Pro Cycling Cyclocross

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Das Focus Mares nach zwei Runden im Matsch von Pilsen – ein echter Härtetest


foCus auf den matsch Mit US-amerikanischen und europäischen Fahrern ist das Team Rapha-Focus im harten Querfeldein-Zirkus unter­wegs. Das große Ziel: die Heim-WM im amerikanischen Louisville. Text Stephan Geiß

Fotografie Jered & Ashley Gruber

Ein ganzer Kontinent im Cyclocross-Fieber und eine Fahrradmarke, die von einem der erfolgreichsten deutschen Querfeldeinfahrer gegründet wurde: Als das Rapha-Focus Cyclocross-Team in der Saison 2010/11 als professionelles Querfeldein-Team in den USA ins Leben gerufen wurde, wuchs zusammen, was zusammengehört. Die Manager bei Focus USA waren selbst passionierte Rennfahrer und Cyclocrosser und suchten nach einer Möglichkeit, die einst von Mike Kluge ins Leben gerufene Marke in ihrem Land zu etablieren. Also traten die Fahrrad-Macher mit ihrer Idee an Co-Sponsoren und Fahrer heran. Den Teamchefs war es ein besonderes Anliegen, den Fahrern ein professionelles Umfeld zu bieten und sie optimal zu unterstützen, damit sich die Athleten auf ihren Sport konzentrieren konnten. Die ersten beiden Fahrer des Teams RaphaFocus waren Chris Jones in der Eliteklasse und der herausragende U23-Fahrer Zach McDonald. Die beiden fuhren bei etlichen Rennen Top-Ergebnisse ein und sorgten mit ihrem auffälligen Outfit dafür, dass das Team bald in aller Munde war. Der Grundstein war gelegt, um das Team für die kommende Saison weiter auszubauen. Als neue Speerspitze stieß Jeremy Powers aka J-Pow, wie er in der Szene genannt wird, zu Rapha-Focus. Zahlreiche Siege bei US-Querfeldeinrennen und Top-Ten-Platzierungen im Weltcup machen ihn zum erfolgreichsten Cyclocross-Fahrer der USA. Die amerikanische Begeisterung für den Crosssport ist längst zurück nach Europa geschwappt,

Die Us-Amerikanische Begeisterung für den CrossSport ist wieder zurück nach Europa geschwappt.

J-Pow arbeitet sich auf seinem Focus Mares Disc Prototyp durch den Matsch.

und so ist es nur logisch, dass Rapha-Focus für die aktuelle Saison internationaler ausgerichtet wurde. Focus besann sich auch in Europa auf seine Wurzeln und stieg wieder als großer Titel­ sponsor in den Geländesport ein. Dazu wurden die aussichtsreichsten Talente im Damencrosssport engagiert – neben Fahrerinnen aus Frankreich, England und der Schweiz auch die Allgäuer Nachwuchshoffnung Sabrina Schweizer. Zunächst beschränkte man sich auf die Damen, da man bei Focus der Meinung ist, dass Frauen im Profi-Crosssport unterrepräsentiert sind. Das Team umfasst nun drei Fahrer aus den USA und vier Fahrerinnen aus Europa. Für nächstes Jahr bestehen schon Kontakte zu Fahrern, die RaphaFocus weiter verstärken könnten.

WM auf heimischem Terrain Dass die Cyclocross-Weltmeisterschaft in dieser Saison in den USA stattfindet, ist natürlich vor

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Team Rapha-Focus

Arbeitsgeräte im heiligsten Bereich des Hotelzimmers

Tim De Waele

Jochen bei den letzten Handgriffen, bevor seine Sportlerin das frische Rad nach einer Runde wieder entgegennimmt

Trotz der widrigen Bedingungen sehnt J-Pow nach der letzten Aufwärmrunde vor dem Rennen den Startschuss herbei.

