1964


Otto Dix Mond채ne Dame Farblithographie, signiert, datiert, numeriert, bezeichnet, 1965


Otto Dix Christophorus Original-Farblithographie, im Stein monogrammiert, datiert, numeriert, Karsch 348/a, 1050 x 910 mm, 1938


Otto Dix Die Kreuzigung / Matth채us Evangelium Original-Lithographie


Elisabeth (Lis) Bertram-Ehmsen Porträt Aquarell, auf rückseitiger Pappe signiert, persönliche Widmung, datiert, 1931


Am ersten August 2014 jährt sich die Mobilisierung ÖsterreichUngarns und Deutschlands für den ersten Weltkrieg. Ein Krieg, der den Untergang der alten Ordnung brachte. Ein Krieg der 17 Millionen Menschenleben forderte. Ein Krieg der durch den chemisch-technischen Fortschritt die Schrecken des Gaskrieges entfesselte. Vier Jahre welche die Welt veränderten, die Materialschlachten mit unvorstellbaren Grausamkeiten für die Menschen im Bewußtsein „alltäglich“ machten. Vier Jahre, die doch nur die Ouvertüre zu einem viel größeren Inferno des 20. Jahrhunderts waren.


Max Beckmann Garderobe - aus der druckgrafischen Folge „Jahrmarkt“ Kaltnadelradierung, unsigniert, undatiert, 1921


Max Beckmann Bildnis des verwundeten Schwagers Martin Tube Original-Lithographie, Kriegszeit, K체nstlerflugbl채tter, Verlag Paul Cassirer - Berlin, 1914


Max Liebermann Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd Original-Lithographie, Kriegszeit, K체nstlerflugbl채tter, Verlag Paul Cassirer - Berlin, 1914


August Gaul Die Dardanellen Original-Lithographie, Kriegszeit, K체nstlerflugbl채tter, Verlag Paul Cassirer - Berlin, 1915


Emil Pottner Thors Schatten Original-Lithographie auf Japanpapier, signiert, datiert, 1914


Thomas Theodor Heine Das englische 42-cm-Gesch체tz Kriegsflugbl채tter des Simplicissimus Nr. 7, Simplicissimusverlag M체nchen


Max Pechstein S채ugling Original-Holzschnitt, 1917, Neudruck 1980


Rudolf Krテシger Sonnenblumen vor Ruinen テ僕 auf Leinwand, signiert, datiert, 1946


Otto Nagel Arbeiter Lithographie, signiert, datiert, 1958


Fritz Cremer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Lithographie, signiert, datiert, 1958


Curt Querner Akt aus der Studienzeit an der Dresdner Kunstakademie テ僕 auf Holz, unsigniert, undatiert, zugeschrieben


Curt Querner Selbstportr채t Bleistiftzeichnung, signiert, datiert, 1973


Titelseite Karl Schmidt-Rottluff Heiliger Franziskus Holzschnitt, signiert, datiert, Schapire H 243, 600 x 493 mm, 1919 Rückseite Gerhard Marcks Antike /Zwei Krieger Holzschnitt, signiert, dadiert, 1944

Christian Rohlfs Der Trinker Holzschnitt, Nachdruck auf Japanpapier, 1989

DIE S ER K ATA LO G ER S CH EINT A N L Ä S S LICH D ER AUS S TELLU N G EN TA RTE TE KU N S T G A LERIE H O LG ER J O H N , DRE S D EN - 14 . FEBRUAR BIS 1 . M ÄR Z 2014 Galerie Holger John, Rähnitzgasse 17, 01097 Dresden in Kooperative mit Fresh Eggs Gallery, Auguststraße 86, 10117 Berlin

GALERIE HOLGER JOHN Galerieassistenz Katrin Cleo Merder, Robert Herzog Ausstellungsrealisierung Kessler Schwarz Gruppe Ausstellungsteam Silke Höppner, Arwid Harry Piel

KATALOG Herausgeber Galerie Holger John KG, Rähnitzgasse 17, D-01097 Dresden Edition #3 (Februar 2014) Redaktion Holger John Auflage 500 Exemplare Layout/Satz Daniel Herklotz, Dresden Druck WDS Pertermann GmbH, Görlitzer Straße 16, D-01099 Dresden Fotos © Thomas Fröhlich Texte Johannes Schmidt (Kustos der Städtischen Galerie Dresden), Robert Herzog Galerie Holger John bedankt sich für die Unterstützung Frau Brigitte Utz, Herr Stephan Schrör, Adrian Glöckner Automobile GmbH, WDS Pertermann GmbH, Künstlerfachmarkt Gerstäcker Dresden, secupay AG, Anwaltskanzlei Thoelke Przybilla Schaffner Partnerschaft, Fairsicherungsbüro Dresden GmbH, Die Buchhalterei, Jacques‘ Weindepot Dresden

GALERIE HOLGER JOHN Rähnitzgasse 17, D-01097 Dresden info@galerie-holgerjohn.com www.galerie-holgerjohn.com Täglich 14 - 19 Uhr

FREUNDESKREIS GALERIE HOLGER JOHN


Curt Querner Sitzender weiblicher Akt Aquarell, signiert, datiert, 1972


ENTARTETE KUNST

GALERIE HOLGER JOHN


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.