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VORWORT PREFACE
from AlpenOrte / AlpineRetreats
by DETAIL
Die Auseinandersetzung mit der Gestaltung von Räumen und mit Materialien ist elementarer Be standteil unserer täglichen Arbeit als Innenarchitekten und Materialberater. In unserer Freizeit kom binieren wir die Begeisterung für diese Themen mit unserer Leidenschaft für die Berge. Bei der Suche nach Unterkünften in den Alpen mussten wir immer wieder feststellen, dass es nicht einfach ist, Häuser zu finden, die moderne oder zeitlose Architektur, interessanten Umgang mit Materialien und an spruchsvollen gastronomischen Service verbinden – und zudem von einer gewissen Persönlichkeit und Einmaligkeit geprägt sind. Doch während unserer zahlreichen Aufenthalte in den Alpen in den letzten Jahren konnten wir eine ganze Reihe genau solcher Hotels, Ferienhäuser oder Refugien besuchen. Die Arten, wie wir diese entdeckt haben, sind vielfältig: der zufällige Fund online, ein Bericht in einer Fachzeitschrift, ein Tipp von Freunden oder – immer wieder spannend – ein Hotelier, der seine Inspirationsquellen, Vorbilder oder guten Beispiele mit uns teilte.
Die hier präsentierte Auswahl zeigt die Unterkünfte, die uns in den letzten Jahren am meisten beeindruckt haben. Die Beschreibung der Projekte widmet sich nur ganz am Rand den sonst üblichen Bewertungskriterien wie Sterne, Kochlöffel etc. Vielmehr haben wir ein besonderes Augenmerk auf die Aspekte gelegt, die uns wichtig sind – Architektur, Innenarchitektur und Materialwahl sowie Geist, Seele und Geschichte der Gebäude und ihrer Betreiber. Wir haben alle vorgestellten Häuser selbst besucht und uns die Gestaltungskonzepte wenn möglich von den Inhabern persönlich erläutern lassen, manchmal waren auch die Architekten mit dabei. Auf diese Weise haben wir viele interessante und oft mutige Geschichten zu hören be kommen. Ziel der Projektauswahl war es, die große Bandbreite aufzuzeigen – vom Neubau über die Kombination von Alt und Neu bis hin zu gelungenen und sensiblen Sanierungen der oft seit mehreren Generationen bewirtschafteten Gebäude.
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Der Großteil der präsentierten Hotels und Ferienhäuser liegt im Alpenvorland, in Vorarlberg, den Dolomiten und in Tirol. Aufgrund der Dichte der dortigen Objekte ist die Region Südtirol besonders stark vertreten. Im Vergleich zur Größe der Alpen und ihren vielen weiteren Regionen, in denen sich ebenfalls ein hochwertiger eigener Baustil etabliert hat, scheint dies eine kleine Auswahl. Sie rührt zum einen daher, dass sich in eben diesen Gebieten eine große Anzahl besonderer Projekte findet, hat aber vor allem ganz persönliche Gründe, da es uns immer wieder in diese Regionen zieht. Die Schweiz ist nur spärlich vertreten, was sich für uns vor allem durch den starken Franken begründet, der den Urlaub in der Schweiz teuer macht. Manche Schweizer Regionen verzeichnen unter anderem deshalb einen Rückgang an Übernachtungsgäste, daher blieben die Investitionen in neue Häuser und die Sanierung alter Hotels dort in letzter Zeit eher gering.
Considering the design of spaces and working with materials is a central part of our daily work as interior designers and material consultants. In our spare time we combine our enthusiasm for these subjects with our love for the mountains. Looking for places to stay in the Alps, we often found it hard to discover places with modern or timeless architecture, interesting use of materials and discerning gastronomic services, in conjunction with special character and uniqueness. In the past few years however, we were able to visit a whole series of just such hotels, holiday houses or refuges during our numerous stays in the Alps. We found these in all sorts of ways such as accidentally online, through reports in specialist magazines, a tip from friends or – always great – a hotelier willing to tell us what he or she personally considered to be a source of inspiration, a model facility or good examples of these.
