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Robin Hood nach der mittelalterlichen Legende

Gedanken zu »Robin Hood«

— von Regisseur David Bösch

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Zum ersten Mal seit zehn Jahren findet das große Kinder- und Familienstück zur Weihnachtszeit im Großen Haus statt. Spieler*innen des Schauspiels und des Jungen Schauspiels stehen in der Regie von David Bösch gemeinsam auf der Bühne. Unsere Frühbuchertermine finden Sie auf Seite 156.

An meinen allerersten Theaterbesuch erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich erinnere mich an eine Kindertheateraufführung, die ich gesehen habe, als ich 23 Jahre alt war und in Zürich Regie studierte. Das Stück hieß »Schellen-Ursli«, eine Schweizer Sage über einen Jungen, der in die Berge geht. Ich habe die Inszenierung fünf oder sechs Mal gesehen. Es war komisch, traurig und ein bisschen gruselig. Es wurde mit viel Fantasie, Überraschungen, Spannung und Zauber gearbeitet. Unterschiedliche Schauspieler haben den Ursli gespielt, indem sie eine Mütze weitergaben und aufsetzten. Ein reißender Fluss wurde durch Steine, die ein Holzpaneel runterrollten, dargestellt. Das war eine Aufführung, in der ich meine eigenen Bilder erfinden konnte. Mich faszinierte, dass die Geschichte auf der Bühne weit wegführte von der Gegenwart und unseren Alltagserfahrungen. Gleichzeitig wurde mit den Mitteln der Imagination viel über unsere Welt erzählt. »Robin Hood« ist ebenfalls eine Geschichte, die uns aus der Gegenwart entführt, eine archaische Geschichte aus dem Mittelalter. Alle großen Geschichten, die etwas Überzeitliches in sich tragen und etwas Urmenschliches in uns berühren, werden immer wieder aufs Neue bearbeitet und müssen für ihre Zeit und ihr Publikum neu erzählt werden. Der Blick von Kindern und Jugendlichen auf die Welt hat sich verändert. In den letzten Jahren sind die Protestbewegungen wie Fridays for Future größer, lauter, kraftvoller und mächtiger geworden. Es gibt das Bewusstsein, dass die Zukunft gefährdet ist, und den Glauben daran, dass die Welt verändert werden kann. Ich möchte Kinder ermutigen, die bestehende Ordnung infrage zu stellen, zu verändern und eine eigene Welt zu erschaffen. Auf der Bühne suche ich dafür nach einer guten Mischung aus Abenteuer, Spaß und Gefühlen, die nicht laut sind.

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Der Ausgangspunkt bei »Robin Hood« ist ein klassisches David-gegenGoliath-Verhältnis. Die Geschichte greift viele Aspekte aus kindlichen Erfahrungswelten auf, z.B. das Gefühl von Ohnmacht und das Empfinden von Ungerechtigkeit. Doch dann schart Robin eine Gemeinschaft um sich, die sich in den Wald zurückzieht, eine Gruppe von Menschen, die unterschiedliche Fähigkeiten, aber auch Schwächen haben. Mit Tricks, Witz und Einfallsreichtum wollen sie die Welt ein bisschen besser und gerechter machen. Das ist eine Utopie, die ich den Kindern mitgeben möchte und an die ich die Erwachsenen erinnern will. Mir ist wichtig, dass es in der Gruppe um Robin Hood ganz unterschiedliche Charaktere gibt. Robin Hood selbst wird bei uns ein Mädchen sein, das sich in ein anderes Mädchen, Marian, verliebt. Es gibt Pippi Langstrumpf, die rote Zora und Ronja Räubertochter … Die Liste der Geschichten von starken, jungen, anarchischen Mädchen ist lang.

Für mich ist »Robin Hood« auch eine Geschichte über die Freiheit und den Versuch, den eigenen Weg zu finden. Kinder fragen: Wer und was kann ich sein? Sie stellen fest, dass sie ganz schön viel sein können, dass sich ihre Identität aus vielen verschiedenen Facetten zusammensetzt. Mein Sohn z.B. tanzt sehr gerne. Außerdem trägt er jetzt immer so ein breites Flashdance-Stirnband wie aus den 80er-Jahren und Stulpen an den Armen und Beinen; wenn er schläft, in der Badewanne, im Kindergarten … Die Mädchen haben ihn ausgelacht. Da habe ich zu ihm gesagt: »Wichtig ist, dass es für dich gut ist und dass es dir gefällt! Schau mal, dieser Fußballer im Fernsehen trägt auch ein Stirnband. Du kannst tun, was du möchtest! Wenn du auf einen Baum klettern willst, um dir die Fingernägel in dem Baumhaus zu lackieren, das du mit deinem Opa gezimmert und in Rosa eingerichtet hast, dann mach das. Du kannst alles machen und vieles sein. Finde deine persönliche Freiheit!«

Robin Hood — Kinder- und Familienstück nach der mittelalterlichen Legende — ab 6 Jahren — Regie: David Bösch — Bühne: Patrick Bannwart — Kostüm: Moana Stemberger — Dramaturgie: Leonie Rohlfing — Theaterpädagogik: Thiemo Hackel — Premiere am 20. November 2022 — Eine gemeinsame Produktion von Jungem Schauspiel und Schauspiel — Schauspielhaus, Großes Haus

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»Kreativ. Klassen« sind hautnah bei der Entstehung einer Inszenierung dabei. Entwickelt wird eine Ausstellung zu den Themen der jeweiligen Inszenierung, die dann zur Premiere im Theater zu sehen ist. Wie ihr eine »Kreativ. Klasse« werden könnt, erfahrt ihr auf Seite 84.

Sonja Beißwenger bekommt vom Requisitenteam Autoreifen für die nächste Szene in »Orpheus steigt herab« angereicht.

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