Höchste Anspannung bei der Engländerin Gaby Day auf dem Rollentrainer im Rapha-Focus Teamzelt unmittelbar vor ihrem Rennstart

allem für die einheimischen Fahrer ein besonderer Anreiz, auf die Bestform hinzuarbeiten. Jeremy Powers feilt diese Saison besonders akribisch an seiner Leistung; alles ist auf das große Rennen in Louisville ausgerichtet. Es gibt viele hochkarätige Rennen in den USA, aber die Weltelite, mit der man sich messen muss, startet in Europa bei den wichtigsten Rennen in Belgien, Holland und Tschechien. „Die langen Flugreisen sind eine besondere Belastung für uns, während die Belgier diese Rennen vor der Haustüre haben. Alleine hier in Tschechien das richtige Essen zu finden ist eine Herausforderung“, erklärt J-Pow am Rande des Weltcup-Rennens in Pilsen. Trotzdem konnte er jüngst beim ersten WC-Rennen in Tabor mit einem siebten Platz die übermächtig scheinende Phalanx der Belgier durchbrechen. Der Amerikaner verrät es nicht, aber insgeheim spukt der Gedanke an eine Top-Platzierung bei der Heim-WM

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sicher in seinem Kopf herum – gerade, weil ihm der Kurs in Louisville sehr gut liegt. In den USA ist der aufgeschlossene Athlet wegen seines Fahrstils der Publikumsliebling. Wo andere vom Bike absteigen, springt er über die Hindernisse, wenn seine Gegner am Ende sind, zündet er seine Attacken – so etwas kommt an bei den Fans. Außerdem ist er ein lässiger Typ, wovon man sich in seiner eigenen dokumentarischen Web-Serie „Behind the Barriers“ überzeugen kann. Dort gewährt er tiefe Einblicke in das Leben eines Cyclocross-Nomaden.

Materialschlacht in Pilsen Nach dem erfolgreichen Weltcup-Auftakt in Tabor mit einer tollen Teambilanz – ein siebter Platz in der Eliteklasse, vierter Rang durch Zach McDonalds in der U23, ein hervorragender siebter Platz der jungen Schweizerin Jasmin Achermann und

weiteren Top-Platzierungen bei den Damen – reist das Team positiv gestimmt in das nicht weit entfernte Pilsen. Pünktlich zum ersten offiziellen Training auf der Weltcup-Strecke schenkt der Wettergott den Fahrern bestes Cyclocross Wetter: Regen, eisige Temperaturen und der erste Schnee des Jahres. Während sich die meisten Rennradfahrer ihre wohlverdiente Saisonpause gönnen, kommen die Cyclocrosser jetzt erst richtig in Wallung. Die Strecke in Pilsen ist gegenüber dem Vorjahr etwas umgebaut worden, weswegen die Fahrer den Kurs ausgiebig testen müssen. Durch die widrigen Wetterbedingungen präsentiert sich die Strecke als eine einzige Matschhölle – eine besondere Belastung für alle Beteiligten. So müssen nicht nur die Sportler, sondern auch die Männer und Frauen hinter den Kulissen im System Cyclocross-Team perfekt funktionieren. Die beiden Betreuer Wolle und Jochen sind wahre Ur-


Der U23 Champion Zach sprintet elegant über die Barrieren und kämpft sich nach der Behinderung beim Start wieder zurück in die Top Ten.

Der tiefe Matsch macht es unmöglich, die Anstiege zu fahren und kommt starken Läufern entgegen.

Mit den vielen rutschigen 180°-Kurven zwingt der Kurs von Pilsen die Fahrer permanent zu Tempowechseln.

gesteine im Radsportzirkus: Wolle hat bereits bei Gerolsteiner, T-Mobile, Highroad und diversen weiteren Profiteams sowie verschiedenen Nationalmannschaften als Profi-Mechaniker gedient. Sein Kollege Jochen hat unter anderem schon bei der Tour de France Focus-Räder in Schuss gehalten. Trotzdem ist der Crosssport eine Herausforderung für sie: Wo man im Straßenradsport mit Schwamm und Seifenwasser sowie ein wenig Pflegemittel ans Werk geht, ist man beim Cross im Kampf gegen den Matsch permanent mit dem Dampfstrahler zugange. Die beiden Mechaniker sind von morgens bis in den späten Abend damit beschäftigt, die Räder in einem perfekten Zustand zu halten – kein einfacher Job, den die beiden stets mit guter Laune erledigen. Das Besondere am Team Rapha-Focus ist das familiäre Umfeld, das die Teamleitung den Fahrern bietet. Die meisten Topfahrer im Worldcup

