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Der Wurm muss dem Fisch schmecken
Alina Fichter leitet seit einigen Wochen die digitale Format- und Produktentwicklung in der Programmdirektion der DW. Die Aufgabe: nutzerzentriert und dateninformiert gemeinsam mit Redaktionen neue Formate entwickeln.
Der Antrieb
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Zwei Fragen treiben mich an – erstens: Was können wir als Medienschaffende tun, um Zielgruppen zu begeistern, die sich für konventionelle Verbreitungswege und Erzählweisen nicht erwärmen lassen? Was konventionell ist, unterliegt dabei einem rasend schnellen Wandel. Bei der DW kommt hinzu, dass das nicht nur eine Frage der Generation, sondern auch der Geografie ist. Zweitens: Wie können wir ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Zielgruppen entwickeln? Eine der besten Antworten auf diese Fragen ist die nutzerzentrierte Formatentwicklung, unter anderem mithilfe von Methoden des Human Centered Design (Design Thinking, Lean Start Up, Jobs to Be Done und anderes mehr).
Der Hintergrund
Wir haben als Menschen die Tendenz, gedanklich sofort zu Lösungen zu springen. Einstein sagte, wenn er ein Problem in einer Stunde lösen wolle, beschäftige er sich 55 Minuten damit, zu verstehen, was das Problem sei – und fünf Minuten mit der Lösung. Für die Formatentwicklung heißt das, die Kernbedürfnisse einer Zielgruppe zu verstehen und radikal und von Anfang an in den Prozess mit einzubeziehen. Das ist die perfekte Basis, um gemeinsam mit den Redaktionen Ideen zu entwickeln. Wir sind als Journalisten häufig gut im „Build it right“, wenn es um neue Formate geht, könnten aber besser sein im „Build the right it“.
Ein Beispiel
Was mit „Build the right it“ gemeint sein kann? Die Computermaus. Früher musste man einen Programmiercode eingeben, um etwas anzuklicken. David Kelley dachte: Das muss auch einfacher gehen. Wäre der Produktdesigner gedanklich gleich zu einer Lösung gesprungen, hätte er wahrscheinlich einen einfacheren Programmiercode entwickelt. Stattdessen schuf er die Maus. David Kelley hat viele Dinge erfunden. Seine bekannteste Erfindung ist das Design Thinking.
Ein Prozess
Die direkte Auseinandersetzung mit den Nutzenden, die bei der DW ja schon erfolgt, ist jedes Mal wahnsinnig lehrreich, oft überraschend, manchmal frustrierend. Und das ist gut so! Denn wenn die eigene, vermeintlich geniale Formatidee bei frühen Tests an den tatsächlichen Gewohnheiten der Zielgruppe zerschellt, ist das kostensparend. Dann ist man früh „gescheitert“ – und lernt daraus. Damit ein Prototyp entsteht, den die wichtigsten aller Stakeholder genial finden: die Menschen, die unsere Angebote nutzen.
Das Selbstverständnis
Ich sehe mich als Dienstleisterin der Redaktionen. Am besten kann ich helfen, wenn noch gar nichts feststeht – außer, dass ein neues Format entstehen soll.
Auf Twitter begleitet @fichtalina internationale Entwicklungen in Journalismus und Medien.