zeit
welt Das Magazin der Deutschen Welle 01— Januar 2009
20 Jahre nach Berlin
Ungelöste Mauerfälle
Foto: Martin Gerner
Attraktive Abopämie: Für jedes Abonnement* erhalten Sie kostenlos das Buch »Spiegelbilder« vom Literaturnobelpreisträger Nagib Machfus im Wert von 29,80 Euro. solange Vorrat reicht Deutscher Levante Verlag GmbH Linienstraße 106, 10115 Berlin Fax: 030 · 39 835 188 5 bezug@zenithonline.de *Vier Ausgaben/Jahr für 25,00 Euro, 35,00 Euro/Ausland
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zenith Zeitschrift für den Orient
vorspann
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser, 2009 ist ein Jubiläumsjahr. Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer. Ein Anlass des Erinnerns, des Gedenkens, auch der Freude über die Wiedervereinigung des Landes. Nicht nur in Berlin und in ganz Deutschland blicken wir auf die Ereignisse von 1989 zurück. Zwei Jahrzehnte nach dem Anfang vom Ende des Ost-West-Konflikts, nach der Überwindung der deutschen, der europäischen Teilung nimmt auch das internationale Interesse an unserem Land noch einmal zu. Eine Herausforderung für die Deutsche Welle. Sie wird ihren Zuschauern, Hörern und Internetnutzern ein umfassendes multimediales Themenpaket anbieten. Zugleich ruft der deutsche Auslandssender sein Publikum weltweit auf, uns eigene Erinnerungen an diese Zeit des tiefgreifenden – friedlichen – Wandels zu übermitteln. Ausdruck dafür, dass wir im Dialog mit der Welt stehen. In dieser weltzeit blicken wir insbesondere auf noch bestehende Mauern – etwa nach Korea
und auf die Insel Zypern. Auch auf Trennlinien jüngeren Datums: auf die Sperranlagen im Westjordanland etwa. Und nach Nordafrika. In den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla hat Europa Zäune gegen unerwünschte Einwanderung aus Afrika errichtet. Und noch immer gibt es virtuelle Mauern gegen Meinungs- und Medienfreiheit – auch dies ein Menschenrecht. Mauern im Multimedia-Zeitalter, in dem Zeit und Raum für Kommunikation keine Rolle mehr zu spielen scheinen. The BOBs, der Weblog-Award der Deutschen Welle, ist ein Beispiel, wie der deutsche Auslandssender Stimmen, die bei ihren Regierungen unliebsam sind, den Rücken stärkt. Der Hauptpreis der jüngsten Auflage geht nach Kuba, weitere Preise an Blogger in China und im Iran. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und vor allem ein erfolgreiches Jahr 2009 – im Geiste der Freiheit. Ihr Erik Bettermann
In dieser Ausgabe 04–05
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titel » Die Mauern dieser Welt: Stetes Klopfen höhlt den Stein » The BOBs: Preis für Mauerspechte aus Kuba, Iran und China » Deutschlandbilder: Und vergesst mir die Mauer nicht! » Studiodiskussion: „Zum Zusammenwachsen verdammt“
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neue medien » China: Wissen via IPTV
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schlaglichter
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vor ort » Arktis: Und das Eis schmilzt dahin
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partner » Afghanistan: Hoffnung via ARIANA
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vor ort » Kamerun: Abkehr vom Holzweg
» Finanzkrise: Hochkonjunktur für Wirtschaftsredaktionen
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zoom » Vorgestellt: Alexander Andreev
Impressum Deutsche Welle Unternehmenskommunikation 53110 Bonn T. 0228.429.2041 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de www.dw-world.de/presse Verantwortlich: Dr. Johannes Hoffmann Redaktion: Berthold Stevens Steffen Heinze Gestaltung: Alexandra Schottka Marco Siebertz Druck: Brandt GmbH · Bonn Fotos: AP (Titel) · DW/C. Fork (S. 3) · M. Müller (S. 4, 19, 27, 30) · DW/M. Altmann (S. 5) · R. Kobert/ fabrik1design (S. 6) · picturealliance/dpa (S. 9, 10, 11, 15, 18, 19, 22) · M. Siebertz (S. 12, 14) · DW/G. Nielsen (S. 13) · DW/A. Biesenbach (S. 15) · Antonio Calado de Maia (S. 16) · F. Liesegang (S. 17, 20) · DW-Archiv (S. 19, 21, 26) · DW/M. Ebner (S. 19) · DW/R. Braum (S. 21) · I. Quaile (S. 24, 25) · D. Scheschkewitz (S. 27) · C. Debrabandère (S. 28, 29) Anzeigen T. 0228.429.2043 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de Werbung im Programm T. 0228.429.3507 F. 0228.429.2766 werbung@dw-world.de
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Women-Power für das Management Berlin/Bonn – Auf die jeweiligen Sender zugeschnittene Managementkonzepte entwickeln – darum ging es für zehn Frauen aus fünf arabischen Ländern im Kurs „Leadership for Women“. Das Fortbildungsangebot der DW-AKADEMIE sollte die Frauen zugleich in ihren Führungsqualitäten stärken. 01
01-02 „Es war das beste Seminar, das ich bisher besucht habe“: Ghufra Hadi, Jamil Bushra (beide Irak) und Jaman Quneis (Palästina)
Sie kamen aus Ländern, die täglich in den Schlagzeilen der westlichen Medien stehen: aus dem Libanon, aus Palästina, Syrien, Irak und Sudan. In ihren Heimatsendern gehören sie zum oberen Management. Schwerpunkt des Trainings: Organisationsformen und Vertriebsstrategien entwickeln, die Frauen benötigen, um als Managerinnen erfolgreich zu arbeiten. Dahinter steht – wie immer bei Maßnahmen der DW-AKADEMIE – auch das Ziel, Anstöße zu liefern, den Rundfunk in den Herkunftsländern der Teilnehmer langfris-
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tig zu reformieren und mehr Medienfreiheit zu ermöglichen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Seminars war der kulturelle Erfahrungsaustausch, der durch die Einbindung in das Netzwerk der DW-AKADEMIE über den Workshop hinaus fortgeführt wird. Zudem soll in einem weiterführenden Seminar das Erarbeitete an konkreten Beispielen vertieft werden. „Es war“, resümierte eine irakische Teilnehmerin, „das beste Seminar, das ich bisher besucht habe.“ —— www.dw-akademie.de
Eine Million Zuschauer bei Jugend-Talk Berlin/Kairo – Die Deutsche Welle hat ihr TV-Angebot für die arabischen Länder, einem der wichtigsten Medienmärkte der Welt, nochmals ausgeweitet. Auf großes Interesse stoßen vor allem die gemeinsamen Talkformate mit Partnern im Sendegebiet. Seit November 2008 sendet DW-TV täglich zwölf Stunden Arabisches Programm, bisher waren es acht Stunden. Zeitgleich hat das deutsche Auslandsfernsehen inhaltlich sein Angebot stärker regionalisiert und an unterschiedliche Bedürfnisse in Ländern wie Sudan oder Irak angepasst. Das 24-Stunden-Programm – im stündlichen Wechsel auf Arabisch bzw. Englisch – ist in über 20 Ländern von Marokko bis Saudi-Arabien und Irak über Satellit zu empfangen. Zusätzlich ist es als Live-Stream im Internet verfügbar. Darüber hinaus setzt DW-TV auf Kooperationen
mit regionalen Partnern, um das junge arabische Publikum zu erreichen. Mit Erfolg: Die monatliche Talkshow „Jugend ohne Grenzen“, die seit Mai 2008 gemeinsam mit dem ägyptischen Sender ERTU produziert wird, erreicht nach einer Studie von Eurodata-TV bis zu 1,1 Millionen Zuschauer in Ägypten – ein Marktanteil von 12,5 Prozent. In der Talkshow, die im Wechsel in Berlin und Kairo aufgezeichnet wird, diskutieren junge Deutsche und Ägypter über aktuelle Jugendthemen. Viel Beachtung fand das Talkformat von DW-TV und ERTU auch auf dem Kairoer Mediafestival Mitte November. ——
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03 Moderatoren der englischen Ausgabe des Journals von DW-TV: Brend Goff und Meggin Leigh
Bedeutender Faktor in den Außenbeziehungen Berlin – Die Deutsche Welle werde sich weltweit als „multimediale Stimme der Menschenrechte“ positionieren. Das kündigte Intendant Erik Bettermann Anfang Dezember vor Journalisten in Berlin an. Der Rundfunkrat hatte zuvor den Zielen der Aufgabenplanung für die Jahre 2010 bis 2013 zugestimmt. Wichtigste Aufgabe der Deutschen Welle sei es, „in einem Dialog kollidierender Stimmen die internationale Medienpräsenz Deutschlands sicherzustellen“, sagte der Intendant. Der Sender vermittle Werte und Perspektiven, für die Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation stehe – vor allem Menschenrechte, Freiheit und demokratische Entwicklung. Die DW unterstütze außerdem Ziele der Entwicklungszusammenarbeit. Sie sei damit „ein bedeutender Faktor in den deutschen Außenbeziehungen“. In den kommenden Jahren werde die DW wichtigstes elektronisches Medium zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur sein. „Wir brauchen eine politische Willenserklärung, dass Deutschlands mediale Visitenkarte in der Welt dauerhaft gestärkt wird. Dazu gehört auch, dass die Deutsche Welle im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem Deutschlands noch stärker verankert wird“, so Bettermann. Ziel für die kommenden Jahre sei es, die mediale und politische Bedeutung der Deutschen Welle weiter auszubauen: durch die Stärkung der Fremdsprachenprogramme, die Ausrichtung auf neue Zielgruppen, die inhaltliche Regionalisierung und den Ausbau von Angeboten. Dieser Ausbau sei mit
Blick auf die politische Lage vor allem in Russland, Nord- und Südamerika und der arabischen Welt, einschließlich Iran, erforderlich. Die DW wende sich dabei insbesondere an Menschen, die sich für unterschiedliche Sichtweisen interessieren, Medien intensiv nutzen und durch ihre gesellschaftliche Stellung einen hohen Einfluss auf die öffentliche Meinung ihres Landes haben. Konkret sieht die Aufgabenplanung beispielsweise eine Ausweitung des englischsprachigen Fernsehangebots für Asien und einen Ausbau von Kooperationen und Koproduktionen mit Partnern vor. Inhalte für Hörfunk und Internet würden, so der Intendant, künftig in multimedialen Redaktionen erstellt. Für viele Weltregionen stehe ein deutlicher Ausbau der Internet- und Mobilangebote an. Schließlich werde die DW-AKADEMIE „zum führenden internationalen Anbieter von Trainings- und Beratungsmaßnahmen für elektronische Medien in Entwicklungs- und Transformationsstaaten ausgebaut“. Ein Meilenstein sei der Start des bilingualen Masterstudiengangs „International Media Studies“ im Herbst 2009 in Bonn. ——
Der vollständige Entwurf der Aufgabenplanung unter: www.dw-world.de/aufgabenplanung
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titel Mauerspechte machten den Blick frei: von der Bernauer Straße auf den Fernsehturm im früheren Ost-Berlin
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Stetes Klopfen höhlt den Stein Auch 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer kennt die Welt Mauern, die Menschen von Menschen trennen: Zum Beispiel der martialisch gesicherte 38. Breitengrad zwischen Nord- und Südkorea. Jüngeren Datums ist die Sperranlage im Westjordanland. In Europa teilt Stacheldraht die Insel Zypern. Und Europa errichtet Mauern zur Abschottung gegen Zuwanderung aus Afrika. Eine Bestandsaufnahme ungelöster „Mauerfälle“ von Khalid El Kaoutit, Sybille GolteSchröder, Verica Spasovska und Ute Schaeffer. Dazu ein Blick auf neue, virtuelle Mauern gegen das Menschenrecht der Meinungs- und Pressefreiheit. Im Sommer 2002 begann Israel, eine Sperranlage zu bauen, die Israelis von Palästinensern trennt. Die Anlage umringt das gesamte Westjordanland: Zäune aus Stacheldraht, Mauern aus Beton, Wachtürme, Gräben, Tore. Sie verläuft auf militärischem Sperrgebiet, das streckenweise 70 Meter breit ist. Bis zu 700 Kilometer lang und acht Meter hoch soll die Anlage werden. Doppelt so hoch wie einst die Berliner Mauer. Aber natürlich kann es keinen historischen Vergleich geben. Heute sind weder der Bau der Sperranlage, noch der Streit um die Mauer zu Ende.
