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Solare Architektur

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Globaler Wandel

Globaler Wandel

ein anerkanntes Ziel des Bauens dar. Andere monieren, dass man noch immer verharre bzw. sogar zurückgefallen sei – im Glauben, dass technisch alles mach- und beherrschbar sei, dass mithin der Komplexität der Aufgabe nicht hinreichend Rechnung getragen würde. Diese Ambivalenz ist fürs Erste kaum aufzuheben. Indes soll es hier weniger darum gehen, ein Urteil zu fällen, als vielmehr auf einige Aspekte aufmerksam zu machen, die bislang vielleicht zu kurz kamen. Ob nachhaltig, ökologisch, ressourcenschonend, umweltgerecht, biologisch oder energiesparend: Gleichgültig, unter welcher Überschrift man sie einordnen möchte, auf eine solche Art zu bauen, erhebt den Anspruch, dezentral, integriert und selbstgenügsam zu sein. Allen Be griffen gemein jedoch ist die Herkunft aus den 1960er-Jahren, in denen das etablierte System ins Kreuzfeuer vornehmlich jugendlicher Kritik geriet. Sie entstammen somit einer sozialen Bewegung, nicht bloß einer technischen Innovation. Freimut Duve fasste einmal stellvertretend in Worte, wie weit der Glaube reiche: »Die zentralistischen großtechnologischen Systeme – Verkehr, Versorgung und Fernsehen – ebnen die historischen Städte ein. Ökologisches Bauen, die Suche nach dem verlorenen Menschenmaß in der Stadt könnte ihr wieder Gesicht und Eigenheit geben« [1]. Ein ambitionierter Anspruch also, dem bislang jedoch auf seinem Weg in unsere Alltagswirklichkeit nicht durchgängig Glück beschieden war. In der Diskussion, die hierzulande geführt wird, erscheint Nachhaltigkeit – besonders wenn sie auf Innovation und Hochtechnologie bezogen wird – wie eine Dame ohne Unterleib, abgeschnitten von kulturellen Faktoren und sozialen Katalysatoren, ohne die noch nicht einmal die aseptisch gedachten wissenschaftlichen Entdeckungen, geschweige denn ihr gesellschaftlicher Gebrauch denkbar wären [2]. Photovoltaik, Passivhausstandard, Wärmerückgewinnung – bloße naturwissenschaftlich-technische Ansätze – greifen nicht, was mitunter in der Fachgemeinde selbst moniert wird: »Die Denkweise der Bauingenieure ist vorwiegend technisch-rational und zu wenig auf die Komplexität des menschlichen Verhaltens ausgerichtet. Dem Bauingenieur fehlen gesellschaftspolitische Denkansätze und Strategien zur Durchsetzung seiner Ziele« [3]. Aber auch die Architekten sind nicht ausreichend darauf eingestellt, wie es etwa die gängige Architekturlehre manifestiert: Sie wird entweder vom Primat der Gestaltung oder von einer gewissen Unterkomplexität, indem reine Teilaspekte im Vordergrund stehen, dominiert.

Gesellschaftlich-kulturelle Akzeptanz

Die häufige Verkürzung von Nachhaltigkeit auf Innovation, Wissenschaft und Technologie verkennt die außerordentliche Bedeutung von konzeptionellen Inspiratoren, deren visionäre Arbeit im Entwurf einer Zusammenschau bestand. Diese Zusammenschau stellte die

zahllosen Einzelergebnisse aus Naturwissenschaften und technologischer Forschung plötzlich in einen neuen Kontext. Richard Buckminster Fuller, der mit seinem Diktum »think global – act local« Geschichte schrieb, prägte vor mehr als sechs Jahrzehnten den Begriff »Cosmic Conceptioning«. Gemeint ist die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge für Erhalt und Pflege der Lebensgrundlage nicht nur zu erkennen, sondern im Denken und Handeln wirksam werden zu lassen – vor allem in einer präzisen Modellierarbeit von Ereignismustern, ihren Veränderungen und Transformationen. Als noch keine Rede sein konnte von Energiekrise, Umweltbelastung und Zerstörung des globalen Ökosystems, arbeitete Fuller bereits antizipatorisch an Konzepten zur Lösung dieser künftigen Probleme. »Die Quelle aller Kräfte«, so diagnostizierte er, »die der Mensch für die Handhabung aller seiner Instrumente – belebter wie unbelebter – braucht, ist die Sonne. (…) Das Entwerfen von Behausungen auf wissenschaftlicher Grundlage ist den Sternen mehr verbunden als der Erde« [4]. Buckminster Fullers Wirken stand unter dem Motto »How to make the world work« – so als sei ihm irgendwo in der Einöde eine Kiste mit Maschinenteilen, ganzen und zerbrochenen, zugeschickt worden, die er jetzt mithilfe einer Bedienungsanleitung und Improvisation zu einem funktionierenden Ganzen zusammenbauen muss. Die Information der Teile über ihr Funktionieren im Ganzen wird zur Ausgangs frage für Fullers »Systems Approach«; die Lösungsstrategie setzt bei der Integration der Einzelfunktionen an. Er sieht die Erde als integral konstruierte Maschine an, die zum Zweck dauerhafter Leistungsfähigkeit als Ganzes begriffen und bedient werden müsse. Wenn Fuller seine Schrift nun »Bedienungsanleitung« nennt, dann will er damit vor allem auf deren Fehlen hinweisen. Die Menschheit lebe auf der Erde, ohne ein Anleitungsbuch für die richtige Bedienung an die Hand bekommen zu haben. Gemessen an der unendlichen Sorgfalt, mit der alle Details des »Raumschiffs Erde« ab ovo festgelegt worden seien, müsse man das Fehlen einer Bedienungsanleitung als absichtlich und planvoll ansehen. Eben diese bewusste Abwesenheit hat nun aber ihr effektiv Gutes. Denn dies zwinge dazu, »unseren Intellekt zu gebrauchen, und das ist unsere höchste Fähigkeit, mit der wir wissenschaftliche Experimente anstellen und die Bedeutung experimenteller Ergebnisse wirksam interpretieren können. Gerade weil die Bedienungsanleitung bisher gefehlt hat, lernen wir zu antizipieren, welche Konsequenzen sich aus einer steigenden Anzahl von Alternativen ergeben, um unser Überleben und Wachstum befriedigend zu erweitern – physisch und metaphysisch« [5]. Nachhaltige Entwicklung, nachhaltiges Bauen gibt es demnach nur als Synthese von technologischingenieurmäßigen Handeln und gesellschaftspolitischen, wertebasierten und werte orien tierten »Ansprüchen«.

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