INTERVIEW
Bei ”Sexszenen wird viel mehr Gelacht als Sonst“
Look: Louis vuitton
Das verriet Lavinia Wilson im Exklusivinterview. Wie gut, dass es in ihrem Film „Schoßgebete“ ordentlich zur Sache geht. Jede Menge Spaß hatten wir auch beim Fashion-Shooting, für das wir die Schauspielerin in die heißesten Looks von Louis Vuitton steckten
KLEID mit Ausschnitt und Reißverschlüssen an Dekolleté und Rock, goldener SOLOOHRRING
Fotos: Tina Luther PRODUKTION: Nino Cerone
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INTERVIEW
Egozentrik finde ”ich nur dann in Ordnung, wenn Sie unterhaltsam ist“
Linke Seite: Klassischer Wollblazer, Oberteil mit Bubikragen, Lackhose, Chelsea-Boots
beide Looks: Louis Vuitton
Diese Seite: Overall im Bikerlook, Soloohrring
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INTERVIEW unser Eindruck beim Treffen in ihrer Wahlheimat Berlin: Nach sieben Stunden Fashion-Shooting, etlichen Flaschen Cola light und 22 brandneuen Louis-VuittonPieces ist unserem Mode-Team klar: Diese Frau kann ja sogar Fashion wie ein Topmodel! „Ich liebe diese Styles“, rief sie und posierte so gekonnt vor der Kamera, als würde sie den ganzen Tag nichts anderes machen. Dabei ist die 34-Jährige gerade Mutter geworden und verrät uns: „Jetzt kann ich endlich mal tiefe Dekolletés ausfüllen!“ Frau Wilson, zur Vorbereitung auf dieses Interview habe ich Sie unter anderem gegoogelt. Und wissen Sie, auf was ich da gestoßen bin?
Nein, ich google mich nicht mehr selber! Das haben Sie mal gemacht? Unter Promis gibt das eigentlich kaum einer zu.
Natürlich, ist doch total interessant. Aber gerade jetzt – auch im Zusammenhang mit „Schoßgebete“ – merke ich, dass da Sachen mit dabei sind, die mir nicht guttun, und deshalb lasse ich das jetzt lieber. Nun, die Kombination Lavinia Wilson + Sex ergab tatsächlich 260 000 Treffer, Lavinia + Mutter aber nur 33 000 Treffer. Und Lavinia + schwanger gerade mal schlappe 8500 Treffer …
Tja, das beweist, dass das Thema Sex die Leute immer noch wahnsinnig interessiert. Aber wer schlüpfrige Details in unserem Film erwartet, wird sie nicht bekommen.
look: louis vuitton
Der Romanvorlage von Charlotte Roche geht ein ziemlich eindeutiger Ruf voraus …
Minikleid mit angesetztem Strickrolli, Ledermantel im Retro-Style, goldener Siegelring
Wie kommt das?
igentlich dachten wir, Lavinia Wilsons größtes Talent sei die Schauspielerei. In der autobiografisch gefärbten Romanverfilmung von Charlotte Roches Bestseller „Schoßgebete“, der gerade in Venedig international gefeiert wurde, spielt sie neben Jürgen Vogel die weibliche Hauptrolle der zerrissenen Frauenfigur Elizabeth. In fast jeder Szene (ob beim Sex zu zweit oder zu dritt, beim Bordellbesuch, der Therapiesitzung oder den albtraumhaften Traumsequenzen) beeindruckt sie mit einem unglaublichen Talent zur Direktheit. Ganz ähnlich ist
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Klar, auf den ersten 20 Seiten – vielleicht sind’s auch nur zehn – wird ja auch anatomisch genau ein Blowjob beschrieben. Aber hätten wir den gezeigt, würden wir in einem anderen Job arbeiten! (lacht) Trotzdem muss ich ehrlicherweise sagen, dass ich auf der vierten Seite des Romans noch einigermaßen irritiert war. Auf der vierten Seite des Drehbuchs aber nicht. Weil im Drehbuch ganz schnell klar wird, was für eine tolle Heldin Elizabeth ist – eine Frauenfigur, die lustig ist und schlau und selbstironisch, das gibt’s nicht so oft im deutschen Kino. Aber um Sex geht es schon auch noch?
Klar, Elizabeth hat gerne mal Sex. Aber es geht auch um die Ängste, die diese Figur aussteht. Das Trauma, das sie zu verarbeiten hat. Den Kontrollzwang, den sie deshalb mit sich rumschleppt. Und natürlich ist ein Thema auch: Wie halte ich eine Ehe frisch? Gerade im Bett, über so viele Jahre. Die Lösung, die Elizabeth und ihr Mann wählen – gemeinsam ins Bordell gehen –,
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INTERVIEW wäre zwar nicht mein Ding. Aber es ist eine Option, also warum nicht?
Nein, da hört man nicht wirklich auf mich. (lacht) Als wir die Bordellszene gedreht haben, hatte ich schon eine Woche hinter mir, aber es war witzigerweise Jürgen Vogels erster Drehtag. Wir haben dann das Beste draus gemacht. Jürgen ist sehr geerdet, und sobald er ans Set kommt, gibt es was zu lachen. Und bei Sexszenen wird noch viel mehr gelacht als sonst, weil das auch eine Form ist, Druck abzulassen. Es kommt also keine Erotik auf?