The selection presents the places that impressed us most in recent years. Typical assessment criteria such as stars and other ratings only played a marginal role. Instead, we focussed on aspects that are important to us: architecture, interior design and material selection, as well as the spirit, soul and history of the buildings and the people running them. We have been to all the presented places ourselves and whenever possible, talked to the owners (and sometimes even the architects) about the design concepts. The stories we heard were very interesting and often daring accounts of projects. Our choice aims to illustrate the huge scope of places, which includes new constructions, combinations of new and old, and successful sensitive refurbishments of buildings often run over several generations.
The majority of the presented hotels and holiday houses are located in the foothills of the Alps, the Vorarlberg region, the Dolomites and Tyrol. An emphasis is on the South Tyrolean area because of the high density of objects there. This may seem like a small selection taking into account the size of the Alps and its many other regions with examples of high-quality individual construction styles. One of the reasons for this is the fact that so many special projects can be found in the areas considered in
Regionalität und Materialität
In den letzten Jahren ist in vielen Regionen der Alpen ein eigener, neuer Baustil entstanden, der kultiviert und weiterentwickelt wird. Tradition und Moderne werden dabei häufig gekonnt kombiniert und stehen im Dialog zueinander. Die hier vorgestellten Projekte eint, dass sie sich harmonisch in das jeweilige Landschaftsbild und die gewachsenen Strukturen einfügen. Fast durchweg handelt es sich dabei um eher kleinere Häuser. Eine Besonderheit ist sicher die österreichische Region Vorarlberg, hier ist eine unglaubliche Dichte an guter Architektur entstanden. Gespräche mit den dortigen Hoteliers machten einen Grund dafür deutlich: Es wird nach regionalen Kriterien gebaut, mit Handwerksbetrieben, die auf hohem gestalte rischem und technischem Niveau arbeiten, und mit einer Gruppe von Architekten, die die Baukultur vor Ort positiv beeinflussen und vorantreiben. Dies gilt häufig auch für die Projekte in den anderen vorgestellten Regionen. Viele der dort verwendeten Baumaterialien haben eine lange Tradition und werden seit Jahrhunderten eingesetzt. Das zugehörige Handwerk zur Be- und Verarbeitung ist in diesen Gegenden immer noch vorhanden. Dabei werden traditionelle Werkstoffe wie Holz, robuste Textilien, Keramik und Putz mit modernen Materialien wie Stahl, Sichtbeton und großen Glasflächen kombiniert (Pfisterhaus, S. 88; Hotel Weisses Kreuz, S. 128). Es entsteht eine Spannung zwischen alt und neu, traditionell und modern, einfach und komplex. Schon aus Gründen des Werterhalts investieren viele Familienbetriebe in gutes Material, soll doch die nächste Generation möglichst ohne Probleme in die Fußstapfen der Eltern treten können. Ein deutlicher Schwerpunkt der Zusammenstellung liegt auf Holzbauten – was nicht verwundert, ist Holz doch ein regional häufig vorkommender Baustoff. Wer schon einmal den angenehmen Duft einer gemütlichen Zirbenstube genossen und die teils aufwendigen Details bewundert hat, der versteht wahrscheinlich, warum Holz bei den ausgewählten Hotels oft eine große Rolle spielt. Dabei kommen unterschiedliche Arten zum Einsatz, die für den jeweiligen Bauzweck optimal geeignet sind, oft werden auch alte Bretter oder Stämme erneut verwendet (Lagació Hotel Mountain Residence, S. 56; Wiesergut, S. 62). Ein Drechslermeister im Sarntal mit eigener Werkstatt hat uns stolz von seinem neu erworbenen eigenen kleinen Sägewerk erzählt. Er hat jetzt die Möglichkeit, das benötigte Holz selbst aufzuschneiden – und das im richtigen Moment. Mit breitem Schmunzeln meinte er, dass er »von dem esoterischen Zeug« nicht so viel halte oder verstehe. Aber die Praxis beim Drechseln seiner kunstvollen Gefäße – in denen im Hotel Bad Schörgau (S. 160) der legendäre Kaiserschmarrn serviert wird – habe ihm gezeigt, dass es sehr wohl einen Unterschied mache, wann ein Baum gefällt würde und dass der Mond dabei eine wichtige Rolle spiele. Die besondere Ausstrahlung der Alpenhölzer in diesen Fällen können wir nur bestä tigen. Und dass Holz dem Anspruch an Nachhaltigkeit und baubiologisch unbedenkliches Bauen gerecht wird, entspricht der Haltung vieler Hoteliers und Gastronomen im Alpenraum. Auch die sonstigen verwendeten Materialien sind bewusst ausgewählt: Naturstein, dessen Oberfläche zuvor einige Praxistests bestehen mussten, vom Rotwein über Lippenstift bis hin zu Putzmitteln (Hotel Gasthof Krone, S. 166); Lehmputz als klimatisch aktive Flächen im Hotel Hinteregger (S. 140); regionaltypische und vor Ort gefertigte Stoffe aus Leinen, Loden oder Baumwolle, die gekonnt und großflächig eingesetzt in den Hoch Leger Chalets (S. 112) für eine gemütliche Atmosphäre sorgen.