Antiterrormauer – „Mauer der Apartheid“ Die Maßnahme solle palästinensischen Selbstmordattentätern den Zugang unmöglich machen. Durch die Mauer wolle man aber keine neuen Grenzen festlegen. Sie sei eine reine Sicherheits- und Selbstschutzmaßnahme. So lautet die offizielle Lesart der israelischen
Regierung, die darauf verweist, dass die Zahl der Attentate gegen die israelische Bevölkerung seit der Errichtung der „Antiterrormauer“ zurückgegangen sei. Zudem sei die Mauer keine israelische Erfindung: Auf ähnliche Weise schützten die USA ihre Grenze zu Mexiko, Europa schütze sich gegen illegale Einwanderer aus Afrika. Auch zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen bestehe ein Schutzzaun. Die Mauer um das Westjordanland läuft überwiegend auf palästinensischem Boden. Israel erkennt zwar die Grüne Linie – also die Grenzen von 1949 – an, hält aber eine darüber hinausgehende Sicherheitslinie für strategisch sinnvoll. Die Mauer soll zugleich die israelischen Siedlungen im Westjordanland schützen. So schlängelt sie sich durch palästinensisches Gebiet und trennt nicht nur die Palästinenser von den Israelis, sondern auch palästinensische Ortschaften voneinander. Besonders betroffen sei die Stadt Qalqiliya, sagen palästinensische Quellen. Die
»Doppelt so hoch wie einst die Berliner Mauer.«
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»Der Irre mit der Bombe hat keine Freunde im Westen.«
hier betriebene Landwirtschaft decke über 40 Prozent des Lebensmittelbedarfs im Westjordanland. Durch die Mauer seien Wasserquellen und landwirtschaftlich nutzbares Land konfisziert oder unzugänglich, die Lieferung von Dünger und Lebensmitteln faktisch unmöglich gemacht worden. Während für die israelischen Siedler keine Einschränkungen bestünden, könnten sich Palästinenser – die die Sperranlagen als „Mauer der Apartheid“ empfinden – im Grenzgebiet nicht frei bewegen. Die Mauer sei völkerrechtswidrig, urteilte die UN-Vollversammlung 2004. Sie verlangte von Israel, deren Bau zu beenden und rückgängig zu machen. Israel lehnt dies bis heute ab und hält dagegen: Die UN-Vollversammlung missachte Israels Sicherheitsinteressen. Man wäre bereit, so Tel Aviv, die Gebiete zurückzugeben, wenn garantiert würde, dass keine Selbstmordattentate erfolgen. Bis dahin müssten Tausende Palästinenser in einem „Open-Air-Gef ängnis“ leben, klagen Menschenrechtler. Denn durch den Verlauf der Mauer sind manche Dörfer vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Die Grenzübergänge werden nur für wenige Stunden am Tag geöffnet. Auf die andere Seite darf nur
derjenige, der eine spezielle Erlaubnis hat. Die hat aber praktisch niemand.
Relikt des Kalten Krieges Szenenwechsel: Panzersperren, soweit das Auge reicht, dann breite Minenfelder und schließlich ein durchgehender Drahtzaun mit Wachtürmen alle 100 Meter: In der Stadt Panmunjon am 38. Breitengrad endete im Juli 1953 der Koreakrieg mit einem Waffenstillstandsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Demokratischen Volksrepublik Korea, dem heutigen Nordkorea. In Panmunjon wurde die bereits 1948 beschlossene Teilung Koreas in zwei unabhängige Staaten zementiert. Bis heute zerschneidet eine der am schärfsten gesicherten Grenzen der Welt die koreanische Halbinsel von Küste zu Küste in zwei Teile – eine der letzten Bastionen des Kalten Krieges. Einen Friedensvertrag gibt es nicht. Diesseits und jenseits des 38. Breitengrades sind zwei Systeme entstanden, wie sie unterschiedlicher kaum sein können: das durch und durch kapitalistische und wirtschaftlich erfolgreiche Südkorea und das hermetisch von der Welt abgeschlossene national-kommunistische Nordkorea mit seiner im Westen bizarr wirkenden Familiendiktatur der Kims. Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert bis zu ersten direkten Gesprächen zwischen beiden Staaten. Präsident Kim Dae Yung war der erste Südkoreaner, der den 38. Breitengrad überschritt. Kim erhielt dafür
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später den Friedensnobelpreis. Dennoch haben sich viele der hochfliegenden Erwartungen an diese Begegnung nicht erfüllt. Die Wiedervereinigung haben Politiker diesseits und jenseits auf ihre Fahnen geschrieben, die Frage, zu welchen Bedingungen, ist bis heute nicht beantwortet. Beim ersten Gipfeltreffen zwischen Nordund Südkorea vor sieben Jahren wurde nach Jahrzehnten eine Begegnung getrennter Familien ermöglicht. Bilder von weinenden, überglücklichen Menschen gingen um die Welt. Doch einer schnellen familiären Zusammenführung, einer Wiedervereinigung stehen gewichtige politische Gründe im Wege. Die gewaltigen Unterschiede im Wirtschaftssystem und im wirtschaftlichen Erfolg sind ein zentrales Hindernis. Es gibt viele Zahlen, die das deutlich machen: Ein Koreaner im Süden verdient im Durchschnitt zehnmal so viel wie ein Nordkoreaner. Noch in den Fünfzigerjahren war Südkorea von Landwirtschaft geprägt und bettelarm. Der Norden war der reiche, industrialisierte Teil der Halbinsel. Die Verhältnisse haben sich gründlich gewandelt. Die entscheidende Frage ist, welches Gesellschaftsmodell in einem vereinten Korea vorherrschen soll. Was wird aus dem nordkoreanischen Diktator Kim Yong Il, den ein großes deutsches Nachrichtenmagazin bereits als „den Irren mit der Bombe“ charakterisiert und der keine Freunde in der westlichen Welt hat. Seit Monaten ist er nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen. Lebt er noch? Wer übernimmt im Fall seines Ablebens das Steuer in Pyöngyang? Die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Schutzmächten China und USA schränkt die Bewegungsfreiheit beider koreanischer Staaten ein. Im asiatischen Machtgefüge vergleicht man die koreanische
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Halbinsel mit einer Garnele zwischen Walfischen. Peking hat auf der einen Seite kein Interesse daran, ein Japan und den USA nahestehendes System direkt an der eigenen Grenze zu haben. Das gilt auch unter umgekehrten Vorzeichen für Japan – und mittelbar für die Vereinigten Staaten. Fingerspitzengefühl ist gefragt, deutlich wird das bei den Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm. Seit Nordkorea im Februar 2008 die Bereitschaft signalisiert hat, seine Nuklearanlagen stillzulegen, ist Bewegung in die sogenannten Sechsergespräche gekommen. Die Ungewissheit über das Schicksal des nordkoreanischen Diktators Kim Yong Il erschwert die weitere Entwicklung. Eines scheint festzustehen: Bis am 38. Breitengrad die Grenzbefestigungen fallen, wird noch einige Zeit vergehen.
Stacheldraht durch EU-Land Und wie lange wird die Trennung auf der Insel Zypern noch andauern? Dort steht Europas letzte Mauer. Die Demarkationslinie zieht sich 180 Kilometer quer durch das Land, das seit 1974 in einen griechisch-zyprisch dominierten Süden und einen türkisch besetzten Norden geteilt ist. Sandsackbarrikaden und Stacheldraht markieren diese Mauer. Die Einwohner Zyperns können den jeweils anderen Teil der Insel lediglich über Checkpoints mit Ausweiskontrolle betreten. Bilder aus der Hauptstadt Nikosia, die Erinnerungen an Berlin wecken. Nun gibt es erstmals seit Jahrzehnten Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der geteilten Insel. Die Teilung Zyperns wurde vor 34 Jahren durch den Putsch der damaligen Athener Junta gegen Präsident Makarios ausgelöst, mit dem Ziel der Vereinigung der Insel mit Griechenland. Türkische Truppen besetzten
01 Durchgehend Stacheldraht: Patrouille am 38. Breitengrad, der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
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Ende der politischen Eiszeit
auf Zypern? – Der Gesprächsmarathon läuft seit Herbst 2008, am Ende sollen die Inselbewohner per Referendum entscheiden
darauf hin den Norden, um eine Vertreibung der Türken zu verhindern. Bis heute halten 42.000 türkische Soldaten rund ein Drittel der Insel besetzt. 1983 wurde die Republik Nordzypern ausgerufen. Mehr als 100.000 Siedler aus der Türkei ließen sich auf dem Gebiet nieder. Die Republik Zypern, seit 2004 EU-Mitglied, kontrolliert nur noch den Süden. Das Dilemma: Der Norden ist bis heute lediglich von der Türkei
Berlin 2009 – 20 Jahre Mauerfall 2009 ist das Gedenkjahr des Mauerfalls, in Berlin, in Deutschland und weltweit. Die Deutsche Welle schnürt für ihr weltweites Publikum ein umfangreiches multimediales Programmpaket – darin zum Beispiel eine Reportageserie auf DW-TV, ein umfangreiches Dossier und eine Flash-Chronik auf DW-WORLD.DE sowie eine Reihe über zensierte Künstler in der DDR auf DW-RADIO. Zuschauer, Hörer und Internetnutzer auf allen Kontinenten sind aufgerufen, Beiträge zum Thema Wiedervereinigung in die Redaktionen nach Bonn und Berlin zu senden. Die weltzeit wird in den Ausgaben 2009 den Schwerpunkt fortsetzen und unter anderem die Rolle des internationalen Rundfunks bei der Überwindung der deutsch-deutschen Teilung – und bei noch bestehenden
anerkannt; da Zypern völkerrechtlich aber eine Einheit ist, gehört auch der Norden der Insel zur Europäischen Union. EU-Recht wird dort jedoch nicht angewendet. So hält die Türkei faktisch Teile eines EU-Mitgliedslandes besetzt. Wie diese Teilung überwunden werden kann, hat bereits fünf Präsidenten der Republik Zypern beschäftigt, nicht weniger als 15 Initiativen der UNO wurden verworfen, die letzte 2004: Während die türkischen Zyprer dem Einigungsplan zustimmten, lehnten die Griechen ihn ab. Dennoch gibt es nun erstmals realistische Hoffnung, denn beide Volksgruppen werden nach Jahren der politischen Eiszeit jetzt von versöhnungsbereiten Politikern geführt. Präsident Christofias steht an der Spitze des griechisch-zyprischen Teils, Mehmet Talat führt den türkischen Norden. Beide haben ihre politischen Wurzeln in Parteien, die sich die Überwindung der Teilung auf die Fahnen geschrieben haben. Aber Stolpersteine gibt es zuhauf: Den Inselgriechen schwebt ein Bundesstaat vor, die türkischen Zyprer wollen einen lockeren Staatenbund. Strittig ist auch die Zukunft der im Norden stationierten türkischen Besatzungssoldaten und die künftige Rolle der Türkei. Talat will sie als Garantiemacht, wie es in der Verfassung von 1960 festgeschrieben ist. Die zyprischen Griechen fordern hingegen, dass die Sicherheit für Zypern allein im Rahmen der EU gewährleistet wird. Unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen startete im Herbst 2008 der Gesprächsmarathon, konkrete Fortschritte sind bislang nicht bekannt geworden. Beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. Die Suche nach einer für alle Beteiligten tragf ähigen Lösung dürfte weiterhin schwierig sein. Schließlich soll auch per Referendum in beiden Teilen der Insel über die Wiedervereinigung entschieden werden. Gut möglich, dass die Bürger dann ein deutliches Votum abgeben werden.