Ist mir jedenfalls noch nicht passiert. Nackte Körper sind ja auch wahnsinnig komisch, wenn sie nicht gephotoshoppt sind. Es ist doch eine völlig absurde Situation, mit wildfremden Menschen – auch wenn man sie vielleicht von früheren Arbeiten her kennt – morgens um zehn den Orgasmus des Jahrhunderts faken zu müssen. Privat würde ich zum Beispiel nie oben ohne an den Strand gehen, das ist mir ganz unangenehm. Im Filmgeschäft geht es aber sehr stark um Äußerlichkeiten.
Ich bin im Februar Mutter geworden, da verändert sich alles – und nichts.
Privat ”wurde ich nie oben Ohne an den Strand gehen“
Klar, einen Job kriegt man in erster Linie nicht, weil man intelligent ist. Aber ob SexAppeal wirklich ausschlaggebend ist? In Deutschland darf man nicht zu schön sein. Hier ist eher die Nette von nebenan gefragt. Im französischen Kino stehen sie auf die Unnahbare, die hätte es bei uns schwer.
Ärgert es Sie, dass man diese Diskussion immer nur mit Schauspielerinnen führt und nicht auch mit Ihren Kollegen?
Natürlich ist es ungerecht, dass es offenbar einen Konsens gibt, dass Falten Männer sexy machen und Frauen alt. Aber wenn man was machen lässt, hat es, glaube ich, weniger mit Eitelkeit zu tun als mit Angst. Die Schauspielerei ist schon ein sehr selbstbezogener Beruf. Aber Egozentrik finde ich nur dann in Ordnung, wenn sie unterhaltsam ist. 45
Was das Überwinden des eigenen Egos angeht, sind fünfeinhalb Monate Kind mindestens genau so gut wie fünf Jahre Yoga. (lacht) Obwohl man beim Yoga wahrscheinlich den schöneren Hintern kriegt. Dafür hab ich jetzt Armmuskeln wie nie zuvor. Hat Sie dabei irgendwas überrascht?
Ja, die Wucht der Emotionen, im Positiven wie im Negativen, und diese Verletzlichkeit, die plötzlich in mir ist. Aber obwohl es da jetzt dieses kleine Wesen gibt, für das ich mir den Arm ausreißen würde, hat sich mein Charakter natürlich nicht komplett verändert. Ich habe immer noch denselben Humor und sehe deshalb auch die Absurdität des Ganzen. Etwa die typischen Mutti-Marotten?
Klar, aber ich versuche auch, zu vermeiden, ständig von meinem Kind zu erzählen oder an Filmsets Babyfotos auf dem iPhone herumzuzeigen. Ich hab nämlich nicht vergessen, wie uninteressant die Kinder der anderen früher für mich waren. (lacht) Ihr Sohn heißt Rio.
Hat aber nichts mit der Fußball-WM zu tun, er kam ja schon im Februar zur Welt. (lacht) Wir haben ihn nach dem Musiker Rio Reiser genannt. Ich finde, Rio Wilson, das klingt kurz und cool. Hat der Kleine beim WM-Endspiel als Maskottchen auf dem Sofa gesessen?
Nein, wir haben zwar zu Hause geguckt, aber es war spät, und deshalb hat er während des Spiels tief und fest geschlafen.
Wo ordnen Sie sich ein?
Mir ist schon klar, dass ich eine Projektionsfläche bin. Aber ich kann von Glück sagen, dass ich von Anfang an nicht nur aufs Äußere festgelegt war. Trotzdem war ich sehr erleichtert, als ich merkte, wie bei mir die Rollen spannender wurden, als ich die 30 überschritten habe. Ich würde niemanden verurteilen, der sein Gesicht operieren lässt, aber du nimmst dir als Schauspieler doch dein Werkzeug. Wenn ich die Stirn nicht mehr runzeln kann, wie schaut das denn aus?
Das müssen Sie genauer erklären.
Wie haben Sie es geschafft, gleich wieder schlank zu sein?
Stillen, gesund essen, Sport, Glück gehabt. In welchem der Looks haben Sie sich beim Shooting am wohlsten gefühlt?
Ich mag das weiße Kleid mit Sixties-Anmutung in Kombination mit dem schwarzen Mantel, darin fühlt man sich zart und stark zugleich. Beim Dildokauf: Elizabeth (Lavinia Wilson) mit Ehemann Georg (Jürgen Vogel) in einer Filmszene (ganz oben). Frauenpower: Mit „Schoßgebete“Autorin Charlotte Roche (links) bei der Filmpremiere in Köln (oben)
Mit wem würden Sie einen Monat lang das Leben tauschen wollen?
Ich bin ganz froh, dass ich ich bin. Aber zu erleben, wie mein Sohn jetzt in die Welt guckt und all diese aufregenden rudimentären Erfahrungen macht, ohne sie einordnen und kategorisieren zu können, wäre bestimmt spannend. Obwohl mir am Ende wohl ein halber Tag reichen würde. Warum?
Weil mich diese Unselbstständigkeit fertigmachen würde. (lacht) Interview: Kalle Schäfer
Haare und MAKE-UP: GREGOR Makris @ Bigoudi mit Produkten von BUMBLE & BUMBLE und NARS; foto-Assistenz: Ali Salehi; Locationscout: fflocations.de; Bildbearbeitung: retouched.de; DPA, PR
Sie haben mal gesagt, Sie würden die Sexszenen eines Films am liebsten gleich am Anfang drehen, weil Sie Ihren Partner dann noch nicht so gut kennen. Wurde Ihr Wunsch erfüllt?
Was stellen Sie eigentlich an, um zu verhindern, dass Sie ständig nur um sich selbst kreisen?