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EVERNOTE dennisschaerer@gmail.com; _Ds2013_
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LINES http://lines.thecafesociety.org/lines/transmedia-storytelling/#
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WE ARE STORYTELLER TEXT Dennis Schärer ILLUSTRATION Dennis Schärer
Abstract Es ist wohl wahr, dass Geter Einzug in die Klassenzimmer finden, schichten die besten Lehrer für unaufund so neue Ansätze einer Bildungskultur merksame Schüler sind. Dennoch scheint präsentieren. Entstehen soll ein Ereignis, mir dies zu kurz gegriffen, schlummert ein Happening, das sich durch Gemeindoch ein enormes Potential im Begriff schaft geprägt sieht. Ein Tag, der sich dem des Storytelling. Die vorliegende Arbeit Storytelling widmet, und an dem sich die beschäftigt sich mit Storytelling als MeGesellschaft die Welt von den Kleinsten thode, ein spezifisches Thema, dem sich Mitgliedern erzählen lässt. unsere Gesellschaft gegenüber sieht, mit Kindern also den Kindern einfach mal im Alter zwischen 8 und Raum zu lassen, ihr Potential 10 zu behandeln, und der zu zeigen - enthüllen. Dennoch ist es ein anderer UmGesellschaft mit neuen stand, der mich schliesslich Ansätzen und frischen veranlasste, dieses MasterproKinder sind faszinierende Gedanken davon zu erjekt zu wählen: Die UmkehWesen. Sie sind oft scheu, zählen. Mit Hilfe der Idee rung des allgemein Üblichen; dann im nächsten Moment des Design Thinkings aber hängen sie sich an deine was in diesem Falle bedeutet, soll das Beispielthema die Kinder den Erwachsenen Fersen und geben sich erst bearbeitet und schliessGeschichten über unsere Welt wieder zufrieden, wenn sie präsentieren zu lassen. Ein gekriegt haben, was sie urlich in Form einer, in unüblicher Gedanke. Wer das sprünglich wollten. Dies ist der Öffentlichkeit stattwohl einer der vielen Gründe, Unübliche mag, wird sich mit findenden Erzählung weshalb wir Kinder als das ab- mir verbunden fühlen im Beder Gesellschaft näher tun, als was sie uns eben auch streben, der Unzulänglichkeit gebracht werden. Design des Menschen, Neues auszuerscheinen: Kinder. Wieso wir also - als Begriff innerhalb unseren kleinen Mitgliedern probieren, etwas entgegenzuder Arbeit mit einer ganz der Gesellschaft, gerade in un- setzen. Neues auszuprobieren ist wohl auch etwas, das serer heutigen, durch Medien eigenen Bedeutung - soll und Fortschritt geprägten Zeit unserem Bildungssystem und bereits im Grundschulal-
PROJEKTZIELE
nach wie vor wenig zutrauen, bleibt mir schleierhaft. Sicher kann und muss ich diesen Fakt als eines meiner Ziele -
dessen Führung grundsätzlich Unbehagen bereitet. Anders kann ich es mir nicht erklären, weshalb wir nach wie vor
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versuchen, unsere Kinder mit einem System des 19. Jahrhunderts auf sehr komplexe Probleme des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Den Urhebern dieses Problems, namentlich der Bildungsdirektion, fehlt es dabei grundsätzlich an Bezug. Es scheint ja ein allgemein bekanntes Unvermögen zu sein, sich als Erwachsener in seine Kindheit zurück versetzen zu können. Nun liegt es mir also daran, eine Methode zu entwickeln, die sich mehr am emotionalen Lernen des Kindes orientiert, und sich weniger auf intellektueller Ebene bewegt. Zugegeben, ich lasse mich dabei stark und gerne vom Bestreben, das sich momentan in Übersee formt, beeinflussen. Dabei wird versucht, eine universelle Kreativitätssprache in die Klassenräume des Landes zu pflanzen. Über Design Thinking bis hin zu einem sehr technologisierten Ansatz finden sich ganz unterschiedliche Bestrebungen, denen vor allem der Wunsch nach einer Überarbeitung des Bildungssystems gemein ist.