Konfrontationen – beleuchten. www.dw-world.de/20JahreMauerfall
Festung Europa
Berlin startet 2009 ein Themenjahr mit einer Fülle von Veranstaltungen – insbesondere: eine Open-Air-Aus-
Während sich die Menschen auf Zypern und mit ihnen die EU danach sehnen, dass sich nach 34 Jahren die Wunde der Teilung endlich schließt, hat Europa eine neue Mauer errichtet. Sie soll den Kontinent uneinnehmbar machen für zehn-
stellung zur Freiheitsbewegung in der DDR auf dem Alexanderplatz, Aktionen an wechselnden Schauplätzen unter dem Titel „Berlin – Stadt im Wandel“ und das „Fest der Freiheit“ vom 7. bis 9. November. www.mauerfall09.de
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Zehn Mal schon hat er sich auf
den Weg durch die Sahara gemacht: Serge Kouatchou aus Kamerun
tausende Afrikaner, die nach Barcelona, Paris oder Berlin wollen. Die Festung Europa ist auf afrikanischem Boden weithin sichtbar: zwei bis sechs Meter hohe Zäune – nachts mit Flutlicht grell erleuchtet, mit Bewegungsmeldern und Kameras ausgestattet. Ein dreifacher Zaun, zehn Kilometer lang, der Melilla in Richtung Land, in Richtung Afrika abschottet. Ceuta und Melilla, die spanischen Exklaven in Marokko, verschanzen sich, sollen nicht zum Einfallstor werden für Migranten aus Afrika. Die Guardia Civil patroulliert und sichert die Mauer nach Europa. Ihre Routen beginnen in Kamerun, Ghana oder Guinea – sie führen über halsbrecherische Wüstenpisten in Mali, Mauretanien und dem Niger. Und irgendwann werden sie die altersschwachen Lastwagen verlassen, manchmal erst nach Wochen, und vor den Toren Europas stehen. Wie viele Afrikaner sich in jedem Jahr aufmachen, um nach Europa zu gelangen, dazu gibt es keine Zahlen. Afrika sitzt auf gepackten Koffern. Die Schleuser nehmen das Einkommen, das eine Familie über vier Jahre erwirtschaftet. Nur, damit einer die Flucht nach Europa wagen kann. Bis zu 3500 Euro kostet die gef ährliche Reise durch die Wüste. Europa – das ist die Perspektive für Flüchtlinge wie Serge Kouatchou, der vor drei Jahren seinen Job in der kamerunischen Küstenstadt Douala aufgab, um nach Europa aufzubrechen. Zehn Mal schon hat er sich auf den Weg durch die Sahara gemacht, fünf Mal voller Hoffnung in Richtung Norden – und ebenso oft dann abgeschoben in Richtung Süden. Serge Kouatchou ist sich sicher, dass es einen Tunnel gibt, unter dem Zaun von Ceuta hindurch. Was Europa von Ceuta und Melilla wisse, sei nur ein Teil der Wahrheit. „Ihr habt keine Ahnung, wie viele Afrikaner in der Wüste sterben.“ Serge hatte sich 2002 – gemeinsam mit fünf Freunden – zur Flucht entschlossen. „Einer ist in Spanien, einer ist in Malis Hauptstadt Bamako, einer hat durch die Hitze seinen Verstand verloren, einer ist tot und ich bin von Arabern niedergestochen worden.“ Wie viele sich in jedem Jahr auf den Weg nach Ceuta oder nach Melilla machen, ist nicht bekannt. Die Gegend nördlich der Wüstenstadt Ceuta ist ohne jede Kontrolle, außerhalb der wenigen Dörfer keine Polizei, es
greift keine staatliche Ordnung. Wüstenland, in dem unzählige Banden die Flüchtlinge überfallen. Europa zieht die Stärksten an: junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren, sie haben studiert, sie haben Diplome. Doch sie sehen in Lagos oder Doaula, in Niamey oder Accra keine Perspektive. Die sehen sie in Europa – und wissen nicht, dass sie nicht nur der Grenzzaun in Melilla und Ceuta von einem Leben in Europa abhält, sondern dass Europa alles tun wird, sie erneut nach Afrika zu schicken.
Glaubwürdige Stimme Auch 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem folgenden Ende des Ost-West-Konflikts kennt die Welt weiterhin Mauern, die vor allem eines bewirken: Menschen von Menschen zu trennen. Um Teilung und Konfrontation zu überwinden, sind in erster Linie die Kontrahenten selbst gefordert – und die Vereinten Nationen. Ihren Anteil zur Auf klärung der Menschen tragen auch international agierende Medien bei. Die Deutsche Welle kann mit Blick auf die Überwindung der Teilung Deutschlands als glaubwürdige Stimme auftreten, wenn es um die noch ungelösten „Mauerfälle“ der Welt geht. ——
»Ihr habt keine Ahnung, wie viele Afrikaner in der Wüste sterben.«
Blogger – die virtuellen Mauerspechte
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Bonn/Berlin − Staatliche Mauern gegen unkontrollierte Meinungs- und Informationsfreiheit geraten zunehmend ins Wanken. Der Technik sei Dank − und der wachsenden Zahl an Bloggern auch in autoritär regierten Ländern. The BOBs, der internationale Weblog-Wettbewerb der Deutschen Welle, zeigt, dass dieser Boom nicht aufzuhalten ist. Ebenso wenig wie das Interesse an neuen Kommunikationsformen als Ergänzung zu klassischen Medien. Steffen Heinze über The BOBs 2008.
Fast wäre ihm die Ausreise gelungen, doch im letzten Moment machten ihm lokale chinesische Behörden einen Strich durch die Rechnung: Der Blogger Shuguang Zhou, 27, musste das Ticket verfallen lassen. Sein Platz in der internationalen Jury blieb leer. So waren es nur noch elf BlogExperten, die Ende November in Berlin über die Sieger des Wettbewerbs The BOBs 2008 entschieden. Zum fünften Mal ermittelte die Deutsche Welle die weltweit besten Blogs in elf Sprachen, darunter Arabisch, Farsi und Russisch. Dazu hatte sie Jury-Mitglieder aus aller Welt eingeladen, darüber fachkundig zu entscheiden.
Ehrung für „Generación Y“ aus Kuba
Immerhin: Shuguang Zhou gelang es, sich aus dem fernen Osten über einen Internet-Provider zu beteiligen und sein Votum abzugeben. Weblogs tauchten erstmals Mitte der 1990er Jahre auf, führten aber in Deutschland als Online-Tagebücher zunächst ein bescheidenes Dasein. Wer meinte, anderen Internetnutzern etwas über sein Leben mitteilen zu müssen, ließ hier seinen Gedanken freien Lauf. Parallel zum BlogBoom zu Beginn des neuen Jahrtausends etablierten sich vor allem in den USA einige Blogs als angesehene Medien. Beispiel Joshua Marshall: Der investigative Journalist machte einen innenpolitischen Justizskandal publik. Kaum hatte er dafür einen renommierten Preis erhalten, griffen auch traditionelle Medien das Thema auf und setzten der US-Justiz zu.
Berlin – Das Weblog „Generación Y“ der kubanischen Bloggerin Yoani Sánchez ist beim Weblog-Award The BOBs 2008 der Deutschen Welle als Sieger hervorgegangen. In ihrem Blog berichtet die weltweit
Bloggen für mehr Medienfreiheit
bekannte, auf Kuba lebende Sanchez über den Alltag der jungen Generation auf der Karibikinsel. Die
Inzwischen haben auch Medienforscher die weltweite Blogosphäre entdeckt und widmen sich der dynamischen Szene. Sie suchen die Stecknadel im Heuhaufen: Denn die meisten der heute auf über 120 Millionen geschätzten Blogs dienen der privaten Kommunikation. Einige versuchen sich als seriöse Berichterstatter − und zeichnen sich durch klare Standpunkte und meinungsfreudige Beiträge aus. Profi-Blogger wie Stephan Niggemeier oder Don Alphonso haben sich längst einen Namen gemacht und auch unter Journalisten Ansehen erworben. Schöne neue Blogger-Welt? Weit gefehlt: Wie Shuguang Zhou bekommen viele Anhänger in anderen Ländern die Grenzen der scheinbar virtuellen Welt schnell zu spüren. Dort, wo die Medien- und Informationsfreiheit unerwünscht ist und zum Opfer staatlicher Organe wird.
Jury hob „ihren poetischen Stil und ihre klare Ausdrucksform“ sowie die „hohe Symbolkraft für die gesamte Blogosphäre“ hervor (siehe Interview Seite 14). Mit dem „Reporter-ohne-Grenzen-Preis“ im Rahmen des Wettbewerbs wurden zwei Weblogs ausgezeichnet: das persischsprachige Blog „4equality“ und das Weblog der Chinesin Zeng Jinyan. „4equality“ ist auf Initiative von 50 Frauen und Männern entstanden, deren Ziel es ist, eine Million Unterschriften gegen frauenfeindliche Gesetze im Iran zu sammeln. Zeng Jinyan beschäftigt sich mit dem Leben unter der ständigen Beobachtung durch chinesische Behörden. Bestes deutschsprachiges Weblog ist „Mädchenmannschaft“, das sich der Feminismusdebatte in Deutschland widmet. In der Kategorie „Bestes Videoblog“ ging der Preis an „Voices of Africa“. Das Internetportal AfricaNews.com hat seit 2007 in mehreren afrikanischen Ländern sogenannte Bürgerjournalisten mit hochwertigen Smartphones ausgestattet, damit diese persönliche Impressionen, aber auch journalistische Beiträge verfassen und über das Portal veröffentlichen können. Als bestes Podcast wurde „Radio Grinch“ eines russischen Journalisten ausgezeichnet, der täglich unter dem Namen Denis seine Faszination für das Internetradio zum Ausdruck bringt. Die Jury entschied über die besten Blogs in elf Wettbewerbssprachen (Arabisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch, Niederländisch, Indonesisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch).
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Hohen Hürden und hart durchgreifenden Behörden zum Trotz, setzen Blogger im Iran oder in China ihre Freiheit aufs Spiel. Sie tauschen sich mit Gleichgesinnten aus der Blogosphäre aus, weisen auf Missstände im eigenen Land hin, um unüberwindlich scheinende Mauern doch durchlässig zu machen. Die Blogmap (www.thebobs.com/blogmap) weist nur wenige weiße Flecken auf. „Unser Ziel ist es, das breite Themenspektrum in der Vielfalt der einzelnen Blogosphären abzubilden und einen sprachübergreifenden Dialog über diese Medienform anzuregen. Deshalb unterstützen wir mit unserer Initiative vor allem Blogger in Ländern mit eingeschränkter Medienfreiheit“, machte DW-Programmdirektor Christian Gramsch in Berlin deutlich. Vor über 200 Gästen wurden im Museum für Kommunikation die Gewinner von The BOBs 2008 bekannt gegeben. Kaum hatte die Deutsche Welle die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez als Hauptpreisträgerin ausgezeichnet, meldete sich die örtliche Polizei bei ihr − mit einer Vorladung. Es blieb bei einer Ermahnung.
„Die Mauern werden durchlässiger“ Kein Einzelfall. Geraten Blogger in Gefahr, gilt auch die Deutsche Welle als Anlaufpunkt. „Hilferufe aus dem Jemen oder anderen arabischen Ländern können wir nur schnell weiterleiten, sei es an Reporter ohne Grenzen oder Amnesty International“, macht Gabriel Gonzalez deutlich, Projektleiter von The BOBs. Über 120.000 Internet-Nutzer hatten im November 2008 bei der Abstimmung über das beste Blog mitgemacht − und den Publikumspreis an ein chinesisches Weblog vergeben. Darüber hinaus waren für
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den Wettbewerb 8.500 Vorschläge eingereicht worden. Der DW-Wettbewerb ist international etabliert, der Projektleiter gefragt: Soeben hat Gonzalez eine Einladung zur größten Bloggerkonferenz re:publica nach Berlin erhalten, zuvor ist er zu Gast in Pamplona, Spanien: Auf einem internationalen Journalistenkongress geht es dort um die Frage, wie sich traditionelle Medien der Herausforderung der Neuen Medien stellen. Eine Thematik, die auch im Rahmen des Deutsche Welle Global Media Forum im Juni 2009 diskutiert wird – dort werden auch Gewinner von The BOBs 2008 dabei sein. Auch dort, wo subtilere Mauern gegen Informations- und Meinungsfreiheit errichtet werden, bieten Blogs Alternativen. So forderten die USA vor Beginn des Irak-Kriegs 2003 alle Journalisten auf, Bagdad zu verlassen. Auch aus Angst vor unliebsamen Front-Berichten. Nur wenige harrten in Bagdad aus, unter ihnen Blog-Experte Salam Pax. Er berichtete im Internet aus Bagdad über die Bombardierungen und konnte sich dank eines guten Netzwerks mit vielen irakischen Augenzeugen austauschen und ausländischen Medien als seriöse Quelle dienen. Bis die Quelle versiegte. Und namhafte Medien besorgt fragten: Wo ist Pax? Seine Eindrücke und Erfahrungen hat der Blog-Experte in einem Buch veröffentlicht und in Dokumentarfilmen über den Irak festgehalten. Pax ist eingeladen zum Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn. Shuguang Zhou und Yoani Sanchez auch. —— www.thebobs.com
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Impressionen von der
Veranstaltung Ende November im Museum für Kommunikation in Berlin: Moderatorin Stefanie Suren, DW-TV, im Gespräch mit dem kongolesischen Blogger Cédric Kalonji Mfunyi
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Und vergesst mir die Mauer nicht! „Habe noch viel zu erzählen“ Fragen an die 33-jährige Kubanerin Yoani Sanchéz, Siegerin der BOBs 2008 mit ihrem Blog „Generación Y“.
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Was bedeutet der Preis für Sie? Er bietet mir in gewisser Weise Schutz. Auf Kuba kann ein solcher Preis den Unterschied ausmachen, ob man sich auf der Straße bewegen kann oder hinter Gittern landet. Ich fühle mich ermutigt, auch durch die vielen tausend Leser, die meine Blog-Beiträge wahrnehmen und kommentieren.
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In Ihren Alltagsbeschreibungen ist keine Verbitterung, kein Zorn zu spüren – aber sehr viel Zivilcourage… Ich gehöre zu einer jungen Generation, die die Technologie beherrscht und sich weder als Opfer noch als Scharfrichter fühlt. Wir sind Teil dessen, was in unserem Land passiert und
dafür auch verantwortlich. Unsere Sprache lässt sich nicht in politische Kategorien wie rechts oder links einordnen. Sie ist ein Aufschrei junger Leute, die ihre Gefühle ausdrücken und Fragen zur Realität stellen möchten.