reisen im Wohnmobil umher, im Gepäck ein bis zwei Betreuer. Beim Rapha-Focus Team ist es mehr eine große Familie aus Fahrern und Betreuerstab. Ein Teil des Personals ist früh am Morgen schon zur Strecke gefahren, um das Fahrerlager einzurichten. Bis die Fahrer aus dem Hotel kommen, stehen die Räder und die Trainingsrollen bereit, sodass noch die Aufwärmprogramme gefahren werden können, bevor es auf die Strecke geht. Jeder Fahrer hat mindestens drei Räder dabei, die perfekt auf ihn eingestellt sein müssen; zahllose Laufradsätze mit geklebten Spezialreifen für alle Streckenbedingungen und eine unvorstellbare Menge an Ersatzteilen warten in den Teambussen. Nach den ersten Runden besprechen die Fahrer mit den Mechanikern, welche Reifen optimal sind und welchen Reifendruck sie für den Kurs benötigen. In minimalen Schritten arbeiten sich die Fahrer an den optimalen Luft-

druck für die Bedingungen heran. „Zach ist ein sehr leichter Fahrer, er will vorne 19,5 PSI und hinten 20 PSI“, verrät Wolle – das sind gerade einmal 1,34 beziehungsweise 1,38 Bar. „Während des Rennens haben wir immer einen Akkukompressor dabei und bekommen beim Rad­tausch Anweisungen von den Fahrern zum Luftdruck.“

Testrunde Der Kurs zeigt sich am Samstag in einem katas­ trophalen Zustand. Die Reifen suchen im tiefen Matsch nach Halt und die Fahrer haben Mühe, nicht zu stürzen. Einige hängende Kurven wirken fast unfahrbar, aber die Crosser scheinen an solche Bedingungen gewöhnt zu sein. Viele Fahrer kämpfen bereits im Training mit dem lehmigen Morast, der alle beweglichen Teile an den Rädern zusetzt. Es ist kaum möglich, zwei Runden mit dem gleichen Rad zu fahren. Die Betreuer wissen, dass es

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Team Rapha-Focus Die Britin Gaby und die Französin Julie kämpfen in den ersten Runden gemeinsam um ihre Platzierungen.

Routiniert und mit minimalem Zeitverlust verläuft der Wechsel des Rades zwischen Betreuer und Fahrer.

Die unzähligen Fahrspuren im Matsch machen das Fahren zu einer Wackelpartie.

morgen ein intensiver Tag für sie wird. „Die Räder werden sicher zweimal pro Runde gewechselt werden und es wird hektisch in den Wechselboxen zugehen“, erklärt Zachs Betreuer Jeff. Die Strecke weist eine steile Abfahrt auf, die mit kleinen Wurzeln durchzogen ist; überhaupt werden die Strecken nach Aussage von J-Pow tendenziell anspruchsvoller. Trotzdem sieht man nur zwei Fahrer mit Scheibenbremsen. Cross ist ein sehr traditioneller Sport, und Cantilever-Bremsen sind noch omnipräsent. Seit der Freigabe von Scheibenbremsen bei Crossrennen durch die UCI wird das Thema langsam von den Herstellern aufgegriffen. J-Pow ist einer der extrem wenigen Fahrer im Rennen der Elite, der mit Scheibenbremsen fährt. „Seit ich den Prototypen von Focus in den USA das erste Mal gefahren bin, ist für mich klar, dass ich nichts anderes mehr fahre. Die Scheibenbremsen lassen mich viel später auf den