PROJEKTRELEVANZ
sich in beinahe revolutionistischer Manier dem Thema annehmen. Natürlich erscheint uns unser Bildungssystem im Vergleich zu weniger betuchten Staaten eine halbe Marathonlänge voraus, das hängt höchstwahrscheinlich aber lediglich mit unserer Infrastruktur und den Ressourcen in Form von klimpernden Münzen zusammen. Unser unsagbares Schweizer Vermögen scheint sowieso stets Anlass zu sein, jeglichen Vorstössen etwelcher innovativer Art einen Riegel zu schieben. Nebst der Frage nach dem optimalen Bildungssystem, oder wie und was wir unseren Kindern eigentlich beibringen möchten, behandelt meine Arbeit mit dem Storytelling einen Begriff, der im deutschen Sprachraum kaum Anerkennung findet. So gesehen könnte Mann oder Frau nun auch sagen, dass damit zumindest ein Teilbereich der Arbeit der Prüfung auf Relevanz nicht standhält. Doch interessant ist dabei doch auch, weshalb genau wir damit wenig anzufangen wissen. Nur weil Storytelling in unseren Breitengraden auf wenig Resonanz stösst, heisst das noch lange nicht, dass es uns keine Erkenntnisse oder Innovation bringen könnte. Gerade im Zusammenhang mit Design Thinking erfährt Storytelling in neuster Zeit grosse Aufmerksamkeit und findet im Kontext der Umstrukturierung des Schulalltags Einzug im Klassenzimmer. Dennoch zeichnet sich hier ein Bild eines noch sehr jungen und kaum erforschten Feldes. Es gibt Stimmen, die fordern anstelle von standardisierten Lernmechanismen Ausbildungsstandards. Dazu gehört auch meine, und ich wage zu behaupten, dass darin bereits eine gewisse Wahrheit zu finden ist.
Manch einer mag nun rufen: Halt, du bist weder Pädagoge noch hast du Einblick in den Schulalltag oder die Bildungsdirektion! Das mag stimmen, nur handelt es sich hier nicht um einen reisserischen Artikel, der unser pädagogisches Vorgehen anprangert, sondern um eine Forschungsarbeit, die Hypothesen aufstellt und Annahmen trifft, die zu be- oder widerlegen sind. Dass es sich aber um ein relevantes Thema handelt, zeigen Gruppen, Formierungen, Workshops, Projekte, Agenturen und InsDas Wort Pädagogik sorgt im titutionen aus aller Welt, die Allgemeinen bei mir für lang anhaltende Rückenschauer. Das ist entweder ausgespro-
WISSENSLÜCKEN
chen abträglich, zumal ich mich mit meinem Projekt gewissermassen mit der Pädagogik im Gespräch auf der Parkbank befinde, oder aber es kann mir zu einem Vorteil behelfen. Auch wenn ich meine Thesis nicht innerhalb der Wissenschaft der Erziehung
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verorte, braucht es ein gewisses Verständnis griffe sind. Denn die Sache ist einfach: Oridafür, wie Bildung im Ist-Zustand funktioentieren wir uns aufgrund einer Entwicklung, niert. Während mir der Begriff der Erziehung die ausserhalb der Gemeinschaft stattfand, in meinem Zusammenhang noch säuerlich an einer anderen Symbolik, wundern wir uns aufstösst, sehe ich Bildung schon eher als ganz schön, angesichts der unverständlieinen der Schlüsselbegriffe meines Projektes. chen Äusserungen, die unser Gegenüber von Womit mir beim ersten Punkt auf der Rechersich gibt. Ein kleines Beispiel: Lesen ist ein che-Traktandenliste angelangt wären. Doch Vorgang, der nicht – wie noch bei kleinen genau da liegt ja nicht die Wissenslücke, das Kindern – einzelne Buchstaben erkennt und heisst wir wissen aus Jahren der Forschung dann zu Sequenzen zusammenfügt, sondern sehr genau, wie Kinder im Lernprozess ticken. komplette, gelernte Wörter. Es ist also, wenn Zumindest auf Papier. Die Frage ist ja eher, was man so will, eher ein bildlicher Prozess denn möglich ist, um den Lernprozess