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Was macht Ihren Blog für die Staatsmacht gefährlich? Die größte Gefahr geht von der möglichen Ansteckung aus. Dass auch andere ihren eigenen Blog erstellen und sagen, was sie denken. Vielleicht schreibe ich mit einer ordentlichen Portion Skepsis und Ernüchterung, ohne aber jemanden zu attackieren oder zu diffamieren.
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Ihre Hoffnung? „Generación Y“ ist im Frühjahr 2007 entstanden. Zwischenzeitlich habe ich oft daran gedacht, damit aufzuhören. Der persönliche Preis ist sehr hoch. Aber auch wenn die kubanischen Behörden den Zugang zum Blog auf Kuba inzwischen gesperrt haben: Ich habe noch viel zu erzählen. www.desdecuba.com/generaciony
Deutschland erschloss sich mir vom Osten her. Ostberlin war grau. Bröckelnder grauer Putz in Friedrichshain und Pankow, graue Betonplatte in Kaulsdorf und Marzahn. Und graue Uniformierte überall, manche mit einem Stich ins SchmutzigGrüne. Ostberlin miefte. Graue Trabis ratterten und stanken. Braunkohlegestank und Staub lagen in der Luft. In Westberlin gab es Smog-Alarm. Im Osten hustete man sich eins. In Rüdersdorf bei Berlin stürzte eine Fabrikhalle ein. Das Zementwerk hatte zwar Filter, nachts wurden sie aber abgeschaltet, um die Produktion zu steigern. Der schwere, graue Staub brachte das Hallendach zum Einsturz. Meine Tochter Julia hat Besuch aus ihrer dritten Klasse an der Grundschule. Ein freches Berliner Mäuschen, das Jaqueline heißt. Im Fernsehen läuft eine Kindersendung. Jaqueline versteckt ihr Schnäuzchen im Sofakissen und weint. „Das darf ich nicht sehen, sonst gibt’s Haue von Papi.“ Na klar, meine Tochter hatte nicht das DDR-Sandmännchen, sondern die „Sendung mit der Maus“ eingeschaltet. Bei DEFA-Synchron wurden in grauen Baracken praktisch alle Filme synchronisiert, die die große Sowjetunion produzierte. Zwei Drittel kamen in den Bunker. Manche waren sogar für DDR-Verhältnisse zu primitiv, andere wiederum – viel zu farbenfroh, zu mutig, zu rebellisch. Mitten auf dem Studiogelände gab es noch einen Bunker. Dort lagerten die Kalaschnikows der Betriebskampfgruppe. Ab und zu zwängten die strammen Genossen ihre Bierbäuche in Uniformen und schwitzten im Gleichschritt. „Schlosser-SS“, flüsterte mir Kollege Max den Insider-Begriff für Betriebskampfgruppen ins Ohr. Max, ein Weiberheld und Hallodri. Nach dem Mauerfall kam heraus, dass er Stasi-Zuträger war. Natürlich war nicht alles grau. Meine Familie kommt aus der Sowjetunion in der DDR an – mit Kind und Kegel, ohne Bleibe, ohne Job, dafür politisch suspekt. Durch Vermittlung von Bekannten werden wir im Bungalow von damals wildfremden Menschen einquartiert. Und dürfen
dort monatelang bleiben, nur Miete zahlen dürfen wir nicht. Typisch deutsch? Typisch russisch? 01 Oder ein seltener Glücksfall? Heute sind es unsere besten Freunde. „Rübergemacht“ haben wir 1985. Und erlebten den Mauerfall von der Westseite. Für zehn Mark bekam man Hammer und Meißel ausgeliehen, um ein Stück Mauer abzuknabbern. Gott, machte das Spaß! Ein Chinese an der Ecke spendierte vor Freude Frühlingsrollen. „Verstehst Du nicht? Die haben keine Chinesen in der DDR. Mauer weg, ich mache drei, vier, fünf Restaurants auf!“ Und da standen wir mit einem Freund aus der ehemaligen Ostzone am Niederwalddenkmal. Was macht man mit Gästen, wenn man in Köln oder Bonn zu Hause ist: Man fährt mit ihnen die Weinstraße ab. Also standen wir am Niederwalddenkmal, und ich frotzelte: „Was für ein bombastischer nationalistischer Kitsch!“ Und biss mir auf die Zunge, der Freund weinte. Er, ein Deutscher, dessen Stammbaum ins Mittelalter reicht, durfte mit 50 Jahren zum ersten Mal den Rhein sehen. Ich beneide Menschen, die sagen können: Hier ist meine, meinetwegen, kleine Heimat. Dies ist meine Stadt, meine Schule, mein Elternhaus. Das alles fehlt mir. Mein Leben war ein Treck von Osten, von einem Kaff irgendwo in Sibirien, an der chinesischen Grenze, nach Westen. Ist das vereinte Deutschland jetzt westlich genug?
Nun, machen wir uns nichts vor: Wir sind immer noch Provinz. Wir essen zwar Lamm, Kümmelbrot und mancher sogar Auberginen, aber wir stellen immer noch Sicherheit über Freiheit. Wir haben ein kurzes Gedächtnis, sonst wüssten wir aus der eigenen Geschichte, dass es ohne Freiheit keine Sicherheit gibt. Aber wir werden lockerer. Wir lachen mehr, manchmal sogar über uns selbst. Der Deutsche als solcher – und da zähle ich mich dazu – ist nicht mehr so verbissen-rechthaberisch. Wir werden toleranter: Prominent ist, wer mit Dieter Bohlen oder Boris Becker Tee trinkt. Könnte fast sein, dass ich in meiner Wahlheimat angekommen bin. —— Alexander Warkentin
Alexander Warkentin wurde 1950 in Gorno-Aldaisk in der heutigen russischen Region Altai geboren. Die Schule schloss er in Alma-Ata, heutiges Kasachstan, ab. Studierte Anglistik und Journalistik in St. Petersburg und Moskau. Ab 1971 Redakteur bei der russlanddeutschen Zeitung „Neues Leben“ in Moskau. 1980 dann die Ausreise in die DDR. Bei der DEFA-Synchron in Ostberlin adaptierte er Drehbücher russischer Filme ins Deutsche. 1985 der Schritt in den Westen – und die Fortsetzung der journalistischen Karriere als Redakteur im Russischen Programm der Deutschen Welle, wo er unter anderem den „Deutschland-Report“ verantwortet.
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„Wir werden lockerer. Wir
lachen mehr, manchmal sogar über uns selbst“: Public Viewing bei der WM 2006 – für Alexander Warkentin ein Meilenstein im Wandel des Deutschlandbildes
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Zusammenwachsen aus der
„Zum Zusammenwachsen verdammt“
Feder von Antonio Calado da Maia aus Portugal: Die deutsche Einigung in der Karikatur des Auslands – eine Wanderausstellung des Hauses der Geschichte in Bonn
Bonn – Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, hatte das auch Folgen für die Deutsche Welle. Mit der Wiedervereinigung sollte die DW den Auslandsrundfunk der DDR, Radio Berlin International (RBI), zumindest teilweise übernehmen. Monika Dittrich moderierte aus Anlass des bevorstehenden 20. Jahrestags ein Studiogespräch mit den Zeitzeugen Frank Lemke und Henrik Böhme.
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Radio Berlin International (RBI) war der Auslandsrundfunk der DDR mit Programmen unter anderem auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Arabisch. Ziel des Senders war es, den Hörern in aller Welt „den sozialistischen deutschen Staat näherzubringen“. Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 stellte RBI seinen Sendebetrieb ein. Die Deutsche Welle übernahm Frequenzen und Sendeanlagen sowie 21 Mitarbeiter von RBI.
Herr Lemke, Sie wurden damals nach Ostberlin geschickt, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RBI in die DW zu integrieren. Was sind Ihre stärksten Erinnerungen? Lemke: Ich erinnere mich vor allem an den Tag, als ich in der Nalepastraße in Berlin-Oberschöneweide ankam. Dort hatte der Rundfunk der DDR seinen Sitz, in einer alten Kartonagenfabrik. Das Gebäude war imposant im Äußeren, aber wenig charmant im Inneren – mit riesigen Fluren, winzigen Büros und heruntergekommener Einrichtung. Da saßen nun also diese 21 Kollegen von Radio Berlin International, die künftig für die Deutsche Welle arbeiten sollten. In den Büros liefen aber auch noch ganz ziellos viele andere ehemalige RBI-Mitarbeiter herum, die in der sogenannten Warteschleife hingen, die also nicht wussten, wie es für sie beruflich weitergehen würde. Das war eine sehr traurige und angespannte Situation. Anfangs hatte es so ausgesehen, als würde die Deutsche Welle den
gesamten DDR-Auslandsrundfunk mit allen 320 Mitarbeitern übernehmen. Zum Schluss war aber nur noch Geld für 21 Planstellen übrig.
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Einer dieser 21 Kollegen, die von der Deutschen Welle übernommen wurden, ist Henrik Böhme. Er war damals 31 Jahre alt und Redakteur im Deutschen Programm von RBI. Wie haben Sie die Übernahme durch die Deutsche Welle erlebt? Böhme: Das war ein sehr emotionaler Moment. Für mich war es ein großes Glück, als ich erfuhr, dass ich zu den 21 Übernahmekandidaten gehöre. Wir wussten nicht, nach welchen Kriterien wir ausgewählt worden waren und haben das auch nie erfahren. Zugleich war es für meine langjährigen Kollegen sehr dramatisch, weil für sie mit dem Untergang der DDR auch die berufliche Perspektive wegbrach. Ich habe am Vorabend der Wiedervereinigung, am 2. Oktober 1990, die letzte Sendung des Deutschen Programms von RBI moderiert. Ich habe mich
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weltzeit 01_2009
im Namen der gesamten Mannschaft von den Hörern verabschiedet und gehofft, dass man sich eines Tages auf einer anderen Frequenz wiederhört. Und einige Tage später stand dann der Klassenfeind bei uns auf dem Flur, in Gestalt von Frank Lemke. Aber wir haben schnell gemerkt, dass er einer ist, der mit uns etwas auf bauen will.
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Die Belegschaft von RBI hat den Umgang mit den Kollegen damals als „entwürdigend“ bezeichnet. Wie groß war die Enttäuschung, dass von RBI nichts mehr übrig bleiben sollte? Böhme: Natürlich waren das für viele meiner Kollegen entwürdigende Zeiten. Da sind Lebensleistungen einfach nicht geachtet worden. Auch wenn RBI ein Propagandasender der DDR war, so hatten wir doch versucht, ein möglichst unvoreingenommenes und modernes Programm zu machen. Es waren viele gute und junge Journalisten dabei, die plötzlich vor dem Nichts standen.
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Wie haben denn die Mitarbeiter der Deutschen Welle reagiert, dass sie nun mit Journalisten aus der ehemaligen DDR zusammenarbeiten sollten? Lemke: Es gab große Skepsis und viele Vorurteile. Die meisten dachten, das seien alles „rote Socken“, mit denen man nichts anfangen könne. Ich wollte deshalb zeigen, dass die RBI-Kollegen große journalistische Fähigkeiten besitzen. Ich habe ihnen gesagt, dass sie der Deutschen Welle beweisen müssen, was sie können. Und das haben wir auch geschafft: Innerhalb von zwei Wochen haben wir den Redaktionen Berichte und Reportagen zugeliefert. Das hat mehr bewirkt als alle schönen Worte, die ich hätte finden können. Wir haben durch Leistung überzeugt. Mit der Unterstützung des damaligen Intendanten Dieter Weirich bekamen wir bald eine eigene Standleitung von Ostberlin ins Funkhaus in Köln. So konnten wir unsere Beiträge ohne Umwege überspielen. Und je mehr die ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle zulieferten, desto größer war die Anerkennung ihrer Fähigkeiten.
Böhme: Vorurteile 02 gab es natürlich auf beiden Seiten. Aber wir waren zum Zusammenwachsen verdammt, wir mussten die Mauern in den Köpfen also schnell einreißen. Die persönlichen Kontakte haben dabei sehr geholfen. Ich erinnere mich noch gut an die erste Reise der ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen ins Funkhaus nach Köln. Anfangs wurden wir komisch angeschaut, nach dem Motto: Da kommen die aus dem Osten, die Kommunisten. Aber nachdem man sich mit den Kollegen unterhalten und abends mal ein Kölsch miteinander getrunken hatte, waren die Vorbehalte auf beiden Seiten schnell verschwunden.