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Punkt genau bremsen und machen mich deshalb schneller“, zeigt er sich überzeugt. Nach einigen Runden auf dem Kurs und dem Rollenprogrammen kehren die Fahrer wieder zurück auf ihre Hotelzimmer, um sich am letzten Tag vor dem Rennen optimal zu erholen. Jeder hat dabei seine eigenen Techniken. J-Pow etwa hat immer seinen Laptop mit DJ-Equipment dabei und entspannt sich beim Mischen von Musik. Beim gemeinsamen Abendessen liegt die Anspannung in der Luft – alle sehnen den Renntag herbei. Als die Sportler schon zurück auf ihren Zimmern sind, erklärt Jeff, der Koordinator des Teams, wie aufwendig die Reisen mit dem Team sind. Er bucht Hotels und Mietwagen, besorgt die Verpflegung und kümmert sich darum, dass alle zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind. Eine echte Herausforderung bei sieben Sportlern aus fünf verschiedenen Na­tio­nen. Dazu führt er

akribisch Listen mit den Flug­daten der Sportler, um genau zu wissen, wann welcher Fahrer am Flughafen an welchem Gate an­kommt. Kein Sportler soll jemals stundenlang warten müssen, denn: „Das sind alles Störfaktoren, die wir minimieren müssen“, erklärt er, „nur so können wir auch in Europa ganz vorne mitfahren.“

Wettkampftag Am Wettkampftag starten zuerst die U23-Fahrer, gefolgt von den Frauen; als Höhepunkt kommt das Rennen der Elite. Die Fahrer inspizieren die Strecke vor dem Rennen nochmals, um zu überprüfen, ob sich die Bedingungen geändert haben. Die Mechaniker Wolle und Jochen bringen die Bikes anschließend erneut in einen Zustand wie frisch aus dem Radkarton. Zach muss sich als erster Rapha-Focus-Fahrer zur Startaufstellung begeben. Die meisten Starter reiben sich mit


Die Räder aufgereiht, bereit für den Kampf im Matsch

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Südafrika Während einer Aufwärmrunde empfängt Gaby Hinweise zum Kurs von ihrem Betreuer.

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20.–27.07.2013 Über alle Berge, 700 km und 14 000 Höhenmeter

Wärmesalbe ein, um sich gegen die Kälte zu schützen; die Luft ist erfüllt mit dem Duft von Kampfer und ätherischen Ölen. Die Fahrer werden einzeln nach dem Stand im Worldcup-Gesamtklassement aufgestellt; Zach steht dank seines Ergebnisses in Tabor in der ersten Startreihe direkt neben dem Führenden. Der Sprecher sagt die letzte Minute vor dem Start an, und eine erdrückende Stille legt sich über den Startbereich. Die Fahrer können ihre Anspannung kaum zurückhalten, die Beine drücken auf die Pedale und wollen die Kraft explosionsartig ausstoßen. Der Startschuss fällt, die Fahrer sprinten in einem Höllentempo los. Der Weltcup-Führende fällt plötzlich wie ein Stein durch das gesamte Fah­ rer­feld und behindert auch Zach, sodass dieser in eine deutlich schlechtere Ausgangsposition rutscht. Der junge Amerikaner kämpft sich zunächst wieder etwas nach vorne, muss seinen

Anstrengungen aber Tribut zollen und wird schlussendlich unzufriedener 13. Das Damenrennen ist nicht weniger spannend. Die junge Jasmin Ackermann verbessert ihr Ergebnis von letzter Woche und wird Sechste; mit Gaby Day als Neunte kann das Team wieder zwei Top-Ten-Platzierungen einfahren. JPow dagegen hat Pech. Seine Chancen werden von einem Sturz in der ersten Kurve 100 Meter nach dem Start zunichte gemacht. Er wird unverschuldet in einen Sturz verwickelt und hart zu Boden gezwungen; nachdem er sich aufgerappelt hat, muss er das Rennen von der letzten Position angehen und steigt schließlich enttäuscht aus. Im Schlussklassement belegen die übermächtigen Belgier die Plätze eins bis sieben. Vielleicht gelingt es J-Pow bei der Heim-WM in Louisville ja wieder, wie in Tabor diese Phalanx zu durchbrechen. Good luck!

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