attraktiver, ein intellektueller: Der Leser sieht das Wort, er zukunftsorientierter und kreativer zu gestalliest es nicht. Gleich verhält es sich mit dem ten? Die übergreifende Absenz dieser Frage im Spiel, das sich durch die Einverleibung der InZusammenhang mit einer möglichen Gestalstitutionen einer Gesellschaft zum Wettkampf tung eines Schulunterrichts mag erstaunen, entwickelt, während Kinder in frühen Jahren doch angesichts der offensichtlichen Verauch schon Mal Regeln im Laufe des Spiels stricktheit des Bildungssystems ist das nicht aufstellen. Fehlt einem diese Fähigkeit des weiter verwunderlich. Pädagogik scheint ganz symbolisch orientierten Handelns also noch, allgemein ein eher humorloses Feld zu sein. so spricht man eben in einer anderen „SpraDies wiederum stösst die Tür zu einer ganz che“. Man handelt ohne die Grenzen einer besonders spannenden Lücke auf, die mich durch Institutionen geprägten Gemeinschaft 1 kürzlich mit George H. Mead bekannt machte. und spielt, statt sich an Regeln zu halten. Wir Erwachsenen machen uns ja gerne über Was passiert also, lässt man Kinder sich mit jede unserer Handlung Gedanken, sei es eine Themen ausserhalb ihrer bisher konstituierten noch so kleine Petitesse. Wir handeln also in Identität auseinander setzen? Denn Kinder, sozialen Kontexten, die wir über Jahre erlernt aufgrund ihres noch jungen Alters, befinden haben. Erfunden haben wir dieses Handeln in sich erst im Anfangsstadium ihrer IdentitätsGrenzen natürlich nicht, und können meist entwicklung, und handeln somit selbstverauch nichts dafür, denn wenn es nach Mead ständlich anders als ausgewachsene Exemplare. geht, so entwickelt sich die Identität des Unternimmt man nun den Versuch, Ziele und Menschen im Laufe seines Lebens durch SpraWissenslücken in treffenden, umreissenden che, Spiel und Wettkampf. Unser Denkprozess Forschungsfragen zu vereinen, so kann man beginnt im Laufe dieser Entwicklung nun, in sich fragen: „Wie können Kinder dazu beitraSymbolen stattzufinden; wir verbinden Wörter gen, für aktuelle Themen neue Blickwinkel zu also grundsätzlich mit Objekten. Dabei gilt zu erschaffen?“ und „Wie lässt sich Design Thinbeachten, da ja man sich natürlich verstehen king in der Grundschule implementieren?“. will, dass diese Symbole beim Sprechenden und dem sich zwangsläufig mit dem Zuhörenden dieselbe ReakFeldexperiment konfrontiert. tion hervorruft. Das heisst Dabei meine ich Feldexperialso, dass unsere Symbole im ment im weitläufigen Sinne, Wer sich mit seinem Projekt optimalen Fall Allgemeinbealso aller Art Untersuchungen in Gefilde wagt, die sich eher im Felde. Dass es keinen Sinn ausserhalb der theoretischen macht, ein Ereignis zu kreieForschung befinden, sieht
METHODEN
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ren, das Kinder als elementares Bausteinchen sächlich verhält es sich mit den Kindern ja so, benutzt, ohne dabei tatsächlich mit Kindern dass ihnen Themen, die wir ihnen als fremd im Forschungsprozess gearbeitet zu haben, zuschreiben, in Wahrheit gar nicht so fern leuchtet erstens ein und wäre zweitens auch liegen, wie wir vermuten. Nach einem ersten, ein Versäumnis einer wunderbaren Gelegeneher groben Blick in die retournierten Culheit. Während sich die Neudefinition des tural Probes, sieht man sich mit Themen wie Begriffs Storytelling also noch grösstenteils Luftverschmutzung, artgerechte Tierhaltung als reine Literaturrecherche entpuppt - wobei oder gar Überbevölkerung konfrontiert, was hier anzumerken ist, dass mir eine qualitative erst einmal überrascht. Nun, da diese ÜberKulturanalyse durch Interviews vorschwebt