Die Auswahl dieser Alpenorte zeigt unseren persönlichen, besonderen Einblick. Es ist die Kombination von gewaltiger Natur mit guter Architektur und Innenräumen mit viel Charme, die uns immer wieder in die Alpen und die vielfältigen Unterkunftsmöglichkeiten dort zieht – und es gibt noch viele weitere zu entdecken!
this publication. The main reason however is of a personal nature: we have continued to be drawn to this region over the years. The meagre representation of Switzerland is primarily attributable to the strong Swiss franc, making holidays in Switzerland an expensive affair. Some Swiss regions even report a decline in overnight stays for this reason, resulting in rather less investment in new accommodation and renovation of older hotels in recent times.
Regionality and materiality
A new individual construction style has emerged in many regions of the Alps over the past years. Tradition and modernity are often skilfully combined and set in dialogue with each other. All the presented projects share the characteristic of harmonious integration in the particular landscape and existing structures. Most of the establishments included are relatively small. The Austrian Vorarlberg region is very special in this respect, accounting for its multiple representation in the book. One reason for the incredible density of good architecture that has developed there became obvious while talking to local hoteliers: building takes into account regional criteria, makes use of high quality craftsmanship and involves a group of architects influencing and advancing the local building culture positively. This often also applies to projects in the other presented regions. Many of the traditional construction materials implemented have been used for centuries. The skills required for processing and finishing the materials are still available in these regions. Traditional materials such as wood, raw steel, robust textiles, ceramics, plastering and paint are sometimes combined with fair-faced concrete and large glass surfaces (Pfisterhaus, p. 88; Hotel Weisses Kreuz, p. 128). A tension is created between old and new, traditional and modern, or simple and complicated. For the sake of value retention, many hotelier families also invest in good materials to facilitate a smooth transition to the next generation. There is an unmistakeable emphasis on wooden constructions – which is hardly surprising since wood is a common regional building material. Having experienced the fragrance of a cosy Swiss pine room and admired the frequently elaborate details, it’s not difficult to understand why wood often plays such an important role in the selected hotels. Different types of wood are used to suit the particular purpose and old boards or tree trunks are often used again (Lagació Hotel Mountain Residence, p. 56; Wiesergut, p. 62). A master wood turner with his own workshop in the Sarntal valley proudly told us about his small newly acquired sawmill, which allowed him to cut the wood he needed himself and at the right time. With a broad grin on his face he said that he didn’t really think much of all this “esoteric stuff”. Yet in the course of turning his ornate vessels – in which a legendary sweet dish called “Kaiserschmarrn” is served in Hotel Bad Schörgau (p. 160) – he has found that it does indeed make a difference when a tree is cut and that the moon also plays an important role in this. We can only confirm the special charisma of alpine wood. The fact that wood also meets the requirements of sustainability and positive building biology – a field of building science investigating the indoor living environment for irritants such as building materials and processes, electromagnetic fields, radiation and indoor air quality – corresponds to the attitude of many active in the hotel and gastronomy business in the alpine region. The other materials used are also selected very carefully: natural stone, tested with regard to resistance to red wine, lipstick or cleaning agents (Hotel Gasthof Krone, p. 166); loam rendering as a climate-regulating surface in Hotel Hinteregger (p. 140); typical regional and locally produced linen, loden or cotton fabrics used generously and effectively in the HochLeger Chalets (p. 112) to create a comfortable and cosy atmosphere.
The selection of Alpine retreats offers our own personal insight. It is the magnificence of the mountains in combination with great architecture and charming interior spaces that keeps drawing us back to the Alps and the great variety of places to stay there – and there’s still so many more to be discovered!
Hannes Bäuerle, Claudia Miller September 2014