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Als Pfeiler der Demokratie kritisch bleiben
Das Bedürfnis nach Informationen ist weltweit gerade in der Corona-Krise sehr groß. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt bereits von einer „Infodemie“. Zugleich nimmt der Druck auf die vielerorts ohnehin fragile Pressefreiheit zu.
Text Ivana Drmic
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Das repressive Klima gegenüber Medienschaffenden hat in China seit Beginn der Epidemie massiv zugenommen. Mehrere Journalisten und Blogger verschwanden, nachdem sie über das Coronavirus berichtet hatten. Sie hatten Videos und Fotos über dramatische Zustände in örtlichen Krankenhäusern verbreitet.
Der Menschenrechtsanwalt und VideoBlogger Chen Qiushi verschwand, nachdem er von überfüllten Krankenhäusern berichtet hatte. Seine Social-Media-Accounts wurden gelöscht. Der Journalist Li Zehua kündigte seinen Job beim Staatsfernsehen, um unabhängig aus der Stadt Wuhan zu berichten. Via Livestream sendete er Bilder aus einem Krematorium und dokumentierte das Schicksal von Wanderarbeitern, die in einer Tiefgarage campieren mussten. Li hat seinen journalistischen Auftrag dort erfüllt, wo die chinesischen Staatsmedien ihn verweigert haben. In seinem letzten Video, das er über Soziale Medien gepostet hatte, filmt er sich selbst am Steuer seines Autos in Wuhan: „Ein Auto der Staatssicherheit verfolgt mich, ich bin in Wuhan.“ Li Zehua schafft es noch in seine Wohnung. Dann verliert sich seine Spur.
Der nigrische Journalist Kaka Touda Mamane Goni wurde, nachdem er auf Facebook und Twitter über COVID-19 berichtet hatte, von den Behörden in Niamey festgenommen. Seine Darstellung über einen mutmaßlichen COVID-19-Fall im Krankenhaus sei, so die Staatsanwaltschaft, eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung.
In Iran – auf Platz 170 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG) – gehen die Behörden verschärft gegen jede Corona-Berichterstattung vor. Obwohl das Land vom Virus sehr stark betroffen ist, wird die Bevölkerung nicht ausreichend aufgeklärt. Journalisten und Bürger, die offizielle Zahlen und das Krisenmanagement der Regierung infrage stellen, werden verhört und festgenommen. Beispielsweise wurden der Chefredakteur des Nachrichtenportals „Entekhab“ Mostafa Faghihi sowie der Dokumentarfilmer Hussein Dehbaschi verhört, auch ein Krankenpfleger in Kom, der auf Instagram offizielle Todeszahlen hinterfragte und auf fehlende Ausrüstung in einem Krankenhaus hinwies.
Die Berichte über Journalistinnen und Journalisten, die eingeschüchtert oder angegriffen werden, um kritische Informationen zurückzuhalten, mehren sich. ROG zeigt sich alarmiert, da es nahezu weltweit Einschränkungen in der Berichterstattung gebe.
Die Menschen sind verunsichert und spüren die Bedrohung, daher nimmt der Informationshunger in der Krise eher zu. Autoritäre Staaten hingegen wollen den Eindruck vermitteln, alles im Griff zu haben. Berichte über Missstände in Hospitälern passen da nicht ins Bild.
Anti-westlicher Grundton
Auch viele Falschinformationen sind im Umlauf. So kursiert in Russland die Theorie, das Virus sei in Lettland erfunden oder in einem britischen Militärlabor entwickelt worden. Beobachter der EU-Kommission registrieren, dass vor allem Kreml-nahe Plattformen unwahre und verzerrte Information verbreiten. Alle Aussagen haben einen gemeinsamen Grundton – eine anti-westliche Haltung.
Verschwörungstheorien und Falschmeldungen – von abstrus bis gefährlich – gibt es insbesondere in den Sozialen Medien. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat aus diesem Grund eine Seite eingerichtet, die mit Gerüchten über angebliche Heilmittel und Verbreitungswege aufräumen soll. Auch die EU kündigt Initiativen an, um gegen Gerüchte im Netz anzukämpfen. Die Bundesregierung will angesichts der Pandemie Soziale Medien regulieren und Online-Plattformen stärker in die Verantwortung nehmen. Doch was bedeuten diese Maßnahmen für die Arbeit von Journalisten?
Mehr denn je sind sie gefragt, verlässliche Informationen zu liefern. Als wichtiger Pfeiler der Demokratie Aussagen aus Politik und Wissenschaft kritisch zu hinterfragen und einzuordnen. Auf reale Gefahren und die Entwicklung der Fakten wahrheitsgetreu hinzuweisen. Und zugleich – im Sinne des Konstruktiven Journalismus – Mut machende Geschichten zu erzählen.