raschung einen, ja durchaus positiven Nach- möchte ich die rein theoretische Rechergeschmack hinterlässt, soll eine zweite Welle che puncto Kinderbildung soweit möglich auf Cultural Probes das sicherlich in Kürze defidesignspezifische Forschungsmethoden benierte Thema weiter vertiefen. Im Gegensatz schränken. Hier bringt sich die Relevanzfrage dazu eignen sich Workshops, und besonders meiner Arbeit erneut ins Spiel, nun allerdings die Idee des Design Labs, - eine Art Labor für spezifisch im Kontext Design. Design nämlich Kinder, um Methoden gleich in der Realität zu ist der Gegenstand, den ich im Klassenzimmer testen - ausgezeichnet für die Ausarbeitung unterbringen möchte, genauer in Form von eines Toolkits; oder wie man die Ansammlung Design Thinking. Die Methode also nennen wir der erarbeiteten Aufgaben und Methoden vorläufig ‚Design Thinking für Schulkinder‘, schliesslich auch nennen mag. Das Toolkit, und zielt darauf ab, Themen mithilfe eines der oder eben die Methoden, richten sich übrinaheliegendsten Mittel zu behandeln: Ihrer gens, um dies klar zu stellen, in erster Linie Fantasie. Dass uns diese Fantasie ab einem ge- an Lehrer oder ganz allgemein Aufsichtsperwissen Alter irgendwie abhanden zu kommen sonen, um das Beispielthema mit Kindern zu scheint, muss uns nicht weiter verwundern, behandeln. Letztlich, aber keineswegs weniger zeigt uns aber, dass es nicht gänzlich unabwichtig, ist die Frage nach der Kommunikation wegig ist, Kinder an; nennen wir sie einfach des Projekts. Beinahe möchte ich sagen, dass mal Erwachsenen-Themen, Hand anlegen zu dies ziemlich elementar für den Erfolg dessen lassen. Unabdingbar für die Entwicklung des ist. Geht es also um die Öffentlichkeitsarbeit, Projektes ist also erst einmal das Wissen darwerde ich wohl auf gezielte Interventionen um, um welches Erwachsenen-Thema es sich setzen. Ein wenig schuldbewusst, und durch handelt, das die Kinder behandeln werden. Zu einen nicht ganz uneigennützigen Gedanken diesem Zweck hatte ich einer kleinen Gruppe inspiriert, muss ich zugeben, dass dabei auch Kinder zwischen 10 und 12 Jahren ein Culdas Verschönerungspotenzial meiner Arbeit tural-Probes-Paket ausgehändigt. Das Paket eine grössere Rolle spielt. enthielt allerlei Aufgaben, die gleich mehrere Zwecke zur Verfügung steht, reicht verfolgten. Einerseits sollten schlicht und einfach nicht, Möglichkeiten einer solchen einen fundierten VerbesForschungsmethode erprobt serungsvorschlag zu präWer nun den Sinn der Arbeit werden, andererseits war es sentieren, um die Bildung in der Kritik der Pädagogik mitunter die Absicht, heraus unserer jüngsten Generation und der Optimierung des zu spüren, was Kinder denn zu revolutionieren. Es muss Bildungssystem sieht, mag täglich so beschäftigt. Tatwohl auch nicht sonderlich nur teilweise richtig liegen. erwähnt werden, dass sich Die Zeit, die mir im Master
RECHERCHE
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der Schulkontext eben besonders eignet, um mit Kindern zu arbeiten und Aufgaben sowohl zu stellen als auch gemeinsam zu lösen. Dennoch bleibt ein gewisser Anspruch, wenigstens andeutungsweise als gutes Beispiel voranzugehen, wie ein Schulalltag projektbezogener gestaltet werden könnte. Gleichzeitig mag man die Absicht des Masterprojekts auch in der Unterstützung der Disziplin Design sehen, oder besser in der Implementierung von Design Thinking im Grundschulkontext. Während ich mich nun bezüglich der Forschung besonders innerhalb des Schulkontexts mehr auf empirische Untersuchung verlasse, sieht es beim Begriff des Storytellings und bezüglich der zu behandelnden