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„Wir haben vor allem die
Geschichten der Menschen erzählt“: (v.l.) Frank Lemke, Henrik Böhme und Monika Dittrich
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Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung gab es einen großen Erklärungsbedarf über das, was in Deutschland passierte. Wie sind Sie dem gerecht geworden? Böhme: Wir haben vor allem die Geschichten der Menschen erzählt, die sich hinter den Nachrichten verbergen. Wir wollten nicht nur berichten, dass die Treuhandanstalt hier eine Werft privatisiert und dort ein Kalibergwerk schließt, sondern wir sind dorthin gegangen und haben
Frank Lemke
Henrik Böhme
Jahrgang 1941, kam 1965 zur Deutschen Welle.
wurde 1958 in Leipzig geboren. Nach dem Jour-
Er war unter anderem Leiter des Amharischen
nalistik-Studium arbeitete er als Redakteur im
Programms und Chef vom Dienst in der Nah-
Deutschen Programm von Radio Berlin Interna-
Mittel-Ost-Redaktion von DW-RADIO. Bis zu sei-
tional. 1990 gehörte er zu den 21 RBI-Kollegen,
ner Pensionierung war er für die DW-AKADEMIE
die von der Deutschen Welle übernommen wur-
tätig. Im Oktober 1990 ging er für die Deutsche
den. Heute ist er Redakteur in der Wirtschafts-
Welle nach Ostberlin mit dem Auftrag, 21 Mit-
redaktion von DW-RADIO.
arbeiter des DDR-Auslandsrundfunks in die DW zu integrieren.
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titel 01
lich gefragt, denn sie waren die Experten für die DDR, sie kannten sich aus und konnten sich in die Lebenswelt der Menschen in den neuen Bundesländern hineinversetzen.
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Wenn Sie heute über die Deutsche Welle hinausblicken: Wie steht es 20 Jahre nach dem Mauerfall um die Deutsche Einheit? Lemke: Die Wahrnehmung der Verhältnisse ist in Ost und West noch immer sehr unterschiedlich. Wenn ich heute in die neuen Bundesländer reise, dann erlebe ich dort noch sehr viel Unzufriedenheit. Viele Menschen machen den Westen und die Wiedervereinigung für alles verantwortlich, was in Ostdeutschland nicht gut läuft. Und im Westen glauben viele, die Ostdeutschen seien selbst schuld, wenn es dort nicht aufwärts gehe. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich das ändert.
Blick zurück: Das Logo des
Themenjahres in Berlin und zwei DDRGrenzsoldaten.
mit den Arbeitern gesprochen. Frank Lemke hatte einen Dienstwagen nach Ostberlin mitgebracht, und damit sind wir über jede Autobahnfuge in den neuen Bundesländern gebrettert. Die schlechten Straßen waren wir ohnehin gewohnt, und wir haben uns auch dahin getraut, wo Leute entlassen und Fabriken geschlossen wurden. Genauso haben wir über die positiven Beispiele und die gelungenen Privatisierungen berichtet. Wir wollten den Hörern der Deutschen Welle die Sorgen und Hoffnungen der Menschen in den neuen Bundesländern verständlich machen. Bis heute ist das für mich die spannendste journalistische Zeit meines Lebens. Lemke: Der besondere Erklärungsbedarf über die fünf neuen Bundesländer wurde auch von politischer Seite anerkannt, weshalb die Deutsche Welle Sondermittel aus dem Bundesinnenministerium bekam. Unsere Aufgabe war es, der Welt zu zeigen, dass hier ein Stück Deutschland dazugekommen ist. Eines, das anders tickt, aber nicht verkehrt tickt. Und die Fähigkeiten der ehemaligen RBI-Mitarbeiter waren dann natür-
Böhme: Ich denke, das ist ein Generationsproblem. Die jüngeren Menschen in Deutschland empfinden diesen Keil zwischen Ost und West nicht mehr. Es gibt natürlich noch immer viele Enttäuschte, die sich mehr erhofft hatten, auch von den Versprechungen, die damals gemacht wurden. Aber wenn man genau hinschaut in den neuen Bundesländern, dann sieht man so viele junge, dynamische und aufstrebende Menschen, die in den alten Bundesländern so manchem etwas vormachen würden. Es gibt auf beiden Seiten großes Potenzial, um voneinander zu lernen. Hier bei der Deutschen Welle hat die Integration wirklich funktioniert. Ich spüre heute keinen Unterschied mehr zwischen Mitarbeitern aus Ost- und Westdeutschland. Und wenn wir davon ein kleines Stück an unsere Hörer, User und Zuschauer vermitteln können, dann ist das wahrscheinlich mehr, als wir vor 20 Jahren erwarten konnten. ——
weltzeit 01_2009
Reportagen unterm Bananenbaum Bonn – Sechs ARD-Reporter waren 2008 unter Federführung der DW in Afrika unterwegs. Ihr Auftrag: Geschichten erzählen – jenseits von Krisen, Krieg und Katastrophen. Die Themenpalette reichte von jungen Marathonläufern im äthiopischen Hochland über Geschäftsideen in Angola bis hin zu Erfolgsgeschichten aus dem südlichen Afrika. „Wir hätten noch wochenlang bleiben können, immer wieder sind wir auf neue interessante Geschichten gestoßen“, berichtete Helmut Rehmsen vom WDR, der in Namibia, Botswana und Lesotho war. Beim Abschlusstreffen in Bonn resümierte DW-Chefredakteur Miodrag Soric: „Wir haben unser Ziel, neue Afrika-Themen in der ARD zu positionieren, erreicht.“
Hilfsaktion für Lauf-Talente in Äthiopien München – Junge Langstreckenläufer in Äthiopien müssen künftig nicht mehr barfuß im steinigen Hochland trainieren, sondern können moderne Laufschuhe aus Deutschland nutzen. Eine gemeinsame Aktion der DW mit der Philipp-Lahm-Stiftung und der Hamburger Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts macht’s möglich. DW-Reporter und Äthiopien-Experte Alexander Göbel sowie Chefredakteur Miodrag Soric stellten in München das Projekt „Schuhe für Bokoji“ vor, ohne den verletzten Nationalspieler Lahm (hier im DW-TV-Interview). Göbel wird die Verteilung der 500 Paar Laufschuhe in Bokoji, der „Wiege der Läufer“, begleiten.
Meinungs- und Medienfreiheit – ein Menschenrecht Paris – 60 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte haben die Chefs von BBC World Service, DW, Radio France Internationale, Radio Netherlands und Voice of America die Achtung der Meinungs- und Medienfreiheit angemahnt. Noch immer stünden Regierungen in Verdacht, in die Verfolgung, Verhaftung und sogar Tötung von Journalisten verwickelt zu sein. Auch aktuell würden Programme und Internetpräsenzen vorsätzlich durch „Jamming“ gestört. Im Sinne der UNDeklaration sei es Aufgabe ihrer Sender, so die Runde der „Big Five“ bei ihrem Treffen in Paris, weiterhin auf höchste journalistische Standards zu setzen.
„Mehr schlecht als menschenrecht“ Bonn – Am Montag, 19. Januar 2009, diskutiert ab 17.30 Uhr eine Expertenrunde im Funkhaus der Deutschen Welle in Bonn im Rahmen der „Bonner Plattform Internationale Zusammenarbeit“. Über die Rolle der Medien als Mittler von Menschenrechten am Beispiel Afrika sprechen unter anderem die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Herta Däubler-Gmelin, und die Generalsekretärin von amnesty international, Barbara Lochbihler. Mit dabei sind auch Itai Mushekwe, Journalist aus Simbabwe, und Ute Schaeffer, Deutsche Welle. Die Veranstaltung von DW und Kf W wird moderiert von Monika Hoegen, Freie Journalistin.
Krise als Chance für die Demokratie Bonn/Moskau – Er gilt als einer der Hoffnungsträger der demokratischen Opposition „Solidarnost“ in Russland: Ilja Jaschin, 25, besuchte das Russische Programm der DW. Wenige Tage, nachdem die Polizei in Moskau gegen demonstrierende Regierungsgegner vorgegangen war, verwies Jaschin bei seinem Besuch „auf wachsende innenpolitische und gesellschaftliche Spannungen, die das Interesse an einer liberalen und demokratischen Alternative zum Regierungskurs in der Bevölkerung erhöhen“. Angesichts der eingeschränkten Medienfreiheit schätzten Oppositionskreise die Berichterstattung von Auslandssendern umso mehr. Jaschin: „Sie sind Garant für zuverlässige Informationen.“
profil spot
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profil
Kursgewinne für die Wirtschaft Bonn/Berlin − Die Stimmung an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft ist gedämpfter denn je. Beiträge aus den Wirtschaftsredaktionen hingegen stehen hoch im Kurs. Bei der Deutschen Welle geht es dabei vor allem um Hintergründe. Steffen Heinze besuchte die DW-Redaktionen in Bonn und Berlin.
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„Wirtschaftsthemen müssen
für Nutzer in Peking oder Sofia speziell
Die Erschütterung an den Finanzmärkten und die Folgen für die Weltwirtschaft sorgen in der Wirtschaftsredaktion von DW-TV „seit Monaten für den Ausnahmezustand“, so Redaktionsleiterin Manuela Kasper-Claridge. Sonderschichten gehören ebenso zur Tagesordnung wie zusätzliche Live-Reportagen von den wichtigsten Schauplätzen. Ob Existenzsorgen bei Opel, Auftragseinbrüche bei BASF oder Alarmsignale in Frankfurts Bankenszene: Die globale Krise hat dem Exportweltmeister arg zugesetzt. „Ein Ende ist überhaupt nicht abzusehen“, ist Karl Zawadzky, Leiter der Wirtschaftsredaktion von DW-RADIO und DW-WORLD.DE in Bonn, überzeugt. Auch wenn die Talfahrt nicht alle Bereiche erfasst: Die Entwicklung erfordert Kompetenz und Qualität in der Berichterstattung, der Erklärungsbedarf wächst. Da sind sich Zawadzky und Kasper-Claridge einig. Und beide betonen vor allem eines: Sorgfältiges Abwägen und Bewerten von Nachrichten, die oft im Sekundentakt auf dem Bildschirm erscheinen, stellen gerade in diesen turbulenten Wochen eine journalistische Herausforderung dar.
aufbereitet, detaillierter erläutert und eingeordnet werden“: Karl Zawadzky,
Zu wenig Platz für Wirtschaftsthemen?
Leiter der Wirtschaftsredaktion von
Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Wirtschaftsjournalisten weist auf tiefgreifende Probleme hin. So kritisierten 86 Prozent der Befragten, dass Programm-Verantwortliche dem TV-Wirtschaftsjournalismus zu wenig Platz einräumen „und Wirtschaftsthemen nur noch auf Verbraucheraspekte reduziert werden“, schildert Christian Knull, Geschäftsführer des ErnstSchneider-Preis der deutschen Industrie- und Handelskammer e.V., der die Umfrage in Auftrag gab. Gut ein Drittel, so ein weiteres Ergebnis, hält die Qualität nur für „mittelmäßig“. Ernüchternde Ergebnisse, doch die Wirtschafts-Chefin bei DW-TV sieht einen wichtigen Vorteil im Programmauftrag des eigenen
DW-RADIO und DW-WORLD.DE
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S enders. „Für unsere Zuschauer in aller Welt sind verbrauchernahe Wirtschaftsthemen nicht sinnvoll. Den Brasilianer oder die Frau in Hongkong interessiert nicht, welche Autoversicherung in Deutschland am günstigsten ist.“ Von der Deutschen Welle erwarte man Analysen und Einschätzungen aus der Mitte Europas – mit Blick auch auf regionale Märkte, ob in Asien, Afrika oder Amerika.
Qualität und Glaubwürdigkeit „Für uns haben Qualität und Glaubwürdigkeit absolute Priorität“, betonen die Redaktionsleiter. Und verweisen darauf, dass Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft und stärkste Wirtschaftsnation Europas international eine enorme Bedeutung zukomme. „Das Interesse an Wirtschaftsthemen aus und über Deutschland ist entsprechend groß. Deshalb hat das deutsche Auslandsfernsehen auch deutlich mehr Wirtschaftsthemen im Programm als nationale Sender“, erläutert Kasper-Claridge. Für die Berichterstattung sind die ausgezeichneten Kontakte zu Unternehmenslenkern, Chefvolkswirten, Mittelständlern und führenden Wirtschaftsinstituten im In- und Ausland von großer Bedeutung. Das trägt besonders in Krisenzeiten Früchte, weil für die Analyse kompetente Gesprächspartner aus allen Branchen zur Verfügung stehen. Während in vielen Redaktionsstuben also geklagt wird, zeigt sich Kasper-Claridge selbstbewusst: „Wir sind gut aufgestellt.“
Vielsprachige Umsetzung Vertrauen ist auch für Karl Zawadzky ein Pfund. Seit fast 40 Jahren beobachtet der Wirtschaftsjournalist die Märkte und Mächtigen, die Verlierer ebenso wie die Stillen, die auch in Krisenzeiten, etwa im Mittelstand, ordentliche Erträge einfahren und von Arbeitsplatzabbau nichts wissen wollen. Sein Bonner Team steht in
Auszeichnung für „Geheimsache F 700“ Der DW-TV-Beitrag „Geheimsache F 700“ von Ute Schneider aus der Wirtschaftsredaktion wurde mit dem Ernst-Schneider-Preis 2008 ausgezeichnet. Die Fernsehdokumentation zeigt, wie Designer, Modellbauer und Konstrukteure parallel an einem Forschungswagen arbeiten, der neue Techniken einsetzt. Der Beitrag mache „die Faszination für Technik erlebbar“, so die Jury des renommierten und höchstdotierten Journalistenpreises der deutschen Wirtschaft. Ausgezeichnet wurde in der Kategorie „Technik“ zudem der Hörfunkbeitrag „Tonfänger. Das Mikrofon – eine deutsche Geschichte“, den Tom Schimmeck für den MDR produziert hat. 2005 war die Wirtschaftredaktion von DW-RADIO für ihre Serie „Die heimlichen Weltmeister“ mit dem Ernst-Schneider-Preis ausgezeichnet worden. In der Reihe wurden deutsche Mittelstandsbetriebe vorgestellt.
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diesen Wochen vor allem den Fremdsprachenredaktionen Rede und Antwort, wenn es um Analysen und Hintergründe geht. Zawadzky: „Ob Chinesisches Programm oder SüdosteuropaRedaktionen: Wirtschaftsthemen sind oft komplex und müssen für Nutzer in Peking oder Sofia speziell auf bereitet, detaillierter erläutert und eingeordnet werden.“ Das gilt beim deutschen Auslandssender über Ländergrenzen und Kontinente hinweg.
Krisenfeste Pläne Und die Pläne für 2009? Fest gebucht hat Kasper-Claridge die Fortsetzung ihrer Doku-Soaps zu Schwerpunktthemen. Geplant unter anderem: eine Reihe über deutsche Unternehmen, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind, und Reportagen zu Strategien aus der Krise. Gezeigt werden Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch in der Krise in Forschung und Entwicklung und die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren und damit nachhaltig wirtschaften. Das im April neu gestartete Magazin Global 3000 bietet zusätzlich die Möglichkeit für ungewohnte Perspektiven: Arbeiter in Lesotho, die
ihren Job verlieren, weil ihre südkoreanischen Chefs die Textilien wegen der Finanzkrise nicht mehr in den USA verkaufen können, sind nur ein Beispiel. Ambitionierte Projekte, die parallel für die Seiten von DW-WORLD.DE auf bereitet werden. Im Wettbewerb der internationalen Sender, so die Überzeugung in Bonn und Berlin, müssen die Wirtschaftsexperten der Deutschen Welle keinen Vergleich scheuen. „Wir sind gewappnet, und vor Überraschungen sicher.“ Die seien „nicht ausgeschlossen“, so Karl Zawadzky, „auch wenn die Börsen-Party und Gier mancher Finanzjongleure ein vorläufiges Ende haben mag“. Er selbst setzt übrigens auf „sichere Werte“, ein erneuter Börsencrash ließe ihn kalt. „Bei drei Kindern kommt man erst gar nicht in die Versuchung, auf rekordverdächtige Renditen zu spekulieren.“ Seine Kollegin in Berlin ist seit vielen Jahren Sparkassenkundin und besitzt keine Aktien. „Ein unabhängiges Urteil ist wichtig für mich“, sagt Kasper-Claridge. —— www.dw-world.de/madeingermany www.dw-world.de/wirtschaft
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Die Börse bei den Hörnern ge-
packt: Conrad Pohl, für DW-TV in Frankfurt, lässt sich auch in Krisenzeiten nicht die Laune verderben
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„Den Brasilianer oder die Frau
in Hongkong interessiert nicht, welche Autoversicherung in Deutschland am günstigsten ist“: Manuela Kasper-Claridge, Leiterin der Wirtschaftsredaktion von DW-TV in Berlin
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neue medien
01-02
Wissen per IPTV: das
eLearning-Projekt von „Wuhan Yuanlai
Und Fernsehen macht doch schlau!
Educational“ in China
Peking – Ein eLearning-Projekt in China setzt alles auf die Karte IPTV. Das ersetzt zwar nicht den Hörsaal, aber bietet Schülern, Studenten und Lehrpersonal einen breiten Fundus an Wissenssendungen. Philipp Schäfer über Bildung von morgen. 2000 Sendestunden – das Video-on-demandArchiv von „Wuhan Yuanlai Educational“ ist durchaus vorzeigbar. Und wächst täglich. Die Macher der chinesischen Plattform basteln fleißig an einem umfassenden Pool an Inhalten, um im ganzen Land ein Bildungsnetzwerk aufzubauen. Schulen und Universitäten können gegen Entgelt ein Abonnement auf vorkonfektionierte Themenpakete aller Art buchen – Schüler und 02
Studenten sind dann in der Lage, kostenlos per Passwort und DSL-Zugang das komplette VideoArchiv über Internet Protocol Television (IPTV) zu nutzen. Der spezielle Player unter www.yuanlaiedu. cn bietet je nach Thema, Suchbegriff oder Bildungsniveau Zugriff auf das Angebot. Zum verfügbaren Material gehören seit wenigen Monaten auch das komplette Programm an Videoon-demand-Formaten von DW-TRANSTEL
sowie ausgewählte Sendungen und Magazine von DW-TV. „Wir glauben, dass ein guter Mix aus konstanten Lehrinhalten und eher aktuellen Beiträgen die Allgemeinbildung am besten fördert“, sagt Ji Zhang, die Leiterin des Portals, das zum Teil mit Staatsmitteln gefördert wird. Schüler und Studenten haben so überall Zugriff auf ansprechend auf bereitete Lerninhalte, Lehrern und Professoren bietet es eine Vielzahl an Möglichkeiten, den Unterricht zu gestalten. Den Physik-Studenten in der Examensvorbereitung wird das wohl nicht mehr mitreißen, wohl aber Lernende, die an gebündeltem Grundlagenwissen interessiert sind. Das Angebot von Wuhan Yuanlai Educational stellt dabei nur eine Facette des modernen eLearnings dar: die des mediengestützten Lernens. Bei den meisten Systemen geht es entweder um die Lernorganisation, um das Hochladen bzw. Verfolgen von Vorlesungen in verschiedenen Formaten oder um eine Art Lerngemeinschaft rund um Campus oder Schule. „Eine Anwendung, die alle diese Facetten bietet, hat sicherlich Zukunft“, erklärt André Moeller, zuständig für die Deutschkurse auf DW-WORLD.DE. Allerdings, das weiß auch Moeller, „ersetzen solche eLearning-Angebote nie den persönlichen Kontakt zum Lehrpersonal.
schlaglichter
Alles Video – oder was?
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Sie ermöglichen abwechslungsreiches Lernen abseits der sogenannten Präsenzphase und erleichtern manchem Lehrer die Recherche und Unterrichtsvorbereitung.“ Vorbei die Zeiten, als der Gemeinschaftskundelehrer zur „Medienstunde“ den Fernsehund Videowagen hereinrollen musste. Doch nicht nur der Medieneinsatz im Unterricht, auch das ortsunabhängige Lernen spielt dabei eine Rolle: Was einst auch den Beginn der Fernuniversität markierte, ist bei Wuhan Yuanlai Educational die Fortsetzung der Bildung mit anderen Mitteln, in diesem Falle IPTV: mehr Material, vielseitiger und überall verfügbar. „Das Internet spielt eine herausragende Rolle zur Informationsbeschaffung für junge Chinesen“ – mit dieser nicht unbedingt überraschenden Einschätzung glaubt Ji Zhang, mit der Plattform einen sinnvollen Beitrag zur Vernetzung der Bildungseinrichtungen zu leisten. Bei aller Kulturkritik: Fernsehen macht doch schlau. Lernen muss am Ende aber immer noch jeder für sich. ——
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Internet ist für die meisten Nutzer
Online-Bibliothek „Europeana“ gestartet
BBC & DW gemeinsam über DRM
die Suchmaschine Google. Experten
Die Europäische Kommission hat die
Deutsche Welle und BBC haben am
zufolge könnte die Aufmerksamkeit
Online-Bibiliothek „Europeana“ ge-
10. Dezember 2008 einen DRM-Kanal
in den nächsten Jahren jedoch weg
startet, die das kulturelle Erbe Europas
(Digital Radio Mondiale) für Europa ge-
von der rein Text-basierten Suche hin
zugänglich machen soll. Internetnutzer
startet: „BBC & DW“ sendet täglich 18
zur Videosuche wandern. Bereits jetzt
haben Zugriff auf zwei Millionen Bücher,
Stunden und präsentiert Highlights aus
werde die Suchfunktion von Youtube
Landkarten, Fotografien, Archivdo-
den englischsprachigen Programmen
häufiger genutzt als die Yahoo-Suche
kumente, Gemälde und Filme aus
der beiden Sender. Der Programm-Mix:
– womit Youtube die Nummer zwei der
Nationalbibliotheken und Kulturinstitu-
Nachrichten aus aller Welt, Magazine,
weltweiten Suchmaschinen wäre. Vor
ten der 27 EU-Mitgliedstaaten. Mehr als
Hintergrundanalysen und Dokumenta-
allem junge Internetnutzer starten ihre
1000 Archive, Museen und Bibliotheken
tionen – aus Politik, Wirtschaft, Kultur
Recherche gern auf der Videoseite.
haben bereits digitalisiertes Material
und Sport. Die Hörer profitieren von
Angesichts einer Generation, die sich
zur Verfügung gestellt.
allen Vorteilen des DRM-Digitalradios:
Der Dreh- und Angelpunkt im
bereits im Kindergartenalter an Video im Web gewöhnt, prognostiziert etwa Alex Iskold vom Readwriteweb-Weblog
Empfang in nahezu UKW-Qualität,
DW als Superprovider im iTunes Store
parallele Text-Nachrichten, Electronic Programme Guide (EPG), automatisches
ein drastisches Ansteigen von Bewegt-
Mit über 200 Podcasts im Angebot ge-
Einstellen der verfügbaren Frequenzen.
bild-Angeboten: „Alles, was Video sein
hört die Deutsche Welle seit Ende 2008
www.drm.org
kann, wird Video sein.“
zu den sogenannten Superprovidern im
iTunes Store. Die Firma Apple betreibt
59 Jahre Haft für Blogger in Burma
diese Vertriebsplattform für digitale
Studie sieht Internet im Jahr 2018 vor Print
Medien im Netz, zugleich ist der iTunes
In zehn Jahren werden Web-Angebote
Laut Reporter ohne Grenzen (RoG)
Store das größte und wichtigste Pod-
mindestens ebenso viele Werbeeinnah-
verhängte ein Sondergerichtshof in der
casting-Portal weltweit. Superprovider
men generieren wie die Print-Branche.
Nähe der Stadt Rangun im Süden des
sind hier neben der Deutschen Welle
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie
Landes gegen den Blogger Zarganar
nur die BBC und das US-amerikanische
von Forschern der Fachhochschule
eine 59-jährige Gefängnisstrafe. Erst
NPR-Netzwerk. Auf diesem Weg wird
Mainz. Außerdem werden die Tageszei-
im November war der Blogger Nay
das vielseitige Podcast-Angebot der
tungen bis 2018 fast ein Drittel ihrer
Phone Latt zu 20 Jahren Haft verurteilt
Deutschen Welle auf diversen Seiten
Leser an das Internet verloren haben,
worden. Mit den Prozessen wolle die
der länderspezifischen iTunes Stores
so die Wissenschaftler.
Militärregierung offenbar jede Protest-
beworben.
regung vor der für 2010 vorgesehenen Wahl unterdrücken, kritisiert RoG.
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vor ort 02
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Provokation als Klimabot-
Und das Eis schmilzt dahin
schaft: Cara aus Irland vom Climate Change College mimt Sommerlaune unter Eisschollen
Barrow – Die Arktis erwärmt sich schneller als jede andere Region der Erde. Die einen verbinden damit die Hoffnung auf leichteren Zugang zu Öl- und Gasreserven. Hier lebende indigene Bevölkerungsgruppen sind indes über die Auswirkungen der Erwärmung auf ihren traditionellen Lebenswandel besorgt. Irene Quaile besuchte die Inupiat in Barrow, der nördlichsten Siedlung der USA, im arktischen Teil von Alaska.
Ein kalter, grauer arktischer Frühlingsabend in Barrow – oder Utpeavig, wie es die Einheimischen nennen: „Der Ort, wo man Schneeeulen jagt“. Vor einem Haus steht eine ältere Frau neben den blutroten Überresten eines Wals auf grau-weißem Schnee. „Die Jagd ist extrem gefährlich geworden“, erzählt Jeannie Dipidoe, eine Inupiat. „Das ganze Eis schmilzt. Es ist nicht mehr so stabil wie früher. Das Eis ist ständig in Bewegung, man hört es krachen – wie Donner. Manchmal haben wir es beinahe nicht mehr nach Hause geschafft.“
und hat mit der kommerziellen Walfangpraxis in anderen Erdteilen nichts gemein. Die Inupiat sprechen von Respekt für ihre Beute und von Nachhaltigkeit. Wal und Karibu, ein nordamerikanisches Ren, sind die wichtigsten Eiweißquellen für die Einwohner. Barrow ist ein Ort der Kontraste. Es ist die „Hauptstadt“
Walfang ist lebenswichtig Neben Jeannie steht eine Gruppe von jungen Europäern, eingemummt in Parkas und Schneestiefeln. Die Klimabotschafter des Climate Change College, eines gemeinsamen Projekts von WWF und dem Milcheishersteller Ben&Jerry’s, sind für zwei Wochen in Alaska, um zu sehen, wie sich der Klimawandel auf die Region auswirkt – und was das für die Inupiat bedeutet. Gebannt lauschen sie der Jägerin. Die Waljagd hier, das lernen sie schnell, ist für diese Menschen lebenswichtig
der North Slope Region, als Zentrum der Ölförderung bekannt und – eins der wichtigen Themen im jüngsten US-Wahlkampf – Heimat eines bedeutenden Naturschutzgebiets, des Arctic Wildlife Refuge. Die meisten Einwohner sind Inupiat. Ihre Vorfahren waren schon vor tausend Jahren hier zu Hause. Es
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führt keine Straße nach Barrow. Der Flughafen verbindet den Ort mit dem Rest des Landes. Und ohne klimaschädigenden Diesel wären die Inupiat hier abgeschnitten. Kajan, ein junger Inupiat, hat sein Schneemobil geparkt und diskutiert mit Cara, der Klimabotschafterin aus Irland: „Erneuerbare Energien“, sagt er, „ja, super. Gib mir ein solarbetriebenes Schneemobil – ich nutze es gern“. Beide lachen. Auch Kajan berichtet von den Klimaveränderungen. Es friert wesentlich später im Jahr, und das Tauwetter setzt früher ein. Das erschwert die Jagd. Kajan erzählt vom Eisangeln und von der Jagd auf Karibu. Man fängt nur so viel, wie die Familie für den Winter braucht. Und alles wird geteilt. „Es wäre schön, wenn alle so wären“, sagt Cara.
Wissenschaftler haben es schwer Die Klimabotschafter wurden in sieben europäischen Ländern ausgewählt. Voraussetzung zur Teilnahme am Climate Change College ist ein aktives Engagement für den Umweltund Klimaschutz. Caras Spezialität sind Hausrenovierung und -isolierung. Aart aus den Niederlanden hilft Firmen, ihren CO2Ausstoß zu reduzieren. Die anderen Klima-
und Schlitten aufs See-Eis. Es ist kalt, der Wind bläst kräftig, die Sicht ist teilweise sehr schlecht - typische Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler hier in der Arktis. Die jungen Europäer helfen, die Eisdicke zu messen. Die Ergebnisse solcher Messungen helfen bei der Erstellung von Modellen für das Weltklima.
Erosion fördert Knochenfunde zutage Aber der Klimawandel hat nicht nur für die Zukunft Konsequenzen. Die Veränderungen im Meereis führen jetzt schon zu einer verstärkten Erosion der Küste in dieser Gegend. Und diese wiederum fördert jahrhundertealte Knochenfunde zutage, denn hier liegen die Vorfahren der Inupiat begraben. Archäologin Anne Jensen nimmt uns zu ihrer Ausgrabungsstelle mit. Unerwarteter Schneefall bedeckt die Grabungen. Die schnelle Erwärmung macht ihre Arbeit zum Wettlauf mit der Zeit. Sie versucht, mit ihrem Team aus Freiwilligen – auch Schülern – die menschlichen Überreste zu bergen, bevor sie ins Meer gewaschen werden. Aart, mit 22 der jüngste Klimabotschafter, fasst das Ganze so zusammen: „Diese Reise hat mir gezeigt, dass alles zusammenhängt. Es geht nicht nur darum, dass ein bisschen Eis schmilzt. Das hat eine weit größere Bedeutung, als wir uns jemals hätten vorstellen können.“ ——
Internationale Koproduktion „Climate Change College in Alaska: Meeting the Inupiat“ und weitere Features sind Teil einer internationalen Kooperation im Rahmen des Internationalen Polarjahrs. Die Deutsche Welle
botschafter setzen sich in ihren Projekten für Wassersparen, nachhaltige Biotreibstoffe oder Kompostierung ein. Natürlich interessiert sie auch die Arbeit der Wissenschaftler in Barrows renommiertem Arktis-Forschungszentrum. Hier kommen das Wissen der Inupiat und moderne Wissenschaft zusammen. Am nächsten Tag begleiten wir einen deutschstämmigen Wissenschaftler, Dr. Chris Petrich, bei einem Ausflug mit Schneemobil
und Sender aus Großbritannien, den USA, Australien und Neuseeland erhielten dafür externe Projektgelder. Irene Quaile, Leiterin der Feature-Redaktion im Englischen Programm von DW-RADIO (Foto), wurde für „Meeting the Inupiat“ beim internationalen Wettbewerb Turquoise 2008 im Spätherbst in Antalya mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Der Wettbewerb wurde vom türkischen Sender TRT, der European und der AsiaPacific Broadcasting Union (EBU und ABU) veranstaltet. www.dw-world.de/livingplanet blogs.dw-world.de/ice-blog
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„Afghanistan braucht wieder Hoffnung“ Bonn/Kabul – Die Deutsche Welle hat ihre Aktivitäten für Afghanistan in den vergangenen Jahren intensiviert und zusätzliche Partner gewonnen. So übernimmt der private Fernseh- und Radiosender ARIANA, dessen Programme in nahezu allen Provinzen des Landes zu empfangen sind, DW-Angebote. Sender-Chef Ehsanullah Aryanzai nahm im November an einem Management-Kurs der DW-AKADEMIE teil. Nina Haase sprach mit Aryanzai in Bonn.
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Was hat Ihnen in der afghanischen Medienlandschaft gefehlt, das Sie dazu bewogen hat, einen Fernsehsender zu gründen? In Afghanistan gibt es sehr viele Analphabeten, besonders unter den Frauen. Fernsehen ist ein guter Weg, um diese Menschen zu informieren. Insbesondere wollten wir einen Beitrag leisten zur Bildung von Frauen aus unterschiedlichen Alters- und Gesellschaftsgruppen. Entertainment spielt auch eine Rolle. Es gibt in Afghanistan nur sehr wenige Unterhaltungsangebote.
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„Wir versuchen mit aller
Kraft, die Saat der Hoffnung in den Menschen wieder zu wecken. Das ist momentan das Leitbild der Presse in Afghanistan“: 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 20 Jahre alt
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Wie würden Sie das Medienkonsumverhalten der afghanischen Bevölkerung beschreiben? In Afghanistan leben rund 30 Millionen Menschen. Davon sind weit über 60 Prozent Jugendliche. Das Analphabetentum ist, wie gesagt, hoch. Daher spielt Radio eine große Rolle zur Informationsvermittlung: Es ist zudem klein, transportabel und man kann es überall hören. Momentan gibt es in Afghanistan schätzungsweise 100 Radiosender, die über UKW ausstrahlen und 14 Fernsehsender: in Kabul, in Masar-i-Sharif und in Herat. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Fernsehkanäle eingerichtet werden.
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Haben die Medien an Bedeutung gewonnen? Es gibt heute außerdem über 100 Zeitungen und Zeitschriften im Land – in dieser Größenordnung ein Novum in der afghanischen Presse geschichte. Aber gleichzeitig ist der Einfluss der politischen Parteien in allen Medien zu groß, sie nutzen Sendungen oder Presse nach ihrem Gutdünken. So werden unsere Gesetze oft nicht eingehalten. Außerdem hat sich die journalistische Ethik noch nicht ausreichend entwickelt. Deshalb meine ich, dass diese relativ große Anzahl von Medien in Afghanistan einer gesunden Entwicklung im Land eher schadet.
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Wie ist das Feedback auf DW-Inhalte? Sehr gut, sie haben ein breites Echo gefunden. Im Fernsehen sind die informativen und leicht verständlichen Sendungen der Deutschen Welle auf Dari und Paschtu sehr beliebt, zum Beispiel aus Physik und Biologie, auch Sendungen über die Tierwelt. Auch das Auf baumagazin im Hörfunk: Durch einen Beitrag über die Errichtung eines Projekts im Norden des Landes erfahren so auch die Menschen im Süden davon. Besonders Berichte über humanitäre Projekte, wie den Wiederauf bau von Kliniken, sind sehr beliebt, weil sie bei den Menschen Hoffnung wecken.
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Auch Kurse der DW-AKADEMIE sind Teil der Zusammenarbeit mit Ihrem Sender. Wie sind hier Ihre Erfahrungen? Deutschland genießt hohes Ansehen bei sehr vielen Afghanen. Wir können uns an viele deutsche Entwicklungsprojekte in den vergangenen Jahrzehnten erinnern. Auch die Angebote der Deutschen Welle in diesem Bereich verstehen wir als Entwicklungshilfe, die der afghanischen Bevölkerung zugute kommt. Es gibt sehr wenige Medienfachkräfte in Afghanistan. Deshalb waren die beiden Kurse der DW-AKADEMIE für ARIANA-Mitarbeiter sehr hilfreich. Auch das zwölf köpfige Journalistenteam, das zurzeit in Deutschland ist, nimmt an DW-Seminaren im Managementbereich teil. Unsere Fakultäten sind noch nicht in der Lage, Absolventen mit dem entsprechenden Niveau auszubilden. Deshalb sind wir noch mindestens zehn Jahre auf diese Hilfe angewiesen.
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Man braucht Mut, über Aufbauarbeit zu berichten, während die Konkurrenz über die angespannte politische Lage spricht. Die meisten Medien sind in der Tat angesichts der katastrophalen Sicherheitslage in Afghanistan ausschließlich mit Politik beschäftigt. Besonders in den vergangenen zwei, drei Jahren haben die Menschen in Afghanistan ihre Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und auf eine gesunde Entwicklung verloren. Die Hoffnung wird leider von der Politik zerstört. Wir versuchen nun mit aller Kraft, die Saat der Hoffnung in den Menschen wieder zu wecken. Das ist momentan das Leitbild der Presse in Afghanistan. Wir machen
eine Arbeit, die die Politik nicht imstande ist auszuführen.
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„Wir fürchten nicht den Staat,
sondern die Mafia“: Ehsanullah Aryanzai, Management Director von
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Leben Sie gefährlich? Medienmacher in Afghanistan haben keine Angst vor dem Staat, der mischt sich auch wenig ein. Aber sie fürchten sich vor verbrecherischen Mafiagruppen, wie der Drogen- oder der Waffenmafia. Diese Gruppen sind wirklich gef ährlich. Das gleiche gilt für die Feinde des Staates.
ARIANA Television and Radio Network
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Was erhoffen Sie sich für die Zukunft von dieser Partnerschaft mit der DW? Dass sich die Zusammenarbeit weiterentwickeln und Bestand haben wird, denn die Auf klärung der Menschen in Afghanistan ist sehr wichtig. Dieser Prozess führt zu einer friedlichen Gesinnung in der Bevölkerung. Deshalb brauchen wir auch weiterhin diese Unterstützung. ——
ARIANA Television Network (ATN) und ARIANA FM bilden die größte private Medienkette Afghanistans, gegründet von dem aus Afghanistan stammenden amerikanischen Unternehmer Ehsan Bayat. ARIANA TV ist nahezu landesweit zu empfangen und kann dabei die technische Infrastruktur der
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ebenfalls Bayat gehörenden Mobilfunkfirma Afghan Wireless nutzen: Auf den Mobilfunkmasten wurden zugleich Radio- und TV-Antennen angebracht. Die Kooperation mit der Deutschen Welle umfasst unter anderem 50 Stunden TV-Programm (Dari und Paschtu) aus dem Angebot von DW-TRANSTEL. Ein Paket über weitere 50 Stunden soll in Kürze folgen. Der Hörfunksender ARIANA FM versorgt die Hauptstädte aller 34 Provinzen des Landes und 20 weitere Städte und erreicht nach eigenen Angaben rund sieben Millionen regelmäßige Hörer. Seit November 2006 strahlt ARIANA FM das von der Deutschen Welle mit Mitteln des Auswärtigen Amts produzierte, täglich 30-minütige Aufbaumagazin in den afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu aus. Interesse besteht zudem an der Serie „Learning bei Ear“. Diese zunächst für Afrika produzierten Radionovelas der Deutschen Welle werden nun auch in Dari und Paschtu aufgelegt – rund 25 Episoden.
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„Rötliche Giganten“: Holzar-
beiter bei der SEFAC, im Südosten von
Das grüne Gold von Kamerun
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Yaoundé – Sie sind die grüne Lunge unseres Planeten und bilden das artenreichste Ökosystem der Erde: die Regenwälder in den Tropen. Nach UN-Angaben verliert die Welt jährlich zwölf Millionen Hektar Regenwald. Das entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands. Carine Debrabandère hat sich in Kamerun umgesehen, dem größten Holzexporteur Schwarzafrikas, der sich bemüht, den Raubbau zu bekämpfen. Der Anblick ist atemberaubend. Bis zum Horizont erstreckt sich der grüne Ozean. Rötliche Giganten ragen bis zu 60 Meter aus dem Regenwald heraus. Es ist die Heimat von Madjamgo, im Südosten von Kamerun. Der 45-jährige Baka-Pygmäe führt mich unter den PalaverBaum zu den Ältesten des Dorfes Zoulabot Ancien, die sich hier versammelt haben. Sie machen sich Sorgen um ihren Wald, zu viele Bäume seien in den vergangenen Jahren verschwunden. Madjamgo dagegen erhofft sich eine bessere Zukunft durch die Holzindustrie, die seit über 30 Jahren in Kamerun den Wald ausbeutet. „Wir
wollen richtige Häuser haben“, betont er, „mit Blechdach – und dafür brauchen wir Arbeit, mit der wir Geld verdienen. Wir wollen auch eine Schule und ein Krankenhaus in der Nähe.“ Holz ist Kameruns zweitgrößte Einnahmequelle – nach Erdöl. Tropenholz sorgt für zehn Prozent des Bruttosozialprodukts und schafft 150.000 Arbeitsplätze. Der Preis dafür ist hoch: Kahlschlag, ohne Rücksicht auf die Umwelt und kommende Generationen. In keinem anderen Land Afrikas ist bislang der Waldverlust so groß wie in Kamerun. Doch der besorgniserregende Trend könnte gestoppt werden dank einer neuen
Medienpreis Entwicklungspolitik 2008 Für ihre Reportage „Kamerun – nachhaltige Waldwirtschaft im tropischen Regenwald“ hat DW-Redakteurin Carine Debrabandère (Foto) den Medienpreis Entwicklungspolitik 2008 erhalten. Der Beitrag war Teil der Schwerpunktreihe „Rohstoffe – Fluch oder Segen?“, die DW-RADIO im Jahr 2007 ausgestrahlt hat. Am 15. Dezember hat Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Auszeichnung im Rahmen eines Festaktes in Berlin überreicht. „Der Preis zeichnet journalistische Beiträge aus, die durch außergewöhnliche Qualität das öffentliche Bewusstsein für Entwicklungspolitik schärfen“, so die Bestimmungen des Medienpreises Entwicklungspolitik, der in diesem Jahr zum 33. Mal vergeben wurde. Er ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert.
Mauretanien
Mali
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Forstpolitik, an der Denis Koutou Koulagna beteiligt ist: „Wir versuchen, Waldflächen zur Nutzung freizugeben und trotzdem traditionelle Rechte zu respektieren. Wir wollen Richtlinien durchsetzen, wie der Holzeinschlag auszusehen hat. Und das alles wird von unabhängigen Kontrolleuren überprüft“, erklärt mir der Forstexperte im Umweltministerium der Hauptstadt Yaoundé.
Sudan
Burkina Faso
Nigeria Sierra Leone
Liberia
ElfenbeinGhana küste
Benin Togo
Kamerun
Zentralafr. Republik
Douala Äq. Guinea Kongo Gabun
DR Kongo
EU-Projekt gegen illegalen Holzhandel
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Es geht vor allem um das Thema „illegale Holznutzung“. Denn rund die Hälfte des Holzeinschlags in Kamerun geschieht ohne Genehmigung der Behörden, ohne Kontrollen, ohne Auflagen. Die zuständigen Beamten drücken oftmals beide Augen zu und lassen sich bestechen. Kein Wunder, denn seit der Abwertung des Franc CFA im Jahr 1994 verdienen sie etwa 75 Prozent weniger. Für die Firmen lohnt sich die Bestechung allemal: „Die Unterschrift eines mittleren und kleinen Beamten kann für eine Firma die Steigerung der Jahreseinnahme um das Zehntausendfache einbringen“, erfahre ich von Dirk Thies von der GTZ, der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. Im Auftrag der Bundesregierung und der Europäischen Union arbeitet er am FLEGT-Projekt mit den kamerunischen Behörden zusammen. FLEGT, das steht für Forest Law Government and Trade. Dieses EU-Projekt hat der Vermarkg h den Kampf tung von Holz aus illegalen Quellen t1 angesagt und soll freiwillige Vereinbarungen mit 99 den Holz produzierenden Ländern und 8den dort G tätigen Unternehmen herbeiführen. r
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Tragfähige wirtschaftliche Perspektiven
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80 Prozent der Produktion aus Kamerun wird nach Europa verschifft – für Fensterrahmen, Parkettfußböden oder Furniere. Seit den Aufrufen zum Tropenholzboykott in den Achtzigerjahren sind die europäischen Kunden wählerisch geworden. Holzunternehmer wie Guillermo Bonnelli haben sich deshalb umgestellt. Der Italiener leitet die SEFAC, eine der größten Holzfirmen Afrikas. Im Südosten von Kamerun bewirtschaftet die SEFAC 400.000 Hektar Wald. Was die EU auf Regierungsebene mit dem FLEGT-Programm anstrebt, das versucht Bonnelli schon seit vier Jahren vor Ort auf die Beine zu stellen. Mit Erfolg: Die SEFAC ist Ende 2007 nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert worden. Dieser Weltforstrat ist eine internationale Initiative, der Umweltorganisationen, Vertre-
ter der Gewerkschaften und indigener Völker sowie Teile der Holzwirtschaft angehören. Die Idee dahinter klingt einleuchtend: Wer den Wald trotz Holznutzung schützt, wer den umliegenden Dörfern dabei hilft, tragf ähige wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln, der darf seine Holzprodukte mit dem FSC-Label auszeichnen. Und bei kritischen Kunden dafür etwas mehr Geld verlangen. Nicht nur für die SEFAC hat das positive Folgen, sondern auch für Libongo, die Holzf ällerstadt direkt nebenan. Dank der Holzsteuer ist in Libongo ein Lebensmittelmarkt entstanden. Fatoumata verkauft dort Obst und Gemüse und freut sich: „Wir wohnten bisher in Strohhütten. Jetzt bekommen wir ein Haus mit richtigem Blechdach. Und wer weiß, vielleicht können wir uns irgendwann einmal auch Wände aus Backstein leisten.“ Holzwirtschaft in Kamerun: Das war jahrzehntelang gleichbedeutend mit der Zerstörung des Regenwaldes im dünn besiedelten Südosten des Landes. Aber wie die SEFAC versuchen inzwischen auch einige andere Holzfirmen, neue Wege zu gehen. Wenn die Pläne der Regierung gemeinsam mit den Umwelt- und
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Angola Sambia Simbabwe
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Entwicklungsorganisationen vorangetrieben werden, dann könnte Kamerun ein Vorbild in Sachen „nachhaltige Forstwirtschaft“ werden. Eine Hoffnung, die allerdings nur Wirklichkeit werden kann, wenn die Korruption stärker bekämpft wird. ——
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Neue Wege in der Holzwirt-
schaft: Warten auf die Reise nach Douala, Kameruns Hafen
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Die Aufzeichnungen des Alexander Andreev Bonn – Er übersetzt gern und viel, ob Rilke, Thomas Bernhard oder Günter Grass. Er schreibt auch gern und viel: Kommentare und Hintergrundstücke für das Bulgarische Programm von DW-RADIO, das er seit Dezember 2008 kommissarisch leitet. Auch Kolumnen für bulgarische Tageszeitungen – und eigene Romane. Nina Haase stellt Alexander Andreev vor.
„Tasse, Becher, Krug, Glas – auf Deutsch gibt es so viele verschiedene Wörter für Trinkgef äße. Auf Bulgarisch sagt man: Tasse für Kaffee, Tasse für Wein, Tasse für Wasser.“ Alexander Andreev lacht, als er erzählt, welche Mühe er beim Übersetzen einer Passage aus Rainer Maria Rilkes einzigem Roman hatte: „Da ist eine wunderschöne Szene, wo jemand vor einer Glasvitrine steht und aufzählt, was alles drin ist: Diese Passage ist eine Seite lang, sehr poetisch, mit ganz unterschiedlichen Wörtern für Trinkgef äße. Es ist furchtbar, wenn man das alles mit immer demselben Wort wiedergeben muss.“
Der erfahrene Übersetzer griff in die Trickkiste: Er entlieh Begriffe aus anderen slawischen Sprachen, benutzte Dialektwörter oder stellte die Syntax um. So konnten „Die Aufzeichnungen des Martin Laurids Brigge“ dann auf Rilkewürdigem Bulgarisch veröffentlicht werden. Sein Interesse am Schreiben entdeckte er früh: Mit zwölf Jahren verfasste er die ersten kleinen Geschichten, mit 20 wusste er, dass er das Schreiben zum Beruf machen wollte. Inzwischen hat er für seine Arbeiten zahlreiche Preise gewonnen, als Journalist und als Übersetzer. Im Dezember ehrte ihn die EU-Kommission in Bulgarien:
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Andreev erhielt den Robert-Schuman-Preis 2008. „Der Spaß an der Sprache – und am Spiel mit dieser – liegt in meinen Genen“, sagt Andreev. Sein Vater und sein Großvater prägten ihn früh mit ihrer Wortgewandtheit. Und seine Mutter sprach fließend Deutsch. „In meiner Familie drehte sich vieles um die deutsche Sprache“, sagt Andreev, der mit 14 Jahren auf das deutsche Gymnasium in Sofia wechselte. Deutschland, das war für Andreev damals hauptsächlich die DDR, wo seine Schwester studierte. Ende der Sechzigerjahre begann er, Auslandsrundfunk zu hören. So kam er mit dem Westen in Kontakt. „Ich muss zugeben, es war hauptsächlich wegen der Popmusik…“ Andreev zögert kurz, lacht und ergänzt: „Die ich bei der Deutschen Welle allerdings nicht gefunden habe.“ Nie habe er sich damals träumen lassen, einmal selbst bei der Deutschen Welle zu arbeiten. Obwohl er im kommunistischen Bulgarien oft wegen seiner systemkritischen Radioberichte bei den Behörden aneckte, kam es ihm nicht in den Sinn, das Land zu verlassen. „Man hatte sich in dem System eingerichtet. Das muss man zugeben. Heute schäme ich mich für diesen engen Horizont.“ Angepasst war Alexander Andreev trotzdem nie: 1983 gründete er mit einigen ambitionierten Kollegen die erste Live-Talkshow im bulgarischen Hörfunk. Gelegentlich luden die jungen Journalisten Gäste ein, deren Äußerungen die bulgarische Regierung verstimmten. „Bei einer Talkshow kann einem schon mal was herausrutschen, nicht nur dem Moderator, auch dem Gast“, schmunzelt Andreev. Es folgten Abmahnungen und „intensive Gespräche“ mit den Behörden, die das Programm rund um die Uhr überwachen ließen. „Wir kannten die Typen sogar, die den ganzen Tag unsere Sendung angehört haben. Ab und zu kamen sie und sagten: Das habt ihr falsch gemacht, das entspricht nicht der Linie, das ist feindliche Propaganda.“ Ein halbes Jahr vor der politischen Wende in Bulgarien erhielt Andreev Mikrofonverbot, das mit der Wende aber wieder erlosch. Stolz ist er darauf nicht. „Das war keine Heldentat“, sagt er.
Nein, ein Dissident sei er nie gewesen. Zu sehr sei er damals durch die Muttersprache an Bulgarien gebunden gewesen, als dass er das Land hätte verlassen wollen. Das Angebot, seine Vorlieben – Bulgarisch und Deutsch, Übersetzen und Journalismus – miteinander in einem Beruf zu verbinden, kam für Andreev 1990, nach der politischen Wende in Bulgarien. „Meine jetzt in den Ruhestand gegangene Chefin Roumiana Taslakowa kam Ende 1990 nach Sofia, auf der Suche nach frischen Kräften für die Redaktion. So kam sie auch zu mir.“ Er nahm das Angebot an, nach Deutschland zu kommen, um für die Deutsche Welle zu arbeiten: „Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben.“ Jetzt ist er mit seiner Familie seit 18 Jahren hier.
»Der Spaß an der Sprache liegt in meinen Genen.« Mit seiner Frau, Anglistin und Übersetzerin, wohnt Alexander Andreev in Bonn. Zu seinem Heimatland hält er die Verbindung. Oft ist er als Lektor oder Konferenzteilnehmer in Deutschland, Österreich und Bulgarien unterwegs. „Das Leben ist nicht langweilig“, sagt Andreev, der nach eigenen Angaben schon seit Jahren nicht mehr den Fernseher eingeschaltet hat. „Ich spiele abends lieber Karten, gehe ins Konzert oder unterhalte mich mit meiner Frau.“ Oder mit seiner Tochter. Die arbeitet in Brüssel als Press Officer im Kabinett der EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien. „Meine Tochter hat in Maastricht und Edinburgh studiert, hat mittlerweile Freunde überall auf der Welt. Jetzt ist sie gerade in China mit ihrem türkischen Freund. Sie lebt mit einer Selbstverständlichkeit die Freiheit, die wir nie hatten“, sagt Andreev. Und lächelt. ——
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Begutachten das Modell:
Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.), und Casinoleiter Herrmann Müller
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Bald Vergangenheit:
das Gedränge im Casino
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INTERNATIONAL CONFERENCE 3Ð5 JUNE 2009 á BONN, GERMANY
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Begutachten das Modell:
Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.), und Casinoleiter Herrmann Müller
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