Thematik schon anders aus. Nebst der Literaturrecherche - wobei die Thematik nun erst einmal bestimmt werden muss - verlasse ich mich hierbei eher auf Experten. Nun geht es schliesslich auch nicht darum, zum Experten des Beispielthemas zu mutieren. Denn meine Position sehe ich mehr in der Gestalt des Kurators als in der des Lehrers; was durchaus seinen Sinn hat, denn auch ich soll so unbefangen wie nur irgendwie möglich sein. Das Ziel ist es ja eben, anders als es üblicherweise praktiziert wird, Kindern zu Themen sprechen zu lassen, zu denen sie normalerweise nicht angehört werden. Nun muss ich, um ganz ehrlich zu sein, anmerken, dass meinerseits bisher zwar enorm viel Literatur gesammelt, gekauft, geborgt und angelesen wurde - die Bücher und Artikel sind gerade noch so überblickbar - eine Vertiefung in die einzelnen Themenfelder ist bisher aber noch ausgeblieben.
EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG Geht es um die empirische Forschung, bieten sich dem Forschenden zwar einige Möglichkeiten, nichtsdestotrotz gestaltet sich die Aufgabe ganz schön schwierig. Forschung soll
Erkenntnisse bringen, und obschon der schöne Anspruch an Forschung im Design besteht, dies möglichst kunstvoll und originell zu tun, ist dies nicht ganz einfach. Ein erster Schritt wurde mit den Cultural Probes dennoch bereits getan, und die Ergebnisse hätten auf den ersten Blick nicht schöner sein können. Die Antworten der Kinder zwischen 8 und 10 Jahren sind dermassen vielversprechend, dass sich die Frage, ob Cultural Probes eine erstrebenswerte Vorgehensweise seien, erübrigt. Es mangelt zwar noch an einer kompletten Auswertung der Probes, wer sich die gelösten Aufgaben jedoch etwas genauer ansieht, wird ziemlich schnell mit mehr oder weniger spannenden Themen konfrontiert, die man sich in Köpfen von Kindern dieses Alters erst einmal nicht vorgestellt hätte: Artgerechte Tierhaltung, Überbevölkerung, Luftverschmutzung, globale Normierung, Modernisierung - lauter Dinge, die man mit Kindern wohl eher ungern anspricht, meist aus dem offensichtlich fehlgeleiteten Gedanken, dies seien für sie zu komplexe Themen. Klar, zu diesem Zeitpunkt konnte ein Beispielthema zwar noch nicht festgelegt, es bleibt aber auf jeden Fall festzuhalten, dass Cultural Probes ein probates Mittel darstellen, um ein mögliches Thema weiter ausarbeiten zu können, zumal sich diese Mittel gleich noch als kleines Testingtool für gestalterische Storytelling-Aufgaben anbieten. Während sich also die Probes mit einem Besipielthema, das man im Rahmen der Arbeit mit Kindern behandeln könnte, beschäftigt, bleibt die Frage, wie es sich denn heute mit dem Lernen im Klassenraum verhält, noch offen. Gottlieb Schnapper-Arndt hat zu diesem Zweck die Feldforschung begründet, eine Methode zur Erhebung empirischer Daten mittels Beobachtung und Befragung; im „natürlichen“ Kontext sozusagen. Dies ist ausgesprochen hilfreich, will man Beobachtungen anstellen, die in einem künstlichen Umfeld eben gerade nicht möglich sind. Feldforschung also meint, sich in den Lebensraum einer bestimmten Gruppe zu begeben, sich gewissermassen ins Milieu einzubohren,
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was durchaus seinen Sinn hat, will mal beispielsweise Verhalten Zustände im Klassenraum beobachten. Nun ist das Ziel der Arbeit aber nicht, eine möglichst genaue Analyse des schulischen Kontexts anzustellen. Vielmehr geht es ja darum, mit Kindern Methoden, und folglich dann Geschichten zu entwickeln, um so den Erwachsenen einen möglichst unkonventionellen, frischen Blick auf unsere Erdkugel zu ermöglichen.
GESTALTUNG
meiner Arbeit sollte möglichst alle Zielgruppen - Ausbilder, Kinder und Gesellschaft - ansprechen, und nicht speziell für Kinder designt sein, doch bin ich wie Tallec davon überzeugt, dass dies auch nicht nötig ist. Was die Gestaltung der Arbeit innerhalb des Begriffs des Ereignisses angeht, so ist der Umriss dessen ungleich mühevoller. Das Ereignis, und hier sei auf Derrida und sein Merkmal des Unvorhersehbaren verwiesen, ist gleichgesetzt mit dem Endresultat der Arbeit. Während die Idee der Arbeit als solche nur bedingt Bezüge zum Ereignis findet, soll hingegen das Endergebnis, jetzt noch leise und undeutlich, zum Ende des Masters hin als tatsächliches Ereignis im öffentlichen Raum stattfinden. Denkt man sich ein mögliches Szenario - denn zurzeit handelt es sich noch genau um ein solches - so könnte dies folgendermassen ablaufen: Seit knapp drei Wochen ist die „We are Storyteller“-Website online. Sie informiert über mein Masterprojekt und ruft, so verdeutlicht es die Headline, den Tag der Geschichtenerzähler aus. Interessierten, ob nun Schulklassen oder Familien, steht es frei, sich die Toolkits, welche die während der Forschung entstandenen Aufgaben enthalten, zu downloaden und sinngemäss auszuführen. Als Resultat werden sie hinaus treten, und durch die gestellten Aufgaben ihrer näheren Umgebung kleine Geschichten - durch Zeichnungen, Manifest oder Flyer zum behandelten Beispielthema erzählen. Als Referenzbeispiel, und um sicher zu gehen, dass gewisse Geschichten auch ihre Rezipienten finden, findet am tatsächlichen Tag der Geschichtenerzähler eine Ausstellung statt, die ich gemeinsam mit einer Klasse erarbeitet habe. Mit Tafeln, Objekten und einem kleinen Auditorium bietet diese den Kindern eine Art Bühne, um ihre Geschichte zu erzählen.
Olivier Tallec, der in jungen Jahren klassisches Grafikdesign praktiziert hat, bevor er Illustrator wurde, hat sein kürzlich erschienenes und äusserst faszinierendes Buch, das ohne Worte auskommt, ‚Waterloo und Trafalgar‘ genannt. Sinnigerweise handelt es vom Krieg, denn Tallec liess sich von den Ereignissen in Lybien inspirieren. Nun, der Grund, weshalb ich dies erwähne, ist folgender: Tallec teilt seine Bücher zwar regelmässig mit Kindern an Schulen und Buchmessen, speziell für Kinder illustriert er aber nicht. Ganz pragmatisch sagt er: „Es ist ein wenig limitierend, deine Illustrationen als nur für Kinder anzusehen.“2 Ein nicht sehr origineller Satz, dennoch enthält er Elementares. Einerseits deutet er mit dem Wörtchen „nur“ an, dass es durchaus möglich ist, Illustration zu gestalten, die allgemein auf Anklang stossen, andererseits könnte der Leser vielleicht auch vermuten, dass Tallec auch den Umkehrschluss seiner Aussage „mitmeint“, also impliziert dass es für Kinder genauso limitierend ist, Illustrationen lediglich aus möglicherweise falschen Intentionen heraus auf sie zuzuschneiden. Konsequenterweise meint Tallec denn auch: „Du wirst mit ihrer eigenen Realität konfrontiert; sie sehen oft Aspekte in deiner Arbeit, die du selbst nicht bemerkt hattest.“ Es klingt zwar etwas eigennützig, nun Würde man mich nach der zu sagen, die Gestaltung wichtigsten Phase meiner Forschungsarbeit fragen, so
PLANUNG
müsste ich zweifelsohne mit: „Der Sommer“ antworten. Denn die semesterfreie Zeit entscheidet über Kooperationspartner, Beispielthema, Design Lab und Workshops.
☞ MASTER IN DESIGN Das zweite Semester steht im Zeichen der Auswertung der Forschung, Umsetzung der Toolkits, der Website, und der allgemeinen Organisation des Ereignisses. Der nächste und naheliegendste Schritt ist sicherlich die Definition des Beispielthemas, auf die alle weiteren Planungen richtiggehend angewiesen sind, und eine weiterführende Forschung anhand einer zweiten Welle Cultural Probes. Das komplette zweite Semester präsentiert sich als optimaler Spielplatz, um Methoden, Aufgaben und Fragestellungen für eventuelle Toolkits zu erarbeiten. Während der Sommer noch als Pilotphase genutzt wird, gestaltet sich die Sache zwischen September und Dezember dann schon ernster. Dann nämlich, so der Plan, sollen im Design Lab und dem Workshop, die Methoden getestet und verfeinert werden, die dann schliesslich im Toolkit und auf der Website landen sollen. Wie es zu Beginn des 3. Semesters aussehen wird, ist natürlich noch schwer absehbar. Doch um es zum Schluss doch noch kurz zu machen: Es wird sich wohl um die endgültige Organisation des Tages der Geschichtenerzähler drehen; und ganz nebenbei auch um den Versuch, die Projektidee an die Öffentlichkeit zu bringen. Eine weniger klare Sache ist die Suche nach allfälligen Kooperationspartnern. Während für die Umsetzung die Agentur Station bereits definiert ist, bin ich erst kürzlich auf den Schweizerischen Verband Künste für Kinder und Jugendliche gestossen, die ich nun hemmungslos angeschrieben habe; die Antwort verbleibt noch offen. Glücklich schätzen darf ich mich über die Fülle an LehrerInnen, die sich mit ihren Klassen freuen würden, ein Teil des Projektes zu sein. Ein verhalten optimistischer Blick darf mir also erlaubt sein.
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jekts erweitert; was natürlich keineswegs schlecht ist. Dass sich dies allerdings auch negativ auswirken kann, besonders wenn es darum geht, den Rahmen endgültig abzustecken, muss ja eben doch beachtet werden. Bemerkenswert ist wohl auch, dass sich mittlerweile - kurz nach der Erwähnung meiner Projektidee - zahlreiche äusserst nette Lehrpersonen, die sich gleich freiwillig meldeten, um beim Projekt mitzuwirken. Dies obwohl ich den Sachverhalt erst ganz grob umrissen hatte. Dieser Enthusiasmus ist sehr angenehm, und beschert mir höchstens die Schwierigkeit, des sich entscheiden Müssens, und ist ganz nebenbei ein freudiges Zeichen, dass die Idee glücklicherweise auf Interesse stösst. Was bleibt, ist vielleicht der Einwand, Kinder mit ernsten Themen in Kontakt zu bringen, würde sie ihrer Kindheit berauben. Nun, darauf kann ich nur antworten, dass es zwei grundsätzlich verschiedene Dinge sind, ob man Kinder nun in die ernste Erwachsenenwelt wirft, oder sie sich damit in ihrer ganz eigenen Weise, mit ihren eigenen Regeln, auseinandersetzen lässt. Und ausserdem ist Widerstand dazu da, um daran zu wachsen.
1
Mead, George H. (2013). Geist, Identität und Gesellschaft
(Nachdr. der 1. Auflage von 1973). Suhrkamp Verlag.
ADDENDUM
2
Burnett, Matia (2013). „A Childlike Perception of Reality“:
A Panel Discussion with Olivier Tallec and Oliver Jeffers.
Anzumerken bleibt, dass sich durch die doch sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Masterprojekt regelmässig, um nicht zu sagen täglich, der Horizont